30 Zoom DIE SMARTPHONE GENERATION VON MAXIMILIAN WALLNER EIN LEBEN OHNE HANDY KÖNNEN SICH DIE MEISTEN JUGEND- LICHEN NICHT MEHR VORSTELLEN - WAS BEDEUTET DAS FÜR UNS?
J eder kennt die Situation: Man sitzt in einem Café und trinkt gemütlich ein Getränk. Vielleicht ist ein Freund oder eine Freundin dabei, die man schon etwas länger nicht mehr gesehen hat. Plötzlich kramt sie in ihrer Tasche. Das Handy, sie müsse da kurz rangehen, sei wichtig. Eigentlich mag sie das ja auch nicht, sich im Café mit dem Handy beschäftigen zu müssen. Sieht man sich um, fällt eines ganz besonders auf. Wo man auch hinblickt, überall Handys auf den Tischen und Leute, die in diesen versinken. Wenn man Pech hat, sitzt man genau an solch einem Tisch. Willkommen im 21. Jahrhundert. Das mobile Internet hat sich zum Sinnbild unserer Generation entwickelt. Was ist denn eigentlich ein Smartphone? Für diese Frage begebe ich mich erst einmal in ein Handygeschäft. Auf meine Frage kommt rasch eine klare Antwort, die bei mir aber trotzdem Fragen aufwirft: Ein Smartphone ist ein Handy, meist mit Touchscreen und Internetzugang. Aha. Und was macht die Dinger jetzt so spannend, sodass niemand mehr davon loskommt? Schließlich scheint das Gerät derzeit die beliebteste Alltagsbeschäftigung unter dem Großteil der 14- bis 20-Jährigen zu sein. Wikipedia sagt: „Ein Smartphone ist ein Mobiltelefon, das mehr Computerfunktionalität und -konnektivität als ein herkömmliches fortschrittliches Mobiltelefon zur Verfügung stellt.“ Schon besser. Aber immer noch nicht ganz aufschlussreich. Es ist ganz einfach das Spektrum, welches so ein kleines Ding umfasst. Was früher nur am Computer gemacht werden konnte, ist heute mit einem Griff in die Hosentasche erledigt. „Smartphone“ ist meiner Meinung nach eine durchaus untertriebene Bezeichnung. „Hochleistungsalleskönneraufkleinstenraummaschine“ fände ich angebrachter. Die Vielfalt der kleinen Superrechner ist enorm. Unzählige Freizeiträuber lassen sich problemlos aus dem Internet herunterladen und stehlen einem dann kostbare Zeit. Genau dieses Überangebot sorgt dafür, dass wir nahezu jede freie Sekunde in unserer Hosentasche neuen besten Freund stecken. Das Smartphone lässt uns keine Ruhe mehr. Nach der nächsten Bahn gucken, das Wetter von morgen, E-Mails checken, soziale Kontakte pflegen, telefonieren, spielen, schreiben… Es vergeht keine halbe Stunde mehr, ohne nicht mindestens einen Blick auf die kleinen, hochglanzpolierten Schmuckstücke zu werfen. Man könnte ja etwas verpassen. Und Langeweile ist ja sowieso unerträglich. Dabei tut uns die Muße doch so gut! Ich erinnere mich an mein Abitur in Deutsch. Damals musste ich klarstellen, warum wir zweckfreie Zeit so dringend brauchen und uns Langeweile auch gut tut und wichtig für uns ist. Kurz gesagt: Warum wir mehr Zeit für Muße brauchen. Jetzt verstehe ich auch, warum uns dieses Thema gestellt wurde. Irgendjemand muss geahnt haben, was da auf uns zukommt. Aber zurück zum Thema… M E I N E R S T E S S M A R T P H O N E Meine ersten Erfahrungen mit einem Smartphone sind noch keinen Monat alt. Länger wie eine Woche hab ich das gute Stück jedoch nicht ausgehalten. Die Auswahl an Möglichkeiten hat mich förmlich erschla- gen. Und nach ein paar Tagen fiel mir erst auf, wie viel Zeit ich eigentlich in dieses kleine Ding investiert hatte. Ich habe keine Lust, immer und überall erreichbar zu sein und will auch einfach gar nicht immer wissen, wie morgen das Wetter wird. Es sind die kleinen Dinge, die auf einmal so vieles verändern. Sinn und Zweck des Smartphones war ursprünglich die Erleichterung alltäglicher Kleinigkeiten. Diese Funktion streite ich nicht ab, keineswegs. Hätte ich ein Smartphone, hätten mir sinnlos verbrachte Stunden am Bahnsteig erspart bleiben können. Und ich wüsste vermutlich endlich, wie dieses schöne Lied aus dem Radio heißt. Zu Hause am Computer nach dem Titel zu suchen, vergesse ich nämlich meistens auf dem Weg. Und letztlich gibt es weltweit mehr als eine Milliarde Smartphone-Nutzer. Das muss ja schließlich einen Grund haben. Dennoch existieren Risiken, die man, gerade in Anbetracht von Kindern und Jugendlichen, ernst nehmen sollte. Datenklau, Hackerangriffe, unbewusste Kosten durch automatische App-Aktualisierungen und ungeschützte Internetseiten sind nicht zu unterschätzende Gefahren. Um zu erfahren, wie die <strong>Augsburg</strong>er zu Smartphones stehen, begebe ich mich an einem Samstagnachmittag in die Annastraße und frage persönlich nach. Schnell stelle ich fest: Das Gerät ist fester Bestandteil unserer heutigen Jugend. Es gehört dazu wie der Geldbeutel, der Schlüssel und die frische Unterhose. Auf die Frage, ob sie lieber zwei Wochen auf Sex und Alkohol oder ihr Smartphone verzichten würden, entschied sich gut die Hälfte der Interviewten zu Gunsten des Handys. Bei jüngeren Befragten (13-16 Jahre) war die Entscheidung noch eindeutiger: Zwei Drittel der Jungs und Mädchen würden eher Skateboard und Fußball bzw. Schminke und Shoppen hintanstellen. Das Handy wird auf einmal zum besten Freund. Erst anhand solcher Fakten lässt sich der immaterielle Wert dieser Mobiltelefone feststellen. Viele sagten sogar, das Handy sei das Wichtigste, was sie besitzen. Über diese Naivität zerbreche ich mir heute noch den Kopf. Oder liegt der „Fehler“ bei mir und ich komme dem technischen Fortschritt einfach nicht entgegen? Ich denke, eine gute Lösung wäre ein Kompromiss. Suchtähnliches Verhalten an Handys kann nicht die Zukunft der kommenden Generation sein. Aber dem Fortschritt den Rücken zu kehren, ebenfalls nicht. „Nachhaltiges und vernünftiges Surfen“ erscheint mir da als ganz passabler Slogan. Der sichtbare Wandel, den das Smartphone zu uns gebracht hat, lässt sich anhand eines Städtereise-Vergleichs im Wandel der Zeit gut verdeutlichen. Vor nicht einmal 20 Jahren gab es ein paar Dinge, die man besser nicht vergaß, bevor es für ein paar Tage in eine andere Stadt bzw. ein anderes Land ging: Landkarte, Fotoapparat, Reiseführer, Kompass, Buch. Für Geheimtipps traf man sich noch mit einem Freund und tauschte sich aus. Heute braucht man genau eines: ein Smartphone. Wie viel Spaß damit verbunden ist, den halben Tag mit dem Handy in der Hand „Urlaub“ zu machen, ist Geschmackssache. Ich bin altmodisch genug, um auf Altbewährtes zurückzugreifen. Zoom I M M E R L E I C H T E R I S T N I C H T A U TO M A - T I S C H I M M E R B E S S E R Neben den Smartphones selbst gibt es mittlerweile weitere Trends, die im Café für Kommunikationslosigkeit sorgen. Facebook war nämlich mal cool, richtig hip ist jetzt „Instagram“. Eine Plattform im Internet, auf der Bilder gepostet werden und denen dann sogenannte „Hashtags“ angehängt werden. Keine Nachrichten, keine virtuellen Freunde. Nur Bilder. Mach ich also ein Bild von einem Sonnenuntergang, schreibe ich unter mein Bild „#Sonnenuntergang“. Je mehr Hashtags, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass meine Bilder gefunden wer- den. Und umso höher ist die Chance auf potenzielle „Likes“ und „Follower“. Simples Prinzip. Einfach gut aussehen, kein großer Schnickschnack. Es hat den Anschein, als würde versucht werden, uns und unseren nachkommenden Generationen die Dinge immer leichter zu gestalten. Aber immer leichter ist nicht automatisch immer besser. Smartphones sind ganz bestimmt kein Teufelswerk. Sie sind Teil unserer Generation und wir müssen lernen, vernünftig mit ihnen umzugehen. Trotzdem dürfen die Risiken, gerade unsere Kinder und Jugendlichen betreffend, nicht vernachlässigt werden. Bereits begonnene Initiativen zeigen, dass an dieser Baustelle schon gearbeitet wird. Es bleibt zu hoffen, dass meine Kinder einmal überhaupt noch wissen, wofür ein Café gut ist. Da bekommt der Begriff „Internetcafé“ eine ganz neue Bedeutung. Aber bis dahin ist noch ein bisschen Zeit… #ThanksSteveJobs 31 <strong>04</strong>