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Stadtmagazin Neue Szene Augsburg 2013-01

Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info immer auch unter www.neue-szene.de

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Ich komme aus einer bürgerlichen, weltoffenen Familie.<br />

Aber wenn der Generalsekretär der CSU sagt,<br />

seine Partei sei bürgerlich und er mit neochauvinistischen<br />

Sprüchen Hetze gegen die Griechen macht, wo<br />

ist denn da der Anstand?<br />

Etwa Macho-Chauvi Sprüche?<br />

Nein, nein, nein, ich meine geschichtsvergessene<br />

Griechenlandhetze. Natürlich muss und kann man kritisieren,<br />

wenn Länder Reformen nicht durchgesetzt<br />

haben, oder reiche Griechen keine Steuern zahlen.<br />

Aber dieser Chauvinismus hat total vergessen, dass<br />

die Nazis in Griechenland fürchterliche Verbrechen begangen<br />

haben. Da muss man sich nicht wundern,<br />

wenn es zu Verletzung führt, wenn man sagt: Der<br />

Grieche ist faul, der Grieche will nicht arbeiten. Das<br />

geht nicht.<br />

Dann dürften die Deutschen aber in Europa kaum<br />

ein Land kritisieren.<br />

Das ist doch Blödsinn, es geht ja nicht um die Kritik<br />

als solche, sondern um die Art und Weise der Kritik.<br />

Auch wo es Nazi-Vergangenheit gibt, ist Kritik berechtigt.<br />

Aber man darf nicht vergessen, was für Bilder<br />

in den Köpfen der Menschen entstehen.<br />

Angela Merkel mit Hakenkreuzbinde und Peitsche.<br />

Das ist nicht akzeptabel, aber was hat denn die Bild-<br />

Zeitung monatelang für eine Hetze gegen die Griechen<br />

getrieben?<br />

Wie sieht’s eigentlich mit deutschen Panzern für<br />

die Saudis aus?<br />

Auf keinen Fall!<br />

Wiesonicht?WirkaufendochauchihrÖl.<br />

Es gibt so was wie Rüstungsexportrichtlinien, die<br />

müssten eigentlich für jede Regierung bindend sein.<br />

Dasheißt,dassmaninkeinLand,indemdieMenschenrechte<br />

verletzt werden, deutsche Rüstungsgüter<br />

liefern darf, das Gleiche gilt für Länder in<br />

Krisenregionen und das alles trifft definitiv auf Saudi-<br />

Arabien zu. Ich glaube nicht, dass sie irgendwo auf<br />

der Welt jemanden finden, der sagt: In Saudi-Arabien<br />

werden die Menschenrechte geachtet, auch Frauenrechte<br />

gibt es nicht.<br />

Warum verhängen wir dann nicht gleich Sanktionen<br />

gegen Saudi-Arabien?<br />

Das frage ich mich auch, es wird ja behauptet, Saudi-<br />

Arabien sei ein Stabilitätsfaktor, das ist reiner Zynismus.<br />

Saudi-Arabien ist kein Stabilitätsfaktor, sondern<br />

Exportland Nummer eins, was fanatischen Islamismus<br />

angeht.<br />

Dummerweise auch, was Öl angeht.<br />

Deswegen müssen wir weg von der Ölabhängigkeit,<br />

wir müssen ohnehin von den fossilen Ressourcen<br />

weg, aber auch, um unabhängig von Regimes zu werden,<br />

die nicht demokratisch sind. Das war ja auch das<br />

Problem, als man Libyens Diktator Gaddafi unterstützt<br />

hat um das Öl zu bekommen, zum Dank hat man dann<br />

Waffen geschickt und zum Dank hat Gaddafi die<br />

Flüchtlinge aufgehalten, die nach Europa wollten.<br />

Der erste deutsche Kanzler, der Gaddafi besucht<br />

hat, stand an der Spitze einer rot-grünen Regierung,eswarGerhardSchröder.<br />

Das macht es ja nicht besser, entschuldigen Sie mal,<br />

das habe ich auch immer kritisiert. Wenn uns der Arabische<br />

Frühling etwas lehrt, dann, dass es ohne Demokratie<br />

keine Stabilität gibt.<br />

Was machen wir eigentlich in der Zeit, bis wir unabhängig<br />

vom Öl sind? Geschäfte nur mit Demokraten?<br />

Wenn wir eine werteorientierte Außenpolitik machen<br />

wollen, dann sollte sich das auch in der Außen- und<br />

Wirtschaftspolitik niederschlagen. Dann können auch<br />

Wirtschaftsunternehmen in die Pflicht genommen<br />

werden, dass sie in Ländern, in denen sie produzieren,<br />

auf die Menschenrechtslage positiv Einfluss nehmen.<br />

Also Öl und Gas nur von Demokraten.<br />

(schaut unwillig vom Teppich hoch) Wir müssen weg<br />

vom Öl. Aber Sie sagen ja, wenn wir Öl kaufen, können<br />

wir denen auch Panzer schicken!<br />

Dassageichnicht.<br />

Doch!<br />

Ich sage, es ist moralisch inkonsequent.<br />

Istesnicht.<br />

Wir geben euch keine Panzer, aber wir nehmen<br />

euer Öl. Das ist moralisch inkonsequent.<br />

Das ist nicht inkonsequent, es ist ein Unterschied, ob<br />

ich Öl beziehe oder Waffen liefere. Ich will weg von<br />

der Abhängigkeit von solchen Ländern, die Öl fördern,<br />

um nicht in Situationen zu kommen, in denen ich<br />

nicht glaubwürdig Menschenrechte einklagen kann.<br />

Sonst machen wir uns zu Kumpanen von Menschenrechtsverletzern.<br />

Das haben Sie Angela Merkel<br />

vorgeworfen.<br />

(wird lauter) Rot-Grün hat keine Waffen geliefert an<br />

Länder wie Saudi-Arabien, wer an die Waffen liefert,<br />

kann die ganze Welt mit Waffen beliefern! Verstehen<br />

Sie? Wenn Deutschland jetzt nach Saudi-Arabien Panzer<br />

liefert, dann gibt es kein Land mehr, an das man<br />

nicht liefern kann. Angela Merkel hat sich schon zur<br />

Kumpanin gemacht, wenn sie ernsthaft behauptet<br />

Rüstungsexporte sind Friedenspolitik.<br />

Nordkorea vielleicht noch.<br />

Das stimmt, ja, aber ob Nordkorea so viel schlimmer<br />

als Saudi-Arabien ist?<br />

Lieber katholische Provinz oder multikulti Kreuzberg?<br />

Das ist doch kein Widerspruch.<br />

Eigentlich schon.<br />

Die katholische Provinz ist inzwischen auch multikulti.<br />

Es gibt keine katholische Provinz, die nicht multikulti<br />

wäre. In <strong>Augsburg</strong> haben vierzig Prozent aller Menschen<br />

einen Migrationshintergrund und sechzig Prozent<br />

aller Kinder.<br />

Wieso macht Politik einsam?<br />

Es gibt Momente von Einsamkeit, wenn man von der<br />

Zoom<br />

großen Öffentlichkeit in ein Hotelzimmer kommt, dann<br />

spürt man die Einsamkeit massiv, aber Politik an sich<br />

macht nicht einsam.<br />

Erträgt man veröffentlichte Einsamkeit leichter,<br />

wenn die Menschen wahrnehmen, dass man einsam<br />

ist?<br />

Es interessiert Leute, oder interessiert Leute nicht,<br />

wenn ich gefragt werde, wie jetzt von Ihnen, gebe ich<br />

eine Antwort.<br />

Was machen Sie, wenn Ihnen langweilig ist?<br />

(überlegt) Das ist selten...<br />

Keine langweiligen Momente?<br />

Das ist eine gute Frage. Dann spiele ich ein Spiel, bei<br />

dem ich nie zum Ende komme, oder zappe in der Gegend<br />

rum, aber das ist eigentlich keine Langeweile,<br />

sondern eher eine Form von Runterkommen.<br />

SiesindeinWorkaholic.<br />

Das weiß ich nicht, aber wenn jemand sagt: Arbeit<br />

macht nicht glücklich. Das stimmt bei mir definitiv<br />

nicht.<br />

Angst davor, vergessen zu werden?<br />

Nein.<br />

Weil man sie nicht vergessen wird?<br />

Ich sorge schon dafür, dass ich Freunde und einen<br />

Anker habe, dass ich nicht abhebe, das hatte ich von<br />

Anfang an. Ich habe schon ein sehr ruhiges und bestimmendes<br />

und vernünftiges Umfeld.<br />

Wie passt Weinen und knallharte Politik zusammen?<br />

Sehr gut.<br />

Weilmanvielweinenmuss?<br />

Nein, manche weinen schneller, manche gar nicht. Ich<br />

denke, Emotion und Mitgefühl gehören zu einer<br />

glaubwürdigen Politik und bei manchen drückt sich<br />

das durch Freudentränen, Tränen der Enttäuschung<br />

oder der Verzweiflung aus. Dieses Klischee von meinen<br />

Tränen, das ist so abgenudelt wie nix, aber für<br />

mich ist es eher bedenklich, wenn die Menschen angesichts<br />

dessen, was in der Welt los ist, glauben, sie<br />

sind die guten Politiker, wenn sie keine Gefühle zeigen.<br />

Ex-Bundespräsident Wulff haben Sie allerdings<br />

Weinerlichkeit vorgeworfen.<br />

Das ist aber was anderes! Weinerlichkeit ist Selbstmitleid,<br />

weil man nicht gut genug behandelt wird. Ob<br />

ich weine, wenn zwei Menschen zum Tod verurteilt<br />

werden, ohne dass sie jemals ein faires Verfahren hatten,<br />

da fing das Klischee von der weinenden Roth an,<br />

oder ob jemand sich beklagt, weil man ihn kritisiert.<br />

Haben Sie nach Ihrer verlorenen Urwahl geweint?<br />

Klar, ganz privat, wäre ja komisch, wenn nicht.<br />

Ach, man könnte ja auch nur tapfer sagen: Leute,<br />

das ist Demokratie.<br />

Ich habe geweint und habe gesagt: Das ist Demokratie.<br />

Das ist kein Widerspruch.<br />

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