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B - Financial Risk and Stability Network

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Kreditwirtschaftlich<br />

wichtige Vorhaben der EU<br />

September 2012


Herausgeber:<br />

Bundesverb<strong>and</strong> Öffentlicher<br />

Banken Deutschl<strong>and</strong>s, VÖB<br />

Lennéstraße 11, 10785 Berlin<br />

Telefon 0 30/81 92-0<br />

Telefax 0 30/81 92-2 22<br />

Büro Brüssel:<br />

Avenue de la Joyeuse Entrée 1-5, B-1040 Bruxelles<br />

Telefon +3 22/2 86 90-61<br />

Telefax +3 22/2 31 02-19<br />

E-Mail: postmaster@voeb.de<br />

Internet: www.voeb.de<br />

ISBN-13: 978-3-9813938-4-2<br />

Redaktion:<br />

Boris Bartels<br />

Julien Ernoult<br />

Inci Metin<br />

Ole Weigmann<br />

Christoph Wengler<br />

Melanie Wulff<br />

Mitarbeit:<br />

Angélique Machuraux<br />

Konstantina Michalaki<br />

St<strong>and</strong>: 1. September 2012<br />

20. überarbeitete Auflage, 2012<br />

Herstellung:<br />

DCM · Druck Center Meckenheim


Bartels · Ernoult · Metin · Weigmann · Wengler · Wulff<br />

Kreditwirtschaftlich wichtige<br />

Vorhaben der EU<br />

St<strong>and</strong>: 1. September 2012


Kreditwirtschaftlich wichtige Vorhaben der EU<br />

Bundesverb<strong>and</strong> Öffentlicher Banken Deutschl<strong>and</strong>s, VÖB, Berlin/Brüssel<br />

ISBN-13: 978-3-9813938-4-2<br />

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede<br />

Verbreitung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne<br />

Zustimmung des Bundesverb<strong>and</strong>es Öffentlicher Banken Deutschl<strong>and</strong>s, VÖB,<br />

unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,<br />

Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen<br />

Systemen.


ÜBERSICHT<br />

Bank- und Bankaufsichtsrecht<br />

Börsen- und Wertpapierrecht<br />

H<strong>and</strong>els- und Gesellschaftsrecht<br />

Verbraucherschutz<br />

Steuern<br />

Zahlungsverkehr<br />

Geldwäschebekämpfung und Finanzsanktionen<br />

Wettbewerb und Beihilfe<br />

Zivil- und Verfahrensrecht<br />

Sonstiges<br />

3<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

E<br />

F<br />

G<br />

H<br />

I<br />

J


INHALTSVERZEICHNIS<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Vorwort ...................................................... 13<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. .............................. 14<br />

1. Einlagensicherungs-Richtlinie. .................................. 14<br />

2. BCCI-Richtlinie .............................................. 18<br />

3. Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten ...... 20<br />

4. Richtlinie zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten ............. 22<br />

5. Bankenrichtlinie (Neufassung) – CRD. ............................ 26<br />

6. Kapitaladäquanz-Richtlinie (Neufassung) – CRD. .................... 38<br />

7. Beteiligungs-Richtlinie ........................................ 42<br />

8. Überarbeitung der CRD – CRD II . ............................... 44<br />

9. Überarbeitung der CRD – CRD III. ............................... 50<br />

II. Von der Europäischen Union verabschiedete Vorhaben. .............. 54<br />

1. Überarbeitung der europäischen Aufsichtsstrukturen ................ 54<br />

2. Änderungsrichtlinie zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten ..... 60<br />

III. Vorhaben in Beratung .......................................... 62<br />

1. Überarbeitung der Einlagensicherungs-Richtlinie .................... 62<br />

2. Überarbeitung der CRD – CRD IV ............................... 66<br />

3. Grenzüberschreitendes Krisenmanagement . ...................... 72<br />

IV. Sonstige Vorhaben. ............................................ 76<br />

1. Grünbuch Schattenbankwesen. ................................. 76<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. .............................. 80<br />

1. Investmentfonds-Richtlinie (OGAW). ............................. 80<br />

2. Anlegerentschädigungs-Richtlinie . .............................. 86<br />

3. Börsenrechts-Richtlinie . ...................................... 88<br />

4. Prospekt-Richtlinie . .......................................... 90<br />

5. Richtlinie über Marktmissbrauch . ............................... 96<br />

6. Transparenz-Richtlinie. ........................................ 98<br />

7. Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) ............... 104<br />

5


INHALTSVERZEICHNIS<br />

6<br />

8. Verordnung über Ratingagenturen ...............................110<br />

9. Verordnung zur Errichtung einer Europäischen Wertpapier- und<br />

Marktaufsichtsbehörde .......................................116<br />

II. Von der Europäischen Union verabschiedete Vorhaben. ..............118<br />

1. Richtlinie zur Regulierung von Managern von Hedgefonds und <strong>and</strong>eren<br />

alternativen Investmentfonds. ..................................118<br />

2. Verordnung über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von<br />

Credit Default Swaps ........................................ 122<br />

3. Verordnung über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien<br />

und Transaktionsregister. ..................................... 126<br />

III. Vorhaben in Beratung ......................................... 130<br />

1. Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie über<br />

Anlegerentschädigungssysteme . .............................. 130<br />

2. Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) . 132<br />

3. Überarbeitung der Richtlinie über Marktmissbrauch . ............... 138<br />

4. Überarbeitung der Transparenz-Richtlinie ......................... 142<br />

5. Überarbeitung der Ratingagenturverordnung. ..................... 144<br />

6. Verordnungsvorschlag zu Europäischen Fonds für Risikokapital ....... 146<br />

7. Verordnungsvorschlag zu Europäischen Fonds für<br />

soziales Unternehmertum . ................................... 148<br />

8. Verordnungsvorschlag zur Verbesserung der Wertpapierabrechnung<br />

in der EU und über Zentralverwahrer. ........................... 150<br />

9. Verordnungsvorschlag für ein Produktinformationsblatt. ............. 152<br />

10. Überarbeitung der OGAW-Richtlinie . ........................... 154<br />

IV. Sonstige Vorhaben. ........................................... 156<br />

1. Clearing und Settlement – Maßnahmen ......................... 156<br />

C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 164<br />

1. Bankbilanz-Richtlinie. ........................................<br />

2. Richtlinie über die Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen von<br />

164<br />

Zweigniederlassungen ....................................... 166<br />

3. Vierte Richtlinie über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter<br />

Rechtsformen. ............................................. 168<br />

4. Siebte Richtlinie über den konsolidierten Abschluss . ............... 172


INHALTSVERZEICHNIS<br />

5. Abschlussprüfer-Richtlinie (Modernisierung) . ......................176<br />

6. Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie über die Gründung von<br />

Aktiengesellschaften ........................................ 180<br />

7. Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft. ..... 182<br />

8. Richtlinie über die Ein-Mann-Personengesellschaft . ................ 184<br />

9. IAS-Verordnung . ........................................... 186<br />

10. Fair-Value-Richtlinie . ........................................ 190<br />

11. Modernisierungs-Richtlinie. ................................... 192<br />

12. Übernahme-Richtlinie. ....................................... 194<br />

13. Verschmelzungs-Richtlinie (Zehnte Richtlinie) ..................... 198<br />

14. Corporate-Governance-Richtlinie . .............................. 200<br />

15. Richtlinie über Aktionärsrechte. ................................ 204<br />

II. Vorhaben in Beratung ......................................... 206<br />

1. Vorschlag für ein Statut der Europäischen Privatgesellschaft. ......... 206<br />

2. Vorschlag für eine Überarbeitung der Rechnungslegungs-Richtlinien . . . 208<br />

3. Vorschläge für eine Richtlinie und eine Verordnung<br />

zur Abschlussprüfung ......................................... 210<br />

III. Sonstige Vorhaben. ........................................... 212<br />

1. Aktionsplan zur Stärkung der Abschlussprüfung . .................. 212<br />

2. Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts/<br />

Corporate Governance ....................................... 216<br />

3. Empfehlung zur Unabhängigkeit von Aufsichtsräten Empfehlungen zur<br />

Vergütung von Direktoren .................................... 220<br />

4. Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor . .... 224<br />

5. Grünbuch zu Corporate Governance in Finanzinstitutionen . . . . . . . . . . . 226<br />

6. Grünbuch für einen Europäischen Corporate Governance Rahmen. .... 228<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 230<br />

1. Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. ..... 230<br />

2. Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung ............ 232<br />

3. Richtlinie über Unterlassungsklagen ............................ 234<br />

4. Allgemeine Fernabsatz-Richtlinie ............................... 236<br />

5. Richtlinie elektronischer Geschäftsverkehr. ....................... 238<br />

6. Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242<br />

7. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ...................... 246<br />

8. Verbraucherkreditrichtlinie . ................................... 248<br />

7


INHALTSVERZEICHNIS<br />

II. Vorhaben in Beratung ......................................... 252<br />

1. Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge . ................... 252<br />

2. Richtlinie über alternative Streitbeilegung und Verordnung über<br />

Online-Beilegung . .......................................... 256<br />

III. Sonstige Vorhaben. ........................................... 258<br />

1. Verbraucherpolitische Strategie (2007–2013) ...................... 258<br />

2. Empfehlung zur außergerichtlichen Streitbeilegung von<br />

Verbraucherstreitigkeiten und FIN-Net ........................... 260<br />

3. Verhaltenskodex über vorvertragliche Informationen für<br />

wohnungswirtschaftliche Kredite .............................. 264<br />

4. Grünbuch Verbrauchersammelklage . ........................... 266<br />

E. STEUERN<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 268<br />

1. Mehrwertsteuersystem-Richtlinie . ............................. 268<br />

2. Mutter-Tochter-Richtlinie. ..................................... 272<br />

3. Richtlinie über die Mehrwertsteuer –<br />

Sonderregelung für Anlagegold . ................................274<br />

4. Richtlinie zur Gewährleistung einer effektiven Besteuerung<br />

von Zinserträgen ........................................... 276<br />

5. Richtlinie über die mehrwertsteuerliche Beh<strong>and</strong>lung<br />

bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen ............... 280<br />

6. Richtlinie Zinsen und Lizenzgebühren . .......................... 282<br />

7. Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe bei der Beitreibung<br />

im Bereich der direkten Steuern<br />

(EU-Beitreibungsrichtlinie) . ................................... 286<br />

II. Von der Europäischen Union verabschiedete Vorhaben. ............. 288<br />

1. Richtlinie über die gegenseitige Unterstützung bei Steuerveranlagungen<br />

(EU-Amtshilferichtlinie). ...................................... 288<br />

III. Vorhaben in Beratung ......................................... 290<br />

1. Richtlinie zur Modernisierung der MwSt. für Finanzdienstleistungen . . . 290<br />

2. Richtlinie zur Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie .............. 292<br />

3. Richtlinie über eine Gemeinsame konsolidierte<br />

Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage . ...................... 294<br />

4. Richtlinie zur Besteuerung von Finanztransaktionen . ............... 296<br />

8


INHALTSVERZEICHNIS<br />

IV. Sonstige Vorhaben. ........................................... 300<br />

1. Empfehlung der Kommission über Verfahren zur<br />

Quellensteuererleichterung . .................................. 300<br />

2. Mitteilung zur Zukunft der Mehrwertsteuer. ...................... 302<br />

3. Mitteilung über die Beseitigung grenzübergreifender steuerlicher<br />

Hindernisse ............................................... 304<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 306<br />

1. Erste Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen ............... 306<br />

2. Richtlinie über elektronisches Geld ............................. 308<br />

3. Verordnung zu grenzüberschreitenden Zahlungen (Preisverordnung) . . . 310<br />

4. Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt . ................. 312<br />

5. Zweite Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen. ............. 316<br />

6. SEPA-Verordnung ........................................... 318<br />

II. Sonstige Vorhaben. ........................................... 320<br />

1. Kundenmobilität bei Bankkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320<br />

2. Transparenz und Vergleichbarkeit von Bankgebühren. ............... 322<br />

3. Empfehlung über Zugang zu einem Basiskonto. ................... 324<br />

4. Grünbuch Karten . .......................................... 326<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 328<br />

1. Dritte Anti-Geldwäsche-Richtlinie .............................. 328<br />

2. Finanzsanktionsverordnungen . ................................ 334<br />

3. Verordnung über die Überwachung von Barmitteln ................ 338<br />

4. Geldtransfer-Verordnung . .................................... 340<br />

5. Verordnung zum Schutz des Euro gegen Geldfälschung . ............ 344<br />

II. Sonstige Vorhaben ........................................... 346<br />

1. EU Strategie gegen Proliferationsfinanzierung. .................... 346<br />

H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 348<br />

1. Fusionskontrollverordnung ................................... 348<br />

2. Kartell-Verordnung . ......................................... 352<br />

9


INHALTSVERZEICHNIS<br />

10<br />

3. Verordnung zu den Verfahrensregeln bei der staatlichen<br />

Beihilfekontrolle . ........................................... 356<br />

4. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung . .................... 358<br />

5. „De-minimis“-Verordnung . ................................... 362<br />

II. Von der Europäischen Union verabschiedete Vorhaben. ............. 366<br />

1. Bürgschaftsmitteilung ....................................... 366<br />

2. Leitlinien über die staatlichen Beihilfen und Risikokapital ............ 370<br />

3. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse<br />

(Daseinsvorsorge) .......................................... 372<br />

4. Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen ...... 376<br />

5. Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen<br />

in Schwierigkeiten . ......................................... 380<br />

III. Sonstige Vorhaben. ........................................... 382<br />

1. Weissbuch zu kartellrechtlichen Sammelklagen. ................... 382<br />

2. Mitteilung zur Modernisierung des Beihilferechts . ................. 384<br />

I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 386<br />

1. Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels .... 386<br />

2. Verordnung zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens . ..... 388<br />

3. Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende<br />

Recht (Rom II) ........................................ 390<br />

4. Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende<br />

Recht (Rom I).............................................. 392<br />

II. Sonstige Vorhaben. ........................................... 394<br />

1. Europäisches Vertragsrecht ................................... 394<br />

J. SONSTIGES<br />

I. In Deutschl<strong>and</strong> geltendes EU-Recht. ............................. 398<br />

1. Richtlinie über Finanzsicherheiten . ............................. 398<br />

2. Richtlinie zur Koordinierung der Vergabeverfahren .................. 402<br />

3. Richtlinie über die mittel- und langfristige Exportkreditversicherung .... 404<br />

4. Richtlinie zur Umwelthaftung .................................. 406


INHALTSVERZEICHNIS<br />

II. Vorhaben in Beratung. .......................................... 408<br />

1. Reform der öffentlichen Auftragsvergabe. ........................ 408<br />

III. Sonstige Vorhaben. ........................................... 410<br />

1. Öffentliche-private Partnerschaften<br />

(Public Private Partnerships). .................................. 410<br />

2. Small Business Act . ........................................ 412<br />

3. Aktionsplan für eine Reform der Finanzmarktregulierung<br />

und -aufsicht . ............................................. 416<br />

4. Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten<br />

in der Europäischen Union ................................... 418<br />

VERZEICHNISSE<br />

Stichwortverzeichnis. .............................................. 421<br />

Abkürzungsverzeichnis ............................................. 431<br />

SCHEMATISCHE DARSTELLUNGEN<br />

Erweitertes Komitologieverfahren zur Beschleunigung der Gesetzgebung<br />

nach dem Vertrag von Lissabon . ..................................... 437<br />

Ordentliches Gesetzgebungsverfahren ................................ 439<br />

11


VORWORT<br />

Vorwort<br />

Der Bundesverb<strong>and</strong> Öffentlicher Banken Deutschl<strong>and</strong>s, VÖB, veröffentlicht seit 1988<br />

in jährlich aktualisierter Form eine Übersicht über die „Kreditwirtschaftlich wichtigen<br />

Vorhaben der EU“. Die Neuauflage gibt den aktuellen St<strong>and</strong> der für die Kreditwirtschaft<br />

wesentlichen europäischen Regelungen und Vorhaben wieder. Das überarbeitete<br />

Buch ist weiterhin durch die Finanzmarktkrise stark geprägt, die auf europäischer<br />

Ebene zu zahlreichen Gesetzes- und Regelungsinitiativen geführt hat. Zu nennen<br />

sind hier insbesondere die Bereiche Bankenaufsicht und Wertpapierrecht.<br />

Im Bankaufsichtsrecht liegt der Fokus vor allem auf verschärften Eigenkapitalanforderungen<br />

(Basel III), der Einlagensicherung sowie dem Richtlinienvorschlag zur Sanierung<br />

und Abwicklung von Kreditinstituten. Die Verbesserung der Infrastruktur von<br />

Derivatemärkten, das Basisinformationsblatt bei Anlageprodukten, die Anlegerschutzvorschriften<br />

der MiFID-Überarbeitung sowie eine zentrale Aufsicht über<br />

Rating agenturen bilden die Schwerpunkte im Wertpapierbereich. Beim Gesellschaftsrecht<br />

ist insbesondere die Stärkung der Corporate Governance der Finanzinstitute zu<br />

nennen. Im Verbraucherschutzbereich steht der Richtlinienvorschlag für eine Regulierung<br />

des Hypothekarkredits im Vordergrund. Die Besteuerung des Finanzsektors sowie<br />

die Einführung einer Finanztransaktionssteuer werden im Bereich Steuern beh<strong>and</strong>elt.<br />

Das Werk enthält ferner Kapitel über Zahlungsverkehr, Geldwäschebekämpfung<br />

und Finanzsanktionen, Wettbewerb und Beihilfe, Zivil- und Verfahrensrecht sowie<br />

sonstige bankrelevante Vorhaben.<br />

Die Themen des Buches werden im Interesse der Übersichtlichkeit in verschiedene<br />

Sachbereiche aufgeteilt. Das in Deutschl<strong>and</strong> geltende EU-Recht wird jeweils vorangestellt.<br />

Hierzu zählen auch die europäischen Verordnungen, die ohne nationale Implementierung<br />

unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten. Anschließend werden die<br />

bereits verabschiedeten, jedoch noch nicht in deutsches Recht umgesetzten Vorhaben<br />

und Bestimmungen beschrieben. Ergänzt wird die Darstellung durch weitere<br />

noch im europäischen Gesetzgebungsverfahren befindliche Regelungen sowie sonstige<br />

Vorhaben der Europäischen Kommission, wie z. B. Weiß- und Grünbücher und<br />

Aktionspläne. Alle Vorhaben werden aus Sicht der öffentlichen Banken kurz kommentiert.<br />

Ferner wird das Gesetzgebungsverfahren jeder einzelnen Maßnahme chronologisch<br />

dargestellt.<br />

Der Anhang des Buches enthält eine Darstellung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens<br />

und des so genannten „Lamfalussy-Verfahrens“. Des Weiteren stellen wir<br />

die „Kreditwirtschaftlich wichtigen Vorhaben der EU“ im iBook-Store zum kostenfreien<br />

Download für das iPad zur Verfügung.<br />

Die Verfasser Berlin/Brüssel im September 2012<br />

13


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Einlagensicherungs-Richtlinie<br />

Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme,<br />

geändert durch Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments<br />

und des Rates vom 11. März 2009 über Einlagensicherungssysteme<br />

Inhalt<br />

14<br />

Die Einlagensicherungs-Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet für die<br />

Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme, auch<br />

gesetzliche Entschädigungseinrichtungen genannt, zu sorgen.<br />

Der Richtlinie liegen zwei Grundprinzipen zu Grunde:<br />

■ Alle in der EU zugelassenen Kreditinstitute müssen sich verbindlich einem Einlagensicherungssystem<br />

anschließen.<br />

■ Die Deckung der Einlagen der Zweigniederlassungen erfolgt durch das Sicherungssystem des<br />

Herkunfts-Mitgliedstaates.<br />

Zweigniederlassungen von Kreditinstituten aus <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten sollen die Möglichkeit<br />

haben, sich freiwillig einem Einlagensicherungssystem im Aufnahmel<strong>and</strong> anschließen zu können,<br />

um die Sicherung des Herkunftsl<strong>and</strong>es zu ergänzen (Topping-up).<br />

Im Falle, dass Einlagen aufgrund der Finanzlage eines Kreditinstituts nicht zurückgezahlt werden<br />

können, soll dem Einleger ein gesetzlicher Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlagen ab 30. Juni<br />

2009 von mindestens 50.000 EUR (Mindestdeckungssumme) eingeräumt werden. Bis zum<br />

31. Dezember 2010 soll eine Deckungssumme von 100.000 EUR festgesetzt werden, sofern eine<br />

bis zum 31. Dezember 2009 von der Kommission vorzulegende Folgenabschätzung eine solche<br />

Erhöhung und Harmonisierung nicht verwirft. Die zunächst geltende Mindestdeckungssumme von<br />

50.000 EUR bildet die Untergrenze der Deckung für die Gesamtheit der Einlagen ein und desselben<br />

Einlegers. Sicherungssysteme, die eine höhere oder volle Entschädigung der Einleger vorsehen,<br />

können beibehalten werden. Auch institutsschützende Einlagensicherungssysteme werden anerkannt.<br />

Die Definition der Einlage ist weit gefasst. Einlagen im Sinne der Richtlinie sind die Guthabenüberschüsse,<br />

die sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus durchlaufenden Transaktionen<br />

ergeben und vom Kreditinstitut zurückzuzahlen sind. Eine Liste im Anhang der Richtlinie enthält<br />

eine Aufzählung bestimmter Einlagen, welche die Mitgliedstaaten von der Sicherung<br />

ausnehmen oder in geringerem Umfang sichern können. Hierzu zählen u. a. Schuldverschreibungen,<br />

Einlagen <strong>and</strong>erer Kreditinstitute, oder die Einlagen von Versicherungsgesellschaften und<br />

Investmentgesellschaften.<br />

Die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen ist von den zuständigen Behörden so rasch<br />

wie möglich, spätestens jedoch nach fünf Arbeitstagen nachdem erstmals die Zahlungsunfähigkeit<br />

des Kreditinstituts festgestellt wurde, zu treffen. Ordnungsgemäß geprüfte Forderungen von Einle-


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

gern müssen binnen 20 Arbeitstagen ab Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen ausgezahlt<br />

werden. Bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände kann diese Frist um höchstens zehn<br />

Arbeitstage verlängert werden. Zudem haben Mitgliedstaaten so rasch wie möglich Vorkehrungen<br />

zu treffen, um auf Antrag des betroffenen Einlegers innerhalb von höchstens drei Tagen nach Eingang<br />

des Antrags die Sofortauszahlung angemessener Beträge zu gewährleisten.<br />

Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass der Einleger die Möglichkeit hat, hinsichtlich seines<br />

Entschädigungsanspruches mit einem Abhilfeersuchen gegen das Einlagensicherungssystem<br />

vorzugehen.<br />

Im Zuge der Finanzmarktkrise wurde die Vorgängerrichtlinie aus 1994 in weiten Teilen überarbeitet,<br />

insbesondere im Hinblick auf die zuvor geltende Mindestdeckungshöhe von 20.000 EUR sowie<br />

die Auszahlungsfrist von vormals drei Monaten und die Entscheidungsfrist über die Nichtverfügbarkeit<br />

von bisher 21 Tagen. Außerdem ist die bisherige Möglichkeit, Kunden einen Selbstbehalt<br />

von bis zu 10 Prozent aufzuerlegen, entfallen. Diese Änderungen wurden im Zuge der Änderungsrichtlinie<br />

2009/14/EG von März 2009 vorgenommen.<br />

Die Richtlinien 94/19/EG und 2009/14/EG befinden sich derzeit in Überarbeitung (siehe Kapitel<br />

A.III.1). Der Kommissionsvorschlag KOM(2010)368/2 zur Neufassung der beiden Richtlinien liegt<br />

bereits vor.<br />

Grundsätzlich war eine Überarbeitung der Richtlinie zehn Jahre nach deren Inkrafttreten erforderlich.<br />

Die deutliche Erhöhung der Mindestgarantiesumme trägt dabei einem veränderten Einlegerverhalten<br />

Rechnung und stärkt, gerade in der Folge der Finanzmarktkrise, das Vertrauen der Kunden<br />

in ihre Bank.<br />

Wir begrüßen zudem, dass die Neuregelungen die über den gesetzlichen Schutzumfang hinausgehenden<br />

freiwilligen Einlagensicherungssysteme ebenso wenig berühren, wie die in Deutschl<strong>and</strong><br />

bestehenden Institutssicherungen. Durch die höhere Deckungsgrenze werden künftig deutlich<br />

mehr Kundeneinlagen bereits durch den gesetzlichen Einlagenschutz abgedeckt, so dass die subsidiäre<br />

freiwillige Absicherung insgesamt in geringerem Umfang in Anspruch genommen werden<br />

dürfte.<br />

Bedenken best<strong>and</strong>en gegen die ursprünglich von der Kommission beabsichtigte Verkürzung der<br />

Auszahlungsfristen auf drei Tage. Wir begrüßen insofern, dass diese Frist in der Richtlinie auf 20<br />

Arbeitstage festgelegt wurde und damit den Erfordernissen der Praxis gerecht wird.<br />

15<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

16<br />

Die Europäische Kommission hatte 1986 eine Empfehlung über Einlagensicherungssysteme vorgelegt.<br />

Da einige Mitgliedstaaten der Empfehlung nicht gefolgt waren, hatte die Kommission sich<br />

dazu entschieden eine Richtlinie zu erlassen. Die erste Einlagensicherungs-Richtlinie wurde am<br />

30. Mai 1994 offiziell gegen die Stimme Deutschl<strong>and</strong>s verabschiedet.<br />

Umsetzungsfrist für die Richtlinie war der 1. Juli 1995. Die Umsetzung in Deutschl<strong>and</strong> erfolgte<br />

zunächst 1997 im Rahmen der 6. KWG-Novelle. Die Bundesregierung hatte u. a. im Hinblick auf<br />

das Exportverbot und das Topping-up am 18. August 1994 den Europäischen Gerichtshof angerufen.<br />

Am 13. Mai 1997 wies der EuGH die Klage ab. Die Kommission reichte am 11. Februar 1998<br />

Klage gegen Deutschl<strong>and</strong> wegen nicht fristgerechter vollständiger Umsetzung der Richtlinie ein.<br />

Schließlich wurden sowohl die Einlagensicherungs-Richtlinie (94/19/EG) wie auch die Anlegerentschädigungs-Richtlinie<br />

(97/9/EG) durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz<br />

(EAEG) vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1842) in deutsches Recht umgesetzt. Das EAEG regelt die<br />

gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen. Darüber hinaus bestehen in Deutschl<strong>and</strong> freiwillige<br />

Einlagensicherungsfonds, die einen Schutz der Einlagen über den gesetzlichen Entschädigungsanspruch<br />

von 20.000 Euro hinaus gewährleisten.<br />

Diese Richtlinie wurde zunächst durch die Richtlinie zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur<br />

im Finanzdienstleistungsbereich (2005/1/EG vom 9. März 2005) geändert.<br />

Aufgrund der unterschiedlichen Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten leitete<br />

die Kommission im Juli 2005 die Überarbeitung der Einlagensicherungs-Richtlinie mit einer Konsultation<br />

ein. Eine weitere Konsultation folgte im November 2005. Auch der Ausschuss der Europäischen<br />

Bankaufsichtbehörden (CEBS)) wurde seitens der Kommission beauftragt, Empfehlungen zur<br />

grenzüberschreitenden Dimension der Einlagensicherung zu erarbeiten. CEBS übermittelte den<br />

entsprechenden Bericht im September 2005. In seinen Empfehlungen schlug CEBS vor, die gegenwärtigen<br />

Bestimmungen nicht grundlegend zu ändern.<br />

Am 22. November 2005 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Bericht über den Mindestdeckungsbetrag.<br />

Am 28. November 2006 folgte eine Mitteilung zu Einlagensicherungssystemen.<br />

Darin erklärt die Kommission zum damaligen Zeitpunkt keine Änderung der Richtlinie vornehmen<br />

zu wollen, stellt aber eine durchgreifende Überarbeitung zu einem späteren Zeitpunkt in<br />

Aussicht. Abgesehen davon wurden in der Mitteilung jedoch einige nicht-legislative Maßnahmen<br />

angeführt (z. B. Abschluss von Rahmenabkommen betreffend „topping up“ Vereinbarungen, Verbesserung<br />

der Information an Konsumenten, etc.), die von der Industrie ausgearbeitet werden<br />

sollten.<br />

Im Februar 2007 publizierte die Kommission eine Studie des Gemeinsamen Forschungszentrums zu<br />

den Auswirkungen einer möglichen Harmonisierung der Einlagensicherungssysteme in Europa.<br />

Zwei weitere Studien des Gemeinsamen Forschungszentrums zur Effizienz von Einlagensystemen<br />

sowie zu risikobasierten Beiträgen wurden im Juni bzw. August 2008 veröffentlicht. Das Europäische<br />

Parlament nahm am 16. November 2007 einen Bericht zum Thema Einlagensicherung an.<br />

Auf Druck der EU Finanzminister legte die Europäische Kommission am 15. Oktober 2008 den Entwurf<br />

einer überarbeiteten Einlagensicherungs-Richtlinie vor. Am 18. Dezember 2008 wurde der<br />

Kommissionsvorschlag in erster Lesung vom Parlament angenommen, gefolgt durch die formelle<br />

Annahme des Rates am 26. Februar 2009. Die Richtlinie zur Änderung der Einlagensicherungs-<br />

Richtlinie (RL 2009/14/EG) ist am 16. März 2009 in Kraft getreten.<br />

Die Richtlinie 2009/14/EG musste bis zum 30. Juni 2009 in nationales Recht umgesetzt werden.<br />

Ausgenommen davon sind die Bestimmungen betreffend der Entscheidungsfrist der zuständigen


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Behörden über die Nichtverfügbarkeit von Einlagen, die zu erhöhende Deckungssumme von<br />

100.000 EUR sowie die verkürzte Auszahlungsfrist, die bis 31. Dezember 2010 umgesetzt werden<br />

muss.<br />

Richtlinie 2009/14/EG wurde durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Einlagensicherungs- und<br />

Anlegerentschädigungsgesetzes (BGBl. I S. 1528) in deutsches Recht umgesetzt. Das neue EAEG<br />

ist am 30.6.2009 in Kraft getreten.<br />

Gemäß Artikel 12 der überarbeiteten Einlagensicherungs-Richtlinie musste die Kommission bis<br />

Ende 2009 einen Bericht zu verschiedenen Themenbereichen, verbunden erforderlichenfalls mit<br />

legislativen Änderungsvorschlägen, vorlegen. Die Kommission hat dazu am 29. Mai 2009 ein Konsultationspapier<br />

veröffentlicht, zu dem bis zum 27. Juli 2009 Stellung genommen werden konnte.<br />

Im Juli 2009 veröffentlichte die Kommission zudem einen Bericht des gemeinsamen Forschungszentrums<br />

zu den möglichen Modellen für risikobasierte Beiträge. Am 12. Juli 2010 wurde ein<br />

Bericht zusammen mit einem Legislativvorschlag und einer Auswirkungsstudie von der Kommission<br />

veröffentlicht, welche an den Rat und das Parlament übermittelt wurden.<br />

Die Überarbeitung der Richtlinie ist Teil der Revision des aufsichtsbehördlichen Rahmens der EU.<br />

Die Kommission hat dem EU Parlament und dem Rat nach den Bestimmungen der CRD bis Ende<br />

2011 dazu einen Bericht vorzulegen.<br />

94/19/EG (Richtlinie) vom 30.05.1994, Amtsblatt der EG Nr. L 135/5 vom 31.05.1994<br />

2005/1/EG (Richtlinie) vom 09.03.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 79/9 vom 24.03.2005<br />

2009/14/EG (Richtlinie) vom 11. März 2009, Amtsblatt der EU Nr. L 68/3 vom 13.03.2009<br />

17<br />

A


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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. BCCI-Richtlinie<br />

Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 zur Änderung<br />

der Richtlinien 77/780/EWG und 89/646/EWG betreffend Kreditinstitute, der Richtlinien<br />

73/239/EWG und 92/49/EWG betreffend Schadenversicherungen, der Richtlinien 79/267/EWG<br />

und 92/96/EWG betreffend Lebensversicherungen, der Richtlinie 93/22/EWG betreffend Wertpapierfirmen<br />

sowie der Richtlinie 85/611/EWG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame<br />

Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks verstärkter Beaufsichtigung dieser Finanzunternehmen<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

18<br />

Ziel des Vorhabens war, unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der Bank of Credit <strong>and</strong> Commerce<br />

International (BCCI), die Bankenaufsicht in der EU effizienter auszugestalten.<br />

Die BCCI-Richtlinie sieht daher folgende Punkte vor:<br />

■ Gehört ein Finanzunternehmen zu einer Gruppe, muss die Struktur dieser Gruppe ausreichend<br />

transparent gestaltet sein, um eine angemessene Aufsicht sicherzustellen.<br />

■ Die Hauptverwaltung und der Gesellschaftssitz eines Finanzunternehmens müssen sich im<br />

gleichen L<strong>and</strong> befinden.<br />

■ Die Liste der Organismen, mit denen die zuständigen Behörden vertrauliche Informationen im<br />

Zusammenhang mit der Beaufsichtigung austauschen können, wird erweitert.<br />

■ Die Rechnungsprüfer werden verpflichtet, die zuständigen Aufsichtsbehörden von jeder Unregelmäßigkeit,<br />

die sie bei der Ausübung ihres Auftrags auf Ebene der Finanzunternehmen feststellen,<br />

in Kenntnis zu setzen.<br />

Die Richtlinie umfasst eine spezifische Schutzbestimmung externer Prüfer, wonach die Information<br />

der zuständigen Behörden über etwaige Unregelmäßigkeiten keine Verletzung von vertrauensgeschützter<br />

Information darstellt und die Prüfer durch die Weitergabe der Information keine rechtlichen<br />

Konsequenzen zu befürchten haben.<br />

Das Vorhaben entsprach bereits weitgehend dem geltenden Recht in Deutschl<strong>and</strong>, insbesondere<br />

im Hinblick auf die Pflichten der Wirtschaftsprüfer.<br />

Die weiteren Vorschläge zur Verstärkung der Effizienz der Bankenaufsicht hätten jedoch auch durch<br />

eine stärkere Zusammenarbeit der Bankaufsichtsbehörden in der EU erreicht werden können.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Im Sommer 1991 war die Bank of Credit <strong>and</strong> Commerce International (BCCI) zusammengebrochen.<br />

Dies war Ende 1992 Anlass für ein Arbeitspapier des Europäischen Parlaments, das sich mit der<br />

Frage befasste, ob die Mitgliedstaaten und die Aufsichtsbehörden über ausreichende Mittel verfügen,<br />

um die durch die Gemeinschaftsgesetzgebung festgelegten Aufsichtsziele zu erreichen.<br />

Am 28. Juli 1993 hatte die Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Nach den Stellungnahmen<br />

des Wirtschafts- und Sozialausschusses am 22. November 1993 sowie des Europäischen<br />

Parlaments am 9. März 1994 und des geänderten Richtlinienvorschlages der Kommission hatte der<br />

Ministerrat am 6. Juni 1994 einen Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt verabschiedet.<br />

Das Europäische Parlament schlug in zweiter Lesung am 26. Oktober 1994 noch einige Änderungen<br />

vor. Das anschließende Vermittlungsverfahren ergab am 30. März 1995 eine Einigung im Schlichtungsausschuss.<br />

Die endgültige Verabschiedung der Richtlinie datiert vom 29. Juni 1995.<br />

Die Richtlinie musste bis spätestens 18. Juli 1996 durch die Mitgliedstaaten in Kraft gesetzt sein.<br />

Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte 1997 im Rahmen der 6. KWG-Novelle.<br />

Mit der Bankrechts-Richtlinie (Kodifizierung) (2000/12/EG) sowie der Richtlinie über Lebensversicherungen<br />

(2002/83/EG) wurden einzelne Artikel der BCCI-Richtlinie teilweise aufgehoben bzw. in<br />

die vorgenannten Richtlinien integriert.<br />

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise seit Mitte 2007 werden die europäischen Aufsichtsstrukturen<br />

derzeit überarbeitet.<br />

95/26/EG (Richtlinie) vom 29.06.1995, Amtsblatt der EG Nr. L 168/7 vom 18.07.1995<br />

2000/12/EG (Richtlinie) vom 20.03.2000, Amtsblatt der EG Nr. L 126/1 vom 26.05.2000<br />

2002/83/EG (Richtlinie) vom 05.11.2002, Amtsblatt der EG Nr. L 345/1 vom 19.12.2002<br />

19<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von<br />

Kreditinstituten<br />

Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die<br />

Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

20<br />

Die Richtlinie soll sicherstellen, dass bei der Sanierung oder Liquidierung eines Kreditinstituts und<br />

seiner Zweigniederlassungen in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten nach den Grundsätzen der Einheit und<br />

Universalität verfahren wird. Das bedeutet, dass das nach dem Recht des Sitzstaates des Kreditinstitutes<br />

eröffnete Verfahren in allen Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt, in denen sich Zweigniederlassungen<br />

des Unternehmens befinden. Ferner wirkt der im Sitzstaat eröffnete Konkurs auch<br />

für alle abhängigen Zweigniederlassungen in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten.<br />

Festgelegt wird insbesondere die gegenseitige Anerkennung der Sanierungsmaßnahmen und<br />

Liquidationsverfahren. Außerdem sollte durch die Richtlinie die Zusammenarbeit zwischen den<br />

nationalen Bankaufsichtsbehörden bei Vorliegen von Liquiditätsengpässen grenzüberschreitend<br />

tätiger Kreditinstitute verbessert werden.<br />

Bevor eine Sanierungsmaßnahme getroffen wird, sind die zuständigen Behörden des Herkunfts-<br />

Mitgliedstaates verpflichtet, die für die Beaufsichtigung der Kreditinstitute zuständigen Behörden<br />

des Aufnahme-Mitgliedstaates zu informieren. Geregelt wird ferner die Information der Gläubiger<br />

im Liquidationsfall und die Beh<strong>and</strong>lung der Gläubigeransprüche.<br />

Die Richtlinie wird derzeit überarbeitet. Untersucht wird, ob die Richtlinie ihre Ziele erfüllt. Insbesondere<br />

wird der Geltungsbereich überprüft, der sich derzeit auf Kreditinstitute mit Zweigniederlassungen<br />

beschränkt. Überlegt wird, ob der Geltungsbereich auch auf grenzüberschreitend tätige<br />

Bankengruppen ausgedehnt werden könnte.<br />

Das in der Richtlinie vorgesehene Prinzip der Universalität ist grundsätzlich zu begrüßen. Damit<br />

können auch ausländische Forderungen in die Deckungsmasse für Pf<strong>and</strong>briefe aufgenommen werden,<br />

weil das Konkursvorrecht wegen der Universalität auch im Ausl<strong>and</strong> anerkannt werden muss.<br />

Die EU-Kommission arbeitete seit 1977 an einer Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von<br />

Kreditinstituten. Am 9. Januar 1986 wurde ein erster Richtlinienvorschlag vorgelegt. Aufgrund<br />

zahlreicher Änderungswünsche durch das Europäische Parlament wurde im Januar 1988 ein geänderter<br />

Vorschlag präsentiert. Im Laufe der Beratungen wurde die ursprünglich in dem Richtlinienvorschlag<br />

mitenthaltene Regelung über Einlagensicherungssysteme zunächst Gegenst<strong>and</strong> einer<br />

gesonderten Empfehlung, dann einer Richtlinie.<br />

Nachdem 1988 die Arbeiten an der Richtlinie eingestellt wurden, nahm die Kommission Anfang<br />

1993, u. a. unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der Bank of Credit <strong>and</strong> Commerce International<br />

(BCCI), die Arbeiten an der Sanierungs- und Liquidations-Richtlinie wieder auf.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Am 8. Mai 2000 wurde der Gemeinsame St<strong>and</strong>punkt vom Rat politisch angenommen, am 17. Juli<br />

2000 folgte die formale Annahme. Am 16. Januar 2001 nahm das Europäische Parlament den<br />

Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt mit 13 Änderungsanträgen in der zweiten Lesung an. Die Richtlinie trat<br />

mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt am 5. Mai 2001 in Kraft. Die Frist für die Umsetzung in den<br />

Mitgliedstaaten wurde mit 5. Mai 2004 festgelegt.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Richtlinie durch das Gesetz zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen<br />

zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten umgesetzt.<br />

Letzteres ist am 17. Dezember 2003 in Kraft getreten. Damit verbunden waren Änderungen<br />

des KWG bzgl. der Unterrichtung <strong>and</strong>erer Staaten des EWR über erlassene Sanierungsmaßnahmen,<br />

der Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Einlagenkreditinstituts<br />

oder E-Geld-Instituts im EWR (Herkunftsmitgliedstaatsprinzip) und der Unterrichtung<br />

der vom Insolvenzverfahren betroffenen Gläubiger.<br />

Die Kommission leitete im Jahr 2006 eine Überarbeitung der Richtlinie über die Sanierung und<br />

Liquidation von Kreditinstituten ein. Am 12. Juni 2007 wurde in diesem Rahmen ein Konsultationspapier<br />

veröffentlicht. Ziel der Konsultation war es zu untersuchen, ob die Richtlinie ihren Zweck<br />

vollständig erfüllt, ob ihr Anwendungsbereich auf grenzüberschreitende Bankenkonzerne ausgedehnt<br />

werden könnte und wie Hindernissen in Bezug auf die Übertragung von Vermögensgegenständen<br />

innerhalb solcher Konzerne entgegengetreten werden kann. Eine Machbarkeitsstudie der<br />

Kommission zur Frage, wie Hindernisse im grenzüberschreitenden Vermögenstransfer abgebaut<br />

werden können, wurde am 14. November 2008 veröffentlicht. Am 20. April 2010 veröffentlichte die<br />

Kommission eine Studie zu den Themen Pre-Insolvenz, frühzeitiges Eingreifen, Abwicklung und<br />

Liquidation, sowie eine Studie zum Thema Abbau von Hindernissen bei der Übertragung von Vermögensgegenstände<br />

innerhalb von grenzüberschreitenden Bankengruppen mit einer detaillierten<br />

Darstellung der Situation in den jeweiligen Mitgliedstaaten.<br />

2001/24/EG (Richtlinie) vom 04.04.2001, Amsblatt der EG Nr. L 25/15 vom 5.0520<br />

21<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Richtlinie zur Beaufsichtigung von<br />

Finanzkonglomeraten<br />

Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002<br />

über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und<br />

Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG,<br />

79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien<br />

98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />

Inhalt<br />

22<br />

Unter Finanzkonglomeraten versteht man Finanzgruppen, die ihre Dienstleistungen und Produkte in<br />

verschiedenen Finanzbranchen (Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen) anbieten. Ziel der<br />

Richtlinie war es, für Finanzkonglomerate eine zusätzliche gruppenweite Beaufsichtigung zu<br />

gewährleisten. Die Eigenkapitalausstattung von Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen<br />

sollte nicht durch branchenübergreifend tätige Finanzkonglomerate gefährdet und die Mehrfachbelegung<br />

von Eigenkapital innerhalb der Konglomerate unterbunden werden.<br />

Diese Richtlinie findet nur Anwendung, wenn mindestens ein Unternehmen der Gruppe ein Unternehmen<br />

der Versicherungsbranche ist und mindestens ein Unternehmen der Banken- oder der<br />

Wertpapierdienstleistungsbranche zugehört und die Schwellenwerte zum Anteil an der Bilanzsumme<br />

und an den Solvabilitätsanforderungen überschritten werden. Gemäß dem Richtlinientext<br />

fällt eine Gruppe, die vorwiegend in der Finanzbranche im Sinne der Richtlinie tätig ist, unter den<br />

Anwendungsbereich, wenn der Anteil der Bilanzsumme der beaufsichtigten und unbeaufsichtigten<br />

Finanzunternehmen dieser Gruppe an der Bilanzsumme der Gruppe insgesamt mehr als 40 %<br />

beträgt.<br />

Branchenübergreifende Tätigkeiten sind dem Richtlinientext gemäß dann erheblich, wenn für jede<br />

Finanzbranche der durchschnittliche Anteil der Bilanzsumme dieser Finanzbranche an der Bilanzsumme<br />

der Finanzunternehmen der Gruppe und der Anteil der Solvabilitätsanforderungen derselben<br />

Finanzbranche an den Gesamtsolvabilitätsanforderungen der Finanzunternehmen der Gruppe<br />

mehr als 10 % betragen. Des Weiteren ist von einer erheblichen branchenübergreifenden Tätigkeit<br />

auch auszugehen, wenn die Bilanzsumme der in der Gruppe am schwächsten vertretenen Finanzbranche<br />

6 Mrd. Euro übersteigt.<br />

Werden die o.g. Schwellen überschritten und findet die Richtlinie somit Anwendung, hat sie auch<br />

Auswirkungen auf die angemessene Eigenkapitalausstattung des Finanzkonglomerats. Die technischen<br />

Grundsätze sowie die Berechnungsmethoden zur angemessenen Eigenkapitalausstattung<br />

sind in der Richtlinie geregelt. Zur Berechnung einer zusätzlichen Eigenkapitalanforderung sind<br />

drei verschiedene Methoden vorgesehen. Entweder erfolgt die Berechnung auf Grundlage des<br />

konsolidierten Abschlusses, nach der Abzugs- und Aggregationsmethode oder nach der sog. Buchwert-/Anforderungsabzugsmethode.<br />

Die Berechnung nach den beiden letzten Methoden erfolgt<br />

auf Basis der Einzelabschlüsse aller Unternehmen der Gruppe.<br />

Die Richtlinie sieht vor, dass eine einzige Aufsichtsbehörde zu benennen ist, um die Gesamtaufsicht<br />

eines Konglomerats zu koordinieren. Für diese koordinierende Aufsichtsbehörde müssen die<br />

Zuständigkeitsbereiche konkret festgelegt werden. Außerdem soll ein enger Informationsaustausch<br />

und eine Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden stattfinden (einschließlich der<br />

Aufsichtsbehörden in Nicht-EU-Staaten), die für die Beaufsichtigung der verschiedenen Institute<br />

eines Finanzkonglomerats zuständig sind.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Technische Durchführungsbestimmungen, wie z. B. Anhänge, sollen im Rahmen des erweiterten<br />

Komitologieverfahrens von der EU-Kommission und dem Finanzkonglomerateausschuss erlassen<br />

und angepasst werden können. Die Omnibus-I-Richtlinie welche sich mit der Neuordnung der<br />

Kompetenzen der Europäischen Aufsichtsbehörden befasst, ändert die Finanzkonglomerate-Richtlinie<br />

hinsichtlich technischer St<strong>and</strong>ards.<br />

Die Finanzkonglomerate-Richtlinie wird derzeit überarbeitet.<br />

Grundsätzlich wurde die Einführung von St<strong>and</strong>ards zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten<br />

von der Kreditwirtschaft begrüßt. Allerdings wurde die isolierte Initiative der EU kritisch betrachtet,<br />

da die Wettbewerbsgleichheit auf internationalem Niveau dadurch gefährdet wurde. Der<br />

Zeitpunkt, zu dem die Richtlinie zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten verh<strong>and</strong>elt und verabschiedet<br />

wurde, war verfrüht, weil international verbindliche St<strong>and</strong>ards (z. B. Basel II) noch nicht<br />

abschließend festgelegt waren. Eine Parallelität – inhaltlich und zeitlich – zwischen Basel II und<br />

den EU-Bestimmungen zum Konsolidierungskreis wäre sinnvoller gewesen.<br />

Kritisch betrachtet wurden auch die Schwellen zur Ermittlung eines Finanzkonglomerats. Das in<br />

der Richtlinie vorgesehene Abzugsverfahren wurde wegen befürchteter möglicher Eigenkapital-<br />

Mehrbelastungen kritisiert.<br />

Die Finanzkonglomerate-Richtlinie war Ausfluss internationaler Überlegungen zur Beaufsichtigung<br />

von Finanzkonglomeraten. Die Frage der Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten wurde mehrere<br />

Jahre gemeinsam vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, der internationalen Organisation für<br />

Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) und dem internationalen Verb<strong>and</strong> der Versicherungsaufsichtsbehörden<br />

(IAIS), beraten. Ende Januar 1998 legte das „Joint Forum on <strong>Financial</strong> Conglomerates“<br />

drei Dokumente zu dem Thema vor. Die endgültigen Empfehlungen, bestehend aus mehreren<br />

Dokumenten, wurden nach Konsultation durch das Joint Forum am 19. Februar 1999 veröffentlicht.<br />

Die Kommission legte am 24. April 2001 ihren Richtlinienvorschlag zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten<br />

vor. Das Europäische Parlament hat am 14. März 2002 in erster Lesung einige<br />

Änderungen zu dem Richtlinienvorschlag vorgeschlagen, u. a. die Anhebung des Schwellenwertes,<br />

ab dem Beteiligungen an <strong>and</strong>eren Versicherungs- und Finanzinstituten abzuziehen sind. Am 7. Mai<br />

2002 kam der Ministerrat zu einer politischen Einigung, der Gemeinsame St<strong>and</strong>punkt wurde am<br />

12.September 2002 festgelegt. Am 20. November 2002 billigte das Europäische Parlament den<br />

Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt ohne Änderungen in zweiter Lesung. Am 16. Dezember 2002 wurde die<br />

Richtlinie formell von den Präsidenten des Rates und des Europäischen Parlaments unterzeichnet.<br />

Mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt ist die Richtlinie am 11. Februar 2003 in Kraft getreten. Die<br />

Umsetzung in den Mitgliedstaaten war bis zum 11. August 2004 vorgesehen. In Deutschl<strong>and</strong> ist die<br />

Richtlinie durch das Finanzkonglomeraterichtlinien-Umsetzungsgesetz (FKRLUmsG) umgesetzt<br />

worden, das am 27. Dezember 2004 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und am 1. Januar<br />

2005 in Kraft getreten ist.<br />

Die Richtlinie zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten wird durch die Richtlinie zur Schaffung<br />

einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich (2005/1/EG vom 9. März 2005)<br />

geändert.<br />

23<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

24<br />

Im November 2005 veröffentlichte die sogenannte „Mixed Technical Group“, bestehend aus Sachverständigen<br />

aller drei Aufsichtsbereiche von Finanzkonglomeraten, einen Frage- und Antwortenkatalog<br />

zur Implementierung und Interpretation der Richtlinie 2002/87/EG auf der Homepage der<br />

Kommission.<br />

Im Juli 2006 wurde ein neuer Beschluss über das Komitologieverfahren angenommen (Beschluss<br />

2006/512/EG). Dieser führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“,<br />

das insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in<br />

die Finanzkonglomerate-Richtlinie durch Richtlinie 2008/25/EG, angenommen am 11. März 2008,<br />

eingeführt.<br />

Eine Liste, aus der alle Gruppen hervorgehen, bei denen es sich gemäß Artikel 3 der Richtlinie um<br />

Finanzkonglomerate h<strong>and</strong>elt, ist auf der Web-Seite der Kommission veröffentlicht und wird regelmäßig<br />

aktualisiert (zuletzt am 30. Juni 2010): http://ec.europa.eu/internal_market/financial-conglomerates/supervision_de.htm.<br />

Orientierungshilfen zu verschiedenen Aspekten der Finanzkonglomerate-Richtlinie wurden durch<br />

den Europäischen Finanzkonglomerateausschuss (EFCC) und den Europäischen Bankenausschuss<br />

(EBC) gegeben:<br />

■ allgemeine Orientierungshilfen für EU-Aufsichtsbehörden zur Aufsichtspraxis in der Schweiz,<br />

24. April 2008 (Aktualisierung der Orientierungshilfe vom 6. Juli 2004);<br />

■ allgemeine Orientierungshilfen für EU-Aufsichtsbehörden zur Aufsichtspraxis in den Vereinigten<br />

Staaten von Amerika, 24. April 2008 (Aktualisierung der Orientierungshilfe vom 6. Juli<br />

2004).<br />

Im Rahmen der Überarbeitung der Eigenmitteldefinition erarbeitete der einstweilige europäische<br />

Finanzkonglomerateausschuss (IWCFC), bestehend aus Vertretern von CEBS und CEIOPS, einen<br />

Vergleich der Eigenmittel im Bank-, Versicherungs- und Wertpapierbereich. Die betreffende Studie<br />

wurde am 9. Januar 2007 veröffentlicht. Dieser folgte am 30. August 2007 eine Studie, welche die<br />

Auswirkungen von Unterschieden in den Eigenmitteln in den drei Sektoren untersucht. Endgültige<br />

Empfehlungen wurden am 7. April 2008 veröffentlicht.<br />

Im Rahmen der Überarbeitung der Finanzkonglomerate-Richtlinie wurde der IWCFC im April 2008<br />

von der Kommission damit beauftragt, einen Überblick über die gegenwärtigen mitgliedstaatlichen<br />

Praktiken in Bezug auf Finanzkonglomerate zu erstellen.<br />

Durch die überarbeiteten Beschlüsse der Kommission zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen<br />

Bankaufsichtsbehörden (2009/78/EG) sowie der europäischen Aufsichtsbehörden für das<br />

Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (2009/79/EG) vom 23. Januar 2009,<br />

wurde der IWCFC in einen ständigen Ausschuss, den gemeinsamen Finanzkonglomerateausschuss<br />

(JCFC), umgew<strong>and</strong>elt.<br />

Am 9. Februar 2009 dehnte die Kommission den Auftrag an das JCFC aus und ersuchte dieses<br />

anzugeben, welche Artikel der Finanzkonglomerate-Richlinie konkret geändert werden sollten.<br />

Außerdem sollten Lösungen zu vier Problemstellungen vorgeschlagen werden. Am 28. Mai 2009<br />

veröffentlichte das JCFC den Entwurf von Empfehlungen und stellte diesen zur Konsultation. Am<br />

30. Oktober 2009 veröffentlichte JCFC den Bericht mit Vorschlägen zur Überarbeitung der Finanzkonglomerate-Richtlinie.<br />

Am 6. November 2009 stellte die Kommission eine Konsultation zur Überarbeitung der Richtlinie<br />

2002/87/EG vor. Die Ergebnisse der Konsultation sollten den Regelungsbedarf in den Bereichen<br />

Aufsicht, Kapitaldefinition und Risikomanagement aufzeigen. Am 7. Juni 2010 veranstaltete die


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Kommission eine Konferenz zum Thema „Aufsicht von Finanzkonglomeraten“. Ein Gesetzesvorschlag<br />

für eine Änderungsrichtlinie wurde am 16. August 2010 von der Europäischen Kommission<br />

vorgestellt (siehe Kapitel A.III.2).<br />

2002/87/EG (Richtlinie) vom 16.12.2002, Amtsblatt der EU Nr. L 35/1 vom 11.02.2003<br />

2005/1/EG (Richtlinie) vom 09.03.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 79/9 vom 24.03.2005<br />

2008/25/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 81/40 vom 20.03.2008<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24. November 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. Bankenrichtlinie (Neufassung) – CRD<br />

Richtlinie 2006/48/EG – Bankenrichtlinie – des Europäischen Parlaments und des Rates vom<br />

14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung)<br />

Inhalt<br />

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Die neugefasste Bankenrichtlinie enthält die wesentlichen Anforderungen an die Aufnahme und<br />

Ausübung der Tätigkeiten von Kreditinstituten. Hierbei werden in erster Linie die Risiken begrenzt,<br />

die sich aus den Kredit- und operationellen Risiken ergeben.<br />

Vorbemerkung<br />

Ziel der Überarbeitung der EU-Eigenkapitalbestimmungen für Kreditinstitute war es, Bestimmungen<br />

zu schaffen, die sich stärker als bislang an den tatsächlichen Risiken der Institute orientieren.<br />

Hierdurch sollen die Stabilität der Finanzmärkte erhöht, die Wettbewerbsfähigkeit der Institute in<br />

der EU verbessert und der Verbraucherschutz gestärkt werden. Zusammen mit der neu gefassten<br />

Kapitaladäquanz-Richtlinie setzen die Regelungen die im Juni 2004 verabschiedete überarbeitete<br />

Rahmenvereinbarung („Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“<br />

– Basel II) des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht in Europäisches Recht<br />

um. Hierbei wurde den Besonderheiten des europäischen Marktes an verschiedenen Stellen Rechnung<br />

getragen.<br />

Wie Basel II umfassen die neuen europäischen Bestimmungen drei Säulen:<br />

■ die Mindesteigenkapitalanforderungen,<br />

■ die Überprüfung der Eigenkapitalausstattung durch die Aufsichtsbehörden und<br />

■ die Offenlegungspflichten der Institute.<br />

Im Gegensatz zu den Baseler Empfehlungen besitzen die EU-Eigenkapitalvorschriften für die Mitgliedstaaten<br />

bindenden Charakter und sind entsprechend in nationales Recht umzusetzen.<br />

Durch die Bestimmungen der ersten Säule wird die bislang vergleichsweise pauschale Eigenkapitalermittlung<br />

stärker differenziert. Bisher wurde lediglich zwischen einigen wenigen Kreditnehmerkategorien<br />

unterschieden. Moderne Finanzinstrumente und neue Finanzierungstechniken wurden<br />

in nicht ausreichendem Maße berücksichtigt.<br />

In Hinblick auf die zweite Säule, die Überprüfung der Eigenkapitalausstattung durch die Aufsichtsbehörden,<br />

wollte die Europäische Kommission Anreize für die Kreditinstitute schaffen, ihr Risikomanagement<br />

zu verbessern. Mit dem Ziel, EU-weite Grundsätze für das „bankaufsichtliche Überprüfungsverfahren“<br />

zu erarbeiten, hat CEBS zu diesem Themenbereich Leitlinien veröffentlicht<br />

(s. u.).<br />

Die dritte Säule befasst sich mit den Offenlegungspflichten und der sog. „Marktdisziplin“. Die<br />

Bestimmungen zielen auf eine verstärkte Offenlegung des Risikoprofils und der Risikotragfähigkeit<br />

der Institute. Hierdurch soll die Kontrolle durch Fremd- und Eigenkapitalgeber verbessert werden.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Inhalt der neugefassten Bankenrichtlinie<br />

Die Richtlinie enthält im Wesentlichen folgende Bestimmungen:<br />

Voraussetzungen für die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute<br />

Die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulassung und Tätigkeit als Kreditinstitut sind:<br />

■ getrennte Eigenmittel;<br />

■ Anfangskapital von mindestens 5 Mio. EUR;<br />

■ mindestens zwei Personen, die die Geschäftstätigkeit des Kreditinstituts tatsächlich bestimmen;<br />

■ Mitteilung der Identität und des Beteiligungsbetrags der direkten oder indirekten Aktionäre<br />

oder Gesellschafter an die zuständigen Behörden.<br />

Jede Zulassung wird der Kommission mitgeteilt. Im Amtsblatt wird eine Liste der zugelassenen<br />

Kreditinstitute veröffentlicht. Jede Ablehnung einer Zulassung muss begründet und dem Antragsteller<br />

bekannt gegeben werden. Die zuständigen Behörden können die Zulassung unter den in der<br />

Richtlinie vorgesehenen Bedingungen entziehen, wenn insbesondere die vorerwähnten Bedingungen<br />

nicht erfüllt werden. Ein solcher Entzug muss begründet und den Betroffenen mitgeteilt sowie<br />

der Kommission gemeldet werden.<br />

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit<br />

Jedes Kreditinstitut, das eine Zweigstelle im Hoheitsgebiet eines <strong>and</strong>eren Mitgliedstaats errichten<br />

möchte, teilt dies der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats zusammen mit einem<br />

Geschäftsplan, der Anschrift, unter der die Unterlagen des Kreditinstituts im Aufnahmemitgliedstaat<br />

angefordert werden können, und dem Namen der verantwortlichen Geschäftsführer der<br />

Zweigstelle mit. Der Herkunftsmitgliedstaat teilt diese Angaben dem Aufnahmemitgliedstaat<br />

innerhalb von drei Monaten mit.<br />

Beziehungen zu Drittländern<br />

Stellt die Kommission fest, dass Kreditinstitute der Gemeinschaft in einem Drittl<strong>and</strong> keine Inländerbeh<strong>and</strong>lung<br />

erhalten und keinen effektiven Marktzugang haben, kann sie Verh<strong>and</strong>lungen aufnehmen.<br />

Dies kann außerdem dazu führen, dass Entscheidungen über Zulassungsanträge aus dem<br />

betreffenden Drittl<strong>and</strong> eingeschränkt oder für die Dauer von höchstens drei Monaten ausgesetzt<br />

werden.<br />

Die Mitgliedstaaten beh<strong>and</strong>eln die Zweigstellen von Kreditinstituten mit Sitz außerhalb der<br />

Gemeinschaft nicht vorteilhafter als die Zweigstellen von Kreditinstituten mit Sitz in der Gemeinschaft.<br />

Grundsätze der Bankenaufsicht<br />

Die Aufsicht über ein Kreditinstitut obliegt grundsätzlich dem Herkunftsmitgliedstaat. Bei der<br />

Überwachung der Tätigkeit der Kreditinstitute arbeiten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten<br />

eng zusammen. Sie tauschen insbesondere alle für eine effiziente Überwachung notwendigen<br />

Informationen aus. Dieser Informationsaustausch unterliegt dem Berufsgeheimnis.<br />

Der Herkunftsmitgliedstaat kann nach Unterrichtung des Aufnahmemitgliedstaats über eine<br />

Zweigstelle in seinem Hoheitsgebiet, die im Herkunftsmitgliedstaat zugelassen wurde, vor Ort<br />

Überprüfungen in der betreffenden Zweigstelle durchführen.<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

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Technische Instrumente der Bankenaufsicht<br />

Eigenkapital<br />

Die Richtlinie unterscheidet zwischen Kern- und Ergänzungskapital. Ergänzungskapital kann maximal<br />

bis zur Höhe des Kernkapitals anerkannt werden. Zur Unterlegung der Marktrisiken können<br />

auch Drittrangmittel herangezogen werden.<br />

Zum Kernkapital zählen das eingezahlte Kapital, offene und versteuerte Rücklagen einschließlich<br />

Emissionsagio sowie der Sonderposten für allgemeine Bankrisiken. Zum Ergänzungskapital zählen<br />

u. a. Neubewertungsrücklagen im Sinne des Art. 33 der allgemeinen Bilanzrichtlinie, allgemeine<br />

Wertberichtigungen, Genussrechtsverbindlichkeiten, längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten,<br />

kumulative Vorzugsaktien sowie der Haftsummenzuschlag bei Kreditgenossenschaften. Haftsummenzuschlag<br />

und nachrangige Verbindlichkeiten sind auf höchstens 50 % des Kernkapitals<br />

beschränkt.<br />

Die Richtlinie sieht unter <strong>and</strong>erem einen Abzug von Beteiligung an Kreditinstituten und <strong>and</strong>eren<br />

Finanzinstituten von mehr als 10 % vor. Die Mitgliedstaaten können jedoch von diesem Abzug<br />

absehen, wenn die Beteiligung bei der Konsolidierung berücksichtigt worden ist.<br />

Bestimmung für die Beh<strong>and</strong>lung von Risiken<br />

An dieser Stelle wird insbesondere bestimmt, wie viel Eigenkapital Kreditinstitute zur Abdeckung<br />

ihrer operationellen Risiken und Kreditrisiken und vorhalten müssen.<br />

Die Eigenkapitalunterlegung eines Kredits wird nunmehr im Wesentlichen durch das Rating des<br />

Kreditnehmers bestimmt. Um der Vielfalt der Kreditinstitute Rechnung zu tragen, sind für die<br />

Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken verschiedene Ansätze mit unterschiedlichen<br />

Graden von Risikoempfindlichkeit und Differenziertheit vorgesehen: der auf externen<br />

Ratings basierende modifizierte St<strong>and</strong>ardansatz, der einfache interne Ratingansatz (IRB-Basisansatz)<br />

und der fortgeschrittene interne Ratingansatz. Die beiden letzten Ansätze basieren auf bankinternen<br />

Bonitätsbewertungen. Ferner sollen Kreditrisikominderungsinstrumente und -techniken<br />

bankaufsichtlich umfassender anerkannt werden. Die Palette von anerkannten Sicherheiten, welche<br />

die Höhe der Eigenkapitalbelastung reduzieren, wurde deutlich ausgeweitet.<br />

Für die Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gelten im Rahmen des auf<br />

internen Ratings basierenden Ansatzes (IRBA) besondere Eigenkapitalanforderungen, welche das<br />

geringere Portfoliorisiko dieser Kredite widerspiegeln. Zudem können Kredite an KMU im modifizierten<br />

St<strong>and</strong>ardansatz und im IRBA auch dem Retail-Segment zugeordnet werden, für das geringere<br />

Kapitalanforderungen als für Unternehmenskredite gelten.<br />

Kreditvergaben innerhalb eines Haftungsverbundes und innerhalb von Bankgruppen sind unter<br />

bestimmten Voraussetzungen nicht mit Eigenkapital zu unterlegen.<br />

Neu ist außerdem die Unterlegung operationeller Risiken mit Eigenkapital. Hierbei h<strong>and</strong>elt es sich<br />

um Risiken, die als „die Gefahr unmittelbarer oder mittelbarer Verluste, die infolge der Unangemessenheit<br />

oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder von externen<br />

Ereignissen eintreten“ definiert sind. Auch hier sind verschiedene Modelle für die Ermittlung<br />

der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung vorgesehen: der Basisindikatoransatz, der St<strong>and</strong>ardansatz<br />

sowie fortgeschrittene Messansätze (AMA).<br />

Die Zinsänderungsrisiken des Anlagebuchs werden zwar von allen Banken zu ermitteln sein. Nur von<br />

sog. „Ausreißern“ werden jedoch Maßnahmen zur Begrenzung des Zinsänderungsrisikos gefordert.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Großkredite<br />

Die Bestimmungen sehen für alle Banken in der EU eine grundsätzliche Grenze für Großkredite von<br />

25 % der Eigenmittel pro Kreditnehmer und von 800 % der Eigenmittel für alle Großkredite zusammen<br />

vor. Ein Kredit gilt als Großkredit, wenn er 10 % der Eigenmittel überschreitet. Jeder Großkredit<br />

ist meldepflichtig. Mehrere Kunden werden zu einem Kreditnehmer zusammengefasst, wenn<br />

zwischen ihnen ein Kontrollverhältnis oder bestimmte wirtschaftliche Abhängigkeiten bestehen.<br />

Die Mitgliedstaaten können bestimmte Kredite ganz oder teilweise von der Anrechnung auf die<br />

Großkreditgrenzen ausnehmen. Demnach können Interbankenforderungen mit einer Laufzeit von<br />

bis zu einem Jahr mit Null gewichtet werden, bei Laufzeiten zwischen ein und drei Jahren mit<br />

20 %, darüber hinaus bei Forderungen in Form von Schuldtiteln eines Institutes mit 50 %. Alternativ<br />

können die Mitgliedstaaten unabhängig von der Laufzeit eine Gewichtung mit 20 % vorsehen.<br />

Dieses Wahlrecht wurde in Deutschl<strong>and</strong> für die Förderinstitute ausgeübt. Weiterhin können Kredite<br />

an Zentralregierungen oder Kredite an Gebietskörperschaften mit einem Risikogewicht von<br />

0 % oder Hypothekarkredite auf Wohneigentum, soweit der Kredit 50 % des Wertes der betreffenden<br />

Immobilie nicht übersteigt und der Wert mindestens jährlich überprüft wird, von den Großkreditbestimmungen<br />

ausgenommen werden.<br />

Aufsicht<br />

Die zuständigen Behörden haben die Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen, die die<br />

Kreditinstitute zur Einhaltung der CRD geschaffen haben, zu bewerten („Aufsichtlicher Überprüfungsprozess<br />

– SRP“) und zu prüfen, ob dadurch ein solides Risikomanagement und eine solide<br />

Risikoabdeckung gewährleistet sind.<br />

Die Richtlinie führt auch das Konzept der „konsolidierten Aufsicht“ ein. Danach hat die Aufsichtsbehörde,<br />

die für die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis zuständig ist, die Koordination aller<br />

<strong>and</strong>eren zuständigen Aufsichtsbehörden der beaufsichtigten Gruppe zu gewährleisten.<br />

Offenlegung durch Kreditinstitute<br />

Schließlich legt die Richtlinie die Offenlegungspflichten der Kreditinstitute fest (Säule III). Die<br />

Richtlinie sieht nur sehr allgemeine Bestimmungen hinsichtlich der zu veröffentlichenden Information<br />

vor. Ein Kreditinstitut muss einmal pro Jahr die geforderten Informationen offenlegen. Die<br />

Details, wie beispielsweise welches Veröffentlichungsmedium verwendet wird, kann das Kreditinstitut<br />

selbst bestimmen.<br />

Die Bankenrichtlinie wurde bzw. wird derzeit überarbeitet (siehe Kapitel A.I.8., A.I.9., A.III.3.).<br />

Im Allgemeinen wurde die Ablösung der pauschalen Risikobewertung durch die Möglichkeit einer<br />

risikoabhängigen Bewertung begrüßt.<br />

Positiv hervorzuheben ist insbesondere, dass innerhalb eines institutssichernden Haftungsverbundes<br />

ausgereichte Kredite unter bestimmten Voraussetzungen von der Eigenkapitalunterlegung<br />

befreit sind. Insoweit wird die Gleichbeh<strong>and</strong>lung von Haftungsverbünden und konzernstrukturierten<br />

Bankengruppen sichergestellt.<br />

Wichtig war es überdies auch zu erreichen, dass die neuen Bestimmungen zeitgleich mit jenen des<br />

Basel-II-Übereinkommens in Kraft treten.<br />

29<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

A Verfahren<br />

Vorgängerbestimmungen<br />

Mit Inkrafttreten der neugefassten Bankenrichtlinie (2006/48/EG) wurde die Bankrechts-Richtlinie<br />

(Kodifizierung) (2000/12/EG) aufgehoben. Letztere stellte eine Kodifizierung von sieben Richtlinien<br />

im Bereich des Bankrechts und Bankaufsichtsrechts im Jahr 2000 dar. Ziel der Kodifizierung war<br />

es, die Übersichtlichkeit und Transparenz des Gemeinschaftsrechts zu verbessern und zugleich<br />

eine Art Europäisches Kreditwesengesetz zu schaffen.<br />

Bei den sieben Banken-Richtlinien h<strong>and</strong>elt es sich um folgende Richtlinien:<br />

30<br />

■ Richtlinie 73/183/EWG vom 28. Juni 1973 zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit<br />

und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbstständige Tätigkeiten der Kreditinstitute<br />

und <strong>and</strong>erer finanzieller Einrichtungen;<br />

■ Erste Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie (77/780/EWG);<br />

■ Konsolidierungs-Richtlinie (83/350/EWG);<br />

■ Zweite Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie (89/646/EWG);<br />

■ Eigenmittel-Richtlinie (89/299/EWG);<br />

■ Solvabilitäts-Richtlinie (89/647/EWG); und<br />

■ Großkredit-Richtlinie (92/121/EWG).<br />

Im Folgenden sollen die Inhalte der kodifizierten Richtlinien, die in der Bankenrichtlinie integriert<br />

wurden, dargestellt werden. Ein Großteil der unten beschriebenen Bestimmungen hat auch heute<br />

noch Gültigkeit und findet sich in der neugefassten Bankenrichtlinie (CRD) wieder.<br />

Erste Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie<br />

Ziel der Richtlinie war die Aufhebung von Beschränkungen im Niederlassungsrecht und im Dienstleistungsverkehr<br />

der Banken. Mit der Richtlinie sollten die am meisten störenden Unterschiede<br />

zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beseitigt werden, um die<br />

grenzüberschreitende Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute zu erleichtern.<br />

Die Richtlinie enthielt Regeln über die Zulassung und den Entzug der Zulassung von Kreditinstituten<br />

und Zweigstellen, Vorschriften über den Bezeichnungsschutz, grundsätzliche Ausführungen zur<br />

Ermittlung von Relationen zwischen verschiedenen Aktiva und Passiva im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit<br />

und Liquidität der Kreditinstitute zu Beobachtungszwecken sowie Regeln über die<br />

Zusammenarbeit der zuständigen Behörden bei der Überwachung von Kreditinstituten mit Zweigstellen<br />

in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten.<br />

Die Erste Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie wurde durch Richtlinie 98/33/EG dahingehend<br />

geändert, dass den Mitgliedstaaten ermöglicht wurde, Abkommen über den Informationsaustausch<br />

mit den Nichtbanken-Aufsichtsbehörden von Drittländern abzuschließen.<br />

Konsolidierungs-Richtlinie<br />

Die Richtlinie enthielt erste grundsätzliche Regelungen zur Aufsicht über Bankengruppen auf konsolidierter<br />

Basis. Die Konsolidierung wurde vorgeschrieben für Beteiligungen ab 25 %.<br />

Durch die Richtlinie(92/30/EWG) wurden detaillierte Regeln eingeführt. Der Anwendungsbereich<br />

wurde auf alle Unternehmen ausgedehnt, zu deren Bereich ein Finanzunternehmen gehört, auch


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

wenn die Konzernspitze selbst kein Kreditinstitut ist. Die für die Konsolidierung relevante Beteiligungsschwelle<br />

wurde auf 20 % abgesenkt.<br />

Als Konsolidierungsarten waren sowohl Voll- als auch Quotenkonsolidierung zulässig. Bei Mehrheitsbeteiligungen<br />

war grundsätzlich Vollkonsolidierung vorgeschrieben. Bei Minderheitsbeteiligungen<br />

war die Quotenkonsolidierung anzuwenden. Auch bei Beherrschungsverhältnissen war<br />

Quotenkonsolidierung zulässig, wenn die Minderheitsaktionäre sich bindend verpflichteten, entsprechend<br />

ihrer Beteiligung zu haften.<br />

In bestimmten Fällen kann von einer Konsolidierung abgesehen werden, z. B. bei Unterschreiten<br />

gewisser Bagatellgrenzen. Zuständig für die konsolidierte Aufsicht war die für die Zulassung eines<br />

Kreditinstitutes zuständige Behörde, wenn das Kreditinstitut selbst Mutterunternehmen ist oder<br />

einer Finanz-Holding-Gesellschaft nachgeordnet war.<br />

Zweite Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie<br />

Die Zweite Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie ging vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung<br />

der Aufsicht über die Kreditinstitute durch die einzelnen Mitgliedstaaten aus. Alle in einer<br />

Liste genannten Bankaktivitäten, die im Herkunftsl<strong>and</strong> zugelassen waren, sollten in der gesamten<br />

EU auch in den Aufnahmeländern ausgeübt werden können.<br />

Darüber hinaus enthielt die Richtlinie folgende wichtige Regelungen:<br />

■ Kreditinstitute sollen ein Startkapital von 5 Mio. EUR haben, welches auch später nicht unterschritten<br />

werden darf. Bereits zugelassene Institute genießen Best<strong>and</strong>sschutz.<br />

■ Die Prüfungsbefugnisse der Bankaufsichtsbehörden sollen auf die Zuverlässigkeit von Anteilseignern<br />

eines Kreditinstituts, die unmittelbar oder mittelbar 10 % und mehr der Anteile halten<br />

oder Stimmrechte ausüben können, ausgedehnt werden. Über diese Vorschrift soll u. a. verhindert<br />

werden, dass Kreditinstitute von kriminellen Organisationen zur Geldwäsche missbraucht<br />

werden.<br />

■ Die Beteiligungen von Kreditinstituten an Nichtbanken sollen beschränkt werden. Eine unmittelbare<br />

oder mittelbare Beteiligung ab 10 % des Eigenkapitals oder der Stimmrechte einer<br />

Nichtbank darf 15 % der Eigenmittel des Kreditinstituts nicht übersteigen. Alle derartigen<br />

Beteiligungen dürfen nicht über 60 % der Eigenmittel des Kreditinstituts hinausgehen.<br />

■ Die Zulassung eines Kreditinstituts, das eine Tochtergesellschaft eines Drittl<strong>and</strong>unternehmens<br />

ist, und die Zulassung des Erwerbs von Beteiligungen an Kreditinstituten aus der Gemeinschaft<br />

durch Drittl<strong>and</strong>unternehmen kann ausgesetzt werden, wenn die Gegenseitigkeit nicht für alle<br />

EU-Mitgliedstaaten gewährleistet ist.<br />

■ Der Kreditinstitutsbegriff wird eng definiert. Sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite<br />

müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Für auf den Wertpapierdienstleistungsbereich<br />

beschränkte Unternehmen, die aufgrund der engen Definition nicht dem Kreditinstitutsbegriff<br />

unterliegen, sollen besondere Aufsichtsregeln gelten.<br />

Eigenmittel-Richtlinie<br />

Die Bestimmungen der Eigenmittel-Richtlinie wurden unverändert in die neugefasste Bankenrichtlinie<br />

übernommen.<br />

Solvabilitäts-Richtlinie<br />

Die Richtlinie über einen Solvabilitäts-Koeffizienten hatte zum Ziel, gemeinsame St<strong>and</strong>ards im<br />

Hinblick auf das Verhältnis von Eigenkapitalausstattung zu risikotragenden Aktiva und außerbilanz-<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

32<br />

mäßigen Geschäften zu schaffen. Die Richtlinie sieht eine Mindestkapitalquote von 8 % vor. Dies<br />

bedeutet, dass die risikotragenden Aktiva das 12,5-fache (bis dato das 18-fache) nicht übersteigen<br />

durften. Die Berechnung sollte mindestens zweimal jährlich auf konsolidierter Basis erfolgen.<br />

Die Definition der Eigenmittel erfolgte auf Basis der EU-Eigenmittel-Richtlinie. Die Richtlinie sah<br />

für die verschiedenen Risiken unterschiedliche Gewichtungen in Höhe von 0, 10, 20, 50 und 100 %<br />

vor. Realkredite sollten nur dann mit 50 % angerechnet werden können, wenn es sich um Erwerb<br />

von Wohneigentum zur Eigennutzung oder zum Zwecke der Vermietung h<strong>and</strong>elt; ansonsten erfolgte<br />

eine Anrechnung zu 100 %.<br />

Eine 0 %-Gewichtung galt bei Forderungen gegenüber EU-Mitgliedstaaten und EU-Zentralbanken,<br />

gegenüber OECD-Mitgliedstaaten (einschließlich Saudi-Arabien) sowie deren Zentralbanken. Bei<br />

Staaten außerhalb der OECD erfolgte die Anrechnung mit 20 % bei Laufzeiten bis zu einem Jahr bzw.<br />

mit 100 % bei darüber hinaus gehenden Laufzeiten. Forderungen gegenüber Regionalregierungen<br />

und örtlichen Gebietskörperschaften in der EU waren grundsätzlich mit 20 % zu gewichten. Mitgliedstaaten<br />

konnten jedoch für die eigenen Gebietskörperschaften ein Gewicht von 0 % festlegen.<br />

Wertpapierbestände wurden ebenfalls den risikotragenden Aktiva zugerechnet. Pf<strong>and</strong>briefe im<br />

Best<strong>and</strong> eines Kreditinstitutes konnten je nach Ermessen der Mitgliedstaaten bis zum 1. Januar<br />

1998 lediglich mit 10 % gewichtet werden. Im Übrigen waren Schuldverschreibungen von Banken<br />

in der EU, entsprechend der Forderung an EU-Banken, mit 20 % zu gewichten.<br />

Bei Forderungen gegenüber ausländischen Kreditinstituten waren je nach Laufzeit unterschiedliche<br />

Anrechnungssätze vorgesehen.<br />

1996 wurde die Richtlinie durch die Richtlinie 96/10/EG geändert. Ziel der Änderungs-Richtlinie<br />

war es, durch eine Änderung des Anhanges II der Solvabilitäts-Richtlinie die Möglichkeit für eine<br />

breitere Anerkennung des bilateralen Netting zu eröffnen. Zuvor war lediglich das „netting by<br />

novation“ als risikomindernd anerkannt worden. Dabei h<strong>and</strong>elt es sich um bilaterale Vereinbarungen<br />

zwischen zwei Parteien, wonach am gleichen Tag fällige, gegenseitige Forderungen in der<br />

gleichen Währung automatisch mitein<strong>and</strong>er verrechnet werden, so dass bankaufsichtsrechtlich ein<br />

einziger Nettobetrag anstelle der vorherigen Bruttoverbindlichkeiten mit Eigenkapital zu unterlegen<br />

ist. Die Änderungs-Richtlinie erlaubte den nationalen Aufsichtsbehörden die risikosenkende<br />

Wirkung weiterer Formen des bilateralen Netting anzuerkennen, insbesondere des bilateralen<br />

Netting durch Aufrechnungsvereinbarung. Weitere Voraussetzung für die risikomindernde Anerkennung<br />

von Netting-Vereinbarungen war, dass alle einbezogenen Transaktionen abgedeckt werden,<br />

so dass die Bank letztlich nur das Recht auf Erhalt bzw. die Verpflichtung zur Zahlung des<br />

Saldos der nicht realisierten Gewinne und Verluste aus den einbezogenen Transaktionen hat („einheitliches<br />

Vertragsverhältnis“). Vereinbarungen mit einseitigen, asymmetrisch begünstigenden<br />

oder benachteiligenden Ausstiegsklauseln („walk-away-clauses“) werden nicht als risikomindernd<br />

anerkannt.<br />

Eine weitere Änderung erfolgte durch die Richtlinie 98/32/EG. Durch die Änderung wurde den<br />

zuständigen Behörden die Möglichkeit eingeräumt, auf hypothekarisch gesicherte Wertpapiere<br />

(„mortgage backed securities“) ein Risikogewicht von 50 % anzuwenden. Außerdem wurde die<br />

Möglichkeit geschaffen, die 50 %-Gewichtung des gewerblichen Realkredits mit einer Begrenzung<br />

bis zum 31. Dezember 2006 auf alle Mitgliedstaaten auszuweiten.<br />

Durch die Richtlinie 98/33/EG erfolgten schließlich folgende Änderungen:<br />

■ Gleichstellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften mit dem Begriff der Regionalregierungen<br />

und örtlichen Gebietskörperschaften, sofern ihnen durch Rechtsvorschriften ein eigenes<br />

Steuererhebungsrecht verliehen wurde;


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

■ Möglichkeit, ein Gewicht von 20 % auf den von Kreditinstituten gezeichneten, aber nicht eingezahlten<br />

Anteil am Kapital des Europäischen Investitionsfonds (EIF) anzuwenden;<br />

■ Möglichkeit, ein günstigeres Gewicht auf außerbilanzielle Posten anzuwenden, bei denen es<br />

sich um Sicherheiten oder Kreditsicherheiten h<strong>and</strong>elt, die den Charakter von Kreditsubstituten<br />

haben, wenn diese vollständig durch eine dingliche Sicherheit garantiert sind;<br />

■ Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen ein Gewicht von 0 % auf Forderungen an<br />

Dritte und außerbilanzielle Posten auf Rechnung von Dritten anzuwenden, die durch eine<br />

Sicherheitsleistung in Form von Wertpapieren gesichert sind, die von Regionalregierungen<br />

oder örtlichen Gebietskörperschaften emittiert wurden;<br />

■ Ausweitung der Eigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken auf alle Arten von außerbilanziellen<br />

Kontrakten, die außerhalb der anerkannten Börsen geh<strong>and</strong>elt werden („derivative Freiverkehrsinstrumente“);<br />

■ Verpflichtung für Institute, deren H<strong>and</strong>elstätigkeit eine bestimmte Schwelle überschreitet, das<br />

genauere „Marktbewertungskonzept“ bei der Berechnung ihrer Eigenkapitalanforderungen für<br />

die mit derivativen Freiverkehrsinstrumenten verbundenen aktuellen Kreditrisiken zu verwenden;<br />

■ Ausweitung und weitere Differenzierung der Matrix der Prozentsätze, die bei der Berechnung<br />

der Eigenkapitalanforderungen für die potenziellen zukünftigen Kreditrisiken, die mit derivativen<br />

Freiverkehrsinstrumenten verbunden sind, anzuwenden sind;<br />

■ Möglichkeit, die risikomindernde Wirkung vertraglicher Nettingvereinbarungen auf die mit<br />

derivativen Freiverkehrsinstrumenten, die in das vertragliche Netting einbezogen sind, verbundenen,<br />

potenziellen zukünftigen Kreditrisiken anzuerkennen.<br />

Großkredit-Richtlinie<br />

Die Bestimmungen der Großkredit-Richtlinie wurden unverändert in die neugefasste Bankenichtlinie<br />

übernommen.<br />

Verfahren zur Annahme der Bankenrichtlinie<br />

Das Basel-II-Abkommen wurde am 26. Juni 2004 verabschiedet.<br />

Das Europäische Parlament nahm den Richtlinienvorschlag in erster Lesung am 28. September<br />

2005 an. Darauf folgte die politische Einigung im Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN Rat) am<br />

11. Oktober 2005. Nach Durchführung der juristischen und sprachlichen Prüfung der Richtlinie<br />

wurde diese am 14. Juni 2006 formell vom Rat verabschiedet. Die Veröffentlichung im Amtsblatt<br />

der EU erfolgte am 30. Juni 2006. Die Bestimmungen traten am 20. Juli 2006 in Kraft.<br />

Die neuen Bestimmungen waren bis zum 31. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der<br />

modifizierte St<strong>and</strong>ardansatz und der einfache IRB-Basisansatz waren ab dem 1. Januar 2007 und<br />

der fortgeschrittene interne Ratingansatz ab 1. Januar 2008 anwendbar. Die Anwendung der vorherigen<br />

Bestimmungen war jedoch bis Ende 2007 uneingeschränkt möglich. Für Kreditinstitute, die<br />

den IRB-Ansatz oder den AMA nutzen, galten für die ersten drei Jahre nach Anwendung der neuen<br />

Eigenkapitalvorschriften Schwellenbeträge von 95 % im ersten Jahr, 90 % im zweiten Jahr und<br />

80 % im dritten Jahr, unter die die Eigenkapitalunterlegung verglichen mit den bisherigen Anforderungen<br />

nicht fallen darf.<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

34<br />

Leitlinien zur Umsetzung der Bestimmungen<br />

Vor dem Hintergrund der in der Richtlinie geforderten Annäherung der Beaufsichtigungspraktiken<br />

der mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden wurden von CEBS zu verschiedenen Bestimmungen der<br />

CRD Leitlinien erlassen:<br />

■ Leitlinien zur bankaufsichtlichen Offenlegung („supervisory disclosure“) vom 1. November 2005<br />

■ Leitlinien zum einheitlichen aufsichtsrechtlichen Meldewesen (COREP) vom 13. Januar 2006,<br />

überarbeitete Fassungen vom 16. Oktober 2006 und 11. Juli 2008 (Harmonisierung der Berichtsfrequenz<br />

und der maximalen Fristen zur Vorlage der Meldungen bei den zuständigen Aufsichtsbehörden)<br />

■ Leitlinien hinsichtlich der Anerkennung von externen Ratingagenturen (ECAIs) vom 20. Januar<br />

2006<br />

■ Leitlinien für die Zusammenarbeit von Aufsichtsbehörden bei grenzüberschreitend tätigen<br />

Banken und Wertpapierfirmen vom 25. Januar 2006<br />

■ Leitlinien für den aufsichtsbehördlichen Überprüfungsprozess vom 25. Januar 2006<br />

■ Leitlinien zur Umsetzung, Validierung und Beurteilung von Risikomanagement- und Risikomesssystemen<br />

vom 4. April 2006<br />

■ Leitlinien zur Anwendung des aufsichtsbehördlichen Überprüfungsprozesses auf das Zinsänderungsrisiko<br />

im Bankbuch vom 3. Oktober 2006<br />

■ Leitlinien zu Stress Testing vom 14. Dezember 2006 (Ergänzung zu den Leitlinien für den aufsichtsbehördlichen<br />

Überprüfungsprozess vom 25. Januar 2006)<br />

■ Leitlinien zum Outsourcing vom 14. Dezember 2006<br />

■ Leitlinien zur Anwendung des aufsichtsbehördlichen Überprüfungsprozesses auf Konzentrationsrisiken<br />

vom 14. Dezember 2006<br />

■ Leitlinien für die Passportnotifikation, 27. August 2009<br />

■ Kompendium zusätzlicher Leitlinien zur Umsetzung von operationellen Risiken, 8. September<br />

2009<br />

■ Leitlinien zu Liquiditätspuffern, 9. Dezember 2009<br />

■ Leitlinien zu Hybridkapitalinstrumente, 10. Dezember 2009<br />

■ Leitlinien zum allgemeinen Berichtswesen von Großkrediten, 11. Dezember 2009<br />

■ Leitlinien zum überarbeiteten Großkrediteregime, 11. Dezember 2009<br />

■ Überarbeitete Leitlinien zu Rechnungslegung, 15. Dezember 2009<br />

■ Leitlinien zur Minderung von operationellen Risiken, 22. Dezember 2009<br />

■ Überarbeitete Leitlinien zum allgemeinen Berichtswesen, 6. Januar 2010<br />

■ Überarbeitete Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Offenlegung, 28 Januar 2010<br />

■ Leitlinien für Instrumente gemäß Artikel 57 (a) der CRD, 14. Juni 2010<br />

■ Leitlinien für die operationelle Zusammenarbeit der Colleges, 15. Juni 2010


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

■ Leitlinien zur Umsetzung Artikel 106 (2) (c) und (d) von Richtlinie 2006/48/EG wie durch die<br />

Änderungsrichtlinie 2009/111/EG gefordert, 28. Juli 2010<br />

■ Überarbeitete Leitlinien zu Stresstests, 26. August 2010<br />

■ Überarbeitete Leitlinien zur H<strong>and</strong>habung von Konzentrationsrisiken bei der aufsichtsrechtlichen<br />

Überprüfung, 2. September 2010<br />

■ Leitlinien zur H<strong>and</strong>habung von operationellen Risiken bei marktbasierenden Aktivitäten,<br />

12. Oktober 2010<br />

■ Leitlinien zur Liquiditätsallokation unter Kosten-Nutzen Aspekten, 27. Oktober 2010<br />

■ Leitlinien zum überarbeiteten Artikel 3 von Richtlinie 2006/48/EG, 18. November 2010<br />

■ Überarbeitete Leitlinien zur Anerkennung von externen Ratingagenturen (ECAIs), 30. November<br />

2010<br />

■ Leitlinien zur Vergütungspolitik und Praktiken, 10. Dezember 2010<br />

■ Leitlinien zu gemeinsamen Bewertungen und Entscheidungen hinsichtlich der Kapitaladäquanz<br />

von grenzüberschreitenden Kreditinstituten, 22. Dezember 2010<br />

■ Leitlinien zur Anwendung von Artikel 122a der CRD, 31. Dezember 2010<br />

■ Revision der EBA-Leitlinien zum einheitlichen aufsichtsrechtlichen Meldewesen (COREP),<br />

28. April 2011<br />

■ EBA-Leitlinien über interne Governance-Bestimmungen, 27- September 2011<br />

■ EBA-Leitlinien zur Erweiterung und Änderung des Advanced Measurement Approach (AMA),<br />

6. Januar 2012<br />

■ EBA-Leitlinien zur Incremental Default <strong>and</strong> Migration <strong>Risk</strong> Charge (IRC), 16. Mai 2012<br />

■ EBA-Leitlinien zum Risikopotential unter Stressbedingungen (Stressed-VaR), 16. Mai 2012<br />

Die verabschiedeten Leitlinien wurden von CEBS im „elektronischen Leitbuch“ publiziert, welches<br />

auf der Homepage der European Banking Authority (EBA), der Nachfolgebehörde von CEBS, eingesehen<br />

werden kann (www.eba.europa.eu).<br />

Mit Beginn 2011 wurde CEBS von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) abgelöst.<br />

Zukünftig werden Leitlinien, Empfehlungen und technische Durchführungsbestimmungen von der<br />

EBA erlassen.<br />

Änderungen der Bankenrichtlinie<br />

Bei späteren Anpassungen/Änderungen der Richtlinienanhänge bzw. beim Erlass technischer<br />

Durchführungsbestimmungen wurde das erweiterte Komitologieverfahren angewendet. Nach diesem<br />

beschleunigten Gesetzgebungsverfahren (sog. „Lamfalussy-Verfahren“) konnte die Europäische<br />

Kommission – nach Beratung mit dem Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden<br />

(CEBS) und dem Europäischen Bankenausschuss (EBC) – entsprechende Bestimmungen erlassen.<br />

Im Juli 2006 wurde ein neuer Beschluss über das Komitologieverfahren angenommen (Beschluss<br />

2006/512/EG). Dieser führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“,<br />

das insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in<br />

die Bankenrichtlinie durch technische Änderungs-Richtlinie 2008/24/EG, angenommen am<br />

11. März 2008, eingeführt. Durch die Einführung von sogenannten „delegierten Rechtsakten“<br />

gemäß Artikel 290 und 291 TFEU wurde das Komitologieverfahren erneut überarbeitet.<br />

35<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

36<br />

Eine erste Änderung ergab sich durch die Richtlinie hinsichtlich des Ausschlusses bzw. der Aufnahme<br />

bestimmter Institute aus ihrem bzw. in ihren Anwendungsbereich und hinsichtlich der<br />

Beh<strong>and</strong>lung der Forderungen an multilaterale Entwicklungsbanken (2007/18/EG).<br />

Eine weitere Änderung ergibt sich durch die Richtlinie betreffend Verfahrensregeln und Bewertungskriterien<br />

für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen<br />

im Finanzsektor (2007/44/EG).<br />

Die Richtlinie wurde auch durch die Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (2007/64/EG)<br />

geändert.<br />

Zur Beantwortung von technischen Fragen, die sich im Zuge der Implementierung der neuen Eigenkapitalbestimmungen<br />

ergaben, richtete die Kommission eine Arbeitsgruppe ein (CRDTG – Capital<br />

Requirements Directive Transposition Group). Der durch die CRDTG im Dialog mit der Kreditwirtschaft<br />

identifizierte Änderungsbedarf im Bereich des Risikomanagements wurde im Rahmen des<br />

Komitologieverfahrens in rechtliche Bestimmungen umgesetzt: Richtlinie 2009/83/EG vom 27. Juli<br />

2009 ändert die Bankenrichtlinie diesbezüglich. Die sich durch die Richtlinie 2009/83/EG ergebenden<br />

Änderungen sind bis zum 31. Oktober 2010 in einzelstaatliches Recht umzusetzen und müssen<br />

ab 31. Dezember 2010 angewendet werden.<br />

Die Bankenrichtlinie wurde bereits zwei Mal überarbeitet – durch die CRD II (2009/111/EG) und<br />

CRD III (2010/76/Eu) – siehe dazu Kapitel A.I.8 und A.I.9 bzw. wird derzeit durch die CRD IV überarbeitet<br />

– siehe Kapitel A.III.3.<br />

Umsetzung in deutsches Recht<br />

Die Umsetzung in einzelstaatliches Recht hatte bis zum 31. Dezember 2006 zu erfolgen. Eine<br />

Umsetzung in deutsches Recht erfolgte durch Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen<br />

(KWG), durch das Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten<br />

Kapitaladäquanz-Richtlinie vom 17. November 2006 (BGBl. I Nr. 53 S. 2606 vom 22.11.2006). Die<br />

Umsetzung der ersten und dritten Säule erfolgte in der Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung<br />

von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholdinggruppen (Solvabilitätsverordnung<br />

– SolvV) vom 14. Dezember 2006 (BGBl I Nr. 61, S 2926ff vom 20. Dezember 2006), die zum<br />

1. Januar 2007 in Kraft getreten ist und den bisherigen Grundsatz I über das Mindesteigenkapital<br />

der Institute ablöst. Des Weiteren wurden die Großkreditvorschriften der Bankrechts-Richtlinie in<br />

der neugefassten Verordnung über die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten<br />

im Bereich der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften des Kreditwesengesetzes (Großkredit-<br />

und Millionenkreditverordnung – GroMiKV) vom 14. Dezember 2006 (BGBl I Nr. 61, S 3065 ff<br />

vom 20.12.2006) umgesetzt. Bestimmungen betreffend Anzeigepflichten finden sich in der geänderten<br />

Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz<br />

(Anzeigenverordung – AnzV) vom 19. Dezember 2006 (BGBl I Nr. 63, S 3245 ff vom 22.12.2006).<br />

Schließlich wurden in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (Ma<strong>Risk</strong>) die Bestimmungen<br />

der zweiten Säule umgesetzt (Rundschreiben 18/2005 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen<br />

vom 20.12.2005). Für einige Bestimmungen im KWG bzw. in den Verordnungen galten<br />

Übergangsfristen bis Ende 2007.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2006/48/EG (Richtlinie) vom 14.06.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 177/1 vom 30.06.2006<br />

2007/18/EG (Richtlinie) vom 27.03.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 87/9 vom 28.03.2007<br />

2007/44/EG (Richtlinie) vom 05.09.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 247/1 vom 21.09.2007<br />

2007/64/EG (Richtlinie) vom 13.11.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 319/1 vom 5.12.2007<br />

2008/24/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 81/38 vom 20.03.2008<br />

2009/83/EG (Richtlinie) vom 27.07.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 196/14 vom 28.07.2009<br />

2009/110/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 267/4 vom 10.10.2009<br />

2009/111/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 302/97 vom 17.11.2009<br />

2010/16/EU (Richtlinie) vom 09.03.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 60/15 vom 10.03.2010<br />

2010/76/EU (Richtlinie) vom 24. 11. 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 329/3 vom 14.12.2010<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24. 11. 2010, Atsblatt der EU Nr. L 31/120 vom15.1220<br />

37<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

6. Kapitaladäquanz-Richtlinie (Neufassung) – CRD<br />

Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die<br />

angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung)<br />

Inhalt<br />

38<br />

Wie auch die überarbeitete Bankenrichtlinie (2006/48/EG) beschäftigt sich die neugefasste Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

mit den Risiken, denen Institute aufgrund ihrer Geschäftsaktivitäten ausgesetzt<br />

sind. Beide Richtlinien werden gemeinsam auch als Capital Requirements Directive – CRD<br />

bezeichnet.<br />

Während die Bankenrichtlinie ihren Anwendungsbereich auf Kreditinstitute beschränkt, gilt die<br />

Kapitaladäquanz-Richtlinie zusätzlich auch für Wertpapierfirmen. Die Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

steht in einem engen Bezug zur Bankenrichtlinie und verweist für den Anwenderkreis der Kreditinstitute<br />

regelmäßig auf diese. Die wesentlichen Regelungsinhalte der Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

beziehen sich auf die Festlegung der Mindesthöhe des Anfangskapitals von Wertpapierfirmen und<br />

die Bemessung der Eigenmittelanforderungen an das H<strong>and</strong>elsbuch. Daneben gelten zusätzliche<br />

Regelungen für die Überwachung von Großkrediten, die Offenlegung und das Meldewesen.<br />

Während für die Bemessung der Höhe des Anfangskapitals von Kreditinstituten auf die Bestimmungen<br />

der Bankenrichtlinie verwiesen wird, gelten für Wertpapierfirmen abgestufte Anforderungen.<br />

Firmen, die keine Erlaubnis zur Verwaltung von Kundengeldern oder zum H<strong>and</strong>el auf eigene<br />

Rechnung haben, brauchen ein Startkapital von 50.000 EUR. Institute, die Kundenaufträge ausführen<br />

bzw. im Portfoliomanagement arbeiteten, benötigen 125.000 EUR. Wertpapierfirmen, die auf<br />

eigene Rechnung h<strong>and</strong>eln, müssen ein Anfangskapital von 730.000 EUR vorweisen. Wertpapierfirmen<br />

müssen grundsätzlich in die Konsolidierung einbezogen werden. Lediglich Gruppen, die nur<br />

aus Wertpapierfirmen bestehen, müssen nicht konsolidiert werden.<br />

Die Eigenmittelanforderungen für das H<strong>and</strong>elsbuch sollen die Risiken, die aus dem H<strong>and</strong>el in<br />

Finanzinstrumenten und Warenpositionen resultieren, begrenzen. Da derartige Geschäfte zur Erzielung<br />

kurzfristiger H<strong>and</strong>elserfolge unter Ausnutzung von Preisschwankungen am Markt getätigt<br />

werden, steht in der Kapitaladäquanz-Richtlinie die Begrenzung der Marktrisiken im Vordergrund.<br />

Diese werden in Fremdwährungs-, Rohwarenpreis-, Zins- und Aktienpreisrisiken sowie sonstige<br />

Marktrisiken unterschieden. Hierzu ergänzend steht als weiteres Risiko der mögliche Ausfall der<br />

Gegenpartei im Blickpunkt. Institute, deren H<strong>and</strong>elsbest<strong>and</strong> die in der Richtlinie definierten Bagatellgrenzen<br />

nicht übersteigt, sind von der Eigenmittelunterlegung der aufgezählten Risiken im<br />

H<strong>and</strong>elsbuch befreit. Für sie gelten die Anforderungen an das Anlagebuch.<br />

Zur Ermittlung der Höhe der Kapitalunterlegung im H<strong>and</strong>elsbuch können die Institute zwischen der<br />

Nutzung der vorgegebenen St<strong>and</strong>ardverfahren oder der Entwicklung eigener, durch die nationalen<br />

Aufsichtsbehörden anzuerkennender, Risikomodelle wählen.<br />

Großkreditvorschriften sind grundsätzlich auf die Risiken des H<strong>and</strong>elsbuchs anzuwenden, jedoch<br />

werden Überschreitungen zugelassen, wenn zusätzliche Eigenkapitalanforderungen erfüllt wurden.<br />

Im Speziellen sind folgende Regelungsgegenstände in der Neufassung der Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

hervorzuheben:


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Zur Ermittlung des Kontrahentenrisikos von OTC-Derivaten und „Securities Financing Transactions“<br />

wird im Rahmen der so genannten „Internen Modelle Methode“ die Konzeption des „Expected<br />

Positive Exposure“ (EPE) zugelassen. Für OTC-Derivate wird mit der „St<strong>and</strong>ardmethode“ ein weiteres,<br />

einfacheres Verfahren eingeführt. Der aktuelle Marktwert der Risikopositionen ist hierbei<br />

einer aufsichtlich gewichteten Größe gegenüber zu stellen. Die neuen Verfahren sind optional,<br />

d. h. Marktbewertungs- und Laufzeitmethode können weiterhin verwendet werden.<br />

Im Rahmen der „Internen Modelle Methode“ wird produktübergreifendes Netting grundsätzlich<br />

aufsichtlich anerkannt.<br />

Für Garantien von „<strong>Financial</strong> Firms“ wird im Rahmen der auf interne Ratings basierenden Ansätze<br />

unter bestimmten Voraussetzungen optional ein Double Default-Effekt aufsichtlich anerkannt. Zur<br />

Anerkennung muss der Sicherungsgeber nur anfänglich über ein Mindestrating von A- verfügen.<br />

Das Rating kann sich während der Sicherungslaufzeit auf ein noch Investment-Grade-Rating verschlechtern.<br />

Der Double Default-Effekt wird ausdrücklich auch bei nur teilweisen Besicherungen<br />

anerkannt.<br />

Interne Marktrisikomodelle, die das besondere Kursrisiko nicht vollständig abbilden („Surcharge“-<br />

Modelle), sollten ab 2011 nicht mehr anerkennungsfähig sein. Stattdessen sollen die Institute<br />

ihren Anwendungsbereich der internen Risikomodellierung auf so genannte zusätzliche Ausfallrisiken<br />

(incremental risk) ausdehnen. Im CRD III Überarbeitungspaket hat man sich jedoch für eine<br />

Ausdehnung der Übergangsfrist entschieden. Die Nutzung von sogenannten Surcharge-Modellen<br />

für das besondere Kursrisiko gemäß Artikel 47 der Kapitaladäquanz-Richtlinie ist nun grundsätzlich<br />

bis 30. Dezember 2011 erlaubt. Die Aufsichtsbehörden können in Einzelfällen einen früheren Zeitpunkt<br />

für das Auslaufen der Modelle festlegen (vgl. Kapitel A.I.9.).<br />

Die Anforderungen an die Parameter der internen Modelle in Anlehnung an die Eigenkapitalanforderungen<br />

für Adressrisiken im IRBA werden weiter verschärft (z. B. 99,9%iges Konfidenzniveau,<br />

einjähriger Kapitalhorizont). Darüber hinaus werden die Eigenmittelanforderungen für das allgemeine<br />

Marktrisiko durch die Einführung eines „Stressed Value at <strong>Risk</strong>“ erhöht (vgl. Kapitel A.I.9.).<br />

Die Anforderungen an die Unterlegung des Vorleistungsrisikos wurden verschärft. Nach einem<br />

Verzugszeitraum von fünf Tagen ist der übertragene Wert zuzüglich eines gegebenenfalls positiven<br />

Marktwerts vom Kapital abzuziehen.<br />

Die Kapitaladäquanz-Richtlinie wird überarbeitet (siehe Kapitel A.I.8., A.I.9., A.III.3.).<br />

Die Zulassung der neuen Methoden zur Bemessung des Kontrahentenrisikos von OTC-Derivaten<br />

und „Securities Financing Transactions“ bietet den Instituten die Möglichkeit, diese Risiken auch<br />

für aufsichtliche Zwecke genauer abzubilden. Für kleinere Häuser ist entscheidend, dass die bislang<br />

geltenden Verfahren weiterhin angewendet werden können. Die Anerkennung des Double<br />

Default-Effekts entspricht einer langjährigen Forderung der Kreditwirtschaft und ist zu begrüßen.<br />

Die vollständige Abbildung des spezifischen Risikos im Rahmen interner Marktrisikomodelle stellt<br />

die Institute vor eine große Herausforderung. Die Übergangsfrist für das Auslaufen der<br />

„Surcharge“-Modelle bis zum 30. Dezember 2011 ist insoweit unverzichtbar.<br />

39<br />

A


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

A Verfahren<br />

Vorgängerbestimmungen<br />

Die neugefasste Kapitaladäquanz-Richtlinie (2006/49/EG) hat die zuvor geltende Kapitaladäquanz-<br />

Richtlinie (93/6/EG) abgelöst. Wie auch die neugefasste Richtlinie, enthielt Richtlinie 93/6/EG im<br />

Wesentlichen Anforderungen an das erforderliche Anfangskapital sowie Mindesteigenkapitalnormen<br />

zur Abdeckung von Marktrisiken aus dem Wertpapierh<strong>and</strong>elsbest<strong>and</strong> von Wertpapierfirmen<br />

und Banken.<br />

Die Bestimmungen betreffend das Anfangskapital waren in der Richtlinie 93/6/EG im Wesentlich<br />

entsprechend den heute geltenden Bestimmungen ausgestaltet.<br />

Richtlinie 98/31/EG glich die Kapitaladäquanz-Richtlinie den entsprechenden Baseler Regelungen<br />

an. Den Mitgliedstaaten wurde durch die Änderungen die Möglichkeit gegeben, auch interne<br />

Risikomanagementsysteme von Kreditinstituten oder Wertpapierfirmen anzuerkennen. Durch die<br />

Richtlinie wurde außerdem das für den Wertpapierh<strong>and</strong>el verwendete Konzept auch auf Warenpositionen<br />

und derivative Wareninstrumente, die für H<strong>and</strong>elszwecke gehalten werden und in erster<br />

Linie Marktrisiken ausgesetzt sind, ausgeweitet. Außerdem wurden Positionen in Gold und derivativen<br />

Goldinstrumenten für den Zweck der Berechnung der Marktrisiko-Eigenkapitalanforderungen<br />

in ähnlicher Weise wie Devisenpositionen beh<strong>and</strong>elt.<br />

Schließlich wurde die Kapitaladäquanz-Richtlinie durch die Richtlinie 98/33/EG geändert. Die<br />

Änderungen betrafen Anpassungen der Hinweise in der Kapitaladäquanz-Richtlinie auf geänderte<br />

Bestimmungen der Solvabilitäts-Richtlinie, die notwendig waren, um eine kohärente aufsichtliche<br />

Beh<strong>and</strong>lung der derivativen Freiverkehrsinstrumente von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen zu<br />

erreichen, die unter die Kapitaladäquanz-Richtlinie fielen.<br />

40<br />

Verfahren zur Annahme der Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

Am 14. Juli 2004 legte die Kommission ihren Richtlinienvorschlag zur Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften<br />

vor. Im April 2005 folgte eine Konsultation (sowohl auf Baseler als auch auf EU-<br />

Ebene) betreffend die H<strong>and</strong>elsbuchbestimmungen und den Double Default-Effekt. Der Baseler<br />

Ausschuss präsentierte den endgültigen Text am 18. Juli 2005. Dieser wurde für die CRD übernommen.<br />

(siehe im Übrigen Ausführungen unter A.I.5. – Verfahren b)<br />

Leitlinien zur Umsetzung der Kapitaladäquanz-Bestimmungen<br />

(siehe Ausführungen unter A.I.5. – Verfahren c)<br />

Änderungen der Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

Bei späteren Anpassungen/Änderungen der Richtlinienanhänge bzw. beim Erlass technischer<br />

Durchführungsbestimmungen wird das erweiterte Komitologieverfahren angewendet. Nach diesem<br />

beschleunigten Gesetzgebungsverfahren (sog. „Lamfalussy-Verfahren“) kann die Europäische<br />

Kommission – nach Beratung mit dem Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS)<br />

und dem Europäischen Bankenausschuss (EBC) – entsprechende Bestimmungen erlassen. Im Juli<br />

2006 wurde ein neuer Beschluss über das Komitologieverfahren angenommen (Beschluss<br />

2006/512/EG). Dieser führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“,<br />

das insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

die Kapitaladäquanz-Richtlinie eingeführt durch Richtlinie 2008/23/EG, angenommen am 11. März<br />

2008.<br />

Zur Beantwortung von technischen Fragen, die sich im Zuge der Implementierung der neuen Eigenkapitalbestimmungen<br />

ergaben, richtete die Kommission eine Arbeitsgruppe ein (CRDTG – Capital<br />

Requirements Directive Transposition Group ). Der durch die CRDTG im Dialog mit der Kreditwirtschaft<br />

identifizierte Änderungsbedarf im Bereich des Risikomanagements wurde im Rahmen des<br />

Komitologieverfahrens in rechtliche Bestimmungen umgesetzt: Richtlinie 2009/27/EG vom 7. April<br />

2009 ändert diesbezüglich die Kapitaladäquanz-Richtlinie. Die sich durch die Richtlinie 2009/27/<br />

EG ergebenden Änderungen sind bis zum 31. Oktober 2010 in einzelstaatliches Recht umzusetzen<br />

und müssen ab 31. Dezember 2010 angewendet werden.<br />

Die Banken- und Kapitaladäquanz-Richtlinie wurde von der CRD II Richtlinie 2009/111/EG (vgl.<br />

Kapitel A.I.8.) und der CRD III Richtlinie 2010/76/EU (vgl. Kapitel A.I.9), sowie von der Omnibus I-<br />

Richtlinie 2010/78/EU (vgl. Kapitel A.II.1.) geändert. Eine weitere Phase der Überarbeitung läuft<br />

derzeit durch das CRD IV-Änderungspaket (siehe Kapitel A.III.3).<br />

Umsetzung in deutsches Recht<br />

(siehe unter A.I.5. – Verfahren e)<br />

2006/49/EG (Richtlinie) vom 14.06.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 177/201 vom 30.06.2006<br />

2008/23/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 76/54 vom 19.03.2008<br />

2009/27/EG (Richtlinie) vom 07.04.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 94/97 vom 08.04.2009<br />

2009/111/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 302/97 vom 17.11.2009<br />

2010/76/EU (Richtlinie) vom 24. 11. 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 329/3 vom 14.12.2010<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24. 11. 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

41<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

7. Beteiligungs-Richtlinie<br />

Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur<br />

Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG,<br />

2005/68/EG und 2006/48/EG in Bezug auf Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die<br />

aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

42<br />

Ziel dieser Richtlinie ist es, das aufsichtsrechtliche Genehmigungsverfahren für Fusionen und<br />

Übernahmen im Banken-, Versicherungs- und Wertpapierbereich in allen EU Mitgliedstaaten einheitlich<br />

zu gestalten und protektionistischen Tendenzen bei grenzüberschreitenden Fusionen und<br />

Übernahmen entgegenzuwirken.<br />

Die Richtlinie enthält die folgenden Kernelemente, die in die jeweiligen sektoralen Richtlinien<br />

(insbesondere die neugefasste Bankenrichtlinie und die MiFID) eingeführt wurden:<br />

■ Reduzierung der bis dato geltenden dreimonatigen Frist für die Erteilung einer Genehmigung.<br />

Der Beurteilungszeitraum beträgt nunmehr maximal 60 Arbeitstage. Für die Nachforderung von<br />

Unterlagen kann dieser einmalig unterbrochen werden und zwar bei EU-Erwerbern für maximal<br />

20 Arbeitstage und bei Erwerbern aus Drittstaaten für maximal 30 Arbeitstage.<br />

■ Den EU-Aufsichtsbehörden wird ein abschließender Prüfkatalog von fünf konkreten Kriterien<br />

vorgegeben, darunter die Reputation und finanzielle Solidität des Beteiligungserwerbers,<br />

Erfahrung des Managements, dauerhafte Erfüllung der sektorspezifischen Aufsichtsregeln<br />

sowie Verdachtsmomente bei Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.<br />

■ Jeder Mitgliedstaat veröffentlicht eine Liste mit den Informationen, die bei Antragstellung<br />

einzureichen sind.<br />

■ Die Aufseher arbeiten bei grenzüberschreitenden Fällen eng zusammen, wobei das Letztentscheidungsrecht<br />

bei der Aufsichtsbehörde des zu übernehmenden Unternehmens verbleibt.<br />

Begrüßt wird die Einschränkung des bisher den Aufsichtsbehörden zugest<strong>and</strong>enen Spielraums bei<br />

der Genehmigung von Beteiligungen an Unternehmen des Finanzdienstleistungsbereichs. Die<br />

Transparenz wird erhöht und Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen wird damit mehr<br />

Sicherheit bei grenzübergreifenden Zusammenschlüssen gegeben.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

2004 begann die Kommission die Erarbeitung einer Studie, die mögliche Hindernisse bei grenzüberschreitenden<br />

Fusionen und Übernahmen in der Finanzwirtschaft, die nicht nur auf unterschiedliche<br />

Aufsichtspraktiken, sondern auch auf <strong>and</strong>ere umfassendere Faktoren zurückzuführen sind,<br />

untersuchen sollte. Im April 2005 wurde eine online-Erhebung zu der Frage eingeleitet, warum in<br />

der Finanzwirtschaft so wenig grenzüberschreitende Konsolidierung stattfindet. Eine erste Analyse<br />

wurde von der Kommission im November 2005 präsentiert. Insbesondere wurde auch das Verfahren<br />

zur Genehmigung des Erwerbs von qualifizierten Beteiligungen an Banken durch die Aufsichtsbehörden<br />

als Hindernis identifiziert.<br />

Am 16. März 2006 lancierte die Kommission abermals eine Konsultation, gefolgt vom Richtlinienvorschlag<br />

am 12. September 2006.<br />

Die Richtlinie wurde am 13. März 2007 in erster Lesung vom Europäischen Parlament angenommen<br />

und am 28. Juni 2007 vom Rat verabschiedet. Sie ändert insbesondere Art. 19 der neugefassten<br />

Bankenrichtlinie (2006/48/EG) und Art. 10 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente<br />

(MiFID – 2004/39/EG).<br />

Eine Umsetzung der Bestimmungen in nationales Recht hatte bis zum 21. März 2009 zu erfolgen.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Beteiligungs-Richtlinie mit dem Gesetz zur Umsetzung der Beteiligungs-<br />

Richtlinie, BGBl I Nr 13 S. 470 vom 17. März 2009, umgesetzt. Die neuen Bestimmungen sind mit<br />

18. März 2009 in Kraft getreten.<br />

Im Dezember 2008 veröffentlichte CEBS zusammen mit CESR und CEIOPS Leitlinien zur Prüfung von<br />

Fusionen und Übernahmen. Diese definieren die fünf in der Richtlinie genannten Prüfkriterien<br />

näher. Außerdem enthalten die Leitlinien eine abschließende Liste an Informationen, die Erwerber<br />

in ihren Notifikationen an die Aufsichtsbehörden zu übermitteln haben. In Deutschl<strong>and</strong> wurden<br />

diese Leitlinien in der Verordnung zur weiteren Umsetzung der Beteiligungs-Richtlinie (BGBl I Nr<br />

15, S. 562 ff. vom 24. März 2009) umgesetzt. Damit wurde die Inhaberkontrollverordnung (InhKontrollV)<br />

erlassen und zugleich die Anzeigenverordnung (AnzV) hinsichtlich der Anzeige bedeutender<br />

Beteiligungen angepasst. Die Verordnung ist mit 25. März 2009 in Kraft getreten.<br />

2007/44/EG (Richtlinie) vom 05.09.2007, Atsblatt der EU Nr. L247/1 vom 1.09208.<br />

43<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

8. Überarbeitung der CRD – CRD II<br />

Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009<br />

zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisationen<br />

zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbest<strong>and</strong>teile, Großkredite, Aufsichtsregelungen<br />

und Krisenmanagement<br />

Inhalt<br />

44<br />

Die Änderungs-Richtlinie zur Banken- und Kapitaladäquanz-Richtlinie (CRD II) führt insbesondere<br />

für folgende Bereiche modifizierte Bestimmungen ein:<br />

■ Änderung der Großkreditbestimmungen;<br />

■ Einführung von Bestimmungen zu hybriden Kapitalinstrumenten;<br />

■ Neue Bestimmungen für Verbriefungen;<br />

■ Änderungen im Bereich der grenzüberschreitenden Aufsicht;<br />

■ Verbessertes Liquiditätsrisikomanagement;<br />

Zudem wird die EU-Kommission auch aufgefordert, bis Ende 2009 Vorschläge zur Erhöhung der<br />

Transparenz von OTC-Derivaten, zum Beispiel durch Einrichtung einer zentralen Clearingstelle für<br />

Credit Default Swaps, vorzulegen (vgl Kapitel B.IV.3.). Schließlich verfügt die Änderungs-Richtlinie<br />

(CRD II) die Harmonisierung des europäischen Solvenz-Meldewesens (COREP) bis Ende 2012: Europaweit<br />

sollen ab diesem Zeitpunkt einheitliche Meldeformate, -intervalle und -termine gelten. Die<br />

entsprechenden Leitlinien wurden von CEBS bzw. durch die Nachfolgeorganisation EBA erstellt.<br />

Zu den wichtigsten Änderungsvorschlägen des ersten Änderungspakets im Einzelnen:<br />

Großkredite<br />

Interbankenforderungen sind künftig voll auf die Großkreditobergrenze anzurechnen, d. h. auf 25 %<br />

der Eigenmittel zu begrenzen. Die bisher geltende Möglichkeit für Mitgliedstaaten laufzeitabhängig<br />

eine reduzierte Anrechnung vorzunehmen wird damit entfallen. Erleichterungen gelten jedoch<br />

u. a. für förderbezogene Kredite der Förderbanken und für kleine Institute mit einem haftenden<br />

Eigenkapital bis zu 600 Millionen Euro (150 Mio Euro-Grenze sofern diese höher ist als die allgemeine<br />

25 % Grenze). Die bisher geltenden privilegierten Bestimmungen für Interbankenforderungen<br />

gelten für jene Forderungen, die vor dem 31. Dezember 2009 begeben wurden noch bis zum<br />

31. Dezember 2012. Die aggregierte Grenze von 800 % entfällt. Außerdem wurde der die „Kreditnehmereinheit“<br />

begründende Tatbest<strong>and</strong> erweitert.<br />

Einheitliche Regelungen für Hybridkapital<br />

Die EU Mitgliedstaaten hatten bisher die Leitlinien zur Anerkennung von Hybridkapital des Baseler<br />

Ausschusses (sogenannter „Sydney Press Release“) sehr unterschiedlich umgesetzt. Durch die<br />

neuen Bestimmungen in der CRD soll mehr Konvergenz geschaffen werden.<br />

Um als Kernkapital anerkannt zu werden, müssen hybride Kapitalinstrumente künftig die drei<br />

Kernforderungen Dauerhaftigkeit, Verlustteilnahme und Flexibilität von Zahlungen erfüllen. Instrumente,<br />

die in Geschäfts-/ Grund- oder Stammkapital umgew<strong>and</strong>elt werden können, dürfen bis zu<br />

50 % und <strong>and</strong>erweitige Instrumente bis zu 35 % des Kernkapitals betragen. Die Anrechnung der


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

befristeten Instrumente und jenen, die mit einem Anreiz zur Kündigung ausgestattet sind,<br />

beschränkt sich auf 15 % des Kernkapitals. Eine Best<strong>and</strong>schutzklausel, die für jene Instrumente<br />

gilt, die bis zum 31. Dezember 2010 nach nationalem Recht als gleichwertig mit Kernkapital angesehen<br />

wurden, soll sicherstellen, dass die neuen Regelungen erst abgestuft über 30 Jahre voll<br />

anwendbar sind. Im Zuge der Neuregelung der Hybridkapitalbestimmungen wurde zudem festgelegt,<br />

dass Instrumente künftig nur noch dann dem traditionellen Kernkapital zugerechnet werden,<br />

wenn diese gleichrangig mit dem Gesellschaftskapital am Verlust teilnehmen.<br />

Verbriefungsregeln – Art 122 a CRD neu<br />

Um Anreize für eine sorgfältige Prüfung von Krediten, die für eine Verbriefung vorgesehen sind, zu<br />

schaffen, verfügen die neuen Bestimmungen, dass Banken nur noch in solche Verbriefungspositionen<br />

investieren dürfen, bei denen die verbriefende Bank (Originator) bzw. der Sponsor mindestens<br />

5 % des zugrundeliegenden Risikos in den eigenen Büchern zurückbehält (Selbstbehalt). Außerdem<br />

werden Investoren und Originatoren weitreichenden qualitativen Anforderungen (Due-Diligence-<br />

Verfahren) unterworfen. Als Sanktion bei Verstößen gegen die Vorschriften durch Investoren ist<br />

vorgesehen, dass die investierende Bank die Verbriefungsposition mit einem Risikogewicht von<br />

mindestens 250 % des ursprünglichen Risikogewichts (mit einer Obergrenze von 1250 %) anrechnen<br />

muss. Originatoren wird im Falle eines Verstoßes untersagt, eine Kapitalerleichterung geltend<br />

zu machen.<br />

Die Kommission wird in der Änderungs-Richtlinie aufgefordert, einen Bericht auszuarbeiten um<br />

festzustellen, ob der Selbstbehalt erhöht werden soll.<br />

Änderungen bei der Aufsicht grenzüberschreitend tätiger Institute<br />

Zur effizienteren Beaufsichtigung von Bankengruppen und zur Stärkung des Krisenmanagements in<br />

der Gemeinschaft werden für Bankengruppen, die in mehreren EU-Ländern tätig sind, Aufsichtskollegien<br />

(„colleges of supervisors“) eingerichtet. Sie sollen bei der Beaufsichtigung einer Gruppe<br />

zusammenarbeiten und bei verschiedenen Fragestellungen zu einheitlichen Lösungen kommen.<br />

Gastl<strong>and</strong>aufsichtsbehörden bedeutender Zweigniederlassungen erhalten verbesserte Informationsrechte.<br />

Auch sollen die M<strong>and</strong>ate der nationalen Aufsichtsbehörden dergestalt erweitert werden,<br />

dass sie der Gemeinschaftsdimension Rechnung tragen und auch die Auswirkungen ihrer<br />

Entscheidungen auf die Stabilität der Finanzsysteme in <strong>and</strong>eren betroffenen Mitgliedstaaten<br />

berücksichtigen.<br />

Liquiditätsrisikomanagement<br />

Die überarbeiteten Bestimmungen zum Liquiditätsrisikomanagement in den Anhängen V und XI der<br />

Bankenrichtlinie setzen die Prinzipien des Baseler Ausschusses für das Liquiditätsrisikomanagement<br />

vom September 2008 in EU-Recht um. Danach soll jede Bank eine Risikotoleranz für ihr<br />

Liquiditätsrisiko festlegen, die ihrem Geschäftsmodell und ihrer Rolle im Finanzsystem entspricht.<br />

Auf der Grundlage dieser Festlegung sollen die Banken wirksame Verfahren einführen, die eine<br />

ausreichende Liquidität im Krisenfall sicherstellen. Institute müssen in der Lage sein, die sich aus<br />

den einzelnen Aktiv- und Passivposten sowie aus außerbilanziellen Positionen ergebenden Zahlungsströme<br />

zu prognostizieren, um hieraus ihren künftigen Liquiditätsbedarf abzuleiten. Banken<br />

haben zudem Stresstests durchzuführen, deren Ergebnisse bei der strategischen Planung, im täglichen<br />

Risikomanagement sowie bei der Aufstellung von Notfallplänen genutzt werden sollen.<br />

45<br />

A


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

A Bewertung<br />

Äußerst kritisch wird die Abschaffung der gegenwärtigen Privilegierung der Interbankenforderungen<br />

gesehen, da dies schwerwiegende Folgen für das Liquiditätsmanagement von Banken haben<br />

kann. Die Privilegierung von Interbankenforderungen wurde ursprünglich eingeführt, um die Funktionsfähigkeit<br />

des Interbankenmarktes zu gewährleisten. Ferner können sich durch die neuen Regelungen<br />

deutliche Wettbewerbsnachteile für die europäischen Institute im globalen Kontext ergeben.<br />

Die neuen Vorschriften für Verbriefungen als Maßnahme zur Wiedergewinnung des Vertrauens in<br />

die Finanzmärkte wurden grundsätzlich begrüßt. Der in den ursprünglichen Kommissionsvorschlägen<br />

vorgesehene Selbstbehalt von 15 % bzw. 10 % wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens<br />

auf 5 % gesenkt, was den Forderungen der Kreditwirtschaft entgegenkommt. Auch der ursprünglich<br />

sehr breite Anwendungsbereich der Vorschrift wurde auf reine Verbriefungspositionen eingeschränkt<br />

und die zunächst unverhältnismäßig hohen Sanktionen proportional ausgestaltet. Wettbewerbsnachteile<br />

für die europäischen Institute im globalen Kontex bleiben jedoch bestehen.<br />

Die Vorschläge betreffend die einheitliche Regelung von Hybridkapitalinstrumenten werden<br />

ebenso begrüßt. Sie sind im Großen und Ganzen so ausgestaltet, dass sie die Prinzipien „Flexibilität<br />

der Zahlungen“, „Dauerhaftigkeit“ und „Verlustteilnahme“ angemessen ausfüllen. Die Vorschläge<br />

der Kommission lassen hinreichend Raum für die spezifische nationale Auslegung, welche<br />

sich nach den jeweils gültigen Gesetzen richten muss. Kritisch wird jedoch gesehen, dass künftig<br />

nur mehr solche Finanzinstrumente dem traditionellen Kernkapital zugerechnet werden können,<br />

die gleichrangig mit dem Gesellschaftskapital am Verlust teilnehmen („pari-passu Klausel“). Davon<br />

betroffen sind in Deutschl<strong>and</strong> vor allem bestimmte stille Einlagen, die künftig nicht mehr als traditionelles<br />

Kernkapital sondern nur noch als Hybridkapital bis zu 35 % des Kernkapitals anerkennungsfähig<br />

sind.<br />

Positiv wird auch die Verbesserung der Zusammenarbeit von Aufsichtsbehörden bei der grenzüberschreitenden<br />

Beaufsichtigung von Finanzinstituten gesehen. Insbesondere die Einrichtung von<br />

Aufsichtskollegien wird als sinnvoller Schritt in die richtige Richtung bewertet.<br />

Verfahren<br />

46<br />

Obgleich die Bestimmungen der neugefassten Bankenrichtlinie und der neugefassten Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

– gemeinhin bekannt als „CRD“ – erst in der ersten Hälfte 2007 in nationales<br />

Recht umgesetzt wurden, arbeitete die Kommission bereits seit 2005 an verschiedenen Änderungen.<br />

Diese Änderungen („CRD II–Paket“) wurden während der Arbeiten aufgrund der Finanzmarktkrise,<br />

die Mitte 2007 aufgetreten ist, teilweise verschärft, bzw. es wurden neue Änderungsbestimmungen<br />

in die Arbeiten aufgenommen.<br />

Dem Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS) wurden von der EU Kommission<br />

verschiedene M<strong>and</strong>ate zur Erstellung von Empfehlungen im Zuge der Überarbeitung erteilt. Folgende<br />

Empfehlungen / Studien wurden der Kommission von CEBS übermittelt:<br />

■ Studie zu den gegenwärtigen aufsichtsbehördlichen Praktiken im Bereich Großkredite, 3. Mai<br />

2006;<br />

■ Studie zur nationalen Umsetzung der gegenwärtigen Bestimmungen zu Eigenmittel sowie eine<br />

Analyse der Marktentwicklungen bei neuen Kapitalinstrumenten, 23. Juni 2006;


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

■ Bericht zur geltenden Marktpraxis in Bezug auf das Management und die Bemessung von<br />

Großkrediten, 31. August 2006;<br />

■ Quantitative Analyse über hybride Kapitalinstrumente, die als Kernkapital anerkannt sind,<br />

13. März 2007;<br />

■ Quantitative Analyse von Eigenmittel die aufsichtsrechtlich anerkannt sind, 15. Juni 2007;<br />

■ Erster Teil der Empfehlungen zum Liquiditätsrisikomanagement betreffend den aufsichtsbehördlichen<br />

Rahmen in den EU-Mitgliedstaaten, 15. August 2007;<br />

■ Erster Teil der Empfehlungen betreffend die Überarbeitung der Großkreditbestimmungen,<br />

6. November 2007;<br />

■ Endgültige Empfehlungen betreffend die Überarbeitung der Großkreditbestimmungen, 3. April<br />

2008;<br />

■ Vorschlag für eine einheitliche Definition von Tier 1 Hybridkapital, 3. April 2008;<br />

■ Zweiter Teil der Empfehlungen zu Liquiditätsrisikomanagement, 18. September 2008;<br />

Darüber hinaus veröffentlichte CEBS am 4. Januar 2007 einen Bericht über die Aufsichtspraxis in<br />

den Mitgliedstaaten im Bereich von Warengeschäften und Unternehmen, die Warengeschäfte<br />

betreiben. Eine zweite Empfehlung, die am 15. Oktober 2008 veröffentlicht wurde, beschäftigt sich<br />

mit der aufsichtsrechtlichen Beh<strong>and</strong>lung von Unternehmen, die Warengeschäfte und Geschäfte mit<br />

exotischen Derivaten betreiben. Bestimmungen zur Regulierung dieser Geschäfte bzw. der sie tätigenden<br />

Unternehmen wurden jedoch schließlich nicht in die Überarbeitung der CRD aufgenommen.<br />

Am 16. April 2008 veröffentlichte die Kommission Änderungsvorschläge und stellte diese zur Konsultation.<br />

Die Änderungsvorschläge umfassten sowohl Änderungen im Wege des legislativen Verfahrens<br />

(Mitentscheidungsverfahren) als auch technische Änderungen in den Anhängen der Banken-<br />

und Kapitaladäquanz-Richtlinie für die das Komitologieverfahren angewendet wurde (siehe zu<br />

letzterem unter Kapitel A.I.5 und A.I.6. jeweils unter Verfahren – Änderung der Bankenrichtlinie/<br />

bzw. Kapitaladäquanz-Richtlinie). Ein weiteres Konsultationspapier betreffend neue Verbriefungsregeln,<br />

das aufgrund der heftigen Kritik der Kreditwirtschaft hinsichtlich der ersten Vorschläge<br />

geänderte Vorschläge enthielt, wurde am 30. Juni 2008 veröffentlicht.<br />

Am 1. Oktober 2008 wurde der legislative Vorschlag von der Kommission angenommen und dem<br />

Europäischen Parlament sowie dem Rat übermittelt.<br />

Eine politische Einigung auf Ratsebene wurde am 2. Dezember 2008 erzielt. Der Ausschuss für<br />

Wirtschaft und Währung stimmte am 9. März 2009 über Änderungsvorschläge ab. Nach intensiven<br />

Trilogverh<strong>and</strong>lungen zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission wurde die Änderungs-Richtlinie<br />

am 6. Mai 2009 vom Plenum des Europäischen Parlaments angenommen. Die formelle<br />

Annahme des Rates erfolgte am 15. Juli 2009.<br />

Die neuen Bestimmungen sind bis zum 31. Oktober 2010 in nationales Recht umzusetzen und treten<br />

mit Wirkung zum 31. Dezember 2010 in Kraft. Am 10. Dezember 2009 hat das Bundesministerium<br />

der Finanzen den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und<br />

Kapitaladäquanz-Richtlinie vorgelegt. Das Bundeskabinett hat am 24. März 2010 den Regierungsentwurf<br />

des Gesetzes verabschiedet. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 8. Juli 2010 in<br />

2./3. Lesung beschlossen. Das Gesetz zur Umsetzung der CRD II wurde am 24. November 2010 im<br />

BGBl. I S. 1592 verkündet.<br />

47<br />

A


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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

48<br />

Die Bestimmungen der Änderungs-Richtlinie (CRD II) enthalten verschiedene Aufträge an CEBS zur<br />

Erstellung von Leitlinien, welche in Kapitel A.I.5 aufgelistet sind.<br />

Nach den Bestimmungen der Änderungs-Richtlinie muss die Kommission zu verschiedenen Maßnahmen<br />

Auswirkungsstudien bzw. Berichte vorlegen. Diese umfassen insbesondere folgende Themenbereiche:<br />

■ Verbriefungen: ein erster Bericht der Kommission über die voraussichtlichen Auswirkungen von<br />

Artikel 122a CRD, insbesondere zur Höhe des Selbstbehalts, soll nach Anhörung von CEBS<br />

vorgelegt werden (ein Auftrag zur Abgabe von technischen Empfehlungen an CEBS erfolgte am<br />

5. Mai 2009; ein zweiter Auftrag folgte am 12. Juni 2009). CEBS hat am 31. Dezember 2010<br />

Leitlinien zur Anwendung des Artikel 122a CRD erlassen. Ein zweiter Bericht ist bis zum<br />

1. Januar 2012 fällig und soll die Wirksamkeit des Art 122a vor dem Hintergrund der internationalen<br />

Entwicklungen analysieren.<br />

■ Derivate: Die Kommission soll Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz der Freiverkehrsmärkte<br />

(OTC-Märkte), einschließlich Märkte für Credit Default Swaps (CDS), wie etwa ein<br />

Clearing über zentrale Gegenparteien, prüfen (siehe hierzu Kapitel B.III.2.).<br />

■ Definition der Eigenmittel: mit dem Ziel die Qualität der Eigenmittel zu stärken soll bis zum<br />

31. Dezember 2011 ein Bericht mit entsprechenden Vorschlägen vorgelegt werden – die Qualitätsanforderungen<br />

an Eigenmittel werden durch die CRD IV komplett überarbeitet (siehe Kapitel<br />

A.III.3).<br />

■ Reform des Aufsichtssystems: Legislativvorschläge hinsichtlich einer stärkeren Integration der<br />

Aufsicht wurden im September 2009 vorgelegt (siehe Kapitel A.II.1.)<br />

■ Prozyklizität: ein Bericht mit Vorschlägen zur Analyse der prozyklischen Wirkungen der Bestimmungen<br />

der CRD, einschließlich Maßnahmen zur Beschränkung von „Leverage“ und eine Analyse<br />

zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen soll vorgelegt werden (siehe Kapitel A.<br />

III.3.)<br />

■ Einheitliche Meldeformate: Bericht über die Fortschritte von CEBS im Hinblick auf einheitliche<br />

Formate, Zeitabstände und Termine bis 1. Januar 2011. EBA hat am 28. April 2011 eine komplette<br />

Überarbeitung des einheitlichen aufsichtlichen Meldewesens (COREP) veröffentlicht.<br />

■ Mikrokreditfinanzierung: ein Bericht wird bis Ende 2011 gefordert.<br />

■ Großkredite: die in Art 113 Abs 4 Bankenrichtlinie vorgesehenen Ausnahmebestimmungen vom<br />

Großkreditregime sollen bis Ende 2013 überprüft werden – dies sieht eine entsprechende<br />

Klausel in der CRD IV Änderungsrichtlinie vor (Kapitel A.III.3).


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2009/111/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Atsblatt der EU Nr. L 02/97 vom 7.11209.<br />

49<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

9. Überarbeitung der CRD – CRD III<br />

Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010<br />

zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen<br />

für H<strong>and</strong>elsbuch und Wiederverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche<br />

Überprüfung der Vergütungspolitik<br />

Inhalt<br />

50<br />

Um während der Finanzmarktkrise aufgedeckte Schwächen der CRD im Bereich der aufsichtsrechtlichen<br />

Eigenkapitalbestimmungen und im Risikomanagement zu beheben, wurden im Juli 2009<br />

weitere Änderungen zur Banken- und Kapitaladäquanz-Richtlinie („CRD III Paket“) von der Kommission<br />

vorgelegt. Das CRD III Paket enthält insbesondere legislative Vorschläge für neue Bestimmungen<br />

für das H<strong>and</strong>elsbuch, sowie Wiederverbriefungen und Vergütungen. Die Kommission folgt<br />

damit dem Baseler Ausschuss, der zu den Bereichen H<strong>and</strong>elsbuch und Wiederverbriefungen ebenfalls<br />

im Juli 2009 Empfehlungen veröffentlicht hatte.<br />

Der verabschiedete Gesetzestext schreibt vor, Eigenkapitalanforderungen für „gewöhnliche“ Wiederverbriefungspositionen<br />

zu erhöhen. Der von der Kommission vorgeschlagene Art. 122b hinsichtlich<br />

„hochkomplexer“ Wiederverbriefungspositionen wurde von Rat und Parlament gestrichen.<br />

Geplant war ein Abzug vom Eigenkapital für hochkomplexe Wiederbriefungen, wenn die Bank die<br />

„Due Diligence“-Anforderungen (qualitative Anforderungen des Art. 122a Bankenrichtlinie) nicht<br />

erfüllen kann. Die Offenlegungsbestimmungen für Wiederverbriefungen wurden verschärft.<br />

Des Weiteren werden die Eigenmittelanforderungen an das H<strong>and</strong>elsbuch von Modellbanken<br />

erhöht. Das allgemeine Marktrisiko im H<strong>and</strong>elsbuch von Modellbanken wird durch die Einführung<br />

eines „Stressed Value at <strong>Risk</strong>“ mit zusätzlichem Eigenmitteln unterlegt und die Kapitalanforderungen<br />

an das spezifische Zinsrisiko um eine „Incremental <strong>Risk</strong> Charge“ ergänzt. Hierdurch werden<br />

die Eigenkapitalanforderungen erheblich ansteigen. Darüber hinaus wird die bisherige Privilegierung<br />

des spezifischen Aktienkursrisikos vollständig gestrichen. Die neuen Regelungen sollen, wie<br />

auch vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht beschlossen, ab 31. Dezember 2011 angewendet<br />

werden. Für die Nutzung von so genannten Surcharge-Modellen für das besondere Kursrisiko der<br />

Kapitaladäquanz-Richtlinie wurde die Übergangsregelung gemäß Artikel 47 verlängert. Diese dürfen<br />

nun grundsätzlich bis 30. Dezember 2011 weiterhin angewendet werden, sofern die Aufsichtsbehörden<br />

in Einzelfällen nicht einen früheren Zeitpunkt für das Auslaufen der Modelle festlegen.<br />

Der so genannte „Basel I-Floor“, welcher die Eigenkapitalunterlegung der Banken auf 80 Prozent<br />

der nach den Regelungen von Basel I berechneten Kapitalanforderungen begrenzt, ist bis zum<br />

31. Dezember 2011 verlängert worden. Damit werden nunmehr die EU-rechtlichen Grundlagen für<br />

die bereits zum Ende des Jahres 2009 erfolgte Verlängerung des „Basel I-Floor“ in der Solvabilitätsverordnung<br />

nachgeliefert.<br />

Der Gesetzestext enthält auch verpflichtende Anforderungen an die Vergütungspolitik von Finanzinstituten.<br />

Diese sind bereits ab 1. Januar 2011 anzuwenden und stellen sicher, dass das Eingehen<br />

übermäßiger Risiken durch leitende Bankangestellte und Wertpapierhändler nicht mehr belohnt<br />

wird. Die Vorauszahlung von Boni in bar wird auf 30 % bzw. 20 % (bei besonderes großen Boni)<br />

begrenzt. Weiterhin müssen Boni im Ausmaß von 40 % bzw. 60 % (bei besonders großen Boni) auf<br />

3 bis 5 Jahre zurückgestellt werden und können bei nicht erwartungsgemäßer Entwicklung der<br />

Investitionen zurückgefordert werden. 50 % des Bonus-Gesamtbetrages wird in Form von „w<strong>and</strong>elbaren<br />

Kapital“ und Aktien ausbezahlt.Die dabei verwendeten Wertpapiere sollen das Ausfallsri-


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

siko der Bank adäquat widerspiegeln. Weitere Ausführungen zum Thema Vergütung sind im Kapitel<br />

C.III.4. zu finden.<br />

Wir begrüßen die Streichung des Artikel 122b, welcher unter bestimmten Umständen einen Eigenkapitalabzug<br />

für „hochkomplexe“ Wiederverbriefungen bedeutet hätte. Ebenso positiv ist die Verlängerung<br />

der Übergangsfrist für die Nutzung von sogenannten Surcharge-Modellen zu werten.<br />

Die neuen Regelungen für Verbriefungen im H<strong>and</strong>elsbuch und für Wiederverbriefungen sollen ab<br />

31. Dezember 2011 angewendet werden. In Hinblick auf die geplanten Umsetzung, vor allem in den<br />

Vereinigten Staaten, ist dieser Schritt nur zu begrüßen.<br />

Nach den Erfahrungen der Finanzmarktkrise ist eine Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen für<br />

Wiederverbriefungspositionen verständlich. Das verabschiedete Ausmaß der Erhöhung erscheint<br />

jedoch überzogen.<br />

Die Verlängerung des „Basel I-Floor“ ist grundsätzlich nicht notwendig und mit technischen Problemen<br />

verbunden, die zu einem deutlichen Kostenanstieg führen. Banken haben bereits die notwendigen<br />

Vorkehrungen getroffen, um die Berechnung der Kapitalanforderungen gemäß der Basel<br />

I-Regeln mit Ende 2009 auslaufen zu lassen. Die Verlängerung der Berechnung nach dieser<br />

Methode ist mit beträchtlichen Kosten verbunden.<br />

Abweichungen zwischen den EU-Vorschlägen und den internationalen Regelungen des Baseler<br />

Ausschusses sind aus Wettbewerbsgründen dringend zu vermeiden. Insbesondere die vom Baseler<br />

Ausschuss eingeräumte Ausnahmeregelung, nach der Verbriefungspositionen, die mit dem Anlagebuch<br />

verbunden sind, unter Auflagen im internen Marktrisikomodell berücksichtigt werden,<br />

sollte nachträglich von der EU-Kommission übernommen werden.<br />

Verfahren auf EU Ebene<br />

Im Oktober 2008 hat die Kommission eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière<br />

beauftragt, sie zur Zukunft der europäischen Finanzmarktregulierung und -überwachung zu<br />

beraten. Diese Gruppe stellte am 25. Februar 2009 ihren Bericht vor, dessen Empfehlungen von der<br />

Kommission in ihrer Mitteilung zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2009 mit dem<br />

Titel „Driving European Recovery“ übernommen wurden. Der gegenwärtige Vorschlag ist eine der<br />

Maßnahmen, die in dem Programm der Kommission aufgelistet sind.<br />

Am 20. August 2008 veröffentlichte die Kommission, dem Baseler Ausschuss folgend, ein Konsultationspapier<br />

zum Thema H<strong>and</strong>elsbuch. Ursprünglich sollten Änderungen zum H<strong>and</strong>elsbuch<br />

(betreffend das zusätzliche Ausfallrisiko) in das erste Änderungspaket („CRD II“) aufgenommen<br />

werden. Die Kommission entschied sich vor Präsentation eines Vorschlags jedoch dazu, noch weitere<br />

Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem Baseler Ausschuss durchzuführen.<br />

Ende März 2009 veröffentlichte die Kommission ein Konsultationspapier zu den geplanten Änderungen<br />

im Bereich H<strong>and</strong>elsbuch und Wiederverbriefungen. Dem folgten Vorschläge zu neuen<br />

Bestimmungen betreffend Vergütungspolitiken von Banken in der CRD am 29. April 2009, die eine<br />

Woche zur Konsultation gestellt wurden.<br />

51<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

52<br />

Ein legislativer Vorschlag zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG hinsichtlich<br />

der Eigenkapitalanforderungen für das H<strong>and</strong>elsbuch und für Wiederverbriefungen sowie des aufsichtlichen<br />

Überprüfungsprozesses für Vergütungspolitiken wurde am 13. Juli 2009 veröffentlicht.<br />

Die Europäische Zentralbank gab ihre Stellungnahme zum Gesetzesvorschlag am 12. November<br />

2009 ab.<br />

Am 14. Juni 2010 stimmte der Wirtschafts- und Währungsausschuss und am 7. Juli 2010 das Plenum<br />

des Europäischen Parlamentes nach intensiven Trilogverh<strong>and</strong>lungen über den Kommissionsvorschlag<br />

ab. Die Annahme durch den Rat erfolgte am 11. Oktober 2010. Der endgültige Text<br />

wurde am 24. November 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.<br />

Arbeiten des Baseler Ausschusses<br />

Im Oktober 2007 veröffentlichte der Baseler Ausschuss bereits einen Entwurf seiner Prinzipien zur<br />

zusätzlichen Eigenmittelunterlegung von zusätzlichen Ausfallrisiken Risiken. Nach einer Überarbeitung<br />

seiner Vorschläge eröffnete der Baseler Ausschuss am 22. Juli 2008 eine erneute Konsultation<br />

zum zusätzlichen Ausfallrisiko H<strong>and</strong>elsbuch. Die beiden zur Konsultation gestellten Papiere<br />

trugen den Titel „Proposed revisions to the Basel II market risk framework” und „Supplementing<br />

guidelines for computing capital for incremental risk in the trading book“.<br />

Die im Lichte der Finanzmarktkrise nochmals geänderten Vorschläge zur Erhöhung der Eigenmittelanforderungen<br />

an die H<strong>and</strong>elsbuchpositionen von Banken, die ein bankaufsichtlich zugelassenes<br />

Marktrisikomodell verwenden, wurden vom Baseler Ausschuss am 16. Januar 2009 veröffentlicht<br />

(„Guidelines for computing capital for incremental risk in the trading book” und „Proposed<br />

enhancements to the Basel II framework“). Außerdem wurden Änderungsvorschläge betreffend<br />

die Eigenkapitalunterlegung von Wiederverbriefungen sowie Vorschläge zum aufsichtlichen Überprüfungsprozess<br />

(Säule 2) und den Markttransparenzvorschriften (Säule 3) im Papier mit dem Titel<br />

„Revisions to the Basel II market risk framework“ veröffentlicht.<br />

Die endgültige Fassung der genannten Empfehlungen zum H<strong>and</strong>elsbuch, den Wiederverbriefungen<br />

und den übrigen genannten Basel II Änderungen hat der Baseler Ausschuss am 13. Juli 2009 veröffentlicht.<br />

Im Rahmen einer Pressemitteilung hat der Baseler Ausschuss am 18. Juni 2010 Änderungen bei<br />

der Beh<strong>and</strong>lung von Verbriefungspositionen im H<strong>and</strong>elsbuch bekanntgegeben. Zum einen wurde<br />

der spätestmögliche Zeitpunkt für die Anwendung der neuen Regelungen vom 1. Januar 2011 auf<br />

den 31. Dezember 2011 verschoben.<br />

Darüber hinaus soll es den Banken gestattet werden, für eine Übergangsfrist von zwei Jahren (d. h.<br />

bis zum 31. Dezember 2013), die für die Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für das besondere<br />

Kursrisiko von Positionen des so genannten „correlation trading portfolios“ gewährten<br />

Erleichterungen auch für <strong>and</strong>ere Verbriefungspositionen des H<strong>and</strong>elsbuchs zu nutzen. Entsprechend<br />

müssen für die zuletzt genannten Positionen nur die größere der Summen der Kapitalanforderungen<br />

für Nettokauf- oder -verkaufspositionen unterlegt werden.<br />

Des Weiteren hat der Baseler Ausschuss beschlossen, dass die Eigenkapitalanforderungen für das<br />

besondere Kursrisiko von Verbriefungspositionen, die dem „correlation trading portfolio“ zugeordnet<br />

werden, nicht weniger als acht Prozent derjenigen Kapitalanforderungen ausmachen dürfen,<br />

die sich nach der St<strong>and</strong>ardmethode ergeben würden.<br />

Der Ausschuss hat den Mitgliedstaaten darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, auch die neuen<br />

Regelungen für Wiederverbriefungen erst ab dem 31. Dezember 2011 anzuwenden.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Umsetzung in deutsches Recht<br />

Die Umsetzung in nationales Recht ist durch die unterschiedlichen Daten der Inkraftsetzung wie<br />

bereits oben dargestellt zweigeteilt:<br />

Jene Teile, welche die Vergütungspolitik betreffen mussten bereits zum 31.12.2010 umsetzt werden.<br />

Am 21. Dezember 2009 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ein Rundschreiben<br />

zu den Anforderungen an Vergütungssysteme im 21. Jahrhundert vers<strong>and</strong>t. Mit dem<br />

Gesetz über die Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen<br />

vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 950) wurde § 25a KWG geändert. Die am 12. Oktober 2010 verkündete<br />

Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten<br />

(Instituts-Vergütungsverordnung) vom 6. Oktober 2010 (BGBl. I S. 1374) hatte bereits Teile der<br />

CRD III vorweggenommen.<br />

Der überwiegende Teil der CRD III ist bis zum 31.12.2011 anzuwenden und verlangt vor allem die<br />

Erhöhung der Eigenmittelanforderungen im H<strong>and</strong>elsbuch, die Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen<br />

für Wiederverbriefungen und die Verschärfung der Offenlegungsanforderungen.<br />

2010/76/EU (Richtlinie) vom 24. November 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 329/3 vom 14.12.2010<br />

53<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

1. Überarbeitung der europäischen Aufsichtsstrukturen<br />

Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November<br />

2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung<br />

eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken<br />

Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November<br />

2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde),<br />

zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des<br />

Beschlusses 2009/78/EG der Kommission<br />

Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November<br />

2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde<br />

für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung<br />

des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission<br />

Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November<br />

2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und<br />

Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung<br />

des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission<br />

Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010<br />

zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/<br />

EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die<br />

Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der<br />

Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen<br />

und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische<br />

Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde)<br />

Verordnung (EU) Nr. 1096/2010 des Rates vom 17. November 2010 zur Betrauung der Europäischen<br />

Zentralbank mit besonderen Aufgaben bezüglich der Arbeitsweise des Europäischen<br />

Ausschusses für Systemrisiken<br />

Inhalt<br />

54<br />

Bereits im Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005–2010 wurde eine Neustrukturierung<br />

der Aufsicht grenzüberschreitender Institute in das Programm der Kommission aufgenommen<br />

und eine Überarbeitung des „Lamfalussy-Verfahrens“ eingeleitet. Auf Basis dieser<br />

Arbeiten wurden im Januar 2009 die Kommissionsbeschlüsse geändert, welche ursprünglich die<br />

Ebene-3-Ausschüsse (CESR, CEBS und CEIOPS) ins Leben gerufen haben. Die M<strong>and</strong>ate der Ebene-<br />

3-Ausschüsse (CESR, CEBS und CEIOPS) wurden erweitert und den Ausschüssen wurden explizit<br />

spezifische Aufgaben wie Mediation bei Unstimmigkeiten zwischen Aufsichtsbehörden, Beratungsfunktion<br />

bei Aufsichtsentscheidungen sowie die Entwicklung von gemeinsamen St<strong>and</strong>ards<br />

für das aufsichtliche Meldewesen zugewiesen. Auch die Delegation von Aufgaben zwischen Aufsichtsbehörden<br />

wird durch die neuen Beschlüsse erleichtert. Die Ausschüsse sollen auch bei der<br />

Früherkennung von Risiken für das Finanzsystem mitwirken. Für Entscheidungen der Ausschüsse<br />

gilt künftig das Mehrheitsquorum. Die verbesserte Finanzierung der Ausschüsse wurde durch ein<br />

im Juli 2009 beschlossenes Gemeinschaftsprogramm sichergestellt.)


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Der Bedarf an weitergehenden Strukturreformen wurde durch die Finanzmarktkrise deutlich. In<br />

einer Mitteilung der Kommission zur Europäischen Finanzaufsicht vom Mai 2009 wurde aufgezeigt,<br />

dass die Finanzmarktkrise erhebliche Schwachstellen bei der Einzel- und der Systemaufsicht offen<br />

gelegt hat. Basierend auf dem de Larosière-Expertenbericht macht die Kommission in der Mitteilung<br />

konkrete Vorschläge, wie das Aufsichtssystem verbessert werden soll. Mit den Gesetzesvorschlägen<br />

für die Schaffung eines Europäischen Rates für Systemrisiken (European Systemic <strong>Risk</strong><br />

Board, ESRB) und der neuen europäischer Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities,<br />

ESA) wird das Europäische Finanzaufsichtssystems (European System of <strong>Financial</strong> -Supervisors,<br />

ESFS) geschaffen.<br />

Das ESFS ist ein horizontales Netz zwischen den europäischen und nationalen Behörden und dient<br />

als organisatorische Klammer für die ihm zugehörigen Einrichtungen. Neben den ESA und den<br />

nationalen Aufsichtsbehörden gehört auch das Gemeinsame Komitee der ESA, der ESRB und für<br />

spezielle Aufgaben auch die Kommission dem Netzverbund an.<br />

Das ESFS soll das Vertrauen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden stärken und zu diesem<br />

Zweck u. a. sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Festlegung<br />

von Strategien in den Bereichen Finanzmarktstabilität und Anlegerschutz ein Wort mitzureden<br />

haben und grenzübergreifenden Risiken so besser entgegengewirkt werden kann.<br />

Der ESRB hat die Aufgabe, Risiken für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt überwachen und<br />

bewerten („Aufsicht auf Makroebene”). Der ESRB soll frühzeitig vor sich abzeichnenden Systemrisiken<br />

warnen und erforderlichenfalls Empfehlungen zur Eindämmung dieser Risiken ausgeben, die<br />

für die Mitgliedsländer jedoch nicht verbindlich sind. Bleibt jedoch ein Adressat in Hinblick auf die<br />

Empfehlungen untätig, so muss dargelegt werden warum („comply or explain“ Ansatz). Die einzige<br />

Möglichkeit zur Durchsetzung seiner Anliegen ist der politische Druck.<br />

Die europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) bestehen aus der Bankenaufsicht (EBA), der Wertpapieraufsichtsbehörde<br />

(ESMA) und der Aufsichtsbehörde für Versicherungswesen und betriebliche<br />

Altersversorgung (EIOPA). Die nun mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Behörden gingen<br />

aus den bestehenden Ausschüssen für Banken, Wertpapiere und Versicherungen (CEBS, CESR<br />

und CEIOPS) hervor. Sie verfügen über verbindliche Entscheidungsbefugnisse gegenüber den nationalen<br />

Behörden und im Einzelfall auch gegenüber dem jeweiligen Kreditinstitut. Sie entwickeln<br />

technische St<strong>and</strong>ards, welche von der Kommission verabschiedet und damit rechtsverbindlichen<br />

Charakter als Verordnung oder Beschluss haben. Neben Leitlinien und Empfehlungen sind die ESA<br />

auch für bindende Entscheidungen in Krisen- oder Streitfällen zuständig, jedoch nur wenn es nicht<br />

die haushaltspolitische Zuständigkeit der Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Für bestimmte Einrichtungen,<br />

wie etwa Ratingagenturen oder europäische Clearingstellen mit einer zentralen Gegenpartei<br />

sollen die europäischen Aufsichtsbehörden volle Aufsichtsbefugnisse erhalten.<br />

Zusammen mit den Gesetzesvorschlägen zu den Aufsichtsbehörden und dem ESRB wurde auch die<br />

so genannte Omnibus I-Richtlinie vorgeschlagen, welche die Banken- und Kapitaladäquanz-Richtlinie<br />

ändert und jene Bereiche definiert, für welche technische St<strong>and</strong>ards erlassen werden können.<br />

Für den Versicherungsbereich sowie für die weitere Spezifizierung der Kompetenzen der Europäischen<br />

Aufsichtsbehörde für Versicherungswesen und betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und<br />

der Prospekt-Richtlinie wurde ebenso eine Sammelrichtlinie, Omnibus II“ genannt, vorgeschlagen.<br />

Die Omnibus II – Richtlinie“ adressiert in erster Linie die Änderungen, welche sich aus der Umsetzung<br />

der Solvabilität II-Richtlinie ergeben. Ebenso wurde die Europäische Zentralbank mit speziellen<br />

Aufgaben in Hinblick auf den neu geschaffenen Rat für Systemrisiken ausgestattet.<br />

55<br />

A


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

A Bewertung<br />

Die Finanzmarktkrise hat deutlich gemacht, dass ein wachsender integrierter europäischer Finanzmarkt<br />

eine bessere Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörden ebenso wie eine stärkere<br />

Überwachung der systemischen Risiken für die Finanzmarktstabilität erfordert. Insoweit wird die<br />

bereits in der Änderungsrichtlinie zur CRD (CRD II Paket) vorgesehene Einrichtung von Aufsichtskollegien<br />

und die geplante Intensivierung der Kooperation zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden<br />

nachdrücklich begrüßt. Auch die Einrichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken,<br />

der frühzeitig systemische Risiken aufdecken soll, wird unterstützt. Die vorgesehene<br />

Einbeziehung der Zentralbanken mit ihrer ausgeprägten volkswirtschaftlichen Kompetenz leistet<br />

einen wichtigen Beitrag, dass zukünftig verstärkt makroökonomische Faktoren in die Betrachtungen<br />

und H<strong>and</strong>lungen der Bankenaufsicht einfließen.<br />

Eine engere Kooperation der europäischen Aufsichtsbehörden sowie eine verbesserte Krisenprävention<br />

erfordern jedoch keine aufgewerteten europäischen Aufsichtsbehörden. Die weitreichende<br />

Kompetenzverlagerung auf nicht parlamentarisch kontrollierte EU-Aufsichtsbehörden wird daher<br />

entschieden abgelehnt. Dies gilt insbesondere für eine direkte Beaufsichtigung von systemrelevanten<br />

Instituten durch die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) und die direkten Entscheidungsbefugnisse<br />

der neuen EU-Aufsichtsbehörden. Insbesondere werden rechtliche Hindernisse<br />

bei einer derartigen Ausweitung der Kompetenzen gesehen. Für eine Übertragung von hoheitlichen<br />

Kompetenzen der Mitgliedstaaten auf eine europäische Institution wäre eine Änderung des EU<br />

Vertrages unerlässlich. Auch die politische und finanzielle Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten<br />

steht einem solchen Modell entgegen. Ebenso kritisch sehen wir das M<strong>and</strong>at zur Erarbeitung von<br />

verbindlichen St<strong>and</strong>ards, welche sich in neueren Richtlinien und Verordnungen nur allzu häufig<br />

wiederfinden und oftmals Bereiche regeln, für welche ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren<br />

geeigneter erscheint. Die EU-Kommission kann, unter eingeschränkter parlamentarischer Kontrolle,<br />

unmittelbar rechtswirksame Verordnungen / Beschlüsse auf Basis der Empfehlungen der<br />

EU-Aufsichtsbehörden erlassen.<br />

56


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Am 1. Dezember 2005 wurde das Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005 –<br />

2010 publiziert. Die sogenannte Interinstitutionelle Überwachungsgruppe (IIMG) wurde damit<br />

beauftragt, den Lamfalussy-Prozess zu durchleuchten und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.<br />

Zwischenberichte wurden im März 2006 und im Januar 2007 veröffentlicht. Der Endbericht<br />

wurde am 15. Oktober 2007 vorgelegt. Am 20. November 2007 veröffentlichte die Kommission eine<br />

Mitteilung zur Überprüfung des Lamfalussy-Prozesses. Eine Konsultation betreffend die Vorschläge<br />

der Kommission zur Änderung der Beschlüsse zur Einsetzung der drei Ebene-3-Ausschüsse (CEBS,<br />

CESR, CEIOPS) wurde am 23. Mai 2008 eingeleitet. Am 23. Januar 2009 wurden die neuen<br />

Beschlüsse angenommen und sind am 29. Januar 2009 in Kraft getreten.<br />

Am 26. Januar 2009 wurde von der Kommission ein Gemeinschaftsprogramm vorgeschlagen,<br />

nachdem die drei Ausschüsse der europäischen Aufsichtsbehörden und wichtige internationale<br />

und europäischen Gremien, die an der St<strong>and</strong>ardsetzung in den Bereichen Rechnungslegung und<br />

Abschlussprüfung beteiligt sind, direkt aus dem EU Haushalt Finanzmittel erhalten sollen. Am<br />

31. März 2009 wurde ein Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON Ausschuss)<br />

über den Vorschlag für einen Beschluss zwecks Auflegung eines Gemeinschaftsprogramms zur<br />

Unterstützung spezifischer Tätigkeiten auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen, der Rechnungslegung<br />

und der Abschlussprüfer angenommen. Das Plenum des Europäischen Parlaments stimmte<br />

am 6. Mai 2009 über die Änderungsvorschläge ab. Die formelle Annahme durch den Rat erfolgte<br />

am 27. Juli 2009.<br />

In einem nicht-legislativen Bericht mit dem Titel „Empfehlungen an die Kommission zu Lamfalussy-<br />

Folgemaßnahmen: künftige Aufsichtsstrukturen“ vom 19. Oktober 2008 fordert das Europäische<br />

Parlament die Kommission auf, tiefgreifende Reformen der Aufsichtsstrukturen einzuleiten.<br />

Im November 2008 beauftragte die Kommission eine hochrangige Gruppe unter dem Vorsitz von<br />

Jacques de Larosière mit der Ausarbeitung von Empfehlungen zur Zukunft der europäischen<br />

Finanzmarktregulierung und -überwachung. Am 25. Februar 2009 legte die de Larosière-Gruppe<br />

ihren Schlussbericht vor.<br />

In der Mitteilung „Impulse für den Aufschwung in Europa” vom 4. März 2009 wurden die Empfehlungen<br />

der de Larosière-Gruppe von der Kommission weitgehend übernommen und ein Aktionsplan<br />

für eine Reform der Finanzmarktregulierung und -aufsicht skizziert. Die EU-Kommission hat ihre<br />

Vorschläge hinsichtlich der Aufsichtsstrukturen weiter konkretisiert und in ihrer Mitteilung „Europäische<br />

Finanzaufsicht“ am 27. Mai 2009 veröffentlicht. Marktteilnehmer konnten bis zum 15. Juli<br />

2009 zu dieser Mitteilung Stellung nehmen.<br />

Der Rat für Wirtschaft und Währung (ECOFIN) begrüßte die Pläne der Kommission in seinen<br />

Schlussfolgerungen vom 9. Juni 2009. Bestätigt wurde das Vorhaben der Kommission in der Folge<br />

vom Europäischen Rat am 18./19. Juni 2009.<br />

Am 23. September 2009 präsentierte die Kommission ihre Gesetzesvorschläge für die neue Aufsichtsstruktur.<br />

Der Rat bestätigte den Vorschlag für die Errichtung des ESRB am 20. Oktober 2009.<br />

Hinsichtlich der Umw<strong>and</strong>lung der drei Ebene-3-Ausschüsse in die Europäischen Aufsichtsbehörden<br />

verständigte sich der Rat auf einen gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt am 2. Dezember 2009, welcher die<br />

Vorschläge der Kommission deutlich verwässert.<br />

Die Europäische Zentralbank veröffentlichte ihre Stellungnahme am 8. Januar 2010.<br />

Am 7. Juli 2010 stimmte das Europäische Parlament über die Änderungsanträge im Plenum ab. Die<br />

Endabstimmung über den so geänderten Gesetzestext blieb jedoch aus. Die endgültige Abstimmung<br />

im Plenum des Europäischen Parlaments f<strong>and</strong> am 22. September 2010 statt, der Rat erzielte<br />

57<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

58<br />

am 17. November 2010 eine Einigung über den Text. Am 24. November 2010 wurden die Texte zu<br />

den Europäischen Aufsichtsbehörden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die<br />

Richtlinie ist am 6. Januar 2011 in Kraft getreten.<br />

Anfang Juni 2012 wurden Vorschläge unterbreitet, die die Reform der Bankenaufsicht auf den<br />

Prüfst<strong>and</strong> stellen. Im Rahmen des so genannten „Bankenunion“-Konzepts beschloss der ECOFIN-<br />

Rat am 29. Juni 2012, weite Teile der Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB zu vereinen. Das<br />

Konzept sieht neben einer weiteren Zentralisierung und Verstärkung der Aufsicht auch eine zentralisierte<br />

Einlagensicherung und einen einheitlichen Rahmen für das Krisenmanagement vor.<br />

Bezweckt wird, die Staaten bei der Abwicklung heimischer Finanzinstitute aus der Haftung zu<br />

nehmen. Die Kommission will zur Revision der Bankenaufsicht bis Mitte September 2012 einen<br />

neuen Vorschlag vorlegen.<br />

Anpassung sektoraler Richtlinien – Omnibus I und II<br />

Am 26. Oktober 2009 stellte die Kommission die so genannte Omnibus I-Richtlinie vor, welche<br />

zahlreiche sektoralen Richtlinien aus dem Finanzbereich ändert, um den neuen Aufsichtsbehörden<br />

die notwendigen Kompetenzen zu verschaffen. Der Rat einigte sich am 17. November 2010 auf<br />

einen gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt zu diesem Dossier. Die endgültige Veröffentlichung des Textes<br />

erfolgte gemeinsam mit jenen der europäischen Aufsichtsbehörden am 24. November 2010.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> hat die Bundesregierung am 5. Mai 2011 den Gesetzesentwurf verabschiedet.<br />

Nunmehr liegt der Text dem Bundestag zur Beratung vor. Eine Entscheidung ist in der zweiten<br />

Jahreshälfte 2011 zu erwarten. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2012 in Kraft und ändert das Kreditwesengesetz,<br />

das Wertpapierh<strong>and</strong>elsgesetz, das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz,<br />

das Wertpapierprospektgesetz und das Geldwäschegesetz. Es wurde<br />

am 4. Dezember 2011 im Bundesgesetzblatt Nr. 62 veröffentlicht.<br />

Am 19. Januar 2011 stellte die Kommission die zweite Richtlinie zur Änderung der sektoralen<br />

Richtlinien im Zuge der Schaffung der Europäischen Aufsichtsbehörden vor. Diese sogenannte<br />

Omnibus II-Richtlinie beschäftigt sich speziell mit der Umsetzung der Kompetenzen von ESMA und<br />

EIOPA und ändert hierfür die Prospekt-Richtlinie (siehe Kapitel B.I.4 bzw. Kapitel B.II.1.) und die<br />

Solvabilität II-Richtlinie. Am 4. Mai 2011 hat die Europäische Zentralbank eine Stellungnahme<br />

abgegeben. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung stimmte am 21. März 2012 über die Richtlinie<br />

ab. Eine Woche später wurde der Bericht zur ersten Lesung ins Plenum eingereicht. Eine<br />

Abstimmung wird für den 22. Oktober 2012 erwartet. Gegenwärtig befindet sich die Richtlinie in<br />

der Trilog-Phase.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Referenz<br />

1092/2010 (Verordnung) vom 24.November 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/1 vom 15.12.2010<br />

1093/2010 (Verordnung) vom 24. November 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/12 vom 15.12.2010<br />

1094/2010 (Verordnung) vom 24. November 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/48<br />

1095/2010 (Verordnung) vom 24. November 2010, Amtsblatt der EU Nr.L 331/84<br />

1096/2010 (Verordnung) vom 17. November 2010, Amtsblatt der EU Nr.L 331/162<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24: November 2010, Amtsblatt der EU Nr.L 331/120<br />

KOM (2011) 8 endgültig vom 19. Januar 2011, (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

59<br />

A


A<br />

A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

2. Änderungsrichtlinie zur Beaufsichtigung von<br />

Finanzkonglomeraten<br />

Richtlinie Zoll/89/EU zur Änderung der Richtlinien 98/78/EG, 2002/87/EG, 2006/48/EG und<br />

2009/138/EG hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung der Finanzunternehmen eines<br />

Finanzkonglomerates<br />

Inhalt<br />

60<br />

Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag einer Änderungsrichtlinie zur Finanzkonglomerate-Richtlinie<br />

(siehe Kapitel A.I.4) am 16.8.2010 veröffentlicht, welche gleichzeitig auch die Banken- und die<br />

Versicherungsrichtlinie anpasst.<br />

Folgende Änderungen sind hervorzuheben:<br />

Die branchenspezifischen Bestimmungen zur konsolidierten Beaufsichtigung von Finanz- bzw. Versicherungsholdinggesellschaften<br />

sollen zukünftig auch auf gemischte Finanzholdinggesellschaften<br />

i. S. d. Art. 2 Nr. 15 FICOD Anwendung finden, bzw. durch zusätzliche Leitlinien der europäischen<br />

Aufsichtsbehörden ergänzt werden. .<br />

Vermögensverwaltungsgesellschaften i. S. d. Art. 30 FICOD sollen in die Prüfung zur Bestimmung<br />

eines Finanzkonglomerats einbezogen werden. Für eine konvergente Anwendung sollen die neuen<br />

EU-Aufsichtsbehörden in Zusammenarbeit mit dem gemeinsamen Finanzkonglomerateausschuss<br />

Leitlinien erlassen. Die Transparenz soll durch eine vom gemeinsamen Finanzkonglomerateausschuss<br />

geführte Liste, welche alle Einheiten eines Finanzkonglomerats anführt, verbessert werden.<br />

Diese Liste soll auf der Website des Ausschusses öffentlich zugänglich sein.<br />

Gruppen, bei denen die Bilanzsumme der kleinsten Branche unter 6 Mrd. EUR liegt, sollen nach dem<br />

Ermessen der zuständigen Aufsichtsbehörden von der zusätzlichen Aufsicht auf Konglomeratsebene<br />

ausgenommen werden können. Zugleich soll diese Ausnahmeregelung wie auch die bereits nach<br />

geltendem Recht bestehende „Freistellungsoption“ für größere Gruppen durch Leitlinien konkretisiert<br />

werden. Zusätzlich müssen die zuständigen Aufsichtsbehörden jährlich die Freistellung von der<br />

zusätzlichen Aufsicht anh<strong>and</strong> der vorgegebenen quantitativen Kriterien überprüfen.<br />

Hinsichtlich der Bestimmung eines Finanzkonglomerats wird zudem eine Ausnahmeregelung für<br />

Minderheitsbeteiligungen an der schwächer vertretenen Branche geschaffen, sofern diese Beteiligung<br />

das einzige Kriterium für eine Einstufung als Finanzkonglomerat ist und im gesamten gesehen<br />

für den Zweck der zusätzlichen Aufsicht vernachlässigbar ist. Auch für die Beh<strong>and</strong>lung von Beteiligungen<br />

sollen Leitlinien erarbeitet werden.<br />

Für die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen an ein Finanzkonglomerat sollen nur noch die<br />

Konsolidierungs- sowie die Abzugs- und Aggregationsmethode bzw. eine Kombination aus diesen<br />

beiden Methoden zulässig sein. Die bisher zulässige Buchwert/Anforderungsabzugsmethode<br />

wurde gestrichen.<br />

Mitgliedstaaten können den Koordinator der zuständigen Aufsichtsbehörden auffordern, die<br />

Finanzkonglomerate regelmäßigen Stress-Tests zu unterziehen. Die Aufsichtsbehörden können<br />

durch den gemeinsamen Finanzkonglomerateausschuss zusätzliche Parameter, welche die speziellen<br />

Risiken eines Finanzkonglomerats erfassen, entwickeln.<br />

Die hier vorgeschlagenen Änderungen sind ein erster Schritt in Richtung einer kompletten Überarbeitung<br />

der Finanzkonglomerate-Richtlinie aus 2002 (siehe Kapitel A.I.4). Die Kommission ist aufgefordert,<br />

diese ursprüngliche Richtlinie bis 31. Dezember 2012 zu überprüfen, um die Notwendigkeit einer<br />

Erweiterung des Anwendungsbereichs, verpflichtender Stresstests und die Rolle von systemisch<br />

relevanten Finanzkonglomeraten festzustellen und ggf. einen neuen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Die Entwicklungen im Finanzmarktbereich und verw<strong>and</strong>ten Sektoren haben eine Anpassung der<br />

Aufsichtsstrukturen, wie sie in der Finanzkonglomerate-Richtlinie aus 2002 beschrieben sind, notwendig<br />

gemacht. Die bisher unzureichenden Vorgaben hinsichtlich der Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten,<br />

an deren Spitze eine gemischte Finanzholdinggesellschaft steht, werden in der<br />

Änderungsrichtlinie konkretisiert.<br />

Die Einbeziehung von Vermögensverwaltungsgesellschaften bei der der Überprüfung über das<br />

Vorliegen eines Finanzkonglomerates erachten wir aus Wettbewerbsgründen und unter Berücksichtigung<br />

der spezifischen Aufgabe der einzelnen Vermögensverwaltungsgesellschaft als sinnvoll.<br />

Weiterhin begrüßen wir die Möglichkeit der Ausnahme von Gruppen von der zusätzlichen<br />

Beaufsichtigung als Finanzkonglomerat, wenn sie den vorgegebenen Schwellenwert unterschreiten<br />

bzw. von der Aufsichtsbehörde als vernachlässigbar angesehen werden.<br />

Die vorliegende Änderungsrichtlinie stellt einen ersten Schritt in Richtung einer kompletten Überarbeitung<br />

der Richtlinie nach 2012 dar. Wir werden die weitere Entwicklung wie zum Beispiel die geplante<br />

Ausweitung des Anwendungsbereichs und verpflichtende Stresstests aufmerksam verfolgen.<br />

Verfahren<br />

Der St<strong>and</strong> des Verfahrens knüpft an das in Kapitel A.I.4. beschriebene Verfahren an. Ausgehend<br />

von den Vorarbeiten des gemeinsamen Finanzkonglomerateausschusses (JCFC) stellte die Kommission<br />

am 16. August 2010 den Gesetzesvorschlag zur Überarbeitung der Finanzkonglomerate-<br />

Richtlinie 2002/87/EG vom 16. Dezember 2002 vor. Diese Änderungsrichtlinie ändert auch die<br />

Richtlinie 98/78/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen einer<br />

Versicherungsgruppe, sowie die Richtlinien 2006/48/EG (Bankenrichtlinie) und 2006/49/EG Kapitaladäquanz-Richtlinie.<br />

Der Rat präsentierte bereits am 17. Novembers 2010 eine gemeinsame Ausrichtung hinsichtlich<br />

des Textes. Am 28. Januar 2011 gab die Europäische Zentralbank eine Stellungnahme zu den vorgeschlagenen<br />

Änderungen ab. Am 22. März 2011 stimmte der Wirtschafts- und Währungsausschuss<br />

und am 5. Juli 2011 das Plenum des Europäischen Parlaments über den Text ab. Der Rat<br />

nahm die Richtlinie am 8. November 2011 an. Im Amtsblatt der Europäischen Union wurde sie am<br />

8. Dezember veröffentlicht, einen Tag später trat sie in Kraft.<br />

Die Umsetzung der Richtlinie in nationale Gesetzgebung muss bis nach 18 Monate nach dem<br />

Datum des Inkrafttretens der Änderungsrichtlinie erfolgt sein. In Hinblick auf die Umsetzungsmaßnahmen,<br />

die auch die Solvabilität II-Richtlinie betreffen, müssen diese entweder bis 1. Januar<br />

2013 (Umsetzungsdatum Solvabilität II) oder bis 18 Monate nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie<br />

umgesetzt sein, je nachdem was zuletzt eintritt. Die Vorgaben in Hinblick auf Vermögensverwaltungsgesellschaften<br />

müssen bis zum 22. Juli 2013 umgesetzt sein.<br />

Am 13. Februar 2012, kündigte die Kommission eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinie an,<br />

der sie eine Konferenz sowie ein Konsultationspapier im Mai 2012 folgen ließ. Sie muss bis Ende<br />

des Jahres 2012 einen abschließenden Bericht vorlegen. Dieser kann in einem Gesetzentwurf münden.<br />

Die Kommission orientiert sich dabei an der parallelen Arbeit des gemeinsamen Forums (Joint<br />

Forum) des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS), der Internationalen Organisation der<br />

Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) und des International Accounting St<strong>and</strong>ards Board (IASB).<br />

Referenz<br />

2011/89/EU (Richtlinie) vom 8. November 2011, Amtsblatt der EU Nr. L 326/113 vom 8.12.2011<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

1. Überarbeitung der Einlagensicherungs-Richtlinie<br />

Überarbeitung der Einlagensicherungs-Richtlinie<br />

Inhalt<br />

62<br />

Am 12. Juli 2010 hat die Kommission einen Richtlinienentwurf vorgestellt, welcher die bisher geltende<br />

Richtlinie 94/19/EG mit 31.12.2012 ersetzen wird. Wie bereits in der Änderungsrichtlinie<br />

2009/14/EG zur Einlagensicherungs-Richtlinie in Aussicht gestellt, wird die Sicherungsgrenze im<br />

Wege der Maximalharmonisierung auf einen EU-einheitlichen Höchstbetrag von 100.000 EUR<br />

festgelegt.<br />

Die neue Sicherungsgrenze von 100.000 EUR trat, da sie bereits in der Richtlinienänderung von<br />

2009/14/EG vorgesehen war, zum 1. Januar 2011 in Kraft. Ausgenommen von der Erstattung durch<br />

Einlagensicherungssysteme sind Einlagen von Finanzinstituten, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen,<br />

Pensions- und Rentenfonds, mit Ausnahme von individuellen oder betrieblichen<br />

Altersversorgungssysteme, wenn es sich nicht um ein großes Unternehmen h<strong>and</strong>elt, Staat, Zentralverwaltungen<br />

und regionalen und örtlichen Gebietskörperschaften mit Ausnahme von örtlichen<br />

Gebietskörperschaften, die nicht routinemäßig einen Dritten zur Führung der Geschäftsgebahrung<br />

beauftragen. Die Auszahlung kann künftig in der Währung des kontoführenden Mitgliedstaates<br />

oder in Euro erfolgen.<br />

Die Forderung nach einer Verkürzung der Auszahlungsfrist auf sieben Kalendertage wird von der<br />

Europäischen Kommission vertreten, das Parlament geht sogar noch einen Schritt weiter möchte<br />

diese Frist auf fünf Tage verkürzen. Die Mitgliedstaaten haben jedoch bis zum 31. Dezember 2016<br />

die Möglichkeit, diese Frist nach Überprüfung durch die Behörden auf 20 Werktage zu verlängern.<br />

In einem solchen Fall muss jedoch die Auszahlung von 5.000 EUR innerhalb von fünf Werktagen<br />

gewährleistet sein. Der Rat lehnt eine solche Fristverkürzung ab und spricht sich für eine Festlegung<br />

der Auszahlungsfrist auf 20 Werktage für den Gesamtbetrag aus, die in Ausnahmefällen auf<br />

maximal drei Monate verlängert werden kann. Weiterhin schlägt er vor, die Frist stufenweise auf<br />

sieben Tage bis 2023 zu verkürzen. Der Einleger muss künftig für die Entschädigung keinen Antrag<br />

stellen, alle Maßnahmen müssen von der Sicherungseinrichtung ausgehen. Zu diesem Zweck soll<br />

ein intensiverer Informationsaustausch zwischen den Banken und den Aufsichtsbehörden eingerichtet<br />

werden. Die Notfallplanung soll entsprechend angepasst werden.<br />

Die Finanzierung der gesetzlichen Sicherungssysteme soll „ex-ante”, also im Vorhinein, erfolgen.<br />

Über einen Zeitraum von weniger als zehn Jahren müssen die Sicherungseinrichtungen einen<br />

Fonds in Höhe von insgesamt 1,5 % der durch ihr System gesicherten Einlagen aufbauen. Der Rat<br />

schlägt die Erreichung der Zielausstattung in Höhe von 0,5 % der gedeckten Einlagen in einem<br />

Zeitraum bis 2027 vor und erlaubt außerdem die Anerkennung von Zahlungsverpflichtungen im<br />

Ausmaß von 10 %. Zusätzlich müssen im Bedarfsfall die angeschlossenen Banken Beiträge in<br />

Höhe von 0,5 % der geschützten Einlagen aufbringen.<br />

Die Beiträge zu den Sicherungseinrichtungen sollen gemäß einem risikoorientierten Beitragssystem<br />

erhoben werden. Die Mittel der Sicherungseinrichtungen können bis zu einem Drittel für<br />

Stützungs- und Präventionsmaßnahmen verwendet werden. Unter gewissen Bedingungen kann<br />

dieser Betrag auch mehr als ein Drittel betragen und auch für Abwicklungsmaßnahmen herangezogen<br />

werden. Der Rat sieht hier eine großzügigere Mittelverwendung ohne Beschränkung auf einen


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

bestimmten Prozentsatz vor. Zukünftig sollen Einlagensicherungssysteme die Möglichkeit haben,<br />

sich im Bedarfsfall an <strong>and</strong>ere europäische Einlagensicherungssysteme zwecks Finanzierungshilfe<br />

zu wenden. Die ausgeliehenen Finanzhilfen müssen innerhalb von fünf Jahren zurückgezahlt werden.<br />

Dieses Petitum trägt der Rat nicht mit und verzichtet auf eine Möglichkeit der Kreditvergabe<br />

zwischen Einlagensicherungssystemen. Auf lange Sicht plant die Kommission ein solidarisch mitein<strong>and</strong>er<br />

verbundenes Netzwerk von Einlagensicherungssystemen als pan-europäisches Einlagensicherungssystem.<br />

Die EU-Kommission hatte bereits seit längerem angekündigt, die Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise<br />

auch in die gesetzlichen Regelungen zur Absicherung von Kundeneinlagen einfließen zu lassen.<br />

Insofern kommt der im Juli 2010 vorgelegte Vorschlag für eine grundlegende Neufassung der<br />

Einlagensicherungsrichtlinie nicht überraschend. Der Kommissionsvorschlag stellt sich aus unserer<br />

Sicht problematisch dar, da er durch die Harmonisierung der Einlagensicherungssysteme in die<br />

Struktur von gut funktionierenden und leistungsfähigen Sicherungssystemen wie sie beispielsweise<br />

in Deutschl<strong>and</strong> bestehen, eingriff. Rat und Parlament haben sich jedoch einheitlich für einen Fortbest<strong>and</strong><br />

der existierenden Strukturen ausgesprochen und diese in den Gesetzesvorschlag integriert.<br />

Der Legislativvorschlag der Kommission ist hinsichtlich der freiwilligen Sicherungssysteme der privaten<br />

und öffentlichen Banken unklar: Es kann so verst<strong>and</strong>en werden, dass künftig keine Auszahlung<br />

die gesetzliche Deckungsgrenze von 100.000 EUR je Einleger überschreiten darf. Parlament und Rat<br />

erlauben freiwillige Sicherungssysteme, schreiben aber gewisse Informationsplichten vor und verpflichten<br />

die Mitgliedstaaten für eine ausreichende Mittelausstattung zu sorgen.<br />

Die Überlegungen der Kommission, die Auszahlungsfrist an Kunden auf sieben Tage bzw. laut<br />

Parlament auf fünf Tage zu verkürzen sind sehr ambitioniert und setzen die Umsetzung des ‚single<br />

customer view‘ in den Kreditinstituten voraus. Für die meisten ist dies jedoch derzeit noch nicht<br />

darstellbar. Schließlich ist die Vorstellung der Kommission zu den neuen Vorfinanzierungsmodalitäten<br />

der Sicherungssysteme völlig überzogen. Sie ist in der Praxis nicht umsetzbar und geht an den<br />

Bedürfnissen der Sicherungssysteme und deren Kunden weit vorbei.<br />

Die Kommission hat am 29. Mai 2009 ein Konsultationspapier zur Neufassung der Einlagensicherungs-Richtlinie<br />

veröffentlicht, zu dem bis zum 27. Juli 2009 Stellung genommen werden konnte.<br />

Im Juni 2009 veröffentlichte die Kommission zudem einen Bericht des gemeinsamen Forschungszentrums<br />

zu den möglichen Modellen für risikobasierte Beiträge. Am 12. Juli 2010 wurde ein<br />

Bericht zusammen mit einem Legislativvorschlag und einer Auswirkungsstudie von der Kommission<br />

veröffentlicht, welche an den Rat und das Parlament übermittelt wurden.<br />

Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments verabschiedete am<br />

24. Mai 2011 seinen Bericht. Am 14. Juni 2011 einigte sich der Rat auf eine gemeinsame Ausrichtung.<br />

Mit Beginn des Trilogs zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission<br />

befindet sich das Vorhaben seit Herbst 2011 in einer entscheidenden Phase. Im Februar 2012<br />

votierte das Europäische Parlament mit großer Mehrheit für eine weitgehende Überarbeitung der<br />

Einlagensicherungsrichtlinie. Bei den Mitgliedstaaten und damit im Rat stößt das ambitionierte<br />

Vorgehen des Parlaments jedoch auf Widerst<strong>and</strong>. Bisher ist es wegen der gegensätzlichen Positionen<br />

in den Trilogverh<strong>and</strong>lungen noch zu keinem für alle Beteiligten tragfähigen Kompromiss<br />

63<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

64<br />

gekommen. Angesichts dessen muss sich der Rat kurzfristig neu positionieren. Schlägt dieser nun<br />

eine von der Haltung des Parlaments abweichende Position vor, dann kann das Parlament diese<br />

innerhalb von vier Monaten prüfen. Es kann den Ratsvorschlag entweder annehmen, mit absoluter<br />

Mehrheit ablehnen oder seinerseits Änderungen vorschlagen. Der Rat hätte dann wiederum maximal<br />

vier Monate Zeit, hierauf zu reagieren. Schließt sich der Rat der Parlamentsposition an, so ist<br />

der Rechtsakt angenommen. Nimmt er die Änderungen des Parlaments nicht an, so wird innerhalb<br />

von sechs Wochen das Vermittlungsverfahren eingeleitet. In der Vergangenheit wurden nur wenige<br />

Dossiers in diesem Verfahren noch erfolgreich abgeschlossen.<br />

Anfang Juni 2012 wurden Vorschläge unterbreitet, die Einlagensicherung im Hinblick auf die avisierte<br />

Haftungsbefreiung der Staaten von der Abwicklung heimischer Finanzinstitute noch einmal<br />

neu zu diskutieren. Der Vorschlag ist neben einer weiter zentralisierten Bankenaufsicht und einem<br />

gemeinsamen Rahmen für das Krisenmanagement einer von drei geplanten Maßnahmen, die unter<br />

dem Schlagwort „Bankenunion“ zusammengefasst werden. Während die Kommission im September<br />

2012 einen konkreten Legislativvorschlag zur Neufassung der europäischen Bankenaufsicht<br />

vorlegen will, werden konkrete Schritte bezüglich der Einlagensicherung noch geprüft.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Referenz<br />

KOM (2010) 368 endgültig vom 12. Juli 2010 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

2. Überarbeitung der CRD – CRD IV<br />

CRD-Überarbeitungspaket IV – Liquiditätsst<strong>and</strong>ards, Definition des Eigenkapitals, Leverage<br />

Ratio, Kontrahentenausfallrisiko, Kapitalpuffer, Einheitliches Regelwerk für Banken<br />

Inhalt<br />

66<br />

Ein weiteres Änderungspaket zur Banken- und Kapitaladäquanz-Richtlinie („CRD IV-Paket“) wurde<br />

von der Kommission bereits im Jahre 2009 vorbereitet. Seit dieser ersten Konsultation gab es im<br />

Zuge der Finanzmarktkrise und nach zwei Konsultationen des Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht<br />

vom 17. Dezember 2009 noch weitere Konsultationen und Anpassungen, bis am 20. Juli 2011<br />

die Gesetzesvorschläge veröffentlicht wurden. Um Abweichungen bei der nationalen Umsetzung<br />

zu vermeiden, wurden die Anforderungen, welche sich an die Kreditinstitute direkt richten, in Form<br />

einer Verordnung vorgeschlagen und jene Bereiche, welche sich stark an Strukturen in Zusammenhang<br />

mit der nationalen Aufsicht und der Verwaltung orientieren, als Richtlinie veröffentlicht. Die<br />

Schaffung eines sogenannten „single rule book“ oder einheitlichen Regelwerkes geht auf eine<br />

Aufforderung des Europäischen Rates von Juni 2009 zurück und ist der Kommission ein besonderes<br />

Anliegen. Die bisher gültigen nationalen Wahlrechte werden zum größten Teil abgeschafft und<br />

durch einheitliche Anforderungen für alle 27 Mitgliedstaaten ersetzt. Daher hat man sich auch für<br />

die Regelung des überwiegenden Teils in Form einer Verordnung entschieden.<br />

Der Verordnungsvorschlag umfasst nachfolgende Bereiche:<br />

■ Eigenkapitaldefinition<br />

Die Kommission schlägt strengere qualitative und quantitative Anforderungen für anrechenbare<br />

Kapitalinstrumente, insbesondere für das harte Kernkapital vor, welche an die Erfüllung von 14<br />

strengen Kriterien gekoppelt sind. Das Parlament setzt sich für Erleichterungen in Bezug auf das<br />

harte Kernkapital ein. Die Anforderungen an die Bestimmungen an das zusätzliche Kernkapital und<br />

an das Ergänzungskapital hinsichtlich der Abschreibung bzw. Umw<strong>and</strong>lung in hartes Kernkapital<br />

für den Fall des Going Concern sollen nach dem Willen des Parlaments jedoch bereits in der Verordnung<br />

festgelegt werden. Gemäß dem Kommissionsvorschlag sollen Positionen wie in Fremdbesitz<br />

befindliche Kapitalanteile von vollkonsolidierten Tochterunternehmen nur noch im Ausmaß der<br />

zur Abdeckung der Risikoaktiva notwendigen Kapitalanteile angerechnet werden können. Aktive<br />

latente Steuern aus temporären Differenzen sollen nicht mehr als im Ausmaß von 10 % dem harten<br />

Kernkapital zugerechnet werden können. Sowohl der Rat als auch das Parlament setzen sich<br />

hier dafür ein, die Verrechnungsmöglichkeiten für aktive latente Steuern an den Wortlaut des IAS<br />

12.74 anzupassen. Sowohl der Kommission als auch den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten<br />

soll hinsichtlich der Aufstellung des die systemischen Risiken abdeckenden Puffers Flexibilität<br />

gewährt werden. Details stehen hier aber noch nicht fest.<br />

■ Liquiditätsst<strong>and</strong>ards<br />

Während eines 30 Tage dauernden Stress-Szenarios müssen die Banken genügend qualitativ hochwertige<br />

Vermögensbest<strong>and</strong>teile vorhalten, um die Netto-Liquiditätsabflüsse abdecken zu können.<br />

Dieser Liquiditätspuffer (Liquidity Coverage Ratio) deckt Abflüsse von Verbindlichkeiten und<br />

bedingten Verbindlichkeiten vertraglicher und nicht-vertraglicher Natur und muss gewissen Qualitätskriterien<br />

genügen. Anders als ursprünglich beabsichtigt, plädieren beide Gesetzgeber dafür,<br />

diese Kennzahl von der Kommission im Rahmen eines delegierten Rechtsaktes und damit nicht<br />

durch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren festlegen zu lassen. Der Rat fordert hier jedoch,<br />

bereits mit In-Kraft-Treten der Verordnung zumindest in den Grundsätzen festgelegte Liquiditätsst<strong>and</strong>ards<br />

verbindlich vorzuschreiben. Zudem möchte der Rat für systemisch relevante Finanzinsti-


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

tute höhere Anforderungen durchsetzen. Die Aufsicht über die Liquidität für alle Geschäftsstellen<br />

soll zukünftig durch die Heimat-Aufsichtsbehörde durchgeführt werden. Die endgültige Zusammensetzung<br />

des Liquiditätspuffers wird erst 2015 entschieden werden. Das Parlament möchte hier<br />

den Umfang der Aktiva, die für die Meldung zur Verordnung als liquide angesehen werden können,<br />

ausweiten. Die Einführung einer längerfristigen Liquiditätskennziffer (Net Stable Funding Requirement)<br />

als verpflichtende Kennzahl, bei welcher langfristige Kredite durch langfristige Finanzierungsmaßnahmen<br />

gedeckt sein müssen, wird erst Ende 2016 entschieden und benötigt einen entsprechenden<br />

Gesetzesvorschlag.<br />

■ Leverage Ratio<br />

Die Kommission verlangt die Einführung einer Leverage Ratio als ein ergänzendes, nicht-risikosensitives<br />

Maß für die Verschuldung eines Kreditinstituts. Es beschreibt ein Mindestverhältnis von<br />

Eigenkapital zu den ungewichteten bilanziellen und außerbilanziellen Positionen. Alle Positionen<br />

gehen dabei unabhängig von ihrem tatsächlichen Risiko in die Berechnung ein. Bis zur Harmonisierung<br />

der Leverage Ratio im Jahre 2018 sollen nach dem Willen des Parlaments und des Rates<br />

nationale Übergangsbestimmungen gelten. Fraglich ist noch, ob eine oder mehrere Leverage<br />

Ratios eingeführt werden.<br />

■ Kontrahentenausfallrisiko<br />

Um den in der Krise aufgedeckten Problemen gerecht zu werden fordert die Kommission die Einführung<br />

eines Multiplikators für „assets value correlation“ für große Finanzinstitutionen. Gemeinsam<br />

mit den Ende 2012 geltenden Anforderungen der „European Markets Infrastructure Regulation“<br />

(EMIR) werden Institute verpflichtet sein, st<strong>and</strong>ardisierte Derivategeschäfte über einen<br />

zentralen Kontrahenten abzuwickeln. Das Risikogewicht wird in diesem Fall von 0 % auf 2 %<br />

erhöht. Sicherheiten sind ebenfalls anzurechnen. Nicht st<strong>and</strong>ardisierte Geschäfte dürfen nach wie<br />

vor bilateral abgewickelt werden, allerdings unter Berücksichtigung zusätzlicher Kapitalanforderungen<br />

für Bewertungsverluste. Das Parlament fordert zudem, dass Nichtfinanzinstitute Derivate<br />

auch nach Überschreiten der in der EMIR festgelegten Schwellenwerte bilateral clearen dürfen,<br />

wenn dies zu Zwecken der Minderung von Risikopositionen aus realwirtschaftlichen Geschäften<br />

des Unternehmens erfolgt.<br />

■ Single Rule Book<br />

Die Kommission möchte ein harmonisiertes Regelwerk zur einheitlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht<br />

umsetzen. Mit Ausnahme von zwei Regelungsbereichen werden nationale Wahlrechte<br />

und Optionen abgeschafft. Im Bereich Immobilienkredite wird es Mitgliedstaaten weiterhin<br />

erlaubt sein, höhere Eigenkapitalanforderungen oder strengere „loan-to-value“ Grenzwerte für<br />

diejenigen Kredite vorzuschreiben, welche durch gewerbliche Immobilien bzw. Wohnimmobilien<br />

besichert sind. Ebenso bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, welche Höhe der antizyklische<br />

Kapitalpuffer zur Eindämmung von exzessivem Kreditwachstum haben soll. Generell können nationale<br />

Aufsichtsbehörden im Rahmen der Säule 2 nach wie vor strengere Vorschriften erlassen,<br />

wenn sie die Finanzstabilität gefährdet sehen.<br />

■ Verlängerung Basel I Floor:<br />

Beim Übergang von Basel I zu Basel II wurde als Mindestanforderung 80 % der Eigenkapitalanforderungen<br />

gemäß Basel I als temporäre Maßnahme eingeführt. Diese Anforderung wäre 2009<br />

ausgelaufen, jedoch hat man die Maßnahme mit der CRD III bis Ende 2011 verlängert. Gemäß der<br />

Gesetzesvorschläge des CRD IV Pakets soll der Basel I Floor ab 2013 wieder Gültigkeit erlangen<br />

und erst Ende 2015 auslaufen. Unter strikten Bedingungen können die nationalen Aufsichtsbehörden<br />

jedoch eine Ausnahme von der Anwendung des Basel I Floors vorsehen. Das Parlament spricht<br />

sich dafür aus, die Untergrenze nur bis 2014 zu erlauben. Der Rat möchte diese stattdessen bis<br />

2017 verlängern.<br />

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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

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Nachfolgende Bereiche werden in Form einer Richtlinie geregelt:<br />

■ Kapitalpuffer<br />

Mit der Überarbeitung der Richtlinie werden zwei neue Kapitalpuffer eingeführt:<br />

Der Kapitalerhaltungspuffer im Ausmaß von 2.5 % der risikogewichteten Aktiva muss durch harte<br />

Kernkapitalinstrumente gedeckt sein und dient als Notfallreserve in Krisensituationen. Der Kapitalpuffer<br />

in Abhängigkeit der Wirtschaftsleistung (antizyklischer Puffer) sorgt für die Bildung von<br />

Rückstellungen in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs als makroprudentielle Maßnahme zur<br />

Finanzmarktstabilisierung und zur Eindämmung systemweiter Risiken. Der Puffer wird durch die<br />

nationalen Aufsichtsbehörden vorgegeben. Er soll für erwartete Verluste aus bilanziellen Kreditgeschäften<br />

zur Verfügung stehen und in Zeiten des Abschwungs für die aufgetretenen Verluste verwendet<br />

werden. Werden die vorgeschriebenen Puffer von den Kreditinstituten nicht eingehalten,<br />

so kann die Auszahlung von Gewinnen, variabler Vergütung und Dividenden eingeschränkt werden.<br />

Den Mitgliedstaaten soll es nach dem Willen des Rates erlaubt sein, von den Instituten einen so<br />

genannten systemischen Risikopuffer in Form von hartem Kernkapital zu verlangen. Der Puffer soll<br />

auf alle Forderungen angewendet werden dürfen und muss auf 3% (bzw. 5% ab 2015) begrenzt<br />

sein. Höhere Puffer müssen von der Kommission genehmigt werden. Zugleich soll es den Mitgliedstaaten<br />

danach erlaubt sein, den Instituten bei sich abzeichnenden makroprudentiellen bzw. systemischen<br />

Risiken höhere Eigenkapitalanforderungen und einen höheren Kapitalerhaltungspuffer<br />

aufzuerlegen. Das Parlament möchte systemrelevanten Instituten einen Risikopuffer auferlegen,<br />

der zwischen 1% und 10% betragen soll und in Form von hartem Kernkapital vorzuhalten ist.<br />

■ Corporate Governance<br />

Der Vorschlag enthält außerdem Maßnahmen zur Verbesserung der Corporate Governance von<br />

Finanzinstituten. Dazu gehören Änderungen der Funktionsweise und Zusammensetzung der Verwaltungsräte,<br />

um zu gewährleisten, dass die Geschäftsleitung ordnungsgemäß beaufsichtigt wird.<br />

Hier werden u. a. strikte Auswahlverfahren der Räte sowie die Einrichtung von klaren Verfahren im<br />

Umgang mit Interessenkonflikten vorgeschlagen. Es wird auch eine Förderung der Vielfalt bei der<br />

Zusammensetzung (z. B. Frauen, soziale und nationale Herkunft), spezifische individuelle Qualitäten<br />

(Erfahrung, Kompetenz, etc.) sowie die Begrenzung der Anzahl der M<strong>and</strong>ate vorgeschlagen.<br />

Darüber hinaus sollen Aufsichtsbehörden neue Befugnisse erhalten, um Banken enger überwachen<br />

und mit etwaigen Sanktionen belegen zu können, wenn Risiken entdeckt werden.<br />

■ Sanktionen<br />

In der derzeit geltenden Fassung der CRD sind bereits Sanktionen für die unzureichende Einhaltung<br />

der Anforderungen vorgesehen. Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht vor, dass nationale Aufsichtsbehörden<br />

Sanktionen tatsächlich anwenden, wenn möglich nach uniformen Kriterien hinsichtlich<br />

Adressaten, Höhe der Strafmaßnahmen, Transparenz, etc. Das Ziel ist eine stärkere<br />

Durchsetzung und Vereinheitlichung von Strafmaßnahmen. Dies soll durch den Einsatz von „peer<br />

reviews“ bei den Europäischen Aufsichtsbehörden umgesetzt werden.<br />

■ Verstärkte Aufsicht<br />

In Abhängigkeit einer vorweg vorgenommen Risikobewertung muss ein Programm zur Beaufsichtigung<br />

jedes einzelnen Instituts erstellt werden. Ebenso verstärkt zum Einsatz kommen Überprüfungen<br />

vor Ort in den Instituten, technische St<strong>and</strong>ards und eine intensivere, vorausschauende aufsichtsrechtliche<br />

Bewertung.<br />

Das Änderungspaket CRD IV wird vermutlich nicht die letzte Maßnahme zur Überarbeitung der<br />

Kapitalanforderungen darstellen. Der Baseler Ausschuss hat am 19. Juli 2010 eine Konsultation zu<br />

der Einführung von Kapitalzuschlägen für systemisch relevante Institute vorgestellt. Die revidierten<br />

Anforderungen wurden im Oktober 2011 veröffentlicht. Am 29. Juni 2012 legte der Baseler Ausschuss<br />

zudem eine Konsultation für systemisch bedeutende Banken im Inl<strong>and</strong> vor.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Trotz des Zeitdrucks von Seiten der Politik ist es unabdingbar, dass die Umsetzung der Baseler<br />

Vorgaben zur Bankenregulierung angemessen erfolgt und den Bedürfnissen der europäischen<br />

Bankenwirtschaft Rechnung trägt. Der Spagat zwischen notwendiger Revision und Überregulierung<br />

erfordert durch die enge Verzahnung der Realwirtschaft mit der Finanzwirtschaft ein Vorgehen<br />

mit Augenmaß. Dies gilt insbesondere für den Bereich der bankaufsichtlichen Eigenkapitaldefinition.<br />

Hier ist entscheidend, dass sowohl der Rat als auch das Parlament daran festhalten, dass der<br />

Kriterienkatalog zur Qualifizierung von hartem Kernkapital für alle Kreditinstitute ungeachtet der<br />

Rechtsform gilt. Die Qualität eines Kernkapitalinstruments ist entscheidend und nicht die Rechtsform<br />

der emittierenden Bank. Zudem sollten die Anforderungskriterien um Elemente bereinigt<br />

werden, die im Hinblick auf die Kapitalqualität, d. h. in erster Linie die Haftungsfunktion, nicht<br />

relevant sind.<br />

Die Einführung einer Leverage Ratio als risikoungewichtete, rein volumenabhängige Kennziffer<br />

lehnen wir ab, da sie nicht wie die Baseler Kapitalanforderungen dies richtigerweise vornehmen,<br />

eine nach aufsichtlichen Vorgaben ermittelte Messgröße der ökonomischen Verlustgefahr eine<br />

Verlustdeckungsgröße gegenüberstellen. Sollten sich die Gesetzgeber für die Einführung einer<br />

solchen Kennziffer entscheiden, sollte diese zumindest nicht bindend sein, sondern lediglich als<br />

Indikator für die nationalen Aufsichtsbehörden dienen. Eine verbindlich einzuhaltende Leverage<br />

Ratio wäre ein erheblicher Rückschritt der bankaufsichtlichen Systematik. Das gilt zumal dann,<br />

wenn für die Leverage Ratio keine Unterscheidung in verschiedene Quoten vorgenommen wird.<br />

Im Rahmen der Liquidity Coverage Ratio sind in der Liquiditätsreserve zunächst gedeckte Schuldverschreibungen<br />

und Unternehmensschuldverschreibungen anerkannt worden. Pf<strong>and</strong>briefe hervorragender<br />

Bonität sollten darüber hinaus ohne Abschläge einbezogen werden dürfen. Nicht zuletzt<br />

sollte es möglich sein, sämtliche Vermögensgegenstände einzubeziehen, die als Sicherheiten bei<br />

der Zentralbank anerkannt werden. Die Neupositionierung von Parlament und Rat hinsichtlich der<br />

zukünftigen Bestimmung des Liquiditätspuffers ist kritikwürdig. Die Kennzahl sollte per ordentlichem<br />

Gesetzgebungsverfahren bestimmt werden. Die vorgeschlagene Net Stable Funding Ratio<br />

sollte lediglich als Beobachtungskennziffer im Rahmen der zweiten Säule geprüft werden.<br />

Die geplanten bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen werden in ihrer kumulativen Wirkung substanzielle<br />

Anpassungsreaktionen bei den Kreditinstituten erforderlich machen. Da neues Eigenkapital<br />

nicht oder nur schwer zu generieren ist, müsste in erster Linie Kreditgeschäft abgebaut werden.<br />

Um eine regulatorisch bedingte Kreditklemme zu verhindern, bedarf es daher eines sequenziellen<br />

Inkrafttretens der Einzelmaßnahmen und langfristiger Best<strong>and</strong>sschutz- und Übergangsregelungen.<br />

Dies gilt insbesondere für die Anwendung der Neuregelungen zur Definition des aufsichtsrechtlichen<br />

Eigenkapitals. Im Angesicht der weiter <strong>and</strong>auernden Trilog-Verh<strong>and</strong>lungen muss die für<br />

Januar 2013 geplante Umsetzung der Richtlinie verschoben werden, um eine reibungslose Einführung<br />

der Bestimmungen in den Kreditinstituten zu gewährleisten.<br />

69<br />

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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

70<br />

Im Hinblick auf die Abschaffung bzw. Verringerung der Anzahl von nationalen Wahlrechten und<br />

Optionen erteilte die Kommission CEBS am 27. April 2007 den Auftrag zu erarbeiten, welche Wahlrechte<br />

bzw. Optionen noch immer legitim sind und welche im Gegensatz dazu abgebaut werden<br />

sollten. CEBS lancierte dazu am 19. Juli 2007 eine erste öffentliche Konsultation. Ein weiteres<br />

Konsultationspapier mit konkreten Vorschlägen für eine Reduktion der nationalen Wahlrechte<br />

wurde am 22. Mai 2008 publiziert. CEBS übermittelte der Kommission die Empfehlungen am<br />

17. Oktober 2008. Ende April 2009 forderte die Kommission eine zweite Empfehlung zu neun spezifischen<br />

Wahlrechten. Die zweite Empfehlung wurde von CEBS am 10. Juni 2009 veröffentlicht.<br />

Das Konsultationspapier der Kommission zum CRD-Änderungspaket IV wurde am 24. Juli 2009<br />

publiziert. Stellungnahmen wurden von der Kommission bis zum 4. September 2009 entgegen<br />

genommen. Die vorgeschlagenen Änderungen stellen insbesondere konkrete Umsetzungsvorschläge<br />

für Maßnahmen dar, zu deren Ergreifung sich die Kommission in der Mitteilung „Impulse<br />

für den Aufschwung in Europa” vom 4. März 2009 verpflichtet hat. Nachdem der Baseler Ausschuss<br />

am 17.Dezember 2009 ein Konsultationpapier bezüglich neuer Eigenkapitalvorschriften und<br />

Liquiditätsst<strong>and</strong>ards veröffentlicht hat, wurde auch von der Kommission ein neuerliches Konsultationspapier<br />

am 26. Februar 2010 vorgestellt. Die Konsultation lief bis zum 16. April 2010. Am<br />

26. April 2010 veranstaltete die Kommission ein Hearing zum CRD IV Paket mit den Teilnehmern<br />

der Konsultation. Eine weitere separate Konsultation zu antizyklischen Puffern begann am<br />

22. Oktober 2010 und endete am 19. November 2010. Ebenfalls separat konsultiert wurden auch<br />

die Eigenkapitalanforderungen hinsichtlich des Kontrahentenausfallsrisikos – diese Konsultation<br />

dauerte vom 9. Februar bis 9. März 2011.<br />

Am 20. Juli 2011 stellte die Kommission das CRD IV Änderungspaket in Form einer Verordnung (in<br />

drei Teilen), sowie eine Richtlinie vor. Die Dokumente wurden am 25. Juli 2011 an Rat und Parlament<br />

übermittelt. Die weiteren Beratungen der beiden Gesetzgeber begannen im Herbst 2011. Am<br />

14 Dezember 2011 legte Berichterstatter Othmar Karas den Bericht dem ECON-Ausschuss des<br />

Europäischen Parlaments vor. Den ersten Kompromissvorschlag des Rates präsentierte die zuständige<br />

Ratspräsidentschaft aus Dänemark am 11. Januar 2012. Die Europäische Zentralbank gab am<br />

25. Januar 2012 ihre Stellungnahme ab. Am 14 Mai 2012 stimmte der Ausschuss des Europäischen<br />

Parlaments über den Richtlinien- und den Verordnungstext ab. Der Rat einigte sich am 15. Mai<br />

2012 auf eine allgemeine Ausrichtung. In einem intensiven Trilog wird seitdem über einen Kompromisstext<br />

verh<strong>and</strong>elt. Belastbare Ergebnisse gibt es jedoch noch für keinen der beiden Legislativvorschläge.<br />

Während über die wesentlichen Aspekte der Richtlinie aber weitgehend Einigkeit<br />

herrscht, wird die Verordnung erst im September Gegenst<strong>and</strong> der Sitzungen sein. Der Ausgang ist<br />

weiterhin offen.<br />

Die Verordnung und die Richtlinie sind ab Januar 2013 anzuwenden. Eine fristgerechte Umsetzung<br />

ist wegen verzögerter Verh<strong>and</strong>lungen jedoch ungewiss.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Referenz<br />

KOM (2011) 452 endgültig vom 20.7.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 453 endgültig vom 20.7.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

71<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

3. Grenzüberschreitendes Krisenmanagement<br />

Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von<br />

Kreditinstituten und Wertpapierfirmen<br />

Inhalt<br />

72<br />

Als Folge der Finanzmarktkrise möchte die Europäische Kommission einen Rechtsrahmen für die<br />

Sanierung und Abwicklung von Banken schaffen. Dazu hat sie am 12. Juni 2012 einen Richtlinienvorschlag<br />

veröffentlicht. In Zukunft soll es den Behörden ermöglicht werden, grenzübergreifend<br />

tätige Finanzinstitute, die in Schwierigkeiten geraten, zu stabilisieren und die Auswirkungen eines<br />

Zusammenbruchs zu kontrollieren. Der zukünftige Rahmen für Krisenmanagement soll eine wichtige<br />

Ergänzung der neuen Finanzaufsichtsarchitektur sein und in der zweiten Hälfte des Jahres<br />

2013 in Kraft treten. Der Vorschlag umfasst u.a. alle Kredit institute gemäß Richtlinie 2006/48/EG<br />

und alle Wertpapierfirmen gemäß Richtlinie 2006/49/EG. Er gliedert sich in drei Säulen.<br />

1. Sanierungs- und Abwicklungspläne<br />

Als Vorsorgemaßnahme sollen alle Banken in der EU einen jährlich zu aktualisierenden Sanierungsplan<br />

entwickeln. Das Ziel ist es, das Risiko einer deutlichen Verschlechterung der Situation<br />

bereits vorab zu mindern. Dazu müssen die Institute Maßnahmen darlegen, mit deren Hilfe sie in<br />

Stresssituationen wieder zu einer tragfähigen Lösung zurückfinden, z.B. Vorschläge zur Reduzierung<br />

von Risiken und Fremdkapitalaufnahme und zur Umw<strong>and</strong>lung von Verbindlichkeiten.<br />

Zu den Elementen des Sanierungsplans gehört die Darlegung der Hauptaktivitäten des Instituts<br />

und seiner systemrelevanten Funktionen. Ein Zeitplan für deren Umsetzung ist erforderlich. Verpflichtend<br />

sind ebenfalls detaillierte Beschreibungen, wie die Maßnahmen in die „Corporate-<br />

Governance-Struktur“ eingebettet werden und wie die Zuständigkeiten für die Erstellung und<br />

Umsetzung des Plans festgelegt sind. Ferner soll das Institut erläutern, wie eine Fortsetzung der<br />

Geschäftstätigkeit während der Durchführung der Maßnahmen gewährleistet werden kann.<br />

Schließlich soll das Institut auch präventive Maßnahmen aufgreifen, um Sanierungspläne im<br />

Ernstfall besser umsetzen zu können. Dazu soll beispielsweise auch die Identifizierung des Verkaufs<br />

von Vermögenswerten dienen.<br />

Zusätzlich zu den Sanierungsplänen soll es den Aufsichtsbehörden obliegen, Abwicklungspläne zu<br />

erstellen, die es ihnen ermöglichen, Banken entsprechend der im Kommissionsvorschlag dargelegten<br />

Grundsätze abzuwickeln. Banken müssen zu diesem Zwecke bestimmte Informationen an die<br />

Behörden weiterleiten, etwa solche über die Organisationsstruktur sowie eine Auflistung sämtlicher<br />

juristischer Personen einschließlich deren Hauptgeschäftsaktivitäten, Stimmrechtsbefugnisse,<br />

ihrer Verbindlichkeiten und begebenen Sicherheiten. Die Auswirkungen des Ausfalls von Hauptvertragspartnern<br />

sollen dargelegt und kritische Vertragspartner benannt werden. Die Vernetzung zwischen<br />

den einzelnen juristischen Einheiten soll beschrieben werden. Die Aufsicht soll ferner über<br />

die Vermögensbelastung, zu liquiden Mitteln der Bank, zu außerbilanziellen Aktivitäten und Absicherungs-Strategien<br />

informiert werden. Sanierungs- und Abwicklungspläne müssen sowohl auf<br />

Gruppenebene als auch auf Ebene der einzelnen zugehörigen Institute ausgearbeitet werden.<br />

2. Frühzeitiges Eingreifen:<br />

Die derzeit geltende Bankenrichtlinie bzw. Kapitaladäquanz-Richtlinie beinhalten bereits Befugnisse<br />

zum frühzeitigen Eingreifen der Aufsichtsbehörden (z. B. Verstärkung der Eigenmittel und Risikovorsorge,<br />

Einschränkungen der Geschäftstätigkeit). Die Kommission versucht nun, die Kompetenzen der<br />

Aufsicht in einigen Bereichen zu erweitern. Vorgesehen ist, dass die Behörden ein Institut dazu verpflichten<br />

können, seinen Sanierungsplan umzusetzen sowie ein Aktionsprogramm und einen Zeit-


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

plan für die Umsetzung vorzulegen. Ferner sollen sie eine Hauptversammlung anordnen dürfen, um<br />

die Zustimmung der Aktionäre für einen Sanierungsplan einzuholen. Wenn die vorgenannten Instrumente<br />

nicht ausreichen, sollen die Behörden zudem dazu befugt sein, einen so genannten Sonderverwalter<br />

einzusetzen. Der Sonderverwalter soll in erster Linie die finanzielle Stabilität wiederherstellen<br />

und eine solide Unternehmensführung gewährleisten. Er übernimmt sämtliche Befugnisse<br />

der Aktionäre und löst die Geschäftsleitung ab.<br />

3. Abwicklungsverfahren<br />

Gemäß der Liquidationsrichtlinie 2001/24/EG muss die Sanierung oder Liquidation von Kreditinstituten<br />

mit Zweigstellen in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat von den zuständigen Behörden nach einem<br />

einheitlichen Verfahren und in Einklang mit dem nationalen Insolvenzgesetz des Herkunftsmitgliedstaates<br />

des betreffenden Instituts eingeleitet und abgewickelt werden. Nicht unter die Richtlinie<br />

fallen jedoch grenzübergreifend tätige Banken, die Tochtergesellschaften in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten<br />

haben.<br />

Um einheitliche europäische Regelungen zu schaffen, schlägt die Kommission ein harmonisiertes<br />

Abwicklungsverfahren vor. Dieses kommt zur Anwendung, wenn eine Bank insolvent oder der<br />

Insolvenz so nahe ist, dass es ohne einen Eingriff zu einer Insolvenz kommen würde. Mögliche<br />

Verluste sind zunächst den Anteilseignern und dann den Gläubigern anzulasten. Gläubiger derselben<br />

Kategorie sollen unterschiedlich beh<strong>and</strong>elt werden können, wenn dies aus Gründen des<br />

„öffentlichen Interesses“ gerechtfertigt werden kann. Sollte ein Gläubiger schlechter gestellt<br />

werden als im Liquidationsfalle, muss ihm der Differenzbetrag erstattet werden.<br />

Kommt es zu einem Ereignis, das den Abwicklungsfall vorsieht, übernimmt die Aufsichtsbehörde<br />

die Verfahrenseröffnung. Bei grenzüberschreitender Tätigkeit oder fehlender Einigung der zuständigen<br />

Aufsichtsbehörden kann die EBA diese Aufgabe übernehmen. Grundsätzlich stehen den Behörden<br />

vier Abwicklungsinstrumente zur Verfügung, für deren Anwendung eine vorhergehende Bewertung<br />

notwendig ist: (1) Unternehmensveräußerungen am Markt, (2) die Einrichtung einer öffentlich<br />

kontrollierten Brückenbank, (3) Ausgliederungen von Vermögenswerten in eine „Bad Bank“, und (4)<br />

eine Rekapitalisierung der Bank durch die Abschreibung ihrer Schulden („Bail-in“). Diese Instrumente<br />

können im Verbund oder – mit Ausnahme der Ausgliederung von Vermögenswerten – einzeln<br />

zur Anwendung kommen, und dies ohne die vorherige Zustimmung der Aktionäre. Im ersten und<br />

zweiten Falle kann die Aufsicht das Institut dazu zwingen, Geschäftsbereiche zu veräußern bzw.<br />

vorübergehend zu verlagern. Die dritte Option zieht eine Aufspaltung der Bank in eine „Good Bank“<br />

und eine „Bad Bank“ nach sich, wobei die Bilanzierung zum Marktwert erfolgt. Zwar werden bereits<br />

mit diesen drei Lösungen Restrukturierungen vorgenommen, das Instrument mit der größten Reichweite<br />

ist allerdings das Bail-in-Werkzeug. Forderungen nicht abgesicherter Gläubiger sollen hierbei<br />

abgeschrieben bzw. in Eigenkapital umgew<strong>and</strong>elt werden. Die Kommission beabsichtigt damit, die<br />

Lebensfähigkeit des Instituts auch nach der Abwicklung zu sichern. Insbesondere bei größeren Instituten<br />

soll so die Flexibilität im Zuge der Abwicklung erhöht werden. Als einziges Instrument soll<br />

die Bail-in-Lösung erst ab 2018 zur Anwendung kommen. Für das Bail-in werden alle Verbindlichkeiten<br />

herangezogen, mit Ausnahme von (u.a.) kurzfristigen Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von<br />

unter einem Monat, gedeckten Einlagen und abgesicherten Verbindlichkeiten. Derivate fallen<br />

grundsätzlich in den Anwendungsbereich. In bestimmten Fällen kann die zuständige Aufsicht Ausnahmen<br />

durchsetzen. Die Kommission beabsichtigt hierzu einen delegierten Rechtsakt zu erlassen.<br />

Die Bestimmungen sollen das nationale Insolvenzrecht ergänzen und gegebenenfalls ersetzen.<br />

Jedes der vier Instrumente muss mit den europäischen Beihilfevorschriften im Einklang stehen.<br />

Deshalb ist ein Rückgriff auf Abwicklungsfonds und/oder öffentliche Mittel zur Unterstützung der<br />

Abwicklung an die Kommission zu melden und von dieser zu prüfen.<br />

73<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

74<br />

Schließlich diskutiert die Kommission Möglichkeiten, die grenzübergreifende Finanzierung von<br />

Abwicklungsmaßnahmen im Bankensektor unter wesentlicher Inanspruchnahme des Privatsektors<br />

sicherzustellen. Ziel ist es, den Steuerzahler so wenig wie möglich zu belasten. Vorgeschlagen<br />

wird, über einen Zeitraum von zehn Jahren einen nationalen Abwicklungsfonds einzurichten, der<br />

von den Finanzinstituten durch die Erhebung einer risikoorientierten ex-ante-Abgabe finanziert<br />

werden soll. Der Abwicklungsfonds soll jedoch nicht zur Rettung oder Sanierung von Banken dienen,<br />

sondern allein eine geordnete Abwicklung gewährleisten und eine Ausbreitung der Krise<br />

verhindern. Für den Fonds soll ein Mindestwert festgelegt werden, der sich auf mindestens 1% der<br />

gedeckten Einlagen beläuft. Eine zusätzliche ex-post-Finanzierung soll im Bedarfsfall hinzukommen.<br />

Im Notfall soll auch auf Kreditfazilitäten der beteiligten Institute sowie der Zentralbank<br />

zurückgegriffen werden können. Nationale Einlagensicherungsfonds sollen ebenfalls in Anspruch<br />

genommen werden können. Zunächst sollen sie die Einleger im Abwicklungsfall bis zur Höhe der<br />

gedeckten Einlagen entschädigen. Der Betrag entspricht der Höhe des Verlustes bei einem<br />

gewöhnlichen Insolvenzverfahren. Zweitens soll es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, den<br />

Abwicklungsfonds mit dem Einlagensicherungssystem zu verschmelzen, sofern das Sicherungssystem<br />

weiterhin in der Lage ist, Einleger bei einem Ausfall zu entschädigen. Zudem sieht die Kommission<br />

vor, dass sich die nationalen Abwicklungsfonds Mittel aus den Abwicklungsfonds <strong>and</strong>erer<br />

Länder ausleihen können. Grundsätzlich ist kein Institut von einer Beteiligung an dem Fonds ausgenommen.<br />

Allerdings können die zuständigen Behörden für bestimmte Institute vereinfachte Anforderungen<br />

festlegen.<br />

Bewertung<br />

Weil Förderbanken klar umrissene Förderaufträge wahrnehmen und durch die staatlichen Garantien<br />

keinerlei Risiko für Finanzmärkte darstellen, lehnen wir die Einbeziehung von Förderbanken in<br />

den Anwendungsbereich der Richtlinie ab. Hinsichtlich der Abwicklungspläne und der risikoabhängigen<br />

Beiträge sollte auf das Proportionalitätsprinzip geachtet werden. Die von der Kommission<br />

beabsichtigten Sanierungspläne wurden im Rahmen des „erweiterten Risikomanagements“<br />

bereits in deutsches Recht festgeschrieben. Abwicklungspläne stellen für Förderbanken wegen der<br />

fehlenden Insolvenzfähigkeit der Institute grundsätzlich kein geeignetes Krisenmanagement-Instrument<br />

dar. Zudem sind wir der Auffassung, dass Aufsichtsbehörden interne Organisationsstrukturen<br />

grundsätzlich nur unzureichend reflektieren können. Entsprechend betrachten wir die Aufstellung<br />

der Abwicklungspläne durch die Aufsicht kritisch. Die Einführung eines Sonderverwalters<br />

bereits im Rahmen des frühzeitigen Eingreifens erachten wir als verfrüht. Nach unserer Auffassung<br />

sind die Banken zu diesem Zeitpunkt noch selbst dazu in der Lage, eine Reorganisation der<br />

Strukturen vorzunehmen. Im Hinblick auf die Abwicklungsfonds sollte sichergestellt sein, dass<br />

getrennte Einlagensicherungs- und Abwicklungsfonds nicht zu einer relativen Mehrbelastung führen.<br />

Die von der Kommission geforderten einheitlichen Wettbewerbsregeln könnten <strong>and</strong>ernfalls<br />

gefährdet sein. Von den vier Abwicklungsinstrumenten ist das Bail-in grundsätzlich nicht auf Institute<br />

mit vorgeschriebener Trägerschaft anwendbar, da diese eine W<strong>and</strong>lung von Fremd- in Eigenkapital<br />

nicht vornehmen können. Weil es sich nicht auf die Kapitalquote anrechnen lässt, ist das<br />

Vorhalten w<strong>and</strong>lungsfähigen Kapitals im Sinne einer Bail-in-Lösung zudem sehr kostspielig.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der Europäische Rat kam im Juni 2009 zu dem Schluss, dass die Arbeiten für ein grenzüberschreitendes<br />

Krisenmanagement zur Verhinderung und Bewältigung von Finanzmarktkrisen vorangebracht<br />

werden müssen.<br />

Am 20. Oktober 2009 legte die Kommission die Mitteilung zum Krisenmanagement vor und leitete<br />

eine Konsultation ein, welche bis zum 20. Januar 2010 dauerte. Um den Austausch zu den Interessensvertretern<br />

zu fördern, veranstaltete sie am 19. März 2010 eine Konferenz zum grenzüberschreitenden<br />

Krisenmanagement. Die Themen konzentrierten sich auf mögliche Instrumente für<br />

frühzeitiges Eingreifen, eine verbesserte Effektivität für die grenzüberschreitende Abwicklung von<br />

Banken und koordinierte/integrierte Rahmenvorgaben für Bankinsolvenzen.<br />

Am 26. Mai 2010 präsentierte die Kommission eine Mitteilung zu Bankenrettungsfonds, welche<br />

am 6. August 2010 durch eine korrigierte Fassung ersetzt wurde. Nach Ansicht der Kommission<br />

könnten die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, nach gemeinsamen Bestimmungen Fonds einzurichten,<br />

die von den Banken finanziert werden müssen. Die Fonds sollen nicht zur Sanierung oder<br />

zum vollständigen Auffangen von Banken genutzt werden, sondern ausschließlich dazu dienen,<br />

beim Ausfall einer Bank ein geordnetes Vorgehen zu gewährleisten und eine Destabilisierung des<br />

Finanzsystems zu vermeiden.<br />

Eine weitere und detaillierte Konsultation begann am 6. Januar 2011 und dauerte bis zum 3. März<br />

2011. Am 5 April 2012 entschied sich die Kommission dazu, die bisherigen Überlegungen zum Krisenmanagement<br />

um das Bail-in-Instrument zu erweitern. Die zuständige Generaldirektion Markt<br />

veröffentlichte hierzu ein Diskussionspapier.<br />

Den bereits für den Herbst 2011 in Betracht gezogenen Legislativvorschlag veröffentlichte die<br />

Kommission am 6. Juni 2012. Mit dem Vorschlag geht eine Änderung der Richtlinien 77/91/EWG<br />

und 82/891/EG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG,<br />

2007/36/EG und 2011/35/EG sowie der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 einher.<br />

Harmonisierte Krisenmanagementbestimmungen gehören auch zu den insgesamt drei Vorschlägen,<br />

die seit Anfang Juni 2012 im Rahmen der möglichen Schaffung einer so genannten „Banken-<br />

Union“ diskutiert werden. Hinsichtlich des Krisenmanagements werden weitere Schritte noch<br />

geprüft. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auf Seite 64.<br />

Über den Vorschlag zum Krisenmanagement hinaus hat EU-Kommissar Michel Barnier im Februar<br />

2012 eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, um Strukturreformen für den Bankensektor zu<br />

diskutieren. Die Einsetzung erfolgte vor dem Hintergrund ähnlicher Reformvorschläge in den Vereinigten<br />

Staaten und im Vereinigten Königreich. Das nach ihrem Vorsitzenden, dem gegenwärtigen<br />

Gouverneur der finnischen Zentralbank, Erkki Liikanen auch Liikanen-Gruppe genannte Gremium<br />

diskutiert, ob zusätzlich zu den bestehenden Reformen im Bankensektor weitere strukturelle Reformen<br />

notwendig sind, um Finanzmarktstabilität und Verbraucherschutz zu stärken. Ein Endbericht<br />

wird für den Spätsommer 2012 erwartet. Bereits am 03. Mai 2012 legte die Gruppe ein einseitiges<br />

Konsultationsdokument vor, mit dem auch den Beteiligten aus der Kreditwirtschaft die Möglichkeit<br />

gegeben wurde, sich zu dem Thema zu äußern.<br />

KOM (2012) 280 endgültig/2 vom 12.6.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

75<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Grünbuch Schattenbankwesen<br />

Diskussionspapier der Europäischen Kommission zu verschiedenen Aspekten des Schattenbankenbereichs<br />

Inhalt<br />

76<br />

Am 19. März 2012 veröffentlichte die Kommission ein Grünbuch zum sogenannten Schattenbankwesen.<br />

Als Schattenbanken definiert die Kommission das „System der Kreditvermittlung, an dem<br />

Unternehmen und Tätigkeiten außerhalb des regulären Bankensystems beteiligt sind“. Nach Auffassung<br />

der Kommission bergen Schattenbanken und die damit verbundenen Tätigkeiten systemische<br />

Risiken, die bisher nur unzureichend erfasst sind und deshalb eine genauere Überprüfung<br />

notwendig machen. Das Grünbuch gibt den aktuellen Diskussionsst<strong>and</strong> zu den verschiedenen<br />

Themen wieder und baut inhaltlich auf den Beschlüssen der G20 in Seoul 2010 und Cannes 2011<br />

sowie den aktuellen Arbeiten des <strong>Financial</strong> <strong>Stability</strong> Boards und der internationalen Banken- und<br />

Wertpapieraufsichtskommissionen auf. Beabsichtigt ist, die bisherige Gesetzgebung im Banken-,<br />

Wertpapier- und Versicherungsbereich auf eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf Schattenbankentätigkeiten<br />

hin zu überprüfen, verschärfte Aufsichts- und Regulierungsst<strong>and</strong>ards vorzuschlagen<br />

bzw. gegebenenfalls neue Legislativvorschläge zu erarbeiten.<br />

Unter den Begriff „Schattenbanken“ fasst die Kommission in einer ersten Betrachtung alle Unternehmen,<br />

die folgende Tätigkeiten ausüben:<br />

■ Entgegennahme von Geldern mit einlageähnlichen Merkmalen<br />

■ Durchführung von Fristen- und/oder Liquiditätstransformation<br />

■ Kreditrisikotransfer<br />

■ Einsatz direkter oder indirekter finanzieller Hebeleffekte.<br />

Auch Tätigkeiten, die für Nichtbanken bedeutende Finanzierungsquellen darstellen könnten, fallen<br />

darunter. Dazu zählen Verbriefungen sowie Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte („Repos“).<br />

Konkret befasst sich die Kommission mit folgenden Akteuren bzw. Tätigkeiten:<br />

■ Zweckgesellschaften (SPV), die Liquiditäts- und/oder Fristentransformationen durchführen<br />

■ Geldmarktfonds (Money Market Funds, MMF) und <strong>and</strong>ere Arten von Investmentfonds bzw. –<br />

produkten mit einlageähnlichen Charakteristika<br />

■ Investmentfonds, die Kredite zur Verfügung stellen oder mit Fremdmitteln arbeiten, einschließlich<br />

börsengeh<strong>and</strong>elter Fonds (Exchange Traded Funds, ETF)<br />

■ Finanzierungsgesellschaften und Wertpapierhäuser, die Kredite oder Kreditgarantien bereitstellen<br />

oder Liquiditäts- und/oder Fristentransformationen durchführen, ohne dabei der gleichen<br />

Regulierung zu unterliegen wie eine Bank<br />

■ Versicherer und Rückversicherer, die Kreditprodukte ausgeben oder garantieren<br />

■ Verbriefungen<br />

■ Wertpapierleih- und Repogeschäfte.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Vor allem für den Bankenbereich hat das Schattenbankensystem nach Angaben der Kommission<br />

eine hohe Bedeutung. Dies bezieht sich vor allem auf eine ungeordnete Insolvenz einer Schattenbank<br />

und den sich daraus ergebenden Systemrisiken. Dabei fasst die Kommission insbesondere<br />

mögliche Ansteckungskanäle ins Auge. Auch sei es erforderlich, die Schattenbankbereiche komplementär<br />

zu der bisherigen Bankenregulierung zu reformieren. Damit solle verhindert werden,<br />

dass die Banken in alternative Anlageformen flüchten bzw. den Kreditvermittlungsprozess in rechtlich<br />

vonein<strong>and</strong>er unabhängige, mitein<strong>and</strong>er aber in Beziehung stehende Strukturen aufteilen.<br />

Einige Aspekte der Schattenbankentätigkeiten sind bereits durch das bestehende Banken- bzw.<br />

Versicherungsrecht bzw. Vorschläge in der Beratung abgedeckt (CRD II, III, IV, Solvabilität II-Richtlinie,<br />

MiFID-Review, AIFMD, OGAW, IFRS 7 bzw. 10,11 und 12, u.a.).<br />

Darüber hinausgehende Schritte prüft die Kommission in folgenden Bereichen:<br />

■ Bankenregulierung: Aufsichtsanforderungen über die Risikotransfers von Banken auf Schattenbanken,<br />

Ansteckungskanäle, Begrenzung übermäßiger Engagements in Schattenbanken, Angabepflichten<br />

der Banken hinsichtlich ihres Engagements in Schattenbanken<br />

■ Regulierung der Vermögensverwaltung: im Hinblick auf ETF und <strong>and</strong>ere Investmentfonds vor<br />

allem Störungen in der Liquiditätsversorgung, mögliche Interessenkonflikte, die Besicherungsqualität<br />

bei Wertpapierleih- und Swapgeschäften; im Bezug auf Geldmarktfonds das Risiko<br />

eines Runs auf die Anlagen<br />

■ Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte: Sicherheitenverwaltung, Praktiken bei der Reinvestition<br />

der für besicherte Wertpapiere erhaltenen Barmittel, Wiederverwendung von Sicherheiten<br />

(Weiterverpfändung), Transparenz sowohl an den Märkten als auch für die Aufsichtsbehörden,<br />

Rolle der Marktinfrastruktur. Insbesondere die mit solchen Geschäften verbundenen Hebeleffekte<br />

stehen im Fokus der Kommissionsuntersuchungen<br />

■ Verbriefungen: Transparenz-, St<strong>and</strong>ardisierungs-, Selbstbehalt- und Rechnungslegungsanforderungen.<br />

Die Kommission zielt mit ihren Überlegungen vor allem auf eine Überprüfung des bestehenden<br />

Rechts bzw. der in Beratung befindlichen Vorhaben im Banken- und Wertpapierbereich ab. Alle<br />

Rechtsakte bzw. Vorhaben sollen darauf geprüft werden, ob die Probleme des Schattenbankenwesens<br />

damit ausreichend bekämpft werden können. In einigen Bereichen stellt die Kommission<br />

bereits konkrete Erwägungen an, den Geltungsbereich auszuweiten bzw. Aufsichts- und Regulierungsst<strong>and</strong>ards<br />

zu erhöhen. Im Bankenbereich soll analysiert werden,<br />

■ ob die vorgesehenen Regelungen für Großkredite stringent genug sind, um alle Ausleihungen<br />

von Schattenbanken sowohl einzeln als auch insgesamt gesehen angemessen zu erfassen<br />

■ wie Fremdkapitalanteile bei Unternehmen des Schattenbanksektors (z.B. bei Investmentfonds)<br />

wirksam bilanziert werden können, sowie vor allem, ob die derzeit praktizierte Transparenzmethode<br />

(„Look-Through Approach“) ausgeweitet werden sollte<br />

■ ob die in der CRD II für Verbriefungsvehikel vorgesehene Beh<strong>and</strong>lung von Liquiditätslinien und<br />

Kreditengagements auf alle <strong>and</strong>eren Unternehmen des Schattenbanksektors ausgeweitet werden<br />

sollte<br />

■ ob die auf nationaler Ebene praktizierte aufsichtsrechtliche Beh<strong>and</strong>lung von impliziter Kreditunterstützung<br />

einer Überprüfung bedarf<br />

■ ob die CRD-IV-Bestimmungen auch auf Institute ausgeweitet werden, die keine Einlagen entgegennehmen.<br />

77<br />

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A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

78<br />

Im Vermögensverwaltungsbereich strebt die Kommission eine Überprüfung der OGAW-Rahmengesetzgebung<br />

an, um auch ETFs in den Anwendungsbereich aufzunehmen. Die ESMA hat dazu am<br />

26. Juli 2012 eine Konsultation vorgelegt. Ebenfalls soll die Richtlinie Solvabilität II daraufhin<br />

untersucht werden, ob Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften, die schattenbankähnliche<br />

Tätigkeiten ausüben, angemessen reguliert sind. Maßnahmen sind auch für die Verbriefungsvorschriften<br />

geplant. Hier bezieht sich die Kommission unter <strong>and</strong>erem auf die noch laufenden<br />

Arbeiten auf der internationalen Ebene. Das Thema Datenerhebung ist der einzige Aspekt, bei dem<br />

die Kommission einen eigenständigen Gesetzesentwurf bereits zu diesem frühen Zeitpunkt diskutiert.<br />

Aufsichtsbehörden soll damit die Möglichkeit erteilt werden, ihre Datenbasis über den<br />

Schattenbanksektor auszubauen.<br />

Aus unserer Sicht ist die beabsichtigte Regulierungsinitiative grundsätzlich nachvollziehbar. Eine<br />

Regulierung von Schattenbankentätigkeiten über das Banken- und Versicherungsrecht halten wir<br />

jedoch wegen des spezifischen Charakters der zu regulierenden Institutionen und der im Bankenrecht<br />

bereits bestehenden hohen Regulierungsdichte für nicht zielführend.


A. BANK- UND BANKAUFSICHTSRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Das Grünbuch Schattenbankwesen vom 19. März 2012 ist der erste konkrete Schritt der Europäischen<br />

Kommission, um die darunter fallenden Tätigkeiten und Akteure gemeinsam zu erfassen. Es<br />

bildet die Grundlage für einen Konsultationsprozess, dessen Ergebnisse bei Druckschluss allerdings<br />

noch nicht vorlagen. Am 27. April 2012 hielt die Kommission eine Konferenz zu dem Thema<br />

ab. Weitere Schritte hängen von den Konsultationsergebnissen, den Arbeiten von ESRB, EBA,<br />

ESMA und EIOPA sowie ebenfalls von den Ergebnissen der Expertengruppe zu Strukturreformen im<br />

Bankensektor ab.<br />

KOM (2012) 102 endgültig vom 19.03.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

79<br />

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B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Investmentfonds-Richtlinie (OGAW)<br />

Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung<br />

der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für<br />

gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (Neufassung)<br />

Inhalt<br />

80<br />

Hauptziel der OGAW-Richtlinie ist eine Angleichung der Rechtsvorschriften für eine bestimmte Art<br />

von Investmentfonds – sogenannte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren<br />

(OGAW). Mit den OGAW-Rechtsvorschriften sollte ein einheitliches Anlegerschutzniveau gewährleistet<br />

werden.<br />

Die Richtlinie regelt die Zulassung, Aufsicht, Struktur, Geschäftstätigkeit und Informationspflichten<br />

der OGAW. Es wird festgelegt, dass ein OGAW unter Einhaltung der in der Richtlinie vorgesehenen<br />

Anforderungen – ohne einer erneuten Zulassung zu bedürfen – seine Anteile in <strong>and</strong>eren EU-Mitgliedsländern<br />

vertreiben darf („Europäischer Produkt-Pass“).<br />

In den Anwendungsbereich der ursprünglichen Richtlinie aus 1985 fielen lediglich offene Investmentfonds,<br />

die ihre Anteile beim Publikum der EU vertreiben und deren einziges Ziel die Anlage in<br />

Wertpapieren und <strong>and</strong>eren liquiden Finanzanlagen ist.<br />

Mit der Änderung der Richtlinie vom 22. März 1988 („OGAW II“) wurde den Mitgliedstaaten die<br />

Möglichkeit gegeben, unter bestimmten Voraussetzungen gewisse Ausnahmen bei der Anlage des<br />

Sondervermögens in Wertpapieren ein und desselben Emittenten zuzulassen.<br />

Eine grundlegende Änderung der OGAW Richtlinie erfolgte 2001 („OGAW III“). Zum einen wurde<br />

die Palette an liquiden Finanzanlagen erweitert, die das Investitionsspektrum von Investmentfonds-Gesellschaften<br />

vergrößerte. Begrenzungen für den grenzüberschreitenden Vertrieb von<br />

Anteilen an Investmentfonds wurden aufgehoben und die Anlagemöglichkeiten erweitert. Investiert<br />

werden kann nach Änderung der Richtlinie nicht nur in börsennotierte Aktien und Schuldverschreibungen,<br />

sondern auch st<strong>and</strong>ardisierte Options- und Terminkontrakte, die auf geregelten<br />

Börsen geh<strong>and</strong>elt werden, OTC-Derivate, Einlagen bei Kreditinstituten (Cash-Fonds), bestimmte<br />

Arten börsennotierter Geldmarktinstrumente und sonstige Anteile <strong>and</strong>erer OGAW – so genannte<br />

Dachfonds. Anerkannt werden auch Investmentmanagement-Techniken, wie „tracking“ (Anlage in<br />

Wertpapieren verschiedener Emittenten, die in einem bestimmten Index zusammengefasst sind).<br />

Des Weiteren wurden der Zugang zum Markt und die Bedingungen für die Zulassung, wie z. B.<br />

Mindestkapital und Verhaltensregeln für OGAW-Verwaltungsgesellschaften, harmonisiert. Die<br />

Bestimmungen wurden an die für <strong>and</strong>ere Anbieter von Finanzdienstleistungen geltenden Regeln<br />

angeglichen. Entsprechend den für Kreditinstitute geltenden Regeln wurde ein „Europäischer<br />

Pass“ für Verwaltungsgesellschaften geschaffen, der es diesen ermöglichen soll, ihre Dienstleistungen<br />

grenzüberschreitend im gesamten Binnenmarkt anzubieten. Mit der Schaffung des „Europäischen<br />

Passes“ wurde auch eine Verbesserung des Anlegerschutzes angestrebt.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Durch die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente („MiFID“) wurden verschiedene Bestimmungen<br />

betreffend das Mindestkapital, Organisationsanforderungen und Wohlverhaltensregeln<br />

auch auf OGAW anwendbar erklärt.<br />

Eine zweite Ausweitung der Anlagemöglichkeiten erfolgte 2007 durch die Richtlinie über zulässige<br />

Anlagegegenstände von OGAW (RL 2007/16/EG). Die Kommission legt darin Bewertungskriterien<br />

fest, anh<strong>and</strong> derer ermittelt werden soll, ob verschiedene Arten von Finanzinstrumenten, insbesondere<br />

durch Forderungen unterlegte Wertpapiere („asset backed securities“), börsennotierte<br />

geschlossene Fonds, „Euro Commercial Papers“, indexbasierte Derivate und Kreditderivate für die<br />

Einbeziehung in die OGAW-Fonds in Frage kommen.<br />

Die durch die Neufassung der Richtlinie vom 13. Juli 2009 („OGAW IV“) eingeführten Bestimmungen<br />

erleichtern das Anzeigeverfahren für den grenzüberschreitenden Vertrieb von OGAW, insbesondere<br />

durch eine deutliche Verkürzung der Zulassungsfrist.<br />

Außerdem wurde ein neues Konzept für die Information von Anlegern, die sogenannten „Key Investor<br />

Information – KII“ bzw. das „Key Information Document – KID“ anstelle des bisherigen vereinfachten<br />

Prospekts eingeführt. Anlegern sollen in einem KID künftig alle wesentlichen Informationen<br />

für eine Anlageentscheidung in einem st<strong>and</strong>ardisierten Format zur Verfügung gestellt werden. Das<br />

KID soll dem Anleger Klarheit über seine Anlage und die damit verbundenen Risiken geben.<br />

Grenzüberschreitende Fondsfusionen sollen künftig erleichtert und die Möglichkeit von Vermögensbündelungen<br />

durch so genannte Master-Feeder-Konstruktionen geschaffen werden. Dabei<br />

kann das Vermögen eigenständiger Unterfonds („Feeder“) in einem Masterfonds kostengünstig<br />

verwaltet werden.<br />

Schließlich wurden auch die Vorschriften für den EU-Pass für Verwaltungsgesellschaften überarbeitet.<br />

Verwaltungsgesellschaften, die in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen sind, ist es erlaubt<br />

OGAW-Fonds in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat aufzulegen, zu schließen und zu verwalten. Damit<br />

soll künftig eine zentralisierte Verwaltung des grenzüberschreitenden Vertriebs von OGAW-Fonds<br />

möglich sein.<br />

Durchführungsmaßnahmen ergänzen einzelne Bereiche der neuen OGAW-Bestimmungen, insbesondere<br />

zum EU-Pass für OGAW-Verwaltungsgesellschaften, den wesentlichen Anlegerinformationen<br />

sowie Fonds-Fusionen, Pooling von Vermögenswerten und zum OGAW-Notifizierungsverfahren.<br />

Ergänzt wird die OGAW Richtlinie durch interpretative Mitteilungen und Empfehlungen der Kommission<br />

sowie durch verschiedene Leitlinien des Ausschusses der Europäischen Wertpapieraufseher<br />

(CESR) bzw. heute der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA).<br />

Bewertung<br />

Sowohl die Verabschiedung der OGAW-Richtlinie von 1985 als auch die mit der Modernisierung<br />

der Investmentfonds-Richtlinie (OGAW III) erreichten Verbesserungen für den Binnenmarkt wurden<br />

begrüßt, da damit ein großer Schritt hin zu einer Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

für OGAW getan wurde. Damit wurden die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen<br />

angeglichen und ein einheitlicherer Schutz der Anteilsinhaber geschaffen. Insbesondere die Einführung<br />

des Europapasses für offene Investmentfonds stellte eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung<br />

dar. Die spätere Vereinfachung des Zulassungsverfahrens und die damit verbundene Öffnung<br />

der Märkte wurden prinzipiell positiv bewertet. Die erneute Überarbeitung und<br />

Modernisierung der OGAW-Richtlinie (OGAW IV) wurde gleichfalls grundsätzlich positiv gesehen.<br />

Insbesondere dem langjährigen Anliegen, das Anzeigeverfahren zu vereinfachen und den EU-Pass<br />

für den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds praktisch auszugestalten, wurde in<br />

der Überarbeitung Rechnung getragen.<br />

81<br />

B


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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

82<br />

OGAW I und II<br />

Am 20. Dezember 1985 wurde die Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW)<br />

verabschiedet. Sie wurde am 22. März 1988 um einige Ausnahmen ergänzt (OGAW II). Die Richtlinie<br />

wurde im Rahmen des am 1. März 1990 in Kraft getretenen Investment-Richtlinien-Gesetzes in<br />

deutsches Recht umgesetzt.<br />

Die Richtlinie wurde durch die BCCI-Richtlinie (RL 95/26/EG) am 29. Juni 1995 ein weiteres Mal<br />

geändert. Aus Gründen der Übereinstimmung mit <strong>and</strong>eren für Kreditinstitute geltenden Richtlinien<br />

wurde die Richtlinie in Hinblick auf den Informationsaustausch mit Drittländern am 7. November<br />

2000 erneut geändert.<br />

OGAW III<br />

Die Kommission hatte am 10. Februar 1993 dem Ministerrat eine Richtlinie zur Novellierung der<br />

OGAW-Richtlinie von 1985 vorgeschlagen. Nach der Stellungnahme des Europäischen Parlaments<br />

am 27. Oktober 1993 hatte die Kommission am 20. Juli 1994 ihren geänderten Richtlinienvorschlag<br />

verabschiedet, über den keine Einigung erzielt werden konnte. Am 17. Juli 1998 legte die Kommission<br />

zwei getrennte Vorschläge zur Änderung der OGAW-Richtlinie vor. Eine erste Lesung des<br />

Berichts f<strong>and</strong> im Parlament bereits am 21. April 1999 statt. Der Ministerrat erzielte am 17. Oktober<br />

2000 die politische Einigung über den ersten Vorschlag und am 12. März 2001 über den zweiten<br />

Vorschlag. Am 5. Juni 2001 hat der Rat seinen gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt und Begründungen zu<br />

den beiden Vorschlägen festgelegt. Nach Stellungnahme des Parlaments in zweiter Lesung am<br />

23. Oktober 2001 hat der Rat am 4. Dezember 2001 beide Richtlinien endgültig verabschiedet. Die<br />

Umsetzung der beiden Richtlinien ist in Deutschl<strong>and</strong> im Rahmen des Investmentmodernisierungsgesetzes<br />

erfolgt, das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist.<br />

Mit der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente („MiFID“ – RL 2004/39/EG) wurden einzelne<br />

Bestimmungen dieser Richtlinie auch für OGAW anwendbar erklärt. Dies betrifft insbesondere die<br />

in der MiFID enthaltenen Bestimmungen zur Anfangskapitalausstattung, organisatorische Anforderungen<br />

sowie die Wohlverhaltensregeln.<br />

Außerdem wurde die Richtlinie durch die Richtlinie zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur<br />

im Finanzdienstleistungsbereich (2005/1/EG vom 9. März 2005) geändert.<br />

Änderungen zur Erweiterung der Anlagemöglichkeiten<br />

Seit 2004 arbeitete die EU-Kommission an der Überarbeitung der Definition der für OGAW erwerbbaren<br />

Vermögensgegenstände. Der Ausschuss der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden<br />

(CESR) wurde zu diesem Zweck m<strong>and</strong>atiert Empfehlungen abzugeben und übermittelte diese der<br />

Kommission am 26. Januar 2006. Am 19. März 2007 nahm die Kommission auf dieser Basis im<br />

Rahmen des Komitologieverfahrens eine Durchführungsrichtlinie an, die eine Klärung der Definitionen<br />

der zulässigen Anlagegegenständen von OGAW hinsichtlich bestimmter Klassen von Anlagegegenständen<br />

herbeiführt (RL 2007/16/EG). In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Durchführungsrichtlinie<br />

durch das Gesetz zur Änderung des Investmentgesetzes und zur Anpassung <strong>and</strong>erer Vorschriften<br />

(Investmentänderungsgesetz) vom 27.12.2007 (BGBl. I 2007, S. 3089) umgesetzt. Es trat am<br />

28. Dezember 2007 in Kraft.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Einführung des „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“<br />

Im Juli 2006 wurde ein neuer Beschluss über das Komitologieverfahren angenommen (Beschluss<br />

2006/512/EG). Dieser führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“,<br />

das insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in<br />

die OGAW Richtlinie durch Richtlinie 2008/18/EG, angenommen am 11. März 2008, eingeführt.<br />

OGAW IV<br />

Im Juli 2005 wurde das Grünbuch der Kommission zum Ausbau des Europäischen Rahmens für<br />

Investmentfonds veröffentlicht. Nach weiteren Arbeiten folgte im November 2006 das Weißbuch<br />

der Kommission über die Weiterentwicklung des Binnenmarktrahmens für Investmentfonds. Darin<br />

werden gezielte Änderungsvorschläge für die OGAW-Richtlinie sowie nicht-legislative Maßnahmen<br />

zur Unterstützung der Verbesserungen des OGAW-Rahmens vorgeschlagen. Auch für nichtharmonisierte<br />

Investmentfonds werden Aktionsziele gesetzt.<br />

Am 22. März 2007 veröffentlichte die Kommission ihre „ersten Leitlinien für eine mögliche Anpassung<br />

der OGAW-Richtlinie“ sowie umfangreiche Konsultationsdokumente. Darin legte die Kommission<br />

konkreter dar, welche Änderungen in der OGAW-Richtlinie geplant sind.<br />

Ein Meinungsaustausch über diese erste Einschätzung f<strong>and</strong> am 26. April 2007 in einer öffentlichen<br />

Anhörung der Kommission statt. Vorbereitende Arbeiten umfassten insbesondere jene zum vereinfachten<br />

Prospekt: Die Europäische Kommission organisierte dazu zwei Arbeitskreise, am 15. Mai<br />

2006 sowie am 17. Juli 2006. CESR übermittelte seine Empfehlungen betreffend die Überarbeitung<br />

des vereinfachten Prospekts der Kommission am 15. Februar 2008.<br />

Eine Studie über „Investmentfonds in der Europäischen Union: Vergleichende Analyse der Ausübung<br />

von Anlagebefugnissen, Anlageergebnissen und entsprechender Risikoeigenschaften in<br />

OGAW und nicht harmonisierten Märkten“ wurde am 12. Februar 2008 veröffentlicht.<br />

Der legislative Vorschlag der Kommission zu OGAW IV wurde zusammen mit einem Folgenabschätzungsdokument<br />

am 16. Juli 2008 veröffentlicht. Gleichzeitig wurde CESR von der Kommission<br />

aufgefordert, Empfehlungen zur Regelung des EU-Passes für Verwaltungsgesellschaften abzugeben,<br />

der vorerst keinen Eingang in den Gesetzgebungsvorschlag der Kommission gefunden hatte.<br />

Am 31. Oktober 2008 veröffentlichte CESR dazu die endgültigen Empfehlungen.<br />

Ein Workshop zu den wesentlichen Informationen für den Anleger wurde von der Kommission am<br />

20. Oktober 2008 veranstaltet. Am 8. Juli 2009 veröffentlichte die Kommission einen Bericht über<br />

die Verbrauchertests zu den Transparenzanforderungen bei OGAW im Hinblick auf Inhalt und Form<br />

der wesentlichen Informationen für den Anleger (KII).<br />

Die geänderte OGAW-Richtlinie (OGAW IV) wurde am 13. Januar 2009 vom Plenum des Parlaments<br />

angenommen. Die formelle Annahme durch den Rat folgte am 22. Juni 2009. Die Neufassung<br />

der OGAW-Richtlinie wurde am 17. November 2009 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Die OGAW IV-Richtlinie wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur<br />

Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für<br />

gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz – OGAW-IV-UmsG) vom<br />

22. Juni 2011 (Bgbl. I Nr. 30 vom 25. Juni 2011, S. 1126 ff.) in deutsches Recht umgesetzt.<br />

Die ursprüngliche OGAW-Richtlinie 85/611/EWG wurde zum 1. Juli 2011 aufgehoben.<br />

Durchführungsmaßnahmen zu OGAW IV<br />

Im Rahmen der Arbeiten an Durchführungsmaßnahmen erteilte die Kommission an CESR am<br />

13. Februar 2009 eine Reihe von Aufträgen zur Abgabe von Empfehlungen. CESR übermittelte der<br />

Kommission seine technischen Ratschläge bezüglich des EU-Passes für OGAW-Verwaltungsgesellschaften<br />

und des KID am 28. Oktober 2009. Am 22. Dezember 2009 folgte der Ratschlag zu Ver-<br />

83<br />

B


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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

84<br />

schmelzungen, Master-Feeder-Strukturen und dem Anzeigeverfahren sowie der Annex zu Format<br />

und Inhalt des KID.<br />

Die Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie 2009/65/EG wurden im Rahmen des Europäischen<br />

Wertpapierausschusses (ESC) bis zum 12. April 2010 ausgearbeitet und mündeten am 1. Juli<br />

2010 in der Annahme folgender Rechtsakte:<br />

■ Verordnung (EU) Nr. 583/2010 der Kommission im Hinblick auf die wesentlichen Informationen<br />

für den Anleger und die Bedingungen, die einzuhalten sind, wenn die wesentlichen Informationen<br />

für den Anleger oder der Prospekt auf einem <strong>and</strong>eren dauerhaften Datenträger als Papier<br />

oder auf einer Website zur Verfügung gestellt werden,<br />

■ Verordnung (EU) Nr. 584/2010 der Kommission im Hinblick auf Form und Inhalt des St<strong>and</strong>ardmodells<br />

für das Anzeigeschreiben und die OGAW-Bescheinigung, die Nutzung elektronischer<br />

Kommunikationsmittel durch die zuständigen Behörden für die Anzeige und die Verfahren für<br />

Überprüfungen vor Ort und Ermittlungen sowie für den Informationsaustausch zwischen<br />

zuständigen Behörden,<br />

■ Richtlinie 2010/42/EU der Kommission in Bezug auf Bestimmungen über Fondsverschmelzungen,<br />

Master-Feeder-Strukturen und das Anzeigeverfahren,<br />

■ Richtlinie 2010/43/EU der Kommission im Hinblick auf organisatorische Anforderungen, Interessenkonflikte,<br />

Wohlverhalten, Risikomanagement und den Inhalt der Vereinbarung zwischen<br />

Verwahrstelle und Verwaltungsgesellschaft.<br />

Die Verordnung der Kommission über wesentliche Informationen für den Anleger wird durch Leitlinien<br />

ergänzt, die von CESR am 1. Juli 2010 veröffentlicht wurden (inhaltlich bereits im Annex des<br />

Ratschlags vom 22. Dezember 2009 enthalten):<br />

■ Leitlinie für die Methodologie zur Berechnung des synthetischen Risiko-Ertragsindikators im<br />

Dokument mit wesentlichen Informationen für den Anleger,<br />

■ Leitlinie für die Methodologie zur Berechnung der Kosten im Dokument mit wesentlichen Informationen<br />

für den Anleger.<br />

OGAW-Verwahrstellen (OGAW V)<br />

Am 3. Juli 2012 legte die Kommission einen Vorschlag für die Überarbeitung der OGAW-Richtlinie<br />

vor allem im Hinblick auf die Pflichten von Verwahrstellen vor. Siehe hierzu das eigene Kapitel<br />

weiter unten.<br />

OGAW VI<br />

Vom 26. Juli bis zum 18. Oktober 2012 konsultierte die Kommission zu Produktvorschriften, dem<br />

Liquiditätsmanagement, einem möglichen Pass für die Verwahrungsstelle, Geldmarktfonds und zu<br />

langfristigen Anlagen. Ein weiterer Gesetzgebungsvorschlag ist zeitlich noch nicht absehbar.<br />

Mitteilungen der Kommission<br />

Abgesehen von legislativen Maßnahmen veröffentlichte die Europäische Kommission auch eine<br />

Reihe von interpretativen Mitteilungen und Empfehlungen zu verschiedenen OGAW Unterthemen:<br />

Eine Mitteilung zur Regelung der OGAW-Verwahrstellen in den Mitgliedstaaten wurde am<br />

30. März 2004 publiziert (KOM (2004/207). Am 27. April 2004 nahm die Kommission zwei Empfehlungen<br />

an, die dazu beitragen sollen, dass nationale Regulierungsbehörden die für OGAW geltenden<br />

Regelungen in Bezug auf Anlagen in Finanzderivate und die Präsentation in einem „vereinfachten<br />

Prospekt“ auf gleiche Weise auslegen (2004/384/EG und 2004/383/EG). Am 19. März 2007<br />

wurde eine Mitteilung der Kommission publiziert, welche die jeweiligen Befugnisse des Herkunftsmitgliedstaates<br />

und des Gastl<strong>and</strong>es beim Vertrieb von OGAW klärt (KOM (2007/112).


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Aufgabenbereich der ESMA<br />

Die OGAW-Richtlinie fällt in den Verantwortungsbereich der Europäischen Wertpapier- und<br />

Marktaufsichtsbehörde (European Securities <strong>and</strong> Markets Authority, ESMA), der Nachfolgeorganisation<br />

des CESR. Anpassungen einzelner Vorschriften erfolgten über die Omnibus I-Richtlinie<br />

(2010/78/EU).<br />

CESR- und ESMA-Leitlinien<br />

CESR veröffentlichte eine Reihe nicht-bindender Leitlinien:<br />

■ Leitlinien betreffend die Übergangsbestimmungen der OGAW-Änderungsrichtlinien (RL<br />

2001/108/EG und RL 2001/107/EG), 5. Februar 2005;<br />

■ Leitlinien zur Vereinfachung grenzüberschreitender Anmeldeverfahren von OGAW, 29. Juni<br />

2006;<br />

■ Leitlinien zu zulässigen Vermögensgegenständen, zur Ergänzung der Durchführungsrichtlinie<br />

hinsichtlich jener Teile, die aus den abgegebenen Empfehlungen nicht in die Richtlinie übernommen<br />

wurden, 19. März 2007 i. d. F. vom 2. Oktober 2008;<br />

■ Leitlinien betreffend die Kategorisierung von Hedgefondsindizes als Finanzindizes, 17. Juli<br />

2007;<br />

■ Leitlinien zum Risikomanagement von OGAW, 27. Februar 2009.<br />

Am 29. Januar 2010 veröffentlichte CESR ein Gutachten zur Anwendung seiner Leitlinien für das<br />

Notifizierungsverfahren.<br />

Am 23. März 2012 veröffentlichte ESMA Leitlinien zur Risikomessung und der Berechnung des<br />

Gesamtrisikos für bestimmte Arten strukturierter OGAW.<br />

Am 25. Juli veröffentlichte ESMA Leitlinien für börsengeh<strong>and</strong>elte Index-Fonds und <strong>and</strong>ere OGAW-<br />

Themen. Zusätzlich konsultierte ESMA vom 25. Juli bis zum 25. September 2012 eine Erweiterung<br />

dieser Leitlinien um Leitlinien für Pensionsgeschäfte und umgekehrte Pensionsgeschäfte.<br />

ESMA-FAQ<br />

Am 9. Juli 2012 veröffentlichte ESMA Fragen und Antworten zur Notifizierung von OGAW und zum<br />

Informationsaustausch zwischen Aufsichtsbehörden sowie zur Risikomessung und der Berechnung<br />

des Gesamtrisikos und des Gegenparteirisikos für OGAW.<br />

Richtlinie:<br />

2009/65/EG (Richtlinie) vom 13.07.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 302/32 vom 17.11.2009<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

Verordnung (EU) Nr. 583/2010 der Kommission vom 01.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 176/1 vom<br />

10.07.2010<br />

Verordnung (EU) Nr. 584/2010 der Kommission vom 01.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 176/16 vom<br />

10.07.2010<br />

2010/42/EU (Richtlinie) vom 01.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 176/28 vom 10.07.2010<br />

2010/43/EU (Richtlinie) vom 01.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 176/42 vom 10.07.2010<br />

85<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Anlegerentschädigungs-Richtlinie<br />

Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über<br />

Systeme für die Entschädigung der Anleger<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

86<br />

Das Ziel der Anlegerentschädigungs-Richtlinie ist es, parallel zu der bereits 1994 verabschiedeten<br />

Einlagensicherungs-Richtlinie, jedem in der EU zugelassenen Unternehmen, das Wertpapierdienstleistungen<br />

erbringt, die Zugehörigkeit zu einem Anlegerentschädigungssystem vorzuschreiben. Zu<br />

den in der Richtlinie erfassten Wertpapierfirmen zählen auch Kreditinstitute, soweit sie Wertpapierdienstleistungen<br />

erbringen.<br />

Jeder Mitgliedstaat muss dafür sorgen, dass in seinem Gebiet mindestens ein System für die Entschädigung<br />

der Anleger eingerichtet und amtlich anerkannt wird. Eine in dem Mitgliedstaat zugelassene<br />

Wertpapierfirma darf nur dann Wertpapiergeschäfte tätigen, wenn sie einem solchen<br />

System angeschlossen ist. Die Mitgliedstaaten können ein Kreditinstitut, das bereits Mitglied in<br />

einem Einlagensicherungssystem ist, von der Pflichtmitgliedschaft befreien, wenn dieses einen<br />

zumindest gleichwertigen Schutz bietet.<br />

Das Sicherungssystem muss gewährleisten, dass Anleger im Fall des Zusammenbruchs einer<br />

Wertpapierfirma einen Mindestanspruch auf Rückzahlung ihrer Einlagen in Höhe von 20.000 EUR<br />

geltend machen können.<br />

Entsprechend der Einlagensicherungs-Richtlinie ist auch in der Anlegerentschädigungs-Richtlinie<br />

ein Aufnahmezwang für Töchter von Instituten aus <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten mit einem geringeren<br />

Schutzniveau vorgesehen. Ferner übernommen wurde das „Exportverbot“, das höherwertigen<br />

Schutzsystemen verbietet, diese auch in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten der EU anzubieten.<br />

Die Richtlinie gewährleistet eine Entschädigung in Fällen, in denen eine Wertpapierfirma nicht in<br />

der Lage ist, einem Anleger die ihm gehörenden Vermögenswerte zurückzugeben, beispielsweise<br />

aufgrund von Betrug oder Fahrlässigkeit in einer Firma oder aufgrund des Versagens oder fehlerhaften<br />

Funktionierens der firmeninternen Systeme. Anlagerisiken – also Wertverluste aufgrund<br />

sinkender Börsenkurse oder aufgrund der Zahlungsunfähigkeit eines Emittenten – werden nicht<br />

abgesichert. Die Anlegerentschädigungs-Richtlinie wird derzeit überarbeitet (vgl. Kapitel B.III.1.).<br />

Für eine Richtlinie zur Schaffung von Anlegerschutzsystemen für Kreditinstitute wurde grundsätzlich<br />

keine Notwendigkeit gesehen. In Deutschl<strong>and</strong> waren die Wertpapierkunden bereits durch<br />

ausreichende Sicherungsmechanismen geschützt.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Erste Vorstellungen über Anlegerschutzsysteme legte die EU-Kommission in einem Arbeitsdokument<br />

vom 10. November 1992 vor. Am 22. Oktober 1993 präsentierte die Kommission einen Richtlinienvorschlag.<br />

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss nahm am 26. Januar 1994, das Europäische<br />

Parlament am 19. April 1994 in erster Lesung Stellung. Am 14. Dezember 1994 legte die Kommission<br />

ihren geänderten Richtlinienvorschlag vor.<br />

Der ECOFIN-Ministerrat einigte sich am 22. Mai 1995 politisch gegen den Willen Deutschl<strong>and</strong>s.<br />

Der Gemeinsame St<strong>and</strong>punkt wurde am 23. Oktober 1995 verabschiedet. Die zweite Lesung des<br />

Europäischen Parlaments erfolgte am 12. März 1996. Nach Einigung im Vermittlungsverfahren<br />

wurde die Richtlinie am 3. März 1997 endgültig angenommen.<br />

Die Richtlinie war bis zum 26. September 1998 in nationales Recht umzusetzen. Die Anlegerentschädigungs-Richtlinie<br />

wurde durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz<br />

(EAEG) vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1842) in deutsches Recht umgesetzt.<br />

97/9/EG (Richtlinie) vom 03.03.1997, Amtsblatt der EG Nr. L 84/22 vom 26.03.1997<br />

87<br />

B


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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Börsenrechts-Richtlinie<br />

Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die<br />

Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser<br />

Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen<br />

Inhalt<br />

88<br />

Vier Börsenrechts-Richtlinien und ihre Änderungsrichtlinien wurden durch eine einzige Richtlinie<br />

ersetzt, um das EU-Recht zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. Die kodifizierte Fassung<br />

trat offiziell an die Stelle der vier Basisrichtlinien sowie der vier Änderungsrichtlinien über die<br />

Börsenzulassung von Wertpapieren und die zu diesen Wertpapieren zu veröffentlichenden Angaben.<br />

Die Kodifizierung betrifft folgende vier Basisrichtlinien:<br />

■ Richtlinie zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen<br />

Notierung an einer Wertpapierbörse (Börsenzulassungs-Richtlinie) (79/279/EWG);<br />

■ Richtlinie zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung<br />

des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer<br />

Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist (Börsenprospekt-Richtlinie) (80/390/EWG);<br />

■ Richtlinie über die regelmäßigen Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind,<br />

deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind (82/121/<br />

EWG);<br />

■ Richtlinie über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten<br />

Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (Publizitäts-Richtlinie) (88/627/<br />

EWG).<br />

Durch die Kodifizierung hat sich der Inhalt der Richtlinien nicht geändert. Alle betroffenen Richtlinien<br />

waren bereits in deutsches Recht umgesetzt.<br />

Die Bestimmungen der Richtlinie erlauben es einem Unternehmen, dessen Wertpapiere im L<strong>and</strong><br />

seines Sitzes zur amtlichen Börsennotierung zugelassen sind, auch in den <strong>and</strong>eren EU-Mitgliedstaaten<br />

zugelassen zu werden. Die Bestimmungen vereinfachen auch die gleichzeitige Börseneinführung<br />

in mehreren Mitgliedstaaten. Eine Aktiengesellschaft muss ein bestimmtes Mindestkapital<br />

aufweisen und die Aktien müssen unbeschränkt h<strong>and</strong>elbar und ausreichend im Publikum<br />

gestreut sein. Für die Emittenten von Industrieobligationen gelten entsprechende, aber gegenüber<br />

Aktien erleichterte Mindestzulassungsbedingungen. Öffentlich-rechtliche Anleiheemittenten und<br />

Daueremittenten für Schuldverschreibungen sind von überflüssigen Formalitäten freigestellt worden.<br />

Die Richtlinie regelt auch verschiedene laufende Pflichten des Emittenten und des Unternehmens<br />

dessen Papiere zur amtlichen Börsennotierung zugelassen sind. Die meisten dieser Vorschriften<br />

wurden in der Zwischenzeit von Bestimmungen in <strong>and</strong>eren Richtlinien abgelöst, insbesondere jene<br />

der Transparenz-Richtlinie und der Marktmissbrauchsrichtlinie.<br />

Kommt der Emittent seinen Pflichten nach dieser Richtlinie nicht nach, können die zuständigen<br />

Behörden diese Tatsache veröffentlichen. Unter bestimmten Bedingungen kann auch die Ausset-


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

zung der Kursnotiz eines Wertpapieres oder die Einstellung der amtlichen Notierung angeordnet<br />

werden. Gegen diese Entscheidungen kann Rechtsbehelf eingelegt werden.<br />

Schließlich enthält die Richtlinie Bestimmungen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit<br />

von Behörden.<br />

Die Richtlinie über Marktmissbrauch (2003/6/EG) ändert die Börsenrechts-Richtlinie hinsichtlich<br />

enthaltener Informationspflichten. Geändert wird die Börsenrechts-Richtlinie auch durch die neue<br />

Prospekt-Richtlinie (2003/71/EG), die die Inhalte der ursprünglichen Börsenprospekt-Richtlinie<br />

(80/390/EWG) sowie der Emissionsprospekt-Richtlinie (89/298/EWG) integral ersetzt. Des Weiteren<br />

wird die Börsenrechts-Richtlinie durch die Transparenz-Richtlinie (2004/109/EG) geändert. Eine<br />

weitere Änderung erfolgte durch die Richtlinie zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im<br />

Finanzdienstleistungsbereich (2005/1/EG).<br />

Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit des Europäischen Börsenrechts wurde die Kodifizierung<br />

begrüßt.<br />

Die Kommission verabschiedete den Vorschlag zur Kodifizierung am 20. Juli 2000. Nach einer<br />

Stellungnahme des Europäischen Parlaments am 14. März 2001 wurde die Richtlinie am 28. Mai<br />

2001 vom Europäischen Parlament und vom Rat unterzeichnet. Am 6. Juli 2001 wurde sie im Amtsblatt<br />

der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.<br />

Änderungen erfuhr die Börsenrechts-Richtlinie durch die Marktmissbrauchs-Richtlinie (RL 2003/6/<br />

EG vom 28.01.2003), die Prospekt-Richtlinie (RL 2003/71/EG vom 04.11.2003), die Transparenz-<br />

Richtlinie (RL 2004/109/EG vom 15.12.2004) sowie durch die Richtlinie zur Schaffung neuer Ausschussstrukturen<br />

(RL 2005/1/EG vom 09.03.2005).<br />

Die Börsenrechts-Richtlinie wird zukünftig in die Zuständigkeit der neu zu schaffenden Europäischen<br />

Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) fallen.<br />

2001/34/EG (Richtlinie) vom 28.05.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 184/1 vom 06.07.2001<br />

Amtsblatt der EG Nr. L 217/18 vom 11.08.2001 (Berichtigung)<br />

2003/6/EG (Richtlinie) vom 28.01.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 96/16 vom 12.04.2003<br />

2003/71/EG (Richtlinie) vom 04.11.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 345/64 vom 31.12.2003<br />

2004/109/EG (Richtlinie) vom 15.12.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 390/38 vom 31.12.2004<br />

2005/1/EG (Richtlinie) vom 09.03.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 79/9 vom 24.03.2005<br />

89<br />

B


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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Prospekt-Richtlinie<br />

Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003<br />

betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren<br />

Zulassung zum H<strong>and</strong>el zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG<br />

Inhalt<br />

90<br />

Ziel der Prospekt-Richtlinie ist die Sicherstellung von adäquaten und gleichwertigen Offenlegungsst<strong>and</strong>ards<br />

in allen Mitgliedstaaten für das öffentliche Angebot von Wertpapieren sowie deren<br />

Zulassung zum H<strong>and</strong>el an einem geregelten Markt. Insbesondere wird mit der Richtlinie ein so<br />

genannter „Europäischer Pass“ für Emittenten eingeführt, nach dem ein einmal gebilligter Prospekt<br />

grundsätzlich EU-weite Geltung hat.<br />

Durch die Prospekt-Richtlinie wurden die bisherigen Bestimmungen in der Börsenrechts-Richtlinie<br />

und der Emissionsprospekt-Richtlinie ersetzt.<br />

Die Prospekt-Richtlinie hat nach Änderung durch die Richtlinie 2010/73/EU nunmehr im Wesentlichen<br />

folgenden Inhalt:<br />

Ausnahmen: Prospektfrei möglich sind<br />

■ Angebote von Wertpapieren mit einem Gesamtgegenwert von weniger als 5.000.000 EUR<br />

berechnet auf zwölf Monate,<br />

■ Daueremissionen von Nicht-Dividendenwerten von Kreditinstituten bis zu einem Betrag von<br />

weniger als 75.000.000 EUR berechnet auf zwölf Monate,<br />

■ Wertpapierangebote an weniger als 150 natürliche und juristische Personen pro Mitgliedstaat,<br />

sowie<br />

■ Angebote mit einem Mindestbetrag/einer Mindeststückelung von 100.000 EUR.<br />

Retailkaskade: Es besteht dann keine originäre Prospektpflicht auf nachgelagerten Vertriebsstufen,<br />

wenn ein gültiger Prospekt vorh<strong>and</strong>en ist und der Emittent bzw. der Prospektersteller der<br />

Pros pektverwendung schriftlich zugestimmt hat.<br />

Prospektzusammenfassung: Die Prospektzusammenfassung muss in einem Format erstellt werden,<br />

das einen Vergleich von Wertpapieren ermöglicht. Inhaltlich soll die Zusammenfassung zudem die<br />

„wesentlichen Informationen“ der Wertpapiere enthalten.<br />

Endgültige Bedingungen: Die Final Terms müssen auch der Aufsichtsbehörde des Aufnahmemitgliedstaates<br />

übermittelt werden.<br />

Gültigkeit: Prospekte sowie das Registrierungsformular haben eine Gültigkeit von zwölf Monaten.<br />

Das ehemals erforderliche jährliche Dokument muss nicht mehr erstellt werden. Zur elektronischen<br />

Veröffentlichungsform von Prospekten ist die Veröffentlichung auf der Website des Emittenten<br />

ausreichend.<br />

Nachtragspflicht: Zeitliche Anknüpfungspunkte sind der endgültige Schluss des öffentlichen Angebots<br />

bzw. die Einführung oder Einbeziehung in den H<strong>and</strong>el. Die Nachtragspflicht endet erst mit dem<br />

jeweils später eintretenden Umst<strong>and</strong>. Das Rücktrittsrecht wird Nachträge während eines öffentlichen<br />

Angebotes beschränkt.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Notifizierung: Der Billigungsbehörde obliegt die Pflicht, die Emittenten oder den Prospektersteller<br />

über die Notifizierung seines Prospektes zu informieren.<br />

Für das Inkrafttreten der nationalen Vorschriften ist eine Übergangsfrist von 18 Monaten ab<br />

Inkrafttreten der Richtlinie vorgesehen.<br />

Ergänzt werden die Bestimmungen der Prospekt-Richtlinie durch die Durchführungsverordnung<br />

(VO 809/2004/EG), welche derzeit als Folge der Überarbeitung der Prospekt-Richtlinie noch durch<br />

Änderungsverordnungen angepasst wird.<br />

Die abgestimmten Positionen der europäischen Wertpapieraufseher zur Auslegung verschiedener<br />

Bestimmungen werden in einem Fragen- und Antwortpapier dargestellt, das von ESMA regelmäßig<br />

überarbeitet wird.<br />

Die grundsätzliche Zielrichtung der Richtlinie, den Inhalt von Wertpapieremissionsprospekten<br />

europaweit zu harmonisieren, wurde begrüßt, auch wenn dies nicht durchgängig gelungen ist.<br />

Positiv hervorzuheben ist insbesondere die Einführung des „Europäischen Passes“ im Hinblick auf<br />

die europaweite Gültigkeit von Prospekten. Mittlerweile haben sich die Bestimmungen der Prospekt-Richtlinie,<br />

in Deutschl<strong>and</strong> durch das Wertpapierprospektgesetz umgesetzt, am Markt im<br />

Wesentlichen etabliert. Einzelne Auslegungsfragen sind jedoch noch nicht befriedigend gelöst.<br />

Die Überarbeitung der Prospekt-Richtlinie wurde in Teilen begrüßt. Der Vorschlag der Kommission<br />

enthielt wichtige Klarstellungen für Emittenten von Wertpapieren. Insbesondere die Abschaffung<br />

der Veröffentlichung des so genannten „Jährlichen Dokuments“ war positiv zu beurteilen. Auch die<br />

Anhebung der Schwellenwerte für Kleinemissionen wird zu Erleichterungen bei kleineren Emittenten<br />

führen.<br />

Dagegen wurden die Anforderungen an die Prospektzusammenfassung erweitert. Diese soll<br />

zukünftig in einem einheitlichen Format erstellt werden, das einen Vergleich von Wertpapieren<br />

ermöglicht. Die inhaltlichen Anforderungen werden ausgedehnt, insbesondere soll die Zusammenfassung<br />

zukünftig alle „wesentlichen Informationen“ der Wertpapiere enthalten, um dem Anleger<br />

einen umfassenderen Überblick über die angebotenen Wertpapiere zu ermöglichen.<br />

Zudem wird die Ausweitung des Nachtragsregimes insbesondere für Daueremittenten zu weiteren<br />

Belastungen führen, ohne dass dem ein mehr an Transparenz für den Anleger gegenüber stünde.<br />

Bedauert wird auch, dass die Überarbeitung der Prospekt-Richtlinie keine Vereinheitlichung der<br />

zivilrechtlichen Prospekthaftung in Europa mit sich bringt. Neben den Prospektinhalten sollte auch<br />

die zivilrechtliche Haftung des Emittenten für Wertpapierprospekte EU-weit einheitlich geregelt<br />

werden. Dies hätte etwa in Form eines einheitlichen und abschließenden Haftungstatbest<strong>and</strong>es<br />

für alle gemäß der EU-Prospektrichtlinie erstellten Prospekte geschehen können.<br />

Die endgültige Fassung der Änderungsrichtlinie enthält zudem leider einige Ungenauigkeiten. So<br />

fehlt im Richtlinientext die Klarstellung, dass im Falle eines Basisprospektes die Zusammenfassung<br />

nur kombiniert mit den Final Terms die emissionsspezifischen „wesentlichen Informationen“<br />

enthalten muss.<br />

91<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

92<br />

Am 30. Mai 2001 hat die Kommission den Richtlinienvorschlag angenommen. Das Europäische<br />

Parlament hat am 14. März 2002 in erster Lesung einige Änderungsvorschläge zu dem Richtlinienvorschlag<br />

vorgelegt. Da zu dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag keine Einigung erzielt werden<br />

konnte, hat die Kommission am 9. August 2002 einen geänderten Richtlinienvorschlag vorgelegt.<br />

Die Diskussionen des Rates zu dieser geänderten Fassung mündeten in einem Gemeinsamen<br />

St<strong>and</strong>punkt, der am 24. März 2003 festgelegt wurde. Das Europäische Parlament hat am 2. Juli<br />

2003 in zweiter Lesung Änderungsanträge festgelegt, die einen Kompromiss zwischen den beteiligten<br />

EU-Institutionen darstellten und ein Vermittlungsverfahren verhinderten. Der Rat hat die<br />

Prospekt-Richtlinie dann am 15. Juli 2003 angenommen. Die formale Verabschiedung der Richtlinie<br />

erfolgte am 4. November 2003. Am 31. Dezember 2003 wurde die Richtlinie im Amtsblatt der<br />

EU veröffentlicht.<br />

Bei der Prospekt-Richtlinie findet das erweiterte Komitologie-Verfahren Anwendung. Technische<br />

Durchführungsbestimmungen, die die Richtlinie ergänzen, wurden von der Kommission im Rahmen<br />

einer Durchführungsverordnung erlassen. Die EU-Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie (Durchführungsverordnung<br />

– VO 809/2004/EG) ist am 29. April 2004 von der Kommission verabschiedet<br />

worden. Sie wurde am 30. April 2004 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Die Richtlinie musste bis zum 1. Juli 2005 in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden. In<br />

Deutschl<strong>and</strong> wurde die Richtlinie durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, das am 1. Juli<br />

2005 in Kraft getreten ist, umgesetzt. Kernbest<strong>and</strong>teil ist das Wertpapierprospektgesetz (WpPG).<br />

Am 3. Oktober 2005 veröffentlichte die Kommission Hinweise zur Auslegung von Artikel 30 Absatz<br />

1 der Prospekt-Richtlinie (Wahl der zuständigen Behörden durch Drittstaatenemittenten).<br />

Mit Verordnung vom 27. Februar 2007 (VO 211/2007) wurde die Durchführungsverordnung um<br />

besondere Vorschriften hinsichtlich Emittenten mit komplexer Finanzgeschichte ergänzt. Die Vorarbeiten<br />

dazu umfassten einen Bericht des Ausschusses der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden<br />

(CESR) vom 27. Oktober 2005 sowie einen Entwurf einer Änderung zur Durchführungsverordnung<br />

vom Europäischen Wertpapierausschuss (ESC) vom 22. März 2006. Der förmliche Entwurf<br />

der EU-Kommission wurde am 10. August 2006 publiziert.<br />

Eine weitere Änderung erfuhr die Durchführungsverordnung durch die Verordnung über die Verschiebung<br />

der Entscheidung über die Gleichwertigkeit von Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards vom<br />

4. Dezember 2006 (VO 1787/2006/EG). Damit wurden von der EU-Kommission die notwendigen<br />

Maßnahmen ergriffen, um die Übergangszeit, während der ausländische Gesellschaften, die Wertpapiere<br />

an EU-Börsen ausgeben, nach nationalen Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards erstellte Bilanzen<br />

vorlegen dürfen, um weitere zwei Jahre zu verlängern. In einer folgenden eigenständigen Verordnung<br />

(VO 1569/2007) richtete die Kommission einen Mechanismus zur Entscheidung über die<br />

Gleichwertigkeit von Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards ein (siehe unten).<br />

Im Juli 2006 wurde ein neuer Beschluss über das Komitologieverfahren angenommen (Beschluss<br />

2006/512/EG). Dieser führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“,<br />

das insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in<br />

die Prospekt-Richtlinie durch Richtlinie 2008/11/EG, angenommen am 11. März 2008, eingeführt.<br />

Die Prospekt-Richtlinie sah eine Überarbeitung der Vorschriften innerhalb von fünf Jahren nach<br />

Inkrafttreten, d. h. bis Ende 2008, vor.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Vor diesem Hintergrund übermittelte CESR der Kommission einen Bericht über das Funktionieren<br />

der Prospekt-Richtlinie aus Sicht der Wertpapierregulierungsbehörden am 13. Juni 2007. Am<br />

17. Dezember 2008 gab CESR eine Mitteilung heraus mit einer Einschätzung der Gleichwertigkeit<br />

von Prospekten aus Jurisdiktionen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes.<br />

Die Europäische Expertengruppe für Wertpapiermärkte (ESME) veröffentlichte am 5. September<br />

2007 einen Bericht über die Anwendung der Prospekt-Richtlinie und die gewonnenen Markterfahrungen.<br />

Am 4. Juni 2008 gab die Gruppe zudem ihre „Position zu Artikel 10 der Prospekt-Richtlinie<br />

im Verhältnis zur Transparenz-Richtlinie“ heraus. Am 18. September 2009 folgte ein Bericht zu den<br />

„Unterschieden zwischen den Definitionen des „qualifizierten Investors“ in der Prospekt-Richtlinie<br />

und dem „professionellen Kunden“ sowie der „geeigneten Gegenpartei“ in der MiFID“.<br />

Die Kommission veröffentlichte am 25. August 2008 einen Bericht zu den Auswirkungen des Prospektregimes<br />

in Europa. Konkrete Vorschläge für die Überarbeitung der Prospekt-Richtlinie wurden<br />

von der Kommission vom 9. Januar bis zum 10. März 2009 zur Konsultation vorgelegt.<br />

Am 23. September 2009 veröffentlichte die Kommission ihren Richtlinienvorschlag zur Überarbeitung<br />

der Prospekt-Richtlinie. Am 17. Juni 2010 hat das Europäische Parlament nach erster Lesung<br />

den Vorschlag angenommen. Die formelle Annahme durch den Rat erfolgte am 11. Oktober 2010.<br />

Die Richtlinie wurde am 11. Dezember 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. In<br />

Deutschl<strong>and</strong> wurde die Richtlinie durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und<br />

zur Änderung des Börsengesetzes vom 26. Juni 2012 in nationales Recht umgesetzt.<br />

Die Prospekt-Richtlinie fällt in den Aufgabenbereich der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde<br />

(ESMA). Anpassungen einzelner Vorschriften der Prospekt-Richtlinie an die neuen<br />

Aufsichtsstrukturen erfolgten über die Omnibus I-Richtlinie. Die Prospekt-Richtlinie erfährt voraussichtlich<br />

eine weitere Änderung durch die Omnibus II-Richtlinie, die am 19. Januar 2011 von der<br />

Kommission vorgeschlagen wurde. Die Richtlinie dient – wie bereits die Omnibus I-Richtlinie – der<br />

Anpassung verschiedener existierender europäischer Verordnungen und Richtlinien an die neue<br />

europäische Aufsichtsstruktur. Sie sieht u. a. vor, dass die Final Terms zukünftig auch an die ESMA<br />

übermittelt werden müssen. Der Richtlinienvorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und<br />

im Rat beraten.<br />

Durchführungsmaßnahmen / Prospektverordnung:<br />

Zur Vorbereitung der Überarbeitung der Durchführungsverordnung m<strong>and</strong>atierte die Kommission am<br />

19. Januar 2011 ESMA mit der Ausarbeitung technischen Rats über mögliche delegierte Rechtsakte<br />

bezüglich der durch Richtlinie 2010/73/EU ergänzten Prospekt-Richtlinie. ESMA erteilte technischen<br />

Rat zum Themenkomplex Prospektzusammenfassung und endgültige Bedingungen am<br />

4. Oktober 2011 sowie u. a. zur Retailkaskade am 1. März 2012. Ein abschließender Teil des Ratschlags<br />

steht derzeit noch aus.<br />

Die Kommission nahm daraufhin am 21. Dezember 2011 eine delegierte Verordnung im Hinblick<br />

auf bestimmte Angaben für den Prospekt und auf Werbung an, welche im Amtsblatt der EU am<br />

13. April 2012 veröffentlicht wurde.<br />

Am 30. März 2012 folgte eine weitere delegierte Verordnung in Bezug auf Aufmachung und Inhalt<br />

des Prospekts, des Basisprospekts, der Zusammenfassung und der endgültigen Bedingungen und<br />

in Bezug auf die Angabepflichten, welche am 9. Juni 2012 im Amtsblatt der EU veröffentlicht<br />

wurde.<br />

93<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

94<br />

Am 4. Juni 2012 gab die Kommission auf ihrer Website die delegierte Verordnung in Bezug auf die<br />

Zustimmung zur Verwendung des Prospekts, die Informationen über Basisindizes und die Anforderungen<br />

eines von unabhängigen Buchprüfern oder Abschlussprüfern erstellten Berichts bekannt.<br />

Die Veröffentlichung im Amtsblatt steht in diesem Fall noch aus.<br />

Entscheidungsmechanismus zur Gleichwertigkeit von Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards:<br />

In der Verordnung 1569/2007/EG richtete die Kommission einen Mechanismus zur Entscheidung<br />

über die Gleichwertigkeit von Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards ein. Die Verordnung wurde am<br />

21. Dezember 2007 angenommen. Sie wurde durch die delegierte Verordnung 310/2012/EU vom<br />

21. Dezember 2011 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit<br />

der von Drittstaatemittenten angew<strong>and</strong>ten Rechnungslegungsgrundsätze geändert.<br />

Weitere CESR-/ESMA-Arbeiten:<br />

Um eine einheitliche Umsetzung der Durchführungsverordnung in Europa sicherzustellen veröffentlichte<br />

CESR am 10. Februar 2005 Empfehlungen. Die Empfehlungen wurden zuletzt durch ESMA am<br />

23. März 2011 aktualisiert (ESMA/2011/81)<br />

Schließlich veröffentlichte CESR am 18. Juli 2006 eine FAQ-Liste, mit der einzelne Fragestellungen<br />

der praktischen Anwendung der EU-Prospekt-Richtlinie und der EU-Prospektverordnung einem<br />

europaweiten Verständnis zugeführt werden sollen. Diese Liste wurde seither – inzwischen durch<br />

den CESR-Nachfolger ESMA – regelmäßig auf den neuesten St<strong>and</strong> gebracht (16. Auflage, St<strong>and</strong><br />

23. Juli 2012, ESMA/2012/468).<br />

Im Juni 2007 veröffentlichte CESR einen Bericht zur Aufsichtsfunktion der Prospekt-Richtlinie und<br />

-verordnung (CESR/07-225), der statistische Angaben zur Anzahl der genehmigten und mit EU-Pass<br />

versehenen Prospekte enthält. Der Bericht wurde zuletzt durch ESMA am 28. März 2011 auf den<br />

neuesten St<strong>and</strong> gebracht (ESMA/2011/22).<br />

CESR hat zudem eine Übersicht über die Sprachen, die zur Prüfung des Prospekts, akzeptiert werden<br />

und die Anforderungen an die Übersetzung der Prospektzusammenfassung aufgesetzt, die<br />

zuletzt am 6. Oktober 2010 aktualisiert wurde (CESR/10-1113).<br />

Am 20. Dezember 2010 veröffentlichte CESR Leitlinien zum Übergang vom vereinfachten Prospekt<br />

zum Basisanlegerinformationsblatt (CESR/10-1319).<br />

Am 24. Mai 2012 veröffentlichte ESMA ein Gutachten zu guten Praktiken im Genehmigungsprozess<br />

nach der Prospekt-Richtlinie (ESMA/2012/300).


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Richtlinie:<br />

2003/71/EG (Richtlinie) vom 04.11.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 345/64 vom 31.12.2003<br />

2008/11/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 76/37 vom 19. März 2008<br />

2010/73/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 327/1 vom 11.12.2010<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

KOM (2011) 8 endgültig (Richtlinienvorschlag) vom 19.01.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

Durchführungsmaßnahmen/Prospekt-Verordnung:<br />

809/2004/EG (Durchführungsverordnung) vom 29.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 149/1 vom<br />

30.04.2004<br />

Amtsblatt der EU Nr. L 215/3 vom 16.06.2004 (Berichtigung)<br />

Amtsblatt der EU Nr. L 186/3 vom 18.07.2005 (Berichtigung)<br />

1787/2006/EG (Durchführungsverordnung) vom 04.12.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 337/17 vom<br />

05.12.2006<br />

211/2007/EG (Durchführungsverordnung) vom 27.02.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 61/24 vom<br />

28.02.2007<br />

1289/2008/EG (Verordnung) vom 12.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 340/17 vom 19.12.2008<br />

311/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 21.12.2011, Amtsblatt der EU L 103/13 vom 13.04.2012<br />

486/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 30.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 150/1 vom<br />

09.06.2012<br />

Entscheidungsmechanismus zur Gleichwertigkeit von Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards:<br />

1569/2007/EG (Durchführungsverordnung) vom 21.12.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 340/66 vom<br />

22.12.2007<br />

310/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 21.12.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 103/11 vom<br />

13.04.2012<br />

95<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. Richtlinie über Marktmissbrauch<br />

Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über<br />

Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)<br />

Inhalt<br />

96<br />

Ziel der Richtlinie ist es, die Marktintegrität im Wertpapierbereich zu stärken und zur Harmonisierung<br />

der Vorschriften zur Bekämpfung von Marktmissbrauch in der EU beizutragen. Die Richtlinie<br />

soll ein hohes Maß an Transparenz und die Gleichbeh<strong>and</strong>lung der Marktteilnehmer gewährleisten.<br />

Die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden arbeiten z. B. durch einen stärkeren Informationsaustausch<br />

enger als bisher zusammen.<br />

Die Richtlinie unterscheidet zwei Kategorien von Marktmissbrauch, zum einen die Insider-<br />

Geschäfte und zum <strong>and</strong>eren die Marktmanipulation. Die ursprüngliche Richtlinie betreffend Insider-Geschäfte<br />

(89/592/EWG) wurde durch die Marktmissbrauchsrichtlinie aufgehoben. Mit der<br />

Richtlinie über Marktmissbrauch werden außerdem erstmals einheitliche europäische Vorschriften<br />

zur Bekämpfung der Marktmanipulation erlassen.<br />

In den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen alle Finanzinstrumente, die zum H<strong>and</strong>el auf zumindest<br />

einem geregelten Markt in der Europäischen Union zugelassen sind oder für die ein entsprechender<br />

Zulassungsantrag gestellt ist. Die Richtlinie gilt für alle Geschäfte mit derartigen Instrumenten,<br />

und zwar unabhängig davon, ob sie tatsächlich auf diesem Markt getätigt wurden oder<br />

nicht. Das Verbot des Insiderh<strong>and</strong>els gilt außerdem auch für Finanzinstrumente, die zwar nicht zum<br />

H<strong>and</strong>el auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, deren Wert jedoch von<br />

einem solchen Finanzinstrument abhängt. Darüber hinaus kann Marktmanipulation auch durch<br />

<strong>and</strong>ere Verhaltensweisen als Geschäfte, etwa durch die Verbreitung falscher Informationen, herbeigeführt<br />

werden. Durch den weiten Anwendungsbereich soll möglichst umfassend der Missbrauch<br />

der Märkte verhindert werden. Finanzdienstleistungsunternehmen, Wertpapierfirmen etc. werden<br />

verpflichtet, bei Verdacht eines Marktmissbrauchs die zuständige Aufsichtsbehörde zu informieren.<br />

Die Richtlinie stellt auch einen Rechtsrahmen für die Regulierung von Finanz- und Wertpapieranalyse<br />

(Research) dar, wobei die Bestimmungen durch jene der MiFiD ergänzt werden.<br />

Die Richtlinie über Marktmissbrauch stellte den ersten Anwendungsfall des erweiterten Komitologie-Verfahrens<br />

dar. Technische Durchführungsbestimmungen, welche die Richtlinie ergänzen, wurden<br />

von der Kommission auf Stufe 2 des Gesetzgebungsverfahrens erlassen. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei<br />

um drei Kommissionsrichtlinien und um eine Kommissionsverordnung. Die Richtlinie 2003/124/EG<br />

definiert die Begriffe Insider-Informationen und Marktmanipulation. Des Weiteren enthält sie<br />

Bestimmungen über die Veröffentlichung von Insider-Informationen. Die sachgerechte Darbietung<br />

von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten sind in der Richtlinie<br />

2003/125/EG geregelt. Die Kommissionsverordnung 2273/2003/EG trifft Ausnahmeregelungen für<br />

Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen. Zulässige Marktpraktiken, die Definition<br />

von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, die Erstellung von Insider-Verzeichnissen<br />

sowie die Meldung von Eigengeschäften und die Meldung verdächtiger Transaktionen sind Gegenst<strong>and</strong><br />

der Kommissionsrichtlinie 2004/72/EG.<br />

Die Marktmissbrauchs-Richtlinie wird derzeit überarbeitet (siehe eigenes Kapitel).<br />

Bewertung<br />

Grundsätzlich wurden die Bestimmungen des Rechtsrahmens über Marktmissbrauch begrüßt. Mit<br />

der Richtlinie wurde erstmals ein einheitlicher Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Marktmanipulationen<br />

geschaffen. Die Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden blieb bestehen, deren


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

zwischenstaatliche Kooperation bei der Bekämpfung von Marktmissbrauch wurde intensiviert.<br />

Dies schließt Kompetenzkonflikte (im Cross-Border-Geschäft) nicht aus. Die Ausweitung des Verbots<br />

auf juristische Personen erscheint geeignet, Fehlentwicklungen bei der Missbrauchsbekämpfung<br />

zu begegnen.<br />

Verfahren<br />

Der Vorschlag wurde am 30. Mai 2001 von der Kommission angenommen. Nachdem das Europäische<br />

Parlament am 14. März 2002 in erster Lesung in seinem Bericht Änderungsvorschläge zu dem<br />

Vorschlag der Kommission verabschiedet hat, kam es am 7. Mai 2002 zur politischen Einigung des<br />

Rates. Am 19. Juli 2002 hat der Rat seinen Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt festgelegt. Die zweite<br />

Lesung des Europäischen Parlaments erfolgte am 24. Oktober 2002. Die Richtlinie wurde durch den<br />

Rat und das Europäische Parlament am 28. Januar 2003 angenommen. Mit der Veröffentlichung im<br />

Amtsblatt ist die Richtlinie am 12. April 2003 in Kraft getreten.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurden die Bestimmungen der Richtlinie durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz,<br />

mit dem Änderungen des Wertpapierh<strong>and</strong>elsgesetzes einhergehen, umgesetzt. Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz<br />

ist nach Verkündung im Bundesgesetzblatt am 29. Oktober 2004 am<br />

30. Oktober 2004 in Kraft getreten.<br />

Ein Paket von Durchführungsrechtsakten, das zwei Kommissionsrichtlinien und eine Kommissionsverordnung<br />

enthält, ist am 22. Dezember 2003 von der Kommission verabschiedet worden. Eine<br />

weitere Durchführungsrichtlinie der Kommission wurde am 29. April 2004 verabschiedet (s. o.). Die<br />

Durchführungsrichtlinien wurden in Deutschl<strong>and</strong> durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz<br />

bzw. durch ergänzende Verordnungen umgesetzt.<br />

Im Juli 2006 wurde ein neuer Beschluss über das Komitologie-Verfahren angenommen (Beschluss<br />

2006/512/EG). Dieser führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“,<br />

das insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in die<br />

Marktmissbrauchs-Richtlinie durch Richtlinie 2008/26/EG, angenommen am 11. März 2008, eingeführt.<br />

Die Marktmissbrauchsrichtlinie fällt in den Aufgabenbereich der ESMA. Einzelne Vorschriften<br />

wurden über die Omnibus I-Richtlinie angepasst.<br />

Referenz<br />

IOSCO:<br />

Die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) hatte 2005 ein multilaterales<br />

Memor<strong>and</strong>um of Underst<strong>and</strong>ing über Konsultation, Kooperation und Informationsaustausch<br />

gegen grenzüberschreitenden Marktmissbrauch aufgesetzt. Am 22. Januar 2010 wurde die notwendige<br />

Mitgliederzahl erreicht.<br />

Richtlinie:<br />

2003/6/EG (Richtlinie) vom 28.01.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 96/16 vom 12.04.2003<br />

2008/26/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 81/42 vom 20.03.2008<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

2003/124/EG (Richtlinie) vom 22.12.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 339/70 vom 24.12.2003<br />

2003/125/EG (Richtlinie) vom 22.12.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 339/73 vom 24.12.2003<br />

2273/2003/EG (Verordnung) vom 22.12.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 336/33 vom 23.12.2003<br />

2004/72/EG (Richtlinie) vom 29.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 162/70 vom 30.04.2004<br />

97<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

6. Transparenz-Richtlinie<br />

Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004<br />

zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten,<br />

deren Wertpapiere zum H<strong>and</strong>el auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur<br />

Änderung der Richtlinie 2001/34/EG<br />

Inhalt<br />

98<br />

Die Richtlinie ist Teil des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen und zielt darauf ab, den Anlegerschutz<br />

und die Markteffizienz zu erhöhen sowie den europäischen Markt für Anleger attraktiver zu<br />

machen. Hierzu sollen die Informationspflichten der Emittenten aktualisiert und diese zu einer<br />

umfassenderen und häufigeren Vorlage von Finanzinformationen verpflichtet werden.<br />

Der Richtlinie liegt das „Herkunftsl<strong>and</strong>prinzip“ zugrunde, wonach die Mitgliedstaaten einem Emittenten<br />

aus ihrem Herkunftsmitgliedstaat strengere Offenlegungspflichten als die in der Richtlinie<br />

vorgeschriebenen auferlegen können, hingegen dürfen Emittenten aus einem Aufnahmemitgliedstaat<br />

keine strengeren Offenlegungspflichten auferlegt werden als in der Richtlinie vorgeschrieben.<br />

Für Emittenten mit Sitz in Drittländern dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen, Ausnahmen<br />

von den Vorschriften der Richtlinie gemacht werden.<br />

Mit dieser Richtlinie soll die jährliche Finanzberichterstattung durch Veröffentlichung eines so<br />

genannten Jahresfinanzberichts sowie die periodische Berichterstattung durch einen Halbjahresbericht<br />

und weniger anspruchsvolle vierteljährliche Erklärungen der Geschäftsführung für Aktienemittenten<br />

verbessert werden. Der Begriff „Jahresfinanzbericht“ ist neu für die Rechnungslegung<br />

und Publizität. Er umfasst zukünftig den geprüften Jahresabschluss, den Lagebericht sowie eine<br />

Erklärung der verantwortlichen Personen über die Verlässlichkeit der gegebenen Informationen.<br />

Emittenten sollen diesen Jahresfinanzbericht innerhalb von vier Monaten veröffentlichen. Der<br />

Halbjahresbericht setzt sich zusammen aus einem verkürzten Abschluss im Sinne von IAS 34,<br />

einem Zwischenlagebericht und der oben genannten Erklärung. Der Halbjahresbericht soll nach<br />

spätestens zwei Monaten veröffentlicht werden. Dadurch wird eine halbjährliche Finanzberichterstattung<br />

auch für Emittenten, die ausschließlich Schuldtitel begeben, eingeführt. Allerdings können<br />

spezifische Kreditinstitute von der Veröffentlichung von Halbjahresberichten unter bestimmten<br />

Voraussetzungen (d. h. bei Schuldverschreibungen-Emittenten, die kein Prospekt erstellen müssen)<br />

durch die Mitgliedstaaten befreit werden. Ferner werden Aktienemittenten aufgefordert, weniger<br />

anspruchsvolle „Zwischenmitteilungen“ der Geschäftsführung in der ersten und in der zweiten<br />

Hälfte des Geschäftsjahres zu veröffentlichen. Davon ausgenommen sind Aktienemittenten, die<br />

bereits Quartalsabschlüsse vorlegen.<br />

Außerdem schreibt die Richtlinie wesentliche Bestimmungen über laufende Informationen vor. So<br />

aktualisiert die Richtlinie die EU-Vorschriften zur Mitteilung des Erwerbs oder der Veräußerung<br />

bedeutender Beteiligungen. Sie sieht vor, dass Stimmrechtsquoten bei Erreichen, Übersteigen oder<br />

Unterschreiten von Schwellenwerten von 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % und 75 %,<br />

angezeigt werden müssen. Dies gilt sowohl für Änderungen von Stimmrechtsverhältnissen die auf<br />

Erwerb oder Veräußerungen von Aktien beruhen, als auch für den Erwerb, die Veräußerung oder<br />

die Berechtigung zur Ausübung von Stimmrechten. Weitere Bestimmungen erläutern die Verfahren<br />

für die Mitteilung. Neu eingeführt wurde die Erweiterung der Mitteilungspflicht auf Inhaber von<br />

Finanzinstrumenten, die das Recht verleihen, bereits ausgegebene Stimmrechtsaktien zu erwer-


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

ben. Ausnahmen gibt es für Aktien, die im H<strong>and</strong>elsbest<strong>and</strong> gehalten werden sowie für Über- oder<br />

Unterschreitungen von bestimmten Meldeschwellen für Aktien, die aufgrund einer Market Maker-<br />

Funktion erworben oder veräußert werden und die nicht zur Beeinflussung der Geschäftsleitung<br />

verwendet werden. Zudem sollen Emittenten die Inhaber von Wertpapieren besser informieren,<br />

um ihre Beteiligung an der Hauptversammlung zu erleichtern. Die Richtlinie erläutert auch die<br />

Bestimmungen über den rechtzeitigen Zugang zu vorgeschriebenen Informationen, über die<br />

Sprachregelung sowie über die Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat. Darüber hinaus werden<br />

die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass es ein amtlich bestelltes zentrales<br />

Speichersystem für die zentrale Speicherung der vorgeschriebenen Informationen gibt.<br />

Die Richtlinie konzentriert sich auf wesentliche Grundsätze. Die Annahme von Durchführungsmaßnahmen<br />

beruht auf dem Lamfalussy-Verfahren. Sie ändert ferner die Richtlinie 2001/34/EG über<br />

die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die zu veröffentlichenden<br />

Informationen.<br />

Die Vorschriften, welche sich auf eine Mindeststückelung von 50.000 EUR beziehen, wurden im<br />

Zuge der Überarbeitung der Prospekt-Richtlinie geändert. Die von Transparenzanforderungen<br />

befreiende Mindeststückelung wurde jeweils auf 100.000 EUR angehoben.<br />

Die Zielsetzung der Richtlinie ist prinzipiell zu begrüßen. Durch den Schutz des Anlegers und der<br />

Markteffizienz wird das Vertrauen in die Finanzmärkte verstärkt. Ferner wird eine Harmonisierung<br />

der Transparenzanforderungen dazu beitragen, die europäischen Wertpapiermärkte effizienter zu<br />

gestalten. Ein Übermaß von Informationen steht jedoch im Gegensatz zu dieser Zielsetzung, da<br />

Anleger und die Öffentlichkeit diese nicht mehr verarbeiten können. Ferner stellen übermäßige<br />

Transparenzanforderungen einen wesentlichen Aufw<strong>and</strong> bei den Unternehmen dar.<br />

Die Europäische Kommission hat am 11. Juli 2001 eine erste Konsultation zu den Transparenzanforderungen<br />

von Wertpapieremittenten organisiert. Nach Auswertung dieser Konsultation führte<br />

die Kommission am 8. Mai 2002 eine zweite Konsultation zu diesem Thema durch.<br />

Am 26. März 2003 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung<br />

der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten veröffentlicht.<br />

Dieser Vorschlag wurde im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens dem Europäischen<br />

Parlament und dem Rat übergeben.<br />

Am 25. November 2003 konnte sich der Ministerrat auf einen allgemeinen Ansatz einigen. Nach<br />

intensiven Verh<strong>and</strong>lungen zwischen Rat und Parlament wurde ein Kompromisstext, der den allgemeinen<br />

Ansatz des Rates in hohem Maße übernimmt, erzielt. Gemäß dem Kompromisstext müssen<br />

Aktienemittenten keine Quartalsangaben veröffentlichen, sondern lediglich Zwischenlageberichte,<br />

welche die Finanzlage und die Auswirkungen wesentlicher Ereignisse auf die Finanzlage in Textform<br />

darlegen sollen. Zudem kommen wesentliche Punkte des Kompromisstextes der Kreditwirtschaft<br />

entgegen. So können spezifische Kreditinstitute, die nur Schuldverschreibungen emittieren,<br />

von der Veröffentlichung von Halbjahresberichten unter bestimmten Voraussetzungen durch die<br />

Mitgliedstaaten befreit werden. Bezüglich Aktien im H<strong>and</strong>elsbest<strong>and</strong> können Mitgliedstaaten<br />

99<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

100<br />

vorsehen, dass Kreditinstitute nicht der Meldepflicht unterliegen, wenn die Stimmrechte nicht 5 %<br />

überschreiten und nicht zur Beeinflussung der Geschäftsleitung verwendet werden. Bislang fehlte<br />

im Kommissionsvorschlag eine derartige Ausnahmeregelung für den H<strong>and</strong>elsbest<strong>and</strong> entsprechend<br />

§ 23 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.<br />

Dieser Kompromisstext wurde am 30. März 2004 vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat<br />

am 10. Mai 2004 gebilligt. Wegen Übersetzungsschwierigkeiten wurde die Richtlinie im EU Amtsblatt<br />

erst im Dezember 2004 veröffentlicht. Die Richtlinie musste von den Mitgliedstaaten bis zum<br />

20. Januar 2007 umgesetzt werden. In Deutschl<strong>and</strong> erfolgte die Umsetzung durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz<br />

(TUG), welches fristgerecht am 20. Januar 2007 in Kraft getreten ist.<br />

Im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens hat die Kommission CESR beauftragt, Empfehlungen für<br />

technische Durchführungsmaßnahmen auf Stufe 2 der Transparenzrichtlinie zu erarbeiten. Nach<br />

einem Konsultationsverfahren zum ersten von der EU-Kommission erteilten M<strong>and</strong>at hat CESR<br />

seine Empfehlungen am 30. Juni 2005 vorgelegt. Im November 2005 hat die EU-Kommission ein<br />

Arbeitspapier mit wesentlichen Bestimmungen für eine Richtlinie zur Diskussion gestellt und im<br />

April 2006 dem Europäischen Wertpapierausschuss (European Securities Committee, ESC) einen<br />

Richtlinienentwurf übermittelt. Diese Durchführungsrichtlinie enthält Vorschriften hinsichtlich u. a.<br />

der Wahl des Herkunftsmitgliedstaats, des Mindestinhalts des nicht konsolidierten verkürzten<br />

Abschlusses, der Anmeldung bedeutender Beteiligungen bzw. Stimmrechte, der Veröffentlichung<br />

wesentlicher Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen und Mitteilungspflichten<br />

beim Halten von Finanzinstrumenten. Die Richtlinie 2007/14/EG wurde formell am 8. März 2007<br />

von der EU-Kommission beschlossen.<br />

Im Juli 2005 hat die EU-Kommission CESR ein weiteres M<strong>and</strong>at für die Durchführung eines Konsultationsverfahrens<br />

zur Speicherung und Bekanntgabe von Informationen erteilt. CESR hat im Juni<br />

2006 seine Empfehlungen hierzu der Kommission übermittelt. Diese CESR-Empfehlung bezieht sich<br />

auf die notwendigen Merkmale der nationalen Speichersysteme sowie auf die Gestaltung eines<br />

EU-weiten Netzwerks der nationalen Speichersysteme – wobei CESR wie die meisten Industrievertretern<br />

ein klares und effizientes Modell (sog. Modell C) befürworten. Im März 2007 hat die<br />

Kommission ein erstes Arbeitspapier diesbezüglich erarbeitet und zur Konsultation gestellt. Am<br />

11. Oktober 2007 wurde daraufhin eine Empfehlung der Kommission angenommen, in der Mitgliedstaaten<br />

aufgefordert werden, ein elektronisches Netz zu schaffen, das die nationalen Register<br />

zur Speicherung von Finanzdaten börsennotierter Gesellschaften mitein<strong>and</strong>er verbindet. Die<br />

Umsetzung dieser Empfehlung soll den Zugang der Anleger zu historischen Informationen über<br />

Ergebnis und Finanzlage von Unternehmen sowie über Änderungen bei größeren Beteiligungen<br />

erleichtern. Darüber hinaus wird CESR ersucht, bis September 2010 über die künftige Entwicklung<br />

dieses europaweiten Netzes nachzudenken. Langfristiges Ziel würde es sein, für die Anleger (und<br />

<strong>and</strong>ere interessierte Kreise) eine einzige Anlaufstelle für die vorgeschriebenen Finanzdaten börsennotierter<br />

Gesellschaften zu schaffen.<br />

Zudem hat die EU-Kommission am 4. Dezember 2006 eine Entscheidung über eine Verlängerung<br />

um weitere zwei Jahre der Übergangszeit, während der ausländische Gesellschaften, die Wertpapiere<br />

an EU-Börsen ausgeben, nach nationalen Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards erstellte Bilanzen<br />

vorlegen dürfen, angenommen. Eine Entscheidung über die Gleichwertigkeit von Drittstaat-GAAP<br />

und IFRS wurde am 12. Dezember 2008 angenommen. Am 13. Juli 2007 veröffentlichte CESR eine<br />

Sondierung über seine zukünftigen Tätigkeiten auf Stufe 3, um eine konsistente Anwendung der<br />

Richtlinie zu fördern. Am 21. Februar 2008 wurde dazu ein Feedback Statement von CESR veröffentlicht.<br />

Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse hat CESR seine Tätigkeiten auf Stufe 3 angefangen,<br />

u. a. die Ausarbeitung einer Übersicht zum St<strong>and</strong> der nationalen Umsetzungen der Richtli-


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

nie und der Austausch von Informationen zur Harmonisierung der Praktiken wirtschaftlicher und<br />

regulatorischer Akteure.<br />

Im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse haben sich die EU-<br />

Institutionen auf einen neuen Beschluss über das Komitologieverfahren einigen können. Dieser<br />

Beschluss führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“, das<br />

insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in die Transparenz-Richtlinie<br />

durch Richtlinie 2008/22/EG, angenommen am 11. März 2008, eingeführt.<br />

Am 25. Juni 2008 hat die Kommission eine Studie zur Umsetzung ausgewählter Verpflichtungen<br />

der Richtlinie ausgeschrieben. Die Ausschreibung lief bis 12. August 2008. Die Studie sollte untersuchen,<br />

wie Interessenvertreter die Verpflichtungen der Richtlinie sehen, und diese Verpflichtungen<br />

mit ähnlichen Verpflichtungen zur Offenlegung, Verbreitung und Speicherung vorgeschriebener<br />

Informationen in wichtigen Drittländern vergleichen. Schließlich sollte die Studie analytische<br />

Schlussfolgerungen ziehen, die in erster Linie die Wirksamkeit der Vorschriften in den oben<br />

genannten ausgewählten Bereichen betreffen. Die Ergebnisse der Studie, die nach ihrem Autor<br />

Demarigny-Bericht genannt wurde, wurden im Dezember 2009 in Form einer Zusammenfassung,<br />

eines Abschlussberichts und Anhängen veröffentlicht.<br />

Am 10. Dezember 2008 hat die Kommission einen Arbeitsbericht über striktere nationale Maßnahmen<br />

als die, die in der Richtlinie vorgegebenen sind, veröffentlicht, der die verschiedenen nationalen<br />

Maßnahmen darstellt und ihre Auswirkungen auf den Binnenmarkt analysiert.<br />

Am 27. Mai 2010 veröffentlichte die Kommission einen Bericht und das dazugehörige Arbeitsdokument<br />

über die Anwendung der Transparenzrichtlinie. Der Bericht kommt u. a. zu dem Schluss, dass<br />

es zur Erhöhung von Sichtbarkeit und Attraktivität kleinerer börsennotierter Gesellschaften wünschenswert<br />

wäre, den Zugang potenzieller Anleger und Informationsmittler zu Finanzinformationen<br />

auf gesamteuropäischer Ebene weiter zu vereinfachen. Ferner solle eine größere Konvergenz in<br />

Bezug auf die Offenlegungsvorschriften von bedeutenden Beteiligungen an Stimmrechten und auf<br />

Finanzinstrumente, die Stimmrechte gewähren, geschaffen werden. Die Erkenntnisse des Berichts<br />

waren Gegenst<strong>and</strong> einer Konferenz, die die Kommission am 11. Juni 2010 in Brüssel abgehalten<br />

hat. Vom 28. Mai 2010 bis zum 23. August 2010 konsultierte die Kommission zudem öffentlich zum<br />

Thema.<br />

Die Transparenz-Richtlinie fällt in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde<br />

(ESMA). Einzelne Vorschriften wurden über die Omnibus I-Richtlinie angepasst. Die Transparenz-Richtlinie<br />

erfuhr zudem Änderungen im Zuge der Überarbeitung der Prospekt-Richtlinie.<br />

Die Transparenz-Richtlinie wird derzeit überarbeitet (siehe eigenes Kapitel).<br />

Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte:<br />

Die Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (ESME) hat verschiedene Berichte und Stellungnahmen<br />

erstellt:<br />

■ am 5. Dezember 2007 einen Bericht über die Transparenz-Richtlinie;<br />

■ am 5. März 2008 einen Bericht über die für die Veröffentlichung vorgeschriebener Informationen<br />

durch Emittenten zuständige Behörde sowie einen weiteren zu Finanzinstrumenten und<br />

dem Einfluss der Definitionen im Umfeld der Richtlinien des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen<br />

(FSAP);<br />

101<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

102<br />

■ am 4. Juni 2008 eine Stellungnahme zu Artikel 10 der Prospekt-Richtlinie in Beziehung zur<br />

Transparenz-Richtlinie;<br />

■ am 17. November 2008 und am 16. November 2009 vorläufige Stellungnahmen zu der Definition<br />

des „abgestimmten Verhaltens“, zwischen Transparenz-Richtlinie und Übernahme-Richtlinie;<br />

■ am 18. Juni 2009 eine Stellungnahme zu der Disaggregation von bedeutenden Unternehmensbeteiligungen;<br />

■ am 16. November 2009 Stellungnahmen zum Thema der Transparenz von Beteiligungen an<br />

Derivaten mit Barausgleich.<br />

CESR-/ESMA-Arbeiten:<br />

Am 19. Mai 2009 hat CESR eine Zusammenstellung von Fragen und Antworten zur Umsetzung der<br />

Transparenz-Richtlinie herausgegeben, um zur EU-weit einheitlichen Umsetzung der Richtlinie<br />

beizutragen. Die Übersicht wird regelmäßig aktualisiert, zuletzt durch ESMA am 2. April 2012<br />

(ESMA/2012/198). Am 1. Juli 2009 veröffentlichte CESR einen Bericht zur Kohärenz, Äquivalenz<br />

und Unterschiedlichkeit von Aufsichtsbefugnissen und Sanktionsregimen in Europa.<br />

Aufgrund der Empfehlung der Kommission vom 11. Oktober 2007 (siehe oben) bat CESR vom<br />

27. Oktober bis zum 30. November 2009 Marktteilnehmer um Daten und Fakten hinsichtlich der<br />

Nutzung eines st<strong>and</strong>ardisierten Berichtsformats für die Finanzberichterstattung von Emittenten,<br />

deren Wertpapiere an regulierten Märkten zum H<strong>and</strong>el zugelassen sind.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Konsolidierte Fassung der Richtlinie:<br />

2004/109/EG (Richtlinie) vom 15.12.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 390/38 vom 31.12.2004<br />

2008/22/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 76/50 vom 19.03.2008<br />

2010/73/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 327/1 vom 11.12.2010<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

2007/14/EG (Richtlinie) vom 08.03.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 69/27 vom 09.03.2007<br />

1569/2007/EG (Verordnung) vom 21.12. 2007, Amtsblatt der EU Nr L 340/66 vom 22.12.2007<br />

Sonstiges:<br />

2006/891/EG (Entscheidung) vom 04.12.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 343/96 vom 08.12.2006<br />

2007/657/EG (Empfehlung) vom 11.10.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 267/16 vom 12.10.2007<br />

2008/961/EG (Entscheidung) vom 12.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 340/112 vom 19.12.2008<br />

103<br />

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B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

7. Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)<br />

Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über<br />

Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des<br />

Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur<br />

Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates<br />

Inhalt<br />

104<br />

Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in <strong>Financial</strong> Instruments Directive –<br />

MiFID) ist der gemeinschaftliche Rechtsrahmen für Wertpapierdienstleitungen und H<strong>and</strong>elssysteme.<br />

Die MiFID zählt zu den „Grundpfeilern“ des europäischen Kapitalmarktrechts. Sie löste die<br />

Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (ISD) aus dem Jahre 1993 (93/22/EWG) ab. Die EU-Gesetzgebungsorgane<br />

strebten eine Überarbeitung an, da die ISD sich in der Praxis als unzureichend erwiesen<br />

hatte, eine EU-weite Tätigkeit von Emittenten und Kreditinstituten auf der Grundlage der<br />

Zulassung im Herkunftsl<strong>and</strong> zu gewährleisten. Mit der neuen Richtlinie soll den tiefgreifenden<br />

Veränderungen des Kapitalmarkts und der Aufsichtsstrukturen Rechnung getragen werden, die<br />

sich aus der Weiterentwicklung und Diversifizierung von Kapitalanlageinstrumenten, der H<strong>and</strong>elssysteme<br />

und der gestiegenen Anforderungen an den Anlegerschutz in den letzten Jahren ergeben<br />

haben. Für alle Marktteilnehmer soll ein hohes Maß an Transparenz, Effizienz und Liquidität der<br />

europäischen Kapitalmärkte auf der Grundlage eines „Europäischen Passes” für Wertpapierdienstleistungen<br />

geschaffen werden.<br />

Gemäß der Richtlinie müssen Wertpapierfirmen grundsätzlich „ehrlich, redlich und professionell<br />

im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden“ h<strong>and</strong>eln. Dazu gehört eine Aufklärung des Kunden, die<br />

seinem Kenntnisst<strong>and</strong> entspricht. Bei Aktien, die an einem geregelten Markt zum H<strong>and</strong>el zugelassen<br />

sind, und bei <strong>and</strong>eren nicht komplexen Finanzinstrumenten können „Execution-only-Geschäfte“<br />

auch ohne die Einholung der sonst notwendigen Kundenangaben durchgeführt werden.<br />

Die bestmögliche Orderausführung („best execution“) definiert sich unter Berücksichtigung von<br />

Preis, Kosten, Schnelligkeit, Ausführungswahrscheinlichkeit, Auftragsvolumen, Art der Order und<br />

aller sonstigen für die Ausführung relevanten Aspekte. Liegt eine Weisung des Kunden vor, so ist<br />

die Order entsprechend auszuführen. Wertpapierfirmen sind nunmehr verpflichtet, alle angemessenen<br />

Maßnahmen zu ergreifen, um grundsätzlich die bestmögliche Ausführung für ihre Kunden zu<br />

erreichen.<br />

Die Richtlinie erlaubt u. a. EU-weit die so genannte „systematische Internalisierung”, d. h. die<br />

Möglichkeit, Kundenorders systematisch gegen den eigenen Best<strong>and</strong> auszuführen, ohne über<br />

einen geregelten Markt zu gehen. Die systematische Internalisierung ist mit weit reichenden Vorh<strong>and</strong>elstransparenzvorschriften<br />

verbunden; insbesondere muss ein systematischer Internalisierer<br />

grundsätzlich auch zu den von ihm veröffentlichten, verbindlich angegebenen Quotes abschließen.<br />

Für Orders, die über einer „st<strong>and</strong>ardmäßigen Marktgröße“ liegen, gelten die Vorschriften allerdings<br />

nicht. Neu ist auch die Pflicht zur Nachh<strong>and</strong>elstransparenz für Wertpapierfirmen bei allen<br />

außerbörslichen Geschäften in Aktien, die zum H<strong>and</strong>el an einem geregelten Markt zugelassen<br />

sind.<br />

Die Richtlinie musste bis zum 31. Januar 2007 in nationales Recht umgesetzt werden. Die neuen<br />

MiFID-Bestimmungen waren ab 1. November 2007 anwendbar. Konkretisiert wurde die MiFID<br />

durch eine Durchführungs-Verordnung und eine Durchführungs-Richtlinie.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Die Vorgaben der Richtlinie sind detaillierter als die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und<br />

führten zusammen mit den Vorgaben der Durchführungsmaßnahmen zu nicht unwesentlichem<br />

Anpassungsbedarf im deutschen Recht. Im Verlauf der Verh<strong>and</strong>lungen konnten in vielen Fällen<br />

Anpassungen erreicht werden, die für eine H<strong>and</strong>habung in der Praxis notwendig sind.<br />

So wurde insbesondere erreicht, dass die ursprünglich vorgesehene Pflicht zur telefonischen Aufzeichnung<br />

aller Kundenorder gestrichen wurde.<br />

Bereits die Richtlinie sieht eine ausführliche Regelung zur bestmöglichen Orderausführung im<br />

Kundeninteresse vor. Der Anwendungsbereich dieser Regelung erfasst alle Produkte und alle H<strong>and</strong>elsformen<br />

(börslich, außerbörslich, börsenähnliche Einrichtungen etc.). Besonders wichtig war bei<br />

der Ausarbeitung der Durchführungsmaßnahmen aus Sicht der deutschen Kreditwirtschaft in diesem<br />

Zusammenhang eine ordnungsgemäße Erbringung der Wertpapierdienstleistung unter der<br />

Prämisse, dass die Best-execution-Anforderungen aufsichtsrechtlich nicht an jede Einzeltransaktion<br />

gestellt werden. Begrüßt wird daher, dass diesbezüglich lediglich die Pflicht aufgestellt<br />

wurde, organisatorische Maßnahmen zu treffen, die zu gleichbleibend bestmöglichen Ergebnissen<br />

führen.<br />

Was das in Deutschl<strong>and</strong> bewährte Execution-only-Geschäft angeht, wird die dort übliche Form<br />

dieses Geschäfts grundsätzlich im Rahmen einer st<strong>and</strong>ardisierten Einschätzung der Kenntnisse<br />

und Erfahrungen des Kunden weiterhin möglich sein. Der endgültige Text der Richtlinie weicht<br />

damit vom Ansatz der Kommission ab, die von einem im Wesentlichen unerfahrenen Anleger ausging.<br />

Die Kommission legte ihren Vorschlag für eine Überarbeitung der Wertpapierdienstleistungs-<br />

Richtlinie (93/22/EWG) am 19. November 2002 nach zwei öffentlichen Konsultationen in den Jahren<br />

2001 und 2002 vor. Grundlage hierfür waren ihre Mitteilungen zur Aktualisierung der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie<br />

und zur Anwendung der Wohlverhaltensregeln gemäß Artikel 11 der<br />

Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie vom 16. November 2000.<br />

Am 25. März 2003 begannen die Beratungen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen<br />

Parlaments im Rahmen der ersten Lesung des Vorschlags. Das Plenum des Europäischen<br />

Parlaments führte die erste Lesung am 25. September 2003 durch. Mit seinem Gemeinsamen<br />

St<strong>and</strong>punkt vom 8. Oktober 2003 widersprach der Ministerrat dem Votum des Parlaments aus der<br />

ersten Lesung in zentralen Punkten. Während der zweiten parlamentarischen Lesung erreichten<br />

Rat und Parlament im März 2004 einen Kompromiss und ermöglichten so eine zeitgerechte Verabschiedung<br />

der Richtlinie. Die Richtlinie wurde am 30. April 2004 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Am 16. Februar 2005 wurde eine Berichtigung des Richtlinientextes im Amtsblatt der EU veröffentlicht,<br />

die im Wesentlichen redaktioneller Natur ist.<br />

Am 14. Juni 2005 legte die Kommission den Vorschlag einer Änderungsrichtlinie vor, welche die<br />

ursprünglich vorgesehene Umsetzungsfrist vom 30. April 2006 verlängern sollte, um eine gleichzeitige<br />

Umsetzung der MiFID zusammen mit den entsprechenden Durchführungsmaßnahmen zu<br />

gewährleisten. Nach einem ersten Entwurf, der eine Verlängerung bis zum 30. Oktober 2006 vorsah,<br />

einigte man sich schließlich auf eine Verlängerung der Umsetzungsfrist bis zum 31. Januar<br />

105<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

106<br />

2007. Am 13. Dezember 2005 stimmte das Europäische Parlament der Änderung zu, gefolgt durch<br />

den Rat am 10. März 2006. Die Richtlinie vom 5. April 2006 wurde am 27. April 2006 im Amtsblatt<br />

der Europäischen Union veröffentlicht.<br />

Ende Januar und Ende April 2005 legte CESR seine Empfehlungen für die technischen Durchführungsbestimmungen<br />

der Richtlinie vor. Auf dieser Grundlage publizierte die Kommission am 6. Februar<br />

2006 die Entwürfe für eine Durchführungs-Richtlinie und eine Durchführungs-Verordnung. Die<br />

Durchführungsverordnung (VO 1287/2006) wurde am 10. August 2006 angenommen, ebenso wie<br />

die Durchführungsrichtlinie (RL 2006/73/EG).<br />

Die Bestimmungen der MiFID sowie der Durchführungsbestimmungen waren ab 1. November 2007<br />

von allen Wertpapierfirmen anzuwenden.<br />

Umsetzung in deutsches Recht<br />

Die Umsetzung der MiFID Bestimmungen sowie deren Durchführungs-Richtlinie in deutsches<br />

Recht erfolgte durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), das insbesondere eine<br />

Überarbeitung des Wertpapierh<strong>and</strong>elsgesetztes (WpHG) sowie eine Neufassung des Börsengesetzes<br />

(BörsG) beinhaltet. Das FRUG wurde am 19. Juli 2007 veröffentlicht. Darüber hinaus wurden<br />

am 23. Juli 2007 die das FRUG begleitenden Verordnungen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht:<br />

die Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) und Änderungen<br />

der bereits bestehenden Finanzanalyseverordnung (FinAnV), der Wertpapierh<strong>and</strong>el-Meldeverordnung<br />

(WpHMV) sowie der Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (WpDPV).<br />

Änderungen der MiFID<br />

Eine Änderung der MiFID ergibt sich durch die Beteiligungs-Richtlinie (2007/44/EG) die insbesondere<br />

Art. 10 der MiFID ändert.<br />

Im Juli 2006 wurde ein neuer Beschluss über das Komitologieverfahren angenommen (2006/512/<br />

EG). Dieser führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“, das<br />

insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in die MiFID<br />

durch Richtlinie 2008/10/EG, angenommen am 11. März 2008, eingeführt.<br />

Die MiFID fällt in den Aufgabenbereich der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA).<br />

Dadurch notwendige Anpassungen der MiFID erfolgten über die Omnibus I-Richtlinie.<br />

Berichte nach Art 65 MiFID<br />

Art. 65 MiFID sieht verschiedene Berichte vor, die die Überprüfung der Notwendigkeit einer Änderung<br />

bestimmter Bestimmungen der MiFID im Laufe der Zeit zum Gegenst<strong>and</strong> haben.<br />

Der erste Bericht wurde von der Kommission am 12. April 2007 hinsichtlich der Zweckmäßigkeit<br />

der Beibehaltung der den Vermittlern durch das Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung<br />

vorgelegt.<br />

Ein weiterer Bericht, betreffend die Frage ob die MiFID Vor- und Nachh<strong>and</strong>elstransparenzvorschriften<br />

auf <strong>and</strong>ere Gattungen von Finanzinstrumenten als Aktien ausgedehnt werden sollten, wurde<br />

am 3. April 2008 veröffentlicht. Zu diesem Thema wurde der Kommission von CESR am 9. August<br />

2007 eine Empfehlung vorgelegt. Aufgrund der Finanzmarktkrise wurde dieses Thema jedoch<br />

erneut untersucht. Am 10. Juli 2009 veröffentlichte CESR die neuen Ergebnisse, und kommt nun<br />

zum Schluss, dass die Transparenzbestimmungen ausgedehnt werden sollen.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Weitere Berichte sollen sich mit der Einbeziehung von Wertpapierdienstleistungen im Verhältnis<br />

zu Rohstoffderivaten und exotischen Derivaten in den Anwendungsbereich der MiFID sowie der<br />

Konsolidierung von Informationen beschäftigen. Von der Europäischen Expertengruppe für Wertpapiermärkte<br />

(ESME) wurde der Kommission am 8. Juli 2008 ein Bericht über Warenderivate und<br />

ähnliche Geschäfte vorgelegt. Am 15. Oktober 2008 wurden gemeinsame Empfehlungen von CESR<br />

und CEBS zu Warenderivaten veröffentlicht.<br />

CESR- und ESMA-Arbeiten<br />

Der Ausschuss der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) hat im Hinblick auf eine<br />

möglichst einheitliche Umsetzung der MiFID in den EU-Mitgliedstaaten, nach Konsultation der<br />

Kreditwirtschaft, verschiedene Leitlinien publiziert:<br />

■ Leitlinien und Empfehlungen zur Publikation und Konsolidierung von Marktdaten (9. Februar<br />

2007);<br />

■ Empfehlungen zum Verzeichnis der Mindestaufzeichnungen gem. Artikel 51(3) der MiFID<br />

Durchführungsrichtlinie (9. Februar 2007);<br />

■ Leitlinien zu Transaktionsberichten (29. Mai 2007);<br />

■ Empfehlungen zu Anreizen (29. Mai 2007);<br />

■ Empfehlungen zum Passregime der MiFID (29. Mai 2007);<br />

■ Fragen und Antworten zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen (29. Mai 2007).<br />

Am 10. Juni 2009 veröffentlichte CESR einen Abschlussbericht zu Leitlinien zu Transaktionsberichten<br />

und den Auswirkungen der MiFID auf die Sekundärmärkte.<br />

Am 10. Juli 2009 gab CESR Empfehlungen zur Transparenz auf <strong>and</strong>eren Märkten als Aktienmärkten<br />

heraus.<br />

Am 29. Januar 2010 veröffentlichte CESR eine Entscheidung zu technischen St<strong>and</strong>ards, die der<br />

Identifizierung und Klassifizierung von OTC-Derivaten für den „Transaction Reporting“-Austauschmechanismus<br />

(TREM) dienen sollen. .<br />

Am 3. Juli 2007 veröffentlichte CESR daneben eine „Markttransparenzdatenbank“. Diese enthält<br />

u. a. eine Liste der „liquiden Aktien“ gemäß MiFID sowie einen Überblick über alle in der EU zum<br />

geregelten Markt zugelassenen Aktien.<br />

Seit 20. Mai 2009 unterhält CESR ebenfalls eine Übersicht über Sachverhalte, in denen auf Vorh<strong>and</strong>elstransparenz<br />

verzichtet wird. Die Übersicht wird regelmäßig aktualisiert.<br />

Am 24. Februar 2012 veröffentlichte die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) Leitlinien<br />

zu Systemen und Kontrollen für H<strong>and</strong>elsplattformen, Wertpapierfirmen und zuständige Behörden<br />

in einem automatisierten H<strong>and</strong>elsumfeld.<br />

Sonstige Veröffentlichungen<br />

Im Februar 2007 lancierte die Kommission eine Web-Seite, auf der Fragen zur Umsetzung der<br />

MiFID beantwortet werden (http://ec.europa.eu/internal_market/securities/isd/questions/ index_<br />

de.htm). Auch von CESR wurde im April 2008 ein Fragen- und Antworten-Mechanismus eingerichtet.<br />

107<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

108<br />

Eine Übersicht über geregelte Märkte gem. Art 47 MiFID wurde am 4. November 2008 im Amtsblatt<br />

der EU veröffentlicht (C 280/5), eine Berichtigung folgte am 8. November 2008 (C 284/18),<br />

eine Aktualisierung am 11. Juli 2009 (2009/C 158/03) und am 21. Dezember 2010 (2010/C 348/09).<br />

Ebenfalls am 4. November 2008 gab die Kommission die Ergebnisse einer Sondierung zur Qualität<br />

der Umsetzung der MiFID heraus.<br />

Am 13. November 2008 organisierte die Kommission eine Konferenz zum Thema „MiFID ein Jahr in<br />

Kraft“. Eine Zusammenfassung der Konferenzbeiträge wurde am 1. Dezember 2008 herausgegeben.<br />

Die Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (ESME) erstellte für die Kommission verschiedene<br />

Berichte mit Bezug zur MiFID:<br />

■ am 11. Juli 2007 zur Transparenz an den Märkten für Schuldverschreibungen und weiteren<br />

Märkten für <strong>and</strong>ere Wertpapiergattungen als Aktien sowie zur MiFID im Allgemeinen;<br />

■ am 5. Dezember 2007 über die Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen<br />

Notierung an einer Wertpapierbörse;<br />

■ am 5. März 2008 zu Finanzinstrumenten, Einfluss der Definitionen im Umfeld der Richtlinien<br />

des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen;<br />

■ am 18. September 2008 zu den Unterschieden zwischen den Begriffsbestimmungen des „qualifizierten<br />

Anlegers“ in der Prospekt-Richtlinie und des „professionellen Kunden“ sowie der<br />

„geeigneten Gegenpartei“ in der MiFID;<br />

■ am 19. März 2009 zu der Verfügbarkeit von Nachh<strong>and</strong>elsdaten für Aktiengeschäfte;<br />

■ am 27. Juli 2009 zu ausgewählten Gesichtspunkten der Vorh<strong>and</strong>elstransparenz in Bezug auf<br />

Aktien.<br />

Die MiFID wird derzeit überarbeitet.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Konsolidierte Fassung der Richtlinie:<br />

2004/39/EG (Richtlinie) vom 21.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 145/1 vom 30.04.2004<br />

Berichtigung, Amtsblatt der EU Nr. L 45/18 vom 16.2.2005<br />

2006/31/EG (Richtlinie) vom 05.04.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 114/60 vom 27.04.2006<br />

2007/44/EG (Richtlinie) vom 5.09.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 247/1 vom 21.09.2007<br />

2008/10/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 76/33 vom 19.03.2008<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

2006/73/EG (Richtlinie) vom 10.08.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 241/26 vom 02.09.2006<br />

1287/2006/EG (Verordnung) vom 10.08.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 241/1 vom 02.09.2006<br />

Sonstiges:<br />

2008/C 280/03 (Übersicht), Amtsblatt der EU Nr. C 280/5 vom 04.11.2008<br />

2008/C 284/09 (Berichtigung), Amtsblatt der EU Nr. C 284/18 vom 08.11.2008<br />

2009/C 158/03 (Übersicht), Amtsblatt der EU Nr. C 158/3 vom 11.07.2009<br />

2010/C 348/09 (Übersicht), Amtsblatt der EU Nr. C 348/9 vom 21.12.2010<br />

109<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

8. Verordnung über Ratingagenturen<br />

Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September<br />

2009 über Ratingagenturen<br />

Inhalt<br />

110<br />

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise wurde im Juli 2009 eine Verordnung über Ratingagenturen<br />

verabschiedet. Neben der freiwilligen internationalen Selbstverpflichtungserklärung, dem Verhaltenskodex<br />

der International Organization of Securities Commissions (IOSCO), gelten nunmehr verbindliche<br />

Regeln für in der EU tätige Ratingagenturen.<br />

Ratingagenturen werden verpflichtet sich in der EU zu registrieren und eine Reihe von Bestimmungen<br />

zu befolgen. Die regulatorischen Vorgaben sollen Qualitäts- und Transparenzmängel sowie<br />

Interessenkonflikte vermeiden.<br />

Nur Ratings von registrierten Ratingagenturen können europaweit für regulatorische Zwecke verwendet<br />

werden. Die EU-Lizenz muss bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde<br />

(ESMA) beantragt werden. Die Registrierungspflicht besteht auch für External Credit Assessment<br />

Institutions (ECAI) nach den CRD-Bestimmungen. Um den Informationsaustausch zwischen den<br />

Wertpapierregulierungsbehörden zu erleichtern wurde ein Aufsichtskollegium eingerichtet, in dem<br />

die Aufsichtsbehörden aller Mitgliedstaaten vertreten sind.<br />

Ratingagenturen müssen ihre Modelle, Methoden und grundlegenden Annahmen veröffentlichen,<br />

auf die sich ihre Ratings stützen. Zudem müssen sie nachweisen, dass die Bewertungen auf Grundlage<br />

aller verfügbaren Informationen und aus verlässlichen Quellen vorgenommen wurden.<br />

Zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Agenturen müssen (interne) Rotationsmechanismen<br />

für Analysten mit einer maximalen Verweildauer von sieben Jahren eingerichtet werden. Neben<br />

der Ausarbeitung von Ratings sollen keine Beratungstätigkeiten mehr ausgeübt werden dürfen.<br />

Ratingkategorien für strukturierte Produkte müssen künftig mit einem zusätzlichen Symbol gekennzeichnet<br />

werden, um auf die Eigenheiten dieser Produkte hinzuweisen. Unbeauftragte Ratings<br />

müssen klar gekennzeichnet werden.<br />

Um die Transparenz zu verbessern, müssen Ratingagenturen jährlich einen Transparenzbericht<br />

veröffentlichen. Außerdem müssen sie ESMA st<strong>and</strong>ardisierte historische Performanceanalysen<br />

über ihre Ratings übermitteln. ESMA wird diese Daten in einem zentralen Datenpool speichern,<br />

auswerten, und der Öffentlichkeit in komprimierter Form zur Verfügung stellen.<br />

Abgesehen von der Verordnung über Ratingagenturen gilt auf internationaler Ebene weiter der<br />

freiwillige IOSCO-Verhaltenskodex für Ratingagenturen. Der Kodex enthält Regelungen zur Qualität<br />

und Integrität des Ratingprozesses, zur Unabhängigkeit von Ratingagenturen, zum Umgang mit<br />

möglichen Interessenkonflikten, zur Transparenz von Ratingentscheidungen und ihrer zeitnahen<br />

Veröffentlichung sowie zur Vertraulichkeit der zur Verfügung gestellten Informationen.<br />

Die Verordnung wurde bereits 2010 überarbeitet und an die neuen europäischen Aufsichtsstrukturen<br />

angepasst.<br />

Mit der Änderungsverordnung wurde eine zentralisierte Beaufsichtigung der Ratingagenturen auf<br />

europäischer Ebene eingeführt. ESMA erhielt exklusive Befugnisse zur Beaufsichtigung der in der


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

EU registrierten Ratingagenturen (oder den Filialen außerhalb der EU ansässiger Ratingagenturen).<br />

Sie hat das Recht, Informationen anzufordern, Ermittlungen einzuleiten und Untersuchungen an Ort<br />

und Stelle vorzunehmen.<br />

Ratings von in Drittländern ansässigen Agenturen werden nur dann zur Verwendung auf dem EU-<br />

Markt zugelassen, wenn die gesetzlichen und aufsichtlichen Anforderungen in dem Drittl<strong>and</strong> mit<br />

denen in der EU vergleichbar sind. Die entsprechende Äquivalenzentscheidung wird durch ESMA<br />

vorbereitet und die Kommission getroffen.<br />

Die Regulierung für Ratingagenturen wurde grundsätzlich begrüßt. Besonders positiv werden die<br />

weitgehenden Transparenzvorschriften beurteilt. Kritisiert wurde aber etwa die Einführung einer<br />

Rotationsperiode für Ratinganalysten, da befürchtet wird, dass damit wertvolles Know-how verloren<br />

geht. Aufgrund der globalen Natur der Finanzmärkte müssen die Regulierung der Agenturen<br />

und deren Ratings jedoch weltweit vergleichbar sein. Die gesetzlichen Anforderungen an die<br />

Agenturen an den verschiedenen Finanzplätzen sollten daher so gestaltet werden, dass kein Zweifel<br />

an der Vergleichbarkeit von Ratings entsteht.<br />

Weiterer Klärungs- und Verbesserungsbedarf besteht beim Zusammenwirken der für die Beaufsichtigung<br />

der Ratingagenturen zuständigen Behörden unter Leitung von CESR und der für die<br />

ECAI-Registrierung und -Überwachung verantwortlichen Bankenaufsichtsbehörden.<br />

Die zentralisierte und strengere Beaufsichtigung der Agenturen ist im Hinblick auf deren Rolle<br />

während der Finanzkrise und den Zusammenbruch des Verbriefungsmarktes zu begrüßen. Das Ziel,<br />

den Wettbewerb unter den Ratingagenturen zu erhöhen und gleichzeitig für mehr Transparenz zu<br />

sorgen, ist gleichfalls sinnvoll.<br />

Erste Regulierungsversuche<br />

Das Europäische Parlament hat am 10. Februar 2004 einen Initiativ-Bericht verabschiedet. Darin<br />

wird die Kommission aufgefordert, die Notwendigkeit eines Regulierungsmechanismus zu prüfen.<br />

Empfehlungen von CESR wurden der Kommission am 30. März 2005 vorgelegt. Die Untersuchung<br />

im Rahmen einer Folgenabschätzung bezüglich eines eventuellen Gesetzgebungsvorschlags seitens<br />

der Kommission wurde im Grünbuch zur Finanzdienstleistungspolitik (2005–2010) vom 3. Mai<br />

2005 angekündigt. Auf Grundlage der Empfehlungen von CESR veröffentlichte die Kommission am<br />

9. Januar 2006 eine Mitteilung (2006/C 59/02), in der sie ihren Entschluss darlegte, derzeit keine<br />

neuen Rechtsinitiativen zu setzen. Diese wurde am 11. März 2006 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

IOSCO-Grundsätze und Verhaltenskodex<br />

Die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) erarbeitete im September<br />

2003 Grundsätze der Aktivitäten von Ratingagenturen. Der daran anschließende IOSCO-Verhaltenskodex<br />

für Ratingagenturen wurde im Dezember 2004 veröffentlicht.<br />

111<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

112<br />

CESR rief im Jahr 2005 einen freiwilligen Dialog mit Ratingagenturen ins Leben um die Einhaltung<br />

des IOSCO-Verhaltenskodexes im Rahmen dieses Dialoges zu überwachen. Zusammengefasst<br />

beinhaltet dieser Dialog die folgenden Elemente:<br />

■ ein jährliches Schreiben der Rating-Agentur an CESR, in dem die Rating-Agentur darlegt, in<br />

welchem Maß dem IOSCO-Verhaltenskodex entsprochen wurde und in welchen Bereichen<br />

Abweichungen vom Verhaltenskodex verzeichnet wurden; dieses Schreiben wird veröffentlicht;<br />

■ ein jährliches Treffen zwischen CESR und den Ratingagenturen, bei dem verschiedene Themen<br />

im Zusammenhang mit der Umsetzung des IOSCO-Verhaltenskodexes besprochen werden;<br />

■ die Bereitstellung von Informationen durch Ratingagenturen an die nationalen CESR-Mitglieder,<br />

d. h. die nationalen Aufsichtsbehörden, im Falle eines wesentlichen Zwischenfalls mit<br />

einem bestimmten Emittenten.<br />

Im Mai 2006 erhielt CESR den Auftrag von der Kommission, einen Bericht über die Befolgung des<br />

IOSCO-Verhaltenskodexes zu erstellen. Zu diesem Zweck veröffentlichte CESR am 7. Juli 2006<br />

einen Fragebogen. Nach Konsultation der Marktteilnehmer übermittelte CESR der Kommission am<br />

4. Januar 2007 den ersten jährlichen Bericht über die Einhaltung der IOSCO Regeln. In Vorbereitung<br />

auf den nächsten zu veröffentlichenden Bericht wurde am 22. Juni 2007 eine Konsultation von<br />

CESR zum Rating von strukturierten Produkten eingeleitet. Ein zweiter Bericht, der auch Erkenntnisse<br />

zur Rolle der Ratingagenturen bei der strukturierten Finanzierung enthält, wurde am 19. Mai<br />

2008 übermittelt.<br />

Ein erster Bericht zur Umsetzung des IOSCO Kodex wurde im Februar 2007 von ISOCO zur Konsultation<br />

gestellt. Am 26. März 2008 leitete IOSCO eine Konsultation zur Rolle der Ratingagenturen<br />

auf dem Markt für strukturierte Finanzierung ein und schlug gleichzeitig Änderungen im IOSCO-<br />

Verhaltenskodex vor. Am 28. Mai 2008 publizierten IOSCO schließlich den Bericht zur Rolle der<br />

Ratingagenturen und veröffentlichte den überarbeiteten IOSCO-Verhaltenskodex.<br />

Am 12. März 2009 veröffentlichte IOSCO einen Bericht der analysiert, inwieweit der IOSCO-Verhaltenskodex<br />

in die Verhaltenskodizes der einzelnen Ratingagenturen umgesetzt wurde. Am 25. Mai<br />

2009 veröffentlichte CESR einen Bericht über die Umsetzung der Änderungen des IOSCO-Verhaltenskodex<br />

(in der Form vom Mai 2008) in die Verhaltenskodizes der einzelnen Ratingagenturen.<br />

Zur Überarbeitung der Grundsätze zu den Aktivitäten von Ratingagenturen veröffentlichte IOSCO<br />

am 24. Februar 2011 einen Bericht dazu, inwieweit die Grundsätze in Gesetzgebungen eingegangen<br />

seien.<br />

Vom 25. Mai bis zum 9. Juli 2012 konsultierte IOSCO bestimmte interne Kontrollen und Verfahren<br />

von Ratingagenturen. Es geht dabei um die Beschreibung operationeller Praktiken von Ratingagenturen,<br />

welche dem IOSCO-Verhaltenskodex entsprechen sollen.<br />

Verwendung externer Ratings – ECAIs<br />

Der Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS) veröffentlichte am 20. Januar<br />

2006 Leitlinien für die Anerkennung von externen Kreditbewertungsinstitutionen („Guidelines on<br />

the recognition of External Credit Assessment Institutions“). Die Leitlinien beschäftigen sich mit<br />

der Anerkennung von Ratingagenturen für die Bestimmung von Risikogewichten im St<strong>and</strong>ardansatz<br />

der CRD. Das Papier enthält Ausführungen zu generellen Prinzipien des Anerkennungsprozesses,<br />

einem gemeinsamen Verständnis der Anerkennungsvoraussetzungen, dem Zuordnungsprozess<br />

von Ratingurteilen externer Ratingagenturen zu aufsichtlichen Bonitätsstufen (sog. Mapping)


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

und Bestimmungen für Exportversicherungsagenturen. Eine Überarbeitung der Leitlinien wurde<br />

2010 in Angriff genommen. Am 30. November 2010 veröffentlichte CEBS seine überarbeiteten<br />

Leitlinien bezüglich der Anerkennung von ECAIs.<br />

Ein gemeinsamer Bericht des Baseler Ausschusses (BIS), IOSCO und der internationale Verb<strong>and</strong><br />

der Versicherungsaufseher (IAIS) zur Nutzung externer Ratings im Bereich der Wertpapier-, Banken-<br />

und Versicherungsregulierung wurde zudem am 15. Juni 2009 veröffentlicht.<br />

Verordnung für Ratingagenturen<br />

Am 22. Juni 2007 und am 13. Februar 2008 veröffentlichte CESR Konsultationen zur Rolle von<br />

Ratingagenturen. Am 19. Mai 2008 veröffentlichte CESR einen Bericht, in dem die Kommission<br />

aufgefordert wird verschiedene Maßnahmen zu setzen. Im Juni 2008 veröffentlichte auch die<br />

Europäische Expertengruppe für Wertpapiermärkte (ESME) einen Bericht über die Rolle von Ratingagenturen.<br />

Am 31. Juli 2008 veröffentlichte die Kommission ein Konsultationspapier im Hinblick auf eine<br />

zukünftige Regulierung von Ratingagenturen. Der legislative Vorschlag für eine Verordnung über<br />

Ratingagenturen wurde am 12. November 2008 von der Kommission vorgelegt. Das Europäische<br />

Parlament stimmte über den Vorschlag der Kommission am 23. April 2009 ab. Vom Ministerrat<br />

wurde die Verordnung am 14. Juli 2009 angenommen.<br />

Die Verordnung wurde am 17. November 2009 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Das deutsche Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung wurde am 14.06.2010 im Bundesgesetzblatt<br />

verkündet.<br />

Überarbeitung der Ratingagenturen-VO (CRA II)<br />

In ihrem Arbeitsplan für 2010 kündigte die Kommission die Überarbeitung der Ratingagenturen-<br />

Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 an, um Ratingagenturen zukünftig der direkten, zentralisierten<br />

Aufsicht durch die – sich damals noch in Entstehung befindliche – Europäische Wertpapier- und<br />

Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu unterstellen. Am 2. Juni 2010 nahm die Kommission einen Vorschlag<br />

zur Änderung der Ratingagenturen-Verordnung an und leitete diesen an das Europäische<br />

Parlament und den Rat zur Beratung weiter (KOM (2010) 289). Am 15. Dezember 2010 stimmte das<br />

Europäische Parlament in erster Lesung der Änderungsverordnung zu. Der Ministerrat folgte am<br />

12. April 2011. Die Änderungsverordnung wurde am 31. Mai 2011 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

Am 17. Mai 2011 übermittelte ESMA ihren technischen Ratschlag hinsichtlich der Gebühren, welche<br />

für die Beaufsichtigung von Ratingagenturen anfallen sollen, an die Kommission. Die Kommission<br />

erarbeitete daraufhin die delegierte Verordnung (EU) Nr. 272/2012 (…) in Bezug auf die<br />

Gebühren, die den Ratingagenturen von [ESMA] in Rechnung gestellt werden, welche am 28. März<br />

2012 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde.<br />

Am 22. Dezember 2012 übermittelte ESMA der Kommission technische Regulierungsst<strong>and</strong>ards zu<br />

verschiedenen Themen, welche von der Kommission in delegierte Verordnungen gepackt am<br />

30. Mai 2012 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurden. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um die<br />

113<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

114<br />

■ Delegierte Verordnung (EU) Nr. 446/2012 (…) in Bezug auf technische Regulierungsst<strong>and</strong>ards<br />

für Inhalt und Format der periodischen Übermittlung von Ratingdaten durch die Ratingagenturen<br />

an [ESMA]<br />

■ Delegierte Verordnung (EU) Nr. 447/2012 (…) über Ratingagenturen durch Festlegung technischer<br />

Regulierungsst<strong>and</strong>ards für die Bewertung der Normgerechtheit der Ratingmethoden<br />

■ Delegierte Verordnung (EU) Nr. 448/2012 (…) im Hinblick auf technische Regulierungsst<strong>and</strong>ards<br />

für die Präsentation der Informationen, die Ratingagenturen in einem von [ESMA] eingerichteten<br />

zentralen Datenspeicher zur Verfügung stellen<br />

■ Delegierte Verordnung (EU) Nr. 449/2012 (…) im Hinblick auf technische Regulierungsst<strong>and</strong>ards<br />

für Informationen zur Registrierung und Zertifizierung von Ratingagenturen<br />

Änderung der Ratingagenturen-VO durch die AIFM-RL:<br />

Die Richtlinie 2011/61/EU über Verwalter alternativer Investmentfonds änderte die Ratingagenturen-VO<br />

insofern, als dass auch alternative Investmentfonds für aufsichtsrechtliche Zwecke nur<br />

Ratings von Ratingagenturen verwenden dürfen, die ihren Sitz in der EU haben und registriert sind.<br />

Entsprechende Informationen müssen in den Emissionsprospekten enthalten sein.<br />

CESR- und ESMA-Leitlinien:<br />

CESR bzw. ESMA veröffentlichten bislang folgende Leitlinien:<br />

■ Am 4. Juni 2010 betreffend gemeinsame St<strong>and</strong>ards für die Präsentation von historischen Performancedaten<br />

und die Form eines einzurichtenden zentralen Datenspeichers<br />

■ Am 4. Juni 2010 betreffend das Registrierungsverfahren, die Funktionsweise von [Aufsichts-]<br />

Colleges, das Schlichtungsprotokoll, die aufgrund von Annex II der Verordnung erforderliche<br />

Information sowie die für den Registrierungsantrag und für die Einschätzung der systemischen<br />

Relevanz von Ratingagenturen erforderliche Information<br />

Am 30. August 2010 zur Beurteilung, ob Ratingagenturen den Anforderungen von Artikel 8 Absatz<br />

3 [Ratingagenturen-VO] genügen und zu Durchsetzungsverfahren und -maßnahmen gemäß Artikel<br />

21 Absatz 3 lit. a [Ratingagenturen-VO]<br />

Am 18. Mai 2011 zur Übernahme von Ratings von nicht-EU-Ratingagenturen gemäß Artikel 4<br />

Absatz 3 der Ratingagenturen-VO<br />

CESR erstellte zudem im März 2010 eine Übersicht mit Fragen und Antworten zur Ratingagenturen-<br />

VO, die regelmäßig aktualisiert wird.<br />

Anerkennung von Drittl<strong>and</strong>-Ratings:<br />

CESR wurde von der Kommission am 12. Juni 2009 und am 17. November 2009 beauftragt, Empfehlungen<br />

über die Äquivalenz von regulatorischen Rahmenbedingungen für Ratingagenturen in<br />

bestimmten Drittstaaten abzugeben. CESR (ESMA) übermittelte der Kommission ihre Erkenntnisse<br />

bezüglich der USA am 21. Mai 2010, Japans am 9. Juni 2010 sowie der USA (Aktualisierung),<br />

Kanadas und Australiens am 18. April 2012 in Form eines technischen Ratschlags.<br />

Daneben gab ESMA bekannt, dass sie die gesetzlichen Rahmenwerke für Ratingagenturen in<br />

Hong Kong und Singapur (am 15. März 2012), Argentinien und Mexico (am 18. April 2012) und<br />

Brasilien (am 27. April 2012) für mit den Anforderungen in der EU übereinstimmend erachtet.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Die Kommission hat am 28. September 2010 einen Beschluss zur Anerkennung der Gleichwertigkeit<br />

des Regelungs- und Kontrollrahmens Japans mit der Ratingagenturen-Verordnung erlassen.<br />

Weitere Überarbeitung der Ratingagenturen-VO (CRA III)<br />

Am 15. November 2011 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag für eine weitere Änderungsverordnung<br />

zur Ratingagenturverordnung (siehe eigenes Kapitel).<br />

Verordnung:<br />

1060/2009/EG (Verordnung) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 302/52 vom 17.11.2009<br />

Berichtigung, Amtsblatt der EU Nr. L 350/59 vom 29.12.2009<br />

Berichtigung, Amtsblatt der EU Nr. L 145/57 vom 31.05.2011<br />

513/2011/EU (Verordnung) vom 11.05.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 145/30 vom 31.05.2011<br />

2011/61/EU (Richtlinie) vom 8. Juni 2011, Amtsblatt der EU Nr. L 174/1 vom 01.07.2011<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

272/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 07.02.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 90/6 vom 28.03.2012<br />

446/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 21.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 140/2 vom 30.05.2012<br />

447/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 21.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 140/14 vom 30.05.2012<br />

448/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 21.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 140/17 vom 30.05.2012<br />

449/2012/EU (Delegierte Verordnung) vom 21.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 140/32 vom 30.05.2012<br />

Sonstiges:<br />

K(2010) 6418 (Beschluss) vom 28.09.2010 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

115<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

9. Verordnung zur Errichtung einer Europäischen<br />

Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde<br />

Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November<br />

2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und<br />

Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung<br />

des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission<br />

Inhalt<br />

116<br />

Als Best<strong>and</strong>teil der neuen europäischen Finanzaufsichtsstruktur schlug die Kommission am 23. September<br />

2009 vor, eine Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) zu errichten. Wie auch die<br />

<strong>and</strong>eren europäischen Institutsaufsichtsbehörden in ihren Bereichen übernimmt die ESMA sämtliche<br />

Aufgaben des bisherigen Ausschusses der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR).<br />

Zusätzlich erhält ESMA weitergehende Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Autorität.<br />

Mit geringfügigen Ausnahmen ist ESMA gemäß Artikel 1 Abs. 2 VO für den Anwendungsbereich<br />

der folgenden Richtlinien und Verordnungen zuständig:<br />

Anlegerentschädigungs-Richtlinie (97/9/EG), Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen (98/26/<br />

EG), Börsenrechts-Richtlinie (2001/34/EG), Richtlinie über Finanzsicherheiten (2002/47/EG), Richtlinie<br />

zur Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten (2002/87/EG), Marktmissbrauchs-Richtlinie<br />

(2003/6/EG), Prospekt-Richtlinie (2003/71/EG), Übernahme-Richtlinie (2004/25/EG), MiFID (2004/39/<br />

EG), Transparenz-Richtlinie (2004/109/EG), Dritte Anti-Geldwäsche-Richtlinie (2005/60/EG), Fernabsatz-Richtlinie<br />

für Finanzdienstleistungen (2002/65/EG), Richtlinie über Aktionärsrechte (2007/36/<br />

EG), Kapitaladäquanz-Richtlinie – CRD (2006/49/EG), Investmentfonds-Richtlinie (OGAW) (2009/65/<br />

EG), Richtlinie über Manager Alternativer Investmentfonds (2011/61/EU), Verordnung über Ratingagenturen,<br />

Nr. 1060/2009, sowie zukünftige Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen.<br />

Gemäß Artikel 6 Abs. 1 VO erhält ESMA folgende Aufgaben:<br />

■ Ausarbeitung hochqualitativer gemeinsamer Aufsichts- und Regulierungsst<strong>and</strong>ards und -praktiken<br />

durch Stellungnahmen für die Gemeinschaftsorgane und Leitlinien, Empfehlungen sowie<br />

Entwürfe technischer St<strong>and</strong>ards;<br />

■ kohärente Sicherstellung der Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften durch Schaffung<br />

einer gemeinsamen Aufsichtskultur (Verhinderung aufsichtlicher Arbitrage, Schlichtung und<br />

Beilegung von Differenzen zwischen den zuständigen Behörden, Förderung einer kohärenten<br />

Funktionsweise der Aufsichtskollegien, Maßnahmen in Krisensituationen);<br />

■ Erleichterung der Delegierung von Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen zuständigen Behörden;<br />

■ Enge Zusammenarbeit mit dem ESRB;<br />

■ Durchführung von „Peer Reviews“ zuständiger Behörden;<br />

■ Verfolgung und Bewertung von Marktentwicklungen;<br />

■ Übernahme jeglicher sonstiger Aufgaben aus der Verordnung oder den o. g. Gemeinschaftsvorschriften.<br />

Gemäß Artikel 6 Abs. 2 und Artikel 6 Abs. 3 Satz 1 VO wird ESMA mit den folgenden Befugnissen<br />

ausgestattet:<br />

■ Entwicklung von Entwürfen technischer St<strong>and</strong>ards (Artikel 7);<br />

■ Publikation von Leitlinien und Empfehlungen (Artikel 8);


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

■ Abgabe von Empfehlungen in spezifischen Fällen (Artikel 9 Absatz 3);<br />

■ Erlass von an die zuständigen Behörden gerichteten Einzelfallentscheidungen (Artikel 10, 11);<br />

■ Erlass von an die Finanzmarktteilnehmer gerichteten Einzelfallentscheidungen (Artikel 9 Abs. 6,<br />

Artikel 10 Abs. 3, Artikel 11 Abs. 4);<br />

■ Abgabe von Stellungnahmen für das Europäische Parlament, den Rat oder die Kommission<br />

(Artikel 19);<br />

■ Wahrnehmung sämtlicher exklusiver Aufsichtsbefugnisse für gemeinschaftsweit tätige Institute<br />

oder Wirtschaftstätigkeiten mit gemeinschaftsweiter Tragweite mit Bezug zu den o. g.<br />

Gemeinschaftsvorschriften.<br />

Bewertung<br />

Die Einrichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde wird insofern begrüßt, als dass<br />

damit eine einheitliche Anwendung europäischer Aufsichtsst<strong>and</strong>ards weiter gefördert wird. Allerdings<br />

ist Wertpapieraufsicht Marktaufsicht und die Märkte sind im Retail-Bereich nach wie vor<br />

regionale Märkte. Unmittelbare Aufsichtsentscheidungen sollten im Wertpapieraufsichtsrecht<br />

allein von den nationalen Aufsichtsbehörden getroffen werden.<br />

Verfahren<br />

Im Oktober 2008 m<strong>and</strong>atierte die Kommission eine Expertengruppe um Jacques de Larosière eine<br />

Empfehlung für die zukünftige europäische Finanzregulierung und -aufsicht auszuarbeiten. Die<br />

Gruppe veröffentlichte ihren Bericht am 25. Februar 2009. Ihre Empfehlungen wurden von der<br />

Kommission in die Mitteilung „Impulse für den Aufschwung in Europa“ vom 4. März 2009 (KOM<br />

(2009) 114) aufgenommen.<br />

Eine Mitteilung, die sich speziell mit der Finanzaufsicht befasste, folgte am 27. Mai 2009 („Europäische<br />

Finanzaufsicht”, KOM (2009) 252). In der Mitteilung schlug die Kommission eine Reihe ambitionierter<br />

Maßnahmen zur Reformierung des Finanzaufsichtssystems vor, u. a. durch die Schaffung<br />

eines Europäischen Systems der Finanzaufsichtsbehörden (ESFS), die Etablierung neuer Europäischer<br />

Institutsaufsichtsbehörden und einen Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB).<br />

Am 23. September 2009 veröffentlichte die Kommission ihre Gesetzgebungsvorschläge, darunter<br />

den Verordnungsentwurf für eine Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (KOM (2009) 503). Der<br />

Gesetzgebungsvorschlag wurde am 26. Oktober 2009 von einem Richtlinienentwurf vervollständigt,<br />

der verschiedene bestehende Richtlinien und Verordnungen an die neue Aufsichtsstruktur<br />

anpasst (Omnibus I-Richtlinie). Das Europäische Parlament hat den Verordnungsvorschlag am<br />

22. September 2010 angenommen, der Rat folgte am 17. November 2010. Die Verordnung wurde<br />

am 15. Dezember 2010 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

In der Mitteilung „Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ vom<br />

2. Juni 2010 kündigt die Kommission eine weitere Mitteilung an, die sich mit den Sanktionsmöglichkeiten<br />

der Aufsichtsbehörden befassen wird.<br />

Am 19. Januar 2011 veröffentlichte die Kommission einen Richtlinienvorschlag Omnibus II, der u.<br />

a. weitere Vorschriften der Prospekt-Richtlinie an die neue Aufsichtsstruktur anpasst.<br />

Referenz<br />

1095/2010/EU (Verordnung) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/84 vom 15.12.2010<br />

2010/78/EU (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

KOM (2011) 8 endgültig (Richtlinienvorschlag) vom 19.01.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

117<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

1. Richtlinie zur Regulierung von Managern von<br />

Hedgefonds und <strong>and</strong>eren alternativen Investmentfonds<br />

Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die<br />

Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2004/39/EG und<br />

2009/65/EG<br />

Inhalt<br />

118<br />

Im April 2009 legte die Kommission den Entwurf einer Richtlinie für Manager alternativer Investmentfonds<br />

(Alternative Investment Funds Manager – AIFM) vor. Alle Akteure und Tätigkeiten, die<br />

erheblichen Risiken unterliegen, sollten umfassend beaufsichtigt werden.<br />

U. a. aufgrund der Schwierigkeit der Definition von Hedgefonds wurde als Anknüpfungspunkt nicht<br />

der Fonds selbst, sondern der Manager eines Fonds gewählt. Unter alternativen Investmentfonds<br />

(AIF) versteht die Kommission alle Anlageorganismen, die die gemeinsame Anlage in Vermögenswerten<br />

zum Ziel haben und die nicht bereits unter die OGAW-Richtlinie fallen. Damit sollen nicht<br />

nur Hedgefonds oder Private Equity Fonds unter die Richtlinie fallen, sondern etwa auch geschlossene<br />

und offene Immobilienfonds oder Spezialfonds.<br />

AIFM werden einer Zulassungspflicht in der EU unterworfen werden. Die Zulassung berechtigt den<br />

Verwalter ausschließlich zum Vertrieb an professionelle Anleger in der gesamten EU.<br />

Ausgenommen vom Anwendungsbereich der Richtlinie sind Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge,<br />

bestimmte supranationale Organisationen wie multilaterale Entwicklungsbanken, nationale<br />

Zentralbanken, staatliche Stellen, die Fonds zur Unterstützung von Sozialversicherungs- und<br />

Pensionssystemen verwalten, Arbeitnehmerbeteiligungssysteme oder -sparpläne, sowie Verbriefungszweckgesellschaften.<br />

Bestimmte Manager sind zudem nicht dem vollständigen Anforderungskatalog der Richtlinie unterworfen.<br />

Voraussetzung ist, dass ein Manager entweder Portfolios von AIF verwaltet, deren verwaltete<br />

Vermögenswerte einschließlich hebelfinanzierter Vermögenswerte insgesamt weniger als<br />

100 Mio. EUR betragen, oder deren verwaltete Vermögenswerte nicht mehr als 500 Mio. EUR<br />

betragen, wobei die Portfolios dieser AIF nur aus nicht hebelfinanzierten AIF bestehen dürfen, die<br />

zudem für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Tätigung der ersten Anlage in jeden dieser AIF<br />

keine Rücknahmerechte ausüben dürfen.<br />

AIFM sollen über mindestens 300.000 EUR (interner Verwalter) bzw. 125.000 EUR (externer Verwalter)<br />

Eigenkapital verfügen. Soweit das Portfolio 250 Mio. EUR übersteigt, ist zusätzliches Kapital<br />

vorzuhalten, nämlich 0,02 % des Betrages, der 250 Mio. EUR übersteigt.<br />

Eine Depotbank für AIF muss eine Haftungsvereinbarung vorweisen, wenn sie Aufgaben an <strong>and</strong>ere<br />

delegiert. Die Vereinbarung muss das Einklagen eines Schadens gegenüber dem Dritten ermöglichen.<br />

Nicht-EU-AIF dürfen mittels eines Passregimes EU-weit vertrieben werden, wobei Registrierung<br />

und Zulassung nur in einem Mitgliedstaat erfolgen müssen. Ein Pass kann jedoch nur erworben


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

werden, wenn das Drittl<strong>and</strong>, in dem der Fonds oder der Manager domiziliert sind, bestimmte regulatorische<br />

St<strong>and</strong>ards betreffend Geldwäsche und Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung<br />

von Doppelbesteuerung einhält sowie mit den Mitgliedstaaten Abkommen über einen<br />

Informationsaustausch abgeschlossen hat. Nationale Privatplatzierungsregime gelten bis mindestens<br />

2019 fort und müssen durch europäischen Gesetzgebungsakt (delegierter Akt der Kommission)<br />

beendet werden.<br />

Private Equity-Fonds werden Vertrieb, Kapitalherabsetzungen, Rücknahme von Anteilen und/oder<br />

Ankauf eigener Anteile durch das Unternehmen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Übernahme<br />

eines Unternehmens untersagt. Zudem treffen Private Equity-Fonds umfassende Informations- und<br />

Veröffentlichungspflichten gegenüber Aufsichtsbehörden, Anlegern und Arbeitnehmern.<br />

Der Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlages ist zu weit, da er sich nicht nur auf Hedgefonds<br />

und Private Equity Fonds bezieht, sondern auch auf Immobilienfonds oder Spezialfonds.<br />

Damit stellt sich in Deutschl<strong>and</strong> vielfach das Problem, dass Fondsmanager sowohl den Bestimmungen<br />

der AIFM-Richtlinie und als auch jenen der OGAW-Richtlinie unterworfen sein wird.<br />

Grundsätzlich ist die Einführung eines europäischen Passes für zugelassene AIFM zum europaweiten<br />

Vertrieb von AIF-Anteilen an professionelle Investoren zu begrüßen. Es wird allerdings auch die<br />

Möglichkeit eröffnet, unregulierte AIF aus Drittstaaten zu vertreiben. Hier zeigt sich, dass eine<br />

Regulierung von Hedgefonds sinnvollerweise auf internationaler Ebene stattfinden müsste. Es<br />

drohen zudem Nachteile für Entwicklungshilfeinvestitionen in Private Equity-Fonds in Entwicklungsländern.<br />

Ungünstig ist, dass die Regelung die Nutzung von Global Custodians in Frage stellt. Die geplante<br />

Haftungsregelung für Depotbanken geht über die in Deutschl<strong>and</strong> und vielen <strong>and</strong>eren europäischen<br />

Staaten übliche und nach der OGAW-Regelung zulässige Beschränkung auf das Auswahlverschulden<br />

hinaus. Eine Haftung für Sachverhalte, auf die die Depotbank keinen Einfluss mehr ausüben<br />

kann, scheint bedenklich.<br />

Die Vorgaben für Outsourcing sind zu eng; dies gilt insbesondere für das Verbot der Auslagerung<br />

von Funktionen an die Depotbank sowie das Verbot der Subdelegation.<br />

Die Vielzahl der Ermächtigungen für Ebene 2-Maßnahmen ermöglicht eine große Zahl von Detailregelungen<br />

ohne wirkliche Beteiligung von Rat und Parlament.<br />

Die Kommission hat am 14. Juli 2005 ein Grünbuch zum Ausbau des Europäischen Rahmens für<br />

Investmentfonds veröffentlicht (KOM(2005) 314) und dieses bis 15. November 2005 zur Konsultation<br />

gestellt. Am 13. Februar 2006 wurden die zum Grünbuch übermittelten Stellungnahmen der<br />

Marktteilnehmer in einem „feedback statement“ publiziert. Das Europäische Parlament hat als<br />

Reaktion auf das Grünbuch der Kommission am 27. April 2006 einen Bericht über Vermögensverwaltung<br />

verabschiedet.<br />

119<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

120<br />

Das Weißbuch zusammen mit einer Folgenabschätzung wurde am 16. November 2006 veröffentlicht<br />

(KOM(2006) 686). Ein weiterer Eigeninitiativebericht des Parlaments („Vermögensverwaltung<br />

II“) wurde am 13. Dezember 2007 in Erwiderung auf das Weißbuch der Kommission abgestimmt.<br />

Im Januar 2006 richtete die Kommission zwei Expertengruppen ein: eine Expertengruppe zur Effizienz<br />

des EU-Investmentfondsmarktes sowie eine Expertengruppe zu alternativen Investmentfonds<br />

(letztere sollte sich mit den Themenbereichen Hedgefonds und Private Equity-Fonds ausein<strong>and</strong>ersetzen).<br />

Die Expertengruppen legten ihre drei Berichte am 4. Juli 2006 vor.<br />

Im April 2007 wurde eine Expertengruppe zu offenen Immobilienfonds gegründet und am 14. Juni<br />

2007 die Mitglieder dieser Gruppe benannt. Diese sollte die Kommission hinsichtlich der Risikound<br />

Performancecharakteristika offener Immobilienfonds beraten. Am 13. März 2008 wurde der<br />

Bericht der Expertengruppe publiziert.<br />

Eine Studie über „Investmentfonds in der Europäischen Union: Vergleichende Analyse der Ausübung<br />

von Anlagebefugnissen, Anlageergebnissen und entsprechender Risikoeigenschaften in<br />

OGAW- und nicht harmonisierten Märkten“ wurde am 12. Februar 2008 veröffentlicht.<br />

Das Europäischen Parlament hat in zwei Berichten stärkere Regulierung von Hedgefonds gefordert:<br />

Der Bericht des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission zu Hedgefonds<br />

und Private Equity („Rasmussen Bericht“) sowie der Bericht zur Transparenz institutioneller Investoren<br />

(„Lehne Bericht“). Beide wurden am 23. September 2008 vom Parlament angenommen.<br />

Im Oktober 2008 veröffentlichte die Kommission eine Studie über die Verbreitung von nicht-harmonisierten<br />

Investmentfonds an Kleinanleger in der Europäischen Union.<br />

Am 18. Dezember 2008 leitete die Kommission eine Konsultation zum Thema Hedgefonds-Regulierung<br />

ein.<br />

Am 25. Februar 2009 legte die Expertengruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière ihren<br />

Schlussbericht vor und spricht sich darin auch für eine geeignete Regulierung von Hedgefonds aus.<br />

Die Ergebnisse des Berichts wurden in der Mitteilung der Kommission vom 4. März 2009 („Impulse<br />

für den Aufschwung in Europa“) aufgegriffen.<br />

Der AIFM-Richtlinienvorschlag wurde am 30. April 2009 von der Kommission vorgelegt (KOM(2009)<br />

207). Am 11. November 2010 nahm das Europäische Parlament die Richtlinie an. Der Ministerrat<br />

folgte am 27. Mai 2011. Die AIFM-Richtlinie wurde am 1. Juli 2011 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Sie soll in Deutschl<strong>and</strong> durch Schaffung eines Kapitalanlagegesetzbuches in nationales<br />

Recht umgesetzt werden.<br />

Die AIFM-Richtlinie fällt in den Zuständigkeitsbereich der ESMA.<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

Die Kommission m<strong>and</strong>atierte ESMA mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 bis zum 16. November<br />

2011 einen technischen Ratschlag als Vorbereitung für die Ausarbeitung der Durchführungsmaßnahmen<br />

auszuarbeiten. Am Stichtag übermittelte ESMA ihren – sehr umfangreichen – technischen


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Referenz<br />

Ratschlag zu möglichen Durchführungsmaßnahmen zur AIFM-Richtlinie der Kommission. Die<br />

Umsetzung des Ratschlags in delegierte Rechtsakte durch die Kommission steht noch aus.<br />

Vom 23. Februar bis zum 23. März 2012 stellte ESMA Schlüsselkonzepte der AIFM-Richtlinie und<br />

Arten von AIFM zur Diskussion mit dem Ziel der Ausarbeitung regulatorischer technischer St<strong>and</strong>ards.<br />

ESMA-Leitlinien:<br />

Vom 28. Juni bis 27. September 2012 konsultierte ESMA Leitlinien zur soliden Vergütungspolitik<br />

alternativer Investmentmanager.<br />

IOSCO:<br />

Die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) veröffentlichte einen<br />

Bericht zu Regelungsst<strong>and</strong>ards für Dachfonds von Hedgefonds am 14. September 2009. Ein weiterer<br />

Bericht zur Aufsicht über Hedgefonds beschreibt sechs Grundsätze für die Regulierung von<br />

Hedgefonds und wurde am 22. Juni 2009 veröffentlicht. Am 25. Februar 2010 gab IOSCO die<br />

Details einer Dokumentenvorlage für die weltweite Sammlung von Informationen über Hedgefonds<br />

heraus. Die Datensammlung soll dabei helfen, das systemische Risiko, das von Hedgefonds<br />

ausgeht, besser einschätzen zu können. Am 22. März 2012 veröffentlichte IOSCO eine aktualisierte<br />

Liste an Datenkategorien für die weltweite Sammlung von Information über Hedgefonds. Eine<br />

erste Markterhebung zu Hedgefonds hatte im September 2010 stattgefunden, eine zweite ist für<br />

September 2012 angekündigt.<br />

2011/61/EU (Richtlinie) vom 08.06.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 74/1 vom 01.07.2011<br />

121<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

2. Verordnung über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte<br />

von Credit Default Swaps<br />

Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012<br />

über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps<br />

Inhalt<br />

122<br />

Die Verordnung soll einen harmonisierten Rahmen für koordinierte Maßnahmen in Bezug auf Leerverkäufe<br />

von Finanzinstrumenten auf europäischer Ebene schaffen, die Transparenz verbessern<br />

und Risiken verringern. Die Befugnisse der nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden werden<br />

entsprechend angepasst.<br />

Zur Schaffung von Markttransparenz muss ab einer Netto-Leerverkaufsposition in Aktien von 0,2%<br />

des Wertes des gesamten emittierten Aktienbest<strong>and</strong>es einer Gesellschaft sowie anschließend bei<br />

jeden weiteren 0,1% eine Meldung an die nationale Aufsichtsbehörde erfolgen. Zudem muss ab<br />

0,5% sowie anschließend bei jeden weiteren 0,1% die Position veröffentlicht werden. Im Falle von<br />

öffentlichen Schuldtiteln und Credit Default Swaps obliegt es der Kommission, den Schwellenwert<br />

für die Meldung an die Aufsicht im Wege von Durchführungsbestimmungen festzulegen. Der relevante<br />

Zeitpunkt für die Berechnung der Höhe der Position ist Mitternacht am Ende des H<strong>and</strong>elstages.<br />

Die Veröffentlichung muss um 15:30 Uhr am darauffolgenden H<strong>and</strong>elstag erfolgen.<br />

Bei ungedeckten Leerverkäufen von Aktien und öffentlichen Schuldtiteln muss der Verkäufer die<br />

Positionen auf bestimmte Weise mit den entsprechenden Wertpapieren unterlegen. Dabei reicht<br />

es, wenn er das Papier geliehen hat, eine Leihvereinbarung vorliegt oder der Verkäufer eine „absolut<br />

durchsetzbare Forderung“ hat oder die „begründete Erwartung“, dass die Lieferung fristgerecht<br />

durchgeführt werden kann. Bei Aktiengeschäften ist die Möglichkeit untertätiger Leerverkäufe<br />

festgeschrieben. Im Falle öffentlicher Schuldtitel halten die Gesetzgeber in den Erwägungsgründen<br />

ausdrücklich fest, dass durch das Abstellen auf eine „begründete Erwartung“ untertägige<br />

Leerverkäufe gleichfalls möglich bleiben sollen. Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag hatte<br />

untertägige Leerverkäufe noch ausgeschlossen. Eine Kennzeichnungspflicht für Leerverkäufe hat in<br />

den endgültigen Verordnungstext ebenfalls keinen Eingang gefunden. Marktmacher und Primärmarkttätigkeiten<br />

sind von den Transparenzanforderungen und der Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe<br />

ausgenommen.<br />

Für den Fall, dass der Leerverkäufer die Aktien für die Abwicklung des Geschäfts innerhalb einer<br />

bestimmten Frist nicht liefern kann, ist nur die zentrale Gegenpartei angehalten, ein Eindeckungsverfahren<br />

vorzusehen, um die Abwicklung zu ermöglichen. Die entsprechende Verpflichtung<br />

besteht dabei innerhalb von vier Arbeitstagen ab Fälligkeit der Abwicklung.<br />

Bei nachteiligen Entwicklungen, die eine ernste Bedrohung für Marktstabilität und -vertrauen darstellen<br />

sowie im Falle eines signifikanten Kursverfalls eines Finanzinstruments innerhalb eines<br />

einzigen H<strong>and</strong>elstages, sollten die nationalen Aufsichtsbehörden zeitweilige Verbote von Leerverkäufen<br />

erlassen oder auf <strong>and</strong>ere Weise Transaktionen mit diesem Finanzinstrument einschränken<br />

können.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Bis zuletzt war besonders die Beh<strong>and</strong>lung von ungedeckten Credit Default Swaps auf öffentliche<br />

Schuldtitel umstritten. Die europäischen Gesetzgeber haben durch umfassende Auflagen nunmehr<br />

ein de-facto-Verbot geschaffen. Nationale Aufsichtsbehörden haben allerdings die Möglichkeit,<br />

das Verbot vorübergehend auszusetzen, wenn eine Austrocknung der Liquidität der Anleihemärkte<br />

droht und den Mitgliedstaaten die Aufnahme neuer Schulden erschwert. Eine Austrocknung muss<br />

mit objektiven Elementen wie zum Beispiel der Höhe von Zinsaufschlägen auf Staatsanleihen oder<br />

der Ausweitung der Zins- oder Credit Default Swaps-Spreads belegt werden. Die vorübergehende<br />

Aussetzung muss bei ESMA notifiziert werden.<br />

Die Schaffung umfassender Transparenz gegenüber Aufsichtsbehörden ist zu begrüßen. Eine größere<br />

Abstimmung der nationalen Aufsichtsbehörden unter Federführung von ESMA ist angebracht.<br />

Ausnahmen für Marktmacher sind notwendig. Die Beibehaltung der Möglichkeit, dass untertägige<br />

ungedeckte Leerverkäufe getätigt werden können sowie die Entscheidung, keine grundsätzliche<br />

Kennzeichnungspflicht einzuführen, ist sinnvoll.<br />

CESR konsultierte Leerverkaufspraktiken zwischen dem 19. Dezember 2008 und dem 20. Januar<br />

2009. Der konkrete Vorschlag für Veröffentlichungspflichten wurde vom 8. Juli 2009 bis zum<br />

30. September 2009 zur Konsultation gestellt. Eine öffentliche Anhörung f<strong>and</strong> am 9. September<br />

2009 statt. Am 2. März 2010 empfahl CESR der Kommission ein Modell für ein pan-Europäisches<br />

Leerverkaufsregelwerk. Die Empfehlung wurde durch den Bericht vom 26. Mai 2010 zu den technischen<br />

Details vervollständigt. CESR aktualisiert zudem regelmäßig eine Übersicht der Maßnahmen,<br />

die die Mitgliedstaaten zu Leerverkäufen getroffen haben.<br />

Die Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (ESME) hat am 19. März 2009 einen Bericht zu<br />

Leerverkäufen herausgegeben, in dem sie u. a. empfahl, Leerverkäufe nur in Notfallsituationen als<br />

kurzfristige Antwort beschränken zu können.<br />

Die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) konsultierte zu Leerverkäufen<br />

vom 23. März 2009 bis zum 4. Mai 2009 und veröffentlichte am 19. Juni 2009 „Grundsätze<br />

einer effektiven Regulierung von Leerverkäufen“.<br />

Das Thema Leerverkäufe war Teil der Sondierung der Kommission zur Überarbeitung der Marktmissbrauchs-Richtlinie<br />

vom 20. April 2009 bis zum 10. Juni 2009. In den Antworten auf die Sondierung<br />

sprach sich ein überwiegender Teil der Marktteilnehmer dafür aus, Leerverkäufe nicht im<br />

Rahmen der Überarbeitung der Marktmissbrauchs-Richtlinie zu beh<strong>and</strong>eln, da sie nicht per se<br />

einen Missbrauch darstellen. In ihrem Arbeitsprogramm für 2010 und in der Mitteilung „Regulierung<br />

der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ vom 2. Juni 2010 kündigt die Kommission<br />

für das zweite Halbjahr 2010 einen Legislativvorschlag an, der Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen<br />

zum Gegenst<strong>and</strong> haben soll. Zur Vorbereitung des Legislativvorschlags<br />

konsultierte die Kommission öffentlich vom 14. Juni 2010 bis zum 10. Juli 2010.<br />

Am 15. September 2010 veröffentlichte die Kommission einen Verordnungsvorschlag zu Leerverkäufen<br />

und bestimmten Aspekten von Credit Default Swaps.<br />

123<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

124<br />

Das Europäische Parlament nahm die Verordnung am 15. November 2011 an, der Ministerrat am<br />

21. Februar 2012.<br />

Die Verordnung wurde am 24. März 2012 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Am 1. Juni 2012 erhob das Vereinigte Königreich vor dem EuGH Klage auf Nichterklärung von<br />

Artikel 28 der VO (Eingriffsbefugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen).<br />

Die Leerverkaufsverordnung wird durch umfangreiche Durchführungsmaßnahmen ergänzt, die von<br />

ESMA vorbereitet wurden. Verordnung und Durchführungsmaßnahmen gelten ab 1. November<br />

2012.<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

Am 24. November 2011 bat die Kommission ESMA um technischen Rat und Ausarbeitung technischer<br />

St<strong>and</strong>ards hinsichtlich möglicher delegierter Rechtsakte. Am 28. März 2012 veröffentlichte<br />

ESMA ihren Abschlussbericht.<br />

Am 29. Juni 2012 veröffentlichte die Kommission die Entwürfe der technischen St<strong>and</strong>ards in Form<br />

einer<br />

■ Delegierten Verordnung (…) zur Festlegung technischer Durchführungsst<strong>and</strong>ards in Bezug auf<br />

die Verfahren für die Offenlegung von Nettopositionen in Aktien gegenüber der Öffentlichkeit,<br />

das Format, in dem [ESMA] Informationen zu Netto-Leerverkaufspositionen zu übermitteln<br />

sind, die Arten von Vereinbarungen, Zusagen und Maßnahmen, die angemessen gewährleisten,<br />

dass Aktien oder öffentliche Schuldtitel für die Abwicklung des Geschäfts verfügbar sind,<br />

und die Daten, zu denen die Ermittlung des Haupth<strong>and</strong>elsplatzes einer Aktie erfolgt, sowie den<br />

Zeitraum, auf den sich die betreffende Berechnung bezieht, sowie einer<br />

■ Delegierten Verordnung (…) im Hinblick auf technische Regulierungsst<strong>and</strong>ards für die Meldeund<br />

Offenlegungspflichten in Bezug auf Netto-Leerverkaufspositionen, die Einzelheiten der in<br />

Bezug auf Netto-Leerverkaufspositionen an [ESMA] zu übermittelnden Informationen und die<br />

Methode zur Berechnung des Umsatzes zwecks Ermittlung der unter die Ausnahmeregelung<br />

fallenden Aktien.<br />

Am 5. Juli 2012 veröffentlichte die Kommission die Entwürfe weiterer delegierter Rechtsakte:<br />

■ Delegierte Verordnung (…) im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, die Berechnung von Netto-<br />

Leerverkaufspositionen, gedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, Meldeschwellen,<br />

Liquiditätsschwellen für die vorübergehende Aufhebung von Beschränkungen, signifikante<br />

Wertminderungen bei Finanzinstrumenten und ungünstige Ereignisse<br />

■ Delegierte Verordnung (…) im Hinblick auf technische Regulierungsst<strong>and</strong>ards für die Methode<br />

zur Berechnung der Wertminderung bei liquiden Aktien und <strong>and</strong>eren Finanzinstrumenten<br />

Im Falle einer reinen delegierten Verordnung sowie von technischen Regulierungsst<strong>and</strong>ards haben<br />

das Europäische Parlament und der Ministerrat drei Monate Zeit, um den Kommissionsvorschlag<br />

insgesamt anzunehmen oder abzulehnen. Eine einmalige Verlängerung um drei Monate ist möglich.<br />

Im Falle von technischen Durchführungsst<strong>and</strong>ards beträgt diese Zeitspanne nur einen Monat<br />

mit einer Verlängerungsmöglichkeit um ebenfalls einen Monat.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Referenz<br />

KOM (2010) 482 (Verordnungsvorschlag) vom 15.09.2010 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

236/2012/EU (Verordnung) vom 14.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 86/1 vom 24.03.2012<br />

125<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

3. Verordnungs über OTC-Derivate, zentrale<br />

Gegenparteien und Transaktionsregister<br />

Verordnung (EV) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 4. Juli 2012<br />

über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister<br />

Inhalt<br />

126<br />

Die Verordnung über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, die wegen<br />

der Kurzform ihres englischen Arbeitstitels „European Market Infrastructures Regulation“ EMIR<br />

genannt wird, ist eine Umsetzung der G20-Verpflichtung des Treffens in Pittsburgh im September<br />

2009, „spätestens Ende 2012 alle st<strong>and</strong>ardisierten OTC-Derivatkontrakte (…) über zentrale Gegenparteien<br />

abzurechnen und OTC-Derivatkontrakte an Transaktionsregister zu melden“.<br />

Anwendungsbereich: Die Verordnung betrifft grundsätzlich alle Arten von OTC-Derivaten und im<br />

Falle der Meldepflicht alle Arten von Derivaten. Die genauen Derivateklassen, die für das zentrale<br />

Clearing geeignet sind, muss durch ESMA festgestellt werden.<br />

Betroffene Transaktionsparteien/Ausnahmen: Die Verpflichtung, OTC-Derivatkontrakte über eine<br />

zentrale Gegenpartei abzuwickeln gilt für Finanzinstitute sowie für <strong>and</strong>ere Firmen, die über große<br />

OTC-Derivatpositionen verfügen. Der Vorschlag sieht einige begrenzte Ausnahmen vor, u. a. für<br />

Kontrakte von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes,<br />

Rentenfonds, EFSF, ESM, Zentralbanken, multilaterale Entwicklungsbanken, Förderbanken<br />

auf Bundesebene und Transaktionen innerhalb einer Gruppe.<br />

Transaktionen innerhalb einer Gruppe: Gruppeninterne Geschäfte sind von der Verpflichtung zum<br />

zentralen Clearing befreit, müssen unter bestimmten Bedingungen jedoch mit Sicherheiten unterlegt<br />

werden.<br />

Indirektes Clearing: Es besteht die Möglichkeit der indirekten Teilnahme an der zentralen Abwicklung<br />

als Kunde eines Kunden eines Clearingmitglieds.<br />

Feststellung der Clearinggeeignetheit: Die Feststellung kann entweder „bottom-up“ oder „topdown“<br />

erfolgen. Im ersten Fall autorisiert die zuständige Aufsichtsbehörde den CCP eine bestimmte<br />

Derivateklasse abzurechnen und ESMA wird mittels technischer St<strong>and</strong>ards (welche dann formell<br />

von der Kommission erlassen werden müssen) einschätzen, ob diese Derivateklasse EU-weit zentral<br />

abgerechnet werden soll. Im zweiten Fall identifiziert ESMA in Eigeninitiative und das European<br />

Systemic <strong>Risk</strong> Board konsultierend Kontrakte, die der Clearingpflicht unterliegen sollten. Durch die<br />

zwei Herangehensweisen soll sichergestellt werden, dass alle geeigneten Derivateklassen auch<br />

tatsächlich zentral abgerechnet werden können.<br />

Rolle der ESMA: Neben der Ausarbeitung zahlreicher technischer St<strong>and</strong>ards (Durchführungsmaßnahmen)<br />

sowie der Feststellung, welche Kontrakte über zentrale Gegenparteien abgewickelt werden<br />

müssen, ist ESMA vor allem für die Registrierung und Beaufsichtigung der Transaktionsregister<br />

verantwortlich. Zudem unterstützt ESMA nationale Behörden bei der Zulassung und<br />

Beaufsichtigung von zentralen Gegenparteien, die in mehreren Mitgliedsstaaten aktiv sind.<br />

Meldung an Transaktionsregister: Alle Derivattransaktionen – also nicht nur OTC-Derivate – müssen<br />

an Transaktionsregister gemeldet werden. Aufsichtsbehörden haben Einblick in die von den<br />

Registern gesammelten Daten. Zusätzlich müssen die Register eingegangene Positionen unterteilt<br />

nach Derivateklassen in aggregierter Form veröffentlichen.<br />

Beh<strong>and</strong>lung von Drittl<strong>and</strong>sachverhalten: Zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister in Drittländern<br />

müssen von ESMA nach vorgegebenen Kriterien anerkannt werden. Dazu muss u. a. im


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Vorfeld die Europäische Kommission die gesetzlichen und aufsichtlichen Rahmenbedingungen in<br />

diesem Drittl<strong>and</strong> als gleichwertig („equivalent“) zu den europäischen St<strong>and</strong>ards eingestuft haben<br />

und ESMA muss ein Ko-operationsabkommen mit der zuständigen Aufsichtsbehörde des Drittl<strong>and</strong>s<br />

abgeschlossen haben. Im Falle von Transaktionsregistern muss zusätzlich ein Abkommen zwischen<br />

der Kommission und dem Drittl<strong>and</strong> hinsichtlich des gegenseitigen Zugangs zu Daten und des Informationsaustausches<br />

vorliegen.<br />

Anforderungen an zentrale Gegenparteien: Die Verordnung enthält umfassende Vorschriften zur<br />

Zulassung und Beaufsichtigung von zentralen Gegenparteien sowie die organisatorischen Anforderungen<br />

an diese. Es wird insofern auf die Titel III und IV der EMIR verwiesen.<br />

Interoperabilität: Die Interoperabilität von zentralen Gegenparteien im Falle von Aktienderivaten<br />

muss aufsichtlich genehmigt werden. Zentrale Gegenparteien haben ferner ein Zugangsrecht zu<br />

H<strong>and</strong>elsplätzen.<br />

Anforderungen an Transaktionsregister: Die Verordnung enthält umfassende Vorschriften für die<br />

Registrierung und Aufsicht von Transaktionsregistern sowie die Anforderungen an diese. Es wird<br />

insofern auf die Titel VI und VII der EMIR verwiesen.<br />

Bewertung<br />

Mehr Transparenz und Sicherheit in den OTC-Derivat-Märkten sind grundsätzlich zu begrüßen. Es<br />

bleibt abzuwarten, ob diese Ziele mit den vorgeschlagenen Maßnahmen erreicht werden können.<br />

Die selbständige Teilnahme am zentralen Clearing erfordert das Vorh<strong>and</strong>ensein einer bestimmten<br />

Infrastruktur sowie ein bestimmtes Derivatevolumen. Sämtliche Marktteilnehmer, welche diese<br />

Infrastruktur nicht vorhalten können oder ein zu geringes Volumen haben, müssen Derivate nach<br />

wie vor bilateral abrechnen können ohne erhöhte Eigenkapitalunterlegung und ohne <strong>and</strong>ere zusätzliche<br />

Benachteiligung. Die meisten Institute der europäischen Kreditwirtschaft, vor allem die kleineren<br />

Finanzinstitute oder Förderbanken, werden – im Zusammenhang mit einem zentralen Clearing<br />

– sog. Non Clearing Member (NCM) sein. Solche NCM haben die Möglichkeit, über ein<br />

General Clearing Member (GCM) die Anbindung an eine zentrale Gegenpartei zu erhalten.<br />

Adäquate Regelungen zur Verringerung des Ausfallrisikos in Bezug auf das GCM (Übertragbarkeit<br />

der Positionen und entsprechenden Sicherheiten auf ein <strong>and</strong>eres GCM im Falle der Insolvenz des<br />

GCM) sowie die Beteiligung der NCM an den Vorteilen des zentralen Clearings wie erleichterten<br />

Besicherungsanforderungen und erleichterter Eigenkapitalunterlegung (Nullgewichtung) sind notwendig.<br />

Für den Clearingzwang maßgebend sollte weniger die Vertragspartnerart, als vielmehr<br />

das mit der konkreten Transaktion verbundene Risiko sein.<br />

Verfahren<br />

Eine Überprüfung der Derivatemärkte wurde von der Kommission im Oktober 2008 eingeleitet.<br />

Im November 2008 beauftragte die Kommission eine hochrangige Gruppe unter dem Vorsitz von<br />

Jacques de Larosière mit der Ausarbeitung von Empfehlungen zur Zukunft der europäischen<br />

Finanzmarktregulierung und Überwachung. Am 25. Februar 2009 legte die de Larosière-Gruppe<br />

ihren Schlussbericht vor.<br />

Am 17. Februar 2009 wurde eine Zusage der großen CDS-Händler an die Kommission unterzeichnet,<br />

bis 31. Juli 2009 mit dem Clearing geeigneter CDS mittels einer oder mehrerer europäischer<br />

CCP zu beginnen.<br />

In der Mitteilung der Kommission „Impulse für den Aufschwung in Europa“ vom 4. März 2009<br />

wurden Maßnahmen im Bereich Derivate angekündigt.<br />

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II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

128<br />

Auf dem G20-Gipfel in London Anfang April 2009 verpflichteten sich die Teilnehmer, die St<strong>and</strong>ardisierung<br />

und die Widerst<strong>and</strong>sfähigkeit der Kreditderivatemärkte zu fördern, insbesondere durch die<br />

Einrichtung von zentralen Clearing-Gegenparteien, die einer wirksamen Regulierung und Aufsicht<br />

unterworfen sind.<br />

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19. Juni 2009 sprachen sich die EU Staatsund<br />

Regierungschefs für mehr Transparenz und Stabilität der Derivatemärkte aus.<br />

Die Kommission veröffentlichte daraufhin am 3. Juli 2009 die Mitteilung „Gewährleistung effizienter,<br />

sicherer und solider Derivatemärkte“ mit Vorschlägen für weitere Maßnahmen. Parallel dazu<br />

legte die Kommission ein Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen vor, das einen Überblick<br />

über die Derivatemärkte und die OTC-Derivatemarktsegmente gibt sowie eine Bewertung der<br />

Wirksamkeit der derzeitigen Maßnahmen zur Risikoreduzierung vornimmt, insbesondere hinsichtlich<br />

Credit Default Swaps (CDS). Zur Mitteilung konnte bis 31. August 2009 Stellung genommen<br />

werden. Eine Konferenz zu dem Thema f<strong>and</strong> am 25. September 2009 statt.<br />

Auf dem G20-Gipfel in Pittsburgh am 25. September 2009 verpflichteten sich die Teilnehmer, dass<br />

bis spätestens Ende 2012 alle st<strong>and</strong>ardisierten OTC-Derivatkontrakte an Börsen oder auf elektronischen<br />

H<strong>and</strong>elsplattformen geh<strong>and</strong>elt werden sollen, sofern dies möglich ist, und durch zentrale<br />

Gegenparteien abgewickelt werden sollen. OTC-Derivatkontrakte sollen an Transaktionsregister<br />

gemeldet werden. Kontrakte, die nicht zentral abgewickelt werden, sollen Gegenst<strong>and</strong> höherer<br />

Kapitalanforderungen sein.<br />

Am 20. Oktober 2009 veröffentlichte die Kommission eine weitere Mitteilung zum Thema, die<br />

konkret zukünftige Politikvorhaben aufzeigt. Der Mitteilung wurde ein Dokument mit Antworten zu<br />

häufigen Fragen beigefügt.<br />

In ihrem Arbeitsprogramm für 2010 kündigte die Kommission Gesetzgebungsvorschläge zur<br />

Marktinfrastruktur für das zweite Quartal 2010 und zu Kreditausfallversicherungen für das dritte<br />

Quartal an. Zu Beginn des Jahres führte die Kommission eine Reihe von Diskussionsrunden mit<br />

Vertretern der Mitgliedstaaten durch, wobei sie Fragen zur Clearingpflicht von Derivaten, Anforderungen<br />

an zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, die Einbeziehung von Industrieunternehmen<br />

und von Wechselkursderivaten erörterte.<br />

In der Mitteilung „Regulierung von Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ vom<br />

2. Juni 2010 bekräftigte die Kommission die Wichtigkeit der Gesetzgebungsvorhaben. Vom<br />

14. Juni 2010 bis zum 10. Juli 2010 konsultierte die Kommission öffentlich ihre Absichten zur Infrastruktur<br />

der Derivatemärkte.<br />

Die Kommission veröffentlichte den Verordnungsvorschlag über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien<br />

und Transaktionsregister am 15. September 2010.<br />

Das Europäische Parlament hat die Verordnung am 3. Juli 2012 angenommen, der Rat folgte am<br />

4. Juli 2012.<br />

Die Verordnung wurde am 27. Juli 2012 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Vorarbeiten des Europäischen Parlaments:<br />

Um auf die Ausarbeitung der Gesetzgebungsvorschläge möglichst frühzeitig einwirken zu können,<br />

befasste sich der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments mit dem<br />

Thema, aufgehängt an den beiden Mitteilungen der Kommission, in Form eines Initiativberichts,<br />

welcher vom Plenum des Parlaments am 15. Juni 2010 als Entschließung angenommen wurde.<br />

Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (ESME):<br />

ESME gab bereits am 8. Juli 2008 einen Bericht zu Rohstoffderivaten heraus. Am 16. November 2009<br />

äußerte die Gruppe ihre Ansicht zur Transparenz von Beteiligungen an Derivaten mit Barausgleich.


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II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

CESR Vorarbeiten:<br />

Vom 15. Mai 2008 bis zum 1. August 2008 konsultierten CESR und CEBS gemeinsam zu Rohstoffmärkten.<br />

Eine öffentliche Anhörung f<strong>and</strong> am 7. Juli 2008 statt, der Ratschlag wurde am 15. Oktober<br />

2008 an die Kommission übers<strong>and</strong>t.<br />

Die Derivatemärkte wurden insbesondere betroffen durch CESR’s Arbeiten in den Bereichen Markttransparenz,<br />

Leerverkäufe, Meldepflichten, Transaktionsberichte und Marktinfrastruktur. Die konkreten<br />

Konsultationen und Leitlinien sind in den Kapiteln zur Marktmissbrauchs-Richtlinie, Transparenz-<br />

Richtlinie, MiFID, Leerverkäufen sowie Clearing und Settlement aufgelistet.<br />

Durchführungsmaßnahmen:<br />

Zur Vorbereitung der den Grundtext ergänzenden Durchführungsmaßnahmen (delegierte Rechtsakte<br />

in Form von technischen St<strong>and</strong>ards) konsultierte ESMA ein Diskussionspapier zur EMIR vom<br />

16. Februar bis zum 19. März 2012, die EBA ein Diskussionspapier zu Kapitalanforderungen an<br />

CCPs und die drei europäischen Aufsichtsbehörden gemeinsam ein Diskussionspapier zur Risikominderung<br />

bei nicht zentral abgerechneten Derivaten vom 6. März bis zum 2. April 2012.<br />

Die entsprechenden technischen St<strong>and</strong>ards wurden im Entwurfsstadium von der EBA vom 15. Juni<br />

bis zum 31. Juli 2012 und von der ESMA vom 25. Juni bis zum 5. August 2012 konsultiert.<br />

Die fertigen St<strong>and</strong>ards müssen der Kommission bis zum 30. September 2012 übermittelt werden.<br />

Kontrahentenausfallrisiko:<br />

Gesetzgebungsinitiativen zum Kontrahentenausfallrisiko erfolgten komplementär zu den Arbeiten<br />

an der Infrastruktur der Derivatemärkte.<br />

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht konsultierte zur Stärkung der Widerst<strong>and</strong>sfähigkeit des<br />

Bankensektors vom 17. Dezember 2009 bis zum 16. April 2010. Vom 26. Februar 2010 bis zum<br />

16. April 2010 konsultierte die Kommission zur Vorbereitung ihrer vierten Version der CRD. Das<br />

Kontrahentenausfallrisiko war jeweils Teil der Konsultation.<br />

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht konsultierte die Kapitalunterlegung von Positionen, die<br />

Banken gegenüber zentralen Gegenparteien halten, gesondert vom 20. Dezember 2010 bis zum<br />

4. Februar 2011. Die Europäische Kommission folgte mit einer Konsultation speziell zum Kontrahentenausfallrisiko<br />

vom 9. Februar bis zum 9. März 2011.<br />

Der Kommissionsvorschlag zur CRD IV/CRR wurde am 20. Juli 2011 veröffentlicht (siehe eigenes<br />

Kapitel).<br />

Rohstoffderivate:<br />

Am 21. September 2010 veranstaltete die Kommission zur Vorbereitung der Überarbeitung der<br />

MiFID eine öffentliche Anhörung zu Rohstoffderivaten. Das Thema ist Gegenst<strong>and</strong> der Überarbeitung<br />

der MiFID. Am 2. Februar 2011 legte die Kommission zudem ein Strategiepapier zu den Entwicklungen<br />

in den Finanz- und physischen Rohstoffmärkten vor (KOM (2011) 25).<br />

Referenz<br />

KOM (2009) 332 (Mitteilung) vom 03.07.2009 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2009) 563 (Mitteilung) vom 20.10.2009 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2010) 484 (Verordnungsvorschlag) vom 15.09.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht<br />

648/2012/EU (Verordnung) vom 04.07.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 201/1 vom 27.07.2012<br />

129<br />

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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

1. Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie über<br />

Anlegerentschädigungssysteme<br />

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der<br />

Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Systeme für die Entschädigung<br />

der Anleger<br />

Inhalt<br />

130<br />

Im Zuge ihrer Arbeiten zur Schaffung eines sichereren und solideren Finanzsystems, zur Abwendung<br />

künftiger Krisen und zur Wiederherstellung des Verbrauchervertrauens in Folge der Finanzkrise<br />

hat die Europäische Kommission Änderungen an der Richtlinie über die Entschädigung der<br />

Anleger (97/9/EG) vorgeschlagen, durch die Kleinanleger besser geschützt werden sollen.<br />

Mit den vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie sollen die Effizienz der Vorschriften zum Anlegerschutz<br />

erhöht, Wettbewerbsgleichheit hinsichtlich der Art der geschützten Finanzinstrumente<br />

hergestellt sowie eine ausreichende Finanzierung und das Vorh<strong>and</strong>ensein der erforderlichen Regelungen<br />

für die Entschädigung der Anleger gewährleistet werden.<br />

Die wesentlichen Elemente des Vorschlags:<br />

■ Die Entschädigungssumme soll von 20.000 EUR auf 50.000 EUR pro Anleger angehoben werden.<br />

■ Anleger sollen künftig spätestens neun Monate nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einer<br />

Wertpapierfirma entschädigt werden. Dieses Zeitfenster ist erforderlich, um den zuständigen<br />

Behörden eine Untersuchung der Angelegenheit und die Klärung der Position einzelner Anleger<br />

zu ermöglichen.<br />

■ Anleger sollen künftig klarere und umfassendere Informationen darüber erhalten, inwieweit<br />

ihre Vermögenswerte abgesichert sind.<br />

■ Der Kommissionsvorschlag sieht eine Mindestausstattung („Zielausstattung“) vor, deren Finanzierung<br />

in vollem Umfang vorab sicherzustellen ist. Bei Bedarf können die Systeme als letztes<br />

Mittel Kredite in begrenzter Höhe bei <strong>and</strong>eren Systemen aufnehmen (gegenseitige Kreditvergabe)<br />

oder auf <strong>and</strong>ere Finanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen. Das Entschädigungssystem<br />

wird aus Beiträgen der Wertpapierfirmen finanziert.<br />

■ Zukünftig sollen Anleger geschützt sein, wenn eine Wertpapierfirma die Vermögenswerte ihrer<br />

Kunden einem als Verwahrer agierenden Dritten anvertraut und dieser zahlungsunfähig wird<br />

und die Vermögenswerte nicht zurückgibt oder Inhaber von Investmentfondsanteilen Verluste<br />

erleiden, wenn eine Verwahrstelle oder eine Unterdepotbank des Fonds ausfällt (Konsequenz<br />

des Madoff-Anlagebetrugs im Jahr 2008).<br />

Bewertung<br />

Die deutliche Anhebung des Entschädigungsbetrages auf 50.000 EUR unter Fortfall des bisherigen<br />

Selbstbehalts des Kunden wird kritisch gesehen. Anders als der Einlagenkunde weiß der Anleger,<br />

dass er, z. B. mit Blick auf eine erwartete Rendite, ein gewisses Risiko eingeht, über das er bei<br />

Vertragsabschluss umfassend aufgeklärt wird. Insofern ist es ihm, wie bisher, zuzumuten, hierfür


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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

durch den Selbstbehalt in eine betraglich begrenzte Mithaftung zu gehen. Auch der höhere Sicherungsbetrag<br />

ist angesichts des dem Kunden bewussten höheren Risikos einer Anlage nicht sachgerecht.<br />

Vielmehr könnte dieser Anstöße zu neuen Betrugsszenarien geben, bei denen die Kunden<br />

und Anbieter unter bewusster und gezielter Ausnutzung der Sicherungsgrenzen besonders<br />

gewagte und daher ggf. besonders renditestarke Anlageprodukte kontrahieren. Der Schaden kann<br />

dann auf die Sicherungseinrichtung abgewälzt werden.<br />

Auch die vorgesehene Verkürzung der Auszahlungsfristen wird der spezifischen Situation des<br />

Anlegers nicht gerecht: Anders als der Einlagenkunde trifft der Anlagenkunde eine langfristige<br />

Investitionsentscheidung, legt mithin Geld für einen längeren Zeitraum an, das er gerade nicht für<br />

den täglichen Bedarf benötigt. Insofern sind kürzere Auszahlungsfristen hier sachlich nicht erforderlich<br />

und der hiermit einhergehende deutlich höhere Aufw<strong>and</strong> nicht gerechtfertigt.<br />

Zu den neuen Finanzierungsvorgaben der Anlegerentschädigungseinrichtungen wird auf die entsprechende<br />

Bewertung zur Einlagensicherungsrichtlinie verwiesen. Auch hier sind die Vorstellungen<br />

der Kommission deutlich überzogen und dürften von den betroffenen Unternehmen kaum<br />

umgesetzt werden können.<br />

Verfahren<br />

Im Februar 2005 unterzog die Kommission die Anlegerentschädigungs-Richtlinie einer Evaluierung,<br />

welche in eine Reihe von Empfehlungen mündete. Die Evaluierung wurde begleitet von der Studie<br />

“Description <strong>and</strong> assessment of the national investor compensation schemes established in<br />

accordance with Directive 97/9/EC”.<br />

Am 9. Februar 2009 lancierte die Kommission eine Sondierung betreffend die Überarbeitung der<br />

Anlegerentschädigungs-Richtlinie. Die Sondierung konzentrierte sich auf den Anwendungsbereich<br />

der Richtlinie in Bezug auf die abgedeckten Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit der<br />

MiFID, die Höhe der Entschädigungsleistungen, die Finanzierung der Entschädigungssysteme, die<br />

Staffelung nicht gezahlter Erstattungsschulden und die Erstattungsfrist sowie die Beh<strong>and</strong>lung von<br />

Geldmarktfonds. Die Sondierung lief bis zum 8. April 2009.<br />

In ihrer Mitteilung vom 4. März 2009 „Impulse für den Aufschwung in Europa“ bekräftigte die<br />

Kommission die Notwendigkeit der Überarbeitung der Anlegerentschädigungs-Richtlinie als Teil<br />

der Maßnahmen zur Überwindung der Folgen der Finanzkrise. Dementsprechend f<strong>and</strong> sich die<br />

beabsichtigte Überarbeitung im Arbeitsprogramm der Kommission für 2010 und in der Mitteilung<br />

„Regulierung von Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ vom 2. Juni 2010 wieder.<br />

Am 12. Juli 2010 nahm die Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag zur Änderung der Anlegerentschädigungs-Richtlinie<br />

an.<br />

Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments stimmte über seinen<br />

finalen Bericht am 13. April 2011 ab. Das Plenum bestätigte das Votum am 5. Juli 2011.<br />

Der Ministerrat einigte sich am 18. November 2011 auf eine allgemeine Herangehensweise.<br />

Im Hinblick auf die Verzögerungen bei der Überarbeitung der Einlagensicherungsrichtlinie (siehe<br />

eigenes Kapitel) wurden die Verh<strong>and</strong>lungen zwischen Parlament, Rat und Kommission über die<br />

endgültige Fassung bis auf weiteres zurückgestellt.<br />

Referenz<br />

KOM (2010) 371 (Richtlinienvorschlag) vom 12.07.2010 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

131<br />

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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

2. Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für<br />

Finanzinstrumente (MiFID)<br />

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für<br />

Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung [EMIR] über OTC-Derivate, zentrale<br />

Gegenparteien und Transaktionsregister und Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie<br />

2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung)<br />

Inhalt<br />

132<br />

Das vorgeschlagene Legislativpaket zur Überarbeitung der MiFID besteht aus einer Richtlinie und<br />

einer Verordnung, deren Ziel es ist, die Finanzmärkte effizienter, widerst<strong>and</strong>sfähiger und transparenter<br />

zu machen und den Anlegerschutz zu stärken. Zudem sollen die Aufsichtsbefugnisse der<br />

Regulierungsbehörden ausgeweitet und klare Verfahrensregeln für alle H<strong>and</strong>elstätigkeiten vorgeben<br />

werden.<br />

Richtlinienvorschlag:<br />

Ausweitung der Regeln auf gleichartige Produkte und Dienstleistungen: Die MiFID-Anforderungen<br />

werden auf den Verkauf strukturierter Einlagen von Kreditinstituten mit und ohne Beratung ausgeweitet.<br />

Die MiFID gilt auch für Wertpapiere von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, die ihre<br />

eigenen Wertpapiere verkaufen, wenn sie keine Beratung leisten.<br />

Ausnahmen: Die MiFID enthielt bislang drei Ausnahmen, um Personen auszuschließen, die für<br />

eigene Rechnung ausschließlich, als Nebentätigkeit einer <strong>and</strong>eren nicht finanziellen Unternehmenstätigkeit<br />

oder als Teil einer nicht finanziellen Tätigkeit beim H<strong>and</strong>el mit Waren mit Finanzinstrumenten<br />

h<strong>and</strong>eln. Die Ausnahmen werden nun auf Tätigkeiten beschränkt, die für die MiFID<br />

weniger zentral sind und Eigengeschäfte betreffen bzw. gewerblicher Natur sind oder keinen<br />

Hochfrequenzh<strong>and</strong>el darstellen.<br />

Anpassungen des Marktstrukturrahmens: Als Ergänzung zu den geregelten Märkten und multilateralen<br />

H<strong>and</strong>elssystemen (MTF) wird die Kategorie des organisierten H<strong>and</strong>elssystems (OTF) als<br />

H<strong>and</strong>elsplatz eingeführt. Im Gegensatz zu geregelten Märkten und MTF verfügt ein OTF über einen<br />

Ermessensspielraum hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung eines Geschäfts. Es gelten<br />

Anlegerschutzbestimmungen, Wohlverhaltensregeln und die Verpflichtung zur kundengünstigsten<br />

Ausführung. OTF dürfen bei H<strong>and</strong>elsaktivitäten kein eigenes Kapital einsetzen.<br />

Corporate Governance: Die Vorschriften zur Corporate Governance werden hinsichtlich Profil,<br />

Rolle, Verantwortlichkeiten und Zusammensetzung der Leitungsebene und der Aufsichtsebene<br />

verschärft. Mitglieder des Leitungsorgans müssen über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

verfügen und die Risiken verstehen, die mit der Tätigkeit der Firma verbunden sind.<br />

Organisatorische Anforderungen: Alle Akteure, die im Hochfrequenzh<strong>and</strong>el tätig sind, sollen abgedeckt<br />

werden. Von diesen Firmen und denen, die den Marktzugang zu Hochfrequenzhändlern<br />

anbieten, werden organisatorische Sicherheitsvorkehrungen verlangt. H<strong>and</strong>elsplätzen wird vorgeschrieben,<br />

Risikokontrollen vorzusehen.


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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Anlegerschutz: Der Rechtsrahmen für Anlageberatung und Portfolioverwaltung wird verschärft und<br />

die Möglichkeit von Wertpapierfirmen, Anreize von Drittparteien anzunehmen, eingeschränkt. Die<br />

Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen Anleger auf dem Markt für bestimmte nicht komplexe<br />

Instrumente mit minimalen Pflichten bzw. minimalem Schutz von Seiten ihrer Wertpapierfirma<br />

frei Geschäfte tätigen können, werden festgelegt. Ein Rahmen für den Umgang mit Querverkäufen<br />

wird eingeführt. Die Anforderungen an den Umgang mit Kundengeldern oder -instrumenten<br />

durch Wertpapierfirmen und Vermittler werden erhöht. Die Verwahrung von Finanzinstrumenten<br />

wird als Wertpapierdienstleistung klassifiziert.<br />

Wertpapierdienstleistungen für <strong>and</strong>ere Anleger als Kleinanleger: Die Klassifizierung von kommunalen<br />

Behörden und Gebietskörperschaften wird angepasst. Der Grundsatz, ehrlich, redlich und<br />

professionell zu h<strong>and</strong>eln, und die Verpflichtung, fair und klar zu sein und den Anleger nicht in die<br />

Irre zu führen, soll unabhängig von der Kategorie des Kunden gelten. Geeignete Gegenparteien<br />

sollen bessere Informationen und Dokumentationen für die geleisteten Dienstleistungen erhalten.<br />

Anforderungen an H<strong>and</strong>elsplätze: H<strong>and</strong>elsplätze müssen Jahresdaten über die Ausführungsqualität<br />

veröffentlichen. H<strong>and</strong>elsplätze, auf denen warenunterlegte Derivatkontrakte geh<strong>and</strong>elt werden,<br />

müssen Obergrenzen oder alternative Regelungen beschließe und den Regulierungsbehörden<br />

systematische, detaillierte und st<strong>and</strong>ardisierte Informationen über Positionen zur Verfügung stellen.<br />

KMU-Märkte: Eine neue Kategorie „KMU-Wachstumsmärkte“ wird eingeführt. Eine MTF kann sich<br />

unter Bedingungen als KMU-Wachstumsmarkt registrieren lassen.<br />

Drittländer: Wertpapierfirmen aus Drittländern können bei ESMA eine Zulassung für die Erbringung<br />

von Dienstleistungen in der EU beantragen, sofern die Kommission die Gleichwertigkeit der<br />

relevanten Rechtsordnung des jeweiligen Drittl<strong>and</strong>s festgestellt hat. Die Erbringung von Dienstleistungen<br />

für Kleinanleger würde die Gründung einer Zweigniederlassung erfordern.<br />

Datenkonsolidierung: Alle Wertpapierfirmen müssen ihre H<strong>and</strong>elsberichte über genehmigte Veröffentlichungssysteme<br />

(Approved Publication Arrangement – APA) veröffentlichen. Die Genehmigungsverfahren<br />

und Organisationsanforderungen für solche Systeme und die Bedingungen für<br />

Anbieter konsolidierter Datenticker werden festgelegt.<br />

Derivatepositionen: Regulierungsbehörden sollen von jeder Person Angaben zu den Positionen<br />

verlangen können, die sie in derivativen Instrumenten sowie in Emissionszertifikaten hält. Sie sollen<br />

jederzeit während des Bestehens eines Derivatkontrakts auf eine Verringerung der Position<br />

hinwirken können. Positionen sollen zudem im Voraus beschränkt werden können. Alle Maßnahmen<br />

sollen ESMA gemeldet werden.<br />

Sanktionen: Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass bei Verstößen gegen die MiFID geeignete<br />

Verwaltungssanktionen und -maßnahmen zur Anwendung kommen. Die Richtlinie legt Mindestanforderungen<br />

fest.<br />

Emissionszertifikate: Die Sekundärmärkte für EU-Emissionszertifikate sollen der Finanzmarktregulierung<br />

unterworfen werden. Für Kassa- und Derivatemärkte wäre dann eine einzige Aufsichtsbehörde<br />

zuständig. MiFID und MAD finden Anwendung.<br />

133<br />

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III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

134<br />

Verordnungsvorschlag:<br />

Transparenz: Die für Aktien geltenden Transparenzvorschriften werden auf eigenkapitalähnliche<br />

Instrumente wie Aktienzertifikate, börsengeh<strong>and</strong>elte Fonds, Zertifikate und ähnliche von Unternehmen<br />

ausgegebene Finanzinstrumente ausgeweitet. Die Transparenzanforderungen werden auch<br />

für verbindliche Interessenbekundungen („actionable indications of interest“, IOI) gelten.<br />

Vorh<strong>and</strong>elstransparenz für Aktienmärkte: Die zuständigen Behörden werden verpflichtet, ESMA<br />

über die Anwendung von Ausnahmeregelungen an ihren jeweiligen Märkten zu unterrichten, so<br />

dass ESMA deren Rechtmäßigkeit prüfen kann.<br />

Transparenzvorschriften für <strong>and</strong>ere Finanzinstrumente als Aktien: Der Anwendungsbereich wird<br />

auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate ausgeweitet.<br />

Es werden Anforderungen an Vor- und Nachh<strong>and</strong>elstransparenz festgelegt, die für alle<br />

Arten von H<strong>and</strong>elsplätzen dieselben, jedoch auf die jeweiligen Instrumente zugeschnitten sind. Die<br />

zuständigen Behörden werden Ausnahmen von der Vorh<strong>and</strong>elstransparenz bei bestimmten Arten<br />

von Instrumenten und Geschäften gewähren können. Bei der Nachh<strong>and</strong>elstransparenz ist in<br />

bestimmten Fällen eine spätere Veröffentlichung möglich.<br />

Datenkonsolidierung: H<strong>and</strong>elsplätze müssen Nachh<strong>and</strong>elsinformationen binnen 15 Minuten nach<br />

Ausführung eines Geschäfts kostenlos verfügbar machen und Vor- und Nachh<strong>and</strong>elsdaten getrennt<br />

vonein<strong>and</strong>er bereitstellen. Wertpapierfirmen müssen OTC-Geschäfte über genehmigte Veröffentlichungssysteme<br />

publik machen.<br />

Transparenz für im OTC-H<strong>and</strong>el tätige Wertpapierfirmen: Im Fall von Schuldverschreibungen, strukturierten<br />

Finanzprodukten, Emissionszertifikaten und Derivaten werden Transparenzvorschriften für<br />

systematische Internalisierer vorgeschlagen. Für Aktien und eigenkapitalähnliche Instrumente<br />

wird eine Mindestkursoffertengröße eingeführt und die Angabe von Brief- und Geldkurs vorgeschrieben.<br />

Die Vorschriften zur Nachh<strong>and</strong>elstransparenz entsprechen denen für H<strong>and</strong>elsplätze und<br />

sollen auf Aktien, Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und<br />

Derivate angew<strong>and</strong>t werden.<br />

Meldung von Geschäften: Alle Geschäfte mit Finanzinstrumenten sind Transaktionsregistern und<br />

von diesen an die zuständigen Behörden zu melden. Ausgenommen sind Geschäfte mit Finanzinstrumenten,<br />

die nicht organisiert geh<strong>and</strong>elt werden und bei denen nicht die Gefahr eines Marktmissbrauchs<br />

besteht. Die zuständigen Behörden sollen in allen Phasen der Auftragsausführung uneingeschränkten<br />

Zugang zu den Aufzeichnungen haben. Auftragsdaten müssen für die Aufsichtsbehörden<br />

mindestens fünf Jahre lang zugänglich sind. Die abgespeicherten Informationen müssen sämtliche<br />

Meldeinformationen umfassen. Es soll eine bessere Identifizierung der Kunden sowie der für die<br />

Ausführung eines Geschäfts verantwortlichen Personen ermöglicht werden. H<strong>and</strong>elsplätze müssen<br />

Einzelheiten zu Geschäften melden, welche von Firmen getätigt wurden, die nicht den allgemeinen<br />

Meldepflichten unterliegen. Die Meldung muss über Meldemechanismen erfolgen, die von den<br />

zuständigen Behörden genehmigt wurden. Wertpapierfirmen müssen die entsprechenden Informationen<br />

weitergeben, wenn sie einer <strong>and</strong>eren Firma einen Auftrag übermitteln.<br />

Derivateh<strong>and</strong>el: Der H<strong>and</strong>el mit entsprechend entwickelten Derivaten soll ausschließlich an geregelten<br />

Märkten, MTF oder OTF stattfinden.<br />

Zugang zum Clearing: Die Verordnung soll diskriminierende Praktiken unterbinden und Barrieren<br />

abbauen bzw. deren Errichtung verhindern, die dem Wettbewerb beim Clearing von Finanzinstrumenten<br />

entgegenstehen können.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Überwachung von Produkten und Positionen: Zuständige Behörden können Produkte, Praktiken und<br />

Dienstleistungen in Abstimmung mit ESMA verbieten. ESMA kann dies vorübergehend tun. Ein<br />

Verbot oder eine Beschränkung kann sich auf die Vermarktung oder den Verkauf von Finanzinstrumenten,<br />

auf eine bestimmte Praxis oder auf Personen beziehen. ESMA werden Befugnisse in<br />

Bezug auf das Positionsmanagement und die Festsetzung von Positionslimits übertragen.<br />

Die Einrichtung einer neuen Gruppe von H<strong>and</strong>els(platt)formen – OTF – ist grundsätzlich nicht kritisch.<br />

Allerdings sollten nicht bereits auf MiFID-Ebene Untergruppen gebildet werden. Systemwidrig<br />

ist die Vorgabe, ab einem gewissen Schwellenwert werde aus einem OTF ein MTF und müsse<br />

die entsprechenden Vorgaben erfüllen. OTC-Geschäfte sollten weiterhin von OTF abgrenzbar sein.<br />

Auch klassische Festpreisgeschäfte sollten nicht unter OTF fallen. Die Vorgabe, OTC-Derivate über<br />

geregelte Plattformen zu h<strong>and</strong>eln, würde umso unproblematischer, je weiter OTF für Derivate<br />

gefasst werden. Schwierig dürfte die Feststellung sein, wann genügend Liquidität vorliegt. Unter<br />

dem Aspekt der Transparenz ist nicht ersichtlich, welche Verbesserung sich aus einem H<strong>and</strong>el von<br />

Derivaten über eine Plattform ergibt. Es gibt in der Regel wenige Produkte, die sich im Hinblick auf<br />

die Preise vergleichen lassen.<br />

Im Falle des Hochfrequenzh<strong>and</strong>els ist ein Zulassungserfordernis für die als Eigenhändler auftretenden<br />

HF-Händler zu begrüßen. Den Börsen sollte im Rahmen der Selbstorganisation die Möglichkeit<br />

gegeben werden, sich vor negativen Auswirkungen des HFH zu schützen. Allerdings erzielen diese<br />

durch HFH Erträge, die zu Interessenkonflikten bei gebotenen Einschränkungen führen könnten.<br />

Diese potenziellen Konflikte könnten durch Zuweisung entsprechender Kompetenzen an die öffentlich-rechtlich<br />

organisierten H<strong>and</strong>elsüberwachungsstellen oder einer unabhängigen Compliance-<br />

Funktion vermieden werden. Kollateralschäden beim normalen computergestützten H<strong>and</strong>el sind zu<br />

vermeiden. Ein Verbot des HFH oder Gestaltungen, die zu einer deutlichen faktischen Einschränkung<br />

führten, sollte es aufgrund mangelnder Abgrenzbarkeit nicht kommen.<br />

Im Hinblick auf Vorh<strong>and</strong>elstransparenz wären europaweit einheitliche Freistellungen sinnvoll.<br />

Reste von Großorders sollten nicht veröffentlicht werden müssen, da sie noch Effekte auf den<br />

Markt haben könnten. Außerdem sollten die Schwellen für die Ausnahme von Großorders verringert<br />

werden, da sich die durchschnittlichen Ordergrößen vermindert haben. Eine Verkürzung der<br />

Meldefristen zur Verbesserung der Nachh<strong>and</strong>elstransparenz ist abzulehnen. Sinnvoller wäre eine<br />

europaweit einheitliche Anwendung der bestehenden Regeln. Die aktuellen Fristen sollten beibehalten<br />

werden.<br />

Die Kundenkategorisierung der MiFID sollte unverändert beibehalten werden, da sie sich bewährt<br />

hat. Die von der Kommission für geeignete Gegenparteien eingebrachten Aspekte werden bereits<br />

heute erfüllt, weshalb eine Modifikation nicht erforderlich ist. Im Hinblick auf die Klassifizierung<br />

von Kommunen sollten zumindest große Städte der Gruppe professionelle Kunden zugeordnet<br />

werden. Die Merkmale zur Hochstufung kommunaler Einrichtungen müssen praxistauglich angepasst<br />

werden.<br />

135<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

136<br />

Der Gesetzgebungsvorschlag zur Überarbeitung der MiFID war ursprünglich für Ende 2010 vorgesehen.<br />

Im Auftrag der Kommission hatte CESR durch Konsultation der Marktteilnehmer im April 2010<br />

damit begonnen, zu ausgewählten Themen technische Ratschläge auszuarbeiten. Die Kommission<br />

selbst beschäftigt sich bereits seit Anfang Dezember 2009 im Rahmen einer Serie informeller Diskussionsrunden<br />

mit Experten mit der Transparenz in <strong>and</strong>eren Märkten als Aktienmärkten, dem<br />

Hochfrequenzh<strong>and</strong>el, den Wohlverhaltensregeln und der bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen.<br />

Die Diskussionsrunden dauerten bis Ende Januar 2010. In der Mitteilung „Regulierung<br />

von Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ vom 2. Juni 2010 betont die Kommission<br />

die Wichtigkeit von Verbesserungen der MiFID zur Stärkung von Vor- und Nachh<strong>and</strong>elstransparenz<br />

und um Derivate auf organisierte H<strong>and</strong>elsplätze zu bringen.<br />

Am 30. Juli 2010 veranstaltete die Kommission eine öffentliche Anhörung zur Überarbeitung der<br />

MiFID.<br />

Das Europäische Parlament nahm am 14. Dezember 2010 eine Entschließung zum Thema „H<strong>and</strong>el<br />

mit Finanzinstrumenten – Dark Pools, etc.“ an.<br />

Die Kommission konsultierte die möglichen Regelungsgegenstände der Überarbeitung der MiFID<br />

vom 8. Dezember 2010 bis zum 2. Februar 2011.<br />

Am 20. Oktober 2011 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung und eine Richtlinie<br />

vor. Die beiden Vorschläge werden derzeit im Europäischen Parlament und im Ministerrat<br />

erörtert.<br />

Arbeiten des CESR:<br />

Leitlinien:<br />

Leitlinien zu Transaktionsberichten im Falle von OTC-Derivaten wurden am 8. Oktober 2010 veröffentlicht;<br />

Ratschlag:<br />

Der Ratschlag zu mikrostrukturellen Fragen der Europäischen Aktienmärkte wurde am 13. Oktober<br />

2010 veröffentlicht;<br />

Der Ratschlag zur Überarbeitung der MiFID zu den Themen Transaktionsberichte, Anlegerschutz<br />

und Finanzintermediäre sowie Sekundärmärkte sowie zur Transparenz in <strong>and</strong>eren Märkten als<br />

Aktienmärkten wurde am 29. Juli 2010 veröffentlicht.<br />

Der Ratschlag zur Kundenkategorisierung und zur St<strong>and</strong>ardisierung von OTC-Derivaten und deren<br />

H<strong>and</strong>el auf organisierten H<strong>and</strong>elsplätzen wurde am 13. Oktober 2010 veröffentlicht.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Referenz<br />

Arbeiten der IOSCO:<br />

Am 12. August 2010 veröffentlichte IOSCO einen Bericht über Grundsätze für direkten elektronischen<br />

Marktzugang sowie am 15. Oktober 2010 Empfehlungen für Markteingriffe und Verbriefungen<br />

in sich entwickelnden Märkten. Am 18. Februar 2011 veröffentlichte IOSCO einen Bericht zu<br />

den Vorzügen vom Derivateh<strong>and</strong>el auf organisierten Plattformen. Grundsätze zur „dark liquidity“<br />

wurden am 20. Mai 2011 veröffentlicht.<br />

KOM (2011) 652 (Verordnungsvorschlag) vom 20.10.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 656 (Richtlinienvorschlag) vom 20.10..2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

137<br />

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B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

3. Überarbeitung der Richtlinie über Marktmissbrauch<br />

Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-<br />

Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) und Vorschlag für eine Richtlinie des<br />

Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-<br />

Geschäfte und Marktmanipulation<br />

Inhalt<br />

138<br />

Am 20. Oktober 2011 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über Insider-<br />

Geschäfte und Marktmanipulation veröffentlicht. Durch den Vorschlag soll der durch die Marktmissbrauchsrichtlinie<br />

geschaffene Rahmen zur Gewährleistung der Marktintegrität und des Anlegerschutzes<br />

modernisiert und gestärkt werden. In einer begleitenden Richtlinie schlägt die<br />

Kommission EU-weite Rechtsvorschriften vor, die Mindestvorgaben für strafrechtliche Sanktionen<br />

in Bezug auf Insider-Geschäfte und Marktmanipulation vorsehen.<br />

Die beiden Legislativvorschläge sind die ersten Vorschläge auf der Grundlage des Artikels 83<br />

Absatz 2 AEUV, der die Festlegung gemeinsamer strafrechtlicher Mindestvorschriften vorsieht.<br />

Verordnungsvorschlag:<br />

Geltungsbereich: Der Anwendungsbereich der bestehenden EU-Rechtsvorschriften für Finanzinstrumente<br />

wird so ausgedehnt, dass nun der H<strong>and</strong>el auf sämtlichen Plattformen sowie der außerbörsliche<br />

erfasst ist. Es wird klargestellt, welche Strategien des Hochfrequenzh<strong>and</strong>els eine verbotene<br />

Marktmanipulation darstellen, z. B. die Erteilung von H<strong>and</strong>elsaufträgen ohne H<strong>and</strong>elsabsicht<br />

zur Störung eines H<strong>and</strong>elssystems („Quote Stuffing“). Der Geltungsbereich wird zudem erweitert<br />

auf Marktmissbrauch sowohl an Warenmärkten als auch an den zugehörigen Derivatemärkten.<br />

Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse der Regulierungsbehörden: Die geltende Regelung für das<br />

Melden verdächtiger Transaktionen wird auf noch nicht ausgeführte H<strong>and</strong>elsaufträge und verdächtige<br />

OTC-Geschäfte erweitert. Regulierungsbehörden haben das Recht auf Zugang zu Datenverkehrsaufzeichnungen<br />

von Telekommunikationsgesellschaften. Sie werden zudem ermächtigt, bei<br />

begründetem Verdacht auf Insider-Geschäfte oder Marktmanipulation Privaträume zu betreten, um<br />

auf Dokumente zuzugreifen. Der Zugang zu Privaträumen bedarf einer vorherigen gerichtlichen<br />

Anordnung. Daneben werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, für den Schutz von Informanten<br />

Sorge zu tragen. In Bezug auf Anreize für die Übermittlung von Informationen über Marktmissbrauch<br />

soll es gemeinsame Regeln geben. Der Versuch der Marktmanipulation wird als Rechtsverstoß<br />

eingestuft. Die Geldbuße soll dabei grundsätzlich mindestens so hoch sein wie der aus dem<br />

Marktmissbrauch resultierende Gewinn, maximal doppelt so hoch.<br />

Verringerung des Verwaltungsaufw<strong>and</strong>s für KMU: Die Offenlegungspflichten für die an KMU-<br />

Märkten tätigen Emittenten werden an deren Erfordernisse angepasst. Die betroffenen Emittenten<br />

werden von der Pflicht zur Aufstellung von Insiderlisten befreit. Die Schwelle für die Meldung der<br />

Eigengeschäfte von Führungskräften wird angehoben.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Richtlinienvorschlag:<br />

Zwei Arten von Rechtsverstößen – Insider-Geschäfte und Marktmanipulation – werden definiert.<br />

Die Mitgliedstaaten sollen die vorsätzliche Begehung dieser Rechtsverstöße als Straftaten<br />

betrachten:<br />

■ Ein Insider-Geschäft ist gegeben, wenn eine Person, die über kursrelevante Insider-Informationen<br />

verfügt, mit den betreffenden Finanzinstrumenten H<strong>and</strong>el treibt.<br />

■ Marktmanipulation liegt vor, wenn eine Person die Kurse von Finanzinstrumenten durch Praktiken<br />

wie die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen künstlich manipuliert und<br />

mit den betreffenden Instrumenten Geschäfte tätigt, um einen Gewinn zu erzielen.<br />

Rückkauf- und Stabilisierungsprogramme, Tätigkeiten im Rahmen der Geldpolitik und des Staatsschuldenmanagements<br />

sowie Transaktionen mit Emissionszertifikaten im Rahmen der EU-Klimapolitik<br />

werden vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.<br />

Der Vorschlag verpflichtet die Mitgliedstaaten, Anstiftung und Beihilfe zu Insider-Geschäften und<br />

zur Marktmanipulation sowie versuchte Rechtsverstöße strafrechtlich zu ahnden. Die strafrechtliche<br />

und nicht-strafrechtliche Haftung wird dabei auf juristische Personen erweitert.<br />

Die Mitgliedstaaten müssen gewährleisten, dass die verhängten strafrechtlichen Sanktionen wirksam,<br />

verhältnismäßig und abschreckend sind.<br />

Die Reduktion von administrativen Lasten in der Marktmissbrauchs-Richtlinie wird begrüßt. Die<br />

Harmonisierung von Definitionen um diese insbesondere mit jenen der MiFID in Gleichklang zu<br />

bringen wird unterstützt. Anstelle systemischer Abwehr- und Aufdeckungsmechanismen zur Meldung<br />

von Verdachtsfällen ist eine Pflicht, effektive Maßnahmen zu ergreifen und Prozesse einzurichten,<br />

vorzugswürdig. Die Definition des Begriffes „Insider-Information“ ist zu weitgehend. Die<br />

Abgrenzung zwischen dem Versuch des Marktmissbrauchs und einer sanktionsfreien Vorbereitungsh<strong>and</strong>lung<br />

ist ungeklärt.<br />

139<br />

B


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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

140<br />

Die Expertengruppe Europäische Wertpapiermärkte (ESME) berichtete der Kommission am 11. Juli<br />

2007 über den gemeinschaftlichen Rechtsrahmen gegen Marktmissbrauch.<br />

Der Ausschuss der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) wurde von der Kommission<br />

gebeten, einen Bericht über die den Mitgliedsstaaten unter der Marktmissbrauchsrichtlinie zur<br />

Verfügung stehenden Verwaltungs-maßnahmen und strafrechtlichen Sanktionen zu erstellen. Der<br />

Bericht datiert auf den 22. November 2007, eine Zusammenfassung auf den 28. Februar 2008.<br />

CESR erstellte daneben verschiedene Leitlinien:<br />

■ im Mai 2005 erste Leitlinien zur Unterstützung einer konvergenten Umsetzung der Bestimmungen<br />

der Marktmissbrauchs-Richtlinie und deren Durchführungsbestimmungen;<br />

■ im Juli 2007 weitere Leitlinien zu Insiderinformationen;<br />

■ am 15. Mai 2009 ein drittes Leitlinienpaket betreffend die Harmonisierung der Anforderungen<br />

für Insider-Listen und „Suspicious Transaction Reporting (STR)“.<br />

Weitere Leitlinien, insbesondere zur Definition von Insider-Informationen, sollen zu einem späteren<br />

Zeitpunkt folgen. Die Marktmissbrauchsrichtlinie wurde betroffen von den gemeinsamen Konsultationen<br />

von CESR und ERGEG im Zusammenhang mit dem dritten Energiepaket. CESR veröffentlichte<br />

zudem am 6. April 2010 eine Prüfung der Wahlmöglichkeiten und des Ermessens, das<br />

CESR-Mitgliedern bei der Anwendung der Richtlinie offen steht.<br />

Die Europäische Kommission veranstaltete am 12. November 2008 eine Konferenz zur Marktmissbrauchsrichtlinie,<br />

die sich mit deren Anwendungsbereich befasste, der Freigabe von Insiderinformationen<br />

und dem Insiderh<strong>and</strong>el, der Marktmanipulation und Sanktionen bei Marktmissbrauch.<br />

In der Mitteilung vom 4. März 2009 „Impulse für den Aufschwung in Europa“ (KOM (2009) 114)<br />

wurde als einer der Hauptpunkte von Reformen die Schaffung wirksamerer Sanktionen gegen<br />

Regelverstöße, insbesondere im Falle von Marktmissbräuchen, genannt.<br />

Vom 20. April bis zum 10. Juni 2009 führte die Kommission eine Konsultation zu Vorschlägen für<br />

eine Änderung der Marktmissbrauchsrichtlinie durch. Die Konsultation schloss auch das Thema<br />

Leerverkäufe ein, auf das die Richtlinie bis dahin nicht ausdrücklich einging. Ergebnis der Konsultation<br />

war, dass Leerverkäufe einen eigenen Rechtsrahmen erhalten sollten, da sie nicht automatisch<br />

mit Marktmissbrauch gleichzusetzen sind.<br />

In der Mitteilung „Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte: Künftige politische<br />

Maßnahmen“ vom 20. Oktober 2010 (KOM (2009) 563) wurde eine umfassende Berücksichtigung<br />

der Derivatemärkte, inklusive der Rohstoffderivate und Emissionszertifikate, bei der Überarbeitung<br />

der Marktmissbrauchsrichtlinie vorgesehen.<br />

Die Überarbeitung der Richtlinie wurde ebenfalls in der Mitteilung der Kommission „Regulierung<br />

der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ vom 2. Juni 2010 (KOM (2010) 301) angekündigt.<br />

Zur Stärkung der Marktstabilität und -integrität soll die Richtlinie nunmehr auch über die<br />

regulierten Märkte hinaus ausgeweitet und Derivate in ihren Anwendungsbereich einbezogen<br />

werden.<br />

Die Kommission veranstaltete am 2. Juli 2010 eine öffentliche Anhörung hinsichtlich der Überarbeitung<br />

der Marktmissbrauchsrichtlinie.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Referenz<br />

Vom 28. Juni bis 23. Juli 2010 konsultierte die Kommission zu den Bereichen Anwendungsbereichs,<br />

Befugnisse der Aufsichtsbehörden, Sanktionsmöglichkeiten sowie Harmonisierung des<br />

Regelwerks.<br />

Am 8. Dezember 2010 veröffentlichte die Kommission die Mitteilung „Stärkung der Sanktionsregelungen<br />

im Finanzdienstleistungssektor“, der zufolge strafrechtliche Sanktionen für die schwersten<br />

Verstöße gegen die Finanzdienstleistungsvorschriften vorgesehen werden sollten, falls sich dies<br />

zur Gewährleistung einer wirksamen Umsetzung der Vorschriften als notwendig erweist.<br />

Am 20. Oktober 2011 veröffentlichte die Kommission einen Verordnungs- und einen Richtlinienvorschlag<br />

zur Überarbeitung der Marktmissbrauchsrichtlnie.<br />

Am 25. Juli 2012 veröffentlichte die Kommission als Reaktion auf die LIBOR- und EURIBOR-Manipulationen<br />

jeweils einen geänderten Verordnungs- und Richtlinienvorschlag zur Untersagung und<br />

Kriminalisierung der Benchmarktmanipulation.<br />

Die Vorschläge werden derzeit im Europäischen Parlament und im Ministerrat erörtert.<br />

KOM (2011) 651 (Verordnungsvorschlag) vom 20.10.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 654 (Richtlinienvorschlag) vom 20.10.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2012) 421 (Verordnungsvorschlag) vom 25.07.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2012) 420 (Richtlinienvorschlag) vom 25.07.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

141<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

4. Überarbeitung der Transparenz-Richtlinie<br />

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der<br />

Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen<br />

über Emittenten, deren Wertpapiere zum H<strong>and</strong>el auf einem geregelten Markt zugelassen<br />

sind, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission<br />

Inhalt<br />

142<br />

Mit dem Richtlinienvorschlag versucht die Kommission, das Transparenz-Regime für börsennotierte<br />

Unternehmen zu verbessern.<br />

Kernpunkte des Vorschlags sind:<br />

Wahl des Herkunftsmitgliedstaats für Emittenten aus Drittstaaten: Für Emittenten aus Drittstaaten,<br />

die nicht innerhalb von drei Monaten ihren Herkunftsmitgliedstaat gewählt haben, wird ein<br />

St<strong>and</strong>ard-Herkunftsmitgliedstaat festgelegt.<br />

Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen: Die Pflicht zur Veröffentlichung von Zwischenberichten<br />

und/oder Quartalsfinanzberichten für alle börsennotierten Gesellschaften wird aufgehoben.<br />

Die Veröffentlichung dieser Information wird für den Anlegerschutz nicht als notwendig erachtet.<br />

Breitgefasste Definition von Finanzinstrumenten, die der Mitteilungspflicht unterliegen: Die Definition<br />

von Finanzinstrumenten wird erweitert, so dass alle Instrumente, die einer dem Halten von<br />

Aktien oder Aktienbezugsrechten vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben, unabhängig von<br />

einer etwaigen Verknüpfung mit dem Recht zur physischen Abwicklung erfasst werden.<br />

Zusammenrechnung gehaltener Aktien und Finanzinstrumente bei der Mitteilung bedeutender<br />

Beteiligungen: Aktienbesitz und der Besitz von Finanzinstrumenten müssen bei der Berechnung der<br />

Mitteilungsschwellen zusammengerechnet werden. Die Verrechnung von Kauf- und Verkaufspositionen<br />

ist nicht erlaubt. In der Mitteilung muss die Art der gehaltenen Finanzinstrumente aufgeschlüsselt<br />

werden. Den Mitgliedstaaten soll es weiterhin erlaubt sein, nationale Schwellen für die<br />

Mitteilung bedeutender Beteiligungen festzusetzen, die niedriger sind als in der Transparenzrichtlinie<br />

vorgesehen, soweit dies zur Gewährleistung einer angemessenen Transparenz der Beteiligungen<br />

notwendig ist.<br />

Speicherung vorgeschriebener Informationen: Das bestehende Netz der amtlich bestellten Speichersysteme<br />

soll ausgebaut werden, um den grenzüberschreitenden Zugang zu vorgeschriebenen<br />

Informationen zu erleichtern. Der Kommission sollen diesbezüglich weitere Befugnisse übertragen<br />

werden, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu vorgeschriebenen Informationen auf Unionsebene.<br />

ESMA soll technischer Regulierungsst<strong>and</strong>ards für den Betrieb zentraler Zugangspunkte für<br />

die Suche nach vorgeschriebenen Informationen auf Unionsebene entwerfen. Ein einheitliches<br />

europäisches Speichersystem soll vorbereitet werden.<br />

Meldung von Zahlungen, die an staatliche Stellen geleistet werden: Zahlungen an staatliche Stellen<br />

sollen auf individueller oder konsolidierter Ebene eines Unternehmens offengelegt werden.<br />

Emittenten werden unter Verweis auf die – sich im Gesetzgebungsprozess befindliche – Rechnungslegungsrichtlinie,<br />

die diesbezüglich die detaillierten Anforderungen enthält, zur Offenlegung<br />

von Zahlungen an staatliche Stellen verpflichtet. Ziel dieser Vorschriften ist allerdings die mineralgewinnende<br />

Industrie.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Sanktionen und Ermittlungen: Sanktionen sollen in der Regel veröffentlicht werden, außer unter<br />

bestimmten, genau definierten Umständen. Die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten sollen<br />

die Befugnis haben, die Stimmrechtsausübung durch den Emittenten, der gegen die Pflicht zur<br />

Mitteilung bedeutender Beteiligungen verstoßen hat, auszusetzen. Ferner sollen einheitliche Kriterien<br />

zur Bestimmung der für eine Person oder Gesellschaft tatsächlich anwendbaren Sanktion<br />

festgesetzt werden.<br />

Die Notwendigkeit harmonisierter Offenlegungsanforderungen wird anerkannt. Ebenso wird die<br />

Einbeziehung „neuer“ Finanzinstrumente wir Derivate mit Barausgleich gutgeheißen. Allerdings<br />

muss der Normadressat in der Lage sein, zu verstehen, welche Finanzinstrumente offengelegt<br />

werden müssen, vor allem im Hinblick darauf, dass ein Verstoß gegen die Offenlegungspflicht zu<br />

einem Stimmrechtsentzug und zu einer Geldstrafe führen könnte. Eine Verpflichtung muss deshalb<br />

hinreichend genau sein. Eine Generalklausel würde dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht<br />

gerecht werden. Ebenfalls sollte bedacht werden, dass ein Mehr an Information nicht notwendigerweise<br />

zu einem Mehr an Transparenz führt.<br />

Am 27. Mai 2010 veröffentlichte die Kommission einen Bericht und das dazugehörige Arbeitsdokument<br />

über die Anwendung der Transparenzrichtlinie. Die Erkenntnisse des Berichts waren Gegenst<strong>and</strong><br />

einer Konferenz, die die Kommission am 11. Juni 2010 in Brüssel abgehalten hat. Vom<br />

28. Mai bis zum 23. August 2010 konsultierte die Kommission zudem öffentlich zum Thema.<br />

Im Oktober 2011 veröffentlichte die Kommission eine Studie über die Machbarkeit eines europaweiten<br />

Systems zur Speicherung vorgeschriebener Informationen, die von Wertpapieremittenten<br />

veröffentlicht werden.<br />

Am 25. Oktober 2011 legte die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Modernisierung der<br />

Transparenz-Richtlinie vor.<br />

Der Vorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und im Ministerrat erörtert.<br />

CESR-/ESMA-Arbeiten:<br />

Vom 9. Februar bis zum 31. März 2010 konsultierte CESR seinen Vorschlag, die Anzeige wesentlicher<br />

Beteiligungserwerbe auf Instrumente mit gleichem ökonomischen Effekt wie das Halten von<br />

Aktien und Ansprüche, Aktien zu erwerben wie z. B. Optionen, Aktienswaps oder Differenzkontrakte,<br />

auszudehnen.<br />

Vom 14. September bis zum 25. November 2011 unternahm ESMA eine Sondierung zum Thema<br />

„Empty voting“ (ESMA/2011/288), kam jedoch am 29. Juni 2012 zu dem Schluss, dass derzeit ein<br />

weiteres Tätigwerden nicht erforderlich ist (ESMA/2012/415).<br />

KOM (2011) 683 (Richtlinienvorschlag) vom 25.10.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

143<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

5. Überarbeitung der Ratingagenturverordnung<br />

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der<br />

Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen und Vorschlag für eine Richtlinie des<br />

Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung<br />

der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für<br />

gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter<br />

alternativer Investmentfonds im Hinblick auf den übermäßigen Rückgriff auf Ratings<br />

Inhalt<br />

144<br />

Nach Ansicht der Kommission hat die Euro-Schuldenkrise gezeigt, dass der geltende Regulierungsrahmen<br />

für Ratingagenturen nicht ausreicht. Sie will deshalb durch Vorschlag einer Änderungsverordnung<br />

sowie einer begleitenden Richtlinie bestehende Mängel beheben.<br />

Rotationspflicht: Einer der Schwerpunkte des Verordnungsentwurfs ist die Adressierung von Interessenskonflikten<br />

und Wettbewerbsfragen. Die Geschäftsbeziehung zwischen Emittent und erster<br />

Ratingagentur soll bereits nach drei Jahren oder nach der Bewertung von zehn aufein<strong>and</strong>erfolgenden<br />

Schuldtiteln enden, gefolgt von einer vierjährigen Abkühlungsphase. Für jede weitere Ratingagentur<br />

muss die Geschäftsbeziehung zum Emittenten nach sechs Jahren enden.<br />

Vergleichbarkeit von Ratings: Die Kommission schlägt zur Erhöhung der Transparenz und Vergleichbarkeit<br />

von Ratings den freien Zugang zu allen in der EU erstellten Ratings und eine einheitliche<br />

Ratingskala, die von den Ratingagenturen neben der eigenen anzuwenden ist, vor. ESMA soll dazu<br />

eine harmonisierte Ratingskala entwickeln.<br />

Rating-Methodologien: Rating-Methodologien sollen künftig den Marktteilnehmern zur Konsultation<br />

gestellt und die Änderungen gegenüber der Aufsicht begründet werden. ESMA soll vorab<br />

prüfen, ob die Methodologie(änderung) mit den Anforderungen der Ratingagenturen-Verordnung<br />

übereinstimmt.<br />

Reduzierung der Abhängigkeit von externen Ratings: Die Abhängigkeit von externen Ratings im<br />

Bankaufsichtsrecht soll reduziert werden. Dies soll auch für die technischen St<strong>and</strong>ards, Leitlinien<br />

und Empfehlungen der Europäischen Aufsichtsbehörden gelten.<br />

Strukturierte Produkte: Für strukturierte Produkte werden zukünftig mindestens zwei Ratings verlangt.<br />

Gleichzeitig werden Investoren dazu aufgefordert, eine eigene Risikoeinschätzung vorzunehmen.<br />

Für diese eigenständige Einschätzung soll eine eigens eingerichtete Webseite alle nötigen<br />

Informationen über das jeweilige Produkt zur Verfügung stellen.<br />

Zivilrechtliche Haftung für fehlerhafte Ratings: Es wird eine zivilrechtliche Haftungsgrundlage von<br />

Ratingagenturen gegenüber Investoren geschaffen. Die Beweislast, dass ein Rating fehlerfrei<br />

zust<strong>and</strong>e gekommen ist, soll bei der Ratingagentur liegen.<br />

Ratings von Staatsanleihen: Die Frequenz der Erstellung von unbeauftragten Staatenratings soll<br />

auf alle sechs Monate erhöht werden.<br />

Bewertung<br />

Allgemein sollte gelten, dass bei der Regulierung von Ratingagenturen die Hauptziele im Auge<br />

behalten werden, nämlich die Bedeutung von Ratings durch ihre Regulierung nicht aufzuwerten,<br />

sondern die Abhängigkeit zu reduzieren, und den Wettbewerb durch gezielte Maßnahmen wie z. B.<br />

Gebührentransparenz zu stärken.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Rotationspflicht: Die externe Rotation wird zu einer erhöhten Ratingvolatilität führen, die nicht auf<br />

tatsächliche Änderungen der Kreditwürdigkeit des Emittenten zurückzuführen wäre. Zudem würde<br />

ein erzwungener Wechsel die Ratinghistorie vieler Agenturen unterbrechen und die Validierung<br />

aufgrund historischer Erfahrungswerte der eigenen Methodologien, die laut Verordnung von 2009<br />

vorgeschrieben ist, unmöglich machen. Diese würde auch dem Ziel des zentralen Datenspeichers<br />

(CEREP), die bisherigen Ergebnisse der Ratingagenturen zu erfassen und zurückzuverfolgen, zuwiderlaufen.<br />

Ferner ist zu bezweifeln, dass es genügend Ratingagenturen mit der notwendigen<br />

Expertise und Ressourcenausstattung gibt.<br />

Vergleichbarkeit von Ratings: Eine Vergleichbarkeit der Ratings wird mittels einer Skala nicht herstellbar<br />

sein. Es besteht das Risiko, dass durch eine einheitliche Abbildung Informationen und<br />

Granularität verloren gehen. Zudem würde sie den Wettbewerb unter den Agenturen behindern.<br />

Rating-Methodologien: Ein festes Regime sollte den gesamten Prozess der Methodologieänderung<br />

regeln. Durch einen vorab festgelegten Zeitplan für das gesamte Verfahren, einschließlich der<br />

Konsultation, der endgültigen Änderung der Methodologie und der entsprechenden Ratinganpassung,<br />

können Unsicherheiten unter Investoren und Emittenten vermieden werden. Eine Überprüfung<br />

durch ESMA, bevor die Methodologie angewendet wird, ist nicht zielführend. Sie würde die<br />

Anwendung der neuen Methodologie verzögern und könnte zu einer Haftung der Aufsicht für eventuelle<br />

Fehler in der Methodologie führen.<br />

Reduzierung der Abhängigkeit von externen Ratings: Die Reduzierung der Abhängigkeit von Ratingagenturen<br />

sollte nicht über eine Regulierung der Ratingagenturen, sondern durch eine Überarbeitung<br />

des Bankaufsichtsrechts geschehen. Viele Institute in Deutschl<strong>and</strong> verwenden bereits den auf<br />

internen Ratings basierten Ansatz zur Risikoermittlung (IRBA). Allerdings sollte man den Kreditrisikost<strong>and</strong>ardansatz<br />

(KSA), der auf externen Ratings beruht, nicht verwerfen, da insbesondere kleinen<br />

Instituten das nötige Knowhow und die Ressourcen für ein eigenes internes Ratingmodell<br />

nicht zur Verfügung stehen.<br />

Strukturierte Produkte: Bereits in der Capital Requirement Directive (CRD) II wird von Emittenten<br />

strukturierter Produkte verlangt, den Investoren Informationen zur Verfügung zu stellen. Dies sollte<br />

auch weiterhin dort geregelt und nicht in der Ratingagenturen-Verordnung dupliziert werden.<br />

Verfahren<br />

Die Kommission konsultierte zur Vorbereitung der Überarbeitung der Ratingagenturen-Verordnung<br />

vom 5. November 2010 bis zum 7. Januar 2011.<br />

Das Europäische Parlament nahm am 8. Juni 2011 eine Entschließung an, die sich inhaltlich mit<br />

Themen befasst, die nach Ansicht der Parlamentarier in der Ratingagenturen-Verordnung nicht in<br />

ausreichendem Maße reguliert worden sind.<br />

Am 6. Juli 2011 organisierte die Kommission einen runden Tisch zu den beabsichtigten Themen der<br />

Änderungsverordnung.<br />

Am 15. November 2011 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag für eine Änderungsverordnung<br />

zur Ratingagenturen-Verordnung sowie für eine begleitende Richtlinie. Aufgabe der kurzgefassten<br />

Richtlinie ist die Herausnahme jeglicher Bezugnahme auf externe Ratings aus der AIFMund<br />

der OGAW-Richtlinie.<br />

Die Vorschläge werden derzeit im Europäischen Parlament und im Ministerrat erörtert.<br />

Referenz<br />

KOM (2011) 746 (Richtlinienvorschlag) vom 15.11.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 747 (Verordnungsvorschlag) vom 15.11.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

145<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

6. Verordnungsvorschlag zu Europäischen Fonds für<br />

Risikokapital<br />

Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische<br />

Risikokapitalfonds<br />

Inhalt<br />

146<br />

Der Vorschlag sieht die Schaffung eines einheitlichen Regelwerks für die Vermarktung von Fonds<br />

unter der Bezeichnung „Europäischer Risikokapitalfonds“ vor. Der durch die Vorschriften der AIFM-<br />

Richtlinie geschaffene Rechtsrahmen für alternative Investmentfonds wurde in erster Linie auf<br />

Hedgefonds und private Kapitalanlagegesellschaften zugeschnitten. Er eignet sich jedoch weniger<br />

für typische Risikokapitalfonds. Diese sollen nun eigene, maßgeschneiderte Rahmenbedingungen<br />

bekommen.<br />

Begriffsbestimmung/Portfoliozusammensetzung: Ein „Europäischer Risikokapitalfonds“ muss 70<br />

Prozent des von den Anlegern eingezahlten Kapitals in KMU investieren und Beteiligungs- oder<br />

Quasi-Beteiligungskapital für diese KMU bereitstellen sowie auf jegliche Hebelwirkung (auf<br />

Fonds ebene keine Schuldtitel, Garantien, Kreditaufnahme, Wertpapierliehe, Derivatetransaktionen)<br />

verzichten. Eine kurzfristige Kreditaufnahme zur Bereitstellung von Liquidität ist zulässig. Bis<br />

zu einer Obergrenze von 30 Prozent des eingebrachten und noch nicht eingeforderten Kapitals<br />

können Anlagen im Sekundärh<strong>and</strong>el stattfinden. Die Vermögenswerte dürfen insgesamt nicht über<br />

eine Schwelle von 500 Mio. EUR hinausgehen.<br />

Verwendung der Bezeichnung: Alle Fonds, die die Bezeichnung „Europäischer Risikokapitalfonds“<br />

verwenden, müssen die in dieser Verordnung festgelegten einheitlichen Vorschriften und Qualitätsst<strong>and</strong>ards<br />

einhalten (u. a. Wohlverhaltensregeln, Vermeidung von Interessenkonflikten, personelle<br />

und technische Ressourcen, Angabepflichten gegenüber den Anlegern, Jahresbericht), wenn<br />

sie sich Kapital beschaffen.<br />

In Frage kommende Anleger: Der Vorschlag schafft ein einheitliches Konzept für die Klassifizierung<br />

der Anleger, die Kapital in einen „Europäischen Risikokapitalfonds“ investieren dürfen. Zulässig<br />

sind professionelle Anleger im Sinne der MiFID und bestimmte <strong>and</strong>ere traditionelle Risikokapitalanleger,<br />

z. B. Privatpersonen, wenn sich diese zu einer Mindesteinlage von 100.000 EUR verpflichten<br />

oder Business Angels.<br />

Bewertung der Vermögensgegenstände des Fonds: Die Bewertungsregeln müssen in der Satzung<br />

des Fonds niedergelegt werden.<br />

Europäischer Vertriebspass: Verwalter qualifizierter Risikokapitalfonds können durch Registrierung<br />

bei der zuständigen Aufsichtsbehörde einen „Europäischen Vertriebspass“ erhalten. Dies bedeutet<br />

eine Verbesserung vor allem gegenüber der AIFM-Richtlinie (siehe eigenes Kapitel), die diese<br />

Möglichkeit nur für Fondsverwalter mit einem verwalteten Fondskapital von mehr als 500 Millionen<br />

EUR vorsieht.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der Verordnungsvorschlag wird begrüßt. Der Abbau von Hindernissen für grenzüberschreitende<br />

Investitionen in KMU wird allerdings nicht ausreichend sein, um genügend Kapital für KMU einzuwerben.<br />

Weitere Stimuli für Investoren und Fonds werden notwendig sein. Vor allem Förderbanken<br />

sind üblicherweise an nationale und regionale Rechtsrahmen gebunden mit den entsprechenden<br />

Konsequenzen für Kapitaleinsammlung und Investitionen in KMU.<br />

Grundsätzlich sollte jeder Fondsmanager das Wahlrecht behalten, die entsprechenden St<strong>and</strong>ards<br />

zu erfüllen. Gelangt ein Fondsmanager zu der Ansicht, dies wäre für ein konkretes Sondervermögen<br />

nicht sinnvoll, führt das lediglich dazu, dass die von der Kommission angestrebte Qualitätsbezeichnung<br />

für dieses Fonds-Sondervermögen nicht verwendet werden kann.<br />

Am 18. März 1998 kündigte die Kommission in einer Mitteilung einen Aktionsplan zu Risikokapital<br />

– Schlüssel zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der EU – an, welcher im Juni 1998 veröffentlicht<br />

wurde. Am 18. Oktober 2000 berichtete die Kommission in einer Mitteilung über die Fortschritte<br />

bei der Umsetzung des Aktionsplans. Am 25. Oktober 2001 forderte die Kommission in einer Mitteilung<br />

die pünktliche Umsetzung des Aktionsplans und berichtete am 16. Oktober 2002 erneut in<br />

einer Mitteilung über die Umsetzung. Der Schlussbericht wurde durch Mitteilung vom 6. November<br />

2003 vorgelegt.<br />

Vom 15. Juni bis zum 10. August 2011 konsultierte die Kommission über eine eigene europäische<br />

Regelung für Risikokapital.<br />

Am 7. Dezember 2011 legte sie den Verordnungsvorschlag über Europäische Risikokapitalfonds<br />

vor.<br />

Es ist vorgesehen, den Verordnungsinhalt in Deutschl<strong>and</strong> in das neue Kapitalanlagegesetzbuch<br />

aufzunehmen.<br />

SEK(1998) 552 (Mitteilung) vom 31.03.1998 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM(2000) 658 (Mitteilung) vom 18.10.2000 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM(2001) 605 (Mitteilung) vom 25.10.2001 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM(2002) 563 (Mitteilung) vom 16.10.2002 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM(2003) 654 (Mitteilung) vom 04.11.2003 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM(2011) 860 (Verordnungsvorschlag) vom 07.12.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

147<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

7. Verordnungsvorschlag zu Europäischen Fonds<br />

für soziales Unternehmertum<br />

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische<br />

Fonds für soziales Unternehmertum<br />

Inhalt<br />

148<br />

Der Verordnungsvorschlag etabliert den „Europäischen Fonds für soziales Unternehmertum“.<br />

Erfüllt ein Fonds die in dem Vorschlag festgelegten Anforderungen, darf der Verwalter des Fonds<br />

die Fondsanteile überall in Europa vermarkten.<br />

Begriffsbestimmung/Portfoliozusammensetzung: Die Kommission versucht mit der Verordnung<br />

eine EU-weite Marke „Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum“ zu schaffen. Dies soll die<br />

Identifizierbarkeit und Attraktivität solcher Fonds erhöhen. Um unter dem Begriff agieren zu dürfen,<br />

muss ein Fonds nachweisen, dass mindestens 70 Prozent des von Anlegern eingebrachten oder<br />

noch nicht eingeforderten Kapitals in die Unterstützung von qualifizierten Portfolio-Unternehmen<br />

(Sozialunternehmen) fließen. Aus den übrigen 30 Prozent dürfen Betriebsausgaben und <strong>and</strong>ere<br />

(nicht qualifizierte) Investitionen (u. a. für das Liquiditätsmanagement) bestritten werden. Die<br />

gesamten verwalteten Vermögenswerte dürfen über einen Schwellenwert von 500 Mio. EUR nicht<br />

hinausgehen.<br />

Investmentwerkzeuge: Hierzu gehören die Beteiligungsfinanzierung, Schuldtitel, Investitionen in<br />

<strong>and</strong>ere „Europäische Fonds für soziales Unternehmertum“ sowie lang- und mittelfristige Darlehen.<br />

In Frage kommende Anleger: Zulässig sind zunächst nur professionelle Kunden im Sinne der MiFID<br />

und Privatpersonen, wenn sich diese zu einer Mindesteinlage von 100.000 EUR verpflichten.<br />

Offenlegung gegenüber den Anlegern: Für die Informationen über Fonds und Anlagetätigkeit soll<br />

ein EU-Rahmen geschaffen werden. Alle Fonds, die den Begriff verwenden möchten, müssen eindeutige<br />

Informationen zu Anlagestrategie, Anlagezielen, Kosten, Gebühren, Risiko-/Renditeprofil<br />

und Verwaltervergütung veröffentlichen. Dies umfasst vor allem die Überwachung und Messung<br />

der mit der Anlagestrategie angestrebten „positiven sozialen Ergebnisse“ (Art des Zielunternehmens,<br />

etc.).<br />

Europäischer Vertriebspass: Fonds sollen durch einen „europäischen Pass“ die Möglichkeit erhalten,<br />

sich europaweit Kapital zu beschaffen. Dazu müssen sie sich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde<br />

registrieren. Die erfolgreiche Registrierung gilt EU-weit.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der Verordnungsvorschlag wird begrüßt. Im Allgemeinen sind die Rahmenbedingungen für alternative<br />

und soziale Investitionen in Europa recht rigide. Oftmals gibt es keinen Zugang für Privatanleger<br />

zu solchen Instrumenten.<br />

Vom 13. Juli bis zum 14. September 2011 konsultierte die Kommission die Notwendigkeit eines<br />

eigenen Rechtsrahmens für Fonds für soziales Unternehmertum.<br />

Am 7. Dezember 2011 legte die Kommission den Verordnungsvorschlag vor.<br />

Es ist vorgesehen, den Verordnungsinhalt in Deutschl<strong>and</strong> in das neue Kapitalanlagegesetzbuch<br />

aufzunehmen.<br />

KOM (2011) 862 (Verordnungsvorschlag) vom 07.12.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

149<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

8. Verordnungsvorschlag zur Verbesserung der<br />

Wertpapierabrechnung in der EU und über<br />

Zentralverwahrer<br />

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung<br />

der Wertpapierabrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer<br />

sowie zur Änderung der Richtlinie 98/26/EG<br />

Inhalt<br />

150<br />

Der Verordnungsvorschlag gliedert sich in Vorschriften zur Wertpapierabrechnung allgemein sowie<br />

zu Zentralverwahrern.<br />

Anwendungsbereich: Erfasst sind alle Zentralverwahrer. Die Mitglieder des ESZB und sonstige<br />

nationale oder öffentliche Stellen mit ähnlichen Aufgaben, die ansonsten als Zentralverwahrer<br />

eingestuft würden, unterliegen mit Ausnahmen ebenfalls den Anforderungen. Der Vorschlag deckt<br />

sämtliche Finanzinstrumente ab.<br />

Wertpapierabrechnung: Die sogenannte Dematerialisierung/Immobilisierung von Wertpapieren (die<br />

Begebung von Wertpapieren durch Verbuchung im Effektengiro) wird verbindlich eingeführt. Zwar<br />

können Wertpapiere auch von Registrierstellen erfasst werden, wenn sie jedoch an organisierten<br />

H<strong>and</strong>elsplätzen geh<strong>and</strong>elt werden, müssen sie bei einem Zentralverwahrer erfasst werden. Die<br />

Abrechnungsperiode für Wertpapiergeschäfte wird auf zwei Tage nach dem H<strong>and</strong>elstag festgelegt.<br />

Kürzere Abrechnungsperioden sind zulässig. Zudem werden die Maßnahmen zur Abrechnungsdisziplin<br />

harmonisiert. Sie sehen ein Eindeckungsverfahren vor, das von einer zentralen Gegenpartei durchgeführt<br />

oder auf <strong>and</strong>ere Weise in die hauseigenen Regeln der H<strong>and</strong>elsplätze aufgenommen werden kann.<br />

Zulassung und Beaufsichtigung von Zentralverwahrern: Ein Zentralverwahrer wird legal definiert als<br />

juristische Person, die ein Wertpapierabrechnungssystem betreibt und wenigstens eine weitere<br />

Kerndienstleistung erbringt. Er darf nur bestimmte Nebendienstleistungen ausführen, die im Zusammenhang<br />

mit den Kerndienstleistungen stehen. Zentralverwahrer müssen von den zuständigen<br />

Behörden ihres Sitzortes zugelassen und beaufsichtigt werden, ggf. sind auch die Aufsichtsbehörden<br />

<strong>and</strong>erer Mitgliedstaaten heranzuziehen. Zugelassene Zentralverwahrer erhalten einen „Pass“<br />

für die Erbringung von Dienstleistungen in der EU. Einem Zentralverwahrer aus einem Drittl<strong>and</strong> kann<br />

Zugang zur EU gewährt werden, wenn er von der ESMA anerkannt wurde. Dazu muss die Kommission<br />

die Gleichwertigkeit („equivalence“) des Rechts- und Aufsichtsrahmens des betreffenden Drittl<strong>and</strong>s<br />

festgestellt und das Drittl<strong>and</strong> den Rechts- und Aufsichtsrahmen der EU anerkennt haben. Der<br />

Zentralverwahrer muss in dem betreffenden Drittl<strong>and</strong> zugelassen sein und beaufsichtigt werden.<br />

Zwischen ESMA und den Behörden des Drittl<strong>and</strong>s müssen Kooperationsvereinbarungen bestehen.<br />

Anforderungen für Zentralverwahrer: Zentralverwahrer müssen über solide Governance-Regelungen<br />

verfügen, die Vertreter des höheren Managements, des Leitungsorgans und der Aktionäre eine<br />

entsprechende Erfahrung und Eignung besitzen und Nutzerausschüsse gebildet werden. Die Auslagerung<br />

von Dienstleistungen oder Tätigkeiten darf die Verantwortung des Zentralverwahrers nicht<br />

mindern und die Aufsicht nicht beeinträchtigen. Eine Ausnahme ist für Auslagerungsvereinbarungen<br />

mit öffentlichen Stellen vorgesehen (z. B. im Falle von T2S). Zentralverwahrer müssen ferner<br />

über nicht diskriminierende, transparente und risikobasierte Kriterien für die Teilnahme an Wertpapierabrechnungssystemen<br />

verfügen. Sie müssen die Konten ihrer Teilnehmer trennen und es den<br />

Teilnehmern ermöglichen, die Konten ihrer einzelnen Kunden ebenfalls zu trennen. Zentralverwahrer<br />

rechnen auf Zentralbankkonten ab, wenn dies praktisch durchführbar ist. Die Abrechnung in


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Geschäftsbankgeld ist zulässig, sie muss jedoch über ein separates Kreditinstitut erfolgen, das als<br />

Verrechnungsstelle fungiert. Die Bestimmungen zum operationellen Risiko enthalten Maßnahmen,<br />

mit denen die Fortführung des Geschäftsbetriebs einschließlich der Abrechnung jederzeit gewährleistet<br />

werden soll. So sollen Zentralverwahrer u. a. Eigenkapital, Gewinnrücklagen und sonstige<br />

Rücklagen halten, um mindestens sechs Monate lang ihre Betriebsausgaben decken zu können.<br />

Zugang zu Zentralverwahrern: Emittenten sind berechtigt, ihre Wertpapiere bei jedem in der EU zugelassenen<br />

Zentralverwahrer zu erfassen. Zentralverwahrer sind berechtigt, Dienstleistungen im Hinblick<br />

auf Wertpapiere zu erbringen, die nach dem Recht eines <strong>and</strong>eren Mitgliedstaats konzipiert wurden.<br />

Ferner darf ein Zentralverwahrer Teilnehmer im Wertpapierabrechnungssystem eines <strong>and</strong>eren<br />

Zentralverwahrers werden und einen <strong>and</strong>eren Zentralverwahrer mit der Entwicklung spezieller Funktionen<br />

beauftragen. Zentrale Gegenparteien und H<strong>and</strong>elsplätze sollen Zugang zu von Zentralverwahrern<br />

betriebenen Wertpapierabwicklungssystemen haben und Transaktionsfeeds zur Verfügung stellen.<br />

Als Verrechnungsstelle benannte Kreditinstitute: Die zuständigen Behörden können Zentralverwahrer<br />

ermächtigen, ein Kreditinstitut als Verrechnungsstelle für die Eröffnung von Geldkonten<br />

und die Gewährung von Kreditfazilitäten zur Erleichterung der Abrechnung zu benennen. Bankdienste<br />

dürfen von Zentralverwahrern nur in einer von der die Zentralverwahrungs-Kerndienstleistungen<br />

erbringenden Stelle getrennten rechtlichen Einheit geleistet werden. Zentralverwahrer und<br />

Kreditinstitut dürfen grundsätzlich zur gleichen Unternehmensgruppe gehören. Dabei muss das<br />

Kreditinstitut zusätzliche Anforderungen erfüllen und darf nur Bankdienstleistungen in Ergänzung<br />

zur Abrechnung erbringen. Zu den zusätzlichen Anforderungen gehören die vollständige Besicherung<br />

von Kreditrisiken, die Überwachung von Innertagesliquidität unter Berücksichtigung des durch<br />

den Ausfall der beiden größten Teilnehmer entstehenden Liquiditätsrisikos und Konzentrationsgrenzen<br />

für Liquiditätsbereitsteller.<br />

Sanktionen: Die Mitgliedstaaten sollen Regelungen treffen, mit denen geeignete verwaltungsrechtliche<br />

Maßnahmen erlassen und Sanktionen verhängt werden können. Den zuständigen<br />

Behörden soll ein Mindestkatalog zur Verfügung gestellt werden. Bei der Festlegung von Art und<br />

Höhe der Sanktionen sollten die zuständigen Behörden eine Reihe in der Verordnung aufgeführter<br />

Kriterien berücksichtigen.<br />

Bewertung<br />

Der Verordnungsvorschlag wird weitgehend begrüßt. Die Möglichkeit der Erbringung von Bankdienstleistungen<br />

durch Zentralverwahrer ist, selbst wenn diese nur durch eine rechtlich selbständige<br />

Einheit erbracht werden dürfen, kritisch zu sehen. Die Kerndienstleistungen von Zentralverwahrern<br />

und Bankdienstleistungen sollten klar getrennt werden um größtmögliche Sicherheit bei<br />

der Wertpapierverwahrung zu gewährleisten.<br />

Verfahren<br />

Vom 13. Januar bis zum 1. März 2011 konsultierte die Kommission zu Zentralverwahrern und<br />

bestimmten Aspekten der Harmonisierung der Wertpapierabwicklung in der EU.<br />

Am 7. März 2012 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Verbesserung der<br />

Wertpapierabrechnung in der EU und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinie<br />

98/26/EG angenommen.<br />

Der Vorschlag wird derzeit im Europäischen Parlament und im Ministerrat diskutiert.<br />

Referenz<br />

98/26/EG (Richtlinie) vom 19.05.1998, Amtsblatt der EU Nr. L 166/45 vom 11.06.1998<br />

KOM (2012) 73 (Verordnungsvorschlag) vom 07.03.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

151<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

9. Verordnungsvorschlag für ein Produktinformationsblatt<br />

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformationsblätter<br />

für Anlageprodukte<br />

Inhalt<br />

152<br />

Durch den Verordnungsvorschlag zu Basisinformationsblättern (BIB) für Anlageprodukte soll die<br />

Qualität der Informationen, die Verbrauchern bei der Investitionsentscheidung zur Verfügung<br />

gestellt werden, verbessert werden.<br />

Betroffene Anlageprodukte: Erfasst werden Anlageprodukte unabhängig von der zugrundeliegenden<br />

Rechtsform, die entweder vom Produktanbieter oder Finanzintermediär an Kleinanleger verkauft<br />

werden. Es muss sich um Produkte h<strong>and</strong>eln, die den Anleger mittelbar Schwankungen in<br />

Bezug auf Marktwert und Rückzahlungsbeträge aussetzen und die Vermögenswerte „verpacken“.<br />

Die Mechanismen, mit denen Beträge ausgezahlt werden, sind nicht ausschlaggebend.<br />

Im Anwendungsbereich: Produkte mit Kapitalgarantien und solche, bei denen ein Anteil des<br />

Ertrags garantiert wird; geschlossene und offene Investmentfonds einschließlich OGAW; sämtliche<br />

strukturierte Produkte, Versicherungsprodukte, deren Rückkaufwerte indirekt durch Erträge der<br />

eigenen Anlagen des Versicherungsunternehmens oder die Rentabilität des Versicherungsunternehmens<br />

selbst bestimmt werden, sowie derivative Finanzinstrumente.<br />

Nicht im Anwendungsbereich: Produkte, deren genaue Rendite im Voraus für die gesamte Laufzeit<br />

des Produkts festgelegt ist; reine Aktien oder Anleihen; Einlagen, die nicht strukturiert sind; Versicherungsprodukte,<br />

die lediglich Versicherungsleistungen bieten; betriebliche Altersversorgungssysteme.<br />

Zuständigkeit für die Abfassung des BIB: Die Zuständigkeit liegt beim Anbieter des Anlageprodukts.<br />

Dies ist entweder der Emittent oder der Vertrieb, sofern das Produkt „erheblich verändert“ wurde.<br />

Form und Inhalt des BIB: Grundlage ist das OGAW-Konzept der „wesentlichen“ Informationen. Die<br />

Aufmachung muss st<strong>and</strong>ardisiert und der Inhalt einheitlich, die Angaben für Form und Sprache klar<br />

sein. Es muss sich um ein kurzes Dokument h<strong>and</strong>elt, das prägnant und nicht in Fachsprache formuliert<br />

ist. Das Format muss einheitlich sein und eine bestimmte Reihenfolge aufweisen. Elemente<br />

des BIB sollen die Bezeichnung des Produkts, die Identität des Anbieters, Art und Hauptmerkmale<br />

des Produkts, das Risiko-/Renditeprofil, die Kosten und ggf. die bisherige Wertentwicklung sein.<br />

Für spezielle Produkte können weitere Informationen und für private Altersvorsorgeprodukte Angaben<br />

zu möglichen künftigen Ergebnissen hinzukommen. Die genaue Bestimmung soll durch delegierte<br />

Rechtsakte/technische St<strong>and</strong>ards erfolgen.<br />

Haftung: Der Produktanbieter muss nachweisen, dass er die Anforderungen der Verordnung eingehalten<br />

hat.<br />

Pflicht zur Bereitstellung des BIB: Das BIB muss Kleinanlegern „zur Verfügung gestellt“ werden und<br />

zwar rechtzeitig, bevor das Geschäft getätigt wird und durch ein Medium, das für den Kauf geeignet<br />

ist und zu dem Kleinanleger Zugang haben. Auch hier erfolgt die genaue Bestimmung durch<br />

delegierte Rechtsakte/technische St<strong>and</strong>ards.<br />

Des Weiteren sind Maßnahmen für ein effektives Beschwerdeverfahren vorgesehen. Es sollen<br />

zudem harmonisierte Verwaltungssanktionen und -maßnahmen angew<strong>and</strong>t werden. Für OGAW<br />

gibt es Übergangsvorschriften aufgrund der erst kürzlich erfolgten Einführung eigener Regeln (fünf<br />

Jahre ab Inkrafttreten dieser VO). Im Hinblick auf <strong>and</strong>ere Informationspflichten (Prospektrichtlinie,<br />

Solvency II) besteht vorerst Parallelität und Kohärenz. Bei dem BIB h<strong>and</strong>elt es sich um ein eigenständiges<br />

Dokument.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Der Vorschlag der Kommission zu Beipackzetteln ist eine große Chance für einen besseren Anlegerschutz<br />

und kann zu einer von der Kreditwirtschaft gewünschten Vereinheitlichung führen. Derzeit<br />

sind noch höchst unterschiedliche Regelungen aus dem europäischem und dem deutschen<br />

Recht, aus dem Prospektrecht und dem Anlegerschutzrecht, aus Aufsichts- und Zivilrecht zu beachten.<br />

Ziel muss es sein, klare, transparente Strukturen zu schaffen. Anleger sollten sich allerdings<br />

nicht allein aus dem Beipackzettel informieren. Eine Kurzinformation ist nur dann gut, wenn der<br />

Leser auch bereit ist, bei Wissenslücken ergänzende Informationen einzuholen. Das ist zum Beispiel<br />

durch eine gezielte Beratung möglich.<br />

Verfahren<br />

Der ECOFIN-Rat beauftragte die Kommission in seinen Schlussfolgerungen vom 8. Mai 2007 die<br />

Konsistenz des europäischen Rechtsrahmens für unterschiedliche Retail-Investmentprodukte zu<br />

überprüfen.<br />

Am 26. Oktober 2007 veröffentlichte die Kommission eine Konsultation zu „Ersatz“-Anlageprodukten<br />

für Kleinanleger („substitute products“) um zu sondieren, wie sich die Vielzahl von Regelungen<br />

für Privatkunden-Anlagen auf den Schutz von Kleinanlegern auswirkt. Am 3. April 2008 veröffentlichte<br />

die Kommission ein Feedback-Statement zur abgeschlossenen Konsultation und veranstaltete<br />

am 22. Mai 2008 ein Seminar, in dem Vertreter der Industrie die Ergebnisse der öffentlichen<br />

Sondierung über Investmentprodukte für Kleinanleger diskutierten. Eine öffentliche Anhörung<br />

wurde am 15. Juli 2008 organisiert.<br />

In der Mitteilung vom 4. März 2009 „Impulse für den Aufschwung in Europa“ (KOM (2009) 114)<br />

wurde die Verbesserung des Anlegerschutzes bei Kleinanlegerprodukten als Best<strong>and</strong>teil des<br />

Reformprogramms genannt, um das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen.<br />

Die Mitteilung zu Anlageprodukten für Kleinanleger wurde am 30. April 2009 veröffentlicht (KOM<br />

(2009) 204).<br />

Die Kommission veranstaltete am 22. Oktober 2009 ein Seminar mit Industrieexperten und Verbrauchervertretern<br />

und informierte am 16. Dezember 2009 in Form einer schriftlichen Zusammenfassung<br />

über den Sachst<strong>and</strong>.<br />

In der Mitteilung „Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ vom<br />

2. Juni 2010 (KOM (2010) 301) kündigt die Kommission an, Legislativvorschläge zu Anlageprodukten<br />

für Kleinanleger vorzulegen, die dem Schutz der Verbraucherinteressen beim Verkauf dieser<br />

Produkte dienen. Am 29. September 2010 veröffentlichte die Kommission eine Studie zu Kosten<br />

und Nutzen einer möglichen Änderung der Vertriebsvorschriften für Versicherungsanlageprodukte<br />

und <strong>and</strong>ere Anlageprodukte für Kleinanleger, die nicht der MiFID unterliegen. Vom 26. November<br />

2010 bis zum 31. Januar 2011 konsultierte die Kommission zu den Produktinformationen bei solchen<br />

Anlageprodukten. Daneben konsultierte die Kommission ebenfalls vom 26. November 2010<br />

bis zum 28. Februar 2011 zur Versicherungsvermittlungsrichtlinie, was den Vertrieb von Versicherungsprodukten<br />

einschloss.<br />

Am 3. Juli 2012 legte die Kommission den Verordnungsvorschlag über Basisinformationsblätter für<br />

Anlageprodukte vor.<br />

Referenz<br />

KOM (2009) 204 (Mitteilung) vom 30.04.2009 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2012) 352 (Verordnungsvorschlag) vom 03.07.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

153<br />

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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

10. Überarbeitung der OGAW-Richtlinie<br />

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der<br />

Richtlinie 2009/65/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im<br />

Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und Sanktionen<br />

Inhalt<br />

154<br />

In dem „OGAW V“ genannten Vorschlag für eine Änderungsrichtlinie werden Pflichten und Haftungspflicht<br />

der OGAW-Verwahrstelle (d. h. der juristischen Person, die Vermögenswerte verwahrt)<br />

EU-weit einheitlich festgelegt.<br />

Es werden die Aufgaben und Haftungspflichten aller Verwahrstellen, die für einen OGAW-Fonds<br />

h<strong>and</strong>eln, beschrieben:<br />

Für jeden OGAW-Fonds wird eine einzige Verwahrstelle beauftragt. Die Beauftragung wird in<br />

einem schriftlichen Vertrag bestätigt. Verwahrstellen haben bestimmte Überwachungspflichten zu<br />

erfüllen, die in Listenform vorgeschrieben werden. Zudem soll die Verwahrstelle den Cashflow des<br />

OGAW überwachen. Die Verwahrstelle muss die für den OGAW verwahrten Finanzinstrumente<br />

vom Eigenvermögen trennen. Weiter wird unterscheiden zwischen Verwahrpflichten für Finanzinstrumente,<br />

die verwahrt werden dürfen, und der Eigentumsprüfung für <strong>and</strong>ere Arten von Vermögenswerten.<br />

Schließlich werden Verhaltensregeln und Interessenkonflikte adressiert sowie die<br />

Bedingungen für die Aufgabenübertragung an Unterverwahrer festgelegt. Es wird eine erschöpfende<br />

Liste der als Verwahrstelle geeigneten juristischen Personen vorgeschlagen (ausschließlich<br />

Kreditinstitute und Wertpapierfirmen).<br />

Bei Verlust eines verwahrten Finanzinstruments muss die Verwahrstelle ein Finanzinstrument<br />

gleicher Art zurückgeben oder den entsprechenden Betrag erstatten. Ein Haftungsausschluss ist<br />

nur möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Verlust aufgrund „äußerer Ereignisse, die<br />

nach vernünftigem Ermessen nicht kontrolliert werden können“ entst<strong>and</strong>en ist. Die Rückgabe oder<br />

Erstattung muss unverzüglich erfolgen. Die Verwahrstelle kann die Haftung bei Drittverwahrung<br />

nicht ausschließen, auch nicht vertraglich.<br />

Es werden zudem Bestimmungen für die Vergütung von OGAW-Verwaltern festgelegt. Die Vergütungspolitik<br />

muss jener für Geschäftsleitung, Risikonehmer und Mitarbeiter entsprechen. Eine<br />

Risikoübernahme soll nicht gefördert und Interessenkonflikte vermieden werden, die Überprüfung<br />

soll jährlich und die Leistungsbewertung in mehrjährigem Rahmen erfolgen, eine garantierte variable<br />

Vergütung ist auf neue Mitarbeiter und auf das erste Jahr beschränkt.<br />

Schließlich wird ein Konzept für Sanktionen bei erheblichen Verstößen gegen den OGAW-Rechtsrahmen<br />

vorgelegt und St<strong>and</strong>ards für die Höhe von Geldbußen eingeführt. Es h<strong>and</strong>elt sich um einen<br />

horizontalen Ansatz, der eine Liste von Verstößen und Beschreibung der Sanktionen enthält.<br />

Die Änderungsrichtlinie wird durch verschiedene delegierte Rechtsakte ergänzt werden.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die relativ offenen Regelungen der OGAW-Richtlinie in der aktuellen Fassung überlassen viele<br />

Regelungen dem nationalen Recht. Dies führt zu Ungleichgewichten im einheitlichen Fondsmarkt<br />

Europa. Daher ist eine Harmonisierung grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sollte nicht außer<br />

Acht gelassen werden, dass es letztlich der Anleger beziehungsweise die Kapitalanlagegesellschaft<br />

ist, die über den Erwerb von bestimmten Vermögenswerten für ein Sondervermögen befindet.<br />

Die Depotbank hat lediglich Verwahr-, Verwaltungs- und Kontrollfunktionen, aber keine materielle<br />

Entscheidungsbefugnis über die Anlagepolitik des Sondervermögens. Diese wird vielmehr<br />

durch die Anlagebestimmungen der OGAW-Richtlinie und der konkreten Ausgestaltung im Rahmen<br />

der Vertragsbedingungen zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Anleger bestimmt. Entscheidet<br />

sich also beispielsweise der Fondsmanager, ein bestimmtes Wertpapier zu erwerben, das auf<br />

Grund der typischerweise bestehenden nationalen Vorgaben nur in einem bestimmten L<strong>and</strong> verwahrt<br />

werden kann, so kann der Depotbank nicht die vollständige Haftung für eventuelles Fehlverhalten<br />

der ausländischen Verwahrstelle angelastet werden, denn die Entscheidung über das Verwahrl<strong>and</strong><br />

ist mit der beim Fondsmanager liegenden Investitionsentscheidung bereits ex ante<br />

gefallen. Hier muss es der Depotbank möglich sein, ihre Haftung zu begrenzen.<br />

Die Kommission konsultierte das Thema der Pflichten von OGAW-Verwahrstellen vom 3. Juli bis<br />

zum 15. September 2009 sowie vom 14. Dezember 2010 bis zum 31. Januar 2011.<br />

Der Richtlinienvorschlag zur Änderung der OGAW-Richtlinie wurde von der Kommission am 3. Juli<br />

2012 veröffentlicht.<br />

KOM (2012) 350 (Richtlinienvorschlag) vom 03.07.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

155<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Clearing und Settlement – Maßnahmen<br />

Clearing und Settlement – Maßnahmen<br />

Inhalt<br />

156<br />

Clearing und Settlement findet statt, nachdem zwei Parteien sich auf ein Wertpapiergeschäft<br />

geeinigt haben, um die Übertragung des Eigentums an einem Wertpapier vom Veräußerer auf den<br />

Erwerber und – ggf. – den Transfer der dazugehörigen Zahlung vom Erwerber an den Veräußerer zu<br />

ermöglichen. Clearing und Settlement umfasst mehrere Schritte, die nicht alle bei jedem Geschäft<br />

erfolgen müssen. Die einzelnen Etappen werden unter Umständen von unterschiedlichen Einrichtungen<br />

ausgeführt. Das Thema Clearing und Settlement in der EU wird auf verschiedenen Ebenen<br />

bearbeitet.<br />

Ziel der Kommission ist es vor allem grenzüberschreitendes Clearing und Settlement effizienter zu<br />

gestalten sowie die Integration des Nachh<strong>and</strong>elsbereichs zu fördern und die Sicherheit zu erhöhen.<br />

Auch sollen Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt beseitigt werden. Die Arbeiten der<br />

Kommission zu Clearing und Settlement waren ein Kernelement des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen<br />

(FSAP). Auch im post-FSAP Prozess genießt dieses Thema Priorität.<br />

M<strong>and</strong>atiert von der Kommission identifizierte die sogenannte „Giovannini-Arbeitsgruppe“ die im<br />

grenzüberschreitenden Clearing und Settlement bestehenden Schranken sowie mögliche Abhilfemaßnahmen<br />

in zwei Berichten. Auf dieser Basis wurden verschiedene Initiativen ins Leben gerufen,<br />

um Fortschritte zu erzielen.<br />

Zum einen wurden drei Arbeitsgruppen gegründet, die sich damit beschäftigen sollten wie die 15<br />

rechtlichen und steuerlichen „Giovannini-Barrieren“ abgebaut werden können. Dabei h<strong>and</strong>elt es<br />

sich um die Sachverständigengruppe für Clearing und Settlement der Europäischen Kommission<br />

(sog. „CESAME-Gruppe“ – „Clearing <strong>and</strong> Settlement Advisory <strong>and</strong> Monitoring Expert Group“), die<br />

Sachverständigengruppe für Fragen der Rechtssicherheit („Legal Certainty Group“) sowie die<br />

Sachverständigengruppe für Fragen der Einhaltung von Steuervorschriften („FISCO-Gruppe – Fiscal<br />

Compliance Group“).<br />

Weiterhin wurde im November 2006, nachdem die Kommission davon Abst<strong>and</strong> genommen hatte<br />

regulatorisch tätig zu werden, ein Selbstverpflichtungskodex für Clearing und Settlement von den<br />

wesentlichen europäischen Wertpapierabwicklern, Wertpapierverwahrern und Zentralen Kontrahenten<br />

unterzeichnet. Darin verpflichtet sich die Industrie geeignete Maßnahmen zu setzen, die zu<br />

mehr Transparenz und verstärktem Wettbewerb in diesem Bereich führen sollen. Bis spätestens<br />

1. Januar 2008 sollten alle im Verhaltenskodex enthaltenen Maßnahmen umgesetzt sein. Dies<br />

hatte in drei Schritten zu erfolgen: Bis Ende 2006 musste die Bepreisung von Dienstleistungen<br />

transparenter gestaltet werden. Spätestens Mitte 2007 sollten Konditionen für einen effizienten,<br />

transparenten und nicht diskriminierenden Zugang zu Clearing und Settlement Dienstleistungen<br />

geschaffen sein. Getrennte Bilanzierung sowie Preis-Unbundling der wichtigsten Dienstleistungen<br />

wurden schließlich bis Ende 2007 zugesagt. Die Europäische Kommission sorgt dafür, dass die<br />

Umsetzung des Kodexes überwacht wird und hat zu diesem Zweck die „Monitoring Group“ eingerichtet.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Um mehr Rechtssicherheit im Nachh<strong>and</strong>elsbereich zu schaffen wurde die Kommission beauftragt<br />

an der Harmonisierung des Wertpapierrechts zu arbeiten. Zukünftige Gemeinschaftsgesetzgebung<br />

in diesem Bereich soll die folgenden Fragen abdecken:<br />

■ den Rechtsrahmen für Erwerb von und Verfügung über Wertpapiere die mittels Kontoführer<br />

verwahrt werden, unter Einbeziehung sachrechtlicher als auch international-privatrechtlicher<br />

Aspekte;<br />

■ den Rechtsrahmen hinsichtlich der Ausübung von Rechten die sich aus dem Wertpapier ergeben<br />

unter Einbeziehung der Verwahrkette, insbesondere in grenzüberschreitenden Sachverhalten;<br />

■ die Sicherstellung einer gemeinschaftsweiten freien Wahl (seitens des Emittenten) derjenigen<br />

Verwahreinrichtung (insbesondere: Zentralverwahrer), die den originären Kontoeintrag hinsichtlich<br />

der Wertpapiere vornimmt; und<br />

■ die Unterstellung jedweder Tätigkeit der Wertpapierverwahrung oder Wertpapierverwaltung<br />

unter ein angemessenes Aufsichtsregime.<br />

Zudem entwickelten das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) und CESR Empfehlungen,<br />

die die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Nachh<strong>and</strong>elssektors verbessern sollen. Die im Juni 2009<br />

veröffentlichten Empfehlungen sind von Aufsichtsbehörden zu berücksichtigen und beziehen sich<br />

auf Aktivitäten von CSDs und CCPs. Die Tätigkeiten von Wertpapiersammelbanken sind nicht<br />

Gegenst<strong>and</strong> der Empfehlungen. Schließlich arbeitet die EZB an der Entwicklung einer Settlement-<br />

Plattform, dem sogenannten Target 2 Securities Projekt. Diese Plattform soll erstmals eine europaweit<br />

einheitliche Wertpapierabwicklung bieten. Geld- und Wertpapierseite einer Transaktion würden<br />

grenzüberschreitend auf einer einzigen Plattform abgewickelt.<br />

Als Konsequenz aus der Finanzkrise und vor allem den Folgen der Insolvenz der Investmentbank<br />

Lehman Brothers ist die Kommission zwischenzeitlich legislativ aktiv geworden. Eine Verordnung<br />

zu Marktinfrastrukturen (EMIR) schafft ein einheitliches Regelwerk für das Clearing über zentrale<br />

Gegenparteien und formuliert organisatorische und aufsichtliche Anforderungen an zentrale<br />

Gegenparteien und Transaktionsregister. Eine weitere Verordnung, die sich derzeit noch im Gesetzgebungsprozess<br />

befindet, reguliert Zentralverwahrer sowie bestimmte Aspekt der Wertpapierabwicklung<br />

(Settlement). Weitere Gesetzgebungsvorschläge der Kommission, z. B. zum Wertpapiersachenrecht<br />

oder zur Abwicklung von zentralen Gegenparteien, sind zu erwarten.<br />

157<br />

B


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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

158<br />

Das grundsätzliche Ziel der Kommission, einen effizienteren und integrierten Markt insbesondere<br />

für das grenzüberschreitende Clearing und Settlement von Wertpapiergeschäften in Europa zu<br />

schaffen, wird von der deutschen Kreditwirtschaft, die überwiegend als Systemnutzer von der<br />

angedachten Regulierung von Clearing und Settlement betroffen wäre, unterstützt.<br />

Positiv wurde die Entscheidung der Kommission gewertet, zunächst einer Selbstregulierung des<br />

Marktes den Vorrang zu geben, bevor als ultima-ratio eine Rahmenrichtlinie erlassen wird. Jegliche<br />

Doppelregulierung sollte vermieden werden.<br />

Kritisch gesehen werden die ESZB/CESR-St<strong>and</strong>ards. Damit könnte EU-Bestimmungen vorgegriffen<br />

werden.<br />

Begrüßt wird die Einsetzung der diversen Expertengruppen zur Beseitigung von rechtlichen und<br />

steuerlichen Hindernissen für die grenzüberschreitende Abwicklung von Wertpapiergeschäften,<br />

soweit deren Arbeitsauftrag die Ermittlung zwingend notwendiger Regulierungen zur Erreichung<br />

des o. g. Zieles zum Inhalt hat.<br />

Die Kommission hat sich des Themas Clearing und Settlement durch eine erste Konsultation am<br />

2. April 2001 angenommen. Die Giovannini-Gruppe veröffentlichte im November 2001 einen ersten<br />

Bericht über Hindernisse im Bereich Clearing und Settlement, in dem die Komplexität und Fragmentierung<br />

des Marktes für grenzübergreifende Clearing- und Settlementdienstleistungen festgestellt<br />

wurde. Am 28. Mai 2002 hat die Kommission ihre erste Mitteilung zu Clearing und Settlement<br />

publiziert. Im April 2003 legte die Giovannini-Gruppe ihren zweiten Bericht vor, der eine<br />

Strategie zum Abbau der im ersten Bericht ermittelten fünfzehn Integrationshindernisse („Giovannini<br />

barriers“) beinhaltet. Die zweite Mitteilung der Kommission wurde am 28. April 2004 veröffentlicht.<br />

Sachverständigengruppe für Clearing und Settlement<br />

Auf Basis der Mitteilung aus 2004 wurde im Juli 2004 die Sachverständigengruppe für Clearing<br />

und Settlement (sog. CESAME-Gruppe – Clearing <strong>and</strong> Settlement Advisory <strong>and</strong> Monitoring Expert<br />

group) eingesetzt. Die Gruppe beriet und unterstützte die Kommission bei der Integration der Clearing-<br />

und Settlementsysteme der EU. Die Gruppe setzte sich aus Vertretern öffentlicher und privater<br />

Clearing- und Settlementbetreiber und Beobachtern des Europäischen Systems der Zentralbanken<br />

(ESZB) sowie des Ausschusses der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR)<br />

zusammen.<br />

Am 8. Dezember 2008 veröffentlichte CESAME einen Lagebericht zum Fortschritt des Abbaus der<br />

Giovannini-Barrieren. Im April 2008 nahm die Nachfolge-Expertengruppe, CESAME2, ihre Arbeit<br />

auf, da das M<strong>and</strong>at der CESAME Gruppe mit Juni 2008 ausgelaufen war. CESAME2 koordinierte<br />

die Arbeit an den fünfzehn Integrationshindernissen und befasste sichmit dem Abbau der sechs<br />

Hindernisse auf Seiten der Industrie.<br />

Anfang 2010 beschloss die Kommission, die CESAME2-Gruppe zusammen mit der MOG (siehe<br />

unten) durch eine Expertengruppe zur Marktinfrastruktur (Expert Group on Market Infrastructure –


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

EGMI) zu ersetzen. Die Arbeiten der Gruppe mündeten am 11. Oktober 2011 in einem Abschlussbericht.<br />

Als „Überbleibsel” der CESAME2-Gruppe bemüht sich die Industrie im Rahmen einer sog. „Broad<br />

Stakeholder Group” um den weiteren Abbau der Binnenmarkthindernisse hinsichtlich Kapitalmaßnahmen<br />

(Corporate Actions) und St<strong>and</strong>ards für den Ablauf von Hauptversammlungen (General<br />

Meeting St<strong>and</strong>ards).<br />

Sachverständigengruppe für Rechtssicherheit – Harmonisierung des<br />

Wertpapierrechts<br />

Im Januar 2005 wurde die Sachverständigengruppe für Fragen der Rechtssicherheit („Legal Certainty<br />

Group“) eingesetzt. Im Juli 2006 veröffentlichte die Arbeitsgruppe erste Empfehlungen. Ein<br />

zweiter Bericht, in dem Lösungsmöglichkeiten für den Abbau von rechtlichen Hindernissen aufgezeigt<br />

werden, wurde am 22. August 2008 präsentiert. In diesem zweiten Bericht forderte die<br />

Arbeitsgruppe die EU zu gemeinschaftsweiter Harmonisierung bestimmter Rechtsbereiche mittels<br />

Gemeinschaftsgesetzgebung auf.<br />

Auf Basis der Arbeiten der Sachverständigengruppe für Fragen der Rechtssicherheit forderte der<br />

Ministerrat die Kommission in seinen Schlussfolgerungen vom 2. Dezember 2008 auf, zügig einen<br />

Gesetzesentwurf für einen harmonisierten Rechtsrahmen für mittels eines Kontoführers verwahrte<br />

Wertpapiere vorzulegen.<br />

Am 16. April 2009 wurde dazu ein Konsultationspapier zur Vereinheitlichung des Rechtsrahmens<br />

für den Erwerb von und Verfügung über Wertpapiere von der Kommission veröffentlicht. Die Konsultation<br />

konzentrierte sich auf die Identifikation von Rechtspraktiken und -hindernissen bei der<br />

grenzüberschreitenden Wertpapierübertragung. In mehreren Diskussionspapieren an die Mitgliedstaaten<br />

hat sich die Kommission Anfang 2010 einen ersten Eindruck hinsichtlich der Aufnahme<br />

ihrer Absichten bezüglich einer Wertpapierrechtsrichtlinie (Securities Law Directive – SLD) verschafft.<br />

Vom 5. November 2010 bis zum 21. Januar 2011 konsultierte die Kommission erneut<br />

öffentlich, diesmal eine Reihe zwischenzeitlich ausgearbeiteter Grundsätze. Der Gesetzgebungsvorschlag<br />

ist derzeit für Ende 2012 angekündigt.<br />

Sachverständigengruppe für Fragen der Einhaltung von<br />

Steuervorschriften – FISCO<br />

Die Einsetzung der Sachverständigengruppe für Fragen der Einhaltung von Steuervorschriften (sog.<br />

FISCO-Gruppe – Fiscal Compliance group) erfolgte im April 2005. Am 19. April 2006 wurde eine<br />

erste Studie betreffend Steuerverfahren veröffentlicht. Ein weiterer Bericht, in dem erste Lösungsansätze<br />

für Steuerbarrieren aufgezeigt wurden, wurde am 23. Oktober 2007 präsentiert. Am<br />

19. Oktober 2009 veröffentlichte FISCO Empfehlungen zu einem vereinfachten Anrechnungs- und<br />

Erstattungsverfahren bei der Quellensteuer auf Einkünfte aus Wertpapieren. Die Kommission<br />

nahm die Empfehlungen unter gleichem Datum an. Am 9. Februar 2010 ergänzte die Gruppe ihre<br />

Empfehlungen um eine Broschüre zum Thema. Zur Erarbeitung weiterer Maßnahmen in Folge der<br />

Empfehlung richtete die Kommission im Juni 2010 die Tax Barriers Business Advisory Group<br />

(TBAG) ein. Der Abschlussbericht der Gruppe steht noch aus.<br />

159<br />

B


B<br />

B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

160<br />

Arbeiten an einer Rahmenrichtlinie für Clearing und Settlement<br />

Das Europäische Parlament hat einen Initiativbericht zu Clearing und Settlement am 7. Juli 2005<br />

angenommen. Im Rahmen der von der Kommission verfolgten „besseren Gesetzgebung“ begann<br />

die Kommission 2005 mit der Erarbeitung einer Folgenabschätzungs-Studie hinsichtlich einer eventuellen<br />

künftigen Rahmenrichtlinie für Clearing und Settlement zur Einführung eines gemeinsamen<br />

Regulierungs- und Aufsichtsrahmens und geeigneter Governance-Regelungen. Eine vorläufige<br />

Folgenabschätzungs-Studie wurde zusammen mit dem Entwurf eines Arbeitspapiers über Abrechnung<br />

und Abwicklung am 23. April 2006 veröffentlicht.<br />

Hinsichtlich der Wettbewerbspolitik der Europäischen Kommission hat die Generaldirektion Wettbewerb<br />

im August 2005 eine Studie veröffentlicht, in der die wichtigsten Aktivitäten und Marktteilnehmer<br />

beschrieben und gesamteuropäische Trends kommentiert werden. Auch die H<strong>and</strong>els-,<br />

Clearing- und Abrechnungsregelungen in jedem der Mitgliedstaaten werden darin dargestellt und<br />

die vertikalen Verbindungen zwischen H<strong>and</strong>el, Clearing und Abrechnung dokumentiert. Weiter<br />

veröffentlichte die Generaldirektion Wettbewerb am 24. April 2006 ein Arbeitspapier, in dem die<br />

Ergebnisse einer Untersuchung zum Wettbewerb am Wertpapierh<strong>and</strong>els- und -nachh<strong>and</strong>elsmarkt<br />

veröffentlicht werden. Darin stellt die Kommission allgemein fest, dass der Wettbewerb im Wertpapierh<strong>and</strong>els-<br />

und -nachh<strong>and</strong>elsbereich durch verschiedene Barrieren eingeschränkt ist. Probleme<br />

sieht die Kommission darüber hinaus bei vertikal integrierten Unternehmen. In dem Papier<br />

wird eine Kombination aus legislativen Maßnahmen, adäquaten Anpassungen durch die Industrie<br />

und Wettbewerbsinstrumenten vorgeschlagen.<br />

Die Kommission beschloss jedoch im Juli 2006, dass von einer Rahmenrichtlinie abgesehen wird.<br />

Verhaltenskodex<br />

Gleichzeitig mit dem Verzicht auf eine Rahmenrichtlinie wurde die Industrie aufgefordert, bis Oktober<br />

2006 Details eines selbstverpflichtenden Kodexes auszuarbeiten, durch den die Kosten für<br />

grenzübergreifende Abwicklung und Abrechnung gesenkt werden sollen. Am 7. November 2006<br />

unterzeichneten die wesentlichen europäischen Wertpapierabwickler, Wertpapierverwahrer und<br />

Zentrale Kontrahenten einen „Code of Conduct“ für Clearing und Settlement Dienstleistungen. Am<br />

28. Juni 2007 wurde der Zugangs- und Interoperabilitäts-Leitfaden („Access <strong>and</strong> Interoperability<br />

Guidelines“) von den Infrastruktur-Dienstleistern veröffentlicht. Am 22. Juli 2008 veröffentlichten<br />

die Infrastrukturbetreiber Richtlinien („Terms of Reference“) für externe Wirtschaftsprüfer, die dazu<br />

beauftragt werden, die Einhaltung des Selbstverpflichtungskodexes hinsichtlich der getrennten<br />

Bilanzierung und des Preis-Unbundlings zu beurteilen. Die Kommission berichtete dem Rat für<br />

Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN Rat) laufend über den Fortgang bei der Umsetzung des Kodex.<br />

Zum dreijährigen Bestehen erstellte die Kommission am 6. November 2009 ein Arbeitspapier zu<br />

den Erfahrungen mit dem Verhaltenskodex. Der Kodex wurde von einer speziell eingesetzten<br />

Gruppe von Industrieteilnehmern unter Vorsitz der Kommision überwacht (Monitoring Group on the<br />

Code on Conduct in Clearing <strong>and</strong> Settlement – MOG). Zusammen mit der CESAME2-Gruppe soll<br />

die MOG zukünftig durch eine Expertengruppe zur Marktinfrastruktur (EGMI, siehe oben) ersetzt<br />

werden.<br />

Im Hinblick auf die Einrichtung von Verbindungen (Links) zwischen Posth<strong>and</strong>elsinfrastrukturen<br />

(Access <strong>and</strong> Interoperability) wurde am 28. Juli 2008 ein M<strong>and</strong>at an CESR zur Abgabe von Empfehlungen<br />

hinsichtlich regulatorischer Vorgaben für Nachh<strong>and</strong>elsinfrastrukturen in diesem Zusammenhang<br />

gerichtet. CESR sollte auch Lösungen für mögliche Unterschiede vorschlagen. CESR


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

sondierte dazu am 22. August 2008. Am 19. Dezember 2008 übermittelte CESR vorläufige technische<br />

Empfehlungen.<br />

Am 16. Juli 2009 veröffentlichte die Kommission eine erste Studie über die zeitliche Entwicklung<br />

von Kosten, Preisen und Umfang von Wertpapierh<strong>and</strong>els- und Nachh<strong>and</strong>elsaktivitäten in der EU.<br />

Settlement Finality und Collateral<br />

Die Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen sowie die Richtlinie über Finanzsicherheiten<br />

wurden zuletzt durch Richtlinie 2009/44/EG geändert. Vgl. hierzu die separaten Kapitel.<br />

Close-out Netting<br />

Vorschriften zu Netting finden sich sowohl in dem Gesetzgebungsvorschlag zur Überarbeitung der<br />

Banken- und Kapitaladäquanzrichtlinie (sog. CRD IV), als auch zum Krisenmanagement von Banken.<br />

Zudem hat die Kommission mitgeteilt, dass sie am Thema der Insolvenz einer zentralen Gegenpartei<br />

arbeitet und Close-out Netting in diesem Rahmen ausführlicher beh<strong>and</strong>elt werden könnte.<br />

Alternativ wird überlegt, einen eigenen europäischen Rechtsrahmen zu schaffen. Konkrete Maßnahmen<br />

waren für 2012 avisiert, wurden jedoch vorläufig zurückgestellt.<br />

Unidroit hat eine Studiengruppe eingerichtet, deren Aufgabe es ist, ein „internationales Instrument”<br />

für Netting zu erarbeiten. Die Studiengruppe hat im März 2011 ihren Berichtsentwurf “The<br />

need for an international instrument on the enforceability of close-out netting in general <strong>and</strong> in the<br />

context of bank resolution” vorgelegt zusammen mit dem Entwurf von Prinzipien betreffend die<br />

Durchsetzbarkeit von Netting-Vereinbarungen. Die Studiengruppe traf sich seither im September<br />

2011 und Februar 2012. Der Verwaltungsrat von Unidroit hat die Einsetzung eines Arbeitskreises<br />

von Regierungsexperten beschlossen, welche die entworfenen Prinzipien finalisieren sollen. Das<br />

erste Treffen des Arbeitskreises ist für Anfang Oktober 2012 angekündigt.<br />

Verordnungsvorschlag betreffend OTC-Derivate<br />

Die Kommission legte einen Schwerpunkt ihrer Maßnahmen zur Schaffung eines transparenteren<br />

und stabileren Finanzsystems auf die Regulierung der Abwicklung von OTC-Derivategeschäften<br />

über zentrale Gegenparteien sowie die Meldung von Transaktionen an ein Register. Am 15. September<br />

2010 legte sie einen Verordnungsvorschlag vor. Auf das gesonderte Kapitel wird verwiesen.<br />

Rechtsrahmen für Zentralverwahrer<br />

Die Kommission hat weiterhin die Schaffung eines eigenen Rechtsrahmens für zentrale Wertpapierverwahrstellen<br />

angekündigt und die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Wertpapierabwicklung<br />

in der EU. Am 7. März 2012 legte sie einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vor.<br />

Auf das gesonderte Kapitel wird verwiesen.<br />

Target2 Securities<br />

Darüber hinaus plant die Europäische Zentralbank die Errichtung einer Abwicklungsplattform für<br />

die Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld („Target2 Securities-Projekt“). Nachdem das Projekt<br />

im Oktober 2007 grundsätzlich vom Ministerrat begrüßt wurde und nach verschiedenen Vorarbeiten,<br />

entschied der EZB-Rat am 17. Juli 2008, das Projekt zu starten und die hierfür erforderlichen<br />

Mittel zur Verfügung zu stellen. Am 16. Juli 2009 unterzeichneten die Zentralverwahrer ein<br />

161<br />

B


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B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

162<br />

„Memor<strong>and</strong>um of Underst<strong>and</strong>ing“ hinsichtlich der Nutzung der Target2-Securities Plattform. Die<br />

Entwicklungsphase wird 2010 starten. Voll funktionsfähig soll die Abwicklungsplattform 2013 sein.<br />

Empfehlungen des ESZB und CESR<br />

Neben der Kommission beschäftigte sich eine gemeinsame Arbeitsgruppe des Europäischen Systems<br />

der Zentralbanken (ESZB) und des Ausschusses der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden<br />

(CESR) mit Clearing und Settlement in der EU. Die ESZB/CESR Arbeitsgruppe verabschiedete<br />

im Oktober 2004 die sog. „St<strong>and</strong>ards für Clearing und Settlement in der Europäischen Union“.<br />

Diese wurden jedoch nicht umgesetzt. Am 3. Juni 2008 forderte der ECOFIN-Ministerrat eine<br />

rasche Einführung der St<strong>and</strong>ards um die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Clearing- und Settlementsystemen<br />

gewährleisten zu können. In der Folge wurden vor allem der Anwendungsbereich<br />

und die Reichweite der St<strong>and</strong>ards überarbeitet. Die St<strong>and</strong>ards sollten nunmehr nur für Aufsichtsbehörden<br />

und nicht für die Kreditwirtschaft gelten. Am 23. Oktober 2008 veröffentlichten ESZB/<br />

CESR die überarbeiteten Empfehlungen für Wertpapier-Clearing- und Settlementsysteme und zentrale<br />

Gegenparteien in der EU und stellten diese zur Konsultation. Am 31. März 2009 wurde ein<br />

zusätzliches Konsultationspapier hinsichtlich Änderungen zu OTC-Derivaten betreffend zentrale<br />

Gegenparteien veröffentlicht. Am 23. Juni 2009 wurden die endgültigen Empfehlungen publiziert.<br />

Aufgrund der Ausnahme von Wertpapiersammelbanken vom Anwendungsbereich der ESZB/CESR<br />

Empfehlungen wurde CEBS beauftragt zu prüfen, inwieweit Nachh<strong>and</strong>elsrisiken von Wertpapiersammelbanken<br />

von der CRD abgedeckt sind. Am 17. April 2009 veröffentlichte CEBS dazu einen<br />

Bericht mit dem Titel „Report on custodian banks’ settlement internalisation <strong>and</strong> CCP-like activities”.<br />

Arbeiten von CPSS und IOSCO<br />

Am 20. Juli 2009 setzten der Ausschuss für Zahlungs- und Abwicklungssysteme der Bank für Internationalen<br />

Zahlungsausgleich (Committee on Payment <strong>and</strong> Settlement Systems – CPSS) und die<br />

Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) eine gemeinsame Arbeitsgruppe<br />

ein, um ihre Empfehlungen aus dem Jahre 2004 für zentrale Gegenparteien zu Clearingvereinbarungen<br />

betreffend OTC-Derivate zu überarbeiten. Am 2. Februar 2010 begannen sie mit einer<br />

umfassenden Durchsicht ihrer St<strong>and</strong>ards für die Marktinfrastruktur. Die Durchsicht soll Anfang 2011<br />

abgeschlossen sein. Betroffen sind drei St<strong>and</strong>ardsätze:<br />

■ die Kernprinzipien für systemisch wichtige Zahlungssysteme aus dem Jahre 2001,<br />

■ die Empfehlungen für Wertpapierabwicklungssysteme aus 2001/2002,<br />

■ die Empfehlungen für zentrale Gegenparteien aus 2004.<br />

IOSCO veröffentlichte am 5. März 2009 Empfehlungen um die Übersicht über Rohstoffmärkte zu<br />

verbessern sowie am 15. April 2010 einen Bericht zu den infrastrukturellen Entwicklungen der<br />

Rohstoffmärkte. Am 4. September 2009 gab IOSCO Empfehlungen zu Verbriefungen und dem<br />

Markt der Kreditausfallversicherungen heraus.<br />

Am 15. September 2010 veröffentlichte CPSS einen Bericht zur Abwicklung von Repo-Vereinbarungen<br />

sowie am 10. November 2010 zu den Entwicklungen in der Marktinfrastruktur und die Auswirkungen<br />

auf die Stabilität der Finanzmärkte.<br />

Am 15. September 2011 hat IOSCO einen Bericht über Prinzipien für die Regulierung und Aufsicht<br />

von Rohstoffderivatemärkten herausgegeben.


B. BÖRSEN- UND WERTPAPIERRECHT<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Referenz<br />

Am 17. Januar 2012 veröffentlichten CPSS und IOSCO einen Bericht bezüglich Daten von OTC-<br />

Derivate-Geschäften, die von Transaktionsregistern gesammelt, aufbewahrt und verbreitet werden<br />

sollten.<br />

Am 29. Februar 2012 gab IOSCO einen Bericht zu den Anforderungen an eine Clearingpflicht herausgegeben,<br />

in dem Empfehlungen an Regulierungsbehörden gegeben werden bei der Einrichtung<br />

einer Clearingpflicht für st<strong>and</strong>ardisierte OTC-Derivate.<br />

Am 16. April 2012 veröffentlichten CPSS und IOSCO neue St<strong>and</strong>ards für Finanzmarktinfrastrukturen.<br />

Am 6. Juni 2012 veröffentlichte IOSCO einen Bericht zu internationalen St<strong>and</strong>ards für die Regulierung<br />

von Derivatemärkteintermediären, in dem Empfehlungen für St<strong>and</strong>ards zur Regulierung von<br />

Marktteilnehmern, die im H<strong>and</strong>el, Market-making oder der Intermediation von OTC-Derivaten tätig<br />

sind, gegeben werden.<br />

KOM (2002) 257 (Mitteilung) vom 28.05.2002 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2004) 312 (Mitteilung) vom 28.04.2004 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2009) 7924 (Empfehlung) vom 19.10.2009 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

163<br />

B


C<br />

C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

C. HANDELS- UND<br />

GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Bankbilanz-Richtlinie<br />

Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluss und den<br />

konsolidierten Abschluss von Banken und <strong>and</strong>eren Finanzinstituten<br />

Inhalt<br />

164<br />

Ziel der Richtlinie ist die Koordinierung von Schutzbestimmungen, die in den EU-Mitgliedstaaten<br />

den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese<br />

Bestimmungen gleichwertig zu gestalten.<br />

Die Richtlinie ergänzt die Bilanz-Richtlinie (Vierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 25. Juli<br />

1978) sowie die Konzernabschluss-Richtlinie (Siebte gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom<br />

13. Juni 1983) um bankenspezifische Regelungen.<br />

Die Bankbilanz-Richtlinie hat u. a. Auswirkungen auf<br />

■ den Jahresabschluss: Die bis dato übliche Fristengliederung nach ursprünglich vereinbarten<br />

Laufzeiten oder Kündigungsfristen musste bis spätestens 1998 einer Gliederung nach Restlaufzeiten<br />

weichen. Außerdem enthält die Richtlinie einen vom ursprünglichen deutschen Recht<br />

abweichenden Fristenfächer;<br />

■ die Bewertungsvorschriften: Die Bildung und Auflösung stiller Reserven bleibt weiterhin zulässig.<br />

Unterbewertung ist zulässig bei Forderungen an Banken und Kunden, ferner auch bei<br />

Wertpapieren; dies gilt nicht mehr generell bei Wertpapieren des Umlaufvermögens, sondern<br />

nur noch bei denjenigen, die nicht H<strong>and</strong>elsbest<strong>and</strong> sind.<br />

Die Unterbewertung ist auf maximal 4 % bestimmter Vermögensgegenstände begrenzt.<br />

Eine gesetzliche Regelung zur Währungsumrechnung und Bewertung von Termingeschäften in<br />

ausländischer Währung wird erforderlich. Grundsätzlich anzuwenden ist die angloamerikanische<br />

Stichtagsmethode.<br />

Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass Gegenstände des Anlagevermögens nach Zeitbezugsmethode<br />

angesetzt werden (historische Kurse auf Grundlage der Anschaffungskosten) und<br />

dass aus nicht gedeckten Positionen resultierende, positive Umrechnungsdifferenzen nicht in der<br />

G+V-Rechnung erfasst werden.<br />

Bewertung<br />

Begrüßt wurde vom deutschen Kreditgewerbe, dass in der Richtlinie die Möglichkeiten einer bankspezifischen<br />

Risikovorsorgepolitik erhalten geblieben sind. Die Beibehaltung stiller Reserven in der<br />

Bankenrechnungslegung war zunächst von der EU-Kommission nicht vorgesehen. Erste Entwürfe<br />

sahen lediglich die Möglichkeit von Wertberichtigungen zur Deckung latenter Risiken im Kreditgeschäft<br />

vor. Nunmehr dürfen stille Reserven auch auf bestimmte Wertpapiere gebildet werden.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Begrüßt wird die Möglichkeit, Bewertungsaufwendungen und -erträge aus Forderungen einerseits<br />

und Wertpapieren <strong>and</strong>ererseits in der Gewinn- und Verlustrechnung zu verrechnen (so genannte<br />

Überkreuzkompensation).<br />

Ein wesentliches Anliegen des Kreditgewerbes war darüber hinaus die Beibehaltung des Bilanzausweises<br />

nach Ursprungslaufzeiten und nicht nach Restlaufzeiten. Eine solche Angabe von Restlaufzeiten<br />

wurde lediglich im Jahresabschluss als akzeptabel angesehen. Immerhin ließ die Richtlinie<br />

zu, zumindest bis 1998 auf Ursprungslaufzeiten abzustellen.<br />

Verfahren<br />

Die Bankbilanz-Richtlinie wurde am 8. Dezember 1986 nach jahrelangen Beratungen vom Europäischen<br />

Ministerrat verabschiedet. Die Richtlinie ergänzt die Bilanz-Richtlinie und die Konzernabschluss-Richtlinie,<br />

deren Vorschriften grundsätzlich auch für Banken gelten, um branchenspezifisch<br />

bedingte Besonderheiten.<br />

Die Richtlinie wurde im Rahmen des Bankbilanz-Richtlinien-Gesetzes vom 30. November 1990<br />

umgesetzt. Die von den Kreditinstituten bei der Rechnungslegung branchenspezifisch zu beachtenden<br />

Besonderheiten sind in der Verordnung über Formblätter für die Gliederung des Jahresabschlusses<br />

von Kreditinstituten geregelt.<br />

In Ergänzung zur Bankbilanz-Richtlinie hat die Europäische Kommission am 23. Juni 2000 die überarbeitete<br />

Empfehlung für die Offenlegung von Finanzinstrumenten verabschiedet.<br />

Eine Richtlinie zur Änderung der Vierten und Siebten Gesellschafts-Richtlinie sowie der Bankbilanz-Richtlinie<br />

(Fair-Value-Richtlinie) wurde am 31. Mai 2001 vom Europäischen Parlament und<br />

vom Rat der Europäischen Union verabschiedet Diese Richtlinie ändert die Bankbilanz-Richtlinie<br />

und ist Best<strong>and</strong>teil des Aktionsplans Finanzdienstleistungen vom Mai 1999.<br />

Ferner wurde am 18. Juni 2003 eine Modernisierungs-Richtlinie vom Europäischen Parlament und<br />

vom Rat der Europäischen Union verabschiedet. Durch dieses Vorhaben wird u. a. die Bankbilanzrichtlinie<br />

der IAS-Verordnung angepasst und modernisiert.<br />

Mit der Annahme der Corporate-Governance-Richtlinie im Mai 2006 wurde die Bankbilanzrichtlinie,<br />

die Vierte und die Siebte Richtlinie angepasst. Die Richtlinie hat die kollektive Verantwortung<br />

von Organmitgliedern, die Transparenz der Transaktionen von nahe stehenden Personen sowie von<br />

außerbilanziellen Geschäften und eine Erklärung zur Corporate Governance eingeführt. Die Richtlinie<br />

hat ebenfalls die Rechnungslegungsrichtlinie in Einklang mit der im Rahmen der IAS-Verordnung<br />

übernommenen Fair Value Option gebracht.<br />

Referenz<br />

86/635/EWG (Richtlinie) vom 08.12.1986, Amtsblatt der EG Nr. L 372/1 vom 31.12.1986, Amtsblatt<br />

der EG Nr. L 316/51 vom 23.11.1988 (Berichtigung)<br />

2001/65/EG (Richtlinie) vom 27.09.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 283/28 vom 27.10.2001<br />

2003/51/EG (Richtlinie) vom 18.06.2003, Amtsblatt der EU Nr. L178/16 vom 17.07.2003<br />

2006/46/EG (Richtlinie) vom 14.06.2006, Amtsblatt der EU Nr. L224/1 vom 16.08.2006<br />

165<br />

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2. Richtlinie über die Offenlegung von<br />

Jahresabschlussunterlagen von Zweigniederlassungen<br />

Richtlinie 89/117/EWG des Rates vom 13. Februar 1989 über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat<br />

eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten<br />

mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaates zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

166<br />

Die Richtlinie über die Offenlegung von Zweigniederlassungen ergänzt die Bankbilanz-Richtlinie.<br />

Ziel der Richtlinie ist die Vereinfachung der Offenlegungspflichten von Zweigniederlassungen von<br />

Kreditinstituten mit Sitz in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat der EU.<br />

Die Richtlinie bezweckt, dass Zweigniederlassungen von Kreditinstituten mit Sitz in einem <strong>and</strong>eren<br />

Mitgliedstaat ebenso beh<strong>and</strong>elt werden wie die Zweigniederlassungen von Banken mit Sitz in<br />

demselben Mitgliedstaat. Zweigniederlassungen sollen lediglich Unterlagen ihres Gesamtinstituts<br />

offen legen. Abgeschafft wird die Verpflichtung zur Vorlage einer separaten Zweigstellenbilanz.<br />

Die Richtlinie lässt vorübergehend zu, dass Mitgliedstaaten bis zu einer späteren Koordinierung<br />

den Zweigniederlassungen die Offenlegung einiger zusätzlicher Angaben über die Zweigstellen<br />

und ihre Geschäfte abverlangen können.<br />

Das Vorhaben, im Bereich der Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen die Zweigniederlassungen<br />

von Kreditinstituten mit Sitz in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat ebenso zu beh<strong>and</strong>eln wie die<br />

Zweigniederlassungen der Institute, die ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat haben, war grundsätzlich<br />

zu begrüßen. Insbesondere die Erleichterungen bei den Offenlegungspflichten der Zweigniederlassungen<br />

wurden positiv gewertet.<br />

Die Möglichkeit, für eine Übergangszeit zusätzliche Angaben von Zweigniederlassungen zu verlangen,<br />

wurde jedoch skeptisch beurteilt. Hier sah man die Gefahr, dass dies einer raschen Harmonisierung<br />

entgegenstehen könnte.<br />

Als problematisch angesehen wurde teilweise auch die Vorschrift, wonach die Mitgliedstaaten<br />

verlangen können, dass die Unterlagen in der Amtssprache des Staates der Zweigniederlassung<br />

offen gelegt werden und die Übersetzung dieser Unterlagen beglaubigt wird. Hierin sah man teilweise<br />

eine erhebliche Arbeits- und Kostenbelastung für die betroffenen Institute.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die EU-Kommission legte 1986 einen ersten Richtlinienvorschlag vor. Am 7. Juni 1988 hatte sich<br />

der Ministerrat auf einen Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt festgelegt.<br />

Die endgültige Verabschiedung der Richtlinie erfolgte am 13. Februar 1989.<br />

Die Richtlinie war zum 1. Januar 1991 in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzung der Richtlinie<br />

in Deutschl<strong>and</strong> erfolgte im Rahmen des Bankbilanz-Richtlinien-Gesetzes vom 30. November<br />

1990.<br />

Am 24. Juli 2009 ist im Rahmen des EU Programms für die Vereinfachung des Geschäftsumfelds<br />

zusammen mit einem CRD Änderungspaket („CRD IV-Paket“) eine Vereinfachung der Richtlinie<br />

89/117/EWG zur Konsultation gestellt worden. Mitgliedstaaten können aufgrund der aktuellen<br />

Bestimmungen vorsehen, die Zweigniederlassungen von Banken in dem betreffenden Mitgliedstaat<br />

zu verpflichten, bestimmte Rechnungslegungsinformationen zu veröffentlichen. Dieses<br />

Wahlrecht soll, da nur in wenigen Mitgliedstaaten umgesetzt und für Marktteilnehmer entbehrlich,<br />

abgeschafft werden.<br />

89/117/EWG (Richtlinie) vom 13.02.1989, Amtsblatt der EG Nr. L 44/40 vom 16.02.1989<br />

167<br />

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I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Vierte Richtlinie über den Jahresabschluss von<br />

Gesellschaften bestimmter Rechtsformen<br />

Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3<br />

Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter<br />

Rechtsformen<br />

Inhalt<br />

168<br />

Ziel der Richtlinie und deren Änderungsrichtlinien ist die Koordinierung der einzelstaatlichen<br />

Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gliederung und den Inhalt des Jahresabschlusses<br />

und des Lageberichtes, über die Bewertungsmethoden sowie über die Offenlegung dieser Schriftstücke<br />

für sämtliche Kapitalgesellschaften. Die Mitgliedstaaten können jedoch Banken, Kreditinstitute,<br />

<strong>and</strong>ere Finanzinstitute und Versicherungsgesellschaften von der Anwendung dieser<br />

Richtlinien ausnehmen.<br />

Der Jahresabschluss besteht aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang<br />

zum Jahresabschluss. Die Richtlinien schreiben vor, nach welchen Grundsätzen diese Unterlagen<br />

zu erstellen sind. Für die Aufstellung der Bilanz stellen die Richtlinien den Mitgliedstaaten zwei<br />

Gliederungen zur Wahl. Auch bei der Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung bestehen viele<br />

Wahlfreiheiten. Für die Bewertung der Posten im Jahresabschluss werden allgemeine Grundsätze<br />

wie der Grundsatz der Vorsicht, der Stetigkeit der Bewertungsmethoden, usw. festgelegt. Für die<br />

Bewertung der Posten sind entweder die Anschaffungs- oder die Herstellungskosten maßgebend.<br />

Der Anhang muss Angaben über auf die Posten angew<strong>and</strong>ten Bewertungsmethoden, über Unternehmen,<br />

an denen die Gesellschaft mit einem bestimmten Prozentsatz am Kapital beteiligt ist,<br />

über die Höhe der Verbindlichkeiten der Gesellschaft und über den Gesamtbetrag der finanziellen<br />

Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz erscheinen, enthalten. Der Lagebericht hat den Geschäftsverlauf<br />

und die Lage der Gesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen<br />

entsprechendes Bild entsteht. Außerdem soll er auf Vorgänge von besonderer Bedeutung eingehen,<br />

die nach Abschluss des Geschäftsjahres eingetreten sind, auf die voraussichtliche Entwicklung<br />

der Gesellschaft und auf den Bereich Forschung und Entwicklung. Die Richtlinien enthalten<br />

auch Vorschriften zur Offenlegung. Schließlich sehen die Richtlinien ein Prüfsystem vor, wonach<br />

die Gesellschaften verpflichtet sind, ihren Jahresabschluss durch eine oder mehrere Personen<br />

prüfen zu lassen, die nach einzelstaatlichem Recht zur Prüfung des Jahresabschlusses zugelassen<br />

sind.<br />

Im Januar 1998 nahm die Kommission eine Mitteilung zu Auslegungsfragen im Hinblick auf<br />

bestimmte Artikel der Vierten und der Siebten Richtlinie auf dem Gebiet der Rechnungslegung an.<br />

Darin wurde der Begriff des Verrechnungsverbots durch Gegenüberstellung mit den Fällen, in<br />

denen ein gesetzlich oder vertraglich festgelegtes, subjektives Recht auf die Verrechnung von Forderungen<br />

und Verbindlichkeiten besteht, präzisiert. Definiert wurde auch der Begriff der Rückstellung,<br />

die der Deckung wahrscheinlicher Verluste und wahrscheinlicher Verbindlichkeiten dienen,<br />

gegenüber Rückstellungen für die Deckung von Aufwendungen, die hinsichtlich ihrer Höhe oder<br />

des Zeitpunktes ihres Eintritts unbestimmt sind. Die Begriffe Umwelthaftung und -risiken wurden<br />

ebenfalls definiert. Hinsichtlich der Gewinn- und Verlustrechnung wird in der Mitteilung aufgeführt,<br />

dass die Verbrauchssteuern immer in den Nettoumsatzerlös einzurechnen sind. Erläutert<br />

werden die Bewertungsgrundsätze in Bezug auf Abschreibung, Erfassung langfristiger Verträge


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

und positiver Wechselkursdifferenzen, Aktivierung von Kreditkosten und Anwendungen für den<br />

Umweltschutz.<br />

Im Rahmen ihres Programms zur Reduzierung der Verwaltungslasten hat die Kommission die Vierte<br />

Richtlinie geändert: Aufwendungen, die für die Errichtung und Erweiterung einer Gesellschaft in<br />

der Bilanz als Aktiva ausgewiesen werden, müssen nach der Richtlinie im Anhang offengelegt<br />

werden. Kleine Gesellschaften konnten schon von dieser Pflicht befreit werden. Um unnötigen<br />

Verwaltungsaufw<strong>and</strong> abzubauen, sollte nun auch die Möglichkeit für Mitgliedsstaaten bestehen,<br />

mittlere Gesellschaften von dieser Offenlegungspflicht zu befreien.<br />

Das mit der Richtlinie verfolgte Harmonisierungsziel bedeutet nicht den absolut einheitlichen<br />

Jahresabschluss, sondern vielmehr das Gleichgewicht der Jahresabschlüsse. Es lässt sich jedoch<br />

feststellen, dass, abgesehen davon, dass wichtige Fragen von der Vierten Richtlinie nicht geklärt<br />

werden können, die materielle Gleichwertigkeit der Bilanzierung nicht erreicht werden konnte. Von<br />

einem europäischen Bilanzrecht kann deshalb noch keine Rede sein. Der Verdienst der Vierten<br />

Richtlinie besteht also weniger darin, einen Beitrag zur Vereinheitlichung des europäischen Bilanzrechts<br />

geleistet zu haben, als darin, bewusst gemacht zu haben, wie weit das Bilanzrecht der einzelnen<br />

Mitgliedstaaten inhaltlich noch ausein<strong>and</strong>er liegt. Die Kommission forderte deshalb auch<br />

weitere Harmonisierungsschritte hin zu einer Integration der International Accounting St<strong>and</strong>ards<br />

(IAS).<br />

1965 begannen bereits die ersten Vorarbeiten zur Harmonisierung der Rechnungslegung. 1968<br />

wurde der erste Bericht einer Studienkommission der Europäischen Kommission vorgelegt, der bis<br />

1970 beraten wurde. Wegen des bevorstehenden Beitritts Großbritanniens, Dänemarks und Irl<strong>and</strong>s<br />

zur EG Anfang 1973 verschoben sich die Arbeiten. Die Vierte Richtlinie konnte nach langen Beratungen<br />

am 28. Juli 1978 vom Ministerrat verabschiedet werden. In Deutschl<strong>and</strong> wurde sie durch<br />

das so genannte Bilanzrichtliniengesetz vom 19. Dezember 1985 umgesetzt, wobei die Kreditinstitute<br />

nur von der Anwendung einzelner Vorschriften, jedoch nicht generell ausgenommen wurden.<br />

Eine Richtlinie zur Änderung der Vierten und Siebten Gesellschafts-Richtlinie sowie der Bankbilanz-Richtlinie<br />

(Fair-Value-Richtlinie) wurde am 31. Mai 2001 vom Europäischen Parlament und<br />

vom Rat der Europäischen Union verabschiedet.<br />

Am 13. Mai 2003 wurde eine Richtlinie zur Anpassung von Schwellenwerten, die zur Anwendung<br />

von spezifischen Ausnahmeregelungen für KMUs dienen, verabschiedet.<br />

Am 18. Juni 2003 haben das Europäische Parlament und der Rat der EU eine Richtlinie zur Änderung<br />

der Vierten und Siebten Richtlinie sowie der Versicherungsbilanz- und der Bankbilanz-Richtlinie<br />

(Modernisierungs-Richtlinie) verabschiedet. Diese Richtlinie hat die Rechnungslegungsrichtlinie<br />

modernisiert und sie an die IAS-Verordnung angepasst.<br />

Mit der Annahme der Corporate-Governance-Richtlinie im Mai 2006 wurden die Bankbilanzrichtlinie,<br />

die Vierte und die Siebte Richtlinie angepasst. Diese Richtlinie hat die kollektive Verantwortung<br />

von Organmitgliedern, die Transparenz der Transaktionen von nahe stehenden Personen<br />

sowie von außerbilanziellen Geschäften und eine Erklärung zur Corporate Governance eingeführt.<br />

169<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

170<br />

Wegen der Übernahme der Fair Value Option bei IAS 39 im Rahmen der IAS-Verordnung, wurden<br />

ebenfalls die Bestimmungen des Art. 42 a) in Einklang mit der IAS-Verordnung gebracht.<br />

Um Verwaltungskosten für Unternehmen zu reduzieren, hat die Kommission in ihrer Mitteilung zur<br />

Vereinfachung des Gesellschaftsrechtes vom 10. Juli 2007 so genannte „Schnellmaßnahmen“<br />

angekündigt. In diesem Sinne hat die Kommission am 17. April 2008 ein Richtlinienvorschlag vorgelegt,<br />

der die Vierte Richtlinie über den Jahresabschluss von Gesellschaften ändert, mit dem Ziel<br />

die Bilanzierung von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMUs) zu vereinfachen und damit Kosten<br />

zu senken. Nach der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2008 und<br />

dem Beschluss des Rates am 11. Mai 2009 ist die entsprechende Änderungsrichtlinie am 18. Juni<br />

2009 angenommen worden.<br />

Am 26. Februar 2009 hat die Kommission eine Konsultation eröffnet bezüglich der Ausnahme von<br />

Kleinstunternehmen von der Vierten und Siebten Richtlinie. Damit sollen diese kleinen Unternehmen<br />

(bis zu 10 Angestellten) Kosten sparen. Am 27. Februar 2009 hat die Kommission zuzüglich<br />

eine Konsultation bis zum 30. April 2009 zur Vereinfachung der Bilanzierungsvorschriften der Vierten<br />

und Siebten Richtlinie für KMUs eröffnet. Am 26. Februar 2009 hat Kommission einen entsprechenden<br />

Vorschlag zur Ausnahme von Kleinstunternehmen unterbreitet. Am 13. Dezember 2011<br />

hat das Europäische Parlament den Vorschlag in zweiter Lesung angenommen. Am 21. Februar<br />

2012 hat der Rat den Text angenommen. Die Änderungsrichtlinie wurde am 21. März 2012 in Amtsblatt<br />

veröffentlicht.<br />

Am 25. Oktober 2011 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Ersetzung der Vierten und<br />

Siebten Gesellschaftsrecht-Richtlinie veröffentlicht, der die Bilanzierung für KMUs weiter vereinfachen<br />

soll.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

78/660/EWG (Richtlinie) vom 25.07.1978, Amtsblatt der EG Nr. L 222/11 vom 14.08.1978<br />

83/349/EWG (Richtlinie) vom 13.06.1983, Amtsblatt der EG Nr. L 193/1 vom 18.07.1983<br />

89/666/EWG (Richtlinie) vom 21.12.1989, Amtsblatt der EG Nr. L 395/36 vom 30.12.1989<br />

90/604/EWG (Richtlinie) vom 08.11.1990, Amtsblatt der EG Nr. L 317/57 vom 16.11.1990<br />

90/605/EWG (Richtlinie) vom 08.11.1990, Amtsblatt der EG Nr. L 317/60 vom 16.11.1990<br />

94/8/EG (Richtlinie) vom 21.03.1994, Amtsblatt der EG Nr. L 82/33 vom 25.03.1994<br />

2001/65/EG (Richtlinie) vom 27.09.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 283/28 vom 27.10.2001<br />

2003/38/EG (Richtlinie) vom 13.05.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 120/22 vom 15.05.2003<br />

2003/51/EG (Richtlinie) vom 18.06.2003, Amtsblatt der EU Nr. L178/16 vom 17.07.2003<br />

2006/46/EG (Richtlinie) vom 14.06.2006, Amtsblatt der EU Nr. L224/1 vom 16.08.2006<br />

2009/49/EG (Richtlinie) vom 18.06.09, Amtsblatt der EU Nr. L 164/42 vom 26.06.2009<br />

2012/6/EU (Richtlinie) vom 14.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 81/3 vom 21.03.2012<br />

171<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Siebte Richtlinie über den konsolidierten Abschluss<br />

Siebte Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3<br />

Buchstabe g des Vertrages über den konsolidierten Abschluss<br />

Inhalt<br />

172<br />

Die Siebte Richtlinie will die Koordinierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den<br />

konsolidierten Abschluss, d. h. Abschluss von Unternehmenszusammenschlüssen, gewährleisten.<br />

Das Mutterunternehmen sowie alle seine Tochterunternehmen sind zu konsolidierende Unternehmen,<br />

wenn entweder das Mutterunternehmen oder ein oder mehrere Tochterunternehmen die<br />

Rechtsform einer Kapitalgesellschaft haben. Jedes Unternehmen, das rechtlich zur Kontrolle eines<br />

<strong>and</strong>eren Unternehmens befugt ist, ist zur Aufstellung eines konsolidierten Abschlusses verpflichtet.<br />

In der Regel wird diese Beherrschungsbefugnis durch den Besitz der Mehrheit der Stimmrechte<br />

begründet. Die Siebte Richtlinie und ihre Änderungsrichtlinien legen außerdem die Voraussetzungen<br />

für die Freistellung von dieser Verpflichtung fest. Bspw. können kleinere Unternehmenszusammenschlüsse<br />

ausgenommen werden.<br />

Die Richtlinien bestimmen ferner, wie der konsolidierte Abschluss erstellt werden soll. Demnach<br />

muss er aus der konsolidierten Bilanz, der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung sowie dem<br />

Anhang bestehen. Er muss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-,<br />

Finanz- und Ertragslage der Gesamtheit der in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen<br />

vermitteln. Die Buchwerte der Anteile am Kapital oder Aktien der in die Konsolidierung einbezogenen<br />

Unternehmen werden mit dem auf sie entfallenden Teil des Eigenkapitals der in die<br />

Konsolidierung einbezogenen Unternehmen verrechnet und den Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten<br />

enthalten. Die Verrechnung erfolgt auf der Grundlage der Buchwerte zu dem Zeitpunkt, zu dem<br />

diese Unternehmen erstmalig in die Konsolidierung einbezogen wurden. Der Anhang muss die auf<br />

die Posten angew<strong>and</strong>te Bewertungsmethode, Name und Sitz der in die Lagebericht hat zumindest<br />

den Geschäftsverlauf und die Lage der Gesamtheit der in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen<br />

so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild entsteht.<br />

Der Lagebericht sollte auch Angaben zu den Unternehmen selbst enthalten. Außerdem muss das<br />

Unternehmen, das den konsolidierten Abschluss aufstellt, diesen durch eine oder mehrere Personen<br />

prüfen lassen, die nach dem Recht des Mitgliedstaates, dem dieses Unternehmen unterliegt,<br />

zur Prüfung von Jahresabschlüssen zugelassen sind. Die Richtlinien enthalten auch Vorschriften<br />

zur Offenlegung.<br />

Am 7. Januar 1998 hat die Kommission eine Mitteilung zu Auslegungsfragen der Vierten und Siebten<br />

Richtlinie angenommen. Der Begriff der Unternehmensgruppe und der Anwendungsbereich<br />

wurden darin präzisiert. Ein konsolidierter Abschluss muss dann erstellt werden, wenn das Unternehmen<br />

die Mehrheit der Stimmrechte in einem <strong>and</strong>eren Unternehmen besitzt. Die gehaltenen<br />

Aktien werden nur im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Stimmrechte berücksichtigt. Tochterunternehmen<br />

dürfen nur in Ausnahmefällen von der Konsolidierung ausgenommen werden.<br />

Im Rahmen ihres Programms zur Reduzierung der Verwaltungslasten hat die Kommission die<br />

Siebte Richtlinie geändert: Die Richtlinie verpflichtet ein Mutterunternehmen selbst dann zur<br />

Erstellung eines konsolidierten Abschlusses, wenn das einzige Tochterunternehmen oder alle<br />

Tochterunternehmen zusammengenommen nur von untergeordneter Bedeutung sind. Damit müssen<br />

diese Unternehmen ihren konsolidierten Abschluss nach den IFRS erstellen. Dies wurde in


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Fällen, in denen eine Muttergesellschaft nur Tochterunternehmen von untergeordneter Bedeutung<br />

hat, als Belastung angesehen. Deshalb besteht mit der Änderung die Möglichkeit, ein Mutterunternehmen<br />

von der Pflicht zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses und eines konsolidierten<br />

Lageberichts zu befreien, wenn es ausschließlich Tochterunternehmen unterhält, deren Bedeutung<br />

sowohl für sich als auch zusammengenommen als untergeordnet angesehen wird. Obwohl diese<br />

Rechtspflicht aufgehoben werden sollte, sollte ein Mutterunternehmen weiterhin konsolidierte<br />

Abschlüsse und konsolidierte Lageberichte aus eigener Initiative erstellen können.<br />

Auch mit Verabschiedung der Siebten Richtlinie ist noch kein europäisches Bilanzrecht entst<strong>and</strong>en.<br />

Die zahlreichen Wahlmöglichkeiten erschweren eine einheitliche Regelung in Europa. Die Kommission<br />

forderte deshalb auch weitere Harmonisierungsschritte hin zu einer Integration der International<br />

Accounting St<strong>and</strong>ards (IAS).<br />

1965 begannen bereits die ersten Vorarbeiten zur Harmonisierung der Rechnungslegung. 1968<br />

wurde der erste Bericht einer Studienkommission der Europäischen Kommission vorgelegt, der bis<br />

1970 beraten wurde. Wegen des bevorstehenden Beitritts Großbritanniens, Dänemarks und Irl<strong>and</strong>s<br />

zur EG Anfang 1973 verschoben sich die Arbeiten. Am 13. Juni 1983 wurde die Siebte Richtlinie<br />

vom Ministerrat verabschiedet, die in Deutschl<strong>and</strong> durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz vom<br />

19. Dezember 1985 umgesetzt wurde.<br />

Eine Richtlinie zur Änderung der Vierten und Siebten Gesellschafts-Richtlinie sowie der Bankbilanz-Richtlinie<br />

(Fair-Value-Richtlinie) wurde am 31. Mai 2001 vom Europäischen Parlament und<br />

vom Rat der Europäischen Union verabschiedet. Diese Richtlinie ändert die Siebte Gesellschafts-<br />

Richtlinie und ist Best<strong>and</strong>teil des Aktionsplans Finanzdienstleistungen vom Mai 1999.<br />

Ferner wurde am 18. Juni 2003 eine Richtlinie zur Änderung der Rechnungslegungsrichtlinien vom<br />

Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union verabschiedet (Modernisierungs-<br />

Richtlinie). Durch dieses Vorhaben wird u. a. die siebte Gesellschaftsrecht-Richtlinie der IAS-Verordnung<br />

angepasst und modernisiert.<br />

Mit der Annahme der Corporate-Governance-Richtlinie im Mai 2006 wird die Vierte und Siebte<br />

Richtlinie angepasst. Diese Richtlinie soll die kollektive Verantwortung von Organmitgliedern, die<br />

Transparenz der Transaktionen von nahe stehenden Personen sowie von außerbilanziellen Geschäften<br />

und eine Erklärung zur Corporate Governance einführen. Diese Richtlinie soll ebenfalls die<br />

Übernahme der Fair-Value Option im Rahmen der IAS-Verordnung in den Rechnungslegungsrichtlinien<br />

widerspiegeln.<br />

Um Verwaltungskosten für Unternehmen zu reduzieren, hat die Kommission in ihrer Mitteilung zur<br />

Vereinfachung des Gesellschaftsrechtes vom 10. Juli 2007 so genannte „Schnellmaßnahmen“<br />

angekündigt. In diesem Sinne hat die Kommission am 17. April 2008 ein Richtlinienvorschlag vorgelegt,<br />

der die Siebte Richtlinie über den konsolidierten Abschluss ändert, mit dem Ziel das Verhältnis<br />

zwischen Konsolidierungsvorschriften zwischen dieser Richtlinie und der IAS Verordnung zu<br />

klären. Nach der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 18. Dezember 2008 und dem<br />

173<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

174<br />

Beschluss des Rates am 11. Mai 2009 ist die entsprechende Änderungsrichtlinie am 18. Juni 2009<br />

angenommen worden.<br />

Am 26. Februar 2009 hat die Kommission eine Konsultation eröffnet bezüglich der Ausnahme von<br />

Kleinstunternehmen von der Vierten und Siebten Richtlinie. Damit sollen diese kleinen Unternehmen<br />

(bis zu 10 Angestellten) Kosten sparen. Am 27. Februar 2009 hat die Kommission zuzüglich<br />

eine Konsultation bis zum 30. April 2009 zur Vereinfachung der Bilanzierungsvorschriften der Vierten<br />

und Siebten Richtlinie für KMUs eröffnet.<br />

Am 25. Oktober 2011 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Ersetzung der Vierten und<br />

Siebten Gesellschaftsrecht-Richtlinie veröffentlicht, der die Bilanzierung für KMUs weiter vereinfachen<br />

soll.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

83/349/EWG (Richtlinie) vom 13.06.1983, Amtsblatt der EG Nr. L 193/1 vom 18.07.1983<br />

89/666/EWG (Richtlinie) vom 21.12.1989, Amtsblatt der EG Nr. L 395/36 vom 30.12.1989<br />

90/604/EWG (RIchtlinie) vom 08.11.1990, Amtsblatt der EG Nr. L 317/57 vom 16.11.1990<br />

90/605/EWG (Richtlinie) vom 08.11.1990, Amtsblatt der EG Nr. L 317/60 vom 16.11.1990<br />

2001/65/EG (Richtlinie) vom 27.09.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 283/28 vom 27.10.2001<br />

2003/38/EG (Richtlinie) vom 13.05.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 120/22 vom 15.05.2003<br />

2003/51/EG (Richtlinie) vom 18.06.2003, Amtsblatt der EU Nr. L178/16 vom 17.07.2003<br />

2006/46/EG (Richtlinie) vom 14.06.2006, Amtsblatt der EU Nr. L224/1 vom 16.08.2006<br />

2009/49/EG (Richtlinie) vom 18.06.09, Amtsblatt der EU Nr. L 164/42 vom 26.06.2009<br />

175<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. Abschlussprüfer-Richtlinie (Modernisierung)<br />

Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über<br />

Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung<br />

der Richtlinien 78/ 660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie<br />

84/253/EWG des Rates<br />

Inhalt<br />

176<br />

Diese Richtlinie hat die EU-Bestimmungen auf dem Gebiet der gesetzlichen Abschlussprüfung<br />

modernisiert und die Achte Richtlinie (84/253/EWG) ersetzt. Die Vierte und Siebte Richtlinien<br />

schrieben vor, dass die Unternehmen ihre Abschlüsse durch eine oder mehrere zugelassenen Personen<br />

prüfen lassen müssen. Diese Richtlinie ergänzt diese Rechnungslegungsrichtlinien zu diesem<br />

Punkt und legt die Bestimmungen zur Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen<br />

befugten Personen fest. Damit soll gewährleistet werden, dass sich Investoren<br />

und <strong>and</strong>ere interessierte Kreise vollständig auf die Korrektheit der geprüften Unternehmensabschlüsse<br />

verlassen können.<br />

Die Richtlinie schreibt insbesondere im Vergleich zur Achten Richtlinie verschärfte Bestimmungen<br />

für Abschlussprüfer vor, die so genannte Unternehmen von öffentlichem Interesse (z. B. börsennotierte<br />

Unternehmen, Kreditinstitute sowie Versicherungsunternehmen) prüfen. In diesen Fällen<br />

sollen sie einen jährlichen Transparenzbericht veröffentlichen, die einen Einblick in die Prüfungsgesellschaft,<br />

ihr internationales Netzwerk und die von ihr angebotenen sonstigen Leistungen geben<br />

würden. Dieser Bericht soll u. a. eine Beschreibung der Leitungsstruktur, eine Beschreibung des<br />

internen Qualitätssicherungssystems, eine Erklärung über die der Unabhängigkeit, Angaben zu den<br />

Fortbildungsanforderungen und eine Aufschlüsselung der Honorare enthalten.<br />

Ferner sollen die geprüften Gesellschaften Prüfungsausschüsse (d. h. „audit committees”) einsetzen,<br />

die direkt und ohne Umweg über das Management mit dem Prüfer kommunizieren. Dieser<br />

Prüfungsausschuss soll ferner die internen Kontrollen des Unternehmens, die Interne Revision, den<br />

Rechnungslegungsprozess und das Risikomanagementsystem überwachen, die Unabhängigkeit<br />

des Abschlussprüfers gewährleisten und die Prüfung des Jahres- und des konsolidierten Abschlusses<br />

beaufsichtigen. Ferner soll er den Abschlussprüfer auswählen und der Hauptversammlung<br />

dessen Bestellung vorschlagen.<br />

Um die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer von Unternehmen zu stärken, wird der zwingende<br />

Wechsel der Abschlussprüfer gefordert. Somit muss der verantwortliche Prüfungspartner spätestens<br />

sieben Jahre nach seiner Bestellung von diesem Prüfungsm<strong>and</strong>at abgezogen werden. Der<br />

verantwortliche Prüfungspartner ist frühestens nach Ablauf von zwei Jahren wieder berechtigt, an<br />

der Prüfung des geprüften Unternehmens mitzuwirken.<br />

Die Richtlinie soll ebenfalls eine klare Aufgabenverteilung sicherstellen, falls ein Konzern und<br />

seine Konzernunternehmen von verschiedenen Prüfungsgesellschaften geprüft werden. Die Richtlinie<br />

sieht insbesondere vor, dass der Konzernprüfer die volle Verantwortung für den Bestätigungsvermerk<br />

zum konsolidierten Abschluss trägt. Dies soll ihn zur Überprüfung und Dokumentierung der<br />

Arbeit <strong>and</strong>erer Abschlussprüfer zwingen.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Die Richtlinie schreibt auch die Bestimmungen zur Zulassung, Fortbildung und gegenseitiger Anerkennung<br />

von Abschlussprüfern vor. Eine Registrierungspflicht der Abschlussprüfer bzw. Prüfungsgesellschaften<br />

wird eingeführt. Die Richtlinie sieht vor, dass alle nach dem Gemeinschaftsrecht<br />

vorgeschriebenen Abschlussprüfungen gemäß den International St<strong>and</strong>ards on Auditing (ISA)<br />

durchgeführt werden müssen. Diese St<strong>and</strong>ards müssten nach entsprechender Beratung von der<br />

Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zuerst gebilligt werden. Ferner müssen<br />

sich alle Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften Qualitätskontrollen unterziehen.<br />

Die Richtlinie sieht ferner eine verstärkte Beaufsichtigung des Prüfungsgewerbes vor und legt<br />

gemeinsame Grundsätze für die öffentliche Aufsicht fest. Auf EU-Ebene wird den aus Vertretern<br />

der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Regelungsausschuss „Abschlussprüfung“ eingesetzt, um<br />

präzise Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie schnell ergreifen zu können.<br />

Die Richtlinie sieht das Modell einer Zusammenarbeit und eines Informationsaustausches zwischen<br />

den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten vor und legt die Grundlagen für eine gegenseitige<br />

Zusammenarbeit mit den zuständigen Aufsichtsbehörden von Drittländern wie der USamerikanischen<br />

PCAOB.<br />

Diese Richtlinie hat den Anwendungsbereich der alten Achten Richtlinie, die im Wesentlichen die<br />

Zulassung zum Abschlussprüferberuf zum Gegenst<strong>and</strong> hatte, erheblich erweitert. Einbezogen werden<br />

nunmehr die Pflichten des Abschlussprüfers, ihre Unabhängigkeits- und Ethikgrundsätze, die<br />

Verpflichtung zur externen Qualitätskontrolle, die durchsetzungsfähige öffentliche Aufsicht über<br />

den Abschlussprüferberuf und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Berufsaufsichten<br />

in der EU. Somit stellt die Richtlinie nach den Unternehmenssk<strong>and</strong>alen in 2003 aber auch im Rahmen<br />

der Finanzkrise von 2007/2008 einen wesentlichen Beitrag zur Wiederherstellung des Vertrauens<br />

in den Kapitalmarkt.<br />

Die ersten Arbeiten an einer Abschlussprüfer-Richtlinie gehen auf das Jahr 1975 zurück.<br />

Achte Richtlinie ((84/253/EWG)<br />

Die Europäische Kommission hat am 21. April 1978 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Dieser<br />

Vorschlag wurde im Dezember 1979 durch die Kommission geändert.<br />

Am 10. April 1984 wurde die Achte Richtlinie endgültig durch den Rat verabschiedet. Die Richtlinie<br />

musste in nationales Recht bis zum 1. Januar 1988 umgesetzt sein.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Achte Richtlinie durch das Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten<br />

und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des<br />

Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz-BiRiG) vom 19. Dezember 1985 umgesetzt.<br />

177<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

178<br />

Abschlussprüfer-Richtlinie (Modernisierung)<br />

In ihrem Aktionsplan zur Stärkung der Abschlussprüfung in der EU vom 21. Mai 2003 hat die Kommission<br />

eine Modernisierung der Achten Richtlinie angekündigt.<br />

Am 16. März 2004 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur gesetzlichen Abschlussprüfung,<br />

der die Achte Richtlinie ersetzen sollte, vorgelegt. Dieser Vorschlag wurde dem Europäischen<br />

Parlament und dem Rat zur Annahme im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens adressiert. Rat<br />

und Parlament einigten sich auf einen Kompromisstext in erster Lesung. Nach diesem Kompromisstext<br />

war eine Rotation der Partner für die Abschlussprüfung nach höchstens sieben Jahren<br />

vorgesehen. Die Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, die Abschlussprüfer alle fünf<br />

Jahre bzw. die Prüfungsgesellschaften alle sieben Jahre auszuwechseln. Hinsichtlich der Prüfungsausschüsse,<br />

die den Rechnungslegungsprozess kontrollieren, können die Mitgliedstaaten<br />

beschließen, dass die Bestimmungen nicht auf Unternehmen öffentlichen Interesses angew<strong>and</strong>t<br />

werden, wenn diese ein Gremium haben, das einen Prüfungsausschuss obliegende Aufgaben<br />

erfüllt. Zur Haftung des Prüfers sollte die Kommission vor Ende 2006 einen Bericht über die Auswirkungen<br />

der derzeitigen nationalen Haftungsregelungen auf die europäischen Kapitalmärkte<br />

sowie auf die Versicherungsbedingungen der Abschlussprüfer vorlegen.<br />

Das Europäische Parlament nahm seinen Bericht am 28. September 2005 an. Der Rat billigte den<br />

Kompromisstext am 11. Oktober 2005, so dass die Richtlinie am 9. Juni 2006 im EU-Amtsblatt<br />

erschienen ist.<br />

Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie bis zum 29. Juni 2008 umsetzen. Die Richtlinie 83/349/<br />

EWG (Achte Richtlinie) wurde dadurch aufgehoben.<br />

Die neue Abschlussprüfer-Richtlinie wurde in deutsches Recht mit dem Bilanzmodernisierungsgesetz<br />

(BilMoG) umgesetzt. Das Gesetz wurde am 28. Mai 2009 im Bundesgesetzblatt verkündet und<br />

ist am 29. Mai 2009 in Kraft getreten.<br />

Die Europäische Kommission hat am 22. Juni 2009 eine öffentliche Konsultation bis zum 15. September<br />

2009 eingeleitet, mit der ermittelt werden soll, ob die „International St<strong>and</strong>ards on Auditing“<br />

(ISA) in EU-Recht übernommen werden sollen. Einer ebenfalls am selben Tag veröffentlichten<br />

unabhängigen Studie zufolge würden die Vorteile einer solchen Übernahme die Kosten bei Weitem<br />

überwiegen.<br />

Am 13. Oktober 2010 hat die Kommission ein Grünbuch zur Rolle von Wirtschaftsprüfern veröffentlicht.<br />

Am 30. November 2011 hat die Kommission Vorschläge für eine Richtlinie und eine Verordnung zur<br />

Änderung der Abschlussprüfer-Richtlinie veröffentlicht. Die beiden Vorschläge sollen einen weiteren<br />

wesentlichen Beitrag zur finanziellen Stabilisierung und Wachstum des Binnenmarktes liefern.<br />

Die Finanzkrise habe insbesondere bei Unternehmen, die von öffentlichem Interesse sind, Mängel<br />

bei der Abschlussprüfung aufgezeigt.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

84/253/EWG (Richtlinie) vom 10.04.1984, Amtsblatt der EG Nr. L 126/20 vom 12.05.1984<br />

2006/43/EG (Richtlinie) vom 17.05.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 157/87 vom 09.06.2006<br />

179<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

6. Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie über die Gründung<br />

von Aktiengesellschaften<br />

Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen,<br />

die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58<br />

Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der<br />

Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben<br />

sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

180<br />

Diese Richtlinie koordiniert die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Gründung von Aktiengesellschaften,<br />

die Mindesteigenkapitalanforderungen, die Ausschüttungen an die Aktionäre<br />

sowie die Kapitalaufstockungen und -senkungen. Sie legt Vorschriften fest, um Aktionäre und<br />

Gläubiger von Aktiengesellschaften durch die Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften<br />

über die Gründung dieser Gesellschaften sowie die Aufrechterhaltung, die Erhöhung und die<br />

He rabsetzung ihres Kapitals zu schützen.<br />

Die Richtlinie definiert außerdem Mindestinformationsanforderungen. Die Satzung oder der Errichtungsakt<br />

der Aktiengesellschaft muss eine Reihe von Angaben enthalten. Dazu gehört die Rechtsform<br />

der Gesellschaft und ihre Firma, den Gegenst<strong>and</strong> des Unternehmens, die Höhe des Kapitals,<br />

die Bestimmungen in Bezug auf die Bestellung der Personen, die insbesondere mit der Leitung, der<br />

Verwaltung und der Aufsicht der Gesellschaft betraut sind und gegebenenfalls die Dauer der<br />

Gesellschaft.<br />

Weitere Informationen müssen in der Satzung, dem Errichtungsakt oder einem gesonderten<br />

Schriftstück offengelegt werden. Hierzu gehören der Sitz der Gesellschaft, der Nennbetrag, die<br />

Zahl und die Form der gezeichneten Aktien, der Betrag des gezeichneten Kapitals und die Personalien<br />

der Unterzeichner des Errichtungsakts oder der Satzung.<br />

Darüber hinaus bestimmt die Richtlinie Vorschriften für das Mindestkapital, die Ausgabe und den<br />

Erwerb von Aktien, die Ausschüttung von Dividenden, die Finanzbeihilfen, die die Gesellschaften<br />

für den Erwerb ihrer Aktien gewähren, Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen und die<br />

Auflösung von Aktiengesellschaften. Im Rahmen dieser Kapitalerhöhungen oder Kapitalherabsetzungen<br />

soll die Richtlinie insbesondere dafür sorgen, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten<br />

die Beachtung der Grundsätze über die Gleichbeh<strong>and</strong>lung der Aktionäre, die sich in denselben<br />

Verhältnissen befinden, und den Schutz der Gläubiger von Forderungen sicherstellen.<br />

Diese Richtlinie beschränkt schließlich die Möglichkeit für eine Aktiengesellschaft, ihre eigenen<br />

Aktien zu erwerben.<br />

Diese Richtlinie wird als Teil der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts und der Vorschriften für<br />

die Unternehmensleitung und -überwachung in der EU begrüßt, da sie eine wesentliche Voraussetzung<br />

für die Verwirklichung des Binnenmarktes darstellt.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie wurde 1976 angenommen.<br />

Eine Reihe von Vorschriften der Richtlinie wurde als zu kompliziert und nicht flexibel genug bewertet.<br />

Daher empfahlen Arbeitsgruppen von Gesellschaftsrechtsexperten in 1999 und in 2002 einige<br />

Änderungen vorzunehmen.<br />

In ihrer Mitteilung vom 21. Mai 2003 zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung<br />

der Corporate Governance folgerte die Kommission, dass die Vereinfachung der Zweiten<br />

Gesellschaftsrechtsrichtlinie Unternehmen erleichtern und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen<br />

würde.<br />

Am 29. Oktober 2004 wurde ein Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie von der Kommission<br />

angenommen.<br />

Im 14. März 2006 nahm das Europäische Parlament den Vorschlag der Kommission an. Am 6. September<br />

2006 wurde der Vorschlag auch vom Rat angenommen.<br />

Um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen zu steigern, hat der Rat im März 2007<br />

beschlossen, die Verwaltungslasten dieser Unternehmen bis zum Jahr 2012 um 25 % zu verringern.<br />

Am 16. September 2009 wurde eine Änderungs- Richtlinie (2009/109/EG), die u. a. die Vorschriften<br />

der Zweiten Gesellschaftsrechtsrichtlinie vereinfacht, angenommen. Diese Änderung soll unter<br />

bestimmten Bedingungen die Veröffentlichungs- und Berichtspflichten der Unternehmen bei Verschmelzungen<br />

und Spaltungen, insbesondere bei Verschmelzungen oder Spaltungen zwischen<br />

Mutter- und Tochtergesellschaften vereinfachen. Ziel der Änderung ist außerdem die Vorlage eines<br />

einzigen Berichts (der sich gleichzeitig auf die vollzogene Umstrukturierung und auf die Kapitalerhöhung<br />

bezieht) zu ermöglichen, wenn die Verschmelzung oder Spaltung mit einer Kapitalerhöhung<br />

verbunden ist, und den Unternehmen die Nutzung des Internets zu ermöglichen, um den Verschmelzungs-<br />

oder Spaltungsplan zu veröffentlichen und den Aktionären die erforderlichen Dokumente<br />

zu übermitteln.<br />

77/91/EWG (Richtlinie) vom 13.12.1976, Amtsblatt der EU Nr. L 26 vom 31.01.1977<br />

2006/68/EG (Richtlinie) vom 06.09.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 264/32 vom 25.09.2006<br />

2009/109/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 259/14 vom 02.10.2009<br />

181<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

7. Verordnung über das Statut der Europäischen<br />

Aktiengesellschaft<br />

Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen<br />

Aktiengesellschaft Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung<br />

des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer<br />

Inhalt<br />

182<br />

Ziel der Verordnung ist die Schaffung einer eigenständigen europäischen Gesellschaftsform, der<br />

Europa AG. Das z besteht neben <strong>and</strong>eren Gesellschaftsformen des jeweiligen nationalen Rechts.<br />

Europäische Aktiengesellschaften können hiernach durch Verschmelzung, durch Errichtung einer<br />

Holdinggesellschaft oder einer gemeinsamen Tochtergesellschaft eine Europäische Aktiengesellschaft<br />

gründen, sofern zumindest zwei der beteiligten Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten<br />

der EU ansässig sind. Eine Europäische Aktiengesellschaft kann auch durch Umw<strong>and</strong>lung<br />

einer Aktiengesellschaft gegründet werden, sofern diese seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft<br />

in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat hat.<br />

Das Kapital der Europäischen Aktiengesellschaft lautet auf Euro. Das Mindestkapital zur Gründung<br />

einer Europäischen Aktiengesellschaft beträgt 120.000 EUR. Für Kreditinstitute ist diesbezüglich<br />

die Zweite Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie maßgeblich. Die Verordnung regelt auch den Aufbau<br />

der Europa AG und lässt die Wahl zwischen dem monistischen System (Verwaltungsorgan) und<br />

dem dualistischen System (Aufsichtsorgan und Leitungsorgan).<br />

Für die Europäische Aktiengesellschaft gilt das Steuerrecht des Sitzstaates. Verluste durch Betriebsstätten<br />

in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten können vom Gewinn der Europa AG abgezogen werden.<br />

In einer ergänzenden Richtlinie zum Statut der Europäischen Aktiengesellschaft soll auch die Stellung<br />

der Arbeitnehmer geregelt werden.<br />

Bei der Gründung der Europa AG muss die Führung Verh<strong>and</strong>lungen über die Beteiligung von Arbeitnehmern<br />

mit einem Organ aufnehmen, welches alle Arbeitnehmer der betroffenen Unternehmen repräsentiert.<br />

Wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht einigen können, kommen Auffangregeln zur<br />

Anwendung. Danach gelten für die neue Gesellschaft in der Rechtsform der Europa AG die Mitbestimmungsrechte,<br />

wenn bei Gründung einer Holding oder Tochter mindestens 50 % bzw. bei einer Fusion<br />

mindestens 25 % der Arbeitnehmer bereits Mitbestimmung innehatten. Allerdings kann bei einer<br />

durch Fusion gegründeten Europa AG ein Mitgliedstaat auf die Umsetzung von Mitbestimmungsregeln<br />

verzichten, wenn durch Verh<strong>and</strong>lungen mit den Arbeitnehmern eine Einigung über die Mitbestimmungsrechte<br />

erzielt werden kann oder alle Arbeitnehmer zuvor ohne Mitbestimmung waren. Bei einer<br />

Umw<strong>and</strong>lung eines nationalen Unternehmens in eine Europa AG bleiben die Mitbestimmungsrechte<br />

für die Arbeitnehmer, die im Unternehmen unter nationalem Recht galten, bestehen.<br />

Bewertung<br />

Die Einführung einer Europäischen Aktiengesellschaft zur Ergänzung und Vereinfachung des europäischen<br />

Gesellschaftsrechts wird grundsätzlich positiv bewertet.<br />

Bedingung für die Akzeptanz der neuen Gesellschaftsform sollte die Möglichkeit der Beibehaltung<br />

der Grundzüge des deutschen Mitbestimmungssystems sein. Dies ist durch die in der Verordnung<br />

und Richtlinie eingeräumten Wahlmöglichkeiten sichergestellt. Das Vorhaben darf vor allem nicht<br />

dazu führen, dass Betriebe in Länder mit „weicher“ Mitbestimmungsregelung verlagert werden.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

1970 wurde der erste Vorschlag einer Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen<br />

Aktiengesellschaftunterbreitet. 1970 und 1983 wurden entsprechende Vorschläge über die Struktur<br />

der Europäischen Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtung ihrer Organe vorgelegt.<br />

Im Juli 1988 wurde das Thema in einem Memor<strong>and</strong>um erneut aufgegriffen.<br />

Am 25. August 1989 legte die Kommission den Vorschlag für eine Verordnung vor, zu dem der Wirtschafts-<br />

und Sozialausschuss am 28. März 1990 und das Europäische Parlament am 24. Januar 1991<br />

Stellung bezogen. Am 16. Mai 1991 legte die Kommission einen geänderten Richtlinienvorschlag vor.<br />

Anlässlich des Kopenhagener Gipfels am 22. Juni 1993 forderten die Regierungschefs den Ministerrat<br />

auf, die Verordnung so schnell wie möglich zu verabschieden. Somit bemühte sich die<br />

zuständige Ratsarbeitsgruppe um eine Einigung.<br />

Das Europäische Parlament bestätigte in seiner Stellungnahme zur ersten Lesung vom 27. Oktober<br />

1999 den Richtlinienvorschlag der Kommission sowie die aufgrund des Amsterdamer Vertrages notwendige<br />

Änderung der Rechtsgrundlage, welche die Kommission am 1. Mai 1999 beschlossen hatte.<br />

Am 20. Dezember 2000 einigte sich der Rat einstimmig auf Leitlinien für eine politische Einigung<br />

über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft. Zudem beschloss der Rat, das Parlament<br />

erneut zu konsultieren, da seit der letzten Konsultation einige wichtige Änderungen sowohl bei<br />

dem Statut der Europäischen Aktiengesellschaft als auch an dem Richtlinienvorschlag zur Stellung<br />

der Arbeitnehmer vorgenommen wurden.<br />

Das Parlament hat am 4. September 2001 seine Stellungnahme verabschiedet und Änderungsanträge<br />

vorgeschlagen, die jedoch vom Rat abgelehnt wurden. Der Rat der Europäischen Union hat<br />

die Verordnung und die Richtlinie am 8. Oktober 2001 verabschiedet. Diese wurden am 10. November<br />

2001 im Amtsblatt der EG veröffentlicht. Die Verordnung über das Statut der Europäischen<br />

Aktiengesellschaft gilt unmittelbar ohne Umsetzung und trat am 8. Oktober 2004 in Kraft. Die<br />

Mitgliedstaaten mussten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um der<br />

Richtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer an der Europäischen Aktiengesellschaft spätestens<br />

bis zum 8. Oktober 2004 nachzukommen oder sie stellten spätestens bis zu diesem Zeitpunkt<br />

sicher, dass die Sozialpartner die erforderlichen Bestimmungen durch Vereinbarungen einführten.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> erfolgte die Umsetzung der Richtlinie durch das Gesetz zur Einführung der<br />

europäischen Gesellschaft (SEEG).<br />

In ihrer Mitteilung vom 18. Juli 2007 zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechtes erwägt die EU-<br />

Kommission eine Überarbeitung des Art. 7 der Verordnung, um diese im Einklang mit der Rechtsprechung<br />

des EuGH (d. h. Überseering-Fall) zu bringen.<br />

Am 23. März 2010 hat die Kommission eine Konsultation eröffnet zur Funktionsweise der Europa<br />

AG. Das Statut ist in einigen Mitgliedstaaten sehr beliebt, in <strong>and</strong>eren ist es jedoch kaum eingeführt<br />

worden. Bekannte Beispiele von SEs in Deutschl<strong>and</strong> sind Allianz, BASF, Porsche, Fresenius<br />

und MAN.<br />

Referenz<br />

2157/2001/EG (Verordnung) vom 08.10.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 294/01 vom 10.11.2001<br />

2001/86/EG (Richtlinie) vom 8.10.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 294/22 vom 10.11.2001<br />

183<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

8. Richtlinie über die Ein-Mann-Personengesellschaft<br />

Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts<br />

betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen<br />

Gesellschafter<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

184<br />

Ziel der Richtlinie ist, die Gründung und Fortentwicklung kleinerer und mittlerer Unternehmen in<br />

der Gemeinschaft durch die gemeinschaftsweite Einführung der GmbH mit einem einzigen Gesellschafter<br />

zu fördern. Hierzu sollen die erforderlichen Mindestvoraussetzungen harmonisiert werden.<br />

Missbräuche dieser Gesellschaftsform sollen durch einen Zwang zur Offenlegung dieses Tatbest<strong>and</strong>es<br />

sowie durch die schriftliche Fixierung der Beschlüsse des einzigen Gesellschafters in seiner<br />

Eigenschaft als Gesellschafterversammlung verhindert werden.<br />

Ein-Personen-Gesellschaften, deren einziger Gesellschafter eine juristische Person ist, dürfen<br />

keine weiteren Ein-Personen-Gesellschaften gründen. Das bedeutet, dass in der dritten Konzernstufe<br />

eine juristische Person nicht Alleingesellschafterin sein darf.<br />

Eine juristische Person, die Alleingesellschafterin einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft ist,<br />

soll grundsätzlich für deren Verbindlichkeiten haften.<br />

Grundsätzlich wurde positiv beurteilt, dass die in Deutschl<strong>and</strong> bereits zulässige Ein-Personen-<br />

GmbH in allen Mitgliedstaaten der EU eingeführt wurde.<br />

Abgelehnt wurde allerdings bereits im Vorfeld der Beratungen das Verbot einer dreigliedrigen<br />

Kette von juristischen Personen, deren mittlere und untere Glieder Ein-Mann-Gesellschaften sind.<br />

Als nicht akzeptabel angesehen wurden auch die Haftungsregelungen, nach denen eine juristische<br />

Person, die Alleingesellschafterin einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft ist, grundsätzlich für<br />

deren Verbindlichkeiten haften soll. Bedenken wurden ferner geäußert gegen die Regelung,<br />

wonach die Befugnisse der Gesellschafterversammlung nicht auf <strong>and</strong>ere Personen delegiert werden<br />

dürfen.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Am 19. Mai 1988 legte die EU-Kommission einen ersten Richtlinienvorschlag vor. Endgültig verabschiedet<br />

wurde die Richtlinie am 21. Dezember 1989. Die Mitgliedstaaten mussten bis zum<br />

1. Januar 1992 die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Vorschriften erlassen. Für bereits<br />

bestehende Gesellschaften konnte die Geltung der Richtlinie erst ab 1. Januar 1993 vorgesehen<br />

werden.<br />

Die Umsetzung der Richtlinie ist im Dezember 1991 im Rahmen des Gesetzes zur Durchführung der<br />

Zwölften Richtlinie des Rates der EU auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts bezüglich GmbHs mit<br />

einem einzigen Gesellschafter erfolgt.<br />

Am 12. Juli 2007 hat die Kommission eine Mitteilung zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts<br />

vorgelegt. Dabei stellt sie die Abschaffung bzw. Vereinfachung u. a. der Zwölften Richtlinie zur<br />

Diskussion. Die Abschaffung mehrerer Richtlinien in diesem Gebiet wird von der Industrie abgelehnt,<br />

da diese Richtlinien keine geschäftlichen Hindernisse darstellen.<br />

89/667/EWG (Richtlinie) vom 21.12.1989, Amtsblatt der EG Nr. L 395/40 vom 30.12.1989<br />

185<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

9. IAS-Verordnung<br />

Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002<br />

betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze (IAS)<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

186<br />

Ziel ist die Einführung einer europaweit harmonisierten Rechnungslegung, um die Integration des<br />

Finanz- und Kapitalmarktes zu fördern. Alle kapitalmarktorientierten Unternehmen der EU mit zwei<br />

Ausnahmen müssen seit dem Jahr 2005 ihre konsolidierten Abschlüsse nach den internationalen<br />

Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards vorlegen. Als internationale Rechnungslegungsgrundsätze gelten die<br />

vom International Accounting St<strong>and</strong>ards Board (IASB) festgelegten International Accounting St<strong>and</strong>ards<br />

(IAS) bzw. in ihrer neuen Terminologie die International <strong>Financial</strong> Reporting St<strong>and</strong>ards (IFRS)<br />

sowie damit verbundene Auslegungen (SIC/IFRIC-Interpretationen).<br />

Den Mitgliedstaaten werden außerdem verschiedene Wahlrechte eingeräumt. Zum einen können<br />

sie die Anwendung von IAS auch für den Einzelabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen<br />

gestatten oder vorschreiben. Darüber hinaus kann es auch nichtkapitalmarktorientierten Gesellschaften<br />

gestattet oder vorgeschrieben werden, ihre Konzern- und/oder ihre Einzelabschlüsse<br />

nach IAS aufzustellen.<br />

Die einzelnen St<strong>and</strong>ards bzw. Interpretationen sind durch die Europäische Kommission ausdrücklich<br />

in das Gemeinschaftsrecht zu übernehmen. Dies erfolgt im Rahmen eines so genannten Anerkennungs-Mechanismus<br />

(„Endorsement process“), der aus einer zweigliedrigen Struktur besteht.<br />

Auf der politisch besetzten Regelungsebene – im Regelungssauschuss für Rechnungslegung –<br />

wird entschieden, ob ein IAS von der EU angenommen wird und wann er anzuwenden ist. Zudem<br />

wurde ein technischer Ausschuss (European <strong>Financial</strong> Reporting Advisory Group – EFRAG) eingerichtet,<br />

um die Kommission bei der Bewertung der St<strong>and</strong>ards zu beraten. Die Empfehlungen des<br />

privatwirtschaftlich organisierten Ausschusses werden allerdings durch ein Gremium der Kommission<br />

(St<strong>and</strong>ards Advisory Reporting Group) überprüft und gebilligt. Somit bleibt die eigentliche und<br />

maßgebliche Entscheidung über die IAS in der EU der politischen Regelungsebene vorbehalten.<br />

Seit 2008 hat das Europäische Parlament ein Ablehnungsrecht. Die übernommenen St<strong>and</strong>ards<br />

werden als Kommissionsverordnung vollständig im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Seit der Einführung von IFRS hat die Kommission hat eine Reihe von St<strong>and</strong>ards bzw. Abänderungen<br />

(IFRS, IFRIC) in EU Recht aufgenommen. Diese sind unter Referenzen aufgelistet.<br />

Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Vergleichbarkeit der Abschlüsse von EU-Unternehmen<br />

durch eine einheitliche Rechnungslegung realisiert werden soll. Die Entscheidung für die IAS/IFRS<br />

soll das Vertrauen der Investoren stärken.<br />

Allerdings hat die Finanzmarktkrise auch die Frage nach Änderungen der IFRS aufgeworfen, um die<br />

Folgen der Finanzmarktkrise für die Kreditinstitute und in der Folge auch für die Realwirtschaft<br />

abzumildern. Die Krise hat die Fair Value-Bilanzierung auf eine harte Bewährungsprobe gestellt.<br />

Für Finanzinstrumente, die dauerhaft gehalten werden und die über die Gesamtlaufzeit ein geringes<br />

Marktpreisschwankungspotential aufweisen, ist eine laufende Marktbewertung nicht sinnvoll.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Eine Reform von IAS 39 mit der generelle Möglichkeit zur Reklassifizierung aus der fünften Kategorie<br />

„Fair Value Option“ und mit einer Lockerung der Reklassifizierung aus der Kategorie „Held to<br />

Maturity“ ist dringend erforderlich.<br />

Der Mitteilung der EU-Kommission vom 13. Juni 2000, nach der kapitalmarktorientierte Unternehmen<br />

spätestens ab 1. Januar 2005 ihre konsolidierten Abschlüsse nach den International Accounting<br />

St<strong>and</strong>ards (IAS) aufstellen müssen, folgte ein Verordnungsvorschlag der Kommission. Die EU-<br />

Kommission hat am 13. Februar 2001 ihren Verordnungsvorschlag zur Anwendung internationaler<br />

Rechnungslegungsgrundsätze vorgelegt und dem Europäischen Parlament und dem Rat im Mitentscheidungsverfahren<br />

übermittelt. Das Parlament hat seine Stellungnahme am 12. März 2002 verabschiedet<br />

und der Rat hat die Verordnung am 7. Juni 2002 angenommen, so dass die Verordnung<br />

noch in erster Lesung verabschiedet wurde.<br />

Durch die Nutzung des Instruments der Verordnung gilt diese nach ihrer Verabschiedung unmittelbar<br />

ohne nationalen Umsetzungsprozess in den Mitgliedstaaten der EU. Auf Ebene der Mitgliedstaaten<br />

waren jedoch Entscheidungen über die gemäß der Verordnung gewährten Wahlrechte zu<br />

treffen. In Deutschl<strong>and</strong> wurden diese Wahlrechte durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)<br />

vom 4. Dezember 2004 ausgeübt.<br />

Die Kommission beschäftigt sich im Rahmen des Annerkennungsmechanismus mit der Annahme<br />

der einzelnen St<strong>and</strong>ards. EFRAG sprach sich zwar am 19. Juni 2002 für eine Annahme aller bestehenden<br />

IAS aus, jedoch schlug die Kommission am 23. Mai 2003 dem Regelungsausschuss für<br />

Rechnungslegung vor, alle bestehenden IAS außer IAS 32 und IAS 39 zu billigen („partial endorsement“).<br />

Der Regelungsausschuss billigte einstimmig am 16. Juli 2003 dieses partielle Endorsement.<br />

Nach offizieller Beschlussfassung per Verordnung durch die Kommission wurde diese<br />

zusammen mit den übernommenen St<strong>and</strong>ards im EU Amtsblatt im Oktober 2003 veröffentlicht.<br />

IAS 32 hat die Kommission im Dezember 2004 letztendlich gebilligt. Nachdem der IASB auf Druck<br />

der Kommission die Passagen zur Fair-Value Option in IAS 39 überarbeitet hatte, konnte IAS 39<br />

größtenteils(mit Ausnahme von strittigen Passagen zu Hedge Accounting) von der Kommission<br />

gebilligt werden. Diese Übernahme erfolgte im November 2005, und zwar rückwirkend zum<br />

1. Januar 2005, so dass die Gesellschaften den geänderten St<strong>and</strong>ard bereits auf ihre Abschlüsse<br />

für 2005 anwenden konnten.<br />

In 2008 wurde eine konsolidierte Fassung der IAS/IFRS angenommen.<br />

Im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse haben sich die EU-<br />

Institutionen auf einen neuen Beschluss über das Komitologieverfahren geeinigt. Dieser Beschluss<br />

führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“, das die Rechte<br />

des EU-Parlamentes ausweitet (d. h. Einführung eines Ablehnungsrechtes). So wird das neue Verfahren<br />

durch Änderung der einzelnen Rechtsvorschriften (u. a. der IAS-Verordnung) zukünftig eingeführt.<br />

Dementsprechend hat die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag im Dezember 2006<br />

vorgelegt, um das Regelungsverfahren mit Kontrolle gemäß Artikel 5a des Beschlusses 1999/468/<br />

EG beim „Endorsement process“ anzuwenden. Die Verordnung wurde am 11. März 2008 angenommen<br />

und hat dadurch die Rolle des Europäischen Parlaments im Endorsement Prozess gestärkt.<br />

In Folge der Finanzkrise und auf vielfache Kritik an den prozyklischen Effekten einer Fair Value-<br />

Bilanzierung sah sich die Europäische Union in 2008 veranlasst, Änderungen bei IAS 39 zu fordern.<br />

187<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

188<br />

Der IASB beschloss daraufhin am 13. Oktober 2008 Änderungen bei der Umwidmung von Finanzinstrumenten<br />

in Krisenzeiten. Diese wurden am 16.Oktober 2008 per Verordnung in EU Recht<br />

übernommen und sind damit unmittelbar in Kraft getreten. Diese Änderungen zielen auch darauf<br />

ab, Unterschiede zwischen IFRS und US GAAP zu verringern und potentielle Wettbewerbsvorteile<br />

US-amerikanischer Banken zu beseitigen.<br />

Im Oktober 2008 hat die Kommission eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière<br />

beauftragt, sie zur Zukunft der europäischen Finanzmarktregulierung und -überwachung zu<br />

beraten. Diese Gruppe stellte am 25. Februar 2009 ihren Bericht vor, dessen Empfehlungen von der<br />

Kommission in ihrer Mitteilung zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2009 übernommen<br />

wurden. Zu den Empfehlungen gehören Anpassungen der Fair Value-Bewertung und Verbesserungen<br />

von Bilanzierungsregeln durch Annahme von antizyklischen Maßnahmen.<br />

Am 4. Juni 2010 hat die Kommission einen Bericht zur Konvergenz und Äquivalenz von GAAPs von<br />

Drittstaaten veröffentlicht. In diesem werden die Entwicklungen und Annäherungen an IFRS<br />

beschrieben. Als äquivalent werden die Bilanzierungsst<strong>and</strong>ards der USA und Japan anerkannt.<br />

Fortschritte werden auch in Argentinien, Brasilien, Mexiko, Russl<strong>and</strong> und Taiwan gesehen. Im<br />

Hinblick auf die „Roadmap” der USA für eine eventuelle Annahme der IFRS, warnt die Kommission<br />

vor den negativen Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit von IFRS, die ein nur schwaches Bekenntnis<br />

der USA zu IFRS haben würden.<br />

1606/2002/EG vom 19.07.2002, Amtsblatt der EU Nr. L 243/1 vom 11.09.2002 (IAS-Verordnung)<br />

1725/2003/EG vom 29.09.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 261/1 vom 13.10.2003 (ersten IAS, von<br />

1126/2008/EG aufgehoben)<br />

707/2004/EG vom 06.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 111/3 vom 17.04.2004 (IFRS 1)<br />

2086/2004/EG vom 19.11.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 363/1 vom 09.12.2004 (IAS 39)<br />

2236/2004/EG vom 29.12.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 392/1 vom 31.12.2004 (IFRSs 3, 4, 5 und<br />

IASs 36 und 38)<br />

2237/2004/EG vom 29.12.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 393/1 vom 31.12.2004 (IAS 32/IFRIC 1)<br />

2238/2004/EG vom 29.12.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 394/1 vom 31.12.2004 (improvement project)<br />

211/2005/EG, vom 04.02.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 41/1 vom 11.02.2005 (IFRS 2)<br />

1073/2005/EG vom 07.07.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 175/3 vom 08.07.2005 (IFRIC 2)<br />

1751/2005/EG vom 25.10.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 282/3, 26.10.2005 (IAS 39/Transition, SIC 12).<br />

1864/2005/EG vom 15.11.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 299/45, 16.11.2005 (IAS 39/Fair Value<br />

Option).<br />

1910/2005/EG vom 08.11.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 305/4, 24.11.2005 (IFRS 6, IAS 19, IFRIC 4<br />

und IFRIC 5).<br />

2106/2005/EG vom 21.12.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 337/16, 22.12.2005 (IAS 39/Cash flow<br />

hedge accounting of forecast intragroup transactions).<br />

108/2006/EG vom 11.01.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 24/1 vom 27.01.2006 (IFRS 7 und IAS 1, IFRS<br />

4 und IAS 39/<strong>Financial</strong> Guarantee Contracts, IFRS 1 und IFRIC 6).<br />

708/2006/EG vom 08.05.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 122/19 vom 09.05.2006 (IAS 21 und IFRIC 7)<br />

1329/2006/EG vom 08.11.2006, Amtsblatt der EU Nr. L (IFRIC 8 und IFRIC 9)<br />

610/2007/EG vom 01.06.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 141/46 vom 02.06.2007 (IFRIC 10)<br />

611/2007/EG vom 01.06.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 141/49 vom 02.06.2007 (IFRIC 11)


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

297/2008/EG vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 97/62 vom 09.04.2008 (Regelungsverfahren<br />

mit Kontrolle)<br />

1004/2008/EG vom 15.10.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 275/37 vom 16.10.2008 (IAS 39 und IFRS 7)<br />

1126/2008/EG vom 03.11.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 320/1 vom 29.11.2008 (Konsolidierte Fassung,<br />

fast alle IAS, IFRS und IFRIC)<br />

1260/2008/EG vom 10.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 338/10 vom 17.12.2008 (IAS 23)<br />

1261/2008/EG vom 16.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 338/17 vom 17.12.2008 (IFRS 2)<br />

1262/2008/EG vom 16.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 338/21 vom 17.12.2008 (IFRIC 13)<br />

1263/2008/EG vom 16.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 338/25 vom 17.12.2008 (IFRIC 14)<br />

1274/2008/EG vom 17.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 339/3 vom 18.12.2008 (IAS 1)<br />

53/2009/EG vom 21.01.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 17/23 vom 22.01.2009 (IAS 32 und IAS 1)<br />

69/2009/EG vom 23.01.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 21/10 vom 24.01.2009 (IFRS 1 und IAS 27)<br />

70/2009/EG vom 23.01.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 21/16 vom 24.01.2009 (Verbesserungen an<br />

IFRS)<br />

254/2009/EG vom 25.03.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 80/5 vom 26.03.2009 (IFRIC 12)<br />

460/2009/EG vom 04.06.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 139/6 vom 05.06.2009 (IFRIC 16)<br />

494/2009/EG vom 03.06.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 149/6 vom 12.06.2009 (IAS 27)<br />

495/2009/EG vom 03.06.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 149/22 vom 12.06.2009 (IFRS 3)<br />

636/2009/EG vom 22.07.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 191/5 vom 23.07.2009 (IFRIC 15)<br />

824/2009/EG vom 09.09.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 239/48, 10.09.2009 (IAS 39 und IFRS 7)<br />

839/2009/EG vom 15.09. 2009, Amtsblatt der EU Nr. L 244/6, 16.09.2009 (IAS 39)<br />

1136/2009/EG vom 25.11.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 311/6, 26.11.2009 (IFRS 1)<br />

1164/2009/EG vom 27.11.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 314/15 , 01.12.2009 (IFRIC 18)<br />

1165/2009/EG vom 27.11.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 314/21, 01.12.2009 (IFRS 4 und IFRS 7)<br />

1171/2009 vom 30.11. 2009, Amtsblatt der EU Nr. L 314/43, 1.12. 2009 (IFRIC 9 und IAS 39 Embedded<br />

Derivatives)<br />

1293/2009 vom 23.12.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 347/23, 24.12.2009 (IAS 32)<br />

243/2010/EG vom 23.03.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 77/33, 24.03.2010 (Verbesserungen von IAS<br />

1, IAS 7, IAS 17, IAS 36, IAS 38, IAS 39, IFRS 2, IFRS 5, IFRS 8, IFRIC 9 und IFRIC 16)<br />

244/2010/EG vom 23.03.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 77/42, 24.03.2010 (IFRS 2)<br />

550/2010/EG vom 23.06.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 157/3, 24.06.2010 (IFRS 1)<br />

574/2010/EG vom 30.06.2010, Amtsblatt der EU Nr. L. 166/6, 1.7.2010 (IFRS 1 und IFRS 7)<br />

632/2010/EG vom 19.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 186/1, 20.07.2010 (IAS 24 und IFRS 8)<br />

633/2010/EG vom 19.07. 2010, Amtsblatt der EU Nr. L 186/10, 20.07.2010 (IFRIC 14)<br />

662/2010/EG vom 23.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 193/1, 24.07.2010 (IFRIC 19 und IFRS 9)<br />

149/2011/EG vom 18.02.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 46/1, 19.02.2011 (Änderung von IFRS 1 und<br />

IAS 34 und Verbesserungen von IAS 1, 21, 27, 28, 31, 32, 34, 39, IFRS 1, 3, 7,13 und IFRIC 13)<br />

1205/2011/EU vom 22.11.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 305/16, 23.11.2011 (Änderungen von IAS 1)<br />

475/2012/EU vom 5.06.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 146/11, 6.6.2012 (Änderungen von IAS 1 und<br />

IAS 19)<br />

189<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

10. Fair-Value-Richtlinie<br />

Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001<br />

zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick<br />

auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften<br />

bestimmter Rechtsformen und von Banken und <strong>and</strong>eren Finanzinstrumenten zulässigen<br />

Wertansätze<br />

Inhalt<br />

190<br />

Die Änderung der Vierten und Siebten Gesellschafts-Richtlinie sowie der Bankbilanz-Richtlinie<br />

ermöglicht die Bewertung bestimmter Finanzaktiva und -passiva auf Grundlage des beizulegenden<br />

Zeitwertes (Fair Value). Diese Änderung ist erforderlich, um eine Kohärenz zwischen international<br />

anerkannten Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards, insbesondere im Rahmen des International Accounting<br />

St<strong>and</strong>ard Boards, und den EU-Richtlinien zu wahren. Ziel ist es, dass europäische Gesellschaften<br />

ihre Abschlüsse in Übereinstimmung mit den Entwicklungen auf internationaler Ebene aufstellen<br />

und weltweit akzeptierte und verständliche Finanzausweise uneingeschränkt anwenden können.<br />

Im Bezug zu IAS 39, das seit dem Geschäftsjahr 2001 verbindlich ist, ist es außerdem Ziel, dass<br />

Unternehmen diesen St<strong>and</strong>ard für die Bewertung von Finanzinstrumenten uneingeschränkt nutzen<br />

können.<br />

Grundsätzlich können alle Finanzinstrumente einschließlich derivativer Finanzinstrumente nach<br />

dem Fair-Value-Prinzip bewertet werden. Ausgeschlossen sind jedoch bis zur Fälligkeit gehaltene,<br />

nicht derivative Finanzinstrumente, von der Gesellschaft vergebene Darlehen und von ihr begründete<br />

Forderungen, die nicht für H<strong>and</strong>elszwecke gehalten werden; Anteile an Tochtergesell schaften,<br />

assoziierten Unternehmen und Joint Ventures, von der Gesellschaft ausgegebene Eigenkapitalinstrumente,<br />

Verträge über eventuelle Gegenleistungen bei einem Unternehmenszusammenschluss<br />

sowie <strong>and</strong>ere Finanzinstrumente, die so spezifische Merkmale aufweisen, dass sie nach gängiger<br />

Auffassung bilanzmäßig in <strong>and</strong>erer Form als <strong>and</strong>ere Instrumente erfasst werden sollten. Der beizulegende<br />

Zeitwert entspricht dem Marktwert bei Finanzinstrumenten, für die sich ein verlässlicher<br />

Markt ohne weiteres ermitteln lässt oder – wenn dies nicht gewährleistet ist – einem Wert, der<br />

mit Hilfe anerkannter Bewertungsmodelle berechnet wird.<br />

Die Wertveränderung durch eine Fair-Value-Bewertung muss in der G+V-Rechnung ausgewiesen<br />

werden. Wenn das Finanzinstrument ein Sicherungsinstrument darstellt und im Rahmen einer<br />

Bilanzierung von Sicherungsgeschäften erfasst wird, bei der<br />

a) eine Wertveränderung nicht oder nur teilweise in der G+V-Rechnung ausgewiesen werden<br />

muss oder<br />

b) sie auf eine Wechselkursdifferenz zurückzuführen ist, von der ein monetärer Posten betroffen<br />

ist, oder<br />

c) der Teil der Nettobeteiligung einer Gesellschaft an einer wirtschaftlich selbstständigen, ausländischen<br />

Teileinheit ist,<br />

dann muss sie direkt im Eigenkapital in einer so genannten Zeitwert-Rücklage erfasst werden.<br />

Sofern eine Zeitwertbilanzierung durchgeführt wird, sind zu den bestimmten Finanzinstrumenten<br />

bestimmte Angaben im Anhang zu machen, wie bspw. eine Übersicht über die Bewegung inner-


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

halb der Zeitwertrücklage im Verlauf eines Geschäftsjahres. Von den Offenlegungspflichten können<br />

Kleinunternehmen freigestellt werden.<br />

Die Mitgliedstaaten können festlegen, welche Unternehmen ihre Rechnungslegung nach fair value<br />

vornehmen dürfen bzw. müssen.<br />

Mit dieser Richtlinie werden die Rechnungslegungs-Richtlinien modernisiert und an die internationalen<br />

Rechnungslegungsst<strong>and</strong>ards angepasst. Für europäische Unternehmen wird es damit einfacher,<br />

die Rechnungslegungsanforderungen der internationalen Kapitalmärkte zu erfüllen und somit<br />

zu gleichen Bedingungen mit außereuropäischen Wettbewerbern zu konkurrieren.<br />

Obwohl diese Richtlinie auch für Banken gilt, wurde damit jedoch keine ausschließlich auf dem<br />

Fair-Value basierende Rechnungslegung eingeführt, gegen die nicht nur die Bankenbranche<br />

gewisse Bedenken hat – diese Thematik wird international vor allem im Rahmen der Finanzkrise<br />

diskutiert. Die prozyklischen Effekte einer Fair Value-Bilanzierung stehen dabei im Vordergrund.<br />

Die zeitliche Umsetzung der Fair-Value-Richtlinie in nationales Recht musste im Zusammenhang<br />

mit der IAS-Verordnung vom 7. Juni 2002 gesehen werden. Diese sah für kapitalmarktorientierte<br />

Unternehmen eine Rechnungslegung nach IAS für Konzernabschlüsse erst ab 2005 vor und enthielt<br />

darüber hinaus bestimmte als Mitgliedstaaten-Wahlrechte ausformulierte Übergangsfristen bis<br />

2007. Demzufolge zielte die Fair-Value-Richtlinie auf eine vorzeitige Anwendung von IAS 39 ab.<br />

Die Richtlinie verweist selbst nicht auf IAS 39, sondern formuliert klare Vorgaben. Gerade mit der<br />

anstehenden Überarbeitung von IAS 39 ist jedoch zu erwarten, dass es zu Abweichungen zwischen<br />

der Richtlinie und dem überarbeiteten IAS 39 kommt.<br />

Die Europäische Kommission legte am 24. Februar 2000 den Änderungsvorschlag vor. Nach einer<br />

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses am 12. Juli 2000 und nur einer Lesung im<br />

Parlament am 15. Mai 2001 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union<br />

die Richtlinie am 31. Mai 2001 verabschiedet. Die Richtlinie wurde am 27. Oktober 2001 im Amtsblatt<br />

der EG veröffentlicht. Diese Richtlinie ist Best<strong>and</strong>teil des Aktionsplans Finanzdienstleistungen<br />

vom Mai 1999. Die Mitgliedstaaten hatten bis zum 1. Januar 2004 Zeit, die Richtlinie in nationales<br />

Recht umzusetzen. In Deutschl<strong>and</strong> erfolgte die Umsetzung der Richtlinie teilweise<br />

(Bewertung Derivate, Begriff Finanzinstrument) bereits durch das Bilanzrechtsreformgesetz (Bil-<br />

ReG) im Dezember 2004. Die Umsetzung des übrigen Teils (Einführung der Bewertungskategorien,<br />

damit teilweise FV-Bewertung für Nicht-derivate, sowie Hedge Accounting) wurde mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz<br />

(BilMoG) vorgenommen. Das Gesetz wurde am 28. Mai 2009 im<br />

Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 29. Mai 2009 in Kraft getreten.<br />

2001/65/EG (Richtlinie) vom 27.09.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 283/28 vom 27.10.2001<br />

191<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

11. Modernisierungs-Richtlinie<br />

Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 18. Juni 2003 zur<br />

Änderung der Richtlinie 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den<br />

Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen,<br />

von Banken und <strong>and</strong>eren Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen.<br />

Inhalt<br />

192<br />

Diese Richtlinie soll alle bestehenden Konflikte zwischen den EU-Richtlinien zur Rechnungslegung<br />

und den seit 1. Mai 2002 bestehenden International Accounting St<strong>and</strong>ards (IAS) beseitigen. Der<br />

Richtlinie soll die nach den IAS bestehenden Rechnungslegungsoptionen für die EU-Unternehmen,<br />

die nicht unter die IAS-Verordnung fallen, öffnen. Diese Änderungen dienen somit der Modernisierung<br />

der Rechnungslegungsrichtlinien, um der modernen Praxis gerecht zu werden und auf eine<br />

künftige Entwicklung der IAS-Rechnungslegung flexibel reagieren zu können.<br />

Die so genannten Rechnungslegungsrichtlinien gelten weiterhin als Maßstab für diejenigen Unternehmen,<br />

die nicht in den Anwendungsbereich der IAS-Verordnung fallen. Diese Richtlinien bleiben<br />

also für bis zu 5 Mio. Unternehmen in Europa weiterhin gültig. Sie gelten auch weiterhin in Bezug<br />

auf die Themen, die von der IAS-Verordnung nicht berührt werden. Materiell h<strong>and</strong>elt es sich insbesondere<br />

um die Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts.<br />

Zur Bilanzrichtlinie werden insbesondere umfangreiche Optionen für Mitgliedstaaten vorgesehen,<br />

die den Unternehmen jeweils vorschreiben oder gestatten können, z. B. weitere Unterlagen in den<br />

Jahresabschluss aufzunehmen, die Bilanz alternativ nach der Fristigkeit zu gliedern, an Stelle der<br />

G+V-Rechnung eine Ergebnisrechnung aufzustellen, alle Gegenstände des Anlagevermögens (also<br />

auch immaterielle Vermögensgegenstände) neu zu bewerten eine Bewertung zum beizulegenden<br />

Zeitwert für eine bestimmte Art von Vermögenswerten mit Ausnahme von Finanzinstrumenten zu<br />

ermöglichen oder alle Änderungen des beizulegenden Zeitwertes in der G+V-Rechnung auszuweisen.<br />

Darüber hinaus wird eine Konkretisierung zum Inhalt des Lageberichts ermöglicht. Die Angaben<br />

sollen sich nicht nur auf die finanziellen Aspekte des Geschäfts der Gesellschaft beschränken,<br />

sondern auch signifikante Unsicherheiten und Risiken, die die Unternehmensentwicklung beeinflussen<br />

können, in Betracht ziehen. Zudem sollen bestimmte an die Unternehmensgröße gekoppelte<br />

Erleichterungen der Offenlegungspflichten für Unternehmen, deren Wertpapiere an einem<br />

geregelten Markt zugelassen sind, nicht gewährt werden.<br />

Bei der Konzernbilanzrichtlinie ist die Schaffung eines Mitgliedstaaten-Wahlrechtes vorgesehen,<br />

so dass Unternehmen auch dann zur Konzernrechnungslegung verpflichtet werden, wenn bei tatsächlich<br />

beherrschendem Einfluss auf ein <strong>and</strong>eres Unternehmen oder einheitlicher Leitung keine<br />

Beteiligung vorliegt. Dies zielt insbesondere auf eine erweiterte Konsolidierungspflicht für Zweckgesellschaften<br />

(special purpose vehicles). Die Möglichkeit zur Nicht-Einbeziehung von Tochterunternehmen<br />

bei gegenüber dem Mutterunternehmen abweichender Tätigkeit soll gestrichen werden.<br />

Ebenso sollen bestimmte Ausnahmeregelungen für Unternehmen, deren Wertpapiere an<br />

einem geregelten Markt zugelassen sind, gestrichen werden. Außerdem sollen Mitgliedstaaten-<br />

Wahlrechte für die Aufnahme weiterer Unterlagen in den Konzernabschluss und die Gliederung der<br />

Konzernbilanz geschaffen werden. Ebenso werden Konkretisierungen zum Inhalt des Konzernlageberichts<br />

und zu den Vorschriften zum Prüfungsumfang sowie zur Gliederung und zum Inhalt des<br />

Bestätigungsvermerks festgelegt. Ferner können der Lagebericht und der Konzernlagebericht in<br />

einem einzigen Bericht dargestellt werden.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Was die Bankbilanz-Richtlinie betrifft, so wird eine Lockerung der Gliederungsvorgaben und eine<br />

Ausdehnung der fair value Bewertung geregelt. Die Richtlinie bietet außerdem die Option, von den<br />

bestehenden Gliederungsvorgaben für Bilanz sowie G+V-Rechnung abzuweichen. Die strikten<br />

Regeln können im Rahmen eines Mitgliedstaatenwahlrechtes gelockert werden. Ferner wird eine<br />

Ausdehnung der fair value Bewertung sowie deren erfolgswirksame Berücksichtigung grundsätzlich<br />

auf weitere Aktiva möglich sein. Die Mitgliedstaaten können somit gestatten oder vorschreiben,<br />

dass Banken bestimmte Arten von Vermögenswerten mit Ausnahme von Finanzinstrumenten<br />

auf der Grundlage des beizulegenden Zeitwerts („fair value“) bewerten. Entsprechende Wertänderungen<br />

könnten bzw. sollten dann in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden. Die<br />

Möglichkeit bzw. Vorschrift kann auf den konsolidierten Abschluss beschränkt werden.<br />

Mit dieser Richtlinie sollen die Rechnungslegungs-Richtlinien an die IAS-Verordnung angepasst<br />

und modernisiert werden. Die Kommission versucht, mit der Änderung der bestehenden Rechnungslegungsrichtlinien<br />

allen Unternehmen eine Zukunft mit IAS zu öffnen. Somit wird sich der<br />

Kreis der Unternehmen, die direkt oder indirekt von den International Accounting St<strong>and</strong>ards betroffen<br />

sind, noch erweitern.<br />

Diese Zielsetzung ist zu begrüßen und geht in die richtige Richtung, um die Stabilität der Finanzmärkte<br />

zu fördern und das Vertrauen der Anleger zu stärken. Das erhoffte Ziel der Kommission, die<br />

Vergleichbarkeit der Finanzinformation in der EU zu erhöhen, wird jedoch durch dieses Vorhaben<br />

noch immer nicht gewährleistet. Die eingeräumten Wahlrechte werden weiterhin die Vergleichbarkeit<br />

erschweren.<br />

Die Europäische Kommission hat am 28. Mai 2002 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung<br />

der Bilanz-Richtlinie, der Konzernbilanzrichtlinie und der Versicherungsbilanzrichtlinie vorgelegt.<br />

Der Vorschlag wurde im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens dem Europäischen Parlament<br />

und dem Rat übergeben.<br />

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat am 22.01.2003 seine Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag<br />

abgegeben. Während der Verh<strong>and</strong>lungen im Rat wurde beschlossen, den Vorschlag um die<br />

bankspezifischen Punkte zu ergänzen. So wurde die Modernisierung der Bankbilanz einstimmig in<br />

dieses Vorhaben einbezogen.<br />

Am 18. Juni 2003 haben das Europäische Parlament und der Rat in erster Lesung die Richtlinie<br />

angenommen. Sie wurde am 17. Juli im EU Amtsblatt veröffentlicht und sollte bis zum 1. Januar<br />

2005 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. In Deutschl<strong>and</strong> erfolgte die Umsetzung der<br />

Richtlinie durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) im Dezember 2004.<br />

2003/51/EG (Richtlinie) vom 18.06.2003, Amtsblatt der EU Nr. L178/16 vom 17.07.2003<br />

193<br />

C


C<br />

C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

12. Übernahme-Richtlinie<br />

Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21. April 2004 betreffend<br />

Übernahmeangebote<br />

Inhalt<br />

194<br />

Die Richtlinie über Übernahmeangebote schreibt Grundprinzipien fest, um mögliche Beeinträchtigungen<br />

von grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen und Übernahmen zu vermeiden. Somit<br />

soll die Rechtssicherheit im Interesse aller Beteiligten erhöht und der Schutz der Minderheitsaktionäre<br />

gewährleistet werden. Sie soll auch zur Förderung der Restrukturierung von Unternehmen<br />

dienen. So soll die Richtlinie Grundprinzipien bei einer Übernahme festlegen und Bestimmungen<br />

zum anwendbaren Recht sowie zu den Informationen über das Angebot vorschreiben.<br />

Um einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen, werden die Abwehr-Mechanismen stark<br />

beschränkt. So darf das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft innerhalb eines<br />

bestimmten Zeitraums keine Abwehrmaßnahmen treffen, sofern die Hauptversammlung diesen<br />

Maßnahmen nicht zuvor zugestimmt hat (Ausnahme: Suche nach einem konkurrierenden Angebot).<br />

Ferner enthält die Richtlinie zusätzliche Transparenzanforderungen an die Gesellschaften, die ihre<br />

bestehenden Abwehrmechanismen offen legen müssen. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen<br />

Beschränkungen bezüglich der Übertragung von Wertpapieren oder der Stimmrechte gegenüber<br />

Dritten unwirksam sein („break-through rule“). Zudem berechtigen Wertpapiere mit Mehrfachstimmrecht<br />

zu lediglich eine Stimme bei der Hauptversammlung. Werden Rechte entzogen, so<br />

muss eine angemessene Entschädigung, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wird, vorgesehen<br />

sein.<br />

Jedoch hat die Richtlinie den Mitgliedstaaten ein Optionsmodell zur Beschränkung der Abwehrmechanismen<br />

zugest<strong>and</strong>en. So können die Mitgliedstaaten ihren Unternehmen die nationalen<br />

Abwehrwaffen gewähren (sog. „opt-out“). Diese können jedoch individuell mit Zustimmung ihrer<br />

Hauptversammlung für den Verbot der Abwehrmechanismen hinein optieren (opt-in). Weitere<br />

Bestimmungen wurden vorgesehen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und „Waffengleichheit“<br />

zwischen den betroffenen Unternehmen im Fall einer Übernahme zu gewährleisten.<br />

Die Richtlinie enthält auch eine Regelung über den Ausschluss von Minderheitsaktionären. Hält<br />

der Bieter beispielsweise Wertpapiere der Zielgesellschaft von mindestens 90 % des Gesellschaftskapitals,<br />

so kann er von den verbleibenden Wertpapierinhabern verlangen, dass sie ihm<br />

ihre Wertpapiere zu einem angemessenen Preis verkaufen („squeeze-out“). Umgekehrt kann unter<br />

bestimmten Bedingungen ein Minderheitsgesellschafter verlangen, dass der Bieter seine Wertpapiere<br />

zu einem angemessenen Preis erwirbt („sell-out“).<br />

Die Richtlinie befasst sich nicht mit Sonderaktien, die den Mitgliedstaaten in privatisierten Unternehmen<br />

besondere Kontrollrechte gewähren. Da die Richtlinie nur gesellschaftsrechtliche Fragen<br />

regelt, wurde die Problematik nicht mit einbezogen.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Die europaweite Regelung von Übernahmeangeboten ist grundsätzlich zu begrüßen. Es ist auch<br />

positiv zu bewerten, dass lediglich allgemeine Grundprinzipien festgesetzt wurden, so dass die<br />

Gefahr der Überregulierung des Wertpapiermarktes vermieden wurde. Die lange Dauer der<br />

Gespräche, die zur Einigung führten, verdeutlicht auch die sehr unterschiedlichen nationalen Regelungen<br />

auf diesem Gebiet, so dass die Richtlinie von vielen Seiten als bestmöglicher Kompromiss<br />

angesehen wird. Durch das eingeführte Optionsmodell (opt-in bzw. opt-out) gewinnt die Richtlinie<br />

jedoch an Komplexität, so dass die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten mit weitgehendem Freiraum<br />

verbunden ist.<br />

Im Jahre 1987 legte die EU-Kommission den Vorentwurf für eine Richtlinie über Übernahmeangebote<br />

vor. Am 19. Januar 1989 wurde ein Richtlinienvorschlag vorgelegt. Am 11. November 1997<br />

legte die EU-Kommission , nach mehreren Vorschlägen, einen weiteren geänderten Richtlinienentwurf<br />

vor. Zwar kam im Binnenmarktrat im Sommer 1999 eine politische Einigung zust<strong>and</strong>e, jedoch<br />

wurde aufgrund des Gibraltarproblems kein formeller Beschluss gefasst. Dieser Beschluss wurde<br />

am 19. Juni 2000 nachgeholt. Das Parlament nahm am 13. Dezember 2000 einen Bericht zur Richtlinie<br />

über Übernahmeangebote an, der 15 Änderungen gegenüber dem Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt<br />

vorsah. Nach einem Bericht der Kommission, die bis auf drei, alle Änderungen ablehnte, kam es im<br />

März 2001 zum Vermittlungsverfahren. Am 6. Juni 2001 einigten sich Rat und Parlament im Vermittlungsausschuss<br />

auf einen Kompromiss. Das Parlament lehnte jedoch den Vermittlungsvorschlag<br />

am 3. Juli 2001 im Plenum mit 273 zu 273 Stimmen ab, so dass die Richtlinie gescheitert<br />

war.<br />

Die Europäische Kommission hat im September 2000 eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt,<br />

um sie bei der Ausarbeitung eines neuen Richtlinienvorschlags zu beraten („Winter Gruppe“). Am<br />

10. Januar 2002 wurde der Expertenbericht vorgelegt. Die Expertengruppe befürwortet darin die<br />

Erstellung einheitlicher Rahmenbedingungen. Bei Abwehrmaßnahmen soll die Hauptversammlung<br />

selbst – nach dem one-share, one-vote-Prinzip – entscheiden, und nicht der Vorst<strong>and</strong>.<br />

Die Kommission ist diesem Bericht zum größten Teil gefolgt und hat am 2. Oktober 2002 einen<br />

neuen Richtlinienvorschlag vorgelegt. Der Vorschlag wurde im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens<br />

dem Europäischen Parlament und dem Rat, die sich für eine zügige Annahme ausgesprochen<br />

haben, übergeben. Nach intensiven Verh<strong>and</strong>lungen zwischen den Institutionen hat sich der<br />

Rat am 26. November 2004 auf einen Kompromisstext geeinigt. Das Parlament stimmte diesem<br />

Kompromiss am 16. Dezember 2003 zu, so dass die Richtlinie in erster Lesung am 21. April 2004<br />

verabschiedet wurde. Die Richtlinie musste von den Mitgliedstaaten bis zum 20. Mai 2006 umgesetzt<br />

werden.<br />

Wesentliche Vorschriften der Übernahmerichtlinie wurden in Deutschl<strong>and</strong> durch das bisher schon<br />

geltende Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von<br />

Unternehmensübernahmen (WpÜG) vom 20. Dezember 2001 umgesetzt. Dieses Gesetz wurde im<br />

Juli 2006 geringfügig abgeändert, um eine „Eins zu Eins“-Umsetzung der Richtlinie zu gewährleisten<br />

(Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz [WpÜG-Novelle]). Ergänzend hierzu wurden am<br />

24. Juli 2006 die Verordnung zur Änderung der WpÜG-Angebotsverordnung und die Verordnung<br />

über die Anwendbarkeit von Vorschriften betreffend Angebote im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 des<br />

195<br />

C


C<br />

C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

196<br />

Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG-Anwendbarkeitsverordnung) im Bundesgesetzblatt<br />

verkündet.<br />

Im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse haben sich die EU-<br />

Institutionen auf einen neuen Beschluss über das Komitologieverfahren geeinigt. Dieser Beschluss<br />

führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“, das die Rechte<br />

des EU-Parlamentes ausweitet (d. h. Einführung eines Ablehnungsrechtes). So wird das neue Verfahren<br />

durch Änderung der einzelnen Rechtsvorschriften zukünftig eingeführt. Dementsprechend<br />

hat die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag am 19 Dezember 2007 vorgelegt, um das<br />

Regelungsverfahren mit Kontrolle gemäß Artikel 5a des Beschlusses 1999/468/EG bei „nicht<br />

wesentlichen Bestimmungen“ dieser Richtlinie anzuwenden. Die Verordnung wurde am 11. März<br />

2009 angenommen.<br />

Am 27. Februar 2007 hat die Kommission einen Bericht zum St<strong>and</strong> der Umsetzung der Richtlinie<br />

veröffentlicht, der zum Schluss kommt, dass das Optionsmodell ausgiebig von Mitgliedsstaaten<br />

genutzt worden ist und mehr Wettbewerbshindernisse schafft als, dass die Richtlinie Hindernisse<br />

abbaut.<br />

Am 6. Juni 2012 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zum Krisenmanagement (Sanierung<br />

und Abwicklung von Banken) veröffentlicht (siehe Kapitel A.III.3) , der die Übernahme-Richtlinie<br />

ändert. Letztere enthält eine Verpflichtung zur Lancierung von Übernahmeangeboten für sämtliche<br />

Anteile eines Unternehmens, wenn eine Person allein oder gemeinsam mit <strong>and</strong>eren einen<br />

bestimmten Anteil an dem Unternehmen erwirbt, durch den sie die Beherrschung über das Unternehmen<br />

erlangt. Um aufgrund einer derart kostspieligen Verpflichtung nicht potenzielle Anleger im<br />

betreffenden Institut abzuschrecken und für die Abwicklungsbehörden die Wahrnehmung sämtlicher<br />

Abwicklungsbefugnisse nicht zu erschweren, wird eine Ausnahme vom obligatorischen Übernahmeangebot<br />

vorgesehen.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2004/25/EG (Richtlinie) vom 21.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 142/12 vom 30.04.2004<br />

219/2009/EG (Verordnung) vom 11.03.2009, Amtsblatt der EU Nr. L87/109 vom 31.03.2009<br />

197<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

13. Verschmelzungs-Richtlinie (Zehnte Richtlinie)<br />

Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über<br />

die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten<br />

Inhalt<br />

198<br />

Diese Richtlinie soll eine wichtige Lücke im Gesellschaftsrecht schließen. Vor dieser Richtlinie waren<br />

aufgrund der nationalen Bestimmungen im Gesellschaftsrecht grenzüberschreitende Fusionen in<br />

Deutschl<strong>and</strong>, Österreich, den Niederl<strong>and</strong>en, Schweden, Irl<strong>and</strong>, Griechenl<strong>and</strong>, Finnl<strong>and</strong> und Dänemark<br />

nicht möglich. Zudem sind die einzelstaatlichen Vorschriften in der Regel so unterschiedlich, dass auf<br />

komplizierte und kostenintensive juristische Hilfskonstruktionen zurückgegriffen werden muss. Darüber<br />

hinaus ist bei derartigen Modellen häufig eine Auflösung der übertragenen Gesellschaft erforderlich.<br />

Mit der Richtlinie soll allen Kapitalgesellschaften ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden,<br />

um bestmögliche Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen zu gewährleisten.<br />

Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich auf alle Kapitalgesellschaften (nicht nur<br />

Aktiengesellschaften). Als Kapitalgesellschaft definiert die Richtlinie eine Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit<br />

und Gesellschaftskapital, welches allein für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft<br />

haftet. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen von dem vereinfachten Rechtsrahmen<br />

profitieren.<br />

Die Definition der Verschmelzung folgt der Steuer-/Fusions-Richtlinie 90/434/EWG. Es bestehen<br />

drei Möglichkeiten der Verschmelzung: Übertragung einer oder mehrerer Gesellschaften auf eine<br />

<strong>and</strong>ere Gesellschaft unter Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der <strong>and</strong>eren Gesellschaft,<br />

Übertragung auf eine von den sich verschmelzenden Gesellschaften gegründete neue<br />

Gesellschaft oder Übertragung einer Gesellschaft auf eine Gesellschaft, die sämtliche Anteile an<br />

ihrem Gesellschaftskapital besitzt.<br />

Grundsätzlich folgt die Verschmelzung denselben rechtlichen Grundsätzen und Modalitäten, die für<br />

innerstaatliche Verschmelzungen von Gesellschaften gelten. Darüber hinaus soll das nationale Recht<br />

auch den Schutz der Gläubiger sowie der Minderheitsgesellschafter und Arbeitnehmer (außer in<br />

Bezug auf Mitbestimmungsrechte) gegenüber jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften regeln.<br />

Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass ein gemeinsamer Verschmelzungsplan mit<br />

bestimmten Mindestangaben durch die Leitungs- oder Verwaltungsorgane der Gesellschaft aufgestellt<br />

werden. Zudem bestimmt die Richtlinie Offenlegungspflichten gegenüber Gesellschaftern<br />

und Dritten nach den Vorgaben der Richtlinie 68/121/EWG, die spätestens einen Monat vor der<br />

Hauptversammlung, die dem Verschmelzungsplan zustimmen soll, zu erfüllen sind. Für jede der<br />

sich verschmelzenden Gesellschaften muss ein Sachverständigenbericht erstellt werden. Die<br />

Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften muss der Verschmelzung<br />

zustimmen. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verschmelzung bestimmt sich nach dem Recht des<br />

Mitgliedstaates, dem die neue Gesellschaft unterliegt.<br />

Eine Verschmelzung bewirkt, dass das gesamte Aktiv- und Passivvermögen jeder übertragenden<br />

Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft übergeht.<br />

Die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft werden Gesellschafter der übernehmenden<br />

Gesellschaft und die übertragene Gesellschaft erlischt.<br />

Die Richtlinie sieht Sonderregeln bei Bestehen eines Mitbestimmungssystems in einer der zu verschmelzenden<br />

Gesellschaften sowie bei Übertragung einer Gesellschaft auf eine Gesellschaft, die<br />

sämtliche Anteile an ihrem Gesellschaftskapital besitzt, vor.<br />

Eine grenzüberschreitende Verschmelzung, welche nach diesem Verfahren wirksam geworden ist,<br />

kann nicht mehr für nichtig erklärt werden. Ferner bleibt das Fusionskontrollrecht auf Ebene der<br />

Mitgliedstaaten sowie der Gemeinschaft unberührt.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Grundsätzlich ist eine Vereinfachung von grenzüberschreitenden Fusionen zu begrüßen. Der Kompromiss<br />

über die Anwendung des Mitbestimmungsrechts steht nicht völlig im Einklang mit den<br />

Bestimmungen der Richtlinie über die Europa-AG, die einen niedrigeren Schwellenwert zur Anwendung<br />

der Auffangregeln festsetzt. Dies könnte zu einem Attraktivitätsverlust der Europa-AG führen.<br />

Verfahren<br />

Die Europäische Kommission hatte bereits im Jahr 1984 einen Vorschlag für eine Richtlinie über<br />

die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften vorgelegt. Aufgrund der<br />

Schwierigkeiten bei der Arbeitnehmermitbestimmung konnte die Richtlinie nicht verabschiedet<br />

werden. Nachdem im Oktober 2001 im Rahmen der Beratungen über die Europäische Aktiengesellschaft<br />

die Problematik gelöst werden konnte, hat die Kommission diesem Vorhaben neuen Auftrieb<br />

geben wollen. Im Mai 2003 hat die Kommission in ihrem Aktionsplan zur Modernisierung des<br />

Gesellschaftsrechts diese Thematik aufgenommen und einen neuen Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden<br />

Verschmelzung angekündigt.<br />

Als erste Maßnahme des Aktionsplans zum Gesellschaftsrecht hat die Kommission am 18. November<br />

2003 einen neuen Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Verschmelzung vorgelegt.<br />

Der Ministerrat hat eine politische Einigung am 25. November 2004 erzielt. Ein wesentlicher<br />

Aspekt bei der Diskussion im Rat betraf die Regelung der Arbeitnehmermitbestimmung. Nach dem<br />

Kompromisstext ist in der neu gegründeten Gesellschaft die Arbeitnehmermitbestimmung Gegenst<strong>and</strong><br />

von Verh<strong>and</strong>lungen nach dem Vorbild des SE-Statuts. Danach wird ein besonderes Verh<strong>and</strong>lungsgremium<br />

eingesetzt, das ein Mitbestimmungsmodell festlegen soll. Kommt keine Einigung<br />

zust<strong>and</strong>e, greifen die St<strong>and</strong>ardregeln, wonach in der neuen Gesellschaft das anspruchsvollste<br />

Mitbestimmungsmodell unter den fusionierenden Gesellschaften eingeführt wird, wenn die Mitbestimmung<br />

vor der Verschmelzung für mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer insgesamt galt.<br />

Das Parlament hat am 10. Mai 2005 seinen Bericht angenommen und fordert dass im Verschmelzungsplan<br />

auch über die möglichen Auswirkungen der Fusion auf die Beschäftigung berichtet<br />

werden muss. Außerdem ist dem Plan eine Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter beizufügen,<br />

falls das nationale Recht dies vorsieht. Diese Änderungen wurden vom Rat akzeptiert, so dass die<br />

Richtlinie formell in erster Lesung am 26. Oktober 2005 verabschiedet wurde. Sie wurde im EU-<br />

Amtsblatt am 25. November 2005 veröffentlicht und musste von den Mitgliedstaaten bis zum<br />

15. Dezember 2007 umgesetzt werden.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> erfolgte die Umsetzung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umw<strong>and</strong>lungsgesetzes<br />

und das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden<br />

Verschmelzung (MgVG).<br />

Am 16. September 2009 wurde die Richtlinie geändert durch Richtlinie 2009/1097EG. Die Änderung<br />

hat die Meldungspflichten der Richtlinie vereinfacht.<br />

Am 24. Februar 2011 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Verknüpfung der nationalstaatlichen<br />

Unternehmensregister veröffentlicht, der die Verschmelzungsrichtlinie ändern würde.<br />

Die Änderungen zielen darauf ab, den Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensregistern<br />

bei grenzübergreifenden Verschmelzungen zu verbessern.<br />

Referenz<br />

2005/56/EG (Richtlinie) vom 26.10.2005, Amtsblatt der EU Nr. 310/1 vom 25.11.2005<br />

2009/109/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 259/14, 02.10.2009<br />

199<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

14. Corporate-Governance-Richtlinie<br />

Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 zur<br />

Änderung der Richtlinien 78/660/ EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften<br />

bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, 86/635/EWG über<br />

den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und <strong>and</strong>eren Finanzinstituten<br />

und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von<br />

Versicherungsunternehmen<br />

Inhalt<br />

200<br />

Diese Richtlinie soll dazu beitragen, das Vertrauen in die Jahresabschlüsse und Lageberichte zu<br />

vergrößern. So sieht die Richtlinie eine Reihe von Änderungen der Jahresabschluss- und Konzernabschluss-Richtlinien<br />

sowie der Bankbilanz- und Versicherungsbilanz-Richtlinie vor.<br />

Die Richtlinie bestätigt die Verantwortung und gemeinsame Haftung von Vorst<strong>and</strong>smitgliedern. In<br />

allen EU-Ländern werden Vorstände kollektiv zur Veröffentlichung von Informationen verpflichtet<br />

und haften der Gesellschaft gegenüber entsprechend. Somit haben für den Jahresabschluss, den<br />

Lagebericht sowie ggf. die Corporate Governance-Erklärung die Mitglieder aller Organe des Unternehmens<br />

kollektiv die Pflicht, Richtigkeit und Offenlegung sicherzustellen. Die Haftung der Organe<br />

gegenüber der Gesellschaft sowie die Festlegung von Sanktionen soll nach nationalen Haftungsregelungen<br />

erfolgen.<br />

Ferner führt die Richtlinie weitere Vorschriften zur Transparenz bezüglich Geschäfte mit nahe stehenden<br />

Personen ein. Die für börsennotierte Unternehmen bestehende Pflicht zur Angabe von<br />

Geschäften mit „nahe stehenden Parteien“ im Jahres- und Konzernabschluss wird auch auf nichtbörsennotierte<br />

Unternehmen ausgedehnt. Jedoch sind nur bedeutende, nicht zu Marktkonditionen<br />

abgewickelte Geschäfte anzugeben. Zudem können Mitgliedstaaten kleine nicht-börsennotierte<br />

Unternehmen von dieser Pflicht befreien. Des Weiteren wurde die Definition „nahe stehender<br />

Personen“ ausgeweitet, indem die im Rahmen der IAS-Verordnung geltende Definition übernommen<br />

wurde.<br />

Wesentlich ist auch die Einführung von Transparenzanforderungen bez. außerbilanzieller Geschäfte<br />

und Vereinbarungen. Alle börsennotierten und nicht-börsennotierten Unternehmen werden verpflichtet,<br />

Angaben zu außerbilanziellen Geschäften und deren finanziellen Auswirkungen im Jahres-<br />

und Konzernabschluss zu machen. Die Zunahme außerbilanzieller Geschäfte – insbesondere<br />

Special Purpose Entities – als innovative Risikosteuerungsmöglichkeit führte zunehmend zu einer<br />

verzerrten Abbildung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und verhinderte damit<br />

die Erfüllung des „true <strong>and</strong> fair view“-Prinzips.<br />

Außerdem sieht die Richtlinie die Veröffentlichung einer „Corporate-Governance-Erklärung“ im<br />

Jahresabschluss vor. Alle mit Aktien oder Schuldtiteln an einer Börse notierten Unternehmen<br />

werden verpflichtet, eine Corporate-Governance-Erklärung in den Jahresabschluss (als Teil des<br />

Lageberichts) aufzunehmen. Diese Erklärung soll nicht nur Aussagen über die Einhaltung eines<br />

Corporate-Governance-Kodexes (gemäß der sog. Entsprechenserklärung nach § 161 AktG), sondern<br />

auch Informationen bezüglich Risikomanagementsystemen, Aktionärsrechten, Angaben gemäß<br />

Übernahmerichtlinie (sofern diese anzuwenden ist) sowie der Funktionsweise von Hauptversammlungen,<br />

Organen und Ausschüssen enthalten. Mit dieser Regelung orientiert sich die EU-Gesetzgebung<br />

zunehmend an den Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Acts. Mitgliedstaaten können jedoch


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

gestatten, dass diese Erklärung außerhalb des Lageberichts abgegeben wird, und ferner nur<br />

Schuldtitel emittierende Unternehmen von einzelnen Angaben im Rahmen der Corporate-Governance-Erklärung<br />

befreien.<br />

Zudem dürfen Mitgliedstaaten die Bewertung von Finanzinstrumenten, geregelt in Art. 42a der<br />

Jahresabschluss-Richtlinie seit Verabschiedung der sog. Fair-Value-Richtlinie, jetzt in Anlehnung<br />

an die in EU-Recht übernommenen IAS/IFRS (insb. IAS 39) zulassen oder vorschreiben. Somit wird<br />

vor allem die Fair-Value-Option ermöglicht.<br />

Schließlich werden die Schwellenwerte für kleine Unternehmen, d. h. die Beträge für Bilanzsumme<br />

und Nettoumsatzerlöse, gemäß Jahresabschluss-Richtlinie, um 20 % angehoben. Somit können<br />

die Mitgliedstaaten gemäß der Vierten und Siebten Richtlinie weitere KMUs von den Offenlegungspflichten<br />

befreien.<br />

Die Richtlinie ist als Beitrag zur Stärkung des Vertrauens der Finanzmärkte prinzipiell zu begrüßen.<br />

Jedoch müssen die Anforderungen an die Unternehmen im Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen<br />

stehen. So gilt die Pflicht zur Corporate-Governance-Erklärung künftig auch für Schuldtitel emittierende<br />

Gesellschaften. Mangels schutzbedürftiger Aktionäre und deren Interessen ist das Mitgliedstaatenwahlrecht<br />

zur Einschränkung der Angaben zu begrüßen. Es ist darauf zu drängen, dass die<br />

Erleichterungen tatsächlich eingeführt werden. Auch die Platzierung der Erklärung außerhalb des<br />

Lageberichts ist anzustreben.<br />

Die gemeinsame Haftung aller Organmitglieder (im Sinne von sämtlichen Mitgliedern aller Organe)<br />

wurde als unangemessen beurteilt, da in einem dualistischen System Arbeitsteilung vorliegt.<br />

Insofern kann allenfalls eine gemeinsame Haftung der Mitglieder desselben Organs sachgerecht<br />

sein.<br />

Schließlich erscheint eine Corporate-Governance-Erklärung im vorgesehenen Umfang für nichtnotierte<br />

Unternehmen ebenfalls unangemessen. Vielmehr sollte der Umfang bzw. Inhalt der Erklärung<br />

anstelle einer abschließenden Aufzählung flexibler gestaltet werden, um so die unternehmensspezifische<br />

Situation angemessen berücksichtigen zu können.<br />

201<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

202<br />

In Ihrem Aktionsplan zur Stärkung der Corporate Governance hatte die Kommission angekündigt,<br />

kurzfristige Initiativen zur kollektiven Verantwortung von Organmitgliedern, zur Verbesserung der<br />

von Unternehmensgruppen zur Verfügung gestellten Informationen sowie zur Einführung einer<br />

Corporate-Governance-Erklärung zu erarbeiten.<br />

Am 22. April 2004 hat die EU-Kommission eine Konsultation zu diesen Themen geführt. Angesichts<br />

der engen Zusammengehörigkeit dieser drei Initiativen und aufgrund des Ziels, Kohärenz zu<br />

gewährleisten, beabsichtigte die Kommission einen einzigen Vorschlag bezüglich aller drei Themengebiete<br />

vorzubereiten.<br />

Nach Auswertung dieser Konsultation hat die Kommission am 28. Oktober 2004 den Vorschlag<br />

einer Richtlinie über Corporate Governance vorgelegt. Der Richtlinienvorschlag wurde dem Europäischen<br />

Parlament und dem Rat der EU zur Annahme im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens<br />

vorgelegt.<br />

Am 6. Juni 2005 hat der Rat einen Kompromissvorschlag zu dem Richtlinienentwurf gebilligt, welcher<br />

wesentliche Erleichterungen vorsieht. Zur Verantwortung und Haftung der Organmitglieder für<br />

falsche Finanzinformationen soll es demnach bei der Innenhaftung (actio pro socio) bleiben. Bezüglich<br />

der Angaben über Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen können die<br />

Mitgliedstaaten Konzernunternehmen freistellen, sofern die Transaktionen zwischen 100%igen<br />

Tochtergesellschaften erfolgten. Zur Corporate-Governance-Erklärung wird zugelassen, dass diese<br />

auch als gesonderter Bericht (und nicht unbedingt im Anhang) auf die Internetseite des Emittenten<br />

gestellt werden kann. Prüfungspflichtig bleiben das interne Kontroll- und das Risikomanagementsystem.<br />

Allerdings soll die Beschreibung nun auf die wichtigsten Merkmale und nur im Hinblick auf<br />

die Finanzberichterstattung beschränkt werden. Die Mitgliedstaaten können Unternehmen, die<br />

lediglich Schuldverschreibungen emittieren, von einigen Angabepflichten der Corporate-Governance-Erklärung<br />

ausnehmen.<br />

Nach intensiven Diskussionen konnten Rat und Parlament sich auf einen Kompromisstext einigen.<br />

Dieser Kompromisstext stützt sich im Wesentlichen auf die Ratseinigung von Juni 2005. Dennoch<br />

wurden während der Verh<strong>and</strong>lungen zusätzliche Änderungen vorgenommen. Das Parlament<br />

stimmte dem Kompromisstext am 15. Dezember 2005 zu. Der Rat hat ebenfalls den Kompromisstext<br />

unterstützt und die Richtlinie am 14. Juni 2006 verabschiedet. Die Richtlinie musste innerhalb<br />

von 2 Jahren nach Inkrafttreten umgesetzt werden.<br />

Die deutsche Umsetzung der Richtlinie wurde mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Bil-<br />

MoG) vorgenommen. Das Gesetz wurde am 28. Mai 2009 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist<br />

am 29. Mai 2009 in Kraft getreten.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2006/46/EG (Richtlinie) vom 14.06.2006, Amtsblatt der EU Nr. L224/1 vom 16.08.2006.<br />

203<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

15. Richtlinie über Aktionärsrechte<br />

Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die<br />

Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften<br />

Inhalt<br />

204<br />

Die Richtlinie zielt darauf ab, durch die Einführung bestimmter Mindestst<strong>and</strong>ards die grenzüberschreitende<br />

Ausübung von Aktionärsrechten bei börsennotierten Gesellschaften zu erleichtern.<br />

Zugleich werden damit auch einheitliche Mindestanforderungen an die Durchführung von Hauptversammlungen<br />

(HV) geschaffen. So soll die Richtlinie dafür sorgen, dass Aktionäre unabhängig<br />

davon, wo sie in der EU ansässig sind, rechtzeitig Zugang zu vollständigen Informationen über ihr<br />

Unternehmen erhalten und bestimmte Rechte, insbesondere Stimmrechte, ohne Hindernisse<br />

grenzüberschreitend ausüben können. Das Thema Aktionärsrechte ist eine der letzten kurzfristigen<br />

Maßnahmen des EU-Aktionsplans zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung<br />

der Corporate Governance vom 21. Mai 2003 und wird mit dieser Richtlinie im Wesentlichen<br />

abgeschlossen.<br />

Der Richtlinie zufolge müssen Emittenten mindestens 21 Tage vor der HV schriftlich einladen.<br />

Diese Frist kann auf 14 Tage verringert werden, wenn die Aktionäre auf elektronischem Wege<br />

abstimmen können und wenn die Hauptversammlung der Fristverkürzung zustimmt. Die Gesellschaft<br />

muss die Einberufung der HV in einer Form vornehmen, die in nicht diskriminierender Weise<br />

einen schnellen Zugang zu ihr gewährleisten soll. Informationen über die Tagesordnung und weitergehende<br />

Dokumente sind online verfügbar zu machen.<br />

Aktionäre dürfen die Tagesordnung ergänzen oder zusätzliche Beschlussvorlagen einbringen. Hierfür<br />

kann eine Mindestbeteiligungsquote von max. 5 % vorgeschrieben werden.<br />

Ferner haben Aktionäre ein unbedingtes Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen sowie ihre<br />

Stimmrechte auszuüben. Insbesondere sollen Hindernisse, die die Stimmabgabe betreffen,<br />

namentlich die Aktiensperre, beseitigt werden. Einschränkungen zum Zwecke der Sicherstellung<br />

einer zweifelsfreien Identifizierung des Aktionärs sind jedoch zulässig. Aktionäre sollen elektronisch<br />

an der HV teilnehmen und sich außerdem per Post oder Stimmrechtsvertreter an der Abstimmung<br />

beteiligen dürfen. Aufwendige formale Anforderungen an die Stimmrechtsvertretung sowie<br />

zur Weisungserteilung sind untersagt.<br />

Im Hinblick auf das Fragerecht sieht die Richtlinie vor, dass Aktionäre Fragen zu Punkten auf der<br />

Tagesordnung der Hauptversammlung stellen dürfen. Zudem sollen Aktionäre einen Anspruch auf<br />

die Beantwortung der Fragen haben. Emittenten müssen spätestens 15 Tage nach der HV Informationen<br />

über Abstimmungsergebnisse und Beschlüsse elektronisch verfügbar machen. Im Ergebnis<br />

beseitigt die Richtlinie bestehende rechtliche Hindernisse in Bezug auf die Beteiligung an Hauptversammlungen<br />

und erleichtert insbesondere ausländischen Aktionären die HV-Teilnahme.<br />

Bewertung<br />

Die Zielsetzung der Richtlinie ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Möglichkeit des Aktionärs, seine<br />

Stimm- und Mitgliedschaftsrechte auch grenzüberschreitend ausüben zu können, ist unerlässlich<br />

für einen funktionsfähigen europäischen Kapitalmarkt. Positiv zu bewerten ist auch, dass die EU-<br />

Kommission mit der Richtlinie einen prinzipiengeleiteten Ansatz verfolgt, der Eingriffe in das<br />

jeweilige nationale Gesellschaftsrecht zu vermeiden versucht. Unter Umständen kritisch erscheint<br />

jedoch die Vorgabe, sämtliche HV-Unterlagen einschließlich der Beschlussvorlagen vor der Hauptversammlung<br />

verfügbar zu machen. Ebenso könnten die elektronische HV-Teilnahme und insbesondere<br />

die elektronische Stimmabgabe im Hinblick auf künftige Präsenzversammlungen sowie mög-


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

liche technische Unsicherheiten problematisch sein; hier sollte die Richtlinienvorgabe vielmehr auf<br />

ein Unternehmenswahlrecht hinauslaufen.<br />

Die Richtlinie sollte nur für Anteile von Aktiengesellschaften gelten und nicht auch für <strong>and</strong>ere<br />

Gesellschaften, deren Anteile börsennotiert sind. Zudem sind Vereinfachungen für Emittenten in<br />

Bezug auf Hauptversammlung und das Fragerecht der Aktionäre erforderlich, um ein angemessenes<br />

Interessengleichgewicht zwischen Aktionären und der Gesellschaft zu erreichen. Schließlich<br />

sollten einzelnen Restriktionen bei der Stimmrechtsvertretung ausgeräumt werden.<br />

Verfahren<br />

Am 21. Mai 2003 kündigte die EU-Kommission in ihrem Aktionsplan zum Gesellschaftsrecht und<br />

zur Corporate Governance an, den rechtlichen Rahmen für die Ausübung von Aktionärsrechten zu<br />

überarbeiten.<br />

Hierzu veröffentlichte die EU-Kommission am 16. September 2004 ein erstes Konsultationspapier.<br />

Darin schlug sie im Wesentlichen vor, Mindestst<strong>and</strong>ards über Aktionärsrechte auf EU-Ebene einzuführen.<br />

Nach Auswertung der Beiträge legte die EU-Kommission ein zweites Konsultationspapier<br />

mit wesentlichen Bestimmungen einer Richtlinie vor.<br />

Am 10. Januar 2006 übergab die EU-Kommission den Richtlinienvorschlag dem EU-Ministerrat und<br />

dem Europäischen Parlament zur Annahme im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens.<br />

Ministerrat und Parlament einigten sich in erster Lesung auf einen Kompromisstext. Das Europäische<br />

Parlament nahm seinen Bericht am 15. September 2007 an. Der Ministerrat verabschiedete die<br />

Richtlinie am 12. Juni 2007; am 14. Juli 2007 wurde die Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht.<br />

Bis zum 3. August 2009 müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen.<br />

Während der Verh<strong>and</strong>lungen zur Annahme der Richtlinie wurde bereits deutlich, dass bestimmte<br />

Fragen der Regelung in Form einer Empfehlung vorbehalten werden könnten. In diesem Zusammenhang<br />

veröffentlichte die EU-Kommission am 30. April 2007 ein drittes Konsultationspapier. Die<br />

EU-Kommission beabsichtigt, eine nicht-rechtsverbindliche Empfehlung – ergänzend zur Richtlinie<br />

über Aktionärsrechte – zu verabschieden. Im Einzelnen erwägt die EU-Kommission Vorgaben für<br />

die Wertpapierleihe, um klare Regeln über die Auswirkungen der Leihe auf Aktionärsstimmrechte<br />

zu erreichen. Überdies schlägt die EU-Kommission vor, im Depotvertrag zu vereinbaren, dass die<br />

Depotbank die Stimmrechte des Inhabers grundsätzlich nicht ohne dessen Weisung ausüben darf.<br />

Ebenfalls sollen die Rolle und Pflichten der Depotbanken bei der Wahrnehmung der Depotstimmrechte,<br />

insbesondere Informations- und Dokumentationspflichten bei der Ausübung des Stimmrechts<br />

im Ausl<strong>and</strong>s sowie Kosten bei Ketten von Depotbanken geklärt werden. Im Hinblick auf die<br />

Veröffentlichungspflichten beim Erwerb oder der Veräußerung bedeutender Anteile an Stimmrechten<br />

erachtet die EU-Kommission die diesbezüglichen Regelungen in Artt. 9, 10 und 13 der Transparenzrichtlinie<br />

für ausreichend und beabsichtigt keine weiteren Regelungsschritte. Die öffentliche<br />

Konsultation f<strong>and</strong> am 27. Juli 2007 ihren Abschluss. Im Nachgang hierzu soll eine Folgenabschätzung<br />

durchgeführt werden, um die Kosten-Nutzen-Relation etwaiger Empfehlungen zu den betreffenden<br />

Fragen festzustellen.<br />

Am 6. Mai 2008 wurde ein Referentenentwurf vom Bundesjustizministerium veröffentlicht für das<br />

Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG). Das Gesetz wurde am 29. Mai 2009 vom<br />

Bundestag beschlossen und am 30. Juli 2009 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.<br />

Referenz<br />

2007/36/EG (Richtlinie) vom 11.07.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 184/17 vom 14.07.2007<br />

205<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

1. Vorschlag für ein Statut der Europäischen<br />

Privatgesellschaft<br />

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

206<br />

Angesichts der Tatsache, dass nur 5 % der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMUs) ausländische<br />

Geschäftsaktivitäten haben, hat die Kommission die Schaffung eines einheitlichen aber flexiblen<br />

SPE-Statuts („Societas privata Europaea“) vorgeschlagen, das Unternehmen erlaubt grenzüberschreitend<br />

aktiv zu werden. Ziel ist es, vor allem Kosten zu reduzieren, die z. B. mit<br />

Beratungs- oder Übersetzungskosten anfallen, wenn Unternehmen sich im Ausl<strong>and</strong> etablieren<br />

wollen.<br />

Die SPE ist eine Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit und sie verfügt über Gesellschaftskapital.<br />

Es h<strong>and</strong>elt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, d. h. ihre Anteilseigner können<br />

nur für den von ihnen gezeichneten Betrag haftbar gemacht werden. Da es sich bei der SPE um<br />

eine Privatgesellschaft h<strong>and</strong>elt, können die Anteile an einer SPE weder öffentlich angeboten noch<br />

öffentlich geh<strong>and</strong>elt werden.<br />

Der Simplizität halber, soll es möglich werden, eine SPE ex nihilo, per Umw<strong>and</strong>lung oder durch die<br />

Fusion zweier Unternehmen zu gründen. Anders als beim existierenden Europäischen Gesellschaftsstatut<br />

(SE) soll kein grenzüberschreitendes Element für die Gründung nötig sein. Die dafür<br />

notwendigen Gründungsdokumente sollen in der Verordnung aufgeführt werden. Um die Einheitlichkeit<br />

des Statuts in allen Mitgliedstaaten zu garantieren, setzt die Verordnung spezifische<br />

Regeln und stellt auch eine Satzung zur Verfügung.<br />

Die interne Organisation soll jedoch den Aktionären überlassen sein und der Hauptsitz kann in<br />

einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat liegen, als dem, in dem das Unternehmen angemeldet ist. Außerdem<br />

soll sich das Startkapitalminimum auf 1 EURO beschränken.<br />

Mit Hinblick auf Arbeitnehmermitbestimmung gilt generell das aus der Richtlinie über die Verschmelzung<br />

von Kapitalgesellschaften (2005/56/EG) herrührende Prinzip, dass die SPE den Arbeitnehmermitbestimmungsregeln<br />

des Mitgliedstaats unterliegt, in dem sie ihren eingetragenen Sitz<br />

hat.<br />

Die Einführung einer Europäischen Privatgesellschaft zur Ergänzung und Vereinfachung des europäischen<br />

Gesellschaftsrechts wird grundsätzlich positiv bewertet.<br />

Bedingung für die Akzeptanz der neuen Gesellschaftsform sollte die Möglichkeit der Beibehaltung<br />

der Grundzüge des deutschen Mitbestimmungssystems sein. Das Vorhaben darf vor allem nicht<br />

dazu führen, dass Betriebe in Länder mit „weicher“ Mitbestimmungsregelung verlagert werden.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Das neue SPE-Statut wurde als eines der mittelfristigen Ziele gesetzt, die im EU-Gesellschaftsrecht<br />

und Corporate Governance Aktionsplan in 2003 angenommen wurden und die in öffentlichen<br />

Konsultationen breite Unterstützung f<strong>and</strong>en.<br />

Im Februar 2007 hat das Europäische Parlament eine Resolution angenommen, die die Kommission<br />

dazu aufforderte, ein einheitliches KMU-Statut zu erarbeiten.<br />

Am 25. Juni 2008 hat die Kommission einen Vorschlag für das Statut der Europäischen Privatgesellschaft<br />

veröffentlicht. Der Vorschlag muss einstimmig im Rat durch die Mitgliedstaaten angenommen<br />

werden. Der Vorschlag wird auch die Zustimmung des Parlaments benötigen.<br />

Am 10. März 2010 hat das Europäische Parlament eine Resolution angenommen, in der der Vorschlag<br />

der Kommission angenommen wird mit einer Reihe von Änderungsanträgen. Unter <strong>and</strong>erem<br />

wird gefordert, dass die Gesetzgebung zur Arbeiterbeteiligung des Mitgliedstaates Anwendung<br />

findet, in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat und auch im Falle eines Transfers in einen<br />

<strong>and</strong>eren Mitgliedstaat, diese nationale Gesetzgebung weiterhin gilt.<br />

KOM (2008) 396 endgültig (Vorschlag für eine Verordnung) vom 25.06.2008 (nicht im Amtsblatt<br />

veröffentlicht)<br />

207<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

2. Vorschlag für eine Überarbeitung der<br />

Rechnungslegungs-Richtlinien<br />

Vorschlag einer Richtlinie, die die Rechnungs legungs-Richt linien 78/660/EWG und 83/349/<br />

EWG aufhebt und ersetzt<br />

Inhalt<br />

208<br />

Mit den Änderungsvorschlägen zu den Rechnungslegungsrichtlinien (78/660 EWG und 83/349/<br />

EWG) beabsichtigt die Kommission, den Verwaltungsaufw<strong>and</strong> für kleine Unternehmen zu verringern.<br />

Durch Vereinfachungen soll die Erstellung der Jahresabschlüsse vergleichbarer, klarer und<br />

leichter verständlich werden. Dies dürfte es der Kommission zufolge auch Außenstehenden, wie<br />

Aktionären, Banken und Lieferanten ermöglichen, sich ein besseres Bild über die Leistungsfähigkeit<br />

und die finanzielle Lage eines Unternehmens zu machen. Die potenziellen Kosteneinsparungen<br />

für KMU werden mit 1,7 Mrd. EUR pro Jahr veranschlagt.<br />

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie würde eine spezielle Regelung für kleine Unternehmen eingeführt,<br />

die den Verwaltungsaufw<strong>and</strong>, der kleinen Unternehmen derzeit bei der Erstellung ihres<br />

Abschlusses entsteht, deutlich verringern soll. Die im Anhang zum Abschluss zu machenden Angaben<br />

würde auf folgende Aspekte begrenzt:<br />

i) Rechnungslegungsmethoden;<br />

ii) Garantien, Verpflichtungen, Eventualverbindlichkeiten und Vereinbarungen, die nicht Gegenst<strong>and</strong><br />

der Bilanz sind;<br />

iii) nach Erstellung der Bilanz eingetretene Ereignisse, die nicht Gegenst<strong>and</strong> der Bilanz sind;<br />

iv) langfristige und besicherte Verbindlichkeiten;<br />

v) Geschäftsvorfälle mit nahestehenden Unternehmen und Personen.<br />

Es ist anzumerken, dass durch die Offenlegungspflicht in Bezug auf die Aspekte iii) und v) kleinen<br />

Unternehmen neue Verpflichtungen auferlegt werden, da die Mehrheit der Mitgliedstaaten bisher<br />

für diese Unternehmen bisher Ausnahmen von der Offenlegungspflicht vorsehen.<br />

Ein weiteres Ziel der Richtlinie ist die Harmonisierung der Schwellenwerte, mit der gewährleistet<br />

werden soll, dass auch wirklich alle kleinen Unternehmen in der EU von der Reduzierung des Verwaltungsaufw<strong>and</strong>s<br />

profitieren. Derzeit fallen viele Unternehmen, die nach den EU-Definitionen<br />

den kleinen Unternehmen zuzurechnen sind, in die Kategorie der mittleren oder großen Unternehmen,<br />

da die in der Richtlinie vorgesehenen Schwellenwerte für die Bestimmung der Unternehmenskategorie<br />

im Zuge der Umsetzung auf der Ebene der Mitgliedstaaten herabgesetzt werden.<br />

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie sollen Vergleichbarkeit und Klarheit der von mittleren und großen<br />

Unternehmen und in begrenztem Umfang auch von kleinen Unternehmen erstellten Abschlüsse<br />

verbessert werden. Zu diesem Zweck sieht der Vorschlag die Reduzierung der Zahl der derzeit für<br />

die Mitgliedstaaten bestehenden Wahlmöglichkeiten vor, da die Vielzahl der Optionen der Vergleichbarkeit<br />

der Abschlüsse abträglich ist. Allgemeine Grundsätze wie das Gebot der „wirtschaftlichen<br />

Betrachtungsweise“ („substance over form“) werden verbindlich gemacht und damit die<br />

Klarheit von Abschlüssen verbessert.<br />

Die Kommission schlägt außerdem vor, ein System der länderbezogenen Berichterstattung einzuführen,<br />

um die Transparenz hinsichtlich der Zahlungen zu erhöhen, welche die mineralgewinnende


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Industrie und die Forstwirtschaft weltweit an Regierungen leisten. Dieses System soll auf private<br />

Großunternehmen oder börsennotierte Unternehmen in der EU angew<strong>and</strong>t werden, die aktiv im<br />

Öl- oder Gassektor, in der Mineralgewinnung oder in der Forstwirtschaft tätig sind. Die länderbezogene<br />

Berichterstattung unterscheidet sich von der üblichen Finanzberichterstattung, da sie – statt<br />

zusammengefasster globaler Angaben – finanzielle Informationen zu jedem L<strong>and</strong> liefert, in dem<br />

ein Unternehmen tätig ist. Informationen über Steuern, Abgaben und Bonuszahlungen, die ein<br />

multinationales Unternehmen im Gastl<strong>and</strong> leistet, geben Aufschluss über das finanzielle Gewicht<br />

eines Unternehmens in dem jeweiligen L<strong>and</strong>. Um die verschiedenen Arten von Unternehmen dieser<br />

Branchen mit der länderbezogenen Berichterstattung zu erfassen, schlägt die Kommission vor,<br />

die Transparenzrichtlinien (2004/109/EG) zur Aufnahme börsennotierter Unternehmen und die<br />

Rechnungslegungsrichtlinien (78/660 EWG und 83/349/EWG) zur Aufnahme großer nicht börsennotierter<br />

Unternehmen zu ändern.<br />

Bewertung<br />

Den bei der Überarbeitung der Bilanzierungsrichtlinien verfolgten Ansatz, für mehr Klarheit und<br />

eine bessere Vergleichbarkeit von Abschlüssen zu sorgen, insbesondere bei größeren Unternehmen,<br />

die in der Regel in größerem Umfang grenzüberschreitende Geschäfte innerhalb der Europäischen<br />

Union tätigen, unterstützt die Kreditwirtschaft. Fraglich ist, ob eine vollständige Harmonisierung<br />

der Rechnungslegung für kleine und mittlere Unternehmen in Europa zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt wünschenswert und sinnvoll ist. Die gesamte Governance- und Regulierungsstruktur<br />

innerhalb der Europäischen Union beruht nach wie vor im Wesentlichen auf nationalen Grundlagen.<br />

Solange sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa wesentlich<br />

unterscheiden, müssen kleinere und mittlere Unternehmen mit ihrer Rechnungslegung auf die<br />

l<strong>and</strong>esspezifische Governance-Struktur reagieren können; <strong>and</strong>ernfalls würden sich ökonomisch<br />

bedenkliche Friktionen ergeben. Die vollständige Harmonisierung der Rechnungslegung kann<br />

daher nur am Ende eines Angleichungsprozesses stehen und nicht an dessen Anfang.<br />

Verfahren<br />

Am 26. Februar 2009 hat die Kommission eine Konsultation eröffnet bezüglich der Ausnahme von<br />

Kleinstunternehmen von der Vierten und Siebten Richtlinie. Damit sollen diese kleinen Unternehmen<br />

(bis zu 10 Angestellten) Kosten sparen. Am 27. Februar 2009 hat die Kommission zuzüglich<br />

eine Konsultation bis zum 30. April 2009 zur Vereinfachung der Bilanzierungsvorschriften der Vierten<br />

und Siebten Richtlinie für KMUs eröffnet.<br />

Am 25 Oktober 2011 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Ersetzung der Vierten und<br />

Siebten Gesellschaftsrecht-Richtlinie veröffentlicht.<br />

Referenz<br />

KOM (2011) 684 endg. vom 25.10.2011 (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

209<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

3. Vorschläge für eine Richtlinie und eine Verordnung zur<br />

Abschlussprüfung<br />

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der<br />

Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten<br />

Abschlüssen<br />

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über spezifische<br />

Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse<br />

Inhalt<br />

210<br />

Nach der Finanzkrise hat die Kommission Vorschläge unterbreitet, die die Rolle der Abschlussprüfer<br />

verbessern soll, um neue, in der Zukunft auftretende Finanzrisiken abzuschwächen.<br />

Vorschläge zur Überarbeitung der Abschlussprüfungsrichtlinie<br />

Die Europäische Kommission schlägt die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts für Prüfungsleistungen<br />

vor. Prüfer sollen ihren Beruf in Europa grenzüberschreitend ausüben können,<br />

sobald sie in einem Mitgliedstaat zugelassen sind. Ein europäischer Pass für Prüfungsgesellschaften<br />

soll eingeführt werden, so dass Prüfungsgesellschaften ihre Leistungen in der gesamten Europäischen<br />

Union anbieten dürfen.<br />

Um ein europaweit einheitliches System der Prüfung sicherzustellen, sollen internationale Prüfungsst<strong>and</strong>ards<br />

eingeführt werden, die bei Bedarf auf Ebene der Mitgliedstaaten ergänzt werden<br />

können. Diese sollen an die Größe des zu prüfenden Unternehmens angepasst werden, um eine<br />

Proportionalität bei der Prüfung zu ermöglichen und die Verwaltungskosten für kleine und mittlere<br />

Unternehmen abzubauen.<br />

Darüber hinaus plant die Europäische Kommission für die Abschlussprüfung von Unternehmen, die<br />

von öffentlichem Interesse sind, weitere strenge Regeln mittels Verordnung. Ziele sind die Stärkung<br />

der Unabhängigkeit der Prüfer und die Verringerung der Anbieterkonzentration.<br />

Verordnungsentwurf<br />

Die Europäische Kommission schlägt eine verpflichtende externe Rotation der Prüfungsgesellschaften<br />

vor. Die Prüfungsgesellschaften sollen in der Regel nach maximal sechs Jahren rotieren.<br />

Danach soll eine Karenzzeit von vier Jahren gelten, ehe die Prüfungsgesellschaft wieder bei dem<br />

M<strong>and</strong>anten tätig werden darf. Der Zeitraum, nach dessen Ablauf ein Wechsel erfolgen muss, kann<br />

auf maximal neun Jahre erhöht werden, wenn gemeinsame Abschlussprüfungen als sogenannte<br />

Joint Audits durchgeführt werden. In diesem Fall würde das zu prüfende Unternehmen für seine<br />

Abschlussprüfung mindestens zwei Prüfungsgesellschaften bestellen. Gemeinsame Abschlussprüfungen<br />

werden nicht – wie ursprünglich vorgesehen – verbindlich vorgeschrieben. Zweck solcher<br />

Joint Audits soll auch die bessere Einbindung von kleineren und mittleren Prüfungsgesellschaften<br />

in den Binnenmarkt sein.<br />

Außerdem soll die Erbringung von prüfungsfremden Leistungen durch die Prüfungsgesellschaft, die<br />

mit der Abschlussprüfung unvereinbar sind, untersagt werden. Auf diese Weise soll die Gefahr von<br />

Interessenkonflikten verringert und gleichzeitig die Unabhängigkeit des Prüfers gestärkt werden.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Zudem sollen Unternehmen von öffentlichem Interesse bei der Auswahl eines neuen Abschlussprüfers<br />

zu einem offenen und transparenten Ausschreibungsverfahren verpflichtet werden.<br />

Die Europäische Kommission schlägt schließlich eine Koordinierung der Prüferaufsicht im Rahmen<br />

der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtbehörde (ESMA) vor. Die Prüfungsgesellschaften<br />

sollen jedoch auch weiterhin den nationalen Aufsichtsbehörden unterliegen.<br />

Die Pläne der Kommission zur Stärkung des Vertrauens in den Wirtschaftsprüfungsmarkt sowie zur<br />

Stärkung der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich werden grundsätzlich begrüßt.<br />

Aus Sicht der Kreditwirtschaft ist der Vorschlag der Europäischen Kommission, den Regelungsbereich<br />

der Verordnung auf die Prüfung aller Unternehmen von öffentlichem Interesse zu erstrecken,<br />

jedoch zu weitreichend. Es sollte ein Wahlrecht, das in Anlehnung an die IAS-Verordnung eine<br />

Beschränkung auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zulässt, verankert werden.<br />

Darüber hinaus und mit Blick auf die drohenden Qualitätsverluste spricht sich die Kreditwirtschaft<br />

gegen ein grundsätzliches Beratungsverbot aus. Die Beauftragung des Abschlussprüfers mit prüfungsfremden<br />

Leistungen sollte von der Zustimmung des Aufsichtsorgans beziehungsweise eines<br />

bestehenden Prüfungsausschusses abhängig gemacht werden, um einzelfallbezogen zu entscheiden,<br />

ob Interessenkonflikte bestehen oder bestehen könnten.<br />

Auch eine externe Zwangsrotation des Abschlussprüfers birgt die Gefahr der Verschlechterung der<br />

Qualität der Abschlussprüfung. Das einer Erstprüfung inhärente Risiko einer geringeren Prüfungsqualität<br />

würde in relativ kurzen Zeiträumen wiederholt virulent. Die verstärkte Rotation von Wirtschaftsprüfern<br />

darf nicht zu Informations- und Qualitätsverlusten sowie höheren Kosten für<br />

geprüfte Unternehmen führen. Ein Wechsel des Prüfungsteams und des für die Prüfung verantwortlichen<br />

Wirtschaftsprüfers im Sinne einer internen Rotation zielführender.<br />

Darüber hinaus birgt die in der Richtlinie vorgeschlagene Zentralisierung der Aufsicht bei einer<br />

einzigen Behörde das Risiko, dass das in Deutschl<strong>and</strong> praktizierte System der öffentlichen Aufsicht<br />

über Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften in Frage gestellt wird.<br />

Am 13. Oktober 2010 hat die Europäische Kommission auf Basis eines Grünbuches eine Konsultation<br />

zur Rolle der gesetzlichen Abschlussprüfung sowie zum Umfeld ihrer Durchführung eingeleitet.<br />

Am 30. November 2011 hat die Kommission Vorschläge für eine neue Richtlinie und eine neue<br />

Verordnung zur Reform des Abschlussprüfungsmarktes veröffentlicht.<br />

KOM (2011) 778 endg. vom 30.11.2011 (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 779 endg. vom 30.11.2011(nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

211<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Aktionsplan zur Stärkung der Abschlussprüfung<br />

Mitteilung der Kommission zur Stärkung der Abschlussprüfung in der EU<br />

Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2008 zur externen Qualitätssicherung bei Abschlussprüfern<br />

und Prüfungsgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen<br />

Empfehlung vom 6. Juni 2008 zur „Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern<br />

und Prüfungsgesellschaften“<br />

Inhalt<br />

212<br />

Die EU-Kommission sieht den Bedarf für weitergehende Initiativen zur Wiedergewinnung des<br />

Investorenvertrauens und will die Zuverlässigkeit der Abschlüsse weiter stärken sowie Interessenskonflikte<br />

bei den Abschlussprüfern vermeiden. Außerdem sollen die Maßnahmen dazu dienen,<br />

ein im internationalen Vergleich gleichwertiges Regulierungssystem zu entwickeln. So hat die<br />

Kommission in dieser Mitteilung einen 10-Punkte-Aktionsplan vorgesehen.<br />

Es werden Prioritäten festgesetzt, die bis zum Ende 2004 umgesetzt werden sollten. Im Wesentlichen<br />

schlägt die Kommission eine Aktualisierung der Achten Richtlinie Gesellschaftsrecht (84/253/<br />

EWG) über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten<br />

Personen vor. Ferner soll eine EU-Regulierungsinfrastruktur geschaffen werden. Mit der Gründung<br />

eines Regelungsausschusses auf dem Gebiet der Abschlussprüfung sollen im Rahmen des<br />

Komitologieverfahrens Durchführungsmaßnahmen erlassen werden. Die Schaffung dieses Systems<br />

wird die Einflussnahme des Berufsst<strong>and</strong>es in der Zukunft beschränken. Außerdem soll die<br />

öffentliche Kontrolle der Abschlussprüfer durch die Definition von Mindestanforderungen und die<br />

Einführung eines Koordinierungsmechanismus ausgebaut werden. Die Anwendung der „International<br />

St<strong>and</strong>ards on Auditing/(ISA)“ auf alle EU-Abschlüsse soll auch ab 2005 zwingend vorgeschrieben<br />

werden.<br />

Die Kommission definiert weitere mittelfristige Prioritäten zur Verbesserung der Disziplinarmaßnahmen,<br />

zur Erhöhung der Transparenz, zur Corporate Governance in diesem Gebiet und zur Stärkung<br />

der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers. Ferner will die Kommission an der Erleichterung<br />

der Niederlassung von Abschlussprüfungs-gesellschaften arbeiten, indem sie die Beseitigung der<br />

Beschränkungen für Besitz und Management vorschlagen wird. Die Frage der Haftung der<br />

Abschlussprüfer und die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Haftungssysteme werden auch zur<br />

Analyse gestellt. Der Aktionsplan sollte bis 2006 umgesetzt werden.<br />

In ihrer Empfehlung zur „Externen Qualitätssicherung bei Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften,<br />

die Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen gibt die Kommission den Mitgliedstaaten<br />

Leitlinien für den Aufbau eines unabhängigen und wirksamen Inspektionssystems auf der<br />

Grundlage der Richtlinie über die Abschlussprüfung. Diese Empfehlung verleiht den Aufsichtsbehörden<br />

mehr Befugnisse, baut die Unabhängigkeit von Inspektionsteams aus und stärkt die Transparenz<br />

in Bezug auf die Inspektionsergebnisse einzelner Abschlussprüfungsgesellschaften.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Ziel einer weiteren Empfehlung zur „Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern<br />

und Prüfungsgesellschaften“ ist es, das Entstehen alternativer Prüfungsgesellschaften auf<br />

einem wettbewerbsorientierten Markt zu fördern. Die Empfehlung ist die Reaktion auf die steigende<br />

Zahl von Prozessen und den mangelnden Versicherungsschutz in dieser Branche. Die Empfehlung<br />

lässt den Mitgliedstaaten die Wahl, auf welche Weise sie die Haftung beschränken wollen,<br />

und führt verschiedene Grundsätze ein, die sicherstellen sollen, dass die Haftungsbeschränkung<br />

den Abschlussprüfern ebenso gerecht wird wie den geprüften Unternehmen, Anlegern und sonstigen<br />

Betroffenen.<br />

Diese Prioritäten auf dem Gebiet der Abschlussprüfung stellen eine Ergänzung des Aktionsplans<br />

zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verstärkung der Corporate Governance dar.<br />

Die Mitteilung und die Empfehlungen der Kommission setzten einen wichtigen Maßstab zur Unabhängigkeit<br />

und zur Qualität von Abschluss-prüfern und sind zu begrüßen. Wegen der weltweiten<br />

Vertrauenskrise konnte die EU-Kommission schwer allein auf eine Selbstregulierung der Wirtschaftsprüferbranche<br />

vertrauen. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen wurde eine umfassende<br />

Modernisierung der Achten EU-Gesellschaftsrichtlinie eingeleitet. Mit der Modernisierung sollte<br />

sichergestellt werden, dass das öffentliche Interesse das vorrangige Prinzip der EU-Politik auf dem<br />

Gebiet der Abschlussprüfung ist. So wird dieser Aktionsplan einen wichtigen Beitrag zur Stabilität<br />

der Finanzmärkte und zur Verstärkung des Vertrauens der Anleger leisten.<br />

Insbesondere von Seiten der USA war die EU-Kommission unter Druck geraten, die Vorschriften zur<br />

Abschlussprüferaufsicht zu reformieren. Dort war mit dem Sarbanes-Oxley-Act of 2002 das so<br />

genannte Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) zur Überwachung der Abschlussprüfer<br />

eingerichtet und mit sehr weitgehenden Befugnissen ausgestattet worden. Das europäische<br />

Vorhaben greift allerdings noch nicht so weit wie das neue US-amerikanische Regelwerk. Der EU-<br />

Regelungsausschuss wird als Pendant zum PCAOB angesehen und soll dazu dienen, die gegenseitige<br />

Anerkennung der Aufsichtssysteme wesentlich zu stärken.<br />

213<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

214<br />

Im November 2000 hatte die EU-Kommission eine Empfehlung zu den „Mindestanforderungen an<br />

Qualitätssicherungssysteme für die Abschlussprüfung in der EU” veröffentlicht. Als erste Reaktion<br />

auf die Bilanzsk<strong>and</strong>ale in den USA hat die Kommission ergänzend eine Empfehlung zur „Unabhängigkeit<br />

von Abschlussprüfern in der EU” vorgelegt. Diese Empfehlung wurde am 19. Juli 2002 im<br />

Amtsblatt der EG veröffentlicht und ihre Umsetzung in der Praxis sollte in drei Jahren überprüft<br />

werden. Wegen der weltweiten Vertrauenskrise beschloss jedoch die Kommission, weitere Maßnahmen<br />

zu treffen. So hat die Kommission am 21. Mai 2003 unter dem Titel „Stärkung der<br />

Abschlussprüfung in der EU” eine Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament vorgelegt.<br />

Diese Mitteilung enthält einen 10-Punkte-Aktionsplan, der bis zum Ende 2006 umgesetzt sein soll.<br />

Die Kommission hat am 15. März 2004 einen Richtlinienvorschlag zur Modernisierung der Achten<br />

Gesellschaftsrechtsrichtlinie vorgelegt. Die Richtlinie, die die Achte Richtlinie ersetzt, wurde im<br />

Mai 2006 verabschiedet.<br />

Die in der Mitteilung geplanten Aktionen sind weitgehend von der EU umgesetzt worden.<br />

Mit Hinsicht auf die Verbesserung der Abschlussprüferqualität, hat die Kommission am 13. Mai<br />

2008 eine Empfehlung zur „Externen Qualitätssicherung bei Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften,<br />

die Unternehmen von öffentlichem Interesse prüfen“ veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten<br />

waren aufgefordert, die Kommission bis zum 6. Mai 2009 über die aufgrund dieser Empfehlung<br />

getroffenen Maßnahmen zu unterrichten.<br />

Die Europäische Kommission hat außerdem am 6. Juni 2008 eine Empfehlung zur „Beschränkung<br />

der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften“ verabschiedet.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Referenz<br />

KOM (2003) 286 (Mitteilung) endg. vom 21.05.2003, Amtsblatt der EU Nr. C 236/2 vom 02.10.2003<br />

Empfehlung (Externe Qualitätssicherung), Amtsblatt der EU Nr. L 120/20 vom 07.05.2008<br />

Empfehlung (Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern), Amtsblatt der EU<br />

Nr. L 162/39 vom 21.06.2008<br />

215<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

2. Aktionsplan zur Modernisierung des<br />

Gesellschaftsrechts/Corporate Governance<br />

Mitteilung der Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung<br />

der Corporate Governance in der EU- Aktionsplan<br />

Mitteilung über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht,<br />

Rechnungslegung und Abschlussprüfung<br />

Inhalt<br />

216<br />

Der Aktionsplan soll ein modernes Regelwerk für das Gesellschaftsrecht in der EU schaffen und die<br />

Regel zur „Corporate Governance” verbessern, mit dem Ziel, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit<br />

der EU-Unternehmen zu steigern. Gleichzeitig sollen die Aktionärsrechte gestärkt und der<br />

Schutz Dritter verbessert werden. Insbesondere soll das Vertrauen der europäischen Anleger wieder<br />

hergestellt werden. Die Finanzkrise von 2007/2008 hat ebenfalls zu Vorstößen der Kommission<br />

geführt, um die Corporate Governance von Unternehmen insbesondere im Bereich der Vergütung<br />

zu verbessern.<br />

Mit dieser Mitteilung bringt die Kommission zum Ausdruck, dass diese Ziele nur durch ein voll<br />

integriertes Konzept erreicht werden können. Daher verweist sie insbesondere auf den Aktionsplan<br />

für Finanzdienstleistungen aus dem Jahr 1999, die Rechnungslegungsstrategie aus dem Jahr<br />

2000 sowie die Mitteilung zur Stärkung der Abschlussprüfung in der EU vom 21. Mai 2003. So<br />

enthält der Aktionsplan eine Vielzahl von Vorschlägen für Gesetzesinitiativen und <strong>and</strong>ere Maßnahmen.<br />

Mehrere kurzfristige Maßnahmen sollten bis 2005 umgesetzt werden. Im Zusammenhang mit<br />

Corporate Governance werden im Plan Offenlegungspflichten in Bezug auf die Unternehmensleitung<br />

und -überwachung erhöht und ein integrierter rechtlicher Rahmen, der die Kommunikation mit<br />

den Aktionären und die Beschlussfassung erleichtern soll, entwickelt. Die Rolle von unabhängigen,<br />

nicht geschäftsführenden Direktoren und Aufsichtsräten soll gestärkt, ein angemessenes System<br />

für die Vergütung von Direktoren gefördert werden. Die Bestätigung der kollektiven Verantwortung<br />

der Mitglieder des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans für den Jahresabschluss auf EU-Ebene soll<br />

eingeführt und die Offenlegung von Gruppenstrukturen und gruppeninternen Beziehungen finanzieller<br />

und sonstige Art für Konzerne ausgeweitet werden. Ein europäisches Corporate Governance<br />

Forum wurde einberufen, in dem die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Corporate<br />

Governance koordiniert werden sollen.<br />

Als mittelfristige Maßnahmen gelten weitere wichtige Vorhaben, deren Umsetzung von 2006 bis<br />

2008 erfolgen soll. So fordert die EU-Kommission unter <strong>and</strong>erem die verstärkte Offenlegung der<br />

Anlage- und Abstimmungsstrategien institutioneller Anleger sowie die Stärkung der Verantwortung<br />

der Mitglieder des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans. Sie fordert die Prüfung einer Alternative<br />

zum Kapitalerhaltungskonzept und Rahmenregelungen für Unternehmensgruppen, die Tochtergesellschaften<br />

eine abgestimmte Konzernpolitik ermöglichen. Ebenso verlangt sie das Verbot der<br />

Börsennotierung missbräuchlicher Unternehmenspyramiden.<br />

Parallel zum Aktionsplan hat die Kommission eine Mitteilung zur Verbesserung und Harmonisierung<br />

der Qualität der Abschlussprüfung in der EU veröffentlicht.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Durch diesen Aktionsplan st<strong>and</strong>en und werden weiterhin die Modernisierung des Gesellschaftsrechts<br />

und die Verbesserung der Corporate Governance im Vordergrund der EU-Prioritäten stehen.<br />

Der Aktionsplan wird durch den Leitgedanken getragen, die Rechte von Investoren zur stärken und<br />

den Schutz Dritter zu verbessern. Diese Zielsetzung wird grundsätzlich unterstützt, dennoch sind<br />

manche Vorschläge der wirtschaftlichen Realität nicht angepasst.<br />

Die geforderte kollektive Haftung aller Mitglieder des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans für sämtliche<br />

Informationen, also auch nicht finanzieller Art, stellt eine Organhaftung dar, die auf historisch<br />

gewachsene nationale Haftungs- und Aktienrechte basierende Unterschiede in den Mitgliedstaaten<br />

negiert und aufgrund des Regulierungsumfangs weder justiziabel noch praktikabel ist. Ferner<br />

sollte die empfohlene Offenlegungspflicht der Anlage und Stimmrechtsausübungsstrategie von<br />

institutionellen Anlegern als praxisfremd abgelehnt werden. Die finanziellen und personellen<br />

Belastungen des einzelnen Unternehmens dürften auch durch diesen Aktionsplan steigen und die<br />

Ergebnisrechnung belasten.<br />

Eine hochrangige Expertengruppe unter dem Vorsitz von Prof. Jaap Winter wurde von der EU-<br />

Kommission im September 2001 u. a. zur Beratung bei der Modernisierung des EU-Gesellschaftsrechts<br />

eingesetzt. Im Anschluss an die informelle Tagung der Wirtschafts- und Finanzminister im<br />

April 2002 wurde das M<strong>and</strong>at dieser Gruppe um verschiedene mit der Unternehmensführung und<br />

-kontrolle zusammenhängende Themenbereiche erweitert (d. h. Corporate Governance). Die Expertengruppe<br />

hat am 4. November 2002 ihren Schlussbericht vorgelegt und wesentliche Empfehlungen<br />

formuliert.<br />

Am 21. Mai 2003 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung unter dem Titel „Modernisierung<br />

des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen<br />

Union – Aktionsplan” vorgelegt. Diese Mitteilung folgt in weiten Teilen den Empfehlungen der<br />

Wintergruppe. Der Aktionsplan wurde an den Rat der Europäischen Union und das Europäische<br />

Parlament weitergeleitet. Ferner wurde eine offene Konsultation zu diesem Aktionsplan durchgeführt.<br />

Die vollständige Umsetzung der im Aktionsplan enthaltenen kurzfristigen Prioritäten wurde fast<br />

erreicht. So wurde eine Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften<br />

im Oktober 2005 angenommen. Auch die Modernisierung der Richtlinie über Kapitalerhaltung<br />

(Richtlinie 77/91/EWG – Zweite Gesellschaftsrechtliche Richtlinie) wurde im Juli 2006 vollzogen.<br />

Zudem hat die Kommission mehrere Konsultationen u. a. zur grenzüberschreitenden<br />

Sitzverlegung und zu den Aktionärsrechten geführt. Die Kommission hat daraufhin die Idee einer<br />

Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung in Dezember 2007 fallen gelassen. Zudem<br />

wurde die Richtlinie zur Corporate Governance im Juni 2006 verabschiedet (bez. Verantwortung<br />

von Organmitgliedern, Transparenz bei außerbilanziellen Geschäften, Veröffentlichung einer Corporate-Governance-Erklärung).<br />

Die Kommission hat auch ein Corporate-Governance-Gremium eingeführt,<br />

um die Zusammenarbeit und Konvergenz der nationalen Corporate-Governance-Kodizes zu<br />

fördern. Ferner wurde auf Beschluss der Kommission vom 28. April 2005 eine Gruppe von Nicht-<br />

Regierungsexperten für Corporate Governance und Gesellschaftsrecht eingesetzt. Schließlich hat<br />

die Kommission eine Empfehlung über die Unabhängigkeit von Organmitgliedern sowie über ein<br />

217<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

218<br />

angemessenes System zur Vergütung von Direktoren verabschiedet. Im Juli 2007 wurde schließlich<br />

die Richtlinie zur zu den Aktionärsrechten angenommen.<br />

Die EU-Kommission führte im Dezember 2005 eine Konsultation über die zukünftigen Prioritäten<br />

des Aktionsplans durch. Die EU-Kommission wollte mit dieser Initiative stärker auf die Bedürfnisse<br />

der Unternehmen eingehen im Rahmen der Lissabon-Strategie und des „Better regulation“-Ansatzes.<br />

Der Aktionsplan aus dem Jahr 2003 soll auf bürokratische Hemmnisse durchforstet und einige<br />

Vorhaben könnten daher gestrichen werden.<br />

So hat die Kommission am 12. Juli 2007 eine Mitteilung zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts<br />

vorgelegt. Dabei stellt sie die Abschaffung bzw. Vereinfachung der 1., 2., 3., 6., 11., 12. Gesellschaftsrechts-Richtlinie,<br />

die Überarbeitung der Verordnung über die Europa AG sowie Erleichterungen<br />

bei den Offenlegungspflichten für KMUs zu Diskussion. Die Abschaffung mehrerer Richtlinien<br />

in diesem Gebiet wird von der Industrie massiv abgelehnt, da sie den Binnenmarkt gefährden<br />

würde.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Referenz<br />

KOM (2003) 284 (Mitteilung) endg. vom 21.05.2003, nicht im EU-Amtsblatt veröffentlicht<br />

219<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

3. Empfehlung zur Unabhängigkeit von Aufsichtsräten<br />

Empfehlungen zur Vergütung von Direktoren<br />

Empfehlung der Kommission zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung<br />

von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter * Gesellschaften<br />

Empfehlung der Kommission zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/<br />

Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter * Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des<br />

Verwaltungs-/Aufsichtsrats<br />

Empfehlung der Kommission zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG<br />

zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter<br />

Gesellschaften<br />

Inhalt<br />

220<br />

Die EU-Kommission hat zwei erste Empfehlungen über die Unabhängigkeit von Aufsichtsräten und<br />

zur Transparenz von Vorst<strong>and</strong>s- und Aufsichtsratsbezügen im Rahmen der Bemühungen zur Stärkung<br />

der Corporate Governance erarbeitet. Beide Empfehlungen sind Teil des Aktionsplans zur<br />

Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Stärkung der Corporate Governance. Die Finanzkrise<br />

von 2007/2008 hat ebenfalls zu Vorstößen der Kommission im Bereich der Vergütung geführt,<br />

mit der Veröffentlichung einer ergänzenden Empfehlung zur Vergütung von Direktoren.<br />

In der Empfehlung bezüglich der Unabhängigkeit von Aufsichtsräten fordert die Europäische Kommission<br />

die Mitgliedstaaten förmlich auf, die Stellung unabhängiger nicht geschäftsführender<br />

Direktoren im Aufsichtsrat börsennotierter* Unternehmen zu stärken. Die Empfehlung sieht vor,<br />

dass die Mitgliedstaaten die Wahl haben, entweder freiwillige Regelungen („comply or explain“-<br />

Ansatz) oder gesetzliche Vorgaben zu schaffen, um der Empfehlung nachzukommen. Dies entspricht<br />

einer Forderung der deutschen Industrie, die eine Umsetzung ausschließlich per gesetzliche<br />

Vorhaben strikt ablehnt und die Anwendung nationaler Kodizes bevorzugt. In der Empfehlung werden<br />

Grundsätze für die Einsetzung, Zusammensetzung und Rolle der Verwaltungs-, Managementund<br />

Aufsichtsgremien festgelegt. So sollte dem Verwaltungs-/Aufsichtsrat eine ausreichende Zahl<br />

unabhängiger nicht geschäftsführender Mitglieder angehören, um sicherzustellen, dass mit Interessenkonflikten,<br />

in die Mitglieder der Unternehmensleitung involviert sind, ordnungsgemäß verfahren<br />

wird. Zu diesem Zweck sollten normalerweise Nominierungs-, Vergütungs- und Prüfungsausschüsse<br />

innerhalb des Verwaltungs-/Aufsichtsrates eingesetzt werden. In der Empfehlung<br />

werden Mindestst<strong>and</strong>ards für die Einsetzung, Zusammensetzung und Rolle dieser Ausschüsse<br />

festgelegt. Die Kommission gibt ferner eine Reihe von nicht-verbindlichen Hinweisen zur Auslegung<br />

der Definition der Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. So sollte ein Vorst<strong>and</strong>smitglied<br />

beispielsweise erst nach fünf Jahren in ein Aufsichtsgremium wechseln. Andere Angestellte<br />

sollten erst nach drei Jahren nach Ausscheiden in den Aufsichtsrat gewählt werden (es sei denn,<br />

der Angestellte ist im Rahmen eines Mitbestimmungsrechts gewählt worden). In der ersten Empfehlung<br />

zur Vergütung von Aufsichtsräten und Vorständen ist vorgesehen, dass alle börsennotierten*<br />

Unternehmen eine Erklärung über ihre Politik zur Vergütung der Direktoren veröffentlichen.<br />

Darin sollten Angaben zur Aufschlüsselung nach festen und variablen Bezügen, zu leistungsbezo-<br />

* Börsennotiert im Sinne der Richtlinie 2004/39/EG (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente), also mit EK- und/oder FK-Titeln<br />

notierte Unternehmen, meist als „kapitalmarktorientiert“ bezeichnet.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

genen Kriterien und zu den Parametern für jährliche Bonusregelungen oder unbare Leistungen<br />

enthalten sein. Außerdem sollte die Vertragspolitik des Unternehmens erläutert werden. Dieses<br />

Vergütungskonzept sollte offen gelegt und der Hauptversammlungen zur Abstimmung vorgelegt<br />

werden. Das Votum der Hauptversammlung diesbezüglich kann jedoch bindenden oder beratenden<br />

Charakter haben. Die Mitgliedstaaten können aber vorsehen, dass eine solche Abstimmung nur<br />

durchgeführt wird, wenn sie von Aktionären beantragt wird, die zusammen zumindest 25 % aller<br />

Stimmrechte halten. Eine weitere wesentliche Bestimmung betrifft die Offenlegung von individuellen<br />

Bezügen der Direktoren. So wird die individuelle Offenlegung der vollen Bezüge von Direktoren<br />

in der Empfehlung festgeschrieben (d. h. das Gehalt, die sonstigen festen Vergütungsbest<strong>and</strong>teile,<br />

Aktienbezugspläne und betriebliche Pensionspläne). Außerdem soll die Hauptversammlung den<br />

variablen Vergütungssystemen, nach denen die Direktoren Aktien oder Aktienbezugsrechte erhalten,<br />

genehmigen. Genehmigungspflichtig wäre demnach der Plan als solcher, d. h. das Vergütungssystem<br />

und die Regeln, nach denen die Einzelvergütung gemäß dem Plan festgelegt wird.<br />

In der neuen Empfehlung zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung<br />

börsennotierter Gesellschaften ergänzt die Kommission die bestehenden Empfehlungen zu Vergütung.<br />

Mit einer angemessenen Vergütungspolitik sollen die Mitglieder der Unternehmensleitung<br />

nach Leistung entlohnt und dazu angehalten werden, die mittel- und langfristige Tragfähigkeit des<br />

Unternehmens zu gewährleisten. Zur Struktur der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung<br />

fordert die Empfehlung die Mitgliedstaaten auf, eine Obergrenze (höchstens zwei Jahre für<br />

den festen Best<strong>and</strong>teil der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung) für Abfindungszahlungen<br />

(„Golden Parachutes“) festzulegen und diese im Falle von Fehlleistungen ganz zu streichen.<br />

Ferner fordert die Kommission, ein Gleichgewicht zwischen dem festen und dem variablen<br />

Vergütungsbest<strong>and</strong>teil vorzuschreiben und letzteren an vorher festgelegte und genau messbare<br />

Leistungskriterien zu binden, um die Bindung der Leistung an die Vergütung zu stärken. Außerdem<br />

soll die Vergütungsstruktur die langfristige Tragfähigkeit von Unternehmen fördern, indem ein<br />

Gleichgewicht zwischen den lang- und den kurzfristigen Leistungskriterien für die Vergütung von<br />

Mitgliedern der Unternehmensleitung geschaffen, der variable Best<strong>and</strong>teil später ausgezahlt, eine<br />

Mindesterdienungszeitraum für Aktienoptionen und Anteile (mindestens drei Jahre) festgelegt<br />

wird und ein Teil der Anteile bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses zurückgehalten wird.<br />

Ebenfalls soll den Unternehmen gestattet werden, den variablen Vergütungsbest<strong>and</strong>teil, der auf<br />

der Grundlage offensichtlich falscher Daten gezahlt wurde, zurückzufordern. In Bezug auf das Verfahren<br />

zur Festlegung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung fordert die Empfehlung<br />

die Mitgliedstaaten auf, bestimmte Offenlegungsanforderungen auszuweiten, die in der bisherigen<br />

Empfehlung enthalten sind, um die Kontrolle der Vergütungspolitik durch die Anteilseigner<br />

zu verbessern. Auch sollen Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Anteilseigner und vor allem<br />

institutionelle Anleger an den Hauptversammlungen teilnehmen und gegebenenfalls ihre Stimmrechte<br />

bei der Abstimmung über die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung vernünftig<br />

einsetzen. Sie sollen auch dafür sorgen, dass Nicht-Mitglieder der Unternehmensleitung keine<br />

Aktienoptionen als Teil ihrer Vergütung erhalten, um so Interessenkonflikte zu vermeiden. Schließlich<br />

soll die Rolle und die Tätigkeitsweise der Vergütungsausschüsse ausgebaut werden, indem i)<br />

neue Grundsätze zu ihrer Zusammensetzung festgelegt werden; ii) die Ausschussmitglieder verpflichtet<br />

werden, an der Hauptversammlung teilzunehmen, wo die Vergütungspolitik besprochen<br />

wird und wo sie den Aktionären Erklärungen liefern können und iii) Interessenkonflikte bei Vergütungsberatern<br />

vermieden werden.<br />

221<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

222<br />

Diese Empfehlungen sind als Beitrag zur Stärkung des Vertrauens der Finanzmärkte zu begrüßen.<br />

Jedoch sieht die Kreditwirtschaft das Risiko einer Überregulierung in diesem Gebiet, wenn die<br />

Kommission einen weiteren Regulierungsbedarf anstrebt.<br />

Die Kommission hatte in Ihrem Aktionsplan über Corporate Governance im Mai 2003 angekündigt,<br />

dass eine kurzfristige Initiative zur Förderung eines angemessenen Regimes zur Vergütung von<br />

Direktoren sowie zur Unabhängigkeit von Aufsichtsräten notwendig ist.<br />

Im Februar 2004 stellte die Kommission ein Konsultationsdokument zur Vergütung von Direktoren<br />

vor. Nach Auswertung der Beiträge hat die Kommission seine Empfehlung geringfügig angepasst<br />

und am 6. Oktober 2004 verabschiedet. Sie wurde im EU-Amtsblatt im Dezember 2004 veröffentlicht.<br />

Am 5. Mai 2004 legte die Kommission ein Konsultationsdokument über die Unabhängigkeit von<br />

Organmitgliedern vor. Eine Auswertung der Beiträge wurde im September 2004 veröffentlicht. Die<br />

Kommission überarbeitete seine Empfehlung und nahm sie am 6. Oktober 2004 an. Sie wurde im<br />

EU-Amtsblatt im Februar 2005 veröffentlicht.<br />

Die Mitgliedstaaten sollen die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Umsetzung dieser Empfehlungen<br />

bis zum 30. Juni 2006 zu erreichen. Die Empfehlungen der Kommission sind für die<br />

Mitgliedstaaten nicht verbindlich. Dennoch wird die Kommission die Anwendung der Empfehlungen<br />

durch die Mitgliedstaaten verfolgen, um festzustellen, ob auf mittlere Sicht weiterer Regulierungsbedarf<br />

besteht.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Empfehlung, eine angemessene Regelung zur Vergütung von Mitgliedern<br />

der Unternehmensleitung einzuführen, mit dem Vorst<strong>and</strong>svergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG)<br />

bereits teilweise umgesetzt. Dieses Gesetz verlangt die individualisierte und nach Best<strong>and</strong>teilen<br />

gegliederte Angabe der Vergütung von Vorst<strong>and</strong>smitgliedern. Des Weiteren sind die Grundzüge<br />

des Vergütungssystems zu erläutern. Die Aktionäre können auf der Hauptversammlung jedoch<br />

mit Dreiviertelmehrheit den Verzicht auf die individualisierte Offenlegung beschließen (sog. „optout-Regel“).<br />

Das VorstOG ist nur auf Eigenkapital-notierte Unternehmen anzuwenden. Für sonstige<br />

kapitalmarktorientierte Gesellschaften gelten diese Regelungen bislang nicht.<br />

Die EU-Kommission hat am 19. Juli 2007 zwei Berichte über die Umsetzung dieser Empfehlungen<br />

durch die Mitgliedstaaten vorgelegt. Die EU-Kommission stellt fest, dass diese St<strong>and</strong>ards zwar<br />

verstärkt angew<strong>and</strong>t werden, aber nach wie vor einige Schwachstellen zu verzeichnen sind. Dem<br />

Bericht über die Direktorenvergütung zufolge werden Transparenzst<strong>and</strong>ards zwar weitgehend eingehalten,<br />

empfehlen einige Mitgliedstaaten aber nach wie vor nicht, dass die Aktionäre über dieses<br />

Thema abstimmen. In ihrem Bericht über die Rolle unabhängiger nicht geschäftsführender<br />

Direktoren stellt sie fest, dass sich die Governance-St<strong>and</strong>ards in diesem Bereich zwar deutlich<br />

verbessert haben, einige der empfohlenen St<strong>and</strong>ards aber nicht in allen Mitgliedstaaten eingehalten<br />

werden. So kann in einigen Mitgliedstaaten ein ehemaliger Chief Executive Officer (CEO)<br />

unmittelbar im Anschluss daran Vorsitzender des Aufsichtsorgans desselben Unternehmens werden,<br />

was die Unabhängigkeit der nicht geschäftsführenden Aufsicht beeinträchtigt. Auch empfehlen<br />

einige Mitgliedstaaten keine ausreichende Präsenz unabhängiger Mitglieder des Verwaltungsbzw.<br />

Aufsichtsorgans in den Vergütungs- und Prüfungsausschüssen.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Im Oktober 2008 hat die Kommission eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière<br />

beauftragt, sie zur Zukunft der europäischen Finanzmarktregulierung und -überwachung zu<br />

beraten. Diese Gruppe stellte am 25. Februar 2009 ihren Bericht vor, dessen Empfehlungen von der<br />

Kommission in ihrer Mitteilung zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2009 übernommen<br />

wurden. Zu den Empfehlungen gehörten Maßnahmen zur Vergütungspolitik von Finanzinstituten<br />

und Unternehmen.<br />

In Reaktion auf die Finanzmarktkrise hat die Kommission am 29. April 2009 zwei neue Empfehlungen<br />

zur Vergütung veröffentlicht, eine zur Vergütung der Unternehmensleitung (K(2009) 3177) und<br />

eine zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor (K(2009) 3159).<br />

Am 2. Juni 2010 hat die Kommission zwei Berichte über die praktische Umsetzung ihrer Empfehlungen<br />

aus dem Jahr 2009 zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor und zur Vergütung<br />

der Geschäftsführer börsennotierter Gesellschaften seitens der Mitgliedstaaten vorgelegt. In beiden<br />

Bereichen wurden Fortschritte erzielt, doch steht in zahlreichen Mitgliedstaaten die vollständige<br />

Umsetzung der Empfehlungen noch aus.<br />

223<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

4. Empfehlung zur Vergütungspolitik im<br />

Finanzdienstleistungssektor<br />

Empfehlung der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

224<br />

Vergütungsschemata in Banken und <strong>and</strong>eren Unternehmen haben dem von der Kommission<br />

bestellten „de Larosière Bericht“ zur Finanzkrise zufolge zu exzessiver Risikobereitschaft zum<br />

Nachteil einer auf Langfristigkeit ausgerichtete Unternehmensentwicklung geführt. Diese Schwächen<br />

adressiert die Kommission in ihrer Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzsektor.<br />

Die Vergütungspolitik für Personen, die bei ihren Tätigkeiten Risiken eingehen müssen, sollte der<br />

Empfehlung zufolge einem soliden und wirksamen Risikomanagement zuträglich und mit diesem<br />

kompatibel sein. Deshalb sollten die Finanzinstitute ein angemessenes Gleichgewicht zwischen<br />

fixem Gehalt und Bonuszahlungen anstreben. Ein Großteil der Boni sollte erst zu einem späteren<br />

Zeitpunkt ausgezahlt werden, um dem Risikohorizont der zugrunde liegenden Leistung Rechnung<br />

zu tragen. Die Leistungskriterien sollten sich stärker an den längerfristigen Ergebnissen orientieren<br />

und die zugrunde gelegte Leistung an die Faktoren Risiko, Kapitalkosten und Liquidität anpassen.<br />

Ferner sollten Finanzinstitute bereits ausgezahlte Boni zurückfordern können, wenn Daten sich im<br />

Nachhinein als offenkundig falsch erwiesen haben (Claw-back).<br />

Die Vergütungspolitik sollte außerdem intern transparent, eindeutig und ordnungsgemäß dokumentiert<br />

sein und Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten enthalten. Dem Verwaltungs-/Aufsichtsrat<br />

fällt die Aufgabe zu, die Vergütungspolitik des gesamten Finanzinstituts mit<br />

angemessener Beteiligung von internen Kontrollorganen, Personalabteilung oder Sachverständigen<br />

zu beaufsichtigen. Die Mitglieder der Unternehmensleitung und sonstige, an Konzeption und<br />

Umsetzung der Vergütungspolitik beteiligte Personalmitglieder sollten unabhängig sein.<br />

Auch sollte die Vergütungspolitik den Beteiligten auf angemessene Art und Weise mitgeteilt werden.<br />

Die offengelegten Informationen sollten eindeutig und leicht verständlich sein und die zentralen<br />

Elemente der Vergütungspolitik, ihrer Konzeption und Umsetzung umfassen.<br />

Schließlich sollten die Aufsichtsbehörden unter Nutzung der zur Verfügung stehenden Überwachungsinstrumente<br />

sicherstellen, dass Finanzinstitute die Grundsätze einer soliden Vergütungspolitik<br />

so weit möglich anwenden und dass die Vergütungspolitik mit einem wirksamen Risikomanagement<br />

vereinbar ist. Um das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, sollten die<br />

Aufsichtsbehörden bei der Prüfung der Grundsätze einer soliden Vergütungspolitik Art und Größe<br />

des Finanzinstitutes und die Komplexität seiner Tätigkeiten berücksichtigen.<br />

Diese Empfehlung ist als Beitrag zur Stärkung des Vertrauens der Finanzmärkte zu begrüßen. Es ist<br />

in der Tat wichtig, dass keine Anreize für Manager oder bestimmte Mitarbeiter, die Arbeit in risikoanfälligen<br />

Bereichen arbeiten, geschaffen werden, die die wirtschaftliche Nachhaltigkeit eines<br />

Kreditinstituts gefährden. Die Kreditwirtschaft hat jedoch Bedenken im Hinblick auf die Definition<br />

von Langfristigkeit. Der Begriff ist sehr dehnbar und kann je nach Geschäftsbereich variieren. Da-


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

rüber hinaus kann die Verzögerung von Bonuszahlungen über mehrere Jahre zu Umsetzungsproblemen<br />

für Unternehmen mit einer langfristigen Ausrichtung führen. Außerdem sieht die Kreditwirtschaft<br />

das Risiko einer Überregulierung in diesem Gebiet, wenn die Kommission einen weiteren<br />

Regulierungsbedarf zu Vergütung anstrebt.<br />

Im Oktober 2008 hat die Kommission eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière<br />

beauftragt, sie zur Zukunft der europäischen Finanzmarktregulierung und -überwachung zu<br />

beraten. Diese Gruppe stellte am 25. Februar 2009 ihren Bericht vor, dessen Empfehlungen von der<br />

Kommission in ihrer Mitteilung zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2009 übernommen<br />

wurden. Zu den Empfehlungen gehörten Maßnahmen zur Vergütungspolitik von Finanzinstituten<br />

und Unternehmen.<br />

Das Corporate-Governance-Forum hat am 24. März 2009 eine Erklärung zur Thema der Vergütung<br />

veröffentlicht. Das Forum hat gefordert, dass bei der Festlegung von Regeln zwischen der Managervergütung<br />

in börsennotierten Unternehmen und der Vergütung im Finanzdienstleistungssektor<br />

unterschieden werden sollte – einer Branche, in der auch nicht geschäftsführenden Managern<br />

potenziell hohe Entgelte gezahlt werden. Außerdem sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen,<br />

dass gewisse Grundsätze zu Vergütung in den nationalen Corporate-Governance-Kodizes verankert<br />

werden. Die Kommission solle eine entsprechende Empfehlung aussprechen. Vorgeschlagen<br />

wurde außerdem der Erlass einer Richtlinie, worin ein geeignetes Instrument gesehen wurde,<br />

um sicherzustellen, dass börsennotierte Unternehmen ihre Vergütungspolitik und die Bezüge einzelner<br />

Manager offen legen.<br />

CEBS hat am 20. April 2009 Grundsätze zu Vergütung veröffentlicht, die Finanzinstitute u. a. dazu<br />

aufrufen langfristige Ziele bei der Vergütung stärker zu berücksichtigen.<br />

Die Kommission hat am 29. April 2009 zwei neue Empfehlungen zur Vergütung veröffentlicht, eine<br />

zur Vergütung der Unternehmensleitung und eine zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor<br />

(K(2009) 3159).<br />

Am 13. Juli 2009 hat die Kommission einen Änderungsvorschlag an der CRD vorgeschlagen, der<br />

verbindliche Maßnahmen für die Vergütungspolitik einführen soll. Diese sollen sicherstellen, dass<br />

das Eingehen übermäßiger Risiken durch leitende Bankangestellte und Wertpapierhändler nicht<br />

belohnt wird. Der Vorschlag verweist auf die Empfehlung der Kommission und listet eine Reihe von<br />

Prinzipien für eine angemessene Vergütungspolitik. Wird diesen Anforderungen von einem Kreditinstitut<br />

nicht entsprochen, sollen die zuständigen Aufsichtsbehörden Sanktionen verhängen können,<br />

die bis zu zusätzlichen Kapitalanforderungen reichen sollen.<br />

Am 2. Juni 2010 hat die Kommission zwei Berichte über die praktische Umsetzung ihrer Empfehlungen<br />

aus dem Jahr 2009 zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor und zur Vergütung<br />

der Geschäftsführer börsennotierter Gesellschaften seitens der Mitgliedstaaten vorgelegt. In beiden<br />

Bereichen wurden Fortschritte erzielt, doch steht in zahlreichen Mitgliedstaaten die vollständige<br />

Umsetzung der Empfehlungen noch aus.<br />

Am 11. Juni 2010 hat CEBS einen Bericht zur Umsetzung der CEBS Prinzipien vom 29. April 2009 zu<br />

Vergütungspraktiken veröffentlicht. Der Bericht sieht klare Verbesserungen in den Vergütungssystemen<br />

der Institute. CEBS hat u. a. diesen Bericht als Grundlage für die Erarbeitung von Leitlinien<br />

genutzt, die am 10. Dezember 2010 veröffentlicht wurden.<br />

225<br />

C


C<br />

C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

5. Grünbuch zu Corporate Governance in<br />

Finanzinstitutionen<br />

Grünbuch zu Corporate Governance in Finanzinstitutionen<br />

Inhalt<br />

226<br />

Dem Grünbuch zufolge hat die Finanzkrise deutliche Schwachstellen in der Führung der Finanzinstitute<br />

(Corporate Governance) offengelegt. Dazu zählen unzureichende Aufsicht und Kontrolle<br />

durch die Verwaltungsräte, schwaches Risikomanagement, unangemessene Vergütungsstrukturen<br />

für Direktoren und Tradern, wodurch diese zu überhöhten Risiken animiert und in kurzfristigem<br />

Denken bestärkt werden; sowie eine unzureichende Kontrolle der Risiken durch die Anteilseigner.<br />

Die Kommission erklärt, dass obwohl diese Schwachstellen an sich nicht die Ursache der Krise<br />

waren, hätten rechtzeitige effiziente Prüfungen und Bilanzierungen sie doch mildern können. Das<br />

Grünbuch betont die systemischen Risiken der Finanzbranche, um gesonderte Regeln für die<br />

Finanzbranche zu erarbeiten. Im Grünbuch werden verschiedene Verbesserungsansätze vorgestellt<br />

und zur öffentlichen Konsultation gegeben.<br />

Darunter fällt die Verbesserung der Funktionsweise und Zusammensetzung der Verwaltungsräte,<br />

um zu gewährleisten, dass die Geschäftsleitung ordnungsgemäß beaufsichtigt wird. Hier werden<br />

u. a. strikte Auswahlverfahren der Räte sowie die Einrichtung von klaren Verfahren im Umgang mit<br />

Interessenkonflikten vorgeschlagen.<br />

Es wird auch eine Förderung der Vielfalt bei der Zusammensetzung (z. B. Frauen, soziale und kulturelle<br />

Herkunft), spezifische individuelle Qualitäten (Erfahrung, Kompetenz etc) sowie die Begrenzung<br />

der Anzahl der M<strong>and</strong>ate vorgeschlagen. Weitere Vorschläge betreffen die Schaffung auf<br />

Risikoüberwachung spezialisierten Ausschüsse und die verstärkte Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden.<br />

Außerdem soll die Entwicklung einer Risikokultur auf allen Ebenen eines Finanzinstituts gefördert<br />

werden, um sicherzustellen, dass dessen langfristige Interessen berücksichtigt werden. Um das zu<br />

realisieren erörtert das Grünbuch eine höhere Hierarchiestellung des Risikomanager und die Verbesserung<br />

der Kommunikationssysteme. Finanzinstitute sollen auch eine klare Strategie zur Sensibilisierung<br />

der Mitarbeiter gegenüber Risiken haben.<br />

Des Weiteren sieht das Grünbuch eine stärkere Einbeziehung von Anteilseignern, Finanzaufsichtsbehörden<br />

und externen Prüfern in die Corporate Governance vor.<br />

Auch im Bereich der Vergütungspolitik kündigt die Kommission Maßnahmen an, die den Hang zur<br />

Risikobereitschaft mindern sollen.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Maßnahmen, die zur Stärkung der Beziehungen und des Vertrauens zwischen der Geschäftsführung<br />

eines Unternehmens, seinem Verwaltungsrat, den Aktionären und <strong>and</strong>eren Beteiligten wie<br />

Beschäftigten dienen, werden allgemein begrüßt. Maßnahmen gegen Verhalten, die eine nachhaltige<br />

Entwicklung eines Institutes gefährden sind sicherlich erforderlich. Jedoch muss eine große<br />

B<strong>and</strong>breite möglicher Gestaltungsvarianten möglich sein, um den verschiedenen Strukturen und<br />

Größen von Instituten gerecht zu werden. Ziel kann es im Rahmen der Regulierung daher nur sein,<br />

gute Praktiken zu identifizieren.<br />

Im Oktober 2008 hat die Kommission eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière<br />

beauftragt, sie zur Zukunft der europäischen Finanzmarktregulierung und -überwachung zu<br />

beraten.<br />

Diese Gruppe stellte am 25. Februar 2009 ihren Bericht vor, dessen Empfehlungen von der Kommission<br />

in ihrer Mitteilung zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2009 übernommen<br />

wurden. Dazu gehörte auch die Verbesserung der Corporate Governance Strukturen.<br />

Am 2. Juni 2010 hat die Kommission das Grünbuch zu Corporate Governance veröffentlicht und zur<br />

öffentlichen Konsultation gestellt.<br />

In Folge der Konsultation zum Grünbuch hat die Kommission legislative Maßnahmen im Bereich<br />

Corporate Governance im Rahmen der Änderung des CRD IV Pakets am 20. Juli 2011 vorgeschlagen.<br />

KOM (2010) 284 (Grünbuch) endg. vom 02.06.2010 (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

227<br />

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C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

6. Grünbuch für einen Europäischen Corporate<br />

Governance Rahmen<br />

Grünbuch für einen Europäischen Corporate Governance Rahmen<br />

Inhalt<br />

228<br />

Für die Kommission besteht eine der Lektionen aus der Finanzkrise darin, dass die Corporate<br />

Governance, die in der Regel bislang auf Selbstregulierung beruhte, nicht so wirksam war, wie<br />

man es hätte erwarten können. Die Europäische Kommission prüft daher, wie die Corporate Governance<br />

europäischer Unternehmen verbessert werden kann. Als Teil einer längerfristig angelegten<br />

Überprüfung des Corporate Governance-Rahmens für Unternehmen im Allgemeinen konzentriert<br />

sich das Grünbuch auf die Funktionsweise von Unternehmen und nicht nur von Finanzinstituten.<br />

Die Kommission erhofft sich durch die Förderung von Vielfalt in den Verwaltungsräten, der Mitwirkung<br />

der Aktionäre und der Qualität der Corporate Governance-Erklärungen einen besseren Corporate<br />

Governance-Rahmen.<br />

Es wird im Grünbuch erörtert, wie das wirksame Funktionieren von Verwaltungsräten bewerkstelligt<br />

und gewährleistet werden kann, dass sie sich aus verschiedenen Personengruppen zusammensetzen,<br />

(z. B. höhere geschlechterspezifische Diversität) und eine Reihe beruflicher Hintergründe<br />

und Fähigkeiten sowie Nationalitäten widerspiegeln.<br />

Darüber hinaus werden die Funktionsweise der Verwaltungsräte im Hinblick auf die Verfügbarkeit<br />

und das zeitliche Engagement der Verwaltungsratsmitglieder sowie Fragen des Risikomanagements<br />

und der Vergütung dieser Mitglieder beh<strong>and</strong>elt.<br />

Es werden außerdem Möglichkeiten zur Steigerung der Beteiligung der Aktionäre an Corporate<br />

Governance-Fragen und zur Förderung ihres Interesses an nachhaltigen Renditen und längerfristigen<br />

Leistungen, aber auch eines besseren Schutzes von Minderheitsaktionären geprüft.<br />

Zudem soll analysiert werden, ob es einer Identifizierung der Aktionäre bedarf, d. h. eines Mechanismus<br />

für die Emittenten, mit dem sie ihre Aktionäre ermitteln können, und ob der Rahmen für die<br />

Zusammenarbeit zwischen Aktionären verbessert werden muss.<br />

Des Weiteren werden Möglichkeiten zur Verbesserung der Überwachung und rechtlichen Durchsetzung<br />

bestehender nationaler Corporate Governance-Kodizes gesucht, um Anlegern und dem<br />

Publikum nützliche Informationen an die H<strong>and</strong> zu geben. Zwar haben Unternehmen, die den nationalen<br />

Corporate Governance-Empfehlungen nicht nachkommen, ihre Gründe für die Abweichung<br />

darzulegen. Allerdings geschieht dies nach Ansicht der Kommission nur selten. Im Grünbuch wird<br />

die Frage deshalb aufgeworfen, ob diese Erläuterungen detaillierter geregelt werden und die<br />

nationalen Aufsichtsbehörden mehr Befugnisse auf dem Gebiet der Corporate Governance-Erklärungen<br />

erhalten sollten.


C. HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Maßnahmen, die zur Stärkung der Beziehungen und des Vertrauens zwischen der Geschäftsführung<br />

eines Unternehmens, seinem Verwaltungsrat, den Aktionären und <strong>and</strong>eren Beteiligten wie<br />

Beschäftigten dienen, werden allgemein begrüßt. Maßnahmen gegen Verhalten, die eine nachhaltige<br />

Entwicklung eines Institutes gefährden sind sicherlich erforderlich. Jedoch muss eine große<br />

B<strong>and</strong>breite möglicher Gestaltungsvarianten möglich sein, um den verschiedenen Strukturen und<br />

Größen von Instituten gerecht zu werden. Ziel kann es im Rahmen der Regulierung daher nur sein,<br />

gute Praktiken zu identifizieren.<br />

Im Oktober 2008 hat die Kommission eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière<br />

beauftragt, sie zur Zukunft der europäischen Finanzmarktregulierung und -überwachung zu<br />

beraten.<br />

Diese Gruppe stellte am 25. Februar 2009 ihren Bericht vor, dessen Empfehlungen von der Kommission<br />

in ihrer Mitteilung zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2009 übernommen<br />

wurden. Dazu gehörte auch die Verbesserung der Corporate Governance Strukturen.<br />

Am 5. April 2011 hat die Kommission das Grünbuch zu Corporate Governance veröffentlicht und zur<br />

öffentlichen Konsultation gestellt.<br />

KOM (2011) 164/3 (Grünbuch) vom 5.042011 (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

229<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in<br />

Verbraucherverträgen<br />

Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen<br />

Inhalt<br />

230<br />

Die Richtlinie verfolgt das Ziel, missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen über den Kauf<br />

von Waren und Dienstleistungen zu verhindern. Dabei werden EU-weit gleiche Kriterien für die<br />

Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln zu Grunde gelegt.<br />

Eine Klausel gilt demnach als missbräuchlich, wenn sie „zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches<br />

und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien<br />

verursacht“.<br />

Erfasst werden nur Verträge, die nicht individuell zwischen Anbietern und Verbrauchern ausgeh<strong>and</strong>elt<br />

wurden. Ein individuell ausgeh<strong>and</strong>elter Vertrag liegt z. B. vor, wenn einzelne Passagen zwischen<br />

den Parteien ausgeh<strong>and</strong>elt wurden.<br />

Missbräuchliche Klauseln sind unzulässig und für den Verbraucher nicht bindend.<br />

In einem Anhang der Richtlinie werden zahlreiche Klauseln aufgelistet, deren Verwendung im Einzelfall<br />

missbräuchlich sein kann, die jedoch nicht generell als missbräuchlich anzusehen sind.<br />

Die Erbringer von Finanzdienstleistungen sind auch weiterhin berechtigt, den für den Verbraucher<br />

oder an den Verbraucher zu zahlenden Zinssatz oder die Höhe <strong>and</strong>erer Kosten für Finanzdienstleistungen<br />

in begründeten Fällen ohne Vorankündigung zu ändern. Dies setzt lediglich die unverzügliche<br />

Unterrichtung des Verbrauchers über die Änderung voraus.<br />

Generell kann ein Gewerbetreibender einseitig Bedingungen eines unbefristeten Vertrages ändern,<br />

sofern er den Verbraucher hiervon rechtzeitig in Kenntnis setzt und dieser den Vertrag kündigen<br />

kann.<br />

Den Verbraucherverbänden sollen durch die Richtlinie bessere Klagemöglichkeiten eingeräumt<br />

werden.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Kreditwirtschaft ist prinzipiell mit dem von der Kommission verfolgten Regelungsansatz einverst<strong>and</strong>en.<br />

Positiv wird gewertet, dass die beispielhafte Nennung missbräuchlicher Klauseln lediglich<br />

Hinweis charakter hat und nicht als bindend angesehen wird.<br />

Strikt abgelehnt wurde das in den ersten Entwurfsfassungen vorgesehene Verbot von Kündigungsausschlussvereinbarungen<br />

bei Realkrediten. Damit wäre das Prinzip der laufzeitkongruenten Refinanzierung<br />

langfristiger Kredite durch Schuldverschreibungen hinfällig geworden. Die Kredite<br />

hätten sich zum Nachteil der Verbraucher verteuert.<br />

Im Juli 1989 legte die Kommission einen Richtlinienvorschlag vor.<br />

Am 5. April 1993 verabschiedete der Rat die Richtlinie. Sie gilt für alle Verträge, die nach dem<br />

31. Dezember 1994, dem Zeitpunkt, zu dem die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt sein sollte,<br />

abgeschlossen werden.<br />

Das deutsche Umsetzungsgesetz trat Ende Juli 1996 in Kraft.<br />

Die Kommission hat am 27. April 2000 einen Bericht zu missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen<br />

vorgelegt, in dem sie zu dem Ergebnis kommt, dass aus Verbraucherschutzsicht in den<br />

Mitgliedstaaten noch erhebliche Defizite bestehen. Die Kommission hat eine europäische Datenbank<br />

für Rechtsprechung zu missbräuchlichen Vertragsklauseln zur Überwachung der praktischen<br />

Durchsetzung der Richtlinie geschaffen (CLAB-Datenbank), die in den nächsten Jahren aktualisiert<br />

werden soll.<br />

Am 8. Oktober 2008 legte die Kommission einen Richtlinienvorschlag über Rechte der Verbraucher<br />

vor, in dem vier Richtlinien aus dem Verbraucher-Acquis, darunter ursprünglich auch die Richtlinie<br />

über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, in einem Rechtsinstrument zusammengefasst<br />

werden sollten. Allerdings wurde entsprechend der Einigung zwischen Parlament und Rat<br />

in erster Lesung der Abschnitt über missbräuchliche Klauseln aus der Richtlinie ausgeklammert.<br />

Das Parlament nahm den Text am 23. Juni 2011 an, der nach formaler Verabschiedung durch den<br />

Rat voraussichtlich im Oktober 2011 im Amtsblatt veröffentlicht wird. Im Ergebnis bleibt also die<br />

Richtlinie über missbräuchliche Klauseln hiervon unberührt.<br />

93/13/EWG (Richtlinie) vom 05.04.1993, Amtsblatt der EG Nr. L 95/29 vom 21.04.1993<br />

231<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung<br />

Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006<br />

über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung)<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

232<br />

Die neue Richtlinie 2006/114/EG hebt die alte Richtlinie 84/450/EWG und all ihre Änderungen<br />

durch die Richtlinien 97/55/EG und 2005/29/EG auf und schafft einen neuen konsolidierten Text.<br />

Die Richtlinie zielt darauf ab, den Bereich der irreführenden Werbung zu regeln und bestimmt,<br />

unter welchen Voraussetzungen vergleichende Werbung zulässig ist. Die Richtlinie soll dazu beitragen,<br />

Verbrauchern den größtmöglichen Vorteil aus dem Wettbewerb der Anbieter von Waren<br />

und Dienstleistungen einzuräumen.<br />

Die Richtlinie versteht unter vergleichender Werbung jede Werbung, die einen Mitbewerber oder<br />

dessen Erzeugnisse oder Dienstleistungen mittelbar oder unmittelbar erkennen lässt.<br />

Vergleichende Werbung ist nach dem Richtlinienvorschlag zulässig, wenn sie<br />

■ nicht irreführend ist;<br />

■ Waren und Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung vergleicht;<br />

■ objektiv eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften<br />

dieser Waren und Dienstleistungen vergleicht, zu denen auch der Preis gehören kann;<br />

■ zu keiner Verwechslung führt;<br />

■ nicht herabsetzt oder verunglimpft,<br />

■ nicht in ungerechtfertigter Weise Vorteil aus dem Ruf eines Mitbewerbers bzw. dessen Produkten<br />

zieht und<br />

■ eine Ware oder eine Dienstleistung nicht als Imitation oder Nachahmung einer Ware oder<br />

Dienstleistung mit geschützter Marke oder geschütztem H<strong>and</strong>elsnamen darstellt.<br />

Die Absicht, den Verbrauchern durch die Zulassung vergleichender Werbung unter bestimmten<br />

Voraussetzungen bessere Vergleichsmöglichkeiten zu bieten, wird grundsätzlich positiv bewertet.<br />

Allerdings ist zweifelhaft, ob den Konsumenten durch vergleichende Werbung tatsächlich ein<br />

besserer Informationsst<strong>and</strong> vermittelt wird. Vielmehr ist zu befürchten, dass Verbraucher durch<br />

vorgespiegelte Objektivität getäuscht werden. Ein wirklicher Nutzen dieser Richtlinie ist vor diesem<br />

Hintergrund nicht erkennbar.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Am 19 Mai 2006 legte die Europäische Kommission einen neune Richtlinienvorschlag über irreführende<br />

und vergleichende Werbung als kodifizierte Version vor. Der Vorschlag enthielt keine gravierenden<br />

Änderungen im Verhältnis zu den ursprünglichen Bestimmungen.<br />

Am 12. Oktober 2006 wurde der Text durch das Parlament in erster Lesung angenommen. Der Rat<br />

nahm den Vorschlag am 30. November 2006 an.<br />

Die neue Richtlinie hob mit Inkrafttreten am 12. Dezember 2007 die 1984-Richtlinie und all ihre<br />

Änderungen auf.<br />

2006/114/EG (Richtlinie) vom 12.12.2006, Amtsblatt der EG Nr. L 376/21 vom 27.12.2006<br />

233<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Richtlinie über Unterlassungsklagen<br />

Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über<br />

Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

234<br />

Die Richtlinie 2009/22/EG stellt die kodifizierte Fassung der ursprünglichen Richtlinie 98/22/EG<br />

dar und fasst alle Änderungsrichtlinien zusammen.<br />

Mit dieser Richtlinie verfolgt die Kommission die Absicht, die gesetzlichen, verordnungs- und verwaltungsrechtlichen<br />

Bestimmungen bezüglich bestimmter Klage- und Beschwerdeverfahren zur<br />

Sicherstellung des Schutzes der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher in Europa zu koordinieren.<br />

Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist auf Verstöße gegen nationale Regeln beschränkt, mit<br />

denen die im Anhang des Richtlinienvorschlages aufgezählten Richtlinien in nationales Recht<br />

umgesetzt werden. Dies gilt z. B. für die Richtlinie über irreführende Werbung, die Verbraucherkredit-Richtlinie,<br />

die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und die (allgemeine)<br />

Fernabsatz-Richtlinie.<br />

Jede Verletzung nationaler Bestimmungen, mit der diese Richtlinien umgesetzt werden, kann<br />

Gegenst<strong>and</strong> einer Unterlassungsklage sein. Die Unterlassungsklage ist dabei bestimmten „qualifizierten<br />

Einrichtungen“ vorbehalten. Diese Einrichtungen können grundsätzlich auch jenseits der<br />

Grenzen tätig werden. Allerdings bedarf es einer Liste der Einrichtungen auf nationaler Ebene, die<br />

zur Erhebung einer Unterlassungsklage befugt sind.<br />

Im Hinblick auf die im EG-Vertrag verankerten Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit<br />

bestehen Zweifel, ob die Richtlinie überhaupt bzw. in der vorliegenden Fassung erforderlich<br />

ist.<br />

Bereits heute steht den Verbrauchern bzw. den sie vertretenden Verbänden der Rechtsweg nach<br />

§ 13 AGBG und nach § 13 UWG offen. Für die Klagebefugnis ist allein die Rechtsfähigkeit des<br />

Klägers entscheidend. Diese richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem der Verb<strong>and</strong> seinen<br />

Sitz hat.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der Rat verabschiedete die Ausgangsrichtlinie am 19. Mai 1998.<br />

Die Richtlinie wurde in Deutschl<strong>and</strong> durch das „Gesetz über Fernabsatzverträge und <strong>and</strong>ere Fragen<br />

des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro“ umgesetzt. Das Gesetz<br />

trat zum 1. Juni 2000 in Kraft.<br />

In einer Mitteilung der Kommission vom 8. März 2008 zu Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie sind die<br />

Einrichtungen aufgelistet, die von den Mitgliedstaaten für berechtigt erklärt worden sind, eine<br />

Unterlassungsklage im Sinne des Artikels 2 dieser Richtlinie zu erheben.<br />

Da die Richtlinie mehrfach und erheblich geändert wurde, wurde sie aus Gründen der Klarheit und<br />

Übersichtlichkeit kodifiziert. Am 23. April 2009 wurde eine kodifizierte Fassung der Richtlinie verabschiedet.<br />

Die Richtlinie trat am 29. Dezember 2009 in Kraft und hob die Richtlinie 98/27/EG auf.<br />

2009/22/EG (Richtlinie) vom 23.04.2009, Amtsblatt der EG Nr. L 110/30 vom 01.05.2009<br />

Aufgehoben: 98/27/EG (Richtlinie) vom 19.05.1998, Amtsblatt der EG Nr. L 166/51 vom 11.06.1998<br />

235<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Allgemeine Fernabsatz-Richtlinie<br />

Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den<br />

Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

236<br />

Ziel der Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten<br />

über die zwischen Verbrauchern und Anbietern abgeschlossenen Verträge und vorbereitenden<br />

Maßnahmen im Fernabsatz bei entsprechender vorheriger Aufforderung zum Vertragsabschluss.<br />

Die Regelungen beziehen sich auf Rechtsgeschäfte, bei denen sich der Konsument und der Leistungserbringer<br />

an verschiedenen Orten befinden und den Vertragsabschluss mittels Fernkommunikationsmitteln,<br />

z. B. über Brief, Telefon, Telefax, E-Mail, Internet oder Videotext vornehmen.<br />

Nicht unter die Richtlinie fallen Vereinbarungen, Bestellungen oder Abwicklungsmaßnahmen, die<br />

im Rahmen eines bereits bestehenden Rahmen- oder Gesamtvertrages getätigt werden.<br />

Die Richtlinie verfolgt folgende Ziele:<br />

■ Herstellung von Rechtssicherheit für den Verbraucher;<br />

■ Sicherung des Rechts auf Wahlfreiheit für den Verbraucher und<br />

■ Rückerstattung bereits geleisteter Beträge an den Verbraucher im Falle der Nichterfüllung des<br />

Vertrags.<br />

Die Regelungen finden vor allem auf den Vers<strong>and</strong>h<strong>and</strong>el sowie auf weitere mediale Formen des<br />

Fernabsatzes Anwendung. Sie verpflichten die Anbieter dieser Leistungen, den Verbrauchern<br />

bestimmte Mindestinformationen über Beschwerdemöglichkeiten und Rechtsbehelfe zu erteilen.<br />

Die Richtlinie sieht vor, dass der Verbraucher einen Vertrag widerrufen kann, weil ihm die Möglichkeit<br />

fehlt, zum Zeitpunkt der Aufforderung das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaft der Dienstleistung<br />

im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Finanzdienstleistungen, die ursprünglich miteinbezogen<br />

waren, wurden durch eine „nicht erschöpfende Liste“ generell vom Anwendungsbereich der<br />

Richtlinie ausgenommen. Der aus der Richtlinie ausdrücklich ausgeklammerte Fernverkauf von<br />

Finanzdienstleistungen ist in einer gesonderten Richtlinie geregelt (siehe hierzu D.I.9.).<br />

Das deutsche Kreditgewerbe begrüßt die Ausnahme von Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich<br />

der Richtlinie. Allerdings werden diese in der am 26. Juni 2002 verabschiedeten<br />

Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen reguliert.<br />

Insbesondere Transaktionen mit Wertpapieren und <strong>and</strong>eren Dienstleistungen, deren Preise an die<br />

Fluktuation von Finanzmarktkursen gebunden sind, können nicht mit <strong>and</strong>eren Distanzgeschäften,<br />

z. B. über Waren, gleichgestellt werden, da Kreditinstitute keinen Einfluss auf die Kurse haben.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Europäische Kommission legte am 21. Mai 1992 den Vorschlag für eine Richtlinie vor.<br />

Nach Einigung im Vermittlungsausschuss f<strong>and</strong> der Kompromiss im Europäischen Parlament am<br />

16. Januar 1997 und im Ministerrat am 20. Januar 1997 Zustimmung. Die Richtlinie ist am 20. Mai<br />

1997 in Kraft getreten.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> ist die Richtlinie durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und <strong>and</strong>ere Fragen des<br />

Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro umgesetzt worden. Das Gesetz<br />

ist zum 1. Juni 2000 in Kraft getreten.<br />

Die Kommission hat in der Mitteilung zur verbraucherpolitischen Strategie 2002–2006 angekündigt,<br />

einen Bericht über die Richtlinie vorzulegen und gegebenenfalls einen Vorschlag für eventuell<br />

als notwendig angesehene Änderungen vorzulegen. Ein Bericht über die Richtlinie sollte bereits<br />

2004 veröffentlicht werden.<br />

Am 8. Oktober 2008 legte die Kommission einen Richtlinienvorschlag über Rechte der Verbraucher<br />

vor, in dem sie vier Richtlinien, darunter die Fernabsatzrichtlinie, in einem einzigen Rechtsinstrument<br />

zusammenfassen möchte. Die Verbraucherrechterichtlinie wurde am 25. Oktober 2011 angenommen<br />

und soll bis 13. Dezember 2013 in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Die Fernabsatz-Richtlinie<br />

wird am 13. Juni 2014 aufgehoben.<br />

97/7/EG (Richtlinie) vom 20.05.1997, Amtsblatt der EG Nr. L 144/19 vom 04.06.1997<br />

2002/65/EG (Richtlinie) vom 23.09.2002, Amtsblatt der EG Nr. L 271/16 vom 09.10.2002<br />

2005/29/EG (Richtlinie) 11.05.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 149/22 vom 11.06.2005<br />

2007/64/EG (Richtlinie) vom 13.11.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 319/1 vom 05.12.2007<br />

237<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. Richtlinie elektronischer Geschäftsverkehr<br />

Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über<br />

bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des<br />

elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen<br />

Geschäftsverkehr“)<br />

Inhalt<br />

238<br />

Ziel der Richtlinie ist, die durch die insbesondere im Internet aufkommende, starke Verbreitung von<br />

Anbietern elektronischer Dienstleistungen entst<strong>and</strong>enen rechtlichen Unklarheiten und hieraus<br />

resultierenden Hindernisse für den Binnenmarkt zu beseitigen. Juristische Hemmnisse, welche die<br />

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für Anbieter elektronischen H<strong>and</strong>els einschränken,<br />

sollen mit der Richtlinie beseitigt werden. Um eine „Fragmentierung“ des Binnenmarktes zu vermeiden,<br />

soll die Richtlinie vor allem die Kompatibilität der unterschiedlichen nationalen Regulierungsansätze<br />

sicherstellen.<br />

Die Richtlinie trifft Regelungen in folgenden Bereichen:<br />

■ Bestimmung des Ortes, an dem eine Dienstleistung angeboten wird;<br />

■ kommerzielle Kommunikation;<br />

■ auf elektronischem Wege geschlossene Verträge;<br />

■ Verantwortlichkeit der Vermittler;<br />

■ Mechanismen der Streitbeilegung;<br />

■ Bestimmung der zuständigen nationalen Behörden.<br />

Die Richtlinie geht davon aus, dass der Anbieter eines „Informationsdienstes“ seine Tätigkeit ohne<br />

vorherige Genehmigung ausüben darf, die sich speziell auf den Informationsdienst bezieht. Anderweitige<br />

Genehmigungserfordernisse (Gewerbe, etc.) bleiben hiervon unberührt. In der Richtlinie<br />

sind zahlreiche Informationen aufgeführt, die den Empfängern elektronischer Dienstleistungen<br />

sowie den zuständigen Behörden geliefert werden müssen, so z. B. die Anschrift des Anbieters und<br />

die Möglichkeiten, unmittelbar mit ihm in Verbindung treten zu können. Ein weiterer, in der Richtlinie<br />

geregelter Bereich ist die Beh<strong>and</strong>lung von auf elektronischem Wege abgeschlossenen Verträgen.<br />

Die Mitgliedstaaten haben z. B. dafür Sorge zu tragen, dass der Vertragsschluss auf elektronischem<br />

Wege ermöglicht wird. Ausnahmen gelten z. B. für Verträge, die einer notariellen<br />

Beurkundung bedürfen.<br />

Der Anbieter soll verpflichtet werden, das Zust<strong>and</strong>ekommen eines Vertrages auf elektronischem<br />

Wege vor Vertragsschluss klar und verständlich zu erläutern. Insbesondere muss der Anbieter über<br />

die verschiedenen Schritte des Zust<strong>and</strong>ekommens eines Vertrages, den Zeitpunkt, zu dem der<br />

Vertrag abgeschlossen ist und ggf. die Möglichkeiten zur Korrektur von Fehlern bzw. Manipulationen<br />

informiert werden.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Die Richtlinie sieht überdies noch Regelungen zur Streitbeilegung, zur Schaffung von Verhaltenskodizes<br />

über die Umsetzung der Richtlinie, zur Zusammenarbeit der Behörden sowie der Verhängung<br />

von Bußgeldern vor.<br />

Der elektronische Geschäftsverkehr ist zweifelsohne ein wichtiges Geschäftsfeld für die Kreditwirtschaft,<br />

insbesondere im Bereich Homebanking. Die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für<br />

dieses wichtige Geschäftsfeld ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Es ist im Interesse aller Marktteilnehmer,<br />

dass das neue Geschäftsfeld in geordneten, sowohl die Interessen der Anbieter als<br />

auch die Interessen der Verbraucher berücksichtigenden Bahnen gestaltet wird. Denn schließlich<br />

ist der Erfolg am Markt nur dann möglich, wenn das Vertrauen der Verbraucher in die neuen<br />

Medien auf breiter Basis vorh<strong>and</strong>en ist. Die Richtlinie ist in engem Zusammenhang mit der Richtlinie<br />

über elektronische Signaturen sowie mit dem Richtlinienvorschlag über den Fernabsatz von<br />

Finanzdienstleistungen vom 14. Oktober 1998 zu sehen. Die Kommission hatte beabsichtigt, mit<br />

diesen drei Richtlinien bzw. Richtlinienvorhaben einen kompletten Regelungsrahmen für das<br />

„Nicht-Präsenz-Geschäft“, u. a. auch im Bankensektor (z. B. Online-Banking, Internet-Banking,<br />

Telefon-Banking) zu schaffen.<br />

Aus Sicht der öffentlichen Banken wäre es besonders wichtig gewesen, dass die drei oben<br />

genannten europäischen Richtlinien möglichst gleichzeitig und koordiniert verabschiedet worden<br />

wären, damit sich aus möglicherweise widersprüchlichen Regulierungen keine Erschwernisse für<br />

die Praxis der Institute ergeben. Leider ist dies nicht gelungen, und die am 26. Juni 2002 vom<br />

Europäischen Rat verabschiedete Richtlinie zum Fernabsatz von Finanzdienstleistungen widerspricht<br />

der E-Commerce-Richtlinie sogar in einzelnen Punkten, so z. B. im Bereich der vorvertraglichen<br />

Informationspflichten, denn die Mitgliedstaaten können strengere Regelungen als die EU-<br />

Richtlinie erlassen. Dadurch dürfte der elektronische Geschäftsverkehr für den Bereich<br />

Finanzdienstleistungen in Europa eher behindert als gefördert werden.<br />

Grundsätzlich begrüßenswert ist der Ansatz einer Minimalharmonisierung in der E-Commerce-<br />

Richtlinie. Hiermit folgt die Richtlinie ihrem in den Erwägungsgründen zum Ausdruck gebrachten<br />

Bestreben, keine Regelungen zu treffen, die den gegenwärtig im Entstehen befindlichen, elektronischen<br />

H<strong>and</strong>el mehr als unbedingt notwendig behindern. Problematisch dürfte allerdings die beim<br />

elektronischen H<strong>and</strong>el typischerweise grenzüberschreitende, also auch Drittstaaten erfassende<br />

Dimension sein. Denn für außerhalb der Europäischen Union ansässige Anbieter gilt die Richtlinie<br />

nicht. Um hieraus möglicherweise resultierende Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, sollte<br />

auf internationaler Ebene, z. B. im Rahmen der OECD, versucht werden, die der Richtlinie innewohnenden<br />

Regulierungsziele auch dort zu verankern.<br />

239<br />

D


D<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

240<br />

Ende September 1998 erarbeitete die Kommission einen ersten internen Vorentwurf für einen<br />

Richtlinienvorschlag über den elektronischen H<strong>and</strong>el. Am 18. November 1998 nahm die Kommission<br />

den Richtlinienvorschlag an. Das Europäische Parlament beschloss am 5. Mai 1999 einige<br />

Verschärfungen, z. B. bei der Provider-Haftung.<br />

Den Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt hat der Rat am 1. März 2000 angenommen. Am 4. Mai 2000 hat das<br />

Parlament die Richtlinie in zweiter Lesung ohne Gegenstimmen angenommen. Die Richtlinie trat<br />

mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt am 17. Juli 2000 in Kraft. Die Mitgliedstaaten hatten bis<br />

zum 17. Januar 2002 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschl<strong>and</strong> ist die<br />

Richtlinie durch das Elektronische Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG), das am 21. Dezember 2001 in<br />

Kraft getreten ist, umgesetzt worden.<br />

Am 21. November 2003 hat die Kommission einen Bericht über die Umsetzung und Anwendung der<br />

Richtlinie vorgelegt. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Richtlinie einen positiven<br />

und substantiellen Effekt auf den elektronischen Geschäftsverkehr habe.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2000/31/EG (Richtlinie) vom 08.06.2000, Amtsblatt der EG Nr. L 178/1 vom 17.07.2000<br />

241<br />

D


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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

6. Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen<br />

Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002<br />

über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien<br />

90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG<br />

Inhalt<br />

242<br />

Ziel des ursprünglichen Richtlinienvorhabens der Kommission aus dem Jahr 1998 war die Vollharmonisierung<br />

der Vorschriften über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen. Im Europäischen<br />

Rat konnte man sich in über zweijährigen Beratungen nicht auf eine Vollharmonisierung verständigen,<br />

so dass die Richtlinie nur noch eine Mischung aus Minimal- und Vollharmonisierung vorsieht.<br />

Die Richtlinie beinhaltet Regelungen über die Vermarktung im Fernabsatz, nimmt jedoch keine<br />

Harmonisierung der Finanzdienstleistungen selbst vor.<br />

Die Richtlinie sieht Folgendes vor:<br />

■ Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich auf alle zwischen einem Anbieter und<br />

einem Verbraucher im Fernabsatz geschlossene Verträge über Finanzdienstleistungen.<br />

■ Der Verbraucher muss vor Abschluss des Vertrages bzw. Abgabe eines verbindlichen Angebots<br />

auf Papier oder einem dauerhaften Datenträger bestimmte vorvertragliche Informationen vom<br />

Anbieter der Finanzdienstleistung erhalten. Dazu gehören Informationen über den Darlehensgeber,<br />

die Finanzdienstleistung selbst sowie Beschwerdemöglichkeiten.<br />

■ Zusätzliche vorvertragliche Informationspflichten aus <strong>and</strong>eren EU-Regelungen bleiben weiterhin<br />

anwendbar.<br />

■ Die Mitgliedstaaten können strengere Regelungen über vorvertragliche Informationspflichten<br />

anwenden, wenn diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und der Kommission<br />

gemeldet werden.<br />

■ Dem Verbraucher wird ein Rücktrittsrecht von 14 Kalendertagen (bei Lebensversicherungen<br />

und Alterspensionen bis zu 30 Tagen) eingeräumt. Das Rücktrittsrecht beginnt mit der Informierung<br />

des Verbrauchers über den Abschluss des Fernvertrages, oder ab Eingang der Vertragsbedingungen<br />

und der vorvertraglichen Informationen, wenn dies später als die Information über<br />

den Vertrag erfolgt. Innerhalb dieser Frist kann der Verbraucher ohne Angabe von Gründen und<br />

ohne Entschädigung widerrufen.<br />

■ Die Mitgliedstaaten können das Rücktrittsrecht bei Verträgen über den Erwerb und den Erhalt<br />

von Grundstücken sowie bei Hypothekarkreditverträgen und Notarverträgen ausschließen.<br />

■ Ausgeschlossen ist das Rücktrittsrecht bei Verträgen über Finanzdienstleistungen, die im<br />

Anhang der Richtlinie näher bezeichnet sind und deren Preise Marktschwankungen unterliegen.<br />

■ Im Rücktrittsfall kann der Verbraucher nur dazu verpflichtet werden, dem Anbieter den Preis für<br />

bereits in Anspruch genommene Finanzdienstleistung zu bezahlen, wobei die Vertragsleistung<br />

nur mit Zustimmung des Verbrauchers erbracht werden darf.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

■ Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass bei Zahlungen, die durch eine betrügerische<br />

Nutzung der Zahlungskarte des Verbrauchers bei einem Fernabsatzvertrag erfolgen, die Zahlung<br />

storniert oder der Betrag wieder dem Kunden gutgeschrieben wird.<br />

■ Verbraucher können nicht auf die ihnen durch die Richtlinie eingeräumten Rechte verzichten.<br />

■ Sofern ein Vertrag im Fernabsatz unter Verstoß gegen die dem Anbieter obliegenden Informationspflichten<br />

oder auf Grund vom Verbraucher unerwünschter Kommunikationsmittel zu St<strong>and</strong>e<br />

kommt, hat der Verbraucher jederzeit und ohne Einhaltung einer Frist das Recht, sich aus dem<br />

Vertrag zurückzuziehen. Außerdem kann er vom Anbieter Schadensersatz verlangen.<br />

■ Bei dem Gebrauch von automatischen Telefonsystemen ohne menschliche Interventionsmöglichkeit<br />

und Telefax-Geräten muss eine vorherige Einwilligung des Kunden vorliegen. Bei individueller,<br />

aber unerbetener Kommunikation müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass<br />

diese entweder nur bei Zustimmung durch den Verbraucher zulässig sind oder nur dann nicht<br />

zulässig sind, wenn der Verbraucher seine Ablehnung manifestiert.<br />

■ Die Beweislast für die Lieferung von vertraglichen und vorvertraglichen Informationen können<br />

die Mitgliedstaaten dem Anbieter auferlegen. Eine Bestimmung derart, dass der Verbraucher<br />

die Beweislast für die vom Anbieter zu liefernden Informationen trägt, ist eine missbräuchliche<br />

Klausel im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG.<br />

Die Richtlinie verfehlt das Ziel der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen.<br />

Insbesondere Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie, wonach nationale Regelungen der Mitgliedstaaten<br />

über die Anforderungen an eine vorherige Auskunftserteilung eingeführt oder aufrechterhalten<br />

werden können, sorgt dafür, dass auch weiterhin beim grenzüberschreitenden<br />

Fernabsatz in der EU das nationale Recht Anwendung finden kann. Anbieter von Finanzdienstleistungen<br />

in der EU müssen weiterhin unterschiedliche Rechtsordnungen beachten. Zudem sorgen<br />

Unstimmigkeiten in der Richtlinie selbst über die Beh<strong>and</strong>lung von Vermittlern sowie Umfang und<br />

Beginn des Widerrufsrechts für Unsicherheit. Aufgrund dessen dürfte die Richtlinie sogar negative<br />

Auswirkungen auf den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen haben.<br />

Die Richtlinie wird zu erheblichem Mehraufw<strong>and</strong> bei der Kreditwirtschaft führen. Aufgrund des<br />

weiten Anwendungsbereiches, der alle Arten von Finanzdienstleistungen erfasst, und der umfangreichen<br />

vorvertraglichen und vertraglichen Informationspflichten sowie des Widerrufsrechts wird<br />

der Vertragsabschluss im Fernabsatz sowohl für Kreditinstitute als auch für den Verbraucher erheblich<br />

erschwert.<br />

Besonders problematisch aus Sicht der Kreditwirtschaft ist, dass nicht nur bei fehlender Widerrufsbelehrung,<br />

sondern auch bei nicht vollständiger Erfüllung der Informationspflichten die Frist für<br />

das Widerrufsrecht nicht zu laufen beginnt. Das Fehlen eines Endzeitpunktes für das Erlöschen des<br />

Widerrufsrechts führt dazu, dass ein Vertrag im Fernabsatz über Jahre hinweg – bis zu seiner<br />

vollständigen Erfüllung – mit dem Risiko des Widerrufs und der Rückabwicklung belastet ist. Es<br />

besteht die Gefahr, dass diese Rechtsunsicherheit dazu führt, dass Fernabsatzverträge allgemein<br />

als zu risikobelastet eingestuft werden.<br />

243<br />

D


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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

244<br />

Am 19. Juli 1999 nahm die Kommission einen Richtlinienvorschlag an, der bereits eine Revision<br />

des ursprünglichen Vorschlags von 1998 darstellte.<br />

Der gemeinsame St<strong>and</strong>punkt des Rates wurde am 19. Dezember 2001 angenommen. Am 14. Mai<br />

2002 billigte das Europäische Parlament den gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt des Rates mit zwei geringfügigen<br />

Änderungen. Der Europäische Rat verabschiedete die Richtlinie am 26. Juni 2002.<br />

Die Richtlinie ist mit dem Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EG am 9. Oktober 2002 in<br />

Kraft getreten. Die Richtlinie ist in Deutschl<strong>and</strong> durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften<br />

über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen umgesetzt worden. Das Gesetz ist am<br />

8. Dezember 2004 in Kraft getreten.<br />

2006 hat die Kommission eine Analyse über die Auswirkungen der Richtlinie auf den Abschluss<br />

von grenzübergreifenden Finanzdienstleistungsverträgen in Auftrag gegeben. Ferner hat sie am<br />

6. April 2006 eine Mitteilung zur Überprüfung der Richtlinie verabschiedet. Die Kommission stellt<br />

fest, dass aufgrund der späten Umsetzung der Richtlinie durch viele Mitgliedstaaten ein Bericht<br />

nicht erstellt werden konnte.<br />

Die Kommission hat 2008 zwei Studien zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten der<br />

Richtlinie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Herbst 2008 vorgelegt wurden. Am 20. November<br />

2009 legte die Kommission eine Mitteilung vor, in der festgestellt wird, dass sich der Binnenmarkt<br />

für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen kaum entwickelt habe. Es gäbe allerdings<br />

keine Hinweise, dass dies auf eine schlechte oder unterschiedliche Umsetzung der Richtlinie in<br />

den Mitgliedstaaten zurückzuführen sei. Sprache und kulturelle Präferenzen werden als Hindernisse<br />

für den Binnenmarkt anerkannt.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2002/65/EG (Richtlinie) vom 23.09.2002, Amtsblatt der EG Nr. L 271/16 vom 09.10.2002<br />

2005/29/EG (Richtlinie) vom 11.05.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 149/22 vom 11.06.2005<br />

2007/64/EG (Richtlinie) vom 13.11.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 319/1 vom 05.12.2007<br />

Berichtigung, Amtsblatt der EU Nr. L 253/18 vom 25.09.2009<br />

245<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

7. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken<br />

Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über<br />

unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt<br />

und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und<br />

2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr.<br />

2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken)<br />

Inhalt<br />

246<br />

Mit der Richtlinie sollen die existierenden nationalen, stark divergierenden Vorschriften durch ein<br />

EU-weites Regelwerk ersetzt und ein einheitlich hohes Verbraucherschutzniveau geschaffen werden.<br />

Geschützt werden durch die Richtlinie ausschließlich die Verbraucher, nicht jedoch die im<br />

Wettbewerb stehenden Unternehmen.<br />

Die Richtlinie sieht Folgendes vor:<br />

■ Geschäftspraktiken sind jede unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung<br />

eines Projekts an Verbraucher zusammenhängende H<strong>and</strong>lung, Unterlassung, Verhaltensweise<br />

oder Erklärung und kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing<br />

eines Gewerbetreibenden.<br />

■ Nach der Generalklausel sind Geschäftspraktiken unlauter, die der beruflichen Sorgfaltspflicht<br />

widersprechen und das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittverbrauchers beeinträchtigen.<br />

■ Die Richtlinie stützt sich ferner auf zwei Kategorien von unlauteren Geschäftspraktiken: irreführende<br />

und aggressive. Irreführend kann eine Geschäftspraxis sein, wenn ein Unternehmer<br />

wesentliche Informationen dem Verbraucher vorenthält, die er für eine fundierte Entscheidung<br />

benötigte.<br />

■ Vertragliche Ansprüche sollen nicht berührt werden.<br />

■ Die Richtlinie soll nur zur Anwendung kommen, wenn es keine spezifischen, gemeinschaftsrechtlichen<br />

Regelungen zu unlauteren Geschäftspraktiken gibt oder nur Teilaspekte geregelt<br />

sind. Demnach haben zum Beispiel Spezialvorschriften zum Inhalt von Informationspflichten<br />

über Finanzdienstleistungsprodukte Vorrang.<br />

■ Anspruchsgrundlagen auf Ersatz des durch unlautere Geschäftspraktiken entst<strong>and</strong>enen Schadens<br />

für Verbraucher gibt es nicht.<br />

■ Die Mitgliedstaaten legen verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen fest, die bei Verstößen<br />

gegen die in nationales Recht umgesetzten Bestimmungen Anwendung finden.<br />

■ Den Mitgliedstaaten ist es untersagt, strengere Regelungen zu erlassen. Die Mitgliedstaaten<br />

können jedoch für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 Vorschriften beibehalten,<br />

die strenger sind als diese Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden,<br />

die eine Mindestangleichung enthalten. Im Bereich der Finanzdienstleistungen und Immobilien<br />

lässt die Richtlinie jedoch das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, zum Schutz der<br />

wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher restriktivere Bestimmungen zu erlassen.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Aus deutscher Sicht stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Regelung unlauterer Geschäftspraktiken.<br />

Im Gegensatz zur Richtlinie sind im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht<br />

nur Verbraucher, sondern auch im Wettbewerb stehende Unternehmen geschützt. Die Bekämpfung<br />

unlauteren Wettbewerbs ist jedoch in erster Linie eine Angelegenheit des Schutzes von Wettbewerbern,<br />

so dass die Ausklammerung der Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen nicht sinnvoll ist.<br />

Aufgrund der unbestimmten Rechtsbegriffe besteht die Gefahr einer unterschiedlichen Auslegung<br />

und Anwendung der Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten, so dass das Ziel einer Angleichung<br />

der nationalen Vorschriften verfehlt würde. Für die Wirtschaft würde sich damit die Rechtsunsicherheit<br />

erhöhen.<br />

Schwierigkeiten bereitet darüber hinaus das vorgesehene Verbot „aggressiver“ und „irreführender“<br />

Geschäftspraktiken. Die durch die Rechtsprechung entwickelte Kasuistik zum UWG ist erheblich<br />

differenzierter ausgestaltet. Schließlich bestehen auch erhebliche Bedenken zu den vorgesehenen<br />

Informationspflichten für Unternehmer. Insbesondere die Qualifizierung der Vorenthaltung<br />

„wesentlicher Informationen“ als irreführende und damit unzulässige Werbung erscheint im<br />

Zusammenhang mit den sektorspezifischen Richtlinien im Bereich des Verbraucherschutzes (bspw.<br />

Verbraucherkredit-Richtlinie, Fernabsatz-Richtlinie) und den dort vorgesehenen Informationsanforderungen<br />

problematisch.<br />

Positiv zu bewerten ist, dass entgegen früheren Absichten Individualansprüche auf Schadenersatz<br />

in der Richtlinie nicht aufgenommen worden sind.<br />

Verfahren<br />

Am 18. Juni 2003 verabschiedete die Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie über unlautere<br />

Geschäftspraktiken.<br />

Das Europäische Parlament hat die 1. Lesung am 20. April 2004 abgeschlossen.<br />

Der Ministerrat erzielte am 17. Mai 2004 eine politische Einigung. Der gemeinsame St<strong>and</strong>punkt<br />

wurde am 15. November 2004 verabschiedet. Am 11. Mai 2005 wurde die Richtlinie angenommen.<br />

Die Mitgliedstaaten sollten die Richtlinie bis zum 12. Juni 2007 umsetzen. Die Vorschriften sollten<br />

ab dem 12. Dezember 2007 angewendet werden.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) entsprechend geändert<br />

worden. Das Gesetz ist am 30. Dezember 2008 in Kraft getreten.<br />

Am 3. Dezember 2009 hat die Europäische Kommission Leitlinien über die Umsetzung und Anwendung<br />

der Richtlinie veröffentlicht. Unter dem Abschnitt über Finanzdienstleistungen werden Beispiele<br />

aufgelistet, die als unlautere Praktik eingestuft werden können wie etwa irreführende oder<br />

nicht transparente Informationen, versteckte Gebühren und Hindernisse für den Kontenwechsel.<br />

Die Kommission überprüft derzeit die Anwendung der Richtlinie. Die Veröffentlichung eines<br />

Berichts hierüber ist für Herbst 2012 geplant.<br />

Referenz<br />

2005/29/EG (Richtlinie) vom 11.05.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 149/22 vom 11.06.2005<br />

247<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

8. Verbraucherkreditrichtlinie<br />

Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie<br />

87/102/EWG des Rates<br />

Inhalt<br />

248<br />

Die Richtlinie verfolgt das Ziel einer Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

von Verbraucherkreditverträgen. Mit der Richtlinie sollen wie bisher die Voraussetzungen<br />

für einen Binnenmarkt geschaffen und ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet<br />

werden. Nach Ansicht der Kommission hat sich der Binnenmarkt für Verbraucherkredite<br />

unzureichend entwickelt, weil das unterschiedliche Verbraucherschutzniveau in den Mitgliedstaaten<br />

zu Wettbewerbsverzerrungen geführt und die Möglichkeiten für Verbraucher eingeschränkt<br />

habe, in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten Kredite aufzunehmen. Darüber hinaus habe der Verbraucherkredit<br />

einen tief greifenden Bedeutungsw<strong>and</strong>el erfahren. Ferner seien neue Finanzierungsinstrumente<br />

entwickelt worden.<br />

Die Richtlinie sieht Folgendes vor:<br />

■ Die Richtlinie gilt für Kreditverträge. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind grundpf<strong>and</strong>rechtlich<br />

gesicherte Immobiliendarlehen, Kredite von weniger als EUR 200 und mehr als<br />

EUR 75.000, Kreditverträge, die die kostenfreie Stundung einer bestehenden Forderung zum<br />

Gegenst<strong>and</strong> haben, sowie sog. Förderkredite. Grundpf<strong>and</strong>rechtlich nicht gesicherte Renovierungs-<br />

und Modernisierungsdarlehen unterliegen jedoch der Richtlinie. Überziehungskredite<br />

sind vom Anwendungsbereich partiell ausgeschlossen und unterliegen den Vorschriften in<br />

eingeschränkter Form („vereinfachtes Regime“).<br />

■ Dem Kreditgeber obliegen zwecks Beurteilung der Bonität des Verbrauchers umfangreiche und<br />

detaillierte Informationspflichten. Der Richtlinienvorschlag beinhaltet vier verschiedene Arten<br />

von Informations- und Beratungspflichten (St<strong>and</strong>ardinformationen in der Werbung, vorvertragliche<br />

Informationen, zwingende Angaben in Kreditverträgen, spezifische vorvertragliche Informationen<br />

für Überziehungskredite).<br />

■ Artikel 5 Absatz 6 sieht eine Beratungspflicht des Kreditgebers vor, die ihn verpflichtet, dem<br />

Verbraucher angemessene Erläuterungen zum angebotenen Kreditvertrag zu geben, damit der<br />

Verbraucher beurteilen kann, ob der Vertrag seinen Bedürfnissen und seiner finanziellen Situation<br />

gerecht wird.<br />

■ Die Richtlinie beinhaltet das Prinzip der „verantwortungsvollen Kreditvergabe“ (Artikel 8).<br />

Demnach muss der Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers anh<strong>and</strong> ausreichender<br />

Informationen bewerten.<br />

■ Grundlage für die Berechnung des effektiven Jahreszinses sind die Gesamtkosten des Kredits,<br />

die in Artikel 3 (g) definiert sind. Bei den Drittkosten (z. B. Steuern) sind lediglich Notarkosten<br />

ausgenommen. Versicherungsprämien sind zu berücksichtigen, wenn der Abschluss einer Versicherung<br />

Voraussetzung für die Kreditgewährung ist.<br />

■ Eine vorzeitige Rückzahlung der Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag ist jederzeit möglich.<br />

Der Kreditgeber hat einen Anspruch auf eine pauschalierte Vorfälligkeitsentschädigung<br />

(1 % des zurückgezahlten Kreditbetrags bzw. 0,5 % bei Rückzahlung im letzten Jahr). Die Mit-


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

gliedstaaten können Entschädigungen ganz ausschließen, wenn der Rückzahlungsbetrag einen<br />

von ihnen festzulegenden Schwellenwert (max. EUR 10.000) unterschreitet. Die Mitgliedstaaten<br />

können vorsehen, dass Kreditgeber ausnahmsweise eine höhere Entschädigung verlangen<br />

können.<br />

■ Der Kreditnehmer kann den Kreditvertrag innerhalb von 14 Kalendertagen ohne Angabe von<br />

Gründen widerrufen. Die Richtlinie sieht weder ein europaweit einheitliches Muster für die<br />

Widerrufsbelehrung noch eine Frist zur zeitlichen Begrenzung des Widerrufsrechts vor.<br />

■ Die Richtlinie sieht die Harmonisierung (Artikel 22) von fünf wesentlichen Elementen vor: vorvertragliche<br />

und vertragliche Informationspflichten, Widerrufsrecht, vorzeitige Rückzahlung<br />

und Effektivzinssatz. Soweit die Richtlinie keine Harmonisierung vorsieht, dürfen die Mitgliedstaaten<br />

abweichende innerstaatliche Bestimmungen beibehalten oder einführen (z. B. Kredite<br />

unter EUR 200 oder über EUR 75.000).<br />

Die nach mehr als fünf Jahren verabschiedete Richtlinie ist im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag<br />

der Kommission vom September 2002 eine Verbesserung. Dennoch enthält die Verbraucherkreditrichtlinie<br />

weiterhin Elemente, die weder das grenzüberschreitende Kreditgeschäft ankurbeln<br />

noch die unbürokratische Vergabe von Verbraucherkrediten erleichtern.<br />

Mit Blick auf die Prinzipien der besseren Rechtsetzung ist die Verbraucherkreditrichtlinie eines der<br />

schlechtesten Beispiele. Es hat weder eine geordnete Konsultation der Marktteilnehmer stattgefunden<br />

noch sind Auswirkungsstudien durchgeführt worden. Die Kommission und der Rat haben<br />

die vom Parlament in Auftrag gegebene Studie nicht berücksichtigt. Erstaunlicherweise hat jedoch<br />

die Kommission unmittelbar nach Verabschiedung der Richtlinie eine Studie in Auftrag gegeben,<br />

um zu ermitteln, ob die neue Richtlinie ihre Ziele erreichen wird.<br />

Positiv zu bewerten ist die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie, insbesondere<br />

die Ausnahme von grundpf<strong>and</strong>rechtlich gesicherten Krediten. Aus Sicht der öffentlichen Banken ist<br />

v. a. zu begrüßen, dass Förderkredite – wie beispielsweise das Meister- oder Studenten-BaFöG –<br />

vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Dies entspricht den Interessen der Fördernehmer<br />

und den übergeordneten wirtschafts- und ausbildungspolitischen Zielen.<br />

Die Einführung umfassender Informations- und Aufklärungspflichten, die sich über mehrere Seiten<br />

erstrecken, und des Prinzips der verantwortungsvollen Kreditvergabe führt zu einem zusätzlichen<br />

Bearbeitungsaufw<strong>and</strong>. Insbesondere das st<strong>and</strong>ardisierte Informationsblatt enthält zu umfangreiche<br />

Information und wird den Bedürfnissen der Verbraucher nicht gerecht. Die Verpflichtung, den<br />

Kreditvertrag zu erläutern, ist problematisch, weil sie im Zweifel auf eine allgemeine gesetzliche<br />

Beratungspflicht hinauslaufen könnte.<br />

Das von der Kommission für Überziehungskredite vorgeschlagene „vereinfachte Informationsregime“<br />

ist unangemessen. Der durch die verschiedenen Informationspflichten verursachte Aufw<strong>and</strong><br />

steht außer Verhältnis zum möglicherweise kurzfristigen Kreditbedarf auf Kontokorrentkonten bzw.<br />

zu der Kredithöhe.<br />

Auch wenn der Grundsatz der verantwortlichen Kreditvergabe entschärft wurde, wird weiterhin<br />

verkannt, dass Kreditinstitute bereits heute in ihrem eigenen Interesse und zur Erfüllung der bankaufsichtsrechtlichen<br />

Anforderungen die Bonität der Kreditnehmer sorgfältig prüfen.<br />

249<br />

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D<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

250<br />

Eine Pauschalierung der Vorfälligkeitsentschädigung ist problematisch, da sie in eine mögliche<br />

Hypothekarkreditrichtlinie aufgenommen werden könnte, um abweichende Regelungen für Verbraucherkredite<br />

einerseits und Hypothekarkredite <strong>and</strong>ererseits zu vermeiden. Grundsätzlich ist für<br />

den Fall einer vorzeitigen Rückzahlung eine Entschädigung zu zahlen, die der Bank den wirtschaftlichen<br />

Nachteil ersetzt, der aus der vorzeitigen Rückzahlung resultiert.<br />

Am 11. September 2002 verabschiedete die Kommission den Vorschlag für eine überarbeitete<br />

Verbraucherkreditrichtlinie.<br />

Das Europäische Parlament hat am 20. April 2004 einen Bericht verabschiedet, in dem zahlreiche<br />

Änderungen an dem Richtlinienvorschlag gefordert werden.<br />

Die Kommission legte am 28. Oktober 2004 einen überarbeiteten Richtlinienvorschlag vor. Da die<br />

Kommission die rechtlichen Bestimmungen des überarbeiteten Richtlinienvorschlags jedoch größtenteils<br />

nicht ausformuliert und Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments nur teilweise<br />

berücksichtigt hatte, legte sie am 7. Oktober 2005 einen wiederum geänderten Richtlinienvorschlag<br />

vor.<br />

Am 21. Mai 2007 konnte der Ministerrat eine politische Einigung über die Verbraucherkreditrichtlinie<br />

erzielen. Bis dahin waren vor allem die vorzeitige Rückzahlung und das Informations- und<br />

Beratungsregime umstritten. Für die vorvertraglichen Informationspflichten schlug die deutsche<br />

Präsidentschaft ein st<strong>and</strong>ardisiertes europäisches Verbraucherkredit-Informationsblatt vor. Der<br />

gemeinsame St<strong>and</strong>punkt wurde am 20. September 2007 angenommen. Das Europäische Parlament<br />

akzeptierte den gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt in 2. Lesung am 16. Januar 2008. Der Rat nahm<br />

die Richtlinie am 7. April 2008 an. Die neue Richtlinie hob die ursprüngliche Richtlinie aus dem<br />

Jahre 1987 (87/102/EWG) mit Wirkung vom 11. Juni 2010 auf. Die alte 1987-Richtlinie verfolgte<br />

den Zweck einen Mindestschutz für Verbraucher im Bereich des Verbraucherkredits einzuführen<br />

und sicherzustellen, dass Verbraucher über Kreditbedingungen, Kreditkosten und Verpflichtungen<br />

angemessen unterrichtet werden. Im Jahre 1990 war mit der Änderungsrichtlinie 90/88/EWG<br />

erstmals eine einheitliche Berechnungsmethode für den effektiven Jahreszins eingeführt worden.<br />

Mit der Änderungsrichtlinie aus dem Jahre 1998 (98/7/EG) folgte eine Berechnungsmethode, die<br />

die Vergleichbarkeit von Verbraucherkrediten gewährleisten sollte, so genannte „AIBD-Methode“.<br />

Der Deutsche Bundestag hat am 2. Juli 2009 das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie<br />

verabschiedet. Das Gesetz trat am 11. Juni 2010 in Kraft.<br />

Im Mai 2012 hat die Kommission Leitlinien über die Anwendung der Richlinie bezüglich von Kosten<br />

und des effektiven Jahreszinses (SWD(2012) 128 final) veröffentlicht.<br />

Anlässlich der Überprüfung einer möglichen Überarbeitung der Richtlinie gemäß Artikel 27 (2) hat<br />

die Kommission zwei Studien in Auftrag gegeben, die zum einen die Anwendung der Vorschriften<br />

zum <strong>and</strong>eren die Umsetzung von Ermessensspielräumen in den jeweiligen Mitgliedstaaten untersuchen<br />

sollen.<br />

Parallel hierzu arbeitet das Europäische Parlament an einem entsprechenden Initiativbericht.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2008/48/EG (Richtlinie) vom 23.04.2008, Amtsblatt der EG Nr. L 133/66 vom 22.05.2008<br />

Berichtigung, Amtsblatt der EU Nr. L 207/15 vom 11.08.2009<br />

251<br />

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D<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

1. Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge<br />

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge<br />

Inhalt<br />

252<br />

Der Richtlinienvorschlag über „Wohnimmobilienkreditverträge“ soll das Funktionieren des EU-<br />

Binnenmarktes durch die Angleichung von bestimmten Qualitätsst<strong>and</strong>ards bei der Kreditvergabe<br />

sowie durch Aufsichtsanforderungen an Kreditvermittler verbessern. Hierfür soll ein hohes Maß an<br />

Verbraucherschutz, Verbrauchervertrauen und Kundenmobilität gewährleistet werden. Nach den<br />

Erfahrungen aus der Finanzkrise soll insbesondere die allgemeine finanzielle Stabilität durch die<br />

Sicherstellung einer verantwortlichen Kreditvergabepraxis unterstützt werden.<br />

Im Anwendungsbereich zielt der Richtlinienvorschlag ausschließlich auf Hypothekarkredite ab, d.h.<br />

auf grundpf<strong>and</strong>rechtlich gesicherte und wohnwirtschaftliche Kredite einschließlich Renovierungskredite.<br />

Allerdings ist der Ausnahmenkatalog nicht an die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG<br />

angepasst. Insbesondere sind Förderkredite nicht ausgenommen.<br />

Der Richtlinienvorschlag sieht folgende Bestimmungen vor:<br />

■ Die Kreditvergabe soll „im besten Interesse“ des Verbrauchers erfolgen.<br />

■ Das Personal des Kreditgebers oder der Kreditvermittler muss bestimmte Kenntnis- und Kompetenzst<strong>and</strong>ards<br />

erfüllen.<br />

■ Bei der Werbung sind bestimmte St<strong>and</strong>ardinformationen vorgesehen sofern mit dem Zinssätzen<br />

geworben wird.<br />

■ Vor Vertragsschluss sollen individuell zugeschnittene Informationen in Form des Europäischen<br />

St<strong>and</strong>ard Informationsblatts (ESIS) erteilt werden, die dem Verbraucher Vergleiche von Angeboten<br />

ermöglichen sollen. Somit wird die Übergabe des ESIS, das bislang gemäß einer freiwilligen<br />

Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft praktiziert wurde, durch eine gesetzliche Vorschrift<br />

ersetzt. Der Inhalt des ESIS wurde im Richtlinienvorschlag geringfügig erweitert und<br />

umfasst zusätzlich, Risikowarnungen, Folgen der Vertragsverletzung, Hinweis auf ein etwaiges<br />

Widerrufsrecht und die Angabe einer externen Streitschlichtungsstelle.<br />

■ Der Kreditgeber hat darüber hinaus eine Erläuterungspflicht über den Kreditvertrag und die<br />

Nebenleistungen.<br />

■ Bei der Kreditvergabe hat das Kreditinstitut die Kreditwürdigkeit des Antragstellers zu überprüfen.<br />

Die Vorschrift wurde dem entsprechenden Artikel in der Verbraucherkreditrichtlinie nachempfunden.<br />

Neu sind allerdings folgende Punkte: (1) die Rückzahlungsfähigkeit muss für die<br />

gesamte Vertragslaufzeit beurteilt werden, (2) bei einem negativen Ausgang der Prüfung muss<br />

der Kredit zu verwehrt werden, (3) der Kreditgeber ist verpflichtet ungeeignete Produkte für den<br />

Verbraucher auszuschließen, und (4) die Kommission räumt sich eine Befugnis ein, die Kriterien<br />

der Kreditwürdigkeitsprüfung in einem delegierten Rechtsakt festzulegen.<br />

■ Es ist ein Recht auf vorzeitige Rückzahlbarkeit vorgesehen, welches Mitgliedstaaten an<br />

bestimmte Bedingungen knüpfen dürfen. Grundsätzlich kann der Kreditgeber den Ersatz des


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

ihm dadurch entst<strong>and</strong>enen Schadens verlangen. Allerdings beinhaltet der Wortlaut des Richtlinienvorschlags,<br />

die Möglichkeit einer Begrenzung des Schadenersatzes. Die Ausübung des<br />

Rechts darf dem Verbraucher nämlich nicht „übermäßig erschwert werden“.<br />

■ Der effektive Jahreszins soll den Bestimmungen der Verbraucherkreditrichtlinie angepasst<br />

werden. Demnach sind die Gesamtkosten des Kredits für die Berechnung maßgeblich. Hierzu<br />

gehören auch obligatorische Nebenleistungen, z. B. etwaige Kontoführungsgebühren.<br />

■ Die Beratung wird nicht verbindlich eingeführt sondern soll eine zusätzliche Leistung darstellen.<br />

Den Nachweis für H<strong>and</strong>lungsbedarf auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission bisher nicht<br />

erbracht. Insbesondere gibt es schlicht keine hinreichende Nachfrage bei Verbrauchern, ihr Bauoder<br />

Kaufvorhaben im Immobiliensektor grenzüberschreitend zu finanzieren. Ferner ist im Gegensatz<br />

zu den USA auf dem europäischen Markt keine vergleichbare verantwortungslose Vergabepraxis<br />

aufgetreten. Es gab lediglich Einzelfälle, von denen Großbritannien, Spanien und einige<br />

osteuropäische Länder betroffen waren. Der VÖB verfolgt diese Überregulierung mit Sorge und<br />

befürchtet eine unbegründete Überbelastung des Sektors, die zu einer Preiserhöhung, mehr Bürokratie<br />

und erschwertem Zugang zu Krediten führen wird. Insbesondere hat es in Kontinentaleuropa<br />

und Deutschl<strong>and</strong> keine Probleme bei der Vergabepraxis gegeben. In Deutschl<strong>and</strong> sind die Immobilienpreise<br />

trotz der Finanzkrise gleich geblieben und Ausfallraten sind kaum gestiegen. Dies ist<br />

auch auf angemessene Beleihungswerte und die Festzinstradition mit langfristigen und zinssicheren<br />

Produkten zurückzuführen.<br />

Mit Nachdruck lehnt der VÖB ein gesetzlich verankertes Recht auf vorzeitige Rückzahlung und eine<br />

Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung ab. Hierdurch würden in die Produktvielfalt eingegriffen<br />

und das bewährte deutsche Pf<strong>and</strong>briefsystem erheblich beeinträchtigt, das in der „Subprime-<br />

Krise“ seine Robustheit eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Gerade die in Deutschl<strong>and</strong> üblichen<br />

Festzinsdarlehen sowie die auf Langfristigkeit ausgelegte Finanzierung tragen erheblich zur<br />

Stabilität des deutschen Immobilienmarktes bei und werden aufgrund der Planungs- und Zinssicherheit<br />

vom Verbraucher bevorzugt. Effiziente, wettbewerbsintensive und auch stabile Märkte in<br />

Europa sollten nicht mit einem verfehlten Ansatz unnötig gefährdet werden.<br />

Der VÖB setzt sich für die Ausnahme der Förderkredite aus dem Anwendungsbereich ein. Förderbanken<br />

finanzieren beispielsweise sozialen Wohnungsbau, energiesparsames oder altersgerechtes<br />

Wohnen. Strengere Kreditvergabevorschriften belasten durch unnötige Bürokratie die Erreichung<br />

der Förderzwecke. Viele Bestimmungen würden sachwidrig auf das Förderkonzept wirken<br />

und die Förderziele aushöhlen. Daher sind Förderkredite explizit aus bereits bestehenden EU-Vorschriften<br />

ausgenommen, wie etwa der Verbraucherkreditrichtlinie, und bedürfen auch weiter einer<br />

Ausnahme.<br />

Die Vorschriften über die Kreditwürdigkeitsprüfung sind zu weitreichend und beschränken den<br />

Zugang zu Krediten. Die Kriterien der Kreditwürdigkeitsprüfung sollten eine geschäftspolitische<br />

Entscheidungen des Kreditinstituts bleiben. Die Baseler Vorschriften schränken ohnehin das Kreditgeschäft<br />

risikoabhängig ein. Insbesondere die Pflicht bei einem negativen Ausgang der Kreditwürdigkeitskontrollen,<br />

den Kredit zu verwehren und die Beurteilung für die gesamte Vertragslaufzeit<br />

bergen enorme Haftungsrisiken für Kreditgeber, die entsprechend beim Angebot eingepreist<br />

werden würden.<br />

253<br />

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D<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

254<br />

Im März 2003 hatte die Kommission eine 25 Experten umfassende Forumgruppe zum Hypothekarkredit<br />

eingesetzt, Im Dezember 2004 wurde der Abschlussbericht der Forumgruppe vorgelegt, der<br />

die Hindernisse für einen integrierten europäischen Hypothekenmarkt auflistet und der Kommission<br />

insgesamt 48 Vorschläge für eine stärke Integration der Hypothekenmärkte unterbreitet.<br />

Am 19. Juli 2005 legte die Kommission das Grünbuch zum Hypothekarkredit vor. Am 5. August<br />

2005 stellte die Kommission eine von ihr in Auftrag gegebene Kosten-Nutzen-Analyse zur Integration<br />

der EU-Hypothekarkreditmärkte vor.<br />

Zur Vorbereitung des Weißbuches haben zwei von der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppen<br />

Anfang 2007 ihre Abschlussberichte zu Finanzierungs- und Verbraucherschutzfragen vorgelegt.<br />

Die „Mortgage Funding Expert Group“ kommt in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass die europäischen<br />

Finanzierungsmärkte bereits heute effizient seien, aber gezielte Maßnahmen ihre Effizienz<br />

noch verbessern könnten. Grundsätzlich favorisieren sie eine von den Marktkräften getriebene<br />

Integration der Finanzierungsmärkte und lehnen legislative Maßnahmen ab. Die „Mortgage Industry<br />

<strong>and</strong> Consumer Dialogue Group“ konnte in umstrittenen Fragen des Verbraucherschutzes, insbesondere<br />

zur vorzeitigen Rückzahlung, zum freiwilligen Verhaltenskodex, zur Einführung einer verbindlichen<br />

Beratungspflicht und zu den Kostenelementen des Effektivzinses, keine Einigung<br />

erzielen. Am 18. Dezember 2007 legte die Kommission das Weißbuch zum Hypothekarkredit nebst<br />

einer Auswirkungsstudie vor.<br />

Am 15. Juni 2009 hat die Kommission eine Konsultation zur verantwortungsvollen Kreditvergabe<br />

durchgeführt.<br />

Am 31. März 2010 legte die Kommission den Richtlinienvorschlag über Wohnimmobilienkreditverträge<br />

vor.<br />

Am 30. Mai 2012 f<strong>and</strong> der Rat eine generelle Ausrichtung und am 7. Juni 2012 stimmte der zuständige<br />

Ausschuss im Europäischen Parlament über Änderungen zum Vorschlag der Kommission ab.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Referenz<br />

KOM (2011) 142 (Richtlinienvorschlag)<br />

255<br />

D


D<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

2. Richtlinie über alternative Streitbeilegung und<br />

Verordnung über Online-Beilegung<br />

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Formen der alternativen Beilegung<br />

verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.<br />

2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG<br />

und Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung<br />

verbraucherrechtlicher Streitigkeiten<br />

Inhalt<br />

256<br />

Der Vorschlag der Europäischen Kommission über eine Richtlinie über alternative Streitbeilegung<br />

betrifft außergerichtliche Verfahren zur Beilegung von vertraglichen Streitigkeiten zwischen Verbrauchern<br />

und Unternehmen, die sich aus dem Verkauf von Waren oder der Bereitstellung von<br />

Dienstleistungen ergeben, die einer Stelle zur alternativen Streitbeilegung (AS-Stelle) vorgelegt<br />

werden können. Ziel der Richtlinie ist es, dass es für derartige Streitigkeiten in jedem Fall einen<br />

Zugang zu einer AS-Stelle gibt, die den Anforderungen der Richtlinie gerecht wird. Hierbei fallen<br />

unter die Richtlinie nicht solche Streitschlichtungsstellen, deren Mitarbeiter ausschließlich vom<br />

Unternehmer beschäftigt werden, oder Beschwerdestellen, die vom Unternehmen betrieben werden.<br />

Alle AS-Stellen sollen eine Webseite besitzen, den Austausch zwischen den Parteien auf<br />

elektronischem Wege ermöglichen und auch grenzüberschreitendende Streitigkeiten akzeptieren.<br />

Die mit der Schlichtung betrauten Personen müssen über ein bestimmtes Fachwissen verfügen und<br />

unparteiisch sein. Als unparteiisch gelten die Personen nur dann, wenn auf sie kein Druck ausgeübt<br />

wird. Dies soll umso mehr gelten, wenn die AS-Stelle von einer Partei finanziert wird.<br />

Verbraucher sind durch die Unternehmen von der Existenz der AS-Stelle auf ihren Webseiten, in<br />

den allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf Rechnungen und Quittungen zu unterrichten. Ferner<br />

soll eine Aufsicht über die AS-Stellen eingeführt werden und AS-Stellen müssen Informationen<br />

über die Beschwerden an die Aufsichtsbehörden weiterleiten.<br />

In Zusammenhang mit dem Vorschlag über eine Richtlinie über alternative Streitbeilegung hat die<br />

Europäische Kommission auch einen Vorschlag für eine Verordnung über die Online-Streitbeilegung<br />

vorgelegt. Hierbei soll eine interaktive Webseite (OS-Plattform) von der EU-Kommission<br />

angelegt werden, die eine zentrale Anlaufstelle für Verbraucher und Unternehmer darstellen soll.<br />

Die Plattform soll in den 23 EU Amtssprachen zugänglich sein und Streitigkeiten beh<strong>and</strong>eln, die<br />

aus einem grenzüberschreitenden, elektronischen Rechtsgeschäft entst<strong>and</strong>en sind. Die OS-Plattform<br />

leitet die Beschwerde an die entsprechende nationale AS-Stelle weiter.<br />

Das Streitschlichtungsverfahren soll in der Regeln innerhalb von 90 Tagen bzw. bei Online-Verfahren<br />

innerhalb von 30 Tagen abgeschlossen sein.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Grundsätzlich sind die Bemühungen die alternative Streitbeilegung zu stärken begrüßenswert.<br />

Insbesondere aufgrund der Überlastung der Gerichte gewinnt die eigenverantwortliche und effiziente<br />

alternative Konfliktlösung immer mehr an Bedeutung. Für den Bereich der Finanzdienstleistungen<br />

existiert bereits ein Netzwerk von Schlichtungsstellen auf EU Ebene (FIN-Net), das Voraussetzt,<br />

dass die Vorgaben aus der Empfehlung 98/257/EG beachtet werden (siehe Kapitel D III 2).<br />

Die aktuellen Vorschläge betreffen allerdings auch rein inländische Sachverhalte, für die es einer<br />

europarechtlichen Grundlage fehlt. Auch der Plan, das Schlichtungsverfahren für Beschwerden von<br />

Unternehmern über ihre Kunden zu öffnen, verträgt sich nicht mit dem Ziel, das Vertrauen der Verbraucher<br />

in den Binnenmarkt zu stärken. Zudem spricht einiges dafür, dass das Desinteresse der<br />

Verbraucher am Kleingedruckten mit einem noch Mehr an Informationen weiter zunehmen wird.<br />

Vor allem bergen die knappen Regelbearbeitungszeiten die Gefahr, dass den Parteien eines<br />

Schlichtungsverfahrens nicht mehr ausreichend rechtliches Gehör gewährt und komplexe Sachverhalte<br />

nicht mehr mit der nötigen Gründlichkeit aufgeklärt werden können.<br />

Am 19. April 2002 legte die Kommission zunächst ein Grünbuch über alternative Streitbeilegung in<br />

der EU vor. Das Europäische Parlament verabschiedete am 20. März 2003 einen Bericht, in dem es<br />

das Grünbuch begrüßt. Die Kommission hat vom 18. Januar bis 15. März 2011 eine öffentliche<br />

Konsultation zum Gebrauch alternativer Streitbeilegungsverfahren in Bezug auf H<strong>and</strong>elsgeschäfte<br />

und -praktiken in der Europäischen Union durchgeführt. Hierbei beschäftigt sich die Kommission<br />

auch mit der Möglichkeit einer kollektiven Streitschlichtung.<br />

Am 29. November 2011 hat die Kommission ihre Vorschläge für eine Richtlinie über alternative<br />

Streitbeilegung und eine Verordnung über Online Streitbeilegung veröffentlicht. Die Richtlinie<br />

ändert die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz und der<br />

Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen.<br />

KOM (2011) 793 endgültig (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 794 endgültig (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

257<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Verbraucherpolitische Strategie (2007–2013)<br />

Mitteilung der Kommission „Verbraucherpolitische Strategie der EU (2007–2013)“<br />

Inhalt<br />

258<br />

Die am 13. März 2007 veröffentlichte Mitteilung der Kommission „Verbraucherpolitische Strategie<br />

der EU 2007–2013“ definiert die Zielsetzungen der Kommission auf dem Gebiet der Verbraucherpolitik<br />

für die nächsten Jahre. Die Strategie ersetzt die verbraucherpolitische Strategie (2002–<br />

2006) aus dem Jahr 2002.<br />

Nach Einschätzung der Kommission muss die Verbraucherdimension des Binnenmarktes weiter<br />

gestärkt werden. Deshalb sei eine Neuausrichtung der Politik der Europäischen Union mit einer<br />

stärkeren Fokussierung auf die Verbraucher erforderlich. Die Verbraucherpolitik solle im Mittelpunkt<br />

der nächsten Phase des Binnenmarktes stehen. Ferner sei der Binnenmarkt noch in 27 kleine<br />

nationale Märkte zersplittert. Trotz einiger Initiativen würden noch beträchtliche Hindernisse, insbesondere<br />

bei den Verbraucherverträgen und beim Verbraucherschutz, fortbestehen.<br />

Die Kommission hat sich für den Zeitraum 2007–2013 drei Hauptziele gesteckt:<br />

■ Stärkung der Verbraucher;<br />

■ Verbesserung des Verbraucherwohls in Bezug auf Preise, Wahlmöglichkeiten, Qualität, Vielfalt,<br />

Erschwinglichkeit und Sicherheit;<br />

■ wirksamer Schutz der Verbraucher durch ein hohes Verbraucherschutzniveau.<br />

Zur Erreichung dieser Ziele soll sich die Verbraucherpolitik auf die folgenden Prioritären Bereiche<br />

konzentrieren:<br />

■ Besseres Monitoring in Bezug auf Verbrauchermärkte und nationale Verbraucherpolitiken;<br />

■ Bessere Verbraucherschutzregelungen: Die Kommission bevorzugt dabei die sog. gezielte vollständige<br />

Harmonisierung von Verbraucherschutzvorschriften auf einem hohen Verbraucherschutzniveau;<br />

■ Bessere Rechtsdurchsetzung und besserer Rechtsschutz;<br />

■ Bessere Information und Aufklärung der Verbraucher;<br />

■ Verbraucherpolitik soll in den Mittelpunkt <strong>and</strong>erer EU-Politikfelder und Regelungsbereiche<br />

gestellt werden: Die Kommission sieht u. a. H<strong>and</strong>lungsbedarf im Bereich der Finanzdienstleistungen,<br />

da die Märkte für das Retail-Banking weiterhin stark fragmentiert seien und Wettbewerbshindernisse<br />

bestehen würden.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Das in der verbraucherpolitischen Strategie aufgezeigte Programm der Kommission hat insgesamt<br />

für die Kreditwirtschaft Bedeutung. Der Aspekt des Verbraucherschutzes nimmt einen sehr hohen<br />

Stellenwert in der Union ein und dürfte in Zukunft noch gesteigert werden. Die einseitige Fokussierung<br />

der Kommission auf den Verbraucherschutz für die nächste Phase der Binnenmarktpolitik ist<br />

aus Sicht der Kreditwirtschaft unangemessen. Die Initiativen der Kommission im Bereich des Verbraucherschutzes,<br />

insbesondere der Richtlinienvorschlag zur Überarbeitung der Verbraucherkreditrichtlinie,<br />

zeigen deutlich die Gefahr, dass der Schwerpunkt einseitig auf den Verbraucherschutz<br />

gelegt und die Kreditwirtschaft bzw. die Industrie mit unzumutbaren Verpflichtungen belastet<br />

werden. Der Verbraucherschutz muss sich am Leitbild des mündigen Bürgers orientieren. Die<br />

Eigenverantwortung des Verbrauchers muss aufrechterhalten werden. Ein Übermaß an Kundeninformationen<br />

kann die eigenverantwortliche und sachkundige Entscheidung des Kunden behindern<br />

und mithin im Ergebnis kontraproduktiv wirken. Die Beschreitung eines angemessenen Mittelweges<br />

bei der Realisierung zielgerichteter Verbraucherschutzmaßnahmen sollte daher zum Maßstab<br />

künftiger Tätigkeit genommen werden.<br />

Die Mitteilung zur verbraucherpolitischen Strategie 2002–2006 wurde am 7. Mai 2002 von der<br />

Kommission angenommen. Das Europäische Parlament verabschiedete am 13. März 2003 einen<br />

Bericht, in dem die Notwendigkeit eines EU-weiten hohen Verbraucherschutzniveaus gefordert<br />

wird. Der Europäische Rat ersucht in seiner Entschließung vom 2. Dezember 2002 die Kommission,<br />

einem hohen Verbraucherschutzniveau auch in Bezug auf <strong>and</strong>ere Gemeinschaftspolitiken und<br />

-tätigkeiten Priorität einzuräumen. Die Kommission soll geeignete Vorschläge für die Vollendung<br />

des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen und Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens der<br />

Verbraucher in grenzüberschreitende Transaktionen, einschließlich des elektronischen Zahlungsverkehrs<br />

im Binnenmarkt, unterbreiten.<br />

Am 13. März 2007 hat die Kommission die „verbraucherpolitische Strategie der EU (2007–2013)“<br />

vorgelegt. Der Rat hat in einer Entschließung vom 31. Mai 2007 die Neuausrichtung der Verbraucherpolitik<br />

sowie die Ziele unterstützt. Am 20. Mai 2008 hat das Europäische Parlament einen Initiativ-Bericht<br />

verabschiedet.<br />

KOM (2007) 99 (Mitteilung) endgültig vom 13.03.2007 (im Amtsblatt nicht veröffentlicht)<br />

259<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

2. Empfehlung zur außergerichtlichen Streitbeilegung von<br />

Verbraucherstreitigkeiten und FIN-Net<br />

Empfehlung der Kommission über die außergerichtliche Streitbeilegung von Verbraucherstreitigkeiten<br />

EEJ-Net<br />

FIN-Net<br />

Inhalt<br />

260<br />

Europäischer Rat und Kommission gehen davon aus, dass die außergerichtliche Beilegung von<br />

Verbraucherrechtsstreitigkeiten sowohl für die Verbraucher als auch für die Unternehmen akzeptable<br />

Ergebnisse hervorbringt und die Verfahrenskosten sowie die Verfahrensfristen senken kann.<br />

Durch die Festschreibung entsprechender Grundsätze auf europäischer Ebene und die Einführung<br />

grenzüberschreitender Streitbeilegungssysteme soll mit Blick auf grenzüberschreitende Streitfälle<br />

das Vertrauen in außergerichtliche Einrichtungen gestärkt werden.<br />

Empfehlung 98/257/EG<br />

Die erste Initiative der Kommission war eine Empfehlung über außergerichtliche Streitbeilegung.<br />

Diese sieht folgende Maßnahmen vor:<br />

■ Durch die Unabhängigkeit der Streitschlichtungseinrichtung soll unparteiisches H<strong>and</strong>eln<br />

sichergestellt werden.<br />

■ Verfahrenstransparenz wird u. a. sichergestellt durch die genaue Beschreibung der Art von<br />

Streitfällen, mit denen die Einrichtung befasst ist, die Aushändigung der für die Einrichtung<br />

geltenden Regeln, Angaben über Verfahrenskosten sowie die Regelung der Kostenverteilung,<br />

Information über die Art der Regeln, auf denen die Entscheidung der Einrichtung beruht, und<br />

Angaben über die Modalitäten der Entscheidungsfindung sowie die rechtliche Wirkung der<br />

Entscheidung.<br />

■ Die betroffenen Personen können gegenüber der zuständigen Streitschlichtungseinrichtung<br />

ihre St<strong>and</strong>punkte vortragen.<br />

■ Verfahrenseffizienz wird erreicht durch die Inanspruchnahme des Verfahrens durch den Verbraucher<br />

ohne zwangsläufige Einschaltung eines Rechtsanwalts, die Unentgeltlichkeit bzw.<br />

geringen Kosten des Verfahrens, die rasche Verfahrensabwicklung sowie die Befugnis der<br />

Streitschlichtungseinrichtung, alle für die Streitschlichtung zweckdienlichen Elemente heranzuziehen.<br />

■ Die Entscheidung der Streitschlichtungseinrichtung darf nicht dazu führen, dass der Verbraucher<br />

den ihm durch den Sitzstaat der Einrichtung bzw. seinen Herkunftsmitgliedstaat garantierten<br />

Schutz verliert.<br />

■ Die Entscheidung der Streitschlichtungseinrichtung wird nur bindend, wenn die Parteien sie<br />

angenommen haben.<br />

■ Der Verbraucher darf sich vor einer Streitschlichtungseinrichtung jederzeit von einem Dritten<br />

vertreten lassen.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

EEJ-Net und FIN-Net<br />

Der Europäische Rat verabschiedete am 25. Mai 2000 eine Entschließung, in der er die Mitgliedstaaten<br />

und die Kommission dazu auffordert, die Schaffung eines gemeinschaftsweiten Netzes<br />

einzelstaatlicher Einrichtungen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten<br />

zu unterstützen und zu fördern. Die EU-Kommission wird aufgefordert, u. a. Maßnahmen zur<br />

leichteren Vernetzung der einzelnen staatlichen Stellen zu treffen, damit ein gemeinschaftsweites<br />

außergerichtliches Netz gebildet und die außergerichtliche Beilegung von grenzüberschreitenden<br />

Streitigkeiten erleichtert werden kann. Die Mitgliedstaaten sollen darauf hinwirken, dass die<br />

Berufs- und Wirtschaftsverbände und die Verbraucherverbände zusammenarbeiten, um die Schaffung<br />

neuer Verfahren zur Streitbeilegung zu fördern, insbesondere in Form von Online-Systemen.<br />

Dabei sollen außergerichtliche Einrichtungen, die nicht unter die Empfehlung der Kommission fallen,<br />

in das europäische außergerichtliche Netz einbezogen werden. Das so entstehende Europäische<br />

Netzwerk soll vom Grundsatz der Freiwilligkeit ausgehen und <strong>and</strong>ere Rechtbehelfe nicht<br />

beeinträchtigen.<br />

Der Entschließung des Europäischen Rates folgend hat die Kommission am 5. Mai 2000 ein europäisches<br />

Netz für außergerichtliche Streitbeilegung (European Extra-Judicial <strong>Network</strong>, EEJ-Net)<br />

geschaffen, das Verbraucher über Einrichtungen der außergerichtlichen Streitbeilegung informieren<br />

und praktische Hilfen anbieten soll.<br />

Darüber hinaus beabsichtigt die Kommission, spezielle Branchen-Netzwerke zu schaffen, die das<br />

allgemeine Netz durch fachmännische Beratung und Unterstützung ergänzen sollen. Als erstes<br />

Netzwerk ist im Bereich der Finanzdienstleistungen am 1. Februar 2001 das FIN-Net geschaffen<br />

worden. Während durch das EEJ-Net zentrale Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten eingerichtet<br />

wurden, an die sich die Verbraucher mit Bitte um Unterstützung oder Auskunft wenden können,<br />

erhält der Verbraucher durch das FIN-Net, ein Zusammenschluss von Schlichtungsstellen aus dem<br />

Finanzdienstleistungsbereich, Zugang zu einem außergerichtlichen Streitschlichtungsverfahren.<br />

Dem FIN-Net ist auch die Schlichtungsstelle des Bundesverb<strong>and</strong>es Öffentlicher Banken Deutschl<strong>and</strong>s<br />

angeschlossen.<br />

Die Beteiligten müssen die Voraussetzungen der Empfehlung 98/257/EG erfüllen. Die Kommission<br />

hat in einer weiteren Empfehlung zur „Erweiterung des Zugangs der Verbraucher zur alternativen<br />

Streitbeilegung“ vom 4. April 2001 bestimmte Grundsätze für Einrichtungen für Verbraucherrechtsstreitigkeiten<br />

festgelegt. Durch diese Grundsätze sollen Unparteilichkeit, Transparenz, Effizienz<br />

und Fairness gewährleistet werden. Die Schlichtungsstellen, die im FIN-Net zusammengeschlossen<br />

sind, müssen die Grundsätze beider Empfehlungen erfüllen.<br />

261<br />

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D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

262<br />

In der EU gewinnt das Thema ADR immer größere Bedeutung. Es ist zur politischen Priorität erhoben<br />

worden, insbesondere im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs. Das Europäische<br />

Parlament beabsichtigte bereits bei der Überarbeitung der Brüsseler Konvention über die Anerkennung<br />

und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen die Durchführung eines außergerichtlichen<br />

Streitbeilegungsverfahrens obligatorisch zu machen.<br />

Die Bemühungen der Kommission sind grundsätzlich zu begrüßen. Wichtig ist zunächst, dass freiwilligen<br />

Streitschlichtungsverfahren bei Verbraucherstreitigkeiten die Priorität gegenüber gerichtlichen<br />

Verfahren eingeräumt wird. Die größere Verbreitung von Streitschlichtungsverfahren dürfte<br />

dazu geeignet sein, zur Entlastung der Justiz erheblich beizutragen. Außerdem wird den Parteien<br />

ein möglichst schnelles Verfahren ermöglicht. Im Bankbereich tritt hinzu, dass auf Grund der bei<br />

den Streitschlichtern vorh<strong>and</strong>enen Fachkompetenz häufig eine bessere Erfassung der bankspezifischen<br />

Sachverhalte möglich ist, als dies bei den allgemeinen Gerichten der Fall ist. Dies führt in<br />

aller Regel zu sachgerechten, für die Parteien nachvollziehbaren Entscheidungen. Wichtig ist<br />

zudem der grenzübergreifende Aspekt. Die Verbraucher können sich im Bereich des EEJ-Net darauf<br />

verlassen, in einem <strong>and</strong>eren EU-Mitgliedstaat vergleichbare Streitschlichtungsverfahren vorzufinden<br />

wie in ihrem Herkunftsstaat.<br />

Das europäische Netzwerk für außergerichtliche Streitbeilegung im Bereich Finanzdienstleistungen,<br />

FIN-Net, wird begrüßt. Aus Sicht des VÖB ist es wichtig, dass die Strukturen der bereits<br />

bestehenden, nationalen Streitschlichtungssysteme beachtet werden. Allerdings tendiert die Kommission<br />

dazu den Streitschlichtungssystemen der Mitgliedstaaten bestimmte europäische Regeln<br />

aufzuzwingen.<br />

Empfehlung 98/257/EG<br />

Am 30. März 1998 nahm die Kommission eine Mitteilung über die außergerichtliche Beilegung von<br />

Verbraucherrechtsstreitigkeiten an. Diese beinhaltet eine „Empfehlung betreffend die Grundsätze<br />

für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten<br />

zuständig sind“.<br />

EEJ-NET<br />

Am 5. Mai 2000 gab die Kommission den Startschuss für das Europäische Netz für die außergerichtliche<br />

Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (European Extra-Judicial <strong>Network</strong>, EEJ-<br />

Net). Nach einer Erprobungsphase nahm das EEJ-Net seine Arbeit am 16. Oktober 2001 auf.<br />

Am 25. Mai 2000 fasste der Rat eine Entschließung über ein gemeinschaftsweites Netz einzelstaatlicher<br />

Einrichtungen für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten.<br />

FIN-NET<br />

Am 1. Februar 2001 wurde speziell für den Bereich Finanzdienstleistungen das FIN-Net (<strong>Financial</strong><br />

Services complaints <strong>Network</strong>) ins Leben gerufen, um einzelstaatliche Projekte zur Beilegung von<br />

Streitfällen im Bereich der Finanzdienstleistungen gemeinschaftsweit zu vernetzen.


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Referenz<br />

Die Kommission veröffentlichte am 4. April 2001 eine Mitteilung zur Erweiterung des Zugangs der<br />

Verbraucher zur alternativen Streitbeilegung. Die Mitteilung fasst die bisherigen Initiativen in der<br />

Gemeinschaft zusammen und versucht, ein Umfeld mit gemeinsamen Kriterien zu schaffen. Ebenfalls<br />

am 4. April 2001 verabschiedete die Kommission eine Empfehlung über die Grundsätze für an<br />

der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten beteiligten, außergerichtlichen Einrichtungen.<br />

98/257/EG (Empfehlung) vom 30.03.1998, Amtsblatt der EG Nr. L 115/31 vom 17.04.1998<br />

Entschließung des Rates vom 25.05.2000, Amtsblatt der EG Nr. C 155/1 vom 06.06.2000<br />

Empfehlung der Kommission vom 04.04.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 109/56 vom 19.04.2001<br />

KOM (2001) 161 (Mitteilung) (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

263<br />

D


D<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

3. Verhaltenskodex über vorvertragliche Informationen für<br />

wohnungswirtschaftliche Kredite<br />

Freiwilliger Verhaltenskodex über vorvertragliche Informationen für wohnungswirtschaftliche<br />

Kredite<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

264<br />

Der Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber zeigt auf, in welcher Weise bzw. in welchem<br />

Umfang Hypothekarkreditgeber ihre Kunden im Vorfeld einer Kreditaufnahme informieren sollen.<br />

Ziel dieser Vorgehensweise ist es, dem Kunden die Wahl für ein bestimmtes Produkt in voller<br />

Kenntnis aller Vertragsbest<strong>and</strong>teile, insbesondere auch hinsichtlich der Finanzierung, zu ermöglichen.<br />

An dem seit 1997 geführten Dialog, der zur Verabschiedung des Verhaltenskodexes geführt hat,<br />

sind die europäischen kreditwirtschaftlichen Verbände, die Europäische Kommission sowie die<br />

europäischen Verbraucherverbände beteiligt. Die von den europäischen kreditwirtschaftlichen<br />

Verbänden und den europäischen Verbraucherverbänden am 5. März 2001 unterzeichnete „europäische<br />

Vereinbarung eines freiwilligen Verhaltenskodexes über vorvertragliche Informationen für<br />

wohnungswirtschaftliche Kredite“ gliedert sich in ein Deckblatt, welches die Definition der durch<br />

den Kodex abgedeckten Wohnungsbaukredite enthält und den Geltungsbereich des Kodexes festhält,<br />

einen ersten Teil, der die Modalitäten für die Umsetzung und die Anwendung des freiwilligen<br />

Kodexes festlegt, sowie einen zweiten Teil mit dem Inhalt des Kodexes selbst. Darin werden zum<br />

einen die allgemeinen Informationen aufgeführt, die dem Verbraucher in der Marketingphase zu<br />

geben sind, sowie in einem zweiten Teil das Europäische St<strong>and</strong>ardisierte Informationsblatt (ESIS<br />

– European St<strong>and</strong>ardised Information Sheet) beh<strong>and</strong>elt. Das Informationsblatt muss eine Zusammenfassung<br />

der wesentlichen Vertragsbest<strong>and</strong>teile enthalten und dem Verbraucher einen einfachen,<br />

übersichtlichen Vergleich mit <strong>and</strong>eren Angeboten ermöglichen.<br />

Das Europäische St<strong>and</strong>ardisierte Informationsblatt statuiert die vom Anbieter eingegangenen<br />

Hauptverpflichtungen, gibt dem Verbraucher Informationen über den von ihm in Aussicht genommenen<br />

Hypothekarkredit, beschreibt das Verfahren der Darlehensvergabe, den Eintritt in den Vertrag<br />

sowie Gesichtspunkte der Vertraulichkeit. Schließlich enthält das Informationsblatt Aussagen<br />

über das Verfahren bei finanziellen Schwierigkeiten des Kreditnehmers sowie die ihm zur Verfügung<br />

stehenden Beschwerdemöglichkeiten.<br />

Die Kreditwirtschaft hatte in der Vergangenheit ihr Interesse an Selbstregulierungsmechanismen<br />

anstelle von verbindlichen Rechtsvorschriften geäußert. Der Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber<br />

ist als Pilotprojekt einer solchen Selbstregulierung in Zusammenarbeit mit Kommission<br />

und Verbraucherschützern erarbeitet worden. Grundsätzlich ist der Kodex zu begrüßen. Dies gilt<br />

vor allem vor dem Hintergrund der Erwartung, dass durch die Vereinbarung eines freiwilligen Verhaltenskodexes,<br />

der Informationspflichten der Anbieter von Hypothekarkrediten gegenüber ihren<br />

Kunden statuiert, eine europäische Regulierung des Hypothekarkredits als solches verhindert<br />

werden könnte. Das langwierige Verfahren zeigte allerdings, wie kompliziert es ist, auf diesem


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

schwierigen Gebiet eine allen Partikularinteressen und nationalen Besonderheiten gerecht werdende,<br />

tragfähige Einigung zu erzielen. Vor allem die Verbraucherverbände hatten mit ihren Maximalforderungen<br />

lange Zeit einen vernünftigen Kompromiss mit der Kreditwirtschaft verhindert. Der<br />

erfolgreiche Abschluss des Dialogs im Juli 2000 ist aus Sicht der öffentlichen Banken zu begrüßen,<br />

da das Scheitern des Dialogs die europäische Produktharmonisierung des Hypothekarkredits zur<br />

Folge gehabt hätte. Die große Resonanz, insbesondere in Deutschl<strong>and</strong> zeigt, dass freiwillige<br />

Selbstverpflichtungen auf europäischer Ebene durchaus Aussicht auf Erfolg haben, auch wenn es<br />

in einzelnen Ländern Schwierigkeiten bei der Zeichnung des Kodexes gegeben hat.<br />

Im Jahre 1996 legte die Kommission ihr Grünbuch über Finanzdienstleistungen vor.<br />

Im Jahre 1997 legte die Kommission eine Mitteilung über Finanzdienstleistungen vor.<br />

Im Jahre 1997 begannen die europäischen kreditwirtschaftlichen Verbände, der Europäische Verbraucherverb<strong>and</strong><br />

sowie die Europäische Kommission Gespräche über eine Textfassung für einen<br />

Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber. Eine erste Dialogrunde wurde im Januar 1999 ergebnislos<br />

abgebrochen.<br />

Im Mai 1999 hat die Europäische Kommission Bedingungen und Verfahrensregeln für die Fortführung<br />

des Dialogs formuliert. Wegen des Interesses aller Beteiligten an einer einvernehmlichen<br />

Lösung wurde der Dialog im November 1999 wieder aufgenommen und am 18. Juli 2000 abgeschlossen.<br />

Dem von der Kommission erarbeiteten Verhaltenskodex stimmten die europäischen<br />

Verbände im Dezember 2000 zu. Am 5. März 2001 wurde die Europäische Vereinbarung eines freiwilligen<br />

Verhaltenskodexes über vorvertragliche Informationen für wohnungswirtschaftliche Kredite<br />

unterzeichnet. Am gleichen Tag veröffentlichte die Kommission eine Empfehlung über vorvertragliche<br />

Informationen, die den Inhalt der Vereinbarung wiedergibt. Darlehensgeber in der EU<br />

waren aufgefordert, dem Verhaltenskodex durch Schreiben an die Europäische Kommission bis<br />

Ende September 2001 beizutreten. Die Informationspflichten des Kodexes (Allgemeine Informationen<br />

über die unterschiedlichen Produkte und individuelle Informationen) müssen von den beigetretenen<br />

Kreditinstituten innerhalb von zwölf Monaten umgesetzt werden. Die Umsetzungsfrist lief<br />

am 30. September 2002 ab.<br />

2003, 2005 und 2009 hat die europäische Kreditwirtschaft Fortschrittsberichte über die Umsetzung<br />

des Verhaltenskodexes der Kommission vorgelegt. Die Berichte kommen zu dem Schluss, dass die<br />

Umsetzung des Kodexes allgemein zufrieden stellend ist. Ein von der Kommission mit der Überprüfung<br />

der Wirksamkeit des Kodexes beauftragtes Beratungsinstitut präsentierte im Juli 2003 einen<br />

Bericht, demzufolge der Verhaltenskodex in den Ländern sehr unterschiedlich umgesetzt worden ist.<br />

In ihrem Weißbuch Hypothekarkredit hat die Kommission angekündigt, ein überarbeitetes Europäisches<br />

St<strong>and</strong>ardisiertes Merkblatt für wohnungswirtschaftliche Kredite (ESIS) vorzustellen und es bei<br />

Verbrauchern testen zu lassen. Die Kommission wird mögliche Maßnahmen erst 2010 vorstellen.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> hat der Zentrale Kreditausschuss Muster für das Europäische St<strong>and</strong>ardisierte<br />

Merkblatt und die vorvertraglichen Marketingunterlagen entworfen.<br />

265<br />

D


D<br />

D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

4. Grünbuch Verbrauchersammelklage<br />

Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

266<br />

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Europäische Kommission mit der Frage, ob die Einführung<br />

von Sammelklagen auf europäischer Ebene bei Verstößen gegen Verbraucherschutzbestimmungen<br />

erforderlich ist. Die Kommission warf bereits in der 2007 vorgelegten verbraucherpolitischen Strategie<br />

der EU (2007–2013) die Frage auf, wie Verbraucher bei Rechtsstreitigkeiten ihre Rechte zu<br />

angemessenen Kosten und innerhalb angemessener Fristen durchsetzen können.<br />

Ziel des Grünbuches und der gleichzeitig durchgeführten Konsultation war es, die aktuelle Situation<br />

bei Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher zu bewerten und Optionen für eine Schließung<br />

möglicher Lücken im derzeitigen Rechtsbehelfssystem aufzuzeigen. Auch wenn es auf EU-<br />

Ebene bereits einige spezifische Instrumente für den Verbraucherrechtsschutz gebe, seien die<br />

bestehenden Instrumentarien für Verbraucherrechtsschutz und Durchsetzungsmaßnahmen unbefriedigend.<br />

Im Grünbuch zeigt die Kommission verschiedene Optionen auf: keine EG-Maßnahmen;<br />

Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten; Kombination von Instrumenten; Einführung von Kollektivklagen.<br />

Die Kommission ist der Auffassung, dass Verbraucher in der Regel von der Durchsetzung ihrer<br />

Rechte absehen, insbesondere wenn sie lediglich geringfügige Forderungen betreffen. Hohe Prozesskosten<br />

sowie komplexe und langwierige Verfahren würden de facto einen wirksamen Rechtsschutz<br />

europäischer Verbraucher vereiteln, auch wenn Verbraucher bei Gerichten einen individuellen<br />

Rechtsbehelf einlegen könnten. Die Durchsetzung von Verbraucherrechten habe auch<br />

Binnenmarktrelevanz, weil durch die Zunahme des grenzüberschreitenden H<strong>and</strong>els zahlreiche Verbraucher<br />

in verschiedenen Ländern von denselben oder vergleichbaren H<strong>and</strong>elspraktiken eines<br />

Unternehmens geschädigt werden könnten.<br />

Die Kreditwirtschaft ist über die bisherige Diskussion zur Einführung von Gruppenklagen in der EU<br />

beunruhigt und vermisst eine sorgfältige Bedürfnisprüfung unter Berücksichtigung der bereits in<br />

den Mitgliedstaaten vorh<strong>and</strong>enen Instrumente. Zunächst muss grundsätzlich geklärt werden, ob es<br />

neben den bereits auf nationaler Ebene bestehenden kollektiven Rechtsschutzinstrumenten zusätzlich<br />

eines europäischen Instrumentes bedarf. Angesichts der bereits in den meisten Mitgliedstaaten<br />

bestehenden kollektiven Rechtsbehelfe, so auch in Deutschl<strong>and</strong>, besteht keine Notwendigkeit<br />

für die Einführung von zusätzlichen kollektiven Rechtsschutzinstrumenten für Verbraucher auf<br />

europäischer Ebene.<br />

Bei Sammelklagen geht es um die Grundprinzipien des Prozessrechts, das jedoch als solches nicht<br />

in die Zuständigkeit der EU fällt. Die Überlegungen der Kommission beschränken sich aber nicht<br />

auf die in Art. 65 des EG-Vertrags genannten grenzüberschreitenden Bezüge, sondern auch auf<br />

inländische Sachverhalte. Ein solcher vom EG-Vertrag nicht gerechtfertigter Eingriff in die nationale<br />

Prozessrechtsordnung würde aber zu Unstimmigkeiten und Verwerfungen im nationalen Prozessrecht<br />

führen. Die Einführung kollektiver Leistungsklagen ist im Übrigen mit den Grundsätzen


D. VERBRAUCHERSCHUTZ<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

und Traditionen der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nicht vereinbar und würde einen<br />

Fremdkörper in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten darstellen.<br />

Grundsätzlich befürwortet der VÖB eine effiziente Durchsetzung berechtigter Schadenersatzansprüche<br />

von Verbrauchern und Unternehmen. Durch die bewusste Verletzung von Gesetzen dürfen<br />

keine Erträge erwirtschaftet werden, insbesondere wenn bewusst davon ausgegangen wird, dass<br />

Geschädigte wegen der Geringfügigkeit des Schadens keine Ansprüche geltend machen werden.<br />

Die Einführung einer Gruppenklage nach US-amerikanischem Vorbild stößt jedoch auf erhebliche<br />

grundsätzliche Bedenken und würde einen Systembruch im Zivilprozessrecht darstellen.<br />

Die Erfahrung mit Sammelklagen aus den USA zeigt sehr deutlich das hohe Missbrauchspotential<br />

bei kollektiven Rechtsschutzinstrumenten. Die Initiative zur Klageerhebung geht in der Regel nicht<br />

von den Verbrauchern selbst aus, vielmehr sind monetäre Interessen von Dritten die eigentlichen<br />

Verfahrenstreiber. Nur ein geringer Teil der Schadensersatzzahlungen wird tatsächlich an die<br />

Geschädigten ausgezahlt, der größte Teil fließt an die Anwälte. Das Rechtssystem würde durch die<br />

Einführung von Sammelklagen nicht effizienter.<br />

In der Mitteilung zur verbraucherpolitischen Strategie (2007–2013) vom 30. März 2007 warf die<br />

Kommission bereits die Frage auf, wie Verbraucher bei Rechtsstreitigkeiten ihre Rechte zu angemessenen<br />

Kosten und innerhalb angemessener Fristen durchsetzen können.<br />

Am 27. November 2008 präsentierte die Kommission ein Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren<br />

für Verbraucher und leitete eine Konsultation ein.<br />

Im Anschluss an die Konsultation legte die Kommission ein weiteres Dokument zu Verbrauchersammelklagen<br />

vor und startete eine neue Konsultation von Mai bis Juli 2009. Eine weitere Konsultation<br />

wurde von 4. Februar bis 15. März 2011 durchgeführt. In dieser Konsultation wurden vergleichsweise<br />

allgemeine Fragen aufgeworfen. So wird nach dem konkreten Mehrwert eines<br />

kollektiven Rechtsmittels gefragt. Ferner geht es inhaltlich darum, welche Prinzipien allgemein auf<br />

EU Ebene formuliert werden könnten.<br />

267<br />

D


E<br />

E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Mehrwertsteuersystem-Richtlinie<br />

Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem<br />

Inhalt<br />

268<br />

Nach Artikel 135 Absatz 1 der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie können Mitgliedstaaten Finanzdienstleistungen<br />

von der Mehrwertsteuer befreien. Im deutschen Steuerrecht ist von dieser Möglichkeit<br />

Gebrauch gemacht worden. Gemäß Artikel 135 können folgende Finanzdienstleistungen<br />

von der Mehrwertsteuer befreit werden:<br />

■ Gewährung und Vermittlung von Krediten sowie deren Verwaltung;<br />

■ Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und <strong>and</strong>eren Sicherheiten<br />

und Garantien sowie deren Verwaltung, Umsätze im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr,<br />

im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und<br />

<strong>and</strong>eren H<strong>and</strong>elspapieren;<br />

■ Umsätze, die sich auf Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliche Zahlungsmittel<br />

sind;<br />

■ Umsätze – jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung –, die sich auf Aktien,<br />

Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere<br />

beziehen und<br />

■ die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch<br />

Kapitalanlagegesellschaften.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Eine Überarbeitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie in Bezug auf Finanzdienstleistungen<br />

ist wegen bestehender Rechtsunsicherheiten und des Prinzips der steuerlichen Neutralität des<br />

Umsatzsteuersystems notwendig.<br />

Da Kreditinstitute überwiegend steuerfreie Umsätze erbringen, die den Vorsteuerabzug grundsätzlich<br />

ausschließen, wirkt die Umsatzsteuer entgegen dem Neutralitätsprinzip in der Finanzdienstleistungsbranche<br />

nicht neutral. Die nicht abzugsfähige Vorsteuer aus den bezogenen Eingangsleistungen<br />

wird damit zu einer definitiven Kostenbelastung für die Kreditwirtschaft und beeinträchtigt<br />

damit nicht selten die Entwicklung effizienter und betriebswirtschaftlich sinnvoller Geschäftsstrukturen.<br />

Die Kreditwirtschaft lehnt eine generelle Umsatzsteuerpflicht für Finanzdienstleistungen ab.<br />

Ein Desiderat bleibt die Bildung einer umsatzsteuerlichen Organschaft über die Grenzen der Mitgliedstaaten<br />

hinweg, d. h. die Besteuerung eines Unternehmers als Organträger und einer oder<br />

mehrerer juristischer Personen als Organgesellschaft, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch<br />

in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind.<br />

Für die Kreditwirtschaft wesentlich ist zudem die umsatzsteuerliche Neutralität des Outsourcings.<br />

Trotz eindeutiger und in dieser Richtung positiver EuGH-Rechtsprechung befinden nationale Finanzverwaltungen<br />

nicht durchgängig, dass Leistungen eines Subunternehmers an den finanzdienstleistenden<br />

Unternehmer unter die Befreiungsvorschrift der Richtlinie fallen.<br />

Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten<br />

über die Mehrwertsteuern wurde am 17. Mai 1977 vom Rat verabschiedet.<br />

Die Richtlinie wurde in Deutschl<strong>and</strong> umgesetzt.<br />

Die Kommission ließ 1993 eine Studie über die Mehrwertsteuerbeh<strong>and</strong>lung von Finanzdienstleistungen<br />

in Europa durchführen. 1994 wurde eine zweite, von der Kommission in Auftrag gegebene<br />

Studie vorgelegt, in der die Möglichkeiten der Anwendung der „Cash-Flow-Methode“ untersucht<br />

wurden. Eine im Juni 2000 veröffentlichte Studie untersuchte die praktischen Auswirkungen der<br />

Anwendung eines Cash-Flow-Buchhaltungssystems für die Erbringung von Finanz- und Versicherungsdiensten.<br />

In einer Mitteilung vom 23. Mai 2001 hat die Kommission die Prioritäten der Steuerpolitik in der EU<br />

vorgestellt und angekündigt, auch bei der Mehrwertsteuer auf Finanzdienstleistungen tätig zu<br />

werden.<br />

2005 gab die Kommission eine Studie betreffend MwSt.-Befreiung für Finanzdienstleistungen in<br />

Auftrag.<br />

Die Kommission legte im März 2006 ein Konsultationspapier zur Modernisierung der Mehrwertsteuerpflichten<br />

für Finanzdienstleistungen und Versicherungsleistungen vor. In dem Konsultationspapier<br />

erläutert die Kommission die Gründe für die Notwendigkeit einer Überarbeitung der<br />

6. MwSt.-Richtlinie und analysiert die verschiedenen Problemfelder (Outsourcing von Tätigkeiten;<br />

Pooling, d. h. die Zusammenführung von Aktivitäten mit der Absicht der Kostenteilung; Subcontracting,<br />

d. h. Subunternehmerleistungen; Offshoring, d. h. Verlagerung in Drittländer). Ferner untersucht<br />

sie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten: Einführung eines Null-<br />

269<br />

E


E<br />

E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

270<br />

steuersatzes für an <strong>and</strong>ere steuerpflichtige Personen erbrachte Finanzdienstleistungen,<br />

Ausweitung der Steuerbefreiungen auf Dienstleistungen <strong>and</strong>erer Unternehmer, die diese an<br />

Finanzdienstleister erbringen; pauschaler Mehrwertsteuerabzug auf Grundlage eines festen Prozentsatzes<br />

für eine festgelegte Liste von Eingangsleistungen; Schaffung grenzüberschreitender<br />

Organschaften; einheitlich begrenzte Option zum Mehrwertsteuerabzug. Am 28. November 2006<br />

hat der Rat beschlossen, die mehrfach erheblich geänderte Richtlinie aus Gründen der Klarheit und<br />

Wirtschaftlichkeit neu zu fassen und hat die Richtlinie 2006/112/EG erlassen (umbenannt in<br />

Mehrwertsteuersystem-Richtlinie).<br />

Die Europäische Kommission hat am 28. November 2007 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur<br />

Modernisierung und Vereinfachung der MwSt.-Vorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen<br />

angenommen. Der Richtlinienvorschlag wird im Ministerrat noch beraten (vgl. Kapitel<br />

E.III.1.).


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2006/112/EG (Richtlinie) vom 28.11.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 347/1 vom 11.12.2006<br />

Berichtigung, Amtsblatt der EU Nr. L 335/60 vom 20.12.2007<br />

2006/138/EG (Richtlinie) vom 19.12.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 384/92 vom 29.12.2006<br />

2007/75/EG (Richtlinie) vom 20.12.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 346/13 vom 29.12.2007<br />

2008/8/EG (Richtlinie) vom 12.02.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 44/11 vom 20.02.2008<br />

2008/117/EG (Richtlinie) vom 16.12.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 14/7 vom 20.01.2009<br />

2009/47/EG (Richtlinie) vom 05.05.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 116/18 vom 09.05.2009<br />

2009/69/EG (Richtlinie) vom 25.06.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 175/12 vom 04.07.2009<br />

2009/162/EU (Richtlinie) vom 22.12.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 10/14 vom 15.01.2010<br />

2010/23/EU (Richtlinie) vom 16.03.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 72/1 vom 20.03.2010<br />

2010/45/EU (Richtlinie) vom 13.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 189/1 vom 22.07.2010<br />

2010/88/EU (Richtlinie) vom 07.12.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 326/1 vom 10.12.2010<br />

271<br />

E


E<br />

E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Mutter-Tochter-Richtlinie<br />

Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem<br />

der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten<br />

Inhalt<br />

272<br />

Die so genannte Mutter-Tochter-Richtlinie zielt darauf ab, die doppelte Besteuerung der Gewinnausschüttungen<br />

einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft mit Sitz in einem <strong>and</strong>eren<br />

Mitgliedstaat zu beseitigen.<br />

Sie sieht daher vor, dass der Mitgliedstaat, in dem die Tochtergesellschaft ihren Sitz hat, alle<br />

Steuerabzüge an der Quelle beseitigt und der Mitgliedstaat, in dem die Muttergesellschaft ihren<br />

Sitz hat, entweder die Dividenden von der Steuer befreit oder die am Sitz der Tochtergesellschaft<br />

bereits gezahlte Steuer bei der von der Muttergesellschaft geschuldeten Steuer anrechnet.<br />

Die Richtlinie 2003/123/EG des Rates zur Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie 90/435/EWG von<br />

1990 erweiterte den Anwendungsbereich der Richtlinie. Bis dato wurden nicht alle der Körperschaftsteuer<br />

unterliegenden Unternehmen von der Doppelbesteuerung befreit.<br />

Die Richtlinie sieht vor, dass auch öffentlich-rechtliche Unternehmen, wie z. B. öffentlich-rechtliche<br />

Kreditinstitute und Sparkassen, sowie Fonds und Genossenschaften in den Anwendungsbereich<br />

der Richtlinie fallen. Unter den Gesellschaften deutschen Rechts werden die Aktiengesellschaft,<br />

Komm<strong>and</strong>itgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der<br />

Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft und der<br />

Betrieb gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie <strong>and</strong>ere nach<br />

deutschem Recht gegründete Gesellschaften, die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen,<br />

erfasst. Ferner umfasst die Richtlinie auch das Statut der Europäischen Gesellschaft und der Europäischen<br />

Genossenschaft.<br />

Um einer größeren Anzahl von Unternehmen die Vergünstigungen der Richtlinie zukommen zu lassen,<br />

liegt die erforderliche Mindestbeteiligung für die Anerkennung als Mutter- und Tochtergesellschaft<br />

nunmehr bei 10 Prozent.<br />

Für Konzerne, die häufig als Beteiligungsketten gegliedert sind und Gewinne über die Kette der<br />

Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft ausschütten, sieht die Richtlinie vor, dass die<br />

Muttergesellschaft jegliche Steuer, die von einer der Tochtergesellschaften gezahlt wurde, auf die<br />

von ihr geschuldete innerstaatliche Steuer anrechnen kann.<br />

Die Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2011/96/EU des Rates neugefasst.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der Zweck der Richtlinie wird begrüßt, da die Benachteiligung europaweit operierender Unternehmen<br />

mit Mutter- und Tochtergesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU in steuerlicher<br />

Hinsicht durch Mehrfachbesteuerung der Gewinnausschüttung beseitigt wird.<br />

Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie, wird begrüßt. Aus Gründen der Gleichbeh<strong>and</strong>lung<br />

ist es notwendig, öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, Genossenschaften und <strong>and</strong>ere<br />

Unternehmensformen in die Liste der Unternehmen aufzunehmen, die in den Anwendungsbereich<br />

der Richtlinie fallen.<br />

Auch die Absenkung der erforderlichen Mindestbeteiligung von 25 auf 10 Prozent ist positiv. Die<br />

Richtlinie wird nicht nur die Zahl der Doppelbesteuerungstatbestände senken, sondern auch Hindernisse<br />

für die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit abbauen.<br />

Die Richtlinie wurde am 23. Juli 1990 vom Rat verabschiedet. Die Umsetzung in deutsches Recht<br />

ist im Einkommensteuergesetz (§ 43b, § 50d) und im Körperschaftsteuergesetz (§ 8b) erfolgt.<br />

Am 26. Juli 1993 legte die Kommission einen Änderungsvorschlag zur Erweiterung des Anwendungsbereichs<br />

der Richtlinie vor. Diese Initiative wurde jedoch nach der 1. Lesung nicht weiter<br />

verfolgt.<br />

Die Europäische Kommission hat am 29. Juli 2003 einen Richtlinienvorschlag zur Änderung der<br />

Mutter-Tochter-Richtlinie vorgelegt und ihren Vorschlag von 1993 zurückgezogen. Der Ministerrat<br />

hat die Richtlinie zur Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie am 22. Dezember 2003 verabschiedet.<br />

Die Richtlinie ist in Deutschl<strong>and</strong> durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG) vom<br />

9. Dezember 2004 umgesetzt worden.<br />

Am 4. Januar 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag für eine<br />

Neufassung der Mutter-Tochter-Richtlinie. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um eine bloße Neukodifizierung,<br />

die vom Ministerrat am 30. November 2011 angenommen und am 29. Dezember 2011 im Amtsblatt<br />

der EU veröffentlicht wurde. Die vorhergehenden Rechtsakte wurden dadurch aufgehoben.<br />

Die Richtlinie soll in Deutschl<strong>and</strong> im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 in nationales Recht<br />

umgesetzt werden.<br />

90/435/EWG (Richtlinie) vom 23.07.1990, Amtsblatt der EU Nr. L 225/6 vom 20.08.1990 (aufgehoben)<br />

2003/123/EG (Richtlinie) vom 22.12.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 007/41 vom 13.01.2004 (aufgehoben)<br />

2006/98/EG (Richtlinie) vom 20.11.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 363/129 vom 20.12.2006 (aufgehoben)<br />

KOM (2010) 784 (Richtlinienvorschlag) vom 04.01.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

2011/96/EU (Richtlinie) vom 30.11.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 345/8 vom 29.12.2011<br />

273<br />

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E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Richtlinie über die Mehrwertsteuer –<br />

Sonderregelung für Anlagegold<br />

Richtlinie 98/80/EG des Rates vom 12. Oktober 1998 zur Ergänzung des Gemeinsamen Mehrwertsteuersystems<br />

und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG – Sonderregelung für Anlagegold<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

274<br />

Die Richtlinie sieht vor, dass neben der Lieferung von Gold auch die Ausgabe von Goldzertifikaten<br />

und Termin- bzw. Optionsgeschäfte mit Gold mehrwertsteuerlich erfasst werden. Lediglich „Anlagegold“<br />

soll unter der Voraussetzung, dass keine materielle Übergabe erfolgt und anerkannte<br />

Berufshändler die Abwicklung vornehmen, von der Steuer befreit bleiben.<br />

Grundsätzlich sind die Vereinheitlichung der Besteuerung von Gold sowie die Ausnahmeregelung<br />

für Anlagegold zu begrüßen.<br />

Eine Besteuerung von Goldumsätzen würde zu einer Verlagerung der entsprechenden Umsätze in<br />

Länder außerhalb der EU führen. Goldumsätze sollten daher bis zur Verarbeitung unversteuert<br />

bleiben.<br />

Die Sechste Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die<br />

Mehrwertsteuern vom 17. Mai 1977 sah u. a. für Gold, das nicht für industrielle Zwecke bestimmt<br />

ist, ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem mit zahlreichen Ausnahmeregelungen vor.<br />

Im Rahmen der Achtzehnten MwSt-Richtlinie vom 18. Juli 1989 wurden zahlreiche Ausnahmen<br />

gestrichen, nicht jedoch für Gold.<br />

Am 28. Oktober 1992 legte die Kommission einen Richtlinienvorschlag vor. Das Europäische Parlament<br />

nahm am 10. März 1994 Stellung. Das Vorhaben wurde dann zunächst nicht weiter verfolgt.<br />

Mit dem Entwurf einer Richtlinie des Rates zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems<br />

und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG – Sonderregelung für Gold – wurde das Vorhaben<br />

im Jahre 1998 wieder aufgegriffen.<br />

Der ECOFIN-Rat verabschiedete die Richtlinie am 12. Oktober 1998. Sie trat am 17. Oktober 1998<br />

in Kraft.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Richtlinie 1999 mit dem Steuerbereinigungsgesetz in nationales Recht<br />

umgesetzt.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

98/80/EG (Richtlinie) vom 12.10.1998, Amtsblatt der EU Nr. L 281/31 vom 17.10.1998<br />

275<br />

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E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Richtlinie zur Gewährleistung einer effektiven<br />

Besteuerung von Zinserträgen<br />

Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen<br />

Inhalt<br />

276<br />

Ziel der Richtlinie ist die effektive Besteuerung von Zinserträgen, die von einer in einem Mitgliedstaat<br />

niedergelassenen Zahlungsstelle an eine natürliche Person geleistet werden, die in einem<br />

<strong>and</strong>eren Mitgliedstaat ansässig ist.<br />

Der ursprüngliche Richtlinienvorschlag sah entsprechend dem Auftrag des ECOFIN-Rates vom<br />

1. Dezember 1997 das so genannte „Koexistenzmodell“ vor. Danach hätten die Mitgliedstaaten die<br />

Wahl gehabt, entweder eine Quellensteuer zu erheben oder die Finanzbehörden der Mitgliedstaaten<br />

über die Zinszahlungen zu informieren. Auf dem Gipfel im Juni 2000 in Portugal verständigten<br />

sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf das so genannte „Informationsmodell“, das vorsieht,<br />

Finanzbehörden über Zinszahlungen in <strong>and</strong>eren EU-Mitgliedstaaten an nichtgebietansässige<br />

Personen zu informieren.<br />

Gemäß der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten ab 1. Juli 2005 bestimmte Informationen über<br />

den Empfänger der Zinszahlung sowie über die Zinszahlung selbst an den Mitgliedstaat weiterleiten,<br />

in dem der Zinsempfänger ansässig ist. Belgien, Luxemburg und Österreich sind während<br />

eines Übergangszeitraums nicht zur Übermittlung von Informationen verpflichtet. Stattdessen ist<br />

es diesen Ländern gestattet, eine Quellensteuer in Höhe von 15 % von 2005 bis 2007, von 20 %<br />

von 2008 bis 2010 und von 35 % ab 2011 zu erheben. Jeweils 25 % der Einnahmen der Quellenbesteuerung<br />

behalten diese Mitgliedstaaten, die restlichen 75 % werden an den Wohnsitzmitgliedstaat<br />

des Anlegers abgeführt. Belgien, Luxemburg und Österreich werden zur automatischen Auskunftserteilung<br />

erst dann übergehen, wenn die Schweiz, Liechtenstein, San Marino, Monaco und<br />

Andorra einen Informationsaustausch auf Anfrage gemäß OECD-Abkommen einführen. Die drei<br />

Mitgliedstaaten erhalten jedoch Auskünfte von <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten.<br />

In den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen Zinserträge von natürlichen Personen aus allen<br />

Arten von Anlagen einschließlich Anleihen, Nullkupon-Anleihen sowie Zinserträge aus Investmentfonds,<br />

wobei eine Besitzst<strong>and</strong>sklausel festlegt, dass vor dem 1. März 2001 begebene Anleihen<br />

und <strong>and</strong>ere umlauffähige Schuldtitel während eines Übergangszeitraums, spätestens jedoch<br />

bis zum 31. Dezember 2010, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind.<br />

Die von der Zahlstelle zu erteilenden Auskünfte umfassen Identität und Wohnsitz des wirtschaftlichen<br />

Eigentümers, Name und Anschrift der Zahlstelle, Kontonummer des wirtschaftlichen Eigentümers<br />

und Auskünfte zur Zinszahlung, insbesondere der Betrag der gezahlten oder gutgeschriebenen<br />

Zinsen.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Grundsätzlich wird die Verabschiedung der Richtlinie begrüßt. Damit wurde eine jahrelange Unsicherheit<br />

für die europäischen Kapitalmärkte beendet. Vor allem die für Luxemburg, Österreich und<br />

Belgien vereinbarten Quellensteuersätze stellen sicher, dass mittelfristig die Kapitalanlage in diesen<br />

Ländern gegenüber einer Anlage in Deutschl<strong>and</strong> unattraktiv wird. Dies wird, sofern in Deutschl<strong>and</strong><br />

ein moderater Abgeltungssteuersatz eingeführt wird, positive Effekte für den deutschen<br />

Kapitalmarkt haben. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass mit den so genannten Drittstaaten,<br />

insbesondere der Schweiz, entsprechende Vereinbarungen über gleichwertige Maßnahmen<br />

getroffen werden.<br />

Trotz der Angleichung der St<strong>and</strong>ards für die Besteuerung privater Kapitalerträge auf europäischer<br />

Ebene können die nachteiligen Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs allein innerhalb der<br />

Europäischen Union und den sechs Drittstaaten voraussichtlich nicht befriedigend gelöst werden.<br />

Vielmehr müssen auch <strong>and</strong>ere Staaten der OECD einbezogen werden. Wie sich die Kapitalströme<br />

ab Inkrafttreten der Rechtsvorschriften entwickeln werden, bleibt abzuwarten.<br />

Mit Blick auf die Kapitalmärkte in Europa ist die Richtlinie keine optimale Lösung. Besser wäre<br />

eine moderate Abgeltungssteuer auf grenzüberschreitende Zinserträge gewesen, da sie den administrativen<br />

Aufw<strong>and</strong> in Grenzen gehalten hätte. Aus Sicht der Kapitalmärkte ist es außerdem<br />

inkonsistent, nur auf die Besteuerung grenzüberschreitender Zinserträge abzustellen, aber die<br />

Dividendenbesteuerung auszuklammern. Das kann steuerindizierte Konsequenzen auf Entscheidungen<br />

der Anleger haben.<br />

Am 10. Februar 1989 legte die EU-Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie über ein gemeinsames<br />

System einer Quellensteuer auf Zinsen vor. Die Beratungen wurden aufgrund des Widerst<strong>and</strong>s<br />

Luxemburgs, Großbritanniens und Deutschl<strong>and</strong>s suspendiert.<br />

Auf Initiative der Regierungen von Deutschl<strong>and</strong> und Belgien wurde die Frage einer EU-weiten<br />

Harmonisierung bei der Besteuerung von Zinserträgen im Mai 1993 erneut im Rat zur Diskussion<br />

gestellt. Nach einer weiteren Verh<strong>and</strong>lungspause ersuchte der ECOFIN-Rat die Kommission am<br />

1. Dezember 1997 um einen erneuten Richtlinienvorschlag. Die Kommission legte diesen am<br />

20. Mai 1998 vor.<br />

Am 19. und 20. Juni 2000 wurde auf dem EU-Gipfel in Portugal das Koexistenzmodell aufgegeben<br />

und eine Einigung über das Informationsmodell erzielt. Des Weiteren bestätigten die Staats- und<br />

Regierungschefs das so genannte Steuerpaket, wonach die Richtlinie über die Besteuerung von<br />

Zinserträgen nur gemeinsam mit dem Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung und der<br />

Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren gemeinsam verabschiedet werden sollen.<br />

Am 26./27. November 2000 einigten sich die Wirtschafts- und Finanzminister der EU auf die Eckpunkte<br />

der zukünftigen Richtlinie zur Besteuerung von Zinserträgen.<br />

Der neue auf dem Informationsmodell basierende Richtlinienvorschlag wurde am 18. Juli 2001 von<br />

der Kommission angenommen. Am 5. März 2002 verabschiedete der Europäische Rat für Wirtschaft<br />

und Finanzen ein St<strong>and</strong>ardformular für den Informationsaustausch. Das Europäische Parlament<br />

nahm am 14. März 2002 zu dem Richtlinienvorschlag Stellung. Am 21. Januar 2003 erzielten<br />

die Wirtschafts- und Finanzminister nach langen und schwierigen Verh<strong>and</strong>lungen eine politische<br />

277<br />

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E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

278<br />

Einigung. Am 3. Juni 2003 wurde die Richtlinie endgültig verabschiedet. Genehmigt wurde außerdem<br />

der Entwurf eines Abkommens mit der Schweiz, nachdem die EU-Kommission seit Anfang<br />

2001 mit wichtigen Drittländern Verh<strong>and</strong>lungen geführt hatte. Wesentliche Best<strong>and</strong>teile des<br />

Abkommens sind die Einführung einer Quellensteuer und einer freiwilligen Meldung an die Heimatsteuerbehörden<br />

sowie Amtshilfe auf Anfrage bei Steuerbetrug nach Schweizer Recht sowie<br />

ähnlich schwerwiegendem Fehlverhalten. Hierunter fällt jedoch nicht die einfache Steuerhinterziehung.<br />

Die Best<strong>and</strong>teile des Abkommens sind auch Grundlage für die Abkommen der EU mit den<br />

<strong>and</strong>eren Drittstaaten.<br />

Am 19. Juli 2004 hat der Ministerrat die Verschiebung des Zeitpunkts der Anwendung der Richtlinie<br />

vom 1. Januar 2005 auf den 1. Juli 2005 beschlossen. Grund für diese Verschiebung war, dass<br />

die Schweiz, mit der die Europäische Union das Abkommen über die Zinsbesteuerung am 25. Juni<br />

2004 unterzeichnet hatte, die Umsetzung der entsprechenden Vorschriften nicht bis Ende 2004<br />

zusichern konnte. In Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie ist vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten die<br />

Richtlinie nur dann anwenden müssen, wenn die Drittstaaten die entsprechenden Vorschriften<br />

zeitgleich anwenden. Die Abkommen mit den übrigen Staaten sind ebenfalls unterzeichnet worden.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie am 26. Januar 2004 verabschiedet<br />

und am 12. Februar 2004 im Bundesgesetzblatt verkündet.<br />

Am 7. Juni 2005 hat der Ministerrat festgestellt, dass die die Bestimmungen der Zinsrichtlinie wie<br />

vorgesehen am 1. Juli 2005 angewendet werden sollen.<br />

Gemäß Artikel 18 der Richtlinie berichtet die Kommission dem Rat alle drei Jahre über die Anwendung<br />

dieser Richtlinie und schlägt gegebenenfalls Änderungen vor. Die Kommission veröffentlichte<br />

ihren ersten Bericht am 15. September 2008.<br />

Die Europäische Kommission hat am 13. November 2008 einen Vorschlag zur Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie<br />

angenommen, um Schlupflöcher zu schließen und Steuerflucht besser zu verhindern.<br />

Durch den Kommissionsvorschlag soll die Richtlinie dadurch verbessert werden, dass die<br />

Besteuerung von Zinszahlungen, die durch zwischengeschaltete, steuerbefreite Strukturen geleitet<br />

werden, besser gewährleistet wird. Außerdem wird vorgeschlagen, den Anwendungsbereich der<br />

Richtlinie auf Einkünfte auszudehnen, die Zinsen aus Anlagen in bestimmten Finanzinnovationen<br />

sowie bestimmten Lebensversicherungsprodukten entsprechen. Der Richtlinienvorschlag wird im<br />

Ministerrat beraten (siehe eigenes Kapitel).


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2003/48/EG (Richtlinie) vom 03.06.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 157/38 vom 26.06.2003<br />

2004/66/EG (Richtlinie) vom 26.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 168/35 vom 01.05.2004<br />

2004/587/EG (Entscheidung) vom 19.07.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 257/7 vom 04.08.2004<br />

Berichtigung der Richtlinie 200/48/EG, Amtsblatt der EU Nr. L 103/41 vom 22.04.2005<br />

2006/98/EG (Richtlinie) vom 20.11.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 363/129 vom 20.12.2006<br />

279<br />

E


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E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. Richtlinie über die mehrwertsteuerliche Beh<strong>and</strong>lung<br />

bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen<br />

Richtlinie 2002/38/EG des Rates vom 7. Mai 2002 zur Änderung und vorübergehenden Änderung<br />

der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der mehrwertsteuerlichen Beh<strong>and</strong>lung der Rundfunk-<br />

und Fernsehdienstleistungen sowie bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen<br />

Inhalt<br />

280<br />

Durch die Änderung der Mehrwertsteuer-Richtlinie sollen elektronisch erbrachte Dienstleistungen<br />

(sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen), die aus Drittländern an Personen mit Sitz in der<br />

Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft an Empfänger mit Sitz in Drittländern erbracht werden,<br />

am Ort des Leistungsempfängers besteuert werden. Ziel ist die Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen<br />

für die Besteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs.<br />

Bisher waren auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen<br />

aus Drittländern, die sich Geschäftskunden und Privatleute in der Europäischen<br />

Gemeinschaft aus dem Internet herunterladen können, von der Mehrwertsteuer nicht erfasst.<br />

Dagegen wurden Güter, die im Internet gekauft werden, dann aber in herkömmlicher Weise geliefert<br />

werden, wie jede Art von Fernverkauf entsprechend mehrwertsteuerlich beh<strong>and</strong>elt.<br />

Anhang L der Richtlinie listet exemplarisch die auf elektronischem Wege erbrachten Dienstleistungen<br />

im Sinne der Richtlinie (Artikel 9 Absatz 2 e) auf. Aus Bankensicht dürften insbesondere die<br />

Bereitstellung von Bildern, Texten und Informationen sowie die Bereitstellung von Datenbanken<br />

(Nr. 3) von Interesse sein.<br />

Die neue Richtlinie beh<strong>and</strong>elt das Herunterladen von digitalen Inhalten steuerrechtlich nicht als<br />

Lieferung von Waren, sondern als Dienstleistung.<br />

Wirtschaftsbeteiligte aus Drittländern, die solche Dienstleistungen an Kunden in der Gemeinschaft<br />

erbringen, müssen die Mehrwertsteuerregeln in gleicher Weise anwenden wie EU-Unternehmen,<br />

d. h. die Mehrwertsteuer auf Verkäufe an Endverbraucher in der Gemeinschaft ist in<br />

Rechnung zu stellen und abzuführen. Dazu müssen sich Unternehmen aus Drittstaaten, die Dienstleistungen<br />

mit digitalen Inhalten an Endverbraucher in der Gemeinschaft liefern, in einem L<strong>and</strong><br />

ihrer Wahl innerhalb der Gemeinschaft registrieren lassen.<br />

Die Richtlinie gilt nur für digitale Dienstleistungen an private Verbraucher in der Gemeinschaft. Bei<br />

Umsätzen zwischen Unternehmen erfolgt dagegen die Besteuerung wie bisher im Wege der<br />

Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, d. h. der Kunde (bzw. das Unternehmen) führt die Mehrwertsteuer<br />

entsprechend den Sätzen in seinem Heimatl<strong>and</strong> ab. Bei Privatkunden sind demgegenüber<br />

die Steuersätze im Sitzl<strong>and</strong> des Anbieters maßgeblich.<br />

Die neue Richtlinie hat zur Folge, dass Online-Dienstleistungen von EU-Unternehmen an Kunden<br />

außerhalb der Gemeinschaft von der Mehrwertsteuer befreit sind.<br />

Gleichzeitig wurde die Verordnung Nr. 218/92 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden<br />

auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung geändert, um den Austausch von Informationen zwischen<br />

den Mitgliedstaaten zu verbessern.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Zwar setzen die Regelungen in der Richtlinie einen rechtlichen Rahmen für die mehrwertsteuerliche<br />

Beh<strong>and</strong>lung von Umsätzen aus dem elektronischen Geschäftsverkehr und beseitigen damit de<br />

jure Ungleichbeh<strong>and</strong>lungen zwischen EU- und Nicht-EU-Anbietern sowie von Online- und Offline-<br />

Umsätzen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass de facto nur wenige Unternehmen der Registrierungspflicht<br />

innerhalb der EU nachkommen und damit die Richtlinie faktisch wirkungslos wäre, da<br />

die Befolgung der Registrierungspflicht nur von den Vertragspartnern abhängt und nur schwer zu<br />

überprüfen sein dürfte.<br />

Für wirksame Regelungen über die Besteuerung elektronisch erbrachter Dienstleistungen wären<br />

Anstrengungen auf globaler Ebene in den entsprechenden Organisationen (z. B. WTO) notwendig.<br />

Eine einseitig von Europa vorgegebene Lösung hat wenig Aussicht auf Erfolg.<br />

Verfahren<br />

Am 7. Juni 2000 veröffentlichte die EU-Kommission den Richtlinienvorschlag zur Anpassung der<br />

Mehrwertsteuerrichtlinie. Das Europäische Parlament schlug in seiner Stellungnahme in erster<br />

Lesung am 14. Dezember 2000 einige Änderungen vor. Daraufhin wurde nach Stellungnahme der<br />

Europäischen Kommission ein Erstattungssystem zwischen den Mitgliedstaaten eingerichtet,<br />

damit das Wohnsitzl<strong>and</strong> des Käufers der elektronischen Dienstleistung die Einnahmen erhält. Der<br />

Europäische Rat konnte sich im Dezember 2001 grundsätzlich auf die Eckpunkte der Richtlinie verständigen<br />

und erzielte am 12. Februar 2002 eine politische Einigung. Formell wurde die Änderung<br />

der Mehrwertsteuerrichtlinie und der Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden<br />

auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung am 7. Mai 2002 angenommen. Die Mitgliedstaaten<br />

sind verpflichtet, die entsprechenden nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis 1. Juli<br />

2003 an die Bestimmungen der Richtlinie anzupassen. Deutschl<strong>and</strong> ist dieser Verpflichtung durch<br />

die Einführung einer Sonderregelung (§ 18 Abs. 4 c und 4 d Umsatzsteuergesetz) nachgekommen,<br />

die am 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist.<br />

Die Regelungen sind auf 3 Jahre befristet. Der Europäische Rat musste auf der Grundlage eines<br />

Berichts der Europäischen Kommission bis spätestens 30. Juni 2006 die Bestimmungen der Richtlinie<br />

überprüfen und über eine zeitliche Verlängerung oder ein endgültiges Mehrwertsteuersystem<br />

für elektronische Dienstleistungen entscheiden. Am 15. Mai 2006 hat die Kommission einen<br />

Bericht vorgelegt, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass eine Nichtverlängerung der Geltungsdauer<br />

der Richtlinie erhebliche negative Auswirkungen auf alle Beteiligten hätte.<br />

Mit der Richtlinie des Rates 2006/58/EG vom 27. Juni 2006, der Richtlinie des Rates 2006/138/EG<br />

vom 19. Dezember 2006 und der Richtlinie des Rates 2008/8/EG vom 12. Februar 2008 wurden<br />

diese Mehrwertsteuerregeln bis zum 31. Dezember 2009 verlängert. Aus der Richtlinie 2008/8/EG<br />

geht hervor, dass die durch die Richtlinie 2002/38/EG eingeführten Regelungen vom 1. Januar<br />

2010 an dauerhaft verlängert werden.<br />

Referenz<br />

2002/38/EG (Richtlinie) vom 07.05.2002, Amtsblatt der EU Nr. L 128/41<br />

792/2002/EG (Verordnung) vom 07.05.2002, Amtsblatt der EU Nr. L 128/1 vom 15.05.2002<br />

2006/58/EG (Richtlinie) vom 27.06.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 174/5 vom 28.06.2006<br />

2006/138/EG (Richtlinie) vom 19.12.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 384/92 vom 29.12.2006<br />

2008/8/EG (Richtlinie) vom 12.02.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 44/11 vom 20.02.2008<br />

281<br />

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E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

6. Richtlinie Zinsen und Lizenzgebühren<br />

Richtlinie 2003/49/EG des Rates über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von<br />

Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

282<br />

Ziel der Richtlinie ist die Vermeidung von Verwaltungsaufw<strong>and</strong>, Cash-Flow-Nachteilen sowie der<br />

Doppelbesteuerungen für Zinsen und Lizenzgebühren grenzüberschreitend tätiger Unternehmen.<br />

Die Richtlinie sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat gewerbliche Einkünfte aus Zinsen und Lizenzgebühren<br />

von den in seinem Hoheitsbereich erhobenen Steuern – unabhängig davon, ob sie an der<br />

Quelle einbehalten oder durch Veranlagung erhoben werden – befreit, wenn diese zwischen verbundenen<br />

Unternehmen grenzüberschreitend gezahlt werden. Die Einkünfte aus Zinsen und Lizenzgebühren<br />

sollen allein in demjenigen Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sie anfallen.<br />

Als verbundene Unternehmen werden Unternehmen mit einer Beteiligung von bis zu 25 Prozent<br />

betrachtet. Auch unselbständige Betriebsteile eines Unternehmens, die steuerlich als eigene Einheit<br />

(Betriebsstätte) beh<strong>and</strong>elt werden, sind einbezogen.<br />

Am 11. November 2011 verabschiedete die Kommission einen Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie.<br />

Der Anwendungsbereich soll durch eine Erweiterung der Liste der Rechtsformen, auf die die<br />

Richtlinie Anwendung findet, erweitert werden. Die Anforderungen an die Anteilseignerschaft<br />

sollen herabgesetzt werden. Gesellschaften sollen nunmehr ab einer direkten oder indirekten<br />

Beteiligung von 10 Prozent als verbunden gelten. In einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in<br />

Form von Zinsen oder Lizenzgebühren sind steuerbefreit, falls sie in dem Mitgliedstaat, in dem der<br />

Nutzungsberechtigte ansässig ist, einer Besteuerung unterliegen.<br />

Die Richtlinie wird zur Vermeidung von Verwaltungsaufw<strong>and</strong> und Doppelbesteuerungen grundsätzlich<br />

begrüßt.<br />

Insbesondere steht die Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Zinsen und Lizenzgebühren im<br />

Widerspruch zur Zweiten Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie. Diese sieht u. a. die Öffnung der<br />

nationalen Märkte für alle in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union angesiedelten Unternehmen<br />

vor und garantiert außerdem die ungehinderte Erbringung von Finanzdienstleistungen.<br />

Durch Umsetzung der Richtlinie können Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden, die durch<br />

die gegenwärtig noch praktizierten Doppelbesteuerungen der Zinsen und Lizenzgebühren grenzüberschreitend<br />

tätiger Unternehmen entstehen.<br />

Gleichwohl erscheint der Anwendungsbereich der Richtlinie noch zu eng. Wünschenswert wäre<br />

die uneingeschränkte Ausdehnung der Richtlinie auf alle zwischen Unternehmen vorgenommenen<br />

Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Die Europäische Kommission legte im Jahre 1990 einen Richtlinienvorschlag zur steuerlichen<br />

Beh<strong>and</strong>lung von Zinsen und Lizenzgebühren vor. Nachdem hierzu im Rat keine Einigung erzielt<br />

wurde, zog die Kommission den Vorschlag 1994 wieder zurück.<br />

Am 1. Dezember 1997 forderte der ECOFIN-Rat die Kommission zur Vorlage eines neuen Richtlinienvorschlages<br />

auf, den die Kommission am 4. März 1998 vorlegte.<br />

Belgien, Italien und Portugal hatten auf dem ECOFIN-Rat vom 1. Dezember 1997 erklärt, dass sie<br />

ihre Zustimmung erst nach Verabschiedung einer Richtlinie über die Besteuerung von Zinserträgen<br />

(Quellensteuer) erteilen werden. Im Mai 1999 konnte sich der Rat auf die wesentlichen Punkte<br />

einigen. Seither wurden auch eine Reihe technischer Punkte geklärt. Allerdings hatten Griechenl<strong>and</strong>,<br />

Spanien und Portugal bestimmte Übergangsregeln beantragt, über die in der Arbeitsgruppe<br />

noch keine Einigung erzielt werden konnte.<br />

Der EU-Gipfel im Juni 2000 in Portugal bestätigte die Unteilbarkeit des Steuerpakets. Dies bedeutet,<br />

dass die Richtlinie über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und<br />

Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten nur zeitgleich<br />

mit der Richtlinie über die Zinsbesteuerung und dem Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung<br />

verabschiedet werden kann.<br />

Am 3. Juni 2003 verabschiedete der Rat das gesamte Steuerpaket, somit auch die Richtlinie Zinsen<br />

und Lizenzgebühren. Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie zum 1. Januar 2004 in nationale<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften umsetzen, wobei Spanien, Portugal und Griechenl<strong>and</strong> Übergangszeiten<br />

gewährt wurden. Der Ministerrat hat am 26. April 2004 wegen des Beitritts neuer<br />

Mitgliedstaaten Änderungen der Richtlinie beschlossen.<br />

Die Richtlinie ist in Deutschl<strong>and</strong> durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG) vom<br />

9. Dezember 2004 umgesetzt worden.<br />

Im Juni 2006 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Untersuchung über die Umsetzung<br />

der Richtlinie. Die vom „International Bureau of Fiscal Documentation“ (IBFD) erstellte Studie vermittelt<br />

einen umfassenden Überblick der Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten und der<br />

Anwendung von Artikel 15 Absatz 2 des Abkommens zwischen der EU und der Schweiz. Die Studie<br />

kommt zu dem Schluss, dass die Richtlinie im Allgemeinen rechtzeitig von den Mitgliedstaaten<br />

umgesetzt wurde, dass aber Unterschiede bei der Auslegung von zentralen Bestimmungen der<br />

Richtlinie bestehen.<br />

Am 23. April 2009 hat die Kommission einen Bericht über das Funktionieren der Richtlinie über<br />

Zinsen und Lizenzgebühren angenommen. Dieser Bericht war ursprünglich zur Vorlage an den Rat<br />

bis 31. Dezember 2006 vorgesehen, aber die Diskussionen im Rat über den oben erwähnten Änderungsvorschlag<br />

der Richtlinie veranlassten eine Verschiebung. Der Bericht beh<strong>and</strong>elt eine Reihe<br />

von Fragen zur Umsetzung und Anwendung der Richtlinie. Er identifiziert Möglichkeiten für Verbesserungen<br />

oder Klarstellungen wie die Feststellung des Sitzes für Steuerzwecke eines Zahlungsempfängers,<br />

Beteiligungsschwellenwerte und Mindesthaltefristen als Voraussetzung für die<br />

Beh<strong>and</strong>lung als assoziiertes Unternehmen, Wechselwirkungen zwischen der Mutter–Tochter<br />

Richtlinie und der Zinsen- und Lizenzgebührenrichtlinie sowie die Anwendung von Anti-Missbrauchsregelungen.<br />

Der Rat hat bislang noch keine entsprechenden Schlussfolgerungen angenommen.<br />

283<br />

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E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

284<br />

Vom 26. Juli 2010 bis zum 31. Oktober 2010 konsultierte die Europäische Kommission zur Vorbereitung<br />

der Überarbeitung der Richtlinie. Gegenst<strong>and</strong> der Konsultation war die Ausweitung des<br />

Anwendungsbereichs der Richtlinie auf weitere Gesellschaftsrechtsformen, eine Herabsetzung<br />

des Schwellenwertes, ab dem Unternehmen als „verbunden“ gelten, die Berücksichtigung mittelbarer<br />

Beteiligungen bei der Berechnung der Gesamtbeteiligung, sowie alternativ die Ausweitung<br />

der Befreiung auf Zahlungen zwischen nicht verbundenen Parteien.<br />

Am 11. November legte die Kommission einen Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie über Zinsen<br />

und Lizenzgebühren vor. Der Vorschlag wird derzeit im Ministerrat erörtert.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2003/49/EG (Richtlinie) vom 03.06.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 157/49 vom 26.06.2003<br />

2004/66/EG (Richtlinie) vom 26.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 168/35 vom 01.05.2004<br />

2004/76/EG (Richtlinie) vom 29.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 157/33 vom 30.04.2004<br />

KOM (2009) 179 (Bericht) vom 23.04.2009 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 714 (Richtlinienvorschlag) vom 11.11.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

285<br />

E


E<br />

E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

7. Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe bei der<br />

Beitreibung im Bereich der direkten Steuern<br />

(EU-Beitreibungsrichtlinie)<br />

Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von<br />

Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

286<br />

Die Richtlinie über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf Steuern, Abgaben<br />

und sonstige Maßnahmen soll dazu beitragen, dass sich die Mitgliedstaaten in diesen Fällen<br />

besser unterstützen können. Es wird erwartet, dass sich der Anteil der beigetriebenen Steuern, für<br />

die Amtshilfe beantragt wird, erhöht. Der Anteil betrug laut Europäischer Kommission bei Vorlage<br />

des Gesetzgebungsvorschlags schätzungsweise 5 Prozent der gesamten Steuerschuld.<br />

Die Richtlinie regelt insbesondere, dass<br />

■ alle von den Mitgliedstaaten und ihren Gebietskörperschaften erhobenen Steuern und Abgaben<br />

sowie die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einbezogen werden,<br />

■ der spontane Informationsaustausch über Steuererstattungen nationaler Steuerbehörden an<br />

Gebietsfremde verbindlich vorgeschrieben wird,<br />

■ Behördenvertretern eines L<strong>and</strong>es gestattet wird, sich aktiv an behördlichen Ermittlungen im<br />

Hoheitsgebiet eines <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>es zu beteiligen,<br />

■ gestattet wird, dass die Amtshilfe in einem frühen Stadium des Beitreibungsverfahrens beantragt<br />

wird, wenn sich hierdurch die Erfolgsaussichten verbessern,<br />

■ die Verfahren zur Beantragung oder Leistung von Amtshilfe vereinfacht und rationalisiert werden.<br />

Erleichterungen bei der Amtshilfe oder gegenseitigen behördlichen Unterstützung bei der Eintreibung<br />

von Steuerforderungen werden begrüßt.


E. STEUERN<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Mitgliedstaaten leisteten auf Grundlage von Richtlinie 76/308/EWG seit 1976 gegenseitige<br />

Amtshilfe zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Die Richtlinie wurde durch Richtlinie 2008/55/<br />

EG kodifiziert.<br />

Am 2. Februar 2009 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag über<br />

die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern<br />

und sonstige Maßnahmen (KOM (2009) 28 endgültig) zusammen mit einem Vorschlag für eine<br />

Richtlinie über die gegenseitige Unterstützung bei Steuerveranlagungen. Die Richtlinie dient der<br />

Neuregelung sowie der Aufhebung von Richtlinie 2008/55/EG.<br />

Am 10. Februar 2010 legte das Europäische Parlament, das in diesem Fall nicht mitentscheidungsbefugt<br />

ist, seine Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag vor.<br />

Die Richtlinie wurde vom Rat am 16. März 2010 angenommen und am 31. März 2010 im Amtsblatt<br />

veröffentlicht.<br />

Die Richtlinie wurde in Deutschl<strong>and</strong> durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie<br />

sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrR-<br />

LUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2592) in nationales Recht umgesetzt.<br />

1976/308/EWG (Richtlinie) vom 15.03.1976, Amtsblatt der EU Nr. L 73/18 vom 19.03.1976<br />

2008/55/EG (Richtlinie) vom 26.05.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 150/28 vom 10.06.2008 (Kodifizierung)<br />

(aufgehoben ab 01.01.2012)<br />

2010/24/EU (Richtlinie) vom 16.03.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 84/1 vom 31.03.2010<br />

287<br />

E


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E. STEUERN<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

1. Richtlinie über die gegenseitige Unterstützung bei<br />

Steuerveranlagungen (EU-Amtshilferichtlinie)<br />

Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden<br />

im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG<br />

Inhalt<br />

288<br />

Die Richtlinie ist eine der Maßnahmen der EU zur Durchführung der 2006 beschlossenen Strategie<br />

zur Bekämpfung von Steuerbetrug. Sie soll sicherstellen, dass der OECD-St<strong>and</strong>ard für den Informationsaustausch<br />

auf Anfrage in der EU einheitlich umgesetzt wird. Ein Mitgliedstaat soll von der<br />

Informationsweitergabe bezüglich eines Steuerpflichtigen an einen <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat nicht<br />

dadurch abgehalten werden, dass die benötigte Information nur von einer Bank oder einem Finanzinstitut<br />

erteilt werden kann. Insofern unterscheidet die Richtlinie zwischen dem Schutz des steuerlichen<br />

Bankgeheimnisses und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen.<br />

Die Richtlinie gilt für Steuern aller Art, die von einem Mitgliedstaat bzw. von gebiets- oder verwaltungsmäßigen<br />

Gliederungseinheiten eines Mitgliedstaates, einschließlich der lokalen Behörden,<br />

erhoben werden. Ausgenommen sind indirekte Steuern, die bereits in den Rechtsvorschriften der<br />

Union über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten erfasst sind.<br />

Die Richtlinie fordert die Benennung eines zentralen Verbindungsbüros sowie von Verbindungsstellen<br />

und Bediensteten, die für die Kontakte mit <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten zuständig sind.<br />

Instrumente des Auskunftsverkehrs sind Ersuchensauskünfte, automatische Auskünfte und Spontanauskünfte.<br />

Als sonstige Form der Zusammenarbeit wird die Teilnahme von ausländischen<br />

Beamten bei behördlichen Untersuchungen geregelt.<br />

Die Richtlinie benennt bestimmte Kriterien, die in einer Anfrage enthalten sein müssen, wie etwa<br />

die Identität der Person und der konkrete steuerliche Hintergrund, für den die Information benötigt<br />

wird. Informationen müssen innerhalb einer bestimmten Frist gegeben und Anfragen beantwortet<br />

werden. So ist z. B. ein Auskunftsersuchen „möglichst rasch, spätestens jedoch sechs Monate<br />

nach dem Eingang des Ersuchens zu beantworten. Auskunftsersuche und Spontanauskünfte sollen<br />

zukünftig über St<strong>and</strong>ardformblätter und im Rahmen eines gemeinsamen Kommunikationsnetzwerkes<br />

erfolgen. Zur Vermeidung von Übersetzungsaufw<strong>and</strong> können ersuchte und ersuchende Behörde<br />

eine Sprache vereinbaren, in der ein Ersuchen abgefasst wird.<br />

Die Richtlinie zielt darauf ab, in acht Einkunftsarten schrittweise zum automatischen Informationsaustausch<br />

überzugehen. Ab 2015 müssen die Mitgliedstaaten dies für fünf Einkunftsarten sicherstellen,<br />

sofern die Information zur Verfügung steht. Dividenden, Lizenzen und Gewinne aus der<br />

Veräußerung von Vermögen sind vorerst nicht umfasst. Nach dem 1. Juli 2017 soll die Europäische<br />

Kommission einen Erfahrungsbericht fertigen und gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag<br />

vorlegen, durch den das Kriterium des Zurverfügungstehens gestrichen wird und die Einkunftsarten<br />

von fünf auf acht ausgedehnt werden. Die Richtlinie muss bis zum 1. Januar 2013 in nationales<br />

Recht umgesetzt werden.


E. STEUERN<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Erleichterungen bei der Amtshilfe oder gegenseitigen behördlichen Unterstützung bei der Eintreibung<br />

von Steuerforderungen werden begrüßt.<br />

Mit Richtlinie 77/799/EWG hatte die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die gegenseitige<br />

Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern geregelt.<br />

Zwischen 1979 und 2007 erfuhr die Richtlinie verschiedene Änderungen.<br />

Am 2. Februar 2009 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag über<br />

die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der<br />

Richtlinie 77/799/EWG (KOM (2009) 29) zusammen mit einem Vorschlag für eine Richtlinie über die<br />

gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern.<br />

Am 10. Februar 2010 legte das Europäische Parlament, das in diesem Fall nicht mitentscheidungsbefugt<br />

ist, seine Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag vor.<br />

Die Richtlinie wurde vom Rat am 15. Februar 2011 angenommen und am 11. März 2011 im Amtsblatt<br />

veröffentlicht.<br />

Die Richtlinie muss bis zum 1. Januar 2013 in nationales Recht umgesetzt werden, was in Deutschl<strong>and</strong><br />

durch das EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) erfolgen wird im Rahmen des Jahressteuergesetzes<br />

2013.<br />

77/799/EWG (Richtlinie) vom 19.12.1977, Amtsblatt der EU Nr. L336/15 vom 27.12.1977 (aufgehoben<br />

ab 01.01.2013)<br />

2011/16/EU (Richtlinie) vom 15.02.2011, Amtsblatt der EU Nr. L64/1 vom 11.03.2011<br />

289<br />

E


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E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

1. Richtlinie zur Modernisierung der MwSt. für<br />

Finanzdienstleistungen<br />

Vorschlag für eine Richtlinie zur Modernisierung und Vereinfachung der MwSt.-Vorschriften<br />

für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen<br />

Inhalt<br />

290<br />

Ziele des Richtlinienvorschlages sind die Modernisierung und Vereinfachung der komplexen<br />

MwSt.-Vorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen aus dem Jahre 1977, die generell<br />

von der Mehrwertsteuer befreit sind. Der Vorschlag mit seinen überarbeiteten Definitionen der<br />

steuerbefreiten Dienstleistungen soll den Mitgliedstaaten sowie Kreditinstituten und Versicherungsgesellschaften<br />

mehr Rechtssicherheit verschaffen. Ferner wird die Steuerbefreiung bei<br />

Zusammenschlüssen zur Kostenteilung geklärt und ausgeweitet.<br />

Mit dem Vorschlag verfolgt die Kommission drei Ziele:<br />

■ Erhöhung der Rechtssicherheit für alle Beteiligten im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen<br />

sowie für die nationalen Steuerverwaltungen.<br />

■ Einheitliche Anwendung der Mehrwertsteuer und Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen<br />

im Binnenmarkt.<br />

■ Die Unternehmen sollen die Auswirkung der nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuer auf ihre<br />

Tätigkeiten besser beherrschen können.<br />

Zur Erreichung dieser Ziele sieht der Vorschlag drei Maßnahmen vor:<br />

■ Neudefinition der steuerbefreiten Dienstleistungen. Dem Richtlinienvorschlag ist ein Vorschlag<br />

für eine Verordnung beigefügt, in dem die Definition steuerbefreiter Dienstleistungen erweitert<br />

wird. Diese Verordnung wird in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten.<br />

■ Banken und Versicherungsgesellschaften können sich für eine Besteuerung ihrer Dienstleistungen<br />

entscheiden. Diese bereits in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Möglichkeit liegt<br />

zurzeit noch im Ermessen der Mitgliedstaaten. Sie wird nicht oft in Anspruch genommen. Da<br />

die begrenzte Inanspruchnahme jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann, sollte die<br />

Möglichkeit, sich für eine Steuerbefreiung zu entscheiden, in der gesamten Gemeinschaft<br />

gleichermaßen bestehen. Auf diese Weise können Banken und Versicherungsgesellschaften<br />

insbesondere bei Geschäftsvorgängen unterein<strong>and</strong>er den Anteil der nicht erstattungsfähigen<br />

Vorsteuer reduzieren. Mehrwertsteuerpflichtige Kunden von Banken und Versicherungsgesellschaften<br />

können ihre Kosten ebenfalls senken, weil sie die Mehrwertsteuer auf Finanz- und<br />

Versicherungsdienstleistungen abziehen können.<br />

■ Einführung einer branchenspezifischen MwSt.-Befreiung bei (auch grenzüberschreitenden)<br />

Kostenteilungsvereinbarungen. Auf diese Weise können Banken und Versicherungsgesellschaften<br />

Tätigkeiten zusammenlegen und Kosten zwischen den Mitgliedern der Gruppe teilen,<br />

ohne dass zusätzlich nicht abzugsfähige Mehrwertsteuer anfällt.


E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der VÖB begrüßt die Initiative der Kommission zur Modernisierung der Umsatzbesteuerung von<br />

Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, da die Produkte und Vertriebsstrukturen einem ständigen<br />

W<strong>and</strong>el unterliegen. Seit Einführung der Mehrwertsteuerrichtlinie sind eine Reihe neuer<br />

Finanzprodukte entwickelt worden, deren umsatzsteuerliche Beurteilung nicht zweifelsfrei unter<br />

Artikel 135 der Richtlinie subsumiert werden kann. Ferner besteht aus betriebswirtschaftlichen<br />

Gründen ein zunehmendes Interesse, Betriebsabteilungen in selbständige juristische Einheiten<br />

auszugliedern. Die Richtlinie trägt diesen Entwicklungen nicht mehr Rechnung, so dass zahlreiche<br />

Fälle vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden müssen.<br />

Der VÖB fordert eine größere Rechtssicherheit im Bereich der Umsatzbesteuerung der Finanzdienstleistungen<br />

und die Gewährleistung der Neutralität der Umsatzsteuer für die Kreditwirtschaft.<br />

Die Vorschläge der Kommission sind ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings sind<br />

Verbesserungen und Klarstellungen für den gesamten Derivatebereich, das sog. Outsourcing und<br />

die Vermittlung von Finanzprodukten notwendig.<br />

In einer Mitteilung vom 23. Mai 2001 hat die Kommission die Prioritäten der Steuerpolitik in der EU<br />

vorgestellt und angekündigt, auch bei der Mehrwertsteuer auf Finanzdienstleistungen tätig zu<br />

werden.<br />

2005 gab die Kommission eine Studie betreffend MwSt.-Befreiung für Finanzdienstleistungen in<br />

Auftrag.<br />

Die Kommission legte im März 2006 ein Konsultationspapier zur Modernisierung der Mehrwertsteuerpflichten<br />

für Finanzdienstleistungen und Versicherungsleistungen vor. In dem Konsultationspapier<br />

erläutert die Kommission die Gründe für die Notwendigkeit einer Überarbeitung der 6.<br />

MwSt.-Richtlinie und analysiert die verschiedenen Problemfelder (Outsourcing von Tätigkeiten;<br />

Pooling, d. h. die Zusammenführung von Aktivitäten mit der Absicht der Kostenteilung; Subcontracting,<br />

d. h. Subunternehmerleistungen; Offshoring, d. h. Verlagerung in Drittländer). Ferner untersucht<br />

sie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten: Einführung eines Nullsteuersatzes<br />

für an <strong>and</strong>ere steuerpflichtige Personen erbrachte Finanzdienstleistungen,<br />

Ausweitung der Steuerbefreiungen auf Dienstleistungen <strong>and</strong>erer Unternehmer, die diese an<br />

Finanzdienstleister erbringen; pauschaler Mehrwertsteuerabzug auf Grundlage eines festen Prozentsatzes<br />

für eine festgelegte Liste von Eingangsleistungen; Schaffung grenzüberschreitender<br />

Organschaften; einheitlich begrenzte Option zum Mehrwertsteuerabzug.<br />

Am 28. November 2007 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Modernisierung<br />

und Vereinfachung der MwSt.-Vorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen vor.<br />

Der Richtlinienvorschlag wird noch im Ministerrat beraten.<br />

KOM (2007) 746 (Verordnungsvorschlag) vom 28.11.2007 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2007) 747 (Richtlinienvorschlag) vom 28.11.2007 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

291<br />

E


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E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

2. Richtlinie zur Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie<br />

Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

292<br />

Ziel des Richtlinienvorschlages ist es, Steuerflucht zu verhindern und sog. Schlupflöcher der derzeitigen<br />

Richtlinie zu schließen. Bei der ersten Überprüfung der Richtlinie hat sich herausgestellt,<br />

dass natürliche Personen die Vorschriften durch zwischengeschaltete juristische Personen oder<br />

durch Rechtsvereinbarungen (z. B. Stiftungen oder Trusts), deren Einkünfte nicht besteuert werden,<br />

umgehen können.<br />

In Bezug auf Zinszahlungen, die in der EU niedergelassene Zahlstellen (Banken, Finanzinstitute,<br />

Einzelpersonen der Branche usw.) an bestimmte zwischengeschaltete, außerhalb der EU niedergelassene<br />

Strukturen leisten, schlägt die Kommission vor, dass die Zahlstellen in der EU bei der<br />

Zahlung an die zwischengeschaltete Struktur die Bestimmungen der Zinsbesteuerungsrichtlinie<br />

(Auskunftserteilung oder Quellensteuer) so anwenden, als ob die Zahlung unmittelbar an die natürliche<br />

Person erfolgt wäre.<br />

Was Zinszahlungen an bestimmte, in der EU niedergelassene zwischengeschaltete Strukturen<br />

(Trusts und Stiftungen) anbelangt, sollen solche Strukturen verpflichtet werden, stets als „Zahlstelle<br />

kraft Vereinnahmung“ zu h<strong>and</strong>eln. Das bedeutet, dass diese Strukturen bei Vereinnahmung<br />

einer Zinszahlung von Seiten eines vorgeschalteten Wirtschaftsbeteiligten (Bank, Finanzinstitut,<br />

Einzelperson der Branche) unabhängig vom Ort ihrer Niederlassung und ungeachtet der effektiven<br />

Verteilung von Beträgen an die einzelnen wirtschaftlichen Eigentümer die Bestimmungen der<br />

Richtlinie (Auskunftserteilung oder Quellensteuer) anwenden müssen. Die vorgeschlagene Definition<br />

der „Zahlstelle kraft Vereinnahmung“ schließt alle Einrichtungen und Rechtsvereinbarungen<br />

(Trusts, Stiftungen usw.) ein, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig bzw. niedergelassen<br />

sind, nicht nach den allgemeinen Vorschriften für direkte Steuern besteuert werden.<br />

Ferner schlägt die Kommission vor, den Anwendungsbereich der Richtlinie zu erweitern. So sollen<br />

Erträge aus Wertpapieren, die Forderungen entsprechen (weil das Kapital geschützt ist und die<br />

Rendite bei der Ausgabe festgelegt wurde), und bestimmte Lebensversicherungsverträge der<br />

Richtlinie unterliegen. Des Weiteren zielt der Kommissionsvorschlag darauf ab, zwischen allen<br />

Investmentfonds und -systemen unabhängig von ihrer Rechtsform gleiche Voraussetzungen zu<br />

schaffen. Das bedeutet, dass Einkünfte, die in der EU ansässige natürliche Personen aus solchen<br />

Investmentfonds erzielen, effektiv besteuert werden.<br />

Der VÖB begrüßt die Revision der Zinsrichtlinie und begleitet intensiv ihre Weiterentwicklung. Für<br />

besonders wichtig halten wir die unterschiedslose Anwendung der herkömmlichen Instrumente<br />

der Richtlinie in den Mitgliedstaaten, um eine gleichmäßige Verwaltungspraxis europaweit zu<br />

gewährleisten. Positiv ist das Vorhaben zu werten, Rechts- und Anwendungsklarheit durch die<br />

Verwendung von länderspezifischen Anhängen zur Richtlinie zu verwenden, die der allgemeinverbindlichen<br />

Festlegung von Begriffen dienen. Kritisch sehen wir den Ansatz, in den Kreditinstituten


E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

gesammelte Daten aus der Anwendung der Geldwäscherichtlinie für Zwecke der Zinsrichtlinie<br />

verpflichtend vorschreiben zu wollen. Es gilt generell, die Bürokratielasten für die Zahlstellen<br />

gering zu halten. Unsere Vorschläge bei den Konsultationsverfahren gehen dahin, die Anwendung<br />

für die mit der Umsetzung betrauten Kreditinstitute h<strong>and</strong>habbar zu machen und Auslegungsfragen<br />

zu eliminieren.<br />

Die Zinsbesteuerungsrichtlinie 2003/48/EG wurde am 3. Juni 2003 verabschiedet und wird von<br />

allen Mitgliedstaaten seit dem 1. Juli 2005 angew<strong>and</strong>t.<br />

Die Richtlinie sieht vor, dass die Kommission alle drei Jahre die Anwendung der Richtlinie untersucht<br />

(Artikel 18 RL 2003/48/EG). Am 15. September 2008 veröffentlichte die Kommission ihren<br />

ersten Bericht zur Anwendung der Richtlinie. Aus dem Bericht geht hervor, dass sich die Richtlinie<br />

in den Grenzen ihres Anwendungsbereiches als wirksam erwiesen hat. Allerdings habe sich<br />

gezeigt, dass der Anwendungsbereich zu begrenzt sei, um die allgemeinen Ziele zu erreichen.<br />

Am 13. November 2008 legte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Zinsbesteuerungsrichtlinie<br />

vor.<br />

Das Europäische Parlament, das in diesem Fall nicht mitentscheidungsbefugt ist, hat seine Stellungnahme<br />

zum Gesetzgebungsvorschlag am 24. April 2009 abgegeben.<br />

Der Vorschlag wird auf Ratsebene aufbauend auf die einstimmig angenommenen Schlussfolgerungen<br />

des Rates vom 2. Dezember 2008 und vom 9. Juni 2009 noch erörtert.<br />

Im Anschluss an die erneute turnusmäßige Überprüfung der Richtlinie verabschiedete die Kommission<br />

am 2. März 2012 einen zweiten Bericht an den Rat. Die Kommission kommt u. a. zu dem<br />

Ergebnis, dass die Nutzung von Offshore-Gebieten durch Intermediäre weitverbreitet ist und die<br />

Schlüsselmärkte für die mit Schuldforderungen vergleichbaren Produkte wachsen. Zudem würden<br />

bestimmte Vorschriften der Richtlinie weiterhin von den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt<br />

werden.<br />

In der Mitteilung „Konkrete Maßnahmen, um die Bekämpfung gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung,<br />

auch in Bezug auf Drittländer, zu verstärken“ vom 27. Juni 2012 fordert die Kommission<br />

u. a. den Rat auf, den Änderungsvorschlag nunmehr zügig zu verabschieden. Zudem kündigt sie für<br />

Ende 2012 einen Aktionsplan an sowie eine gesetzgeberische Initiative zu „Steueroasen und<br />

aggressiver Steuerplanung“.<br />

KOM (2008) 727 (Richtlinienvorschlag) vom 13.11.2008 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2012) 65 (Bericht) vom 02.03.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2012) 351 (Mitteilung) vom 27.06.2012 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

293<br />

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E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

3. Richtlinie über eine Gemeinsame konsolidierte<br />

Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage<br />

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage<br />

(GKKB)<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

294<br />

Ziel des Richtlinienvorschlags für eine GKKB ist die Schaffung eines Regelwerks für die einheitliche<br />

Berechnung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für in der Europäischen Union<br />

grenzüberschreitend tätige Unternehmen.<br />

Ausgangspunkt der Ausarbeitung des Richtlinienvorschlags war, dass grenzüberschreitend tätige<br />

Unternehmen sich bei der Berechnung ihrer Steuerbemessungsgrundlagen nach bis zu 27 unterschiedlichen<br />

Regelwerken richten und mit bis zu 27 Steuerverwaltungen zusammenarbeiten müssen.<br />

Zudem wenden sie mit der Ermittlung von Verrechnungspreisen für die Besteuerung ihrer<br />

gruppeninternen Transaktionen ein komplexes System an. Die in einem Mitgliedstaat entst<strong>and</strong>enen<br />

Verluste können nicht mit Gewinnen ausgeglichen werden, die in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat<br />

erzielt werden. Größeren Unternehmen entstehen dadurch hohe Kosten und Komplikationen.<br />

Kleine Unternehmen nehmen häufig ganz davon Abst<strong>and</strong>, in der EU zu exp<strong>and</strong>ieren.<br />

Eine gemeinsame, konsolidierte Bemessungsgrundlage würde Verwaltungsaufw<strong>and</strong>, Befolgungskosten<br />

und Rechtsunsicherheit bei der Bestimmung der steuerbaren Einkünfte solcher Unternehmen<br />

mindern. Der Vorschlag sieht vor, dass alle Gewinne und Verluste, die ein Unternehmen<br />

innerhalb der Europäischen Union macht, konsolidiert werden können. Es wird Unternehmen<br />

ermöglicht, für ihre gesamten Aktivitäten innerhalb der Europäischen Union eine einzige Steuererklärung<br />

bei einer Steuerverwaltung einzureichen. Auf Grundlage dieser Steuererklärung wird die<br />

Bemessungsgrundlage schließlich unter den Mitgliedstaaten, in denen das Unternehmen aktiv ist,<br />

gemäß einer besonderen Formel unter Berücksichtigung der Faktoren Vermögenswerte, Lohnsumme<br />

und Umsatz, aufgeteilt. Zur Wahrung der Steuerhoheit wenden Mitgliedstaaten auf den<br />

ihnen zufallenden Anteil ihren jeweiligen Körperschaftsteuersatz an. Die GKKB ist fakultativ<br />

gedacht. Grenzüberschreitend tätige Banken sind vom Anwendungsbereich umfasst, jedoch sind<br />

bankenspezifische Vorschriften für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage bislang nicht vorgesehen.<br />

Aus Sicht der öffentlichen Banken ist zu begrüßen, dass sich die Europäische Kommission für den<br />

Abbau bestehender steuerlicher Hemmnisse für die Unternehmen im Binnenmarkt durch den Vorschlag<br />

einer GKKB einsetzt, da sie Doppelbesteuerungen und Steuerverwaltungsaufw<strong>and</strong> mindern<br />

kann und als Option vorgesehen ist. Allerdings sollten Eigenheiten des Bankwesens berücksichtigt<br />

werden.


E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Kommission veröffentlichte am 23. Oktober 2001 die Mitteilung „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche<br />

Hindernisse – Strategie zur Schaffung einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage<br />

für die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der EU“.<br />

Am 7. Juli 2003 veröffentlichte die Kommission eine Zusammenfassung der Ergebnisse einer<br />

öffentlichen Konsultationen über die „Anwendung der International Accounting St<strong>and</strong>ards (IAS) ab<br />

2005 und ihre Implikationen für die Schaffung einer konsolidierten Steuerbemessungsgrundlage<br />

für die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der Europäischen Union“ und über „Die<br />

versuchsweise Anwendung der Besteuerung im Sitzl<strong>and</strong> auf kleine und mittlere Unternehmen in<br />

der Europäischen Union“.<br />

Am 24. November 2003 legte die Kommission die Mitteilung „Ein Binnenmarkt ohne unternehmenssteuerliche<br />

Hindernisse – Ergebnisse, Initiativen, Herausforderungen“ vor. Für die informelle<br />

Tagung des Ecofin-Rates im September 2004 hat die Kommission zwei sog. Non-Paper zur Sitzl<strong>and</strong>besteuerung<br />

bei kleinen und mittleren Unternehmen und zur einheitlichen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage<br />

am 7. Juli 2004 präsentiert.<br />

Die Kommission nahm am 23. Dezember 2005 eine Mitteilung an, in der sie aufzeigt, wie sich die<br />

Befolgungskosten und sonstigen Probleme im Zusammenhang mit der Unternehmensbesteuerung,<br />

mit denen sich kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei grenzüberschreitenden Geschäften<br />

konfrontiert sehen, reduzieren ließen. Sie schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten den KMU gestatten<br />

sollen, ihre zu versteuernden Unternehmensgewinne nach den Steuerregelungen des L<strong>and</strong>es zu<br />

ermitteln, in dem ihre Muttergesellschaft bzw. ihre Hauptverwaltung ansässig ist.<br />

Am 5. April 2006 legte die Kommission eine Mitteilung über die bisherigen Fortschritte und weitere<br />

Etappen zu einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage<br />

(GKKB) vor. Darin berichtet sie über den St<strong>and</strong> der Arbeiten und gibt einen Ausblick auf die weiteren<br />

Etappen. Am 2. Mai 2007 legte die Kommission einen weiteren Fortschrittsbericht vor und für<br />

die Sitzung am 27. und 28. September 2007 ein Arbeitspapier über „GKKB: mögliche Elemente der<br />

technischen Ausgestaltung“.<br />

Am 20. Oktober 2010 organisierte die Europäische Kommission einen Workshop zur GKKB.<br />

Am 16. März 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag über ein<br />

gemeinsames System zur Bemessung der Steuergrundlage für Unternehmen, die in der EU tätig<br />

sind.<br />

Der Vorschlag wird im Ministerrat der EU diskutiert.<br />

KOM (2003) 726 (Mitteilung) vom 24.11.2003 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 121 (Richtlinienvorschlag) vom 16.03.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

295<br />

E


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E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

4. Richtlinie zur Besteuerung von Finanztransaktionen<br />

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersystem<br />

und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG<br />

Inhalt<br />

296<br />

Der Richtlinienvorschlag sieht die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen vor.<br />

Erfasste Finanzinstrumente: Besteuert wird grundsätzlich der Bruttowert von Finanztransaktionen<br />

vor Aufrechnung und Abrechnung. Erfasst werden Transaktionen mit Finanzinstrumenten einschließlich<br />

Pensions- und Wertpapierleihgeschäften, Geldmarktinstrumenten (mit Ausnahme von<br />

Zahlungsinstrumenten), Anteilen an OGAW und alternativen Investmentfonds, Derivatkontrakten<br />

und strukturierten Produkte (z. B. Schuldverschreibungen, Optionsscheine und Zertifikate sowie<br />

Bank- und Versicherungsverbriefungen). Die Steuer gilt für den H<strong>and</strong>el in organisierten Märkten<br />

und für <strong>and</strong>ere H<strong>and</strong>elsformen einschließlich des außerbörslichen H<strong>and</strong>els. Sie erfasst die Übertragung<br />

von Eigentum und die Übernahme einer Verpflichtung. Bei Derivatkontrakten sind<br />

Abschluss und Änderung steuerpflichtig. Derivatkontrakte betreffen Derivate für Anlagezwecke,<br />

einschließlich Währungs- und Warenderivaten. Die Übertragung von Finanzinstrumenten zwischen<br />

Unternehmen einer Gruppe ist ebenfalls steuerpflichtig.<br />

Nicht erfasste Geschäfte: Primärmarktgeschäfte, Währungskassatransaktionen, physische Warentransaktionen,<br />

Transaktionen mit Zentralbanken, der Abschluss von Versicherungsverträgen, Hypothekendarlehen,<br />

Verbraucherkrediten, Zahlungsdiensten, usw. unterliegen nicht der Steuer.<br />

Finanzinstitute: Die Finanztransaktionen müssen von Finanzinstituten durchgeführt werden, entweder<br />

für eigene oder fremde Rechnung. Als Finanzinstitut gelten Wertpapierfirmen, geregelte<br />

Märkte, Kreditinstitute, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, Organismen für<br />

gemeinsame Anlagen und ihre Anlageverwalter, Pensionsfonds und ihre Anlageverwalter, Holdinggesellschaften,<br />

Finanzverleihunternehmen, Zweckgesellschaften sowie <strong>and</strong>ere Personen, die<br />

bestimmte Finanztätigkeiten in wesentlichem Umfang ausüben. Zentrale Gegenparteien (CCP) und<br />

Zentralverwahrer (CSD) gelten nicht als Finanzinstitute, sofern sie Funktionen erfüllen, die nicht als<br />

eigentliche H<strong>and</strong>elstätigkeit anzusehen sind.<br />

Ansässigkeitsprinzip: Die Steuer wird in dem Mitgliedstaat erhoben, in dessen Hoheitsgebiet ein<br />

Finanzinstitut ansässig ist, sofern dieses Institut Partei der Finanztransaktion ist. Sind Finanzinstitute<br />

im Hoheitsgebiet verschiedener Mitgliedstaaten ansässig, so sind diese Mitgliedstaaten<br />

befugt, die Transaktionen nach den Sätzen zu besteuern, die sie erlassen. Sind Finanzinstitute im<br />

Hoheitsgebiet eines Drittl<strong>and</strong>s ansässig, unterliegt die Transaktion in der EU nicht der Steuer. Ist<br />

allerdings eine der Parteien in der EU ansässig, gilt das Finanzinstitut des Drittl<strong>and</strong>s ebenfalls als<br />

in der EU ansässig.<br />

Steueranspruch: Der Steueranspruch entsteht mit Durchführung der Finanztransaktion, sofern<br />

diese nicht fehlerhaft war und auch im Falle einer Stornierung.<br />

Bemessungsgrundlage: Beim Kauf/Verkauf bestimmter Finanzinstrumente (mit Ausnahme von<br />

Derivaten) ist Bemessungsgrundlage der Preis oder die Gegenleistung. Es gibt besondere Vorschriften<br />

für den Fall, dass die Gegenleistung geringer ist als der Marktpreis. Ebenso, falls Transaktionen<br />

zwischen Unternehmen einer Gruppe durchgeführt werden, die nicht Kauf/Verkauf sind.<br />

Bemessungsgrundlage ist dann der zwischen vonein<strong>and</strong>er unabhängigen Geschäftspartnern fest-


E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

gelegte Marktpreis zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs. Im Falle von Derivatkontrakten<br />

ist die Bemessungsgrundlage der Nominalbetrag zum Zeitpunkt des Kaufs/Verkaufs, der<br />

Übertragung, des Abschlusses oder der Änderung des Derivatkontrakts.<br />

Steuersätze: Die Kommission schlägt einen Mindeststeuersatz von 0,1 % für den H<strong>and</strong>el mit Anleihen<br />

und Anteilen und von 0,01 % für den H<strong>and</strong>el mit Derivatprodukten vor. Den Mitgliedstaaten<br />

würde es freistehen, höhere Steuersätze anzuwenden.<br />

Entrichtung der Steuer: Steuerschuldner sind die Finanzinstitute. Bei elektronischen Finanztransaktionen<br />

wird die Steuer unmittelbar zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs fällig, in<br />

<strong>and</strong>eren Fällen innerhalb eines Zeitraums von drei Tagen, so dass den Finanzinstituten keine<br />

Cashflow-Vorteile entstehen.<br />

Nach bisherigen Erfahrungen mit vergleichbaren Instrumenten sowie empirischen Befunden sind<br />

keine Anzeichen für eine Erhöhung der Finanzmarktstabilität durch eine Finanztransaktionssteuer<br />

ersichtlich. Dass Spekulation volkswirtschaftlich schädlich sei, wird zwar behauptet, ist aber<br />

umstritten. Den Lenkungszweck der Begrenzung der Volatilität der Finanzmärkte durch Eingrenzung<br />

spekulativer Geschäfte wird die Steuer nicht erfüllen können. Die weltweite Einführung einer<br />

Finanztransaktionssteuer leistet keinerlei Beitrag zur Verhinderung künftiger Wirtschafts- und<br />

Finanzkrisen. Ein positiver fiskalischer Effekt sind die Steuereinnahmen. Dem stehen erhebliche<br />

Schwierigkeiten bei Einführung und Aufteilung der Steuer gegenüber.<br />

Die europäischen Staats- und Regierungschefs beschlossen auf dem Europäischen Rat im Oktober<br />

2009 sowie im Juni und Oktober 2010, dass neue Finanzierungsquellen erschlossen werden sollten<br />

und dabei die Einführung einer weltweiten Finanztransaktionssteuer „geprüft und weiterentwickelt“<br />

wird.<br />

Im April 2010 veröffentlichten die Dienststellen der Europäischen Kommission ein Arbeitspapier<br />

mit dem Titel „Innovative financing at a global level“, in dem die Erhebung verschiedener Abgaben<br />

oder Steuern einschließlich einer Finanztransaktionssteuer ins Auge gefasst wird.<br />

Im Juni 2010 befasste sich der Internationale Währungsfonds mit der Besteuerung des Finanzsektors<br />

in seinem Bericht an die G-20 „A Fair <strong>and</strong> Substantial Contribution by the <strong>Financial</strong> Sector“.<br />

Es folgte im August 2010 ein weiteres Arbeitspapier der EU-Kommission zur Besteuerung des<br />

Finanzsektors, welches sich bereits ausschließlich mit der Möglichkeit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer<br />

und einer Finanzaktivitätssteuer befasst.<br />

Am 7. Oktober 2010 legte die EU-Kommission schließlich eine Mitteilung vor, in der sie die Einführung<br />

einer Finanztransaktionssteuer auf globaler Ebene vorschlägt und auf europäischer Ebene<br />

Potential für eine Finanzaktivitätssteuer sieht. Eine öffentliche Konsultation wurde vom 22. Februar<br />

bis 19. April 2011 durchgeführt.<br />

Das Europäische Parlament hat sich am 10. März 2010 in einer Entschließung mit dem Titel „Steuern<br />

auf Finanzgeschäfte – praktische Umsetzung“ sowie am 8. März 2011 in einer Entschließung zu<br />

innovativer Finanzierung auf globaler und europäischer Ebene grundsätzlich für die Besteuerung<br />

297<br />

E


E<br />

E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

298<br />

des Finanzsektors in Form einer Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Am 8. Juni 2011 nahm<br />

das Plenum des Europäischen Parlaments im Hinblick auf die Haushaltsperiode 2014-2020 eine<br />

Entschließung mit dem Titel „Investition in die Zukunft: ein neuer mehrjähriger Finanzrahmen<br />

(MFR) für ein wettbewerbsfähiges, nachhaltiges und inklusives Europa” an, in dem es sich für die<br />

Einführung einer Finanztransaktionssteuer als Finanzierungsinstrument der Kommission aussprach.<br />

Daraufhin traf die Kommission die politische Entscheidung, dem Ministerrat vorzuschlagen, dass<br />

ein Teil der Haushaltsmittel zukünftig in Form einer Finanztransaktionssteuer aufgenommen werden<br />

sollte. Am 29. Juni 2011 wurde ein entsprechender Vorschlag für einen Beschluss des Rates<br />

über das Eigenmittelsystem der EU veröffentlicht, begleitet von einem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen<br />

„Financing the EU budget: Report on the operation of the own resources system“.<br />

Am 28. September 2011 legte die Kommission schließlich den Richtlinienvorschlag vor. Das Europäische<br />

Parlament, welches in diesem Fall nicht Gesetzgebungsorgan ist, stimmte seine Stellungnahme<br />

im Plenum am 23. Mai 2012 ab. Der Ministerrat stellte am 22. Juni 2012 fest, dass eine<br />

Einigung unter den EU-27 nicht herbeizuführen ist. Verschiedene Mitgliedstaaten, darunter<br />

Deutschl<strong>and</strong> und Frankreich, kündigten anschließend an, einen Antrag auf verstärkte Zusammenarbeit<br />

zu stellen.


E. STEUERN<br />

III. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Referenz<br />

KOM (2010) 549 (Mitteilung) vom 07.10.2010 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 510 (Beschlussvorschlag) vom 29.06.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 594 (Richtlinienvorschlag) vom 28.09.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

299<br />

E


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E. STEUERN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Empfehlung der Kommission über Verfahren zur<br />

Quellensteuererleichterung<br />

Empfehlung der Kommission vom 19.10.2009 über Verfahren zur Quellensteuererleichterung<br />

Inhalt<br />

300<br />

Die Europäische Kommission hat am 19. Oktober 2009 eine Empfehlung angenommen, in der ausgeführt<br />

wird, wie die Mitgliedstaaten für in der EU ansässige Investoren die Gewährung einer<br />

Ermäßigung der Quellensteuer auf Erträge aus Dividenden, Zinsen und <strong>and</strong>eren Wertpapieren aus<br />

<strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten erleichtern können. In der Empfehlung werden auch Maßnahmen zur<br />

Beseitigung der steuerlichen Hemmnisse bei Wertpapieranlagen von Finanzinstituten vorgeschlagen<br />

Gleichzeitig sollen die Steuereinnahmen vor Fehlern und Betrug geschützt werden. Damit<br />

erhalten die Mitgliedstaaten Leitlinien dazu, wie sie sicherstellen können, dass mit den Verfahren<br />

zur Prüfung des Anspruchs auf Steuerermäßigung das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigt<br />

wird. Die Empfehlung geht zurück auf die Arbeiten der Kommission im Bereich Clearing<br />

und Settlement. In steuerlicher Hinsicht stehen einem funktionierenden Binnenmarkt die sog. Giovannini-Barrieren<br />

11 und 12 entgegen (zu den Giovannini-Barrieren vgl. Kapitel B.IV.1.). Die Empfehlung<br />

dient dem Abbau dieser Barrieren.<br />

In der Empfehlung wird angeregt,<br />

■ dass die Mitgliedstaaten Quellensteuererleichterungen für Erträge aus Wertpapieren im Rahmen<br />

von Doppelbesteuerungsabkommen oder innerstaatlichem Recht an der Quelle anwenden;<br />

■ dass die Mitgliedstaaten schnelle und st<strong>and</strong>ardisierte Erstattungsverfahren anwenden, wenn<br />

sie die Erleichterung nicht an der Quelle gewähren können, und es werden mögliche Best<strong>and</strong>teile<br />

dieser Erstattungsverfahren aufgezählt;<br />

■ dass die Mitgliedstaaten neben Aufenthaltsbescheinigungen <strong>and</strong>ere Nachweise des<br />

Anspruchs des Anlegers auf Steuererleichterung zulassen;<br />

■ wie die Mitgliedstaaten Finanzintermediäre daran beteiligen können, die Ansprüche der Anleger<br />

vorzubringen, und wie die Verfahren ablaufen könnten, wenn in verschiedenen Mitgliedstaaten<br />

eine Kette von Finanzintermediären zwischen dem Aussteller der Wertpapiere und<br />

einem Begünstigten besteht;<br />

■ dass die Mitgliedstaaten verstärkt die Vorlage von Unterlagen in elektronischem Format<br />

anstelle von Papierunterlagen gestatten;<br />

■ dass die Mitgliedstaaten bei der Formulierung der Anforderungen an den Nachweis des<br />

Anspruchs auf Steuerermäßigung risikobezogen vorgehen;<br />

■ dass die Mitgliedstaaten Einzelaudits oder gemeinsame oder sogar externe Audits vornehmen<br />

könnten, um zu prüfen, ob die Finanzintermediäre die ihnen im Einklang mit dieser Empfehlung<br />

eingeführten Pflichten erfüllen;


E. STEUERN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

■ mit den Mitgliedstaaten Folgediskussionen über die Umsetzung der Empfehlung zu veranstalten;<br />

■ die bestehenden Kanäle für den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten verstärkt<br />

zu nutzen und neue Kanäle zu erforschen.<br />

Erleichterungen bei der Anrechnung und Erstattung von Quellensteuer werden grundsätzlich<br />

begrüßt. Es sollte allerdings darauf geachtet werden, dass auf diese Weise auch tatsächlich die<br />

betroffenen Giovannini-Barrieren abgebaut werden.<br />

Die Europäische Sachverständigengruppe für Fragen der Einhaltung der Steuervorschriften beim<br />

Clearing und bei der Abrechnung grenzübergreifender Wertpapiergeschäfte (FISCO) begann an der<br />

Vereinfachung der Quellensteueranrechnungsverfahren im Frühjahr 2005 zu arbeiten. Eine ausführlichere<br />

Beschreibung der Tätigkeit der Gruppe findet sich im Kapitel B.IV.1. Am 19. Oktober 2009<br />

nahm die Kommission eine Empfehlung an. Die Empfehlung basiert auf den Berichten der FISCO-<br />

Gruppe aus 2006 und 2007. Die Kommission erörtert derzeit im Rahmen der Tax Barriers Business<br />

Advisory Group (TBAG), die der FISCO-Gruppe nachfolgte, auf welche Weise auf die Empfehlung<br />

aufgebaut werden soll.<br />

K (2009) 7924 (Empfehlung) vom 19.10.2009 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

301<br />

E


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E. STEUERN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

2. Mitteilung zur Zukunft der Mehrwertsteuer<br />

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen<br />

Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Zukunft der Mehrwertsteuer – Wege zu einem einfacheren,<br />

robusteren und effizienteren MwSt-System, das auf den Binnenmarkt zugeschnitten<br />

ist<br />

Inhalt<br />

302<br />

In der Mitteilung zur Zukunft der Mehrwertsteuer erörtert die Kommission die erforderlichen Maßnahmen<br />

zur Schaffung eines „einfacheren, effizienteren und robusteren“ MwSt-Systems sowie die<br />

wesentlichen Merkmale, die einem neuen MwSt-System zugrunde liegen müssen.<br />

Die Vorstellung der Kommission von einem neuen MwSt-System stützt sich u. a. auf folgende<br />

Ziele:<br />

1. Die Mehrwertsteuer soll für die Unternehmen praktikabler werden. Zu den angedachten Maßnahmen<br />

gehören die Ausweitung des Konzepts einer einzigen Anlaufstelle für grenzübergreifende<br />

Transaktionen, die St<strong>and</strong>ardisierung von MwSt-Erklärungen und die Gewährleistung eines ungehinderten<br />

und leichten Zugangs zu den Einzelheiten aller nationalen MwSt-Systeme über ein zentrales<br />

Webportal.<br />

2. Die MwSt soll effizienter gestaltet werden. Durch eine breitere Steuerbemessungsgrundlage<br />

und eine beschränkte Anwendung ermäßigter Steuersätze könnten ohne die Erhöhung von Steuersätzen<br />

neue Einnahmen für die Mitgliedstaaten geschaffen werden. In einigen Mitgliedstaaten<br />

könnte der MwSt-Regelsatz ohne Auswirkungen auf die Einnahmen gesenkt werden, wenn Befreiungen<br />

und Ermäßigungen abgeschafft würden.<br />

3. Die Kommission will gegen nicht erhobene Mehrwertsteuer und Betrug vorgehen. In dieser<br />

Hinsicht will sie einen Mechanismus zur schnellen Reaktion vorschlagen, mit dem die Mitgliedstaaten<br />

bei Verdacht auf Betrug besser reagieren können, und untersuchen, welche Möglichkeiten<br />

für die Einrichtung eines grenzübergreifenden Audit-Teams zur Erleichterung multilateraler Kontrollen<br />

bestehen.<br />

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass sich die Frage nach einem Wechsel zu einem Mehrwertsteuersystem<br />

auf der Grundlage einer Besteuerung im Ursprungsl<strong>and</strong> nicht stellt. Die Mehrwertsteuer<br />

soll weiterhin im Bestimmungsl<strong>and</strong> (d. h. in dem L<strong>and</strong>, in der der Kunde ansässig ist)<br />

erhoben werden.


E. STEUERN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die grundsätzliche Notwendigkeit, dass MwSt.-System zu überarbeiten wird anerkannt. Ausnahmevorschriften,<br />

unterschiedliche Steuersätze und Optionsmöglichkeiten für die Mitgliedstaaten<br />

verhindern eine einheitliche Anwendung der MwSt.-Gesetzgebung in der EU. Banken müssen in<br />

einer globalisierten Welt mit sich fortwährend fortentwickelnder EDV Chancengleichheit haben.<br />

Die Zuordnung der Vorsteuer wird durch unterschiedliche Berechnungsmethoden in den Mitgliedstaaten<br />

erschwert. Banken sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Kosten für nicht-abziehbare<br />

Vorsteuer im Falle der Erbringung von Finanzdienstleistungen mindern zu können. Das Problem der<br />

Kostenbelastung durch nicht-abziehbare Vorsteuer könnte durch volle Abziehbarkeit der Vorsteuer<br />

oder einen Nullsteuersatz gelöst werden.<br />

Am 1. Dezember 2010 veröffentlichte die Kommission ein Grünbuch zur Zukunft der Mehrwertsteuer.<br />

Das Grünbuch wurde vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2011 öffentlich konsultiert.<br />

Am 6. Dezember 2011 richtete die Kommission eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den<br />

Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur „Zukunft der Mehrwertsteuer –<br />

Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System, das auf den Binnenmarkt<br />

zugeschnitten ist“. Der Ministerrat einigte sich am 15. Mai 2012 auf Schlussfolgerungen zu der<br />

Mitteilung, in denen er festhält, dass ein neues MwSt-System effektiver und effizienter sein<br />

müsste, mit weniger Ausnahmen und einer breiteren Bemessungsgrundlage.<br />

KOM (2010) 695 (Grünbuch) vom 01.12.2010 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 851 (Mitteilung) vom 06.12.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

303<br />

E


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E. STEUERN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

3. Mitteilung über die Beseitigung grenzübergreifender<br />

steuerlicher Hindernisse<br />

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen<br />

Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Beseitigung grenzübergreifender steuerlicher<br />

Hindernisse für die Bürgerinnen und Bürger der EU<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

304<br />

In der Mitteilung zeigt die Kommission die ihrer Ansicht nach dringendsten grenzübergreifenden<br />

Steuerprobleme auf und umreißt Lösungsvorschläge. Kreditwirtschaftlich wichtige Fälle sind dabei<br />

beispielsweise die Geltendmachung von Ansprüchen auf die Befreiung von der im Ausl<strong>and</strong> erhobenen<br />

Quellensteuer bei Einkünften aus Investitionen im Ausl<strong>and</strong> oder Probleme bei der Besteuerung<br />

von grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen. Die Mitteilung stellt fest, dass die Mitgliedstaaten<br />

ihre Steuersysteme so gestalten und umsetzen sollten, dass niem<strong>and</strong> von grenzübergreifenden<br />

Tätigkeiten abgehalten wird. Außerdem sollte durch bessere Koordinierung verhindert werden,<br />

dass ein<strong>and</strong>er widersprechende Steuervorschriften Hemmnisse für den Binnenmarkt schaffen.<br />

Die Kommission meint, dass die Steuersysteme der Mitgliedstaaten angeglichen werden müssten.<br />

Die Mitteilung nennt eine Reihe von Initiativen zur Problembeseitigung, darunter:<br />

■ Mitteilung über Doppelbesteuerung, in der das Ausmaß und die Schwere des Problems innerhalb<br />

der EU untersucht wird, sowie Legislativvorschläge zur Lösung des Problems;<br />

■ Vorschläge für mögliche Konzepte für die Beseitigung steuerlicher Hindernisse bei grenzüberschreitenden<br />

Erbschaftsangelegenheiten;<br />

■ Vorschläge zur Lösung der Probleme bei der Besteuerung grenzübergreifender Dividendenzahlungen.<br />

Zu den Vorschlägen gehören st<strong>and</strong>ardisierte Formulare für Steuerforderungen und -erklärungen,<br />

zentrale Info-Stellen, an denen Beschäftigte und Investoren klare und zuverlässige Steuerauskünfte<br />

einholen können, sowie gezielte Steuermaßnahmen auf nationaler Ebene, die den Bedürfnissen<br />

der mobilen Arbeitnehmer und Grenzgänger gerecht werden.<br />

Im Falle der grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen von Körperschaften liegt die Problematik<br />

bei der Anrechnung ausländischer Quellensteuer, die mangels inländischer Körperschaftsteuer<br />

nicht möglich ist. Außerdem kann Gewerbesteuer anfallen, auf die einbehaltene Quellensteuer<br />

ebenfalls nicht angerechnet werden kann. In diesem Zusammenhang ist die Empfehlung der Kommission<br />

über Verfahren zur Quellensteuererleichterung (vgl. E.IV.1.) zu begrüßen.


E. STEUERN<br />

IV. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Vom 27. April 2010 bis zum 30. Juni 2010 konsultierte die Kommission das Thema der Doppelbesteuerung<br />

bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten in der EU. Am 30. April 2010 legte die Kommission<br />

einen Bericht über Beseitigung von Steuerhindernissen für grenzüberschreitende Risikokapitalinvestitionen<br />

vor. Vom 25. Juni 2010 bis zum 22. September 2010 konsultierte die Kommission<br />

zu möglichen Konzepten für die Beseitigung steuerlicher Hindernisse bei grenzüberschreitenden<br />

Erbschaftsangelegenheiten in der EU. Am 20. Oktober 2010 veröffentlichte die Kommission eine<br />

Mitteilung über die Beseitigung grenzübergreifender steuerlicher Hindernisse für die Bürgerinnen<br />

und Bürger der EU. Vom 28. Januar 2011 bis zum 30. April 2011 konsultierte die Kommission zur<br />

Besteuerung grenzüberschreitender Dividendenzahlungen.<br />

KOM (2010) 769 (Mitteilung) vom 20.12.2010 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

305<br />

E


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Erste Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen<br />

Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 die Wirksamkeit<br />

von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen<br />

Inhalt<br />

306<br />

Ziele der Richtlinie sind die Verringerung der rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Teilnahme<br />

an Systemen, die auf der Basis der Bruttoabwicklung in Echtzeit („Real Time Gross Settlement“)<br />

arbeiten, sowie die Verringerung der mit der Teilnahme an Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen<br />

verbundenen Risiken.<br />

Der Anwendungsbereich der Richtlinie umfasst sowohl inländische als auch grenzüberschreitende<br />

Zahlungssysteme und Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme. Unter die Richtlinie fallen alle<br />

Systeme der Europäischen Union sowie die von den Teilnehmern im Zusammenhang mit ihrer<br />

Teilnahme an diesen Systemen geleisteten dinglichen Sicherheiten.<br />

Die wesentlichen Punkte der Richtlinie sind:<br />

■ Zahlungs- bzw. Überweisungsaufträge und Aufrechnungen („Netting“) sollen nach den Rechtsordnungen<br />

aller EU-Mitgliedstaaten rechtlich wirksam und für Dritte verbindlich sein.<br />

■ Ein Zahlungs- bzw. Überweisungsauftrag kann grundsätzlich von dem in den Regeln des Systems<br />

bestimmten Zeitpunkt an weder von einem Teilnehmer an einem System noch von einem<br />

Dritten widerrufen werden. Eine Ausnahme gilt bei Zahlungsaufträgen, die nach dem Zeitpunkt<br />

der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in das System eingebracht und am Tag der Verfahrenseröffnung<br />

abgerechnet wurden, sofern der Nachweis erbracht wird, dass die Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens nicht bekannt war und diese Tatsache nicht hätte bekannt sein müssen.<br />

■ Sobald ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, muss der jeweilige Mitgliedstaat unverzüglich den<br />

<strong>and</strong>eren Mitgliedstaat darüber informieren.<br />

■ Ein Insolvenzverfahren greift nicht rückwirkend in die Rechte und Verpflichtungen der Teilnehmer<br />

eines Systems ein und wirkt erst ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung.<br />

■ Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Teilnehmer eines Systems gilt das<br />

für das System maßgebliche Recht.<br />

■ Bei Insolvenz eines Teilnehmers sollen die von ihm geleisteten dinglichen Sicherheiten von der<br />

Anwendung des Insolvenzrechts auf den insolventen Teilnehmer nicht berührt werden.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Richtlinie ist grundsätzlich zu begrüßen, da hierdurch eine rechtlich zuverlässige Grundlage für<br />

EU-Zahlungssysteme geschaffen wird. Außerdem ist sie geeignet, die rechtlichen Risiken der<br />

Teilnehmer an RTGS-Systemen, z. B. im Falle einer Insolvenz, wirksam zu verringern.<br />

Im Februar 1994 wurde die im Auftrag der Kommission erstellte umfassende Studie „The Laws on<br />

Credit Transfers <strong>and</strong> their Settlement in Member States of the EU“ fertig gestellt. Am 30. Mai 1996<br />

legte die Kommission ihren Richtlinienvorschlag unter dem Titel „Vorschlag für eine Richtlinie über<br />

die Endgültigkeit der Abrechnung und die Stellung von Sicherheiten in Zahlungssystemen“ vor.<br />

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss nahm am 31. Oktober 1996 und das Europäische Parlament<br />

am 9. April 1997 zu dem Richtlinienvorschlag Stellung. Der ECOFIN-Rat erzielte am 9. Juni 1997<br />

eine politische Einigung. Am 4. Juli 1997 legte die Kommission einen geänderten Richtlinienvorschlag<br />

vor, mit dem u. a. die Richtlinienbezeichnung geändert wurde.<br />

Am 13. Oktober 1997 verabschiedete der Rat den Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt. Nach Änderungen<br />

durch das Europäische Parlament in zweiter Lesung am 29. Januar 1998 sowie einem Vermittlungsverfahren<br />

zwischen Rat und Parlament wurde die Richtlinie am 19. Mai 1998 verabschiedet.<br />

Die Richtlinie musste von den Mitgliedstaaten bis zum 11. Dezember 1999 in nationales Recht<br />

umgesetzt werden.<br />

Die Richtlinie wurde in Deutschl<strong>and</strong> durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher<br />

Vorschriften, das am 11. Dezember 1999 in Kraft trat, umgesetzt.<br />

Die am 6. Juni 2002 vom Europäischen Rat und Parlament verabschiedete Richtlinie über Finanzsicherheiten<br />

soll die Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen ergänzen.<br />

Am 8. Juli 2003 hat die Kommission einen Bericht über die Umsetzung der Richtlinie vorgelegt.<br />

Am 27. März 2006 veröffentlichte die Kommission einen Auswertungsbericht, in dem sie zu dem<br />

Schluss kommt, dass die Richtlinie grundsätzlich einw<strong>and</strong>frei funktioniere, es aber in einigen<br />

Bereichen Bedarf an Klarstellungen und Verbesserungen gebe.<br />

Am 24. April 2008 legte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über die<br />

Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen<br />

vor. Die Richtlinie wurde am 6. Mai 2009 verabschiedet und musste bis zum 30. Dezember 2010 in<br />

den Mitgliedstaaten umgesetzt sein (vgl Kapitel F.I.5.).<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Richtlinie mit dem Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie<br />

und der geänderten Kapitaladäquanz-Richtlinie umgesetzt, das am 24. November 2010 in Kraft<br />

trat.<br />

98/26/EG (Richtlinie) vom 19.05.1998, Amtsblatt der EG Nr. L 166/45 vom 11.06.1998<br />

Amtsblatt der EG Nr. C 156/17 vom 21.05.1998 (Stellungnahme des EWI)<br />

2009/44/EG (Richtlinie) vom 06.05.2009, Amtsblatt der EU Nr.L 146/37 vom 10.06.2009<br />

307<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Richtlinie über elektronisches Geld<br />

Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009<br />

über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur<br />

Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie<br />

2000/46/EG<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

308<br />

Diese Richtlinie hat die Richtlinie 2000/46/EG aufgehoben und revidiert die ursprünglichen Vorschriften<br />

aus dem Jahr 2000. Die Kommission hatte festgestellt, dass die alten Vorschriften die<br />

Entwicklung des Binnenmarkts für E-Geld gebremst und die technologische Innovation behindert<br />

haben. Mit der Richtlinie soll die E-Geld-Richtlinie modernisiert und insbesondere die Beaufsichtigung<br />

von E-Geld-Instituten an die im Rahmen der Zahlungsdiensterichtlinie geltenden Aufsichtsregelungen<br />

für Zahlungsinstitute angepasst werden. Ziel ist es, die Entstehung neuer, innovativer<br />

und sicherer E-Geld-Dienstleistungen zu ermöglichen, neuen Akteuren Zugang zum Markt zu verschaffen<br />

und echten, wirksamen Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern herzustellen.<br />

Der Vorschlag enthält folgende wesentliche Neuerungen:<br />

■ Es wurde eine technisch neutrale und einfachere Definition von „E-Geld“, die alle Fälle<br />

abdeckt, in denen ein „E-Geld-Institut“ gegen Vorauszahlung eines Geldbetrags einen elektronisch<br />

gespeicherten Wert ausstellt, eingeführt. Explizit fasst die Richtlinie auch den magnetisch<br />

gespeicherten monetären Wert hierunter.<br />

■ Die neuen Aufsichtsregeln sollen eine größere Kohärenz zwischen den aufsichtsrechtlichen<br />

Verpflichtungen der E-Geld-Institute und denen der Zahlungsinstitute im Sinne der Zahlungsdiensterichtlinie<br />

2007/64/EG sicherstellen.<br />

■ Das erforderliche Anfangskapitals wurde auf 350.000 EUR herabgesetzt. In der 2000-Richtlinie<br />

waren es noch 1 Mio. EUR und die Bestimmungen zur Berechnung der laufenden Eigenmittelausstattung<br />

wurden geändert.<br />

■ Die Beschränkung der E-Geld-Institute auf das E-Geld-Geschäft ist aufgehoben. Die zugelassenen<br />

Tätigkeiten wurden um die von Zahlungsinstituten erlaubten Geschäfte erweitert.<br />

Die deutsche Kreditwirtschaft hatte sich gegen eine Absenkung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen<br />

insbesondere eine Herabsetzung des Anfangskapitals ausgesprochen. Die Ausgestaltung<br />

des Aufsichtsregimes wird als nicht sachgerecht betrachtet, da den mit dem Geschäftsmodell<br />

„E-Geld“ verbundenen Risiken nicht adäquat Rechnung getragen wird. Eine Herabsetzung der aufsichtsrechtlichen<br />

Anforderungen stellt nicht zuletzt auch eine Gefahr für den langfristigen und<br />

nachhaltigen Schutz der Geldwerte der Kunden von E-Geld-Instituten dar.<br />

Überdies wird kritisiert, dass E-Geld-Instituten einlagenähnliche Geschäfte erlaubt werden. Diese<br />

sind jedoch auf Grund ihrer spezifischen Risiken Kreditinstituten vorbehalten und unterliegen insofern<br />

strengen Aufsichtsregeln. Hinzu kommt, dass infolge der Ausweitung der Tätigkeiten um


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Zahlungsdienste ein nicht unerhebliches Gefahrenpotential für den bargeldlosen Zahlungsverkehr<br />

geschaffen wird.<br />

Die Kommission legte am 21. September 1998 den Entwurf einer Richtlinie über die Aufnahme,<br />

Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geldinstituten sowie einer Richtlinie zur Änderung<br />

der Richtlinie 77/780/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über<br />

die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute vor. Die Richtlinie über E-Geld-Institute<br />

wurde am 27. Oktober 2000 im Amtsblatt veröffentlicht. Die Richtlinie ist in Deutschl<strong>and</strong><br />

durch die 7. KWG-Novelle im Rahmen des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes umgesetzt worden.<br />

Das Gesetz ist am 1. Juli 2002 in Kraft getreten. Gleichzeitig wurden E-Geld-Institute in die Richtlinie<br />

2000/28/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute aufgenommen<br />

und die Bankrechts-Richtlinie entsprechend angepasst.<br />

Die Kommission legte am 13. Oktober 2008 einen Vorschlag zur Überarbeitung der E-Geld-Richtlinie<br />

vor. Das Europäische Parlament nahm die Richtlinie am 24. April 2009 und der Ministerrat am<br />

27. Juli 2009 an. Am 16. September 2009 wurde die neue Richtlinie verabschiedet und hob am<br />

30. April 2011 die Ausgangs-Richtlinie auf.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde das Gesetz zur Umsetzung der neuen E-Geld Richtlinie am 1. März 2011<br />

verabschiedet und trat am 30. April 2011 in Kraft.<br />

2009/110/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EG. Nr. 267/7 vom 10.10.2009<br />

309<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Verordnung zu grenzüberschreitenden Zahlungen<br />

(Preisverordnung)<br />

Verordnung (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September<br />

2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung<br />

(EG) Nr. 2560/2001<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

310<br />

Ziel der Verordnung ist es, sicherzustellen, dass für grenzüberschreitende Zahlungen in Euro die<br />

gleichen Gebühren erhoben werden wie für entsprechende Euro-Zahlungen innerhalb eines Mitgliedstaates.<br />

Die Verordnung hebt die alte Verordnung aus dem Jahre 2001 (EG Nr 2560/2001) mit<br />

Wirkung vom 1. November 2009 auf, welche für innergemeinschaftliche Zahlungen bis zu einem<br />

Betrag von 50.000 EUR galt.<br />

Die neue Verordnung bezieht nunmehr auch Lastschriften in den Grundsatz der Gebührengleichheit<br />

für inländische und grenzüberschreitende Zahlungen ein. Überweisungen, elektronische Zahlungen<br />

(einschließlich Kartenzahlungen) und Abhebungen am Geldautomaten sind bereits durch die aktuelle<br />

Version der Verordnung erfasst. Darüber hinaus bestimmt die Verordnung ein multilaterales<br />

Interbankenentgelt (MIF) in Höhe von 8,8 Cent. Dieses darf innerhalb einer Übergangsfrist bis<br />

November 2012 ausschließlich für grenzüberschreitende SEPA-Lastschriften erhoben werden.<br />

Auch wird die Erreichbarkeit („reachability“) für Lastschrifttransaktionen gesetzlich normiert: So<br />

müssen Euro-Länder bis spätestens 1. November 2010, Nicht-Euro-Länder bis spätestens<br />

1. November 2014 dem SEPA-Lastschriftverfahren beitreten.<br />

Mit den Änderungen aus der SEPA-Verordnung (vgl. Kapitel F.I.6.) wird die Grenze für die Gebührengleichheit<br />

von 50 000 Euro aufgehoben, so dass die Gebührengleichheit für alle Beträge gilt.<br />

Ferner wird die Frist für das Verbot von multilateralen Interbankenentgelten (MIF) für inländische<br />

Lastschriften auf 1. November 2017 verschoben. Für grenzüberschreitende Lastschriften ist die MIF<br />

ab 1. November 2012 verboten. Ergänzend müssen Zahlungsdienstleister in der EU ab dem Inkrafttreten<br />

der SEPA-Verordnung für die SEPA-Überweisung erreichbar sein.<br />

Die deutsche Kreditwirtschaft sieht in der Regulierung einen ordnungspolitisch kritischen Eingriff,<br />

der bereits mit dem Start des SEPA-Lastschriftverfahrens ein Marktversagen in diesem Bereich<br />

unterstellt. Tatsächlich aber existiert die viel gescholtene „Mini-SEPA“ für Lastschriftverfahren<br />

nicht. Die SEPA-Lastschrift soll vielmehr die nationalen Verfahren ablösen und ist gerade nicht als<br />

Ergänzung nur für grenzüberschreitende Transaktionen vorgesehen. Die Regelung übersieht auch,<br />

dass keinesfalls in allen EU-Mitgliedstaaten überhaupt nationale Lastschriftverfahren existieren.<br />

Das gesetzlich verordnete Interbankenentgelt ist ebenfalls ein falsches Signal. Zum einen bietet es<br />

Zahlungsdienstleistern – etwa in Deutschl<strong>and</strong> – keinen Anreiz, in das SEPA-Lastschriftverfahren zu<br />

investieren. Zum <strong>and</strong>eren gefährdet es den einheitlichen Binnenmarkt im Zahlungsverkehr, was<br />

bisher bereits im Bereich der Kartenzahlungssysteme deutlich wird: Der europäische Markt wird<br />

durch solche Entgeltregelungen fragmentiert, die sich an Ländergrenzen unterscheiden. Darüber<br />

hinaus ist die zwingende Erreichbarkeit für SEPA-Lastschrifttransaktionen mit dem ursprünglichen


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Selbstregulierungscharakter der SEPA schwer zu vereinbaren. Zwar liegen die Funktionsfähigkeit<br />

eines SEPA-Lastschriftverfahrens und die flächendeckende Erreichbarkeit möglichst aller Zahlungsdienstleister<br />

im ureigenen Interesse der europäischen Kreditwirtschaft. Eine gesetzlich verordnete<br />

Erreichbarkeit ist jedoch der falsche Weg. Vielmehr muss das Verfahren aus sich selbst<br />

heraus überzeugen und somit möglichst viele Zahlungsdienstleister zur Teilnahme motivieren.<br />

Am 15. Oktober 2008 legte die Kommission den Verordnungsvorschlag vor.<br />

Am 27. April 2009 nahm das Europäische Parlament den Vorschlag an. Der Ministerrat nahm die<br />

Verordnung am 27. Juli 2009 an. Die Richtlinie wurde am 16. September 2009 verabschiedet und<br />

trat am 1. November 2009 in Kraft. Mit Inkrafttreten hob sie die alte Verordnung EG Nr. 2560/2001<br />

auf.<br />

Am 16. Dezember 2010 legte die Kommission einen Verordnungsvorschlag über verbindliche Enddaten<br />

für die Migration der SEPA-Überweisung und SEPA-Lastschrift (SEPA-Verordnung) vor, der<br />

unter <strong>and</strong>erem auch diese Richtlinie ändert (vgl. Kapitel F.I.6.). Die SEPA-Verordnung wurde von<br />

Europäischem Parlament und Rat am 14. März 2012 formal angenommen und trat am Tag nach<br />

Veröffentlichung im Amtsblatt der EU, also am Tag nach dem 30. März 2012 in Kraft.<br />

924/2009/EG (Verordnung) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EG Nr. L 266/11 vom 09.10.2009<br />

260/2012/EU (Verordnung) vom 14.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 94/22 vom 30.03.2012<br />

311<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt<br />

Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007<br />

über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG,<br />

2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG<br />

Inhalt<br />

312<br />

Ziel der Richtlinie ist die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für einen einheitlichen, integrierten<br />

Zahlungsverkehrsraum in Europa und die Unterstützung der SEPA-Initiative der europäischen Kreditwirtschaft<br />

(Single Euro Payments Area – Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum). Nach<br />

Ansicht der Kommission sind die derzeitigen europäischen Zahlungsverkehrsstrukturen nicht auf<br />

eine effiziente und kostengünstige Abwicklung des grenzüberschreitenden europäischen Zahlungsverkehrs<br />

ausgerichtet. Die drei Kernbest<strong>and</strong>teile der Richtlinie sind das Recht zur Erbringung<br />

von Zahlungsdiensten, die Transparenz- und Informationsanforderungen sowie die Rechte und<br />

Pflichten der Nutzer und Anbieter von Zahlungsdiensten.<br />

Die Richtlinie erfasst Zahlungstransaktionen (Überweisungen, Lastschriften, Debit- und Kreditkartenzahlungen)<br />

innerhalb der Europäischen Union. Die Informationspflichten sowie zivilrechtliche<br />

Bestimmungen der Titel III und IV der Richtlinie gelten jedoch nur, wenn sowohl der Zahlungsdienstleister<br />

des Zahlers als auch der des Zahlungsempfängers in der Europäischen Union ansässig<br />

sind und die Zahlung in Euro oder einer <strong>and</strong>eren Währung eines Mitgliedstaates erfolgt. Barund<br />

Scheckzahlungen sind ausgenommen. Die Richtlinie unterscheidet zwischen verschiedenen<br />

Kategorien von Zahlungsdienstleistern: Kreditinstituten, E-Geld-Instituten, Postscheckämtern und<br />

Zahlungsinstituten. Für die neu geschaffene Kategorie der Zahlungsinstitute, die keine Einlagen<br />

entgegennehmen und kein E-Geld ausgeben dürfen, wird eine einheitliche Zulassung geschaffen.<br />

Es gelten sowohl qualitative als auch quantitative Aufsichtsregeln (gestaffelte Eigenkapitalanforderungen<br />

von 20.000 bis 125.000 EUR je nach Art von Umfang der Geschäftstätigkeit). Der Richtlinienvorschlag<br />

enthält ferner einen umfangreichen Katalog von Transparenz-, Haftungs- und Informationsvorschriften,<br />

der u. a. Folgendes vorsieht:<br />

■ Ab 1.1.2012 verbindliche Ausführungsfrist von einem Werktag ab Auftragsannahme;<br />

■ verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Zahlungsdienstleisters bei nicht erfolgter oder<br />

fehlerhafter Ausführung einer Zahlung innerhalb der EU;<br />

■ Haftung des Zahlungsnutzers bei Missbrauch eines Zahlungsinstruments i. H. v. maximal 150<br />

Euro;<br />

■ Haftung des Zahlungsdienstleisters des Zahlers nur bis zum Eingang des Betrages beim Zahlungsdienstleister<br />

des Zahlungsempfängers;


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Die öffentlichen Banken begrüßen grundsätzlich die Schaffung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen,<br />

da sie die notwendige Voraussetzung für die Harmonisierung des Zahlungsverkehrs in<br />

Europa (Single Euro Payments Area, SEPA) sind. Die Richtlinie lässt jedoch wirtschaftliche und<br />

technische Rahmenbedingungen im europäischen Zahlungsverkehr außer Acht und wird nicht dem<br />

Anspruch gerecht, die Marktkräfte zur Herausbildung eines effizienten europäischen Zahlungsverkehrsraumes<br />

zu mobilisieren.<br />

Mit der Richtlinie ist der Anspruch verbunden, die Zahlungsinstrumente einheitlich zu regeln. Hierbei<br />

werden jedoch die unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Zahlungsinstrumente verkannt,<br />

was zu Regelungen führt, die existierende Verfahren in Frage stellen. Mit der Umsetzung<br />

der EU-Vorgaben ist beispielsweise das kostengünstige und effiziente deutsche Lastschriftverfahren<br />

in Frage gestellt.<br />

Die verbindliche eintägige Ausführungsfrist lässt derzeit bestehende Infrastrukturen und Verfahren<br />

außer Acht. Die Richtlinie verhindert damit eine marktgerechte Herausbildung effizienter und kostengünstiger<br />

Abwicklungsstrukturen in Europa und schränkt letztendlich die Produktvielfalt ein. Die<br />

Ausführungsfrist von einem Arbeitstag kann nur mit erheblichem technischen Aufw<strong>and</strong> realisiert<br />

werden. Dies hat Transaktionskosten zur Folge, die deutlich über dem heutigen Niveau im Massenzahlungsverkehr<br />

liegen.<br />

Problematisch ist die Einführung einer neuen aufsichtrechtlichen Zulassungskategorie (sog. Zahlungsinstitute).<br />

Trotz gleicher operationeller Risiken wird eine unterschiedliche Gewichtung der<br />

Tätigkeiten von Kreditinstituten und Zahlungsinstituten vorgenommen, was eine Wettbewerbsverzerrung<br />

zur Folge haben kann. Begrüßenswert ist, dass im Gegensatz zum Richtlinienvorschlag<br />

eine Eigenkapitalverpflichtung für Zahlungsinstitute aufgenommen wurde.<br />

Die umfangreichen Informationspflichten und einseitigen Haftungsregelungen zu Lasten der Kreditinstitute<br />

gehen weit über das erforderliche Maß hinaus und beeinträchtigten die Realisierung<br />

von SEPA. Die Haftungsbeschränkung für Kunden auf € 150 für durch nicht autorisierte Zahlungen<br />

verursachte Schäden ist unangemessen. Auf Grund des verhältnismäßig geringen Haftungsrisikos<br />

des Nutzers hat dieser keine ausreichende Motivation, missbräuchliche Verfügungen durch die<br />

unverzügliche Sperrung seines Zahlungsverifikationsinstruments (z. B. Bankkarte) zu verhindern.<br />

Diese einseitige Haftungsverlagerung zu Lasten der Zahlungsdienstleister hat zur Folge, dass die<br />

Gesamtheit der Kunden für die durch das Fehlverhalten einzelner Kunden verursachten Schäden<br />

aufkommen muss.<br />

313<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

314<br />

Am 7. Mai 2002 veröffentlichte die Europäische Kommission ein Diskussionspapier mit dem Titel<br />

„Ein möglicher Rechtsrahmen für den einheitlichen Zahlungsverkehrsraum im Binnenmarkt“.<br />

Am 2. Dezember 2003 legte die Kommission die Mitteilung „Ein neuer Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr<br />

im Binnenmarkt“ vor und leitete eine Konsultation ein. Die Kommission legte in der<br />

Folge mehrere Entwürfe eines Richtlinienvorschlags vor.<br />

Am 1. Dezember 2005 verabschiedete die Kommission den Richtlinienvorschlag. Am 27. März 2007<br />

erzielte der Ministerrat eine Einigung über die Richtlinie. Daraufhin nahmen das Europäische Parlament<br />

die Richtlinie am 24. April 2007 und der Ministerrat am 15. Oktober 2007 an. Die Richtlinie<br />

muss von den Mitgliedstaaten bis zum 1. November 2009 umgesetzt werden. Die Richtlinie hebt<br />

sowohl Richtlinien und Empfehlungen der EU zum Zahlungsverkehr auf (u. a. Richtlinie 97/5/EG<br />

sowie die Empfehlungen 87/598/EG, 88/590/EG und 97/489/EG) und erfordert die Anpassung<br />

nationaler Vorschriften.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> ist die Richtlinie durch das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) und das Gesetz<br />

zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie<br />

sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht umgesetzt<br />

worden. Die Vorschriften traten am 31. Oktober 2009 in Kraft.<br />

Die Kommission plant im Herbst 2012 einen Bericht gemäß Artikel 87 über die Wirkung der Richtlinie<br />

zu veröffentlichen. Der Bericht der Kommission wird Schlussfolgerungen über die Wirkung<br />

dieser Richtlinie und der Preisverordnung (vgl. Kapitel F.I.3.) enthalten. Unter Umständen, falls<br />

erforderlich, wird die KOM darin legislative Maßnahmen ankündigen. Schwerpunkte sind der<br />

Anwendungsbereich, der Marktzugang, die Transparenz und Informationspflichten sowie Rechte<br />

und Pflichten von Nutzern.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2007/64/EG (Richtlinie) vom 13.11.2007, Amtsblatt der EG Nr. L Nr. L 319/1 vom 05.12.2007<br />

2009/111/EG (Richtlinie) vom 16.09.2009, Amtsblatt der EG Nr. L 302/ 97 vom 17.11.2009<br />

315<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. Zweite Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen<br />

Richtlinie 2009/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie<br />

98/26/EG über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer-<br />

und -abrechnungssystemen und der Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten im<br />

Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

316<br />

Die Richtlinie ändert die Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie<br />

Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und die Richtlinie 2002/47/EG über Finanzsicherheiten<br />

(vgl. Kapitel J.I.1.) im Hinblick auf verbundene Systeme und Kreditforderungen vorgelegt.<br />

Die Richtlinie zielt in erster Linie darauf ab, die Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen<br />

in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen („Settlement Finality Directive“)<br />

an die jüngsten Marktentwicklungen und regulatorischen Entwicklungen anzupassen. Die Richtlinie<br />

sieht keine wesentlichen Änderungen vor, sondern w<strong>and</strong>elt die Richtlinie lediglich in einigen<br />

wenigen Bereichen ab, um sie so den Entwicklungen anzupassen, die die Regulierung und die<br />

Märkte seit der ursprünglichen Formulierung und Verabschiedung der Richtlinie durchlaufen<br />

haben.<br />

Zu diesem Zweck wird zunächst einmal der durch die Richtlinie gewährleistete Schutz auf die<br />

Nachtverarbeitung und die Abwicklung zwischen verbundenen Systemen ausgeweitet, da gemäß<br />

der Richtlinie 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) und dem Europäischen Verhaltenskodex<br />

für Clearing und Settlement davon auszugehen ist, dass die Systeme in zunehmendem<br />

Maße mitein<strong>and</strong>er verknüpft und interoperabel werden. Ferner wird der durch die Richtlinie<br />

gewährleistete Schutz auf <strong>and</strong>ere Arten von Vermögenswerten (nämlich Kreditforderungen, die für<br />

die Besicherung von Kreditgeschäften der Zentralbanken zugelassen sind) ausgeweitet und damit<br />

deren gemeinschaftsweite Verwendung erleichtert. Und schließlich wird mit der Richtlinie<br />

bezweckt, die beiden Richtlinien in einigen <strong>and</strong>eren Punkten zu vereinfachen und zu präzisieren<br />

und so ihre Anwendung zu erleichtern.<br />

Die Anpassung der Richtlinie an jüngste Marktentwicklungen und regulatorische Entwicklungen<br />

wird begrüßt.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Am 30. Mai 1996 legte die Kommission ihren Richtlinienvorschlag unter dem Titel „Vorschlag für<br />

eine Richtlinie über die Endgültigkeit der Abrechnung und die Stellung von Sicherheiten in Zahlungssystemen“<br />

vor. Die Richtlinie wurde am 19. Mai 1998 verabschiedet und musste von den<br />

Mitgliedstaaten bis zum 11. Dezember 1999 in nationales Recht umgesetzt werden.<br />

Die Richtlinie wurde in Deutschl<strong>and</strong> durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher<br />

Vorschriften, das am 11. Dezember 1999 in Kraft trat, umgesetzt.<br />

Am 8. Juli 2003 hat die Kommission einen Bericht über die Umsetzung der Richtlinie vorgelegt. Am<br />

27. März 2006 veröffentlichte die Kommission einen Auswertungsbericht, in dem sie zu dem<br />

Schluss kommt, dass die Richtlinie grundsätzlich einw<strong>and</strong>frei funktioniere, es aber in einigen<br />

Bereichen Bedarf an Klarstellungen und Verbesserungen gebe.<br />

Am 24. April 2008 hat die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über die Wirksamkeit<br />

von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen vorgelegt.<br />

Die Richtlinie wurde am 6. Mai 2009 verabschiedet. Die Mitgliedstaaten mussten die Richtlinie bis<br />

zum 30. Dezember 2010 umsetzen und die nationalen Vorschriften ab dem 30. Juni 2011 anwenden.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Richtlinie mit dem Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie<br />

und der geänderten Kapitaladäquanz-Richtlinie umgesetzt, das am 24. November 2010 in Kraft<br />

trat.<br />

2009/44/EG (Richtlinie) vom 06.05.2009, Amtsblatt der EG Nr. L 146/37 vom 10.06.2009<br />

317<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

6. SEPA-Verordnung<br />

Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Festlegung<br />

der technischen Vorschriften für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung<br />

der Verordnung (EG) Nr. 924/2009<br />

Inhalt<br />

318<br />

Ziel der Verordnung ist es bestimmte Anforderungen an Überweisungen und Lastschriften in Euro<br />

aufzustellen und für die Migration der SEPA-überweisung und der SEPA-Lastschrift ein Enddatum<br />

zu definieren. Die Verordnung sieht ein einheitliches Datum, nämlich den 1. Februar 2014, für das<br />

Abschalten der bestehenden nationalen Verfahren für Überweisungen und Lastschriften vor. Die<br />

Verordnung ist nicht nur an die europäischen Banken sondern an alle Marktteilnehmer gerichtet.<br />

Vor allem Unternehmen mit einer hohen Zahl an Einzugsermächtigungslastschriften und die öffentliche<br />

H<strong>and</strong> sind aufgefordert, die notwendigen Schritte zur SEPA-Migration einzuleiten.<br />

Zahlungsvorgänge zwischen Zahlungsdienstleistern, Großbetragszahlungen sowie solche mittels<br />

Zahlungskarten sind nicht erfasst. Der Vorschlag sieht eine Verpflichtung zur Erreichbarkeit für die<br />

europäische Lastschrift und Überweisungen vor. Ferner müssen die Interoperabilitätsanforderungen<br />

innerhalb der Eurozone ab dem 1. Februar 2014 sichergestellt werden. Im Rahmen eines delegierten<br />

Rechtsaktes möchte die Kommission die Anforderungen anpassen dürfen, und möchte sich<br />

eine entsprechende Befugnis einräumen. Ferner ist vorgesehen, dass Mitgliedstaaten Ausnahmen<br />

für Transaktionen aus Karteneinsatz an der Verkaufsstelle unter Identifizierung des Kontos per<br />

Kontonummer oder IBAN (Elektronisches Lastschriftverfahren [ELV]) vorsehen dürfen und die Verordnung<br />

auf das ELV erst ab dem 1. Februar 2016 anwenden müssen. Interbankenentgelte sind<br />

lediglich für Rücklastschriften (R-Transaktionen) erlaubt, wobei die Höhe streng kostenbasiert sein,<br />

und verursachungsgerecht bestimmt werden soll. Hierbei soll das günstigste vergleichbare Angebot<br />

auf dem Markt als Benchmark dienen. Multilaterale Interbankenentgelte [MIF] pro Transaktionen<br />

sind hingegen für grenzüberschreitende Zahlungen ab 1. November 2012 für inländische Zahlungen<br />

ab 1. Februar 2017 verboten. Die Angabe der BIC durch den Nutzer gegenüber dem<br />

Zahlungsdienstleister ist ab 1. Februar 2016 für grenzüberschreitende Lastschriften nicht mehr<br />

verbindlich (so genanntes „IBAN-only“). Für inländische Lastschriften gilt diese Regel grundsätzlich<br />

bereits ab dem 1. Februar 2014, wobei Mitgliedstaaten bis zum 1. Februar 2016 hiervon abweichen<br />

dürfen.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der VÖB begrüßt, dass ein einheitliches Enddatum für SEPA-Überweisungen und SEPA-Lastschriften<br />

gefunden werden konnte. Den Nutzern wird damit eine bessere Planungsmöglichkeit der SEPA-<br />

Umstellung ermöglicht. Besonders erfreulich ist die Kontinuitätsregel für Alt-Lastschrift, was insbesondere<br />

aus deutscher Sicht ein gewichtiges Problem darstellte. Die Migration von bereits<br />

bestehenden Lastschriften (M<strong>and</strong>atsmigration erforderte einer gesonderten Regel, da die SEPA-<br />

Lastschrift zwei Genehmigungserklärungen vorsieht, wohingegen die deutsche Lastschrift bisher<br />

die Ermächtigung des Zahlungsempfängers genügen ließ. Letztendlich dient diese Regelung als<br />

Absicherung der der M<strong>and</strong>atsmigration, die die Deutsche Kreditwirtschaft per Änderung der Kundenbedingungen<br />

mit allen Nutzern vereinbart hat. Bedauerlich ist, dass zahlreiche Sonderfristen<br />

und Ausnahmeregeln die Idee einer einheitlichen Migration zu SEPA-Verfahren, nämlich dass verschiedene<br />

Systeme und Verfahren nicht aufwendig, parallel nebenein<strong>and</strong>er aufrechterhalten werden<br />

müssen, konterkarieren. Ferner wäre wünschenswert gewesen die Begriffsbestimmungen der<br />

Preisverordnung (vgl. Kapitel F.I.3.) und die der SEPA -Verordnung komplett anzupassen.<br />

Die Europäische Kommission nahm am 16. Dezember 2010 den Verordnungsvorschlag an.<br />

Das Europäische Parlament nahm in erster Lesung ihren Text am 14. Februar 2012 an, den der Rat<br />

anschließend am 28. Februar 2012 verabschiedete. Die formale Unterzeichnung durch Parlament<br />

und Rat f<strong>and</strong> am 14. März 2012 statt.<br />

Aufgrund ihrer Rechtsnatur gilt die SEPA-Verordnung zwar unmittelbar im deutschen Recht und ist<br />

somit seit 31. März 2012 auch in Deutschl<strong>and</strong> in Kraft getreten, wird aber vom so genannten SEPA-<br />

Begleitgesetz umgesetzt, das im Herbst dieses Jahres verabschiedet wird.<br />

260/2012/EU (Verordnung) vom 14.03.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 94/22 vom 30.03.2012<br />

319<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Kundenmobilität bei Bankkonten<br />

Gemeinsame Prinzipien der Europäischen Kreditwirtschaft zum Kontowechsel<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

320<br />

Ziel der Gemeinsamen Prinzipien ist die Erleichterung des Kontowechsels innerhalb eines Mitgliedstaates.<br />

Die „Gemeinsamen Prinzipien“ sehen vor, dass Kreditinstitute ihren Kunden umfassende<br />

und verständliche Informationen über die erforderlichen Bearbeitungsschritte, die Dauer<br />

und eventuelle Kosten des Kontowechsels zur Verfügung stellen. Ferner sollen die Kreditinstitute<br />

Kunden ihre Unterstützung anbieten, um insbesondere eine reibungslose und zügige Übertragung<br />

von Daueraufträgen und Lastschriften auf das neue Konto zu ermöglichen. Der Kodex sieht deshalb<br />

vor, dass dem Verbraucher persönliche Informationen, z. B. über seine Daueraufträge und Lastschriften,<br />

kostenfrei zur Verfügung zu stellen sind, sofern sie in einem automatisierten Prozess<br />

verfügbar sind. Ferner sollen dem Kunden St<strong>and</strong>ardbriefe zwecks Information von Dritten (z. B.<br />

Arbeitgeber, Sozialversicherungsträger etc.) bereitgestellt werden.<br />

Mit der Vorlage der gemeinsamen Prinzipien machte die europäische Kreditwirtschaft, das „European<br />

Banking Industry Committee“ (EBIC), eine unnötige Regulierung des Kontowechsels durch die<br />

Europäische Kommission entbehrlich. Nicht zum Tragen kam damit auch der Gedanke, die Privatwirtschaft<br />

zu verpflichten, ihre Dienstleistungen kostenlos anzubieten. Dies hätte dazu geführt,<br />

dass die Gesamtheit der Kunden die notwendigerweise anfallenden Kosten im Wege der Quersubventionierung<br />

hätten tragen müssen.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> bieten die Kreditinstitute ihren Kunden schon seit längerem einen umfangreichen<br />

Umzugsservice für Bankkonten an. Mit den neuen Prinzipien wird nunmehr eine in weiten Teilen<br />

bereits heute in Deutschl<strong>and</strong> übliche und bewährte Marktpraxis für den gesamten Binnenmarkt<br />

empfohlen. Mit den Gemeinsamen Prinzipien hat die Kreditwirtschaft unnötige EU-Regulierung<br />

vermieden und bewiesen, dass sie imst<strong>and</strong>e ist, unter erheblichem Zeitdruck der Kommission<br />

einen für alle Beteiligten tragfähigen Kompromiss zum Nutzen der Verbraucher zu erzielen.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

In einem Arbeitsdokument zu ihren Initiativen im Bereich Privatkundengeschäft vom November<br />

2007 hatte die Europäische Kommission die europäische Kreditwirtschaft aufgefordert, im Wege<br />

der Selbstregulierung den Kontowechsel zunächst auf nationaler und zu einem späteren Zeitpunkt<br />

auch auf grenzüberschreitender Ebene zu erleichtern. Die europäischen Bankenverbände haben im<br />

Rahmen des European Banking Industry Committee (EBIC) die Gemeinsamen Prinzipien ausgearbeitet<br />

und im Dezember 2008 veröffentlicht. Diese mussten von der Kreditwirtschaft in allen Mitgliedstaaten<br />

bis 1. November 2009 umgesetzt werden.<br />

Das „European Banking Industry Committee“ (EBIC) hat einen Zwischenbericht über die Umsetzung<br />

der Prinzipien am 3. März 2010 vorgelegt. In Deutschl<strong>and</strong> gewährleistet der ZKA die Umsetzung<br />

der Prinzipien über eine ZKA-Empfehlung.<br />

Am 24. Februar 2012 veröffentlichte Kommission eine Studie nach der in 80% der Testfälle die<br />

Prinzipien nicht eingehalten wurden. Die Methodologie der Studie wurde von Seiten der Kreditwirtschaft<br />

stark kritisiert. Hingegen war eine Verbraucher-Eurobarometer Studie aus 2011, ebenfalls<br />

von der Kommission, zu dem Ergebnis gelangt, dass Verbraucher mit dem Wechselservice<br />

zufrieden sind.<br />

Von März bis Juni 2012 führte die EU-Kommission eine Konsultation über Bankkonten durch, die<br />

neben dem Basiskonto für jedermann und der Gebührentransparenz und auch den Kontowechsel<br />

betraf. Für Herbst 2012 wurde bereits ein Legislativvorschlag über die letzten beiden Punkte angekündigt.<br />

321<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

2. Transparenz und Vergleichbarkeit von Bankgebühren<br />

Gemeinsame Prinzipien der Europäischen Kreditwirtschaft zur Transparenz und Vergleichbarkeit<br />

von Bankgebühren<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

322<br />

Durch gemeinsame Prinzipien der europäischen Kreditwirtschaft über die Transparenz, Vergleichbarkeit<br />

und Verständlichkeit von Bankentgelten sollen Verbraucher in die Lage versetzt werden,<br />

Informationen über die Kosten eines Girokontos zu überblicken und Angebote zu vergleichen. Der<br />

Bankenmarkt ist in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Daher sollen allgemeine einheitliche<br />

Prinzipien auf EU-Ebene definiert werden, die auf nationaler Ebene im Einzelnen ausgearbeitet und<br />

ausgeformt werden sollen.<br />

Die Prinzipien sehen im Einzelnen vor, dass eine einheitliche Terminologie für bestimmte Produkte<br />

gewählt werden soll. Diese würden auf nationaler Ebene bestimmt werden. Hierzu soll begleitend<br />

ein Glossar in Bezug auf Girokonten entwickelt werden, das die gemeinsame Terminologie in verständlicher<br />

Form erklärt. Hinsichtlich der Kosten für den Verbraucher soll es eine st<strong>and</strong>ardisierte<br />

Übersicht über die Preise bestimmter Produkte geben, die national einheitlich zu bestimmen wäre.<br />

Nach derzeitigem St<strong>and</strong> soll es sich hierbei um mindestens zehn Produkte h<strong>and</strong>eln. Ferner soll der<br />

Verbraucher über die Anforderungen der Zahlungsdiensterichtlinie hinaus auch zusätzlich über die<br />

tatsächlich angefallenen Kosten in Form einer zusammenfassenden Auflistung der Kosten regelmäßig<br />

informiert werden.<br />

Die europäische Kreditwirtschaft, das European Banking Industrie Committee [EBIC], möchte durch<br />

diese Selbstverpflichtung eine gesetzliche Regulierung auf europäischer Ebene vermeiden. Wichtig<br />

ist hierbei, dass die Kreditwirtschaft die richtige Balance zwischen der Befriedigung der konkreten<br />

Forderungen der Kommission und Verbraucherverbände – um eine Legislativmaßnahme zu<br />

verhindern – und der Souveränität bei der Ausarbeitung von Selbstverpflichtungen findet.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> spielt neben dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Preisaushang für Bankdienstleistungen<br />

eine wichtige Rolle. Aufgrund der Preisangabenverordnung besteht eine grundsätzliche<br />

Verpflichtung, typische Entgelte auszuhängen. Für Banken bedeutet dies, dass bereits aufgrund<br />

gesetzlicher Vorgabe Entgelte und Zinssätze von bestimmten St<strong>and</strong>ardprodukten in einem Preisaushang<br />

anzugeben sind, der in den Schalterräumen aufzuhängen ist. Ist ein Preis dort nicht aufgeführt,<br />

kann für die entsprechende Leistung nur aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung ein<br />

Entgelt verlangt werden. Die Gestaltung und der Inhalt des Preisaushangs sind in aller Regel mit<br />

den Preisbehörden der Länder abgestimmt. Es verbleibt daher kaum Spielraum für eine freiwillige<br />

Vereinbarung der Kreditwirtschaft, da der Inhalt des Preisaushangs festgelegt ist. Es ist noch<br />

offen, inwieweit eine Selbstverpflichtung für Deutschl<strong>and</strong> überhaupt in Betracht kommt.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Binnenmarktkommissar, Barnier, hat im August 2010 die europäische Kreditwirtschaft dazu aufgefordert,<br />

einen Dialog mit Verbraucherorganisationen mit dem Ziel einer Selbstregulierung aufzunehmen.<br />

Die Kreditwirtschaft war aufgefordert, praktische Lösungen bis Mitte 2011 zu liefern und<br />

bis Anfang 2012 umzusetzen; sollte dies nicht erfolgen, hat die Kommission angedroht, legislative<br />

Maßnahmen zu ergreifen. Die Europäische Kreditwirtschaft hat angekündigt, zunächst die Machbarkeit<br />

eines solchen Vorhabens zu prüfen, bevor sie sich zu den Forderungen der Kommission<br />

positioniert.<br />

Die europäische Kreditwirtschaft hat einen ersten Vorschlag bereits im Mai 2011 unterbreitet. Bis<br />

Mitte September 2011 wurde mit Kommission und Verbraucherverbänden über eine mögliche<br />

Anpassung dieses Vorschlags diskutiert. Hierbei ging es unter <strong>and</strong>erem um die konkrete Anzahl der<br />

Produkte und um eine stärkere Einflussnahme durch Verbraucherverbände. Hierauf legte die Kreditwirtschaft<br />

einen zweiten Vorschlag im September 2011 vor. Im Laufe des Verfahrens wurden die<br />

Forderungen von Seiten der Kommission weiter erhöht. Im Oktober 2011 lehnte die Kommission<br />

den Vorschlag ab und kündigte Legislativmaßnahmen an.<br />

Von März bis Juni 2012 führte die EU-Kommission eine Konsultation über Bankkonten durch, die<br />

unter <strong>and</strong>erem die Gebührentransparenz betrifft. Ein Legislativvorschlag ist für Herbst 2012 vorgesehen<br />

(vgl. auch Kapitel F.II.1.)<br />

323<br />

F


F<br />

F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

3. Empfehlung über Zugang zu einem Basiskonto<br />

Empfehlung der Kommission zum Zugang zu einem Konto mit grundlegenden Zahlungsfunktionen<br />

(„Basiskonto“)<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

324<br />

Ziel der Empfehlung ist es, dass jeder Verbraucher, der sich rechtmäßig in der EU aufhält und nicht<br />

bereits ein Zahlungskonto in diesem Mitgliedsstaat hat, berechtigt ist, ein Basiskonto zu eröffnen<br />

und zu nutzen.<br />

Zu den obligatorischen Diensten für Basiskonten gehören die Möglichkeit der Einzahlung und<br />

Abhebung von Bargeld über das Konto sowie Abwicklung wesentlicher Zahlungsvorgänge, wie<br />

Überweisungen, Lastschriften, Zahlungen mittels Zahlungskarte, allerdings ohne den Überziehungskredit.<br />

Die Kommission überlässt es den Mitgliedsstaaten zu entscheiden, ob das Basiskonto kostenfrei<br />

sein soll oder ob es dem Verbraucher gegen einen angemessenen Gesamtbetrag zur Verfügung<br />

gestellt wird.<br />

Mitgliedsstaaten sollen einen, mehrere oder alle Zahlungsdienstleister dazu bestimmen können,<br />

Basiskonten anzubieten. Das Angebot muss unabhängig von <strong>and</strong>eren Diensten gemacht werden.<br />

Hierbei darf auch der Wettbewerb der Zahlungsdienstleister unterein<strong>and</strong>er nicht verzerrt werden.<br />

Zusätzlich soll es in den Mitgliedsstaaten Informationskampagnen geben. Die Einhaltung der<br />

Grundsätze soll durch unabhängige Aufsichtsbehörden überwacht werden, Mitgliedsstaaten sollen<br />

der Kommission mindestens einmal jährlich Bericht erstatten.<br />

Die Einführung einer generellen Verpflichtung der Zahlungsdienstleister zur Eröffnung eines Basiskontos<br />

für jeden Verbraucher würde gegen das Prinzip der Vertragsfreiheit verstoßen. Im Übrigen<br />

müsste ein solches Recht eine Unzumutbarkeitsklausel enthalten. Im Einzelnen sollte ein derartiges<br />

Recht vom Wohnort des Verbrauchers abhängen dürfen. Ansonsten droht ein Wettbewerb der<br />

verschiedenen Regime der Mitgliedstaaten, insbesondere da angemessene Kosten nicht in jedem<br />

L<strong>and</strong> einheitlich sind. Ferner erschwert ein solches unbedingtes Recht es Zahlungsdientsleistern,<br />

ihren Verpflichtungen aus <strong>and</strong>eren EU-Vorschriften nachzukommen, insbesondere hinsichtlich der<br />

Geldwäsche-Vorschriften. Der VÖB lehnt grundsätzlich eine Preisregulierung ab, da sie mit einem<br />

gesunden Wettbewerb nicht vereinbar ist und zudem im Widerspruch zu fundamentalen Marktregeln<br />

steht.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Europäische Kommission hat die Empfehlung am 18. Juli 2011 veröffentlicht.<br />

Bis Juli 2012 wurde die Anwendung der Empfehlung in den Mitgliedstaaten evaluiert.<br />

Am 4. Juli 2012 hat das Europäische Parlament eine Entschließung angenommen, worin es die<br />

Kommission auffordert, den St<strong>and</strong> der Dinge in den Mitgliedstaaten bis September 2012 in einem<br />

Bericht an das Parlament mitzuteilen, und einen Legislativvorschlag bis Januar 2013 vorzulegen.<br />

K (2011) 4977 (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

325<br />

F


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F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

4. Grünbuch Karten<br />

Grünbuch – Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

326<br />

In dem Grünbuch „Ein integrierter europäischer Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen“<br />

untersucht die Europäische Kommission die Hindernisse, die der Stärkung des Binnenmarktes hinsichtlich<br />

Wachstum und Beschäftigung entgegenstehen. H<strong>and</strong>elsunternehmen und Endkunden<br />

sollen von sichere und effiziente Zahlungssysteme und -instrumente profitieren. Durch eine bessere<br />

Marktintegration sollen insbesondere folgende Vorteile erreicht werden: (1) mehr Wahlmöglichkeiten<br />

und Transparenz für Zahlungsdienstnutzer, insbesondere wird hierbei Bezug genommen<br />

auf versteckte Kosten; (2) mehr Wettbewerb durch Verbesserung des Marktzugangs für neue<br />

Marktteilnehmer, hier geht es insbesondere um die Dominanz der weltweiten Kartensysteme und<br />

die Frage nach gemeinsamen, offenen St<strong>and</strong>ards um Innovationsanreize zu setzten; (3) mehr Kosteneinsparung<br />

und Innovation und (4) Verbrauchervertrauen soll gefördert und Zahlungssicherheit<br />

geschaffen werden.<br />

Die EU-Kommission stellt in ihrem Grünbuch fest, dass die Integration des europäischen Zahlungsverkehrsmarktes<br />

noch sehr uneinheitlich ist. Beim Einsatz von Debit-Karten bemängelt sie, dass<br />

keine signifikante Verringerung der Kosten für Verbraucher eingetreten sei und dass nationale<br />

Karten häufig im Ausl<strong>and</strong> nicht akzeptiert werden. Sie geht derzeit von einem grundsätzlichen<br />

Mangel an grenzüberschreitenden Zahlungen am POS als auch vor allem im E-Commerce aus. Die<br />

Kommission möchte zudem das so genannte „grenzüberschreitende Acquiring“, also dass ein<br />

Händler einen Zahlungsdienstleister in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat nutzt, fördern. Für Händler<br />

wäre es von Vorteil, für alle ihre Transaktionen nur noch einen Zahlungsdienstleister zu nutzen.<br />

Hindernisse hierfür seien unterschiedliche technische St<strong>and</strong>ards, unterschiedliche Gebühren- und<br />

Zulassungsregeln und inländischen multilaterale Interbankenentgelte (MIF). Ferner soll grundsätzlich<br />

„Co-Br<strong>and</strong>ing“, das heißt mehrere Zahlungssysteme auf einer Karte, ermöglicht werden,<br />

wobei der Verbraucher wählen können soll, welche Akzeptanzmarke er am POS nutzt.<br />

Mit der SEPA-Verordnung hat die EU-Kommission unlängst ihren marktgetriebenen Ansatz aufgegeben<br />

und die Migrationsfrist auf den 1. Februar 2014 festgesetzt (vgl. Kapitel F.I.6.). Bisher haben<br />

die SEPA-Verfahren ein wesentliches Mehr an Innovation und Effizienz für den deutschen Markt<br />

nicht gebracht. Die Hürden sind vor allem die zu tätigenden Investitionen der betroffenen Endnutzer.<br />

Die Zahlungsverkehrsteilnehmer im Kartengeschäft und E-Commerce dürften bei einer Regulierung<br />

auf EU-Ebene mit kurzfristigen Terminen wohl signifikant betroffen sein. Denn in beiden<br />

Bereichen werden bspw. Hardware-Komponenten genutzt, deren Anpassung und Austausch<br />

gerade kurzfristig ausgeschlossen sein dürfte – zumindest im europäischen Massengeschäft. Tatsächlich<br />

befindet sich die Europäisierung des elektronischen Zahlungsverkehrs in der SEPA in<br />

einem fortgeschrittenen Stadium. So sind im europäischen Kartengeschäft bereits viele technische<br />

und rechtliche Grundvoraussetzungen geschaffen worden. Grenzüberschreitende Zahlungen am<br />

POS werden durch „Co-Br<strong>and</strong>ing“, bilaterale Vereinbarungen oder die „Euro Alliance of Payment<br />

Schemes“ auf der Basis einheitlicher, offener St<strong>and</strong>ards getätigt.


F. ZAHLUNGSVERKEHR<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der Forderung nach mehr grenzüberschreitenden E-Commerce-Transaktionen legt die Kommission<br />

Zahlenmaterial aus 2009 zugrunde. Viele E-Commerce-Händler folgen heute mit ihrem Produktangebot<br />

aus Gründen der Logistik, Sprache und regionaler Besonderheiten dem Kunden und sind<br />

national tätig. Die jährlichen Steigerungsraten im E-Commerce von bis zu über 10 Prozent in einzelnen<br />

Branchen als auch das gestiegene Angebot an Zahlverfahren bestätigen das rasante Wachstum.<br />

Das Grünbuch wurde am 11. Januar 2012 veröffentlicht und die Öffentlichkeit wurde bis zum<br />

11. April 2012 konsultiert. Das Parlament arbeitet an einem entsprechenden Initiativbericht.<br />

KOM (2011) 941 endgültig (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

327<br />

F


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Dritte Anti-Geldwäsche-Richtlinie<br />

Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur<br />

Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung<br />

Inhalt<br />

328<br />

Die Richtlinie zielt darauf ab, die aus der internationalen Diskussion hervorgegangenen St<strong>and</strong>ards<br />

(überarbeitete 40 Empfehlungen der <strong>Financial</strong> Action Task Force on Money Laundering [FATF] aus<br />

2003 und 9 Sonderempfehlungen der FATF zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung aus 2001),<br />

im Rahmen einer Modernisierung des Gemeinschaftsrechts auf diesen Gebieten zu übernehmen.<br />

Insoweit ersetzt die neue Fassung angesichts der erforderlichen tief greifenden Änderungen die<br />

Richtlinie 91/308/EWG von 1991 (geändert durch Richtlinie 2001/97/EG von 2001).<br />

Gemäß der Richtlinie erstreckt sich die Geldwäschebekämpfung nunmehr auch auf die Terrorismusfinanzierung.<br />

Somit werden auch rechtmäßig erworbene Vermögensgegenstände, die zur<br />

Finanzierung des Terrorismus eingesetzt werden, unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.<br />

Der Personenkreis, der unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, wird weiter ausgedehnt<br />

und umfasst nunmehr Kreditinstitute, Notare und Rechtsberufe, Immobilienmakler, Abschlussprüfer,<br />

externe Buchprüfer, Steuerberater, Anbieter von Dienstleistungen für Treuh<strong>and</strong>gesellschaften,<br />

Kasinos und unter bestimmten Voraussetzungen Händler.<br />

Die Richtlinie sieht vor, dass das Führen von anonymen Konten, anonymen Sparbüchern sowie<br />

Konten unter fiktiven Namen untersagt wird. Ferner sollen Kreditinstitute bei der Etablierung einer<br />

Geschäftsbeziehung, bei Abwicklung gelegentlicher Transaktionen ab 15.000 EUR sowie bei Geldwäscheverdacht<br />

die Kundenidentität feststellen. Dementsprechend sollen Kreditinstitute eine<br />

Identifizierung des Kunden und Überprüfung dieser Identität bzw. der Identität des wirtschaftlichen<br />

Eigentümers durchführen. Wenn Kreditinstitute nicht in der Lage sind, diesen Sorgfaltspflichten<br />

nachzukommen, wird die Etablierung der Geschäftsbeziehung untersagt bzw. muss die Geschäftsbeziehung<br />

beendet werden. Kreditinstitute dürfen auch keine Korrespondenzbankbeziehung mit<br />

einer fiktiven Bank („shell bank“) fortführen.<br />

Ferner führt die Richtlinie das von der FATF geforderten Prinzip, wonach die neuen Regeln zur<br />

Geldwäschebekämpfung einem risikobezogenen Ansatz unterliegen sollen (sog. „risk-based<br />

approach“), in das Gemeinschaftsrecht ein. Die EU erkennt hierdurch an, dass eine Gefahr des<br />

Missbrauchs zu Zwecken der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer H<strong>and</strong>lungen nicht<br />

bei allen Geschäftsbeziehungen bzw. Geschäftsvorfällen gleichermaßen besteht. So soll auf dieser<br />

Grundlage beispielsweise in bestimmten Fällen eine vereinfachte Sorgfaltspflicht bei der Feststellung<br />

der Kundenidentität zugelassen werden (z. B. Kreditinstitute aus EU-Mitgliedstaaten, börsennotierte<br />

Unternehmen oder inländische Behörden); in <strong>and</strong>eren Fällen dagegen, die naturbedingt ein


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

höheres Geldwäscherisiko darstellen, ist eine erhöhte Sorgfaltspflicht angezeigt (z. B. Geschäft mit<br />

politisch exponierten Personen, Fernabsatzgeschäft oder Korrespondenzinstituten aus Drittländern).<br />

Ferner werden Mitgliedstaaten aufgefordert, zur wirksamen Bekämpfung der Geldwäsche eine<br />

zentrale Meldestelle einzurichten („<strong>Financial</strong> Intelligence Unit“ (FIU)). Verdächtige Transaktionen<br />

müssen an die FIU unverzüglich gemeldet werden. Zudem schreibt die Richtlinie eine Reihe von<br />

Vorschriften über Interne Verfahren, Schulungen, Rückmeldung und zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen<br />

bei den Banken vor. Die Mitgliedstaaten sollen auch angemessene Maßnahmen<br />

ergreifen, um Bankenangestellte, die einen Geldwäscheverdacht melden, vor Drohungen oder<br />

Anfeindungen zu schützen.<br />

Die Richtlinie sieht auch vor, dass Mitgliedstaaten bei der Umsetzung strengere Vorschriften erlassen<br />

bzw. beibehalten können. Ferner sollen durch diese Richtlinie nur Grundprinzipien festgelegt<br />

werden, während Durchführungsmaßnahmen durch ein Komitologie-Verfahren angenommen werden.<br />

Zu begrüßen ist zunächst, dass die in der 3. EU-Anti-Geldwäsche-Richtlinie enthaltenen Regelungen<br />

zur Geldwäschebekämpfung stärker als bisher einem risikobezogenen Ansatz unterliegen sollen.<br />

So sollen in bestimmten Fällen vereinfachte Sorgfaltspflichten bei der Feststellung der Kundenidentität<br />

zugelassen werden, in <strong>and</strong>eren Fällen aber auch erhöhte Sorgfaltspflichten angezeigt<br />

sein.<br />

Dennoch sieht die Kreditwirtschaft in den neuen EU-Vorgaben einen erheblichen administrativen<br />

Mehraufw<strong>and</strong> für Banken und damit deutlich höhere Kosten gegenüber dem schon heute in<br />

Deutschl<strong>and</strong> praktizierten hohen St<strong>and</strong>ard der Geldwäschebekämpfung. So fehlen in der Richtlinie<br />

sinnvolle Eingrenzungen, z. B. bei den speziellen Überwachungspflichten politisch exponierter<br />

Personen (PEP), die erst im Zuge der nationalen Umsetzung geschaffen werden mussten. Besondere<br />

Probleme werden auch bei der Umsetzung der Vorgabe zur Identifizierung und Verifizierung<br />

der wirtschaftlichen Eigentümer nicht börsennotierter Aktiengesellschaften erwartet. Insbesondere<br />

gebe es keine aktualisierten H<strong>and</strong>els- und Beteiligungsregister über Unternehmen in der EU,<br />

anh<strong>and</strong> derer die neuen Vorgaben der Richtlinie erfüllt werden können. Die Problemlage verschärft<br />

sich noch, wenn die tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer in Drittstaaten residieren. Dann<br />

kann der für die Identifizierung erforderliche administrative und kostenmäßige Mehraufw<strong>and</strong><br />

gerade bei kleineren Banken zu unvertretbaren Belastungen führen. Insgesamt sieht die Kreditwirtschaft<br />

in der Richtlinie zahlreiche Schwachstellen, die bei einer nicht harmonisierten Umsetzung<br />

die Unterschiede zwischen den nationalen Anti-Geldwäsche-Regimen und der Aufsichtspraxis in<br />

den EU-Mitgliedstaaten zementieren, dem Harmonisierungsziel (als solchen) entgegenwirken und<br />

zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt führen werden.<br />

329<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

330<br />

Erste Geldwäsche-Richtlinie (91/308/EWG)<br />

Im Oktober 1989 hatte die EU-Kommission einen ersten Entwurf einer Empfehlung zur Bekämpfung<br />

der Geldwäsche vorgelegt, der im März 1990 in einen Richtlinienvorschlag mündete. Die Richtlinie<br />

wurde am 10. Juni 1991 endgültig verabschiedet. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte<br />

durch das Geldwäschegesetz, das seit dem 29. November 1993 in Kraft ist.<br />

Am 3. März 1995 legte die Kommission den ersten Bericht zur Umsetzung der Ersten Geldwäsche-<br />

Richtlinie vor, der noch eine Reihe von Schwächen in der Umsetzung der Richtlinie aufzeigt und<br />

Maßnahmen zu deren Beseitigung vorschlägt. Eine Änderung der Richtlinie wurde darin nicht vorgeschlagen.<br />

Das Europäische Parlament verabschiedete am 24. Juni 1996 einen Bericht, in dem die Kommission<br />

zur Erweiterung des Geltungsbereichs der Richtlinie, zu einer wirksameren Ausgestaltung und<br />

besseren Anpassung an die technische Entwicklung sowie zur Erstellung einer Liste mit „sauberen<br />

Banken“ aufgefordert wurde.<br />

Zweite Geldwäsche-Richtlinie (2001/97/EG))<br />

Am 14. Juli 1999 nahm die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Änderung der Ersten Geldwäsche-Richtlinie<br />

an.<br />

Am 5. Juli 2000 wurde die Richtlinie vom Europäischen Parlament in erster Lesung mit 33 Änderungsanträgen<br />

verabschiedet. Wichtige Änderungen betrafen die Geheimhaltungspflicht, den Vortatenkatalog<br />

sowie die Ausweitung des Adressatenkreises.<br />

Am 5. April 2001 verabschiedete das Parlament einen Bericht, der einige wichtige Änderungen des<br />

Richtlinienvorschlages vorsah. So wurden u. a. die Mitwirkungspflichten für Rechtsberater bei der<br />

Ermittlung gegen illegale Geldtransaktionen abgemildert. Die Kommission lehnte in einer Stellungnahme<br />

die vorgeschlagenen Änderungen ab. Der Rat wies am 20. August 2001 diese Änderungsanträge<br />

ab, so dass es zum Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Parlament kam. Nach Einigung<br />

im Vermittlungsausschuss am 17. Oktober 2001 f<strong>and</strong> der Kompromisstext im Europäischen<br />

Parlament am 13. November 2001 und im Ministerrat am 19. November 2001 Zustimmung. Die<br />

deutsche Gesetzgebung spielte bei der Erweiterung auf weitere Berufsgruppen die Rolle eines<br />

Vorreiters, indem die Regierung die Erste Richtlinie schnell umgesetzt und sogar eine aktive Nachforschungspflicht<br />

für Banken eingeführt hatte. Um jedoch mittelfristige Wettbewerbsverzerrungen<br />

im EU-Binnenmarkt zu vermeiden, sollten strengere Vorgaben für Banken zur Bekämpfung der<br />

Geldwäsche europaweit eingeführt werden. In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Zweite Richtlinie durch das<br />

Geldwäschegesetz in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche<br />

und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (Geldwäschebekämpfungsgesetz) vom<br />

8. August 2002 umgesetzt.<br />

Dritte Geldwäsche Richtlinie (2005/60/EG)<br />

Vor dem Hintergrund der seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 initiierten weltweiten<br />

Bemühungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie der Weiterentwicklung<br />

internationaler St<strong>and</strong>ards auf diesen Gebieten (d. h. FATF-Empfehlungen) hat die EU-<br />

Kommission am 30. Juni 2004 den Vorschlag für eine Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des<br />

Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche einschließlich der Finanzierung des Terrorismus


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

(3. EU-Anti-Geldwäsche-Richtlinie) vorgelegt. Der Richtlinienvorschlag wurde dem europäischen<br />

Parlament und dem Rat zur Annahme im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens übergeben.<br />

Der Ministerrat hat sich am 7. Dezember 2005 auf eine politische Ausrichtung verständigt. Dieser<br />

Kompromiss übernahm den Kommissionsvorschlag mit wichtigen Anpassungen zur Definition des<br />

wirtschaftlichen Eigentümers und der „politisch exponierten Personen“.<br />

Rat und Parlament haben versucht die Richtlinie in einer Lesung zu verabschieden. Intensive Beratungen<br />

wurden geführt, so dass beide Institutionen sich auf einen Kompromisstext einigen konnten.<br />

Dieser Kompromisstext stützte sich auf den Ratstext vom Dezember 2004. Bei der Definition<br />

des wirtschaftlichen Eigentümers wurde der Schwellenwert auf 25 % (anstelle von 10 % wie von<br />

der EU-Kommission vorgeschlagen) angehoben. So wurde gefordert, dass Kreditinstitute, die mit<br />

(nicht börsennotierten) juristischen Personen eine Geschäftsbeziehung aufnehmen wollen, die<br />

Identität der wirtschaftlichen Eigentümer, die direkt oder indirekt 25 % oder mehr der Anteile bzw.<br />

Stimmrechte kontrollieren, feststellen müssen. Zudem begrenzt sich die PEP-Definition auf Personen,<br />

die wichtige öffentliche Ämter ausüben bzw. ausgeübt haben und die in einem Drittstaaten<br />

oder in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat ansässig sind.<br />

Am 26. Mai hat das Europäische Parlament seinen Bericht angenommen und dem Kompromisstext<br />

zugestimmt. Der ECOFIN Rat hat ebenfalls am 7. Juni dem Kompromisstext zugestimmt, so dass<br />

sie die Richtlinie formell im Oktober 2005 verabschiedet wurde.<br />

Die Richtlinie musste bis zum 15. Dezember 2007 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. In<br />

Deutschl<strong>and</strong> führte die Umsetzung der Richtlinie zu einer Änderung des Kreditwesengesetzes<br />

(KWG) und des Geldwäschegesetzes (GWG). Der Regierungsentwurf zum Gesetz zur Fortentwicklung<br />

der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz<br />

– GwBekErgG) wurde am 19. Juni vom Bundestag und am<br />

4. Juli 2008 vom Bundesrat angenommen. Das Gesetz ist am 21. August 2008 in Kraft getreten.<br />

Durchführungsmaßnahmen<br />

Parallel zur Dritten Richtlinie arbeitete die EU-Kommission an der Formulierung von Durchführungsmaßnahmen,<br />

die gewisse definitorische und technische Aspekte der dritten Anti-Geldwäsche-Richtlinie<br />

konkretisieren sollen. Sie hatte bereits im September 2005 ein erstes Arbeitspapier<br />

zur Konsultation und im Februar 2006 einen Entwurf einer Durchführungsrichtlinie veröffentlicht.<br />

Diese Durchführungsrichtlinie konzentriert sich auf:<br />

■ Fälle, die ein niedriges Geldwäscherisiko darstellen und somit vereinfachte Sorgfaltspflichten<br />

erlauben.<br />

■ Ausnahmen bei Finanztätigkeiten auf eine gelegentliche Basis<br />

■ die Definition von Politisch Exponierten Personen (PEP).<br />

Die Richtlinie, die vor allem eine umfangreiche Funktionsliste zur Klärung der PEP-Definition vorsieht,<br />

wurde von der EU-Kommission am 1. August 2006 verabschiedet. Sie musste ebenfalls bis<br />

zum 15. Dezember 2007 umgesetzt werden.<br />

Die EU-Kommission hat im September 2006 eine informelle Konsultation über die Einführung<br />

zusätzlicher Durchführungsmaßnahmen hinsichtlich der verstärkten Sorgfaltspflichten geführt.<br />

Diese werden von der Kreditwirtschaft abgelehnt, da sie den risiko-basierten Ansatzes der Richtlinie<br />

unterminieren. Bislang hat die EU-Kommission keine konkreten Vorschläge diesbezüglich vorgelegt.<br />

331<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

332<br />

Im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse haben sich die EU-<br />

Institutionen auf einen neuen Beschluss über das Komitologieverfahren einigen können. Dieser<br />

Beschluss führt ein zusätzliches Verfahren ein, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“, das<br />

insbesondere die Rechte des EU-Parlamentes ausweitet. Das neue Verfahren wurde in die Dritte<br />

Anti-Geldwäsche-Richtlinie durch Richtlinie 2008/22/EG, angenommen am 11. März 2008, eingeführt.<br />

Am 28. April 2009 hat die Kommission einen Bericht zu Besten Praktiken in der Zusammenarbeit<br />

zwischen FIUs, polizeilichen Behörden und u. a. Finanzinstituten vorgestellt. Der Bericht fordert<br />

u. a. verstärkte Rückmeldung von Behörden zu Anzeigen von Finanzinstituten über verdächtige<br />

Transaktionen.<br />

Am 1. Juli 2009 hat die Kommission ein Arbeitspapier (SEC(2009) 939 final) veröffentlicht über die<br />

Umsetzung grenzüberschreitend tätiger Bankengruppen. Das Papier findet, dass trotz minimaler<br />

Harmonisierungsregeln der Dritten Richtlinie, eine hohe Konvergenz der Anti-Geldwäscheregelnumsetzung<br />

zwischen den Mitgliedstaaten erkennbar ist. Das Papier sieht jedoch einige Unsicherheiten<br />

für Bankengruppen im Hinblick auf verschiedene Datenschutz- und Bankgeheimnisregeln in<br />

den Mitgliedstaaten. Die Kommission fordert in dem Papier außerdem mehr Konvergenz in der<br />

Aufsicht über die Umsetzung von Geldwäschegesetzen zwischen den verschiedenen nationalen<br />

Aufsichtsbehörden.<br />

Die Dritte Anti-Geldwäsche-Richtlinie wurde geändert, als Folge der Annahme der E-Geld-Richtlinie<br />

am 27. Juli 2009, die die Anwendung neuer Schwellenwerte für einfache Sorgfaltspflichten<br />

durch neue Dienstleistungsanbieter (E-Geld-Institute etc.) vorschreibt.<br />

Die Kommission hat am 26. Oktober 2009 vorgeschlagen, die Europäische Aufsicht durch die<br />

Schaffung einer Europäischen Bankenbehörde zu stärken, die die Annahme technischer St<strong>and</strong>ards<br />

u. a. im Bereich der Geldwäschebekämpfung vorschlagen kann. Die Dritte Anti-Geldwäsche-<br />

Richtlinie wurde entsprechend am 25. Dezember 2010 durch eine sogenannte „Omnibus-Richtlinie“<br />

geändert.<br />

Im Oktober 2009 hat die FATF eine Überarbeitung der St<strong>and</strong>ards eingeleitet. Eine erste öffentliche<br />

Konsultation wurde im Oktober 2010 gehalten, eine zweite im Juni 2011 eingeleitet. Am 15. Juni<br />

2011 haben die EU Mitgliedstaaten eine „informelle“ positive Liste von geldwäschegesetztlich<br />

äquivalenten Drittstaaten sowie ein Erklärung mit den angew<strong>and</strong>ten Listungskriterien angenommen,<br />

die auf der Kommissionswebseite am 27. Juli 2011 veröffentlicht worden ist. Die Liste soll<br />

regelmäßig aktualisiert werden.<br />

Am 11. April 2012 hat die EU einen Bericht zur Umsetzung der Dritten Anti-Geldwäsche Richtlinie<br />

angenommen und eine Konsultation bis zum 13. Juni 2012 gestartet. Eine Anpassung der EU<br />

Regeln ist bis 2013 zu erwarten, auch vor dem Hintergrund der Überarbeitung der FATF-St<strong>and</strong>ards<br />

in Februar 2012. Geplant wird u.a. die Einführung von Steuerdelikten als Vortat für Geldwäsche,<br />

eine Ausweitung der PEP Definition sowie die Klärung der Definition des Wirtschaftlich Berichtigten.


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

91/308/EWG (Richtlinie) (aufgehoben) vom 10.06.1991, Amtsblatt der EG Nr. L 166/77 vom<br />

28.06.1991<br />

2001/97/EG (Richtlinie) (aufgehoben) vom 04.12.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 344/76 vom<br />

28.12.2001<br />

2005/60/EG (Richtlinie) vom 26.10.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 309/15 vom 25.11.2005<br />

2006/70/EG (Richtlinie) vom 01.08.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 214/29 vom 04.08.2006<br />

2008/20/EG (Richtlinie) vom 11.03.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 76/46 vom 19.03.2008<br />

2010/78/EG (Richtlinie) vom 24.11.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 331/120 vom 15.12.2010<br />

333<br />

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G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Finanzsanktionsverordnungen<br />

Verordnungen über restriktive Maßnahmen (Einfrieren von Geldern)<br />

Inhalt<br />

334<br />

Die Europäische Union hat in den letzten Jahren zahlreiche Verordnungen, die Finanzsanktionen<br />

gegenüber natürlichen sowie juristischen Personen verhängen, erlassen. Dieses Vorgehen ist vor<br />

dem Hintergrund einer internationalen Entwicklung zu sehen nach der so genannte „smart sanctions“<br />

(anstelle von herkömmlichen länderbezogenen wirtschaftlichen Embargos) auf Grund ihres<br />

selektiven und gezielten Ansatzes bevorzugt werden. Diese Finanzsanktionen gelten ferner als ein<br />

geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung.<br />

So wurde eine Reihe von EU-Verordnungen in den vergangenen Jahren angenommen. Diese<br />

umfassen nunmehr ungefähr 5000 Personen, Gruppierungen oder Unternehmen. Das Spektrum<br />

umfasst Maßnahmen gegen<br />

■ den ehemaligen Machthaber Jugoslawiens, Slobodan Milosevic (Verordnung Nr. 2488/2000);<br />

■ den internationalen Terrorismus (Verordnung Nr. 2580/2001);<br />

■ die Taliban/Al-Qaida (Verordnung Nr. 881/2002);<br />

■ den Irak (Verordnung Nr. 1210/2003);<br />

■ Zimbabwe (Verordnung Nr. 314/2004);<br />

■ Liberia (Verordnung 872/2004);<br />

■ die Elfenbeinküste (Verordnung Nr. 560/2005);<br />

■ den Kongo (Verordnung 1183/2005)<br />

■ Sudan (Verordnung Nr. 1184/2005);<br />

■ die Mörder von Herrn Hariri, dem Premierminister Libanons (Verordnung Nr. 305/2006/EG)<br />

■ Weißrussl<strong>and</strong> (Verordnung Nr. 765/2006);<br />

■ Nordkorea (Verordnung Nr. 329/2007);<br />

■ Iran – nukleare Proliferation (Verordnung Nr. 423/2007)<br />

■ Myanmar/Burma (Verordnung Nr. 194/2008); (bis 30. April 2013 suspendiert)<br />

■ die Republik von Guinea (Verordnung Nr. 1284/2009);<br />

■ Somalia (Verordnung Nr. 356/2010);<br />

■ Eritrea (Verordnung Nr. 667/2010);<br />

■ Tunesien (Verordnung Nr. 101/2011);<br />

■ Libyen (Verordnung Nr. 204/2011);<br />

■ Ägypten (Verordnung Nr. 270/2011);<br />

■ Iran – Menschenrechte (Verordnung Nr. 359/2011);<br />

■ Syrien (Verordnung Nr. 442/2011);<br />

■ Afghanistan (Verordnung Nr. 753/2011);<br />

■ und die Republik von Guinea-Bissau (Verordnung Nr. 377/2012).<br />

Diese Verordnungen schreiben vor, dass sämtliche Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die<br />

direkt oder indirekt den aufgeführten Personen gehören, eingefroren werden. Ferner verbieten die<br />

Verordnungen, den unter Sanktion stehenden Personen Gelder bzw. wirtschaftliche Ressourcen<br />

direkt oder indirekt zur Verfügung zu stellen. Somit soll verhindert werden, dass die sanktionierten<br />

Personen bzw. Gruppen sich <strong>and</strong>erweitig Finanzmittel beschaffen. Ferner werden Informations-<br />

und Auskunftspflichten gegenüber den Kreditinstituten auferlegt.


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Die Mitgliedstaaten überwachen die Einhaltung der Maßnahmen und sollen bei deren Verletzung<br />

wirksame, angemessene und abschreckende Strafen vorsehen. In Deutschl<strong>and</strong> sind diese Sanktionen<br />

im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) festgeschrieben. Den Mitgliedstaaten obliegt es auch,<br />

bestimmte Ausnahmen von den Sanktionen zuzulassen, da die meisten Verordnungen die Freigabe<br />

der Finanzmittel für Grundausgaben (z. B. für Nahrungsmitteln und Medikamenten) und bei rechtmäßigen<br />

Zahlungen (z. B. bei Steuern, öffentlichen Abgaben oder Kontoführungsgebühren) erlauben.<br />

Obwohl die Umsetzung solcher Maßnahmen vor allem Kreditinstituten obliegt, ist es jedoch allen<br />

natürlichen und rechtlichen Personen (z. B. allen Unternehmen) untersagt, den sanktionierten Personen<br />

bzw. Gruppen wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Diese Sanktionen treten<br />

meistens am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft und gelten<br />

unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten und bedürfen keiner nationaler Umsetzung.<br />

Bewertung<br />

Die Zielsetzung dieser Verordnungen, z. B. die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung oder die<br />

Wiederherstellung eines völkerrechtskonformen Verhaltens von „Schurkenstaaten“ (bei Menschenrechtsverletzungen),<br />

wird von der Kreditwirtschaft unterstützt. Jedoch leiden die Verordnungen<br />

oft unter unterschiedlichen bzw. praxisfremden Bestimmungen, so dass Kreditinstitute zahlreichen<br />

Risiken ausgesetzt sind (z. B. Zeitverlust, fehlerhafte Anwendung, zivil- und strafrechtliches<br />

Haftungsrisiko etc.).<br />

Aus Sicht der Kreditwirtschaft stellte die zügige und fehlerfreie Umsetzung von Finanzsanktionen<br />

trotz Einsatzes modernster Datenverarbeitungssysteme eine wesentliche Herausforderung dar,<br />

dies insbesondere bei der Identifizierung der in den Anhängen der EU-Verordnungen enthaltenen<br />

Namenslisten sanktionierter Personen. Aus diesem Grund haben europäische Bankenverbände und<br />

die EU-Kommission eine zentrale EU-Datenbank mit allen relevanten Angaben über Personen,<br />

Gruppierungen und Unternehmen, die von EU-Finanz-sanktionen betroffen sind, entwickelt. Diese<br />

Datenbank, die im Juli 2004 auf der Kommissionswebseite veröffentlicht wurde, soll nun ein automatisiertes<br />

Vorgehen der Kreditinstitute und eine vereinfachte Identifizierung von Sanktionierten<br />

gewährleisten – wobei eine zügige Aktualisierung der EDV-Liste durch die Kommission erforderlich<br />

ist. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass Kreditinstitute weitere Angaben neben dem Personennamen<br />

erhalten, um eine zweifelsfreie Identifizierung der betroffenen Personen zu ermöglichen.<br />

Zudem sollen banktechnisch durchführbare Regelungen beim Führen von eingefrorenen Konten<br />

bestehen, um der Bankenpraxis Rechnung zu tragen und die Effizienz der Finanzsanktionen zu verbessern.<br />

So sollen z. B. Gutschriften auf eingefrorene Konten prinzipiell zugelassen sein, solange<br />

diese unverzüglich eingefroren werden. Sonst müsste ein Kreditinstitut eine untersagte Zahlung<br />

zurückweisen mit der Folge, dass der Überweisende über alternative Wege die Gelder den sanktionierten<br />

Personen zur Verfügung stellt. Ebenso brauchen Kreditinstitute eine Ausnahmeregelung<br />

zur unbürokratischen Abbuchung von Bankgebühren und Entgelten.<br />

Ferner ist eine verbesserte Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden erforderlich, so dass<br />

Bankenanfragen zur Klärungs- bzw. Genehmigungspraxis innerhalb kürzester Zeit beantwortet<br />

werden. Um die Rechtsicherheit von Kreditinstituten zu erhöhen ist auch eine Haftungsfreistellung<br />

der Bank und ihrer Mitarbeiter bei der Anwendung der Verordnungen notwendig. Daneben haben<br />

die verschiedenen existierenden Verordnungen oft divergierende Regelungsinhalte. Daher ist eine<br />

konsistente, EU-weite Vorgehensweise notwendig (d. h. Bedarf an einheitlichen Vorschriften in<br />

335<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

336<br />

allen Verordnungen), um Rechtssicherheit herzustellen und eine effiziente und einheitliche Umsetzung<br />

von Finanzsanktionen im Gemeinsamen Markt zu gewährleisten.<br />

Verfahren<br />

Seit den 1990er Jahren haben die Vereinten Nationen (VN) im Rahmen des Kapitels VII der Charta<br />

der VN einen Maßnahmenkatalog verabschiedet, der spezifische Finanzsanktionen gegenüber<br />

Personen, Gruppierungen oder Unternehmen festschreibt (z. B. Einfrieren von Geldern). Um eine<br />

gleichzeitige und einheitliche Umsetzung in der Europäischen Union sicherzustellen, wurden die<br />

VN-Resolutionen über Finanzsanktionen durch EG-Verordnungen, die unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten<br />

anwendbar sind umgesetzt. Zudem hat die EU ihre eigenen bzw. „autonomen“ Finanzsanktionen<br />

im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erlassen, um<br />

gezielt politischen Druck gegenüber leitenden Personen in „Schurkenstaaten“ auszuüben.<br />

Die Rechtsgrundlage für solche Finanzsanktionen bildete vor dem Inkrafttreten des Lissabonner<br />

Vertrag eine Reihe von Artikeln der EG-Verträge, nämlich Artikel 60 (Kapital- und Zahlungsverkehr<br />

mit Drittstaaten), Artikel 301 (Abbruch von Wirtschaftsbeziehungen zu Drittstaaten) und in manchen<br />

Fällen auch Artikel 308 (Anpassung der Kompetenzen der EG). Die sich daraus ergebende<br />

Verfahrensweise war äußerst komplex und setzte sich aus der Verabschiedung einer GASP-<br />

Rechtsakte gemäß dem EU-Vertrag (d. h. Gemeinsamer St<strong>and</strong>punkt) und dessen Umsetzung durch<br />

eine Verordnung des Rates nach dem EG-Vertrag zusammen Um diese Rechtslage zu klären, wurde<br />

im Europäischen Reformvertrag („Lissabonner Vertrag“) die Möglichkeit von Finanzsanktionen<br />

gegenüber Individuen, Organisationen und Gruppierungen explizit festgelegt. Der neue Vertrag<br />

führt zwei Artikel ein, Artikel 75 und 215. Während Artikel 215 weiterhin auf Grundlage einer<br />

GASP Entscheidung der Mitgliedstaaten aufbaut, erlaubt Artikel 75 der Kommission selbstständig<br />

Gebrauch ihres Initiativrechts im Rahmen des Ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zu machen.<br />

Die angenommenen Verordnungen schreiben die Bestimmungen zur Anwendung der Finanzsanktionen<br />

vor. Die Liste der von Sanktionen betroffenen Personen bzw. Gruppen werden in den Anhängen<br />

zu diesen Verordnungen ausgeführt (bzw. ausnahmsweise in einem separaten Beschluss). Die<br />

Sanktionslisten werden meistens mehrmals revidiert, so dass eine nachvollziehbare und aktuelle<br />

Übersicht der sanktionierten Personen und Organisationen kaum möglich ist<br />

Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Finanzsanktionen wurden von Betroffenen solcher restriktiven<br />

Maßnahmen Zweifel geäußert, da in dem EG-Vertrag nur die Kompetenz für Sanktionen<br />

gegenüber Drittstaaten geregelt sei und nicht hinsichtlich natürlicher oder juristischer Personen.<br />

Hinsichtlich der umgesetzten UN-Sanktionen hat das Gericht erster Instanz im September 2005<br />

seine Urteile gefällt und die EU-Verordnungen auf Grundlage von UN-Resolutionen als rechtmäßig<br />

erklärt (z. B. Rechtssache T-306/01 und T-315/01). Nach einer detaillierten Analyse kam das<br />

Gericht zur Schlussfolgerung, dass die Europäische Gemeinschaft für das Einfrieren der Gelder von<br />

Privatpersonen im Rahmen des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus zuständig ist.<br />

Diese Urteile, gegen die Berufung eingelegt wurde, ließen weitgehend die Frage des Schutzes der<br />

Menschenrechte bei der Umsetzung von UN-Namenslisten offen. In Bezug auf die autonomen EU-<br />

Namenslisten dagegen hat das Gericht erster Instanz im Dezember 2006 festgestellt, dass<br />

bestimmte grundlegende Rechte und Garantien, u. a. die Verteidigungsrechte, die Begründungspflicht<br />

und das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, zu gewährleisten sind (T-228/02,<br />

OMPI). Aus diesem Grund musste der Rat seine internen Verfahren anpassen, um die Verteidigungsrechte<br />

und Begründungspflicht einzuhalten.


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Am 3. September 2008 hat der Europäische Gerichtshof 2008 erklärt, dass auch EU-Finanzsanktionen,<br />

die auf UN-Resolutionen basieren, in seinen Zuständigkeitsbereich fielen (C-402/05 P und<br />

C-415/05 P). In diesem Sinne verurteilte das Gericht verabschiedete EU-Sanktionen im Hinblick auf<br />

die Kläger als unrechtmäßig, da den Betroffenen unter <strong>and</strong>erem das Recht auf Verteidigung vorenthalten<br />

worden war. Diese Rechtsprechung wurde am 11. Juni 2009 in einem ähnlichen Fall bestätigt<br />

(T-318/01). Um die Auflagen des Gerichts zu erfüllen, hat die Kommission innerhalb einer Frist<br />

von 3 Monaten die Betroffenen über die Gründe der Sanktionen informiert und ihnen die Möglichkeit<br />

einer Stellungnahme gegeben. Trotz dieser Nachbesserungen stellt sich immer mehr die Frage<br />

nach einer grundlegenden Reform der UN und EU Sanktionsprozeduren.<br />

Der Europäische Rat hat am 10. November 2008 in einer Änderung zur Iran-Verordnung eine so<br />

genannte Wachsamkeitsverpflichtung eingeführt. Vorangetrieben wurde dies in durch die Veröffentlichung<br />

des Typologienberichts der <strong>Financial</strong> Action Task Force on Money Laundering (FATF) im<br />

Juni 2008 zur Bekämpfung der Proliferationsfinanzierung und die Resolution S/RES/1803 (2008)<br />

des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) vom 3. März 2008.<br />

Referenz<br />

2488/2000/EG (Verordnung) vom 10.11.2000, Amtsblatt der EU Nr. L 287/19 vom 14.11.2000<br />

2580/2001/EG (Verordnung) vom 27.12.2001, Amtsblatt der EU Nr. L 344/70 vom 28.12.2001<br />

2007/445/EG (Beschluss) vom 28.06.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 169/58 vom 29.06.2007<br />

881/2002/EG vom 27.05.2002, Amtsblatt der EU Nr. L 139/9 vom 29.05.2002<br />

561/2003/EG (Verordnung) vom 27.03.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 82/1 vom 29.03.2003<br />

1210/2003/EG (Verordnung) vom 07.07.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 169/6 vom 08.07.2003<br />

1799/2003 vom 13.10.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 264/12 vom 15.10.2003<br />

1412/2004/EG (Verordnung) vom 03.08.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 257/1 vom 04.08.2004<br />

314/2004/EG (Verordnung) vom 19.02.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 55/1 vom 24.02.2004<br />

872/2004/EG (Verordnung) vom 29.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 162/32 vom 30.04.2004<br />

1183/2005/EG (Verordnung) vom 18.07.2005, Amtsblatt der EU Nr. L193/1 vom 23.07.2005<br />

1184/2005/EG (Verordnung) vom 18.07.2005, Amtsblatt der EU Nr. L193/9 vom 23.07.2005<br />

305/2006/EG (Verordnung) vom 21.02.2006, Amtsblatt der EU Nr. L51/1 vom 22.02.2006<br />

765/2006/EG (Verordnung) vom 18.05.2006, Amtsblatt der EU Nr. L134/1 vom 20.05.2006<br />

1411/2006/EG (Verordnung) vom 25.09.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 267/1 vom 27.09.2006<br />

329/2007/EG (Verordnung) vom 27.03.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 88/1 vom 29.03.2007<br />

423/2007/EG vom 19.04.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 103/1 vom 20.04.2007<br />

194/2008//EG (Verordnung) vom 25.02.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 66/1 vom 13.03.2008<br />

1284/2009/EG (Verordnung) vom 22.12.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 346/26, vom 23.12.2009<br />

356/2010/EG (Verordnung) vom 26.04.2010, Amtsblatt der EU Nr. L 105/1, vom 27.04.2010<br />

667/2010/EG (Verordnung) vom 26.07.2010, Amtsblatt der EU Nr. L195/16 vom 27.07.2010<br />

101/2011/EG (Verordnung) vom 04.07.2011, Amtsblatt der EU Nr. L31/1 vom 05.02.2011<br />

204/2011/EG (Verordnung) vom 2.03.2011, Amtsblatt der EU Nr. L58/1 vom 03.03.2011<br />

270/2011/EG (Verordnung) vom 21.03.2011, Amtsblatt der EU Nr. L76/4 vom 22.03.2011<br />

359/2011 /EG (Verordnung) vom 12.04.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 100/1 vom 14.04.2011<br />

442/2011/EG (Verordnung) vom 09.05.2011, Amtsblatt der EU Nr. L121/1 vom 10.05.2011<br />

377/2012/EU (Verordnung) vom 03.05.2012, Amtsblatt der EU Nr. L119/1 vom 04.05.2012<br />

337<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Verordnung über die Überwachung von Barmitteln<br />

Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober<br />

2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft<br />

verbracht werden<br />

Inhalt<br />

338<br />

Bis 2005 gab es, abgesehen von Kontrollen einzelner Mitgliedstaaten, keine gemeinschaftliche<br />

H<strong>and</strong>habe, den Bargeldverkehr an der gesamten Außengrenze der EU zu überwachen. Die Verordnung<br />

soll diese Lücke schließen.<br />

Da im Zuge strengerer Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und des Terrorismus die Einfuhr<br />

von Bargeld eine Alternative zu herkömmlichen Transaktionen darstellt, ist es notwendig<br />

geworden, die bestehende Überwachung der über die Finanzinstitute abgewickelten Transaktionen<br />

nach der Geldwäsche-Richtlinien zu ergänzen. Die Verordnung zielt darauf ab, die Bewegung hoher<br />

Devisenbeträge zu überwachen und ein einheitliches gemeinschaftliches Konzept zu schaffen.<br />

Die Verordnung statuiert den Grundsatz der Meldepflicht für „flüssige Mittel“ ab einer Höhe von insgesamt<br />

10.000 Euro bei der Einreise in das und der Ausreise aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft.<br />

Flüssige Mittel im Sinne der Verordnung sind Bargeld, aber auch Reiseschecks, übertragbare<br />

Papiere und jedes anonyme oder auf den Inhaber ausgestellte Finanz- oder Geldinstrument, das in<br />

Bargeld umgetauscht werden kann.<br />

Somit werden Reisende, die in die Gemeinschaft einreisen bzw. diese verlassen und mehr als<br />

10.000 Euro in flüssige Mittel mit sich führen, verpflichtet, bei den Zollbehörden eine Erklärung<br />

abzugeben. Mitgliedstaaten haben die Wahl, ob sie die vorgeschriebene Anmeldung in schriftlicher,<br />

mündlicher oder elektronischer Form vorsehen wollen. Die Verordnung schreibt jedoch die<br />

Angaben, die in der Anmeldung enthalten sein müssen, fest. Die Zollbehörden werden gemäß der<br />

Verordnung ermächtigt, Reisende und ihr Gepäck zu kontrollieren und nicht angemeldetes Bargeld<br />

einzubehalten. Kommt ein Reisende der Anmeldungspflicht nicht nach, sind die Mitgliedstaaten<br />

gehalten, Verfahren gegen die verantwortlichen Personen einzuleiten und Sanktionen auszusprechen,<br />

die abschreckenden Charakter haben.<br />

Die Mitgliedstaaten müssen die anh<strong>and</strong> der Anmeldungen oder der Kontrollen eingegangenen<br />

Informationen aufzeichnen und diese den für Geldwäsche zuständigen Behörden zur Verfügung<br />

stellen. Ergeben die Kontrollen, dass ein Reisende weniger als 10.000 Euro mit sich führt bei gleichzeitigem<br />

Bestehen von Hinweisen, dass die Geldbewegung mit Geldwäsche verbunden ist, werden<br />

die Angaben ebenfalls den für Geldwäsche zuständigen Behörden mitgeteilt. In Fällen, in denen<br />

Bargeld offensichtlich für Zwecke der Geldwäsche oder zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten<br />

mitgeführt wurde, werden die Mitgliedstaaten diese Informationen austauschen können.<br />

Bewertung<br />

Die Kreditwirtschaft begrüßt dieses Vorhaben, das einen zusätzlichen Beitrag zur Geldwäschebekämpfung<br />

leistet und den FATF-Vorschriften nachkommt. Die Verordnung stellt eine sachgerechte<br />

Umsetzung der FATF-Sonderempfehlung IX in der Europäischen Union dar.


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Der Verordnungsvorschlag wurde am 25. Juni 2002 zusammen mit einem Bericht über die Überwachung<br />

des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs von der Europäischen Kommission veröffentlicht.<br />

Der Verordnungsvorschlag statuiert den Grundsatz der Meldepflicht für „flüssige Mittel“ ab<br />

einer Höhe von insgesamt 15.000 Euro bei der Einreise in das und der Ausreise aus dem Zollgebiet<br />

der Gemeinschaft.<br />

Im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens hat das Europäische Parlament am 15. Mai 2003 seine<br />

Stellungnahme verabschiedet. Das Parlament vertrat die Auffassung, dass die vorgeschlagene<br />

Anmeldepflicht nicht ausreicht und befürwortete die Schaffung eines Anzeigeverfahrens. Die Mitgliedstaaten<br />

sollen die Möglichkeit haben, zwischen dem Anmelde- und Anzeigeverfahren wählen zu<br />

können. Beim Anzeigeverfahren müssen auf Verlangen von Zollbeamten Bargeld in Höhe von 15.000<br />

EUR oder mehr dem Zollbeamten gegenüber angezeigt werden. Der Reisende wird verpflichtet, die<br />

Herkunft, den wirtschaftlich Berechtigten und den Verwendungszweck darzulegen. Ferner soll eine<br />

Datenbank zur Verwaltung der mittels der zwei Verfahren gewonnen Informationen geschaffen werden.<br />

Aufgrund dieser Wahlmöglichkeit für die Mitgliedstaaten soll der Rechtsakt in Form einer Richtlinie<br />

und nicht als Verordnung erlassen werden. Die Kommission hat am 1. Juli 2003 einen geänderten<br />

Vorschlag, der nur geringfügig die Belange des Parlaments berücksichtigt, vorgelegt.<br />

Der Ministerrat hat am 17. Februar 2005 einen gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt festgelegt. Dabei hält<br />

der Rat an dem Kommissionsvorschlag grundsätzlich fest. Der Rat hat jedoch eine gewisse Flexibilität<br />

befürwortet, indem er den Mitgliedstaaten die Wahl lässt, ob sie die vorgeschriebene Anmeldung<br />

in schriftlicher, mündlicher oder elektronischer Form vorsehen wollen. Infolgedessen wurde<br />

das im Anhang zu dem Vorschlag enthaltene Formblatt für die Anmeldung gestrichen. Zudem hat<br />

der Rat einen niedrigeren Schwellenwert von 10.000 EUR festgesetzt. Das Parlament hat auf seiner<br />

Sitzung vom 26. Mai 2005 in zweiter Lesung nur drei Änderungen zum Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt,<br />

die datenschutzrechtlichen Maßnahmen einführen, vorgenommen. Der Rat hat diese Änderungen<br />

akzeptiert und die Verordnung am 12. Juli verabschiedet, so dass die Verordnung im<br />

November 2005 im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde. Die Verordnung gilt seit dem 15. Juni 2007.<br />

Im Rahmen der Joint Customs Operation „ATHENA“ haben die Zollverwaltungen von 22 EU Mitgliedstaaten<br />

gemeinsam mit Zollbehörden aus fünf weiteren Staaten (Algerien, Kroatien, Marokko,<br />

Norwegen und Tunesien) eine intensive Kontrolloperation im September 2008 durchgeführt. In<br />

Deutschl<strong>and</strong> f<strong>and</strong>en Zöllner in 160 Fällen Beträge von mehr als 10.000 Euro – insgesamt 5,5 Millionen<br />

Euro. In 104 Fällen wurden direkt vor Ort Bußgeldverfahren eingeleitet und Sicherheiten in<br />

Höhe von 120.000 Euro erhoben. In 50 Fällen lagen klare Anhaltspunkte für Geldwäsche vor. Neben<br />

den Feststellungen in Deutschl<strong>and</strong> entdeckten die übrigen Teilnehmerstaaten in 202 Fällen Barmittel<br />

im Wert von weiteren 5,3 Millionen Euro.<br />

Im Februar 2009 hat das FATF Änderungen an den Methodologiekriterien von der FATF-Sonderempfehlung<br />

IX angenommen, um die besondere Situation der Europäischen Union als supranationale<br />

Entität bei der Umsetzung der Sonderempfehlung gerecht zu werden. Die bis dahin angew<strong>and</strong>ten<br />

Methodologiekriterien bezogen sich nur auf einzelne Staaten. Als Konsequenz konnten EU Mitgliedsstaaten<br />

nicht die Sonderempfehlung umsetzen, ohne auf das Ziel gemeinschaftlicher Integration<br />

zu verzichten. Am 12. August 2010 wurde ein Bericht zur Umsetzung der Verordnung angenommen<br />

(KOM (2010) 429 endg.).<br />

Referenz<br />

1889/2005/EG (Verordnung) vom 26.10.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 309/9 of 25.11.2005<br />

339<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Geldtransfer-Verordnung<br />

Verordnung (EG) Nr. 1781/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November<br />

2006 über die Übermittlung von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers<br />

Inhalt<br />

340<br />

Maßgebliche Grundlage der Verordnung sind sowohl die „Sonderempfehlung VII (wire transfers)“<br />

(SR VII) der <strong>Financial</strong> Action Task Force on Money Laundering (FATF) vom 31. Oktober 2001 als auch<br />

die entsprechenden Auslegungshinweise in der überarbeiteten Fassung der „Interpretative Note“<br />

vom 10. Juni 2005. Die bisherige Umsetzung der FATF-Empfehlung erfolgte auf nationaler Ebene<br />

durch den § 25b KWG. Eine einheitliche europäische Grundlage war bislang nicht gegeben.<br />

Mit der EU-Verordnung schafft die Europäische Union EU-weit einen einheitlichen St<strong>and</strong>ard für die<br />

Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung im Bereich Zahlungsverkehr. Da diese Verordnung über<br />

der nationalen Regelung in § 25b KWG steht, sind die Regelungen – unabhängig von der Anpassung<br />

des § 25b KWG – von den Instituten umzusetzen.<br />

Die Verordnung sieht vor, dass bei grenzüberschreitenden Geldtransfers (d. h. außerhalb der EG)<br />

die Angabe von Name, Anschrift und Kontonummer im Auftraggeberdatensatz Pflicht ist. Die<br />

Anschrift kann durch das Geburtsdatum, den Geburtsort und die Kundennummer oder die nationale<br />

Identitätsnummer des Auftraggebers ersetzt werden. Bei Geldtransfers innerhalb der Europäischen<br />

Gemeinschaft ist ein vereinfachtes Regime vorgesehen: die Angabe der Kontonummer des Auftraggebers<br />

oder einer kundenbezogenen Identifikationsnummer ist ausreichend.<br />

Der Zahlungsverkehrsdienstleister des Auftraggebers hat sämtliche Angaben des Auftraggebers<br />

auf Vollständigkeit und anh<strong>and</strong> von Dokumenten etc. aus einer verlässlichen und unabhängigen<br />

Quelle auf Richtigkeit zu überprüfen. Der vollständige Auftraggeberdatensatz ist für 5 Jahre durch<br />

dessen Zahlungsverkehrsdienstleister aufzubewahren.<br />

Der Zahlungsverkehrsdienstleister des Begünstigten hat den Auftraggeberdatensatz auf Vollständigkeit<br />

zu prüfen (d. h. dass die Angabenfelder ausgefüllt wurden). Die Verordnung schreibt ebenfalls<br />

die Maßnahmen, die bei fehlenden oder unvollständigen Angaben zu treffen sind, vor. Bei<br />

unvollständigen Angaben hat der Zahlungsverkehrsdienstleister des Begünstigten den vollständigen<br />

Auftraggeberdatensatz anzufordern oder den Auftrag zurückzugeben. Bei regelmäßiger Lieferung<br />

von unvollständigen Auftraggeberangaben durch einen Zahlungsverkehrsdienstleister soll<br />

eine Rückgabe aller zukünftigen Transferaufträge dieses Dienstleisters erfolgen oder die<br />

Geschäftsbeziehung beendet werden. In diesem Fall ist eine Meldung an die zuständigen Behörden<br />

abzugeben. Zudem sind alle Angaben zum Auftraggeber durch den Zahlungsverkehrsdienstleister<br />

des Begünstigten 5 Jahre aufzubewahren.<br />

Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, Ausnahmeregelungen in Bezug auf Geldtransfers, die<br />

nicht über 150 Euro liegen und an karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Einrichtungen,<br />

welche bestimmten Anforderungen entsprechen, zu treffen.


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Auch wenn die Zielsetzung dieses Vorhabens begrüßenswert ist, lässt die Verordnung eine Beeinträchtigung<br />

der Funktionsfähigkeit des grenzüberschreitenden Überweisungsverkehrs (von und<br />

nach Drittstaaten) befürchten. So werden die Anforderungen der Verordnung, wonach das Institut<br />

des Begünstigten im Falle der Unvollständigkeit der Auftraggeberdaten von eingehenden Überweisungen<br />

entweder die Überweisung zurückzugeben oder die vollständigen Daten anzufordern hat,<br />

schwer realisierbar sein. Problematisch ist ebenfalls die Vorgabe, dass Banken im Falle wiederholter<br />

Übermittlung von unvollständigen Daten von einem <strong>and</strong>eren Dienstleister sämtliche Zahlungseingänge<br />

von diesem Dienstleister zurückweisen oder die Geschäftsbeziehung zu ihm einstellen<br />

sollen. Diese Vorgaben lassen die internationalen Zahlungsverkehrsusancen sowie die in der FATF-<br />

Sonderempfehlung VII und in der dazugehörigen Auslegungsnote enthaltenen Spielräume weitgehend<br />

unberücksichtigt. So wurde auf die Einführung eines von der FATF empfohlenen zahlungseingangsseitigen<br />

de-minimis-Schwellenwertes von 1.000 EUR/USD verzichtet. In letzter Konsequenz<br />

könnte dies den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr mit bestimmten Ländern zum Erliegen<br />

bringen. Es bleibt daher zu hoffen, dass diese Anwendungsprobleme im Rahmen der anstehenden<br />

Konsultationen mit den zuständigen nationalen Behörden geklärt werden, da diese laut dem Erwägungsgrund<br />

17 eine entsprechende „guidance“ hinsichtlich der Beh<strong>and</strong>lung der Überweisungen<br />

aus Drittstaaten (mit Schwellenwert von 1.000 EUR/USD), die mit fehlenden oder unvollständigen<br />

Auftraggeberinformationen eingehen, erlassen.<br />

Die EU-Kommission legte am 26. Juli 2005 einen Vorschlag für eine „Verordnung über die Übermittlung<br />

von Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers“ vor. Diese Verordnung soll die FATF-<br />

Sonderempfehlung VII (Special Recommendation VII: Wire Transfer) sowie die im Juni 2005 revidierte<br />

„Interpretative Note“ in das Gemeinschaftsrecht umsetzen. Der Vorschlag wurde dem Rat<br />

und dem europäischen Parlament zur Annahme im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens vorgelegt.<br />

Der Rat einigte sich schon im November 2005 auf einen Kompromisstext, der am 6. Dezember 2005<br />

vom ECOFIN-Rat angenommen wurde. In dem Kompromisstext wurden nur einige Petita der Kreditwirtschaft<br />

aufgegriffen (u. a. zur Definition des „Auftraggebers“ und zum Wegfall der Pflicht zur<br />

inhaltlichen Überprüfung der Auftraggeberdaten durch zwischengeschaltete Institute).<br />

Im Europäischen Parlament kritisierte der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres<br />

die Schwäche des Kommissionsvorschlages und nahm seinen Bericht am 23. Mai 2006 an. Somit<br />

unterstützte der EP-Ausschuss die Einführung eines De-minimis-Schwellenwertes von 1000 EUR/<br />

USD für eingehende Zahlungen aus Drittstaaten, die die Spielräume der FATF-Sonderempfehlung<br />

benutzt haben.<br />

Parlament und Rat versuchten die Verordnung in erster Lesung zu verabschieden, um eine fristgerechte<br />

Umsetzung der FATF-Sonderempfehlung bis zum 1. Januar 2007 zu erreichen. So wurde<br />

schließlich ein Kompromisstext ausgeh<strong>and</strong>elt, der vom Europäischen Parlament am 6. Juli 2006<br />

gebilligt wurde. Dieser Kompromisstext verzichtet auf die Einführung eines De-minimis Schwellenwertes<br />

aber überlässt den Kreditinstituten mehr Spielraum bei den Maßnahmen, die sie bei fehlenden<br />

Angaben treffen müssen. Zudem wird in einem Erwägungsgrund angemerkt, dass es den<br />

zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedsstaaten offen steht, den in ihren Jurisdiktionen<br />

tätigen Zahlungsverkehrsdienstleistern „guidance“ zu geben hinsichtlich der Beh<strong>and</strong>lung der Über-<br />

341<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

342<br />

weisungen aus Drittstaaten (mit Schwellenwert von 1.000 EUR/USD), die ohne bzw. mit mangelhaften<br />

Auftraggeberinformationen bei Ihnen eingehen. Die Verordnung wurde formell am<br />

15. November verabschiedet und im EU-Amtsblatt am 8. Dezember 2006 veröffentlicht.<br />

Die Verordnung gilt ab dem 1. Januar 2007. Jedoch sollen Sanktionen bei Verstößen gegen diese<br />

Verordnung erst ab dem 15. Dezember 2007 gelten.<br />

Am 16. Oktober 2008 haben CEBS, CESR und CEIOPS ein gemeinsames Verständnis zur Umsetzung<br />

der Vorgaben der Geldtransfer-Verordnung veröffentlicht Das Papier stellt Optionen zur Beh<strong>and</strong>lung<br />

von eingehenden Geldtransfers mit unvollständigen Angaben dar (CEBS 2008 156/ CEIOPS-<br />

3L3-12-08/ CESR/08-773).<br />

Am 12. Mai 2009 hat der Baseler Ausschuss Richtlinien zur Anwendung von Sorgfaltspflichten von<br />

grenzüberschreitenden Deckungszahlungen veröffentlicht. Die Richtlinien adressieren vor allem<br />

Situationen, in denen intermediäre Banken in <strong>and</strong>eren Jurisdiktionen als die der Auftraggeberbank<br />

und der Empfängerbank involviert sind.<br />

Eine Anpassung der Verordnung ist bis 2013 zu erwarten, vor dem Hintergrund der Revision der<br />

FATF St<strong>and</strong>ards( frühere Special Recommendation VII) in Februar 2012. Es ist eine verschärfte<br />

Vorgabe eingeführt worden für zwischengeschaltete (Korrespondenzbanken), nach welcher Verfahren<br />

zur Erkennung fehlender Informationen zum Auftraggeber und zum Begünstigten einer Überweisung<br />

des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs vorzuhalten sind.


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

1781/2006/EG (Verordnung) vom 15.11.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 345/1 vom 08.12.2006<br />

343<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. Verordnung zum Schutz des Euro gegen Geldfälschung<br />

Verordnung (EG) Nr. 1338/2001 des Rates vom 28. Juni 2001 zur Festlegung von zum Schutz des<br />

Euro gegen Geldfälschung erforderlichen Maßnahmen<br />

Verordnung (EG) Nr. 1339/2001 des Rates vom 28. Juni 2001 zur Ausdehnung der Wirkungen<br />

der Verordnung zur Festlegung von zum Schutz des Euro gegen Geldfälschung erforderlichen<br />

Maßnahmen auf die Mitgliedstaaten, die den Euro nicht als einheitliche Währung eingeführt<br />

haben<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

344<br />

Mit dieser Verordnung werden die Begriffe „Geldfälschung” sowie u. a. „falsche Banknoten” und<br />

„falsche Münzen” in Bezug auf die neuen Euro-Banknoten und -Münzen EU-einheitlich definiert<br />

(vgl. Art. 1 und 2 der Verordnung).<br />

Der wesentliche Zweck der Verordnung ist aber die Sammlung der technischen und statistischen<br />

Daten über falsche Euro-Banknoten und -Münzen durch die hierfür zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden<br />

und die Mitteilung dieser Erkenntnisse an das bei der Europäischen Zentralbank<br />

eingerichtete Falschgeld-Analysezentrum (FAZ).<br />

Die in diesem Zusammenhang erwachsenden Pflichten der Banken sind in Artikel 6 der Verordnung<br />

näher beschrieben. Hiernach sind u. a. Kreditinstitute unter Androhung von Sanktionen dazu verpflichtet,<br />

als Fälschungen erkannte Euro-Banknoten oder -Münzen aus dem Verkehr zu ziehen und<br />

sie unverzüglich den national zuständigen Behörden zu übergeben.<br />

Aufgrund dieser Verordnung mussten in Deutschl<strong>and</strong> keine Anpassungen im geltenden materiellen<br />

Recht vorgenommen werden. Die relevanten strafgesetzlichen Bestimmungen in Deutschl<strong>and</strong><br />

sehen die von der Verordnung erfassten Maßgaben im Bereich des Umgangs mit gefälschten<br />

Geldzeichen bereits vor. Neu ist lediglich das Meldeverfahren an die bei der EZB eingerichtete<br />

zentrale Stelle. Hiermit haben aber die einzelnen Banken nichts zu tun, da diese Meldung Aufgabe<br />

der nationalen Strafverfolgungsbehörden ist.<br />

Durch eine zusätzliche Verordnung werden die Artikel 1 bis 11 der oben genannten Verordnung auf<br />

die Mitgliedsstaaten ausgedehnt, die den Euro nicht als einheitliche Währung eingeführt haben.<br />

Die beiden Verordnungen sind positiv zu bewerten. Das Vertrauen in das neue Euro-Bargeld hängt<br />

auch von dessen Fälschungssicherheit bzw. der effektiven europaweiten Bekämpfung aufgetretener<br />

Fälschungen ab. Insofern ist ein europaweiter St<strong>and</strong>ard geeignet, die Sicherheit des Euro-Bargeldes<br />

auf einem hohen Niveau sicherzustellen. Wichtig für die Banken ist es vor allem, von der<br />

zentralen europäischen Erfassungsstelle zweckdienliche Rückmeldungen über aufgetretene Fälschungen<br />

zu erhalten, um hierdurch selbst besser gegen diese Art der Kriminalität gewappnet zu<br />

sein.


G. GELDWÄSCHE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Der Rat hat beide Verordnungen am 28. Juni 2001 erlassen. Die Verordnung gilt in den Mitgliedstaaten<br />

unmittelbar, d. h. ohne weiteren Umsetzungsakt ab dem 1. Januar 2002, für die noch nicht<br />

ausgegebenen Euro-Banknoten und -Münzen allerdings bereits ab dem 28. Juni 2001.<br />

Am 17. September 2007 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur<br />

Änderung der Verordnung zum Schutz des Euro gegen Geldfälschung unterbreitet (KOM (2007) 525<br />

endg.). Dieser Vorschlag zielt im Wesentlichen darauf ab, fälsche Euro-Banknoten und -Münzen<br />

verstärkt aufzudecken und zu erkennen. Der Vorschlag der Kommission ist am 18. Dezember 2008<br />

vom Rat der EU angenommen worden.<br />

1338/2001/EG (Verordnung) vom 28.06.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 181/6 vom 04.07.2001<br />

1339/2001/EG (Verordnung) vom 28.06.2001, Amtsblatt der EG Nr. L 181/11 vom 04.07.2001<br />

44/2009/EG (Verordnung) vom 18.12.2008, Amtsblatt der EG Nr. L 17/1 vom 22.01.2009<br />

345<br />

G


G<br />

G. GELDWÄSCHE<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. EU Strategie gegen Proliferationsfinanzierung<br />

EU Strategie gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen<br />

Inhalt<br />

346<br />

Proliferation umfasst die Weiterverbreitung bzw. die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen<br />

und ihren Trägersystemen, oder Bauplänen dafür, von Staaten, die über derartige Technologien<br />

verfügen, an <strong>and</strong>ere Staaten, die noch nicht darüber verfügen. Diese kann somit stark zur globalen<br />

Instabilität beitragen.<br />

Proliferateure versuchen das internationale Finanzsystem aus verschiedenen Gründen zu nutzen.<br />

Zum einen muss die Erlangung proliferationsrelevanter Güter, die auf dem offenen Markt erhältlich<br />

sind, legitim erscheinen damit kein Misstrauen erzeugt wird. Außerdem nutzen Proliferationsnetzwerke<br />

übliche Finanztransaktionen, um Zwischenhändler und Lieferer zu bezahlen, die nicht dem<br />

Netzwerk angehören. Proliferationsnetzwerke haben mit der Zeit zunehmend an Komplexität<br />

gewonnen und machen damit die Erkennung von Endnutzer von proliferationsrelevanten Gütern<br />

schwieriger.<br />

Die Strategie der EU zur Bekämpfung der Proliferation beruht vor allem auf der Stärkung internationaler<br />

Verträge und Kontrollabkommen über Massenvernichtungswaffen sowie auf der Aufwertung<br />

des UN Sicherheitsrats. Die Strategie umfasst auch eine Reihe von Maßnahmen zur Ausdehnung<br />

von Exportkontrollen und politischer, finanzieller und technischer Unterstützung von<br />

Drittstaaten.<br />

Die Neuen Aktionsleitlinien von Dezember 2008 haben die EU Strategie gegen Massenvernichtungswaffen<br />

mit operationalen Maßnahmen ergänzt. Diesem Dokument zufolge wird die EU<br />

■ strengere Maßnahmen gegen Proliferationsfinanzierung und -h<strong>and</strong>el ergreifen;<br />

■ zur Sensibilisierung von Finanzinstituten, Unternehmen und akademischen Kreisen beitragen<br />

■ Sanktionen gegen Akte der Proliferation annehmen<br />

■ und Maßnahmen entwickeln, die den Austausch von Fachwissen über Massenvernichtungswaffen<br />

einschränken.<br />

In Erwartung der Stärkung des internationalen rechtlichen Rahmens werden die EU Mitgliedstaaten<br />

aufgerufen, vor allem Finanzinstitute hinsichtlich der Gefahr von Proliferationsfinanzierung zu<br />

sensibilisieren, um letztere zu verhindern, aber auch um Banken von Proliferationsnetzwerken zu<br />

schützen. Des Weiteren soll die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsbehörden und Finanzaufsichten<br />

ausgebaut werden und relevante Informationen sollen zunehmend ausgetauscht werden,<br />

um die Wachsamkeit des Finanzsystems zu ermöglichen.<br />

In der EU gibt es keine allgemeine Verpflichtung per se, Verdachtsanzeigen mit Proliferationshintergrund<br />

zu melden. In Geschäften mit dem Iran (Verordnung 423/ 2007, ergänzt von 1110/2008<br />

und 668/2010) und Nord-Korea (Verordnung 329/2007, ergänzt von 1283/2009) müssen Kreditinstitute<br />

jedoch bereits aufgrund der Einführung einer Wachsamkeitsverpflichtung einer sehr weitreichenden<br />

Verpflichtung im Rahmen ihrer geldwäscherechtlich vorgegebenen Sorgfaltspflichten<br />

nachkommen. Sie müssen verschärfte bankaufsichtliche und geldwäscherechtliche Vorgaben bei<br />

ihren Geschäftsbeziehungen zu iranischen Kredit- und Finanzinstituten beachten. Die Wachsamkeitsverpflichtung<br />

bezieht sich auf zur Verbreitung von Nuklearwaffen geeignete Aktivitäten beziehungsweise<br />

auf die Entwicklung von Nuklearwaffenträgersystemen. Die Meldepflichten beschränken<br />

sich soweit auf spezifische Länder.


G. GELDWÄSCHE<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Die EU Strategie ruft die Kommission außerdem auf, mögliche Politikoptionen zur Förderung der<br />

Wachsamkeit von Finanzinstituten hinsichtlich Proliferationsfinanzierung zu erarbeiten. In diesem<br />

Sinne hat die Kommission zusammen mit der FATF im Rahmen einer Projektgruppe seit 2008 an<br />

Maßnahmen gearbeitet. Der Bericht dieser Gruppe fordert die Verstärkung der Rechtssysteme der<br />

FATF Mitgliedstaaten und die Kriminalisierung von Proliferationsfinanzierung. Der Bericht empfiehlt<br />

außerdem Sanktionen auf Grundlage von Namenslisten von bekannten Proliferateuren zu<br />

erhängen. Weitere Präventivmaßnahmen umfassten auch eine größere Verantwortung von Finanzinstituten<br />

in ihren Risikobasierten Ansätzen im Kontext der H<strong>and</strong>elsfinanzierung, der Prüfung risikoreicher<br />

Länder, Unternehmen und Personen, der Risikoeinschätzung von Kunden und im Bereich<br />

erhöhter Sorgfaltspflichten für hochriskante Transaktionen und Rechtsträger.<br />

Bewertung<br />

Die Kreditwirtschaft unterstützt wirksame Maßnahmen gegen die Finanzierung der Proliferation<br />

von Massenvernichtungswaffen. Die Entwicklung vor allem im Hinblick auf die Iran- und Nordkorea<br />

Verordnungen ist jedoch bedenklich. Elemente der Geldwäschebekämpfung in ihrer schärfsten<br />

Ausprägung (erhöhte Sorgfaltspflichten) in das Finanzsanktionsregime zu implantieren und die<br />

Übernahme geldwäscherechtlicher Vorgaben zu Kundensorgfaltspflichten in Finanzsanktionsverordnungen,<br />

die unmittelbar in den EU Mitgliedstaaten gelten, widerspricht der Systematik des<br />

nunmehr risikobasierten Charakters des Anti-Geldwäscheregimes der EU. Zugleich birgt das Vorgehen<br />

die Gefahr, dass europäische Kreditinstitute in Grenzsituationen vor der Frage stehen, welche<br />

der geldwäscherechtlichen Vorgaben sie erfüllen müssen, die aus dem konventionellen Anti-<br />

Geldwäscheregime oder aus dem Finanzsanktionsregime der EU.<br />

Verfahren<br />

Am 20. Juni 2003 hat der Europäische Rat in Thessaloniki eine Erklärung angenommen über die<br />

Verhinderung der Proliferation von Massenvernichtungswaffen. Die EU Mitgliedstaaten haben sich<br />

darauf verständigt, bis Ende 2003 eine kohärente Strategie gegen die Gefahr der Proliferation zu<br />

entwickeln.<br />

Am 12.Dezember 2003 hat der Europäische Rat eine Strategie angenommen zur Bekämpfung der<br />

Weitergabe von Massenvernichtungswaffen und deren Verbreitungssystemen<br />

Im April 2004 nahm der UN Sicherheitsrat Resolution 1540, und damit erste verbindliche Maßnahmen<br />

gegen die Proliferation von Massenvernichtungswaffen, ihrer Transportsysteme sowie in<br />

Beziehung stehender Substanzen für alle UN Mitgliedstaaten unter Kapitel 7 der UN Charter an.<br />

Am 17. Dezember 2008 hat der Europäische Rat Schlussfolgerungen über neue Aktionsleitlinien<br />

der EU im Kampf gegen die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und deren Verbreitungssysteme<br />

angenommen.<br />

Der Europäische Rat hat am 10. November 2008 in einer Änderung zur Iran-Verordnung eine so<br />

genannte Wachsamkeitsverpflichtung eingeführt. Vorangetrieben wurde dies in durch die Veröffentlichung<br />

des Typologienberichts der <strong>Financial</strong> Action Task Force on Money Laundering (FATF) im<br />

Juni 2008 zur Bekämpfung der Proliferationsfinanzierung und die Resolution S/RES/1803 (2008)<br />

des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) vom 3. März 2008. Eine ähnliche Klausel wurde<br />

am 23. Dezember 2009 in die Nordkorea Verordnung eingeführt.<br />

Am 29. April 2010 hat die FATF einen Zwischenbericht zur Erarbeitung von und Konsultation zu Politikoptionen<br />

hinsichtlich Proliferationsfinanzierung veröffentlicht. Dieser Bericht ist nicht rechtsverbindlich<br />

und wurde zur Sensibilisierung aller Akteure (Staaten, Finanzinstitute etc.) veröffentlicht.<br />

Im Februar 2012 hat die FATF ihre überarbeiteten St<strong>and</strong>ards angenommen. Neben der Bekämpfung<br />

der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ist nunmehr auch die Bekämpfung der Proliferationsfinanzierung<br />

als dritte Säule in den Katalog aufgenommen worden und zählt damit zum festen<br />

Best<strong>and</strong>teil des St<strong>and</strong>ardsetzungsm<strong>and</strong>ats der FATF.<br />

347<br />

G


H<br />

H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Fusionskontrollverordnung<br />

Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen<br />

Inhalt<br />

348<br />

Ziel der Verordnung ist, auch auf europäischer Ebene im Interesse des Wettbewerbs eine Fusionskontrolle<br />

ausüben zu können. Die Verordnung basiert auf folgenden Grundprinzipien:<br />

■ Kontrolle ausschließlich großer Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung;<br />

■ vorherige Anmeldung von Fusionsvorhaben;<br />

■ Verbot wettbewerbsschädlicher Zusammenschlüsse mit Genehmigungsvorbehalt.<br />

Ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung wird angenommen bei folgenden<br />

Schwellenwerten:<br />

■ weltweiter Gesamtumsatz der Beteiligten von mehr als 5 Mrd. EUR;<br />

■ mindestens 250 Mio. EUR EU-weiter Umsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen, es<br />

sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielen mehr als zwei Drittel des gemeinschaftsweiten<br />

Umsatzes im selben Mitgliedstaat.<br />

Wenn diese Schwellenwerte nicht erreicht werden, kommen noch weitere Schwellenwerte zur<br />

Anwendung, um die gemeinschaftsweite Bedeutung zu überprüfen. Für Banken gelten jedoch<br />

Sonderregelungen. Bei der Berechnung des Umsatzes von Kredit- und sonstigen Finanzinstituten<br />

wird auf die Bankerträge hingewiesen (Artikel 5 Abs. 3). Ferner wird kein Zusammenschluss angenommen,<br />

wenn Kreditinstitute vorübergehend Anteile an einem Unternehmen zum Zweck der<br />

Weiterveräußerung erwerben.<br />

Die Kommission ist ausschließlich dafür zuständig, die in dieser Verordnung vorgesehenen Entscheidungen<br />

zu erlassen. Die Mitgliedstaaten können jedoch geeignete Maßnahmen zum Schutz<br />

<strong>and</strong>erer berechtigter Interessen wie z. B. Aufsichtsregeln (Artikel 21 Abs. 3) treffen. Grundsätzlich<br />

sind Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung, die wirksamen Wettbewerb im<br />

Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindern würden, insbesondere<br />

infolge der Begründung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung, für mit dem<br />

Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären. Somit erstreckt sich die Fusionskontrolle auch auf<br />

Oligopol-Situationen, die zu Wettbewerbsproblemen führen können. Genehmigungskriterien sind<br />

u. a. der wirksame Wettbewerb in der EU, die Berücksichtigung von Verbraucherinteressen und der<br />

Einfluss auf den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt.<br />

Ferner wird eine Vereinfachung der Verweisungsvorschriften von der Europäischen Kommission an<br />

die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sowie umgekehrt vorgenommen. So wird das


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

„one-shop“-Konzept verstärkt, nach dem die Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen<br />

eine Verweisung an die Kommission beantragen können. So können Unternehmen, die nach dem<br />

Wettbewerbsrecht einen Zusammenschluss in mindestens drei Mitgliedstaaten anmelden sollten,<br />

einen Antrag stellen, wonach der Zusammenschluss von der Kommission geprüft werden soll. Hat<br />

kein Mitgliedstaat innerhalb von 15 Arbeitstagen die beantragte Verweisung abgelehnt, so wird<br />

die gemeinschaftsweite Bedeutung des Zusammenschlusses vermutet und er ist bei der Kommission<br />

anzumelden. Ebenso können Unternehmen vor einer Anmeldung einen Antrag auf Verweisung<br />

an die nationalen Behörden stellen (Artikel 4). Ferner ist eine Vereinfachung der Verweisungsvorschriften<br />

von der Kommission an die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und umgekehrt<br />

vorgesehen (Artikel 9). Auf diese Weise soll das Problem der Mehrfachanmeldung gelöst werden.<br />

Eine weitere Verbesserung besteht darin, dass eine förmliche Vereinbarung über die Fusion nicht<br />

länger notwendig ist, um einen Zusammenschluss bei der Kommission anmelden zu dürfen. Eine<br />

Anmeldung ist auch dann möglich, wenn die beteiligten Unternehmen der Kommission gegenüber<br />

glaubhaft machen, dass eine Absicht zur Fusion zwischen den Unternehmen besteht (Artikel 4<br />

Absatz 1). Ferner wird eine gewisse zeitliche Flexibilität bei der Prüfung von Zusammenschlüssen<br />

eingeführt, insbesondere für komplexe Fälle während der zweiten Prüfungsphase.<br />

Zudem ist eine Stärkung der Untersuchungsbefugnisse der Kommission vorgesehen. Der Geldbußenhöchstbetrag<br />

für Unternehmen, die unzutreffende oder irreführende Angaben machen, wird auf<br />

1 % des Gesamtumsatzes festgesetzt bzw. 10 % bei Verstoß gegen die Verordnung.<br />

Zu begrüßen ist, dass sich letztlich ein wettbewerbsorientiertes Konzept durchgesetzt hat. Aus<br />

Sicht der Kreditinstitute ist zu begrüßen, dass statt an den Umsatz weiter an die Bilanzsumme<br />

angeknüpft wird. Die bisherige Praxis der EU-Kommission bei der europäischen Fusionskontrolle<br />

wird von Seiten der deutschen Wirtschaft eher positiv bewertet, auch wenn weitere Verbesserungsmöglichkeiten<br />

bestehen. Anmeldungen von kleineren Zusammenschlüssen im Rahmen der<br />

europäischen Fusionskontrolle sind oft mit einem hohem Aufw<strong>and</strong> verbunden. Daher ist es zu<br />

begrüßen, dass der Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung nicht erweitert wurde.<br />

Ferner sollte die Kommission weiterhin versuchen, das EU-Fusionskontroll-Verfahren zu vereinfachen<br />

bzw. zu erleichtern. Positiv ist zudem hervorzuheben, dass die beteiligten Unternehmen die<br />

Möglichkeit haben, bereits vor Anmeldung einen Antrag auf Verweisung an die nationalen Behörden<br />

zu stellen.<br />

Die ersten Arbeiten an einer europäischen Fusionskontrolle gehen auf das Jahr 1973 zurück. Am<br />

21. Dezember 1989 wurde die Verordnung Nr. 4064/89 durch den Rat angenommen. Zur Prüfung<br />

von Fusionen wurde bei der EU-Kommission innerhalb der Generaldirektion Wettbewerb eine<br />

eigene Dienststelle geschaffen. Am 30. Juni 1997 verabschiedete der Rat eine Verordnung zur<br />

Senkung der Schwellen und die Anpassung der Regeln über die Verweisung sowie kleinere Änderungen<br />

im Verfahren vor. In diesem Rahmen wurden auch die Bestimmungen zur Umsatzberechnung<br />

bei Kreditinstituten revidiert. Zahlreiche Leitlinien und Bekanntmachungen zur Auslegung der<br />

Verordnung wurden von der Kommission erlassen. Davon sind mehrere Bekanntmachungen vor<br />

allem über die Definition einzelner Begriffe weiter gültig.<br />

349<br />

H


H<br />

H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

350<br />

Am 11. Dezember 2001 hat die Kommission ein Grünbuch zur Revision der Fusionskontrollverordnung<br />

veröffentlicht und um Stellungnahme gebeten. Dabei wurden materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche<br />

Fragen sowie Fragen der Zuständigkeit zur Debatte gestellt. Die Kommission hat am<br />

11. Dezember 2002 eine weit reichende Reform der EU-Fusionskontrolle angekündigt und einen<br />

Vorschlag für eine neue Fusionskontrollverordnung vorgelegt. Diese Verordnung wurde vom Rat<br />

der Europäischen Union am 20. Januar 2004 verabschiedet und trat am 1. Mai 2004 in Kraft.<br />

Neben der Verordnung hat die Kommission eine Mitteilung über die Beurteilung von Zusammenschlüssen<br />

zwischen Konkurrenzunternehmen („horizontale Zusammenschlüsse“) mit Leitlinien für<br />

die Wirtschaft und die rechtliche Praxis angenommen. Darüber hinaus wurden weitere Maßnahmen<br />

angekündigt, die den Entscheidungsprozess innerhalb der Kommission verbessern sollen. So<br />

wurde beispielsweise die Stelle eines Chefökonomen in der Generaldirektion Wettbewerb eingerichtet.<br />

Für alle umfassenden Prüfungsaufträge soll ferner ein Kontrollforum aus erfahrenen Beamten<br />

bestellt werden, das die Ergebnisse der mit dem Fall befassten Bediensteten an zentralen<br />

Stellen des Verfahrens unvoreingenommen überprüft. Ferner hat die Kommission eine Verordnung<br />

zur Durchführung der Verordnung Nr. 139/2004 erlassen. Diese Verordnung legt den Umfang und<br />

den Inhalt der Angaben für die Anmeldung eines Zusammenschlusses fest. Um die Bearbeitung<br />

von Anmeldungen zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird die Verwendung von bestimmten<br />

Formblättern (d. h. Formblatt CO, vereinfachtes Formblatt, Formblatt RS) vorgeschrieben. Die Kommission<br />

hat zudem in 2005 vier Bekanntmachungen erarbeitet, um weitere Leitlinien bei der<br />

Anwendung der neuen Fusionskontrollverordnung zu geben. Diese Bekanntmachungen betreffen<br />

die Verweisung von Fusionssachen, das vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse,<br />

die Einschränkungen des Wettbewerbs, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen<br />

unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind und die Einsicht in Kommissionsakten.<br />

Mit einer Mitteilung von Juli 2006 legt die Kommission gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung<br />

Nr. 802/2004 die Form fest, in der Anmeldungen und begründete Anträge vorgelegt werden sollen.<br />

Im November 2007 hat die Kommission in einer Bekanntmachung Leitlinien zur Beurteilung nicht<br />

horizontaler Zusammenschlüsse für die Wirtschaft und die rechtliche Praxis angenommen.<br />

Seit Oktober 2008 ist eine neue Antragsform für die interne Zuteilung von Anträgen verfügbar.<br />

Als verbesserten Leitfaden zu Abhilfemaßnahmen zur Beseitigung wettbewerbsrechtliche Bedenken<br />

der Kommission nahm die Kommission am 22. Oktober 2008 eine neue Mitteilung über Abhilfemaßnahmen<br />

an und änderte zugleich die Durchführungsverordnung der Fusionskontrollverordnung.<br />

Als Folge der Reform gelten strengere Informationsanforderungen für die benachteiligten<br />

Unternehmen, die die verlangten Informationen systematisiert vorlegen müssen.<br />

Am 18. Juni 2009 hat die Kommission einen Bericht über das Funktionieren der Fusionsverordnung<br />

angenommen (KOM(2009) 281 endg.) In dem Kommissionsbericht wird festgestellt, dass die<br />

Zuständigkeitsregeln und Verweisungsmechanismen allgemein einen geeigneten rechtlichen Rahmen<br />

für eine flexible Fallzuweisung und -verweisung darstellen, da sie in den meisten Fällen eine<br />

wirksame Unterscheidung zwischen Zusammenschlüssen von EU-weiter Bedeutung und eher nationalen<br />

Zusammenschlüssen ermöglichen. Dennoch sieht die Kommission in einigen Bereichen<br />

Spielraum zur weiteren Verbesserung des derzeitigen Fallverteilungssystems.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

139/2004/EG (Verordnung) vom 20.01.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 24/1 vom 29.01.2004<br />

802/2004/EG (Verordnung) vom 07.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 133/1 vom 30.04.2004<br />

Bekanntmachung (relevanter Markt), Amtsblatt der EG Nr. C 372/5 vom 09.12.1997<br />

Bekanntmachungen, Amtsblatt der EG Nr. C 66/1, 66/5, 66/14 und 66/25 vom 02.03.1998<br />

Mitteilung (zulässige Abhilfemaßnahmen), Amtsblatt der EG Nr. 68/3 vom 02.03.2001<br />

Beschluss 2001/462/EG vom 23.05.2001 (Anhörungsbeauftragte), Amtsblatt der EU Nr. L 162/21<br />

vom 19.06.2001<br />

Leitlinien (horizontale Zusammenschlüsse), Amtsblatt der EU Nr. C 31/5 vom 05.02.2004<br />

Mitteilung (Verweisung), Amtsblatt der EU Nr. C 56/2 vom 05.03.2005<br />

Bekanntmachung (Einschränkungen), Amtsblatt der EU Nr. C 56/24 vom 05.03.2005<br />

Bekanntmachung (vereinfachtes Verfahren), Amtsblatt der EU Nr. C 56/32 vom 05.03.2005<br />

Mitteilung (Einsicht in Kommissionsakten), Amtsblatt der EU Nr. C 325/7 vom 22.12.2005<br />

Mitteilung (Anmeldungen und begründete Anträge), Amtsblatt der EU Nr. C 251/2 vom 17.07.2006<br />

Bekanntmachung (nicht horizontale Zusammenschlüsse), Amtsblatt der EU Nr. C 265/6 vom<br />

18.10.2008<br />

Mitteilung (Abhilfemaßnahmen) Amtsblatt der EU Nr. C 267/1 vom 22.10.2008<br />

1033/2008 (Änderung der Durchführungsverordnung der Fusionskontrollverordnung) vom<br />

20.10.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 279/3 vom 22.10.2008<br />

351<br />

H


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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Kartell-Verordnung<br />

Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den<br />

Artikeln 81 und 82 * des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln<br />

Inhalt<br />

352<br />

Die Verordnung schreibt die Verfahrensvorschriften, welche die Anwendung der Vertragsbestimmungen<br />

über wettbewerbsbeschränkende Unternehmensvereinbarungen (Artikel 101 AEUV-Vertrag)<br />

und über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Artikel 102 AEUV-Vertrag)<br />

regeln, fest. Ziel der Verordnung ist, das 40 Jahre alte zentralisierte Anmeldesystem, das mit der<br />

Verordnung Nr. 17 vom 6. Februar 1962 eingeführt wurde, durchgreifend zu ändern und in weiten<br />

Teilen zu ersetzen.<br />

Gemäß der Verordnung ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung<br />

im Sinne von Artikel 102 verboten, ohne dass dies einer vorherigen Entscheidung bedarf.<br />

Ferner sind Vereinbarungen, Beschlüsse und aufein<strong>and</strong>er abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von<br />

Artikel 101 Abs. 1 verboten. Jedoch sieht Artikel 101 Abs. 3 vor, dass bestimmte Vereinbarungen, die<br />

eine positive Wirkung haben (z. B. Vereinbarungen zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung<br />

oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts) unter bestimmten Voraussetzungen<br />

zugelassen sind. So sieht die Verordnung vor, dass Vereinbarungen, die die Voraussetzungen<br />

des Artikels 101 Abs. 3 erfüllen, prinzipiell zugelassen sind, ohne dass dies einer vorherigen Entscheidung<br />

bedarf. Die Unternehmen müssen sich jedoch vergewissern, dass ihre Vereinbarungen nicht<br />

wettbewerbsbeschränkend wirken oder, falls dies der Fall sein sollte, dass diese Beschränkungen nach<br />

Artikel 101 Abs. 3 freistellungsfähig sind. Damit soll der administrative und finanzielle Aufw<strong>and</strong> der<br />

Unternehmen verringert werden. Dieses neue Durchführungssystem, das so genannte „Legalausnahmesystem”,<br />

wonach Unternehmensvereinbarungen nicht mehr wie bisher bei der Kommission angemeldet<br />

werden müssen, stellt ein wesentlicher Kernpunkt dieser Verordnung dar.<br />

In Ausnahmefällen, wenn es das öffentliche Interesse der Gemeinschaft gebietet, erlässt die<br />

Kommission eine Entscheidung deklaratorischer Art, mit der die Nichtanwendung des in Artikel<br />

101 oder Artikel 102 des Vertrags verankerten Verbots festgestellt wird.<br />

Ferner enthält die Verordnung Bestimmungen zur Durchsetzung dieser Grundsätze. So werden neben<br />

der Kommission auch die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten die Artikel 101und 102 des<br />

AEUV-Vertrags in vollem Umfang anwenden. Die Verordnung regelt die Kompetenzverteilung und die<br />

Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Behörden und Gerichten. Um den<br />

Informationsaustausch zwischen den Behörden zu gewährleisten und die Durchführung von Untersuchungen<br />

in den Mitgliedstaaten zu vereinfachen, wird ein Europäisches Wettbewerbsnetz zwischen<br />

der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten eingerichtet. Die Verordnung<br />

definiert u. a. auch die Ermittlungsbefugnisse der Kommission sowie die Sanktionen gegenüber unkooperativen<br />

bzw. gegen die Verordnung verstoßende Unternehmen. In diesem Zusammenhang wurde<br />

die maximale Geldbuße für Unternehmen, die unzutreffende oder irreführende Angaben machen, auf<br />

1 % des Gesamtumsatzes angehoben. Bei Verstoß gegen die Artikel 101 oder 102 kann eine Geldbuße<br />

bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des Gesamtumsatzes festgesetzt werden.<br />

* Die in den Artikeln 81 und 82 des ehemaligen EG-Vertrags niedergelegten Regeln sind jetzt in den Artikeln 101 und 102 des AEUV<br />

zu finden.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Diese Verordnung ersetzt nicht die Verordnungen, die nach Maßgabe von Artikel 101 Absatz 3<br />

AEUV-Vertrag für bestimmte Formen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufein<strong>and</strong>er abgestimmten<br />

Verhaltensweisen Gruppenfreistellungen gewähren.<br />

Die Zielsetzung der Verordnung ist prinzipiell zu begrüßen. Die Verordnung soll die Grundlagen<br />

eines fairen Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes festlegen sowie den Bedarf an Zusammenarbeit<br />

zwischen Unternehmen berücksichtigen, um den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt<br />

zu fördern. Das zentralisierte System, das durch die Verordnung Nr. 17 geschaffen wurde,<br />

wäre nicht mehr imst<strong>and</strong>e gewesen, eine effiziente Anwendung des Abspracheverbotes in einer<br />

erweiterten Union zu gewährleisten. Jedoch bietet die gewählte Lösung nicht die erforderliche<br />

Rechtsicherheit für die Praxis an. Das Legalausnahmesystem verlagert die Prüfungslast für notwendige<br />

und oft – wie im Bereich des Zahlungsverkehrs – unerlässliche Vereinbarungen einseitig<br />

auf die Unternehmen, ohne dass diese eine formelle Freistellung durch die Kommission erhalten<br />

können. Dadurch besteht, insbesondere bei Interbankenvereinbarungen, Konsortialvereinbarungen<br />

und sonstigen Abkommen zwischen Banken die Gefahr, dass nach hohen Investitionen eine Vereinbarung<br />

nach Jahren für unzulässig erklärt werden kann. Bisher konnte durch die Anmeldung und<br />

Freistellung sichergestellt werden, dass rechtzeitig die Zulässigkeit einer Vereinbarung geprüft<br />

und festgestellt werden konnte.<br />

Am 6. Februar 1962 wurde die Verordnung Nr. 17, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln<br />

85 und 86 (derzeit Artikel 101 und 102 des AEUV) des EG-Vertrages, verabschiedet. Durch diese<br />

Verordnung wurde ein zentralisiertes System eingeführt, wonach Vereinbarungen, die die Voraussetzungen<br />

des ehemaligen Art. 81 Abs. 3 erfüllen, an die EU-Kommission angemeldet und von ihr<br />

genehmigt werden müssen. Zahlreiche Leitlinien zur Auslegung der Verordnung wurden von der<br />

Kommission erlassen. Darunter sind die Leitlinien für vertikale Beschränkungen, die Leitlinien für<br />

horizontale Beschränkungen, und die Kronzeugen-Regelung weiter gültig. Am 28. April 1999 hat<br />

die Kommission ein Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel<br />

81 und 82 EGV verabschiedet. Die Kommission war der Auffassung, dass das zentralisierte<br />

Genehmigungssystem nicht mehr geeignet ist und stellte damit die Modernisierung der aus dem<br />

Jahr 1962 stammenden Verordnung Nr. 17 zur Diskussion.<br />

Am 27. September 2000 hat die Kommission einen Vorschlag für eine neue Verordnung zur Durchführung<br />

der Artikel 81 und 82 EGV vorgelegt. Die Verordnung sollte das System der Verordnung Nr.<br />

17, wonach wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen allein von der Kommission genehmigt<br />

werden können, durch eine Regelung ersetzen, nach der neben der Kommission auch die Behörden<br />

und Gerichte der Mitgliedstaaten den Artikel 81 EGV in vollem Umfang anwenden können. Die<br />

Kommission hat sich außerdem für die Schaffung eines neuen Durchführungssystems ausgesprochen,<br />

das sog. Legalausnahmesystem, so dass keine Genehmigungsentscheidungen für die Durchsetzbarkeit<br />

von Vereinbarungen mehr erforderlich sind.<br />

Der Rat der Europäischen Union hat am 16. Dezember 2002 die Verordnung, die am 1. Mai 2004 in<br />

Kraft getreten ist, angenommen. Mit dem Ziel Verfahrensbedingungen und Auslegungshilfen für<br />

die Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag sowie der neuen Verordnung Nr. 1/2003 zu geben,<br />

353<br />

H


H<br />

H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

354<br />

hat die Kommission eine Verordnung und mehrere Bekanntmachung angenommen (d. h. die Verordnung<br />

über die Durchführung von Verfahren, die Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb<br />

des Netzes der Wettbewerbsbehörden (ECN), die Bekanntmachung über die Zusammenarbeit<br />

zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten, die Bekanntmachung über<br />

die Beh<strong>and</strong>lung von Beschwerden durch die Kommission, die Bekanntmachung der Kommission<br />

über die informelle Beratung bei neuartigen Fragen (Beratungsschreiben), die Bekanntmachung<br />

über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen H<strong>and</strong>els, und die Bekanntmachung<br />

zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3).<br />

In 2005 hat die EU-Kommission eine Mitteilung über die Einsicht in Kommissionsakten angenommen<br />

und eine Anpassung der in 2002 erarbeiteten Mitteilung über die Ermäßigung von Geldbußen<br />

vorgeschlagen. Im Dezember 2005 wurde ebenfalls ein Arbeitspapier über die Durchsetzung des<br />

Artikels 82 (Marktmissbrauch) sowie ein Grünbuch zur Einführung von Schadenersatzklagen wegen<br />

Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts zur Diskussion vorgelegt.<br />

Am 28. Juni 2006 verabschiedete die EU-Kommission neue Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen<br />

gegen Unternehmen, die gegen das EU-Kartellrecht verstoßen. Zudem wurde im Dezember<br />

2006 die Mitteilung über die Ermäßigung von Geldbußen überarbeitet.<br />

Die Kommission hat am 13. Juni 2005 Untersuchungen in den Bereichen Finanzdienstleistungen<br />

(Massen- bzw. Retailgeschäft) eingeleitet. Im Rahmen dieser Untersuchungen sollte u. a. geklärt<br />

werden, ob in den Mitgliedstaaten konkrete wettbewerbsbeschränkende Praktiken oder Wettbewerbsverfälschungen<br />

bestehen. Am 31. Januar 2007 hat die EU-Kommission den Abschlussbericht<br />

vorgelegt. In der Untersuchung wurde auf verschiedene Wettbewerbsbeschränkungen insbesondere<br />

bei Zahlungskarten, Zahlungssystemen und Retail-Bankenprodukten hingewiesen. Die großen<br />

Unterschiede bei den Händler- und Abwicklungsgebühren für Zahlungskarten, die Schranken beim<br />

Zugang zum Markt für Zahlungssysteme und zum Kreditregister, die Hindernisse bei der Kundenmobilität<br />

und die Produktbindung werden von der EU-Kommission als Wettbewerbsprobleme<br />

betrachtet. Bei der Zusammenarbeit zwischen Banken sieht die EU-Kommission ebenfalls erheblichen<br />

Klärungsbedarf hinsichtlich der Zusammenarbeit von Sparkassen und Genossenschaftsbanken.<br />

Als weiteres Vorgehen beabsichtigt die EU-Kommission, durch die Anwendung kartellrechtlicher<br />

Vorschriften die Probleme in Bezug auf Markteintrittsschranken und Entgeltstrukturen bei<br />

Kartensystemen anzugehen. Die Einholung weiterer Informationen ist ebenfalls geplant sowie ggf.<br />

die Einführung von gesetzgeberischen Vorhaben.<br />

Am 3. April 2008 hat die Kommission ein Weißbuch veröffentlicht über Sammelklagen für Verbraucher<br />

und Unternehmen, die Opfer eines Verstoßes gegen Kartellrecht sind. Außerdem hat die<br />

Kommission am 30. Juni 2008 ein neues Vergleichsverfahren in Kartellfällen durch eine Verordnung,<br />

die die Kartell-Verordnung ändert, eingeführt. Im Rahmen dieses vereinfachten Verfahrens<br />

optieren die Parteien nach Einsichtnahme in die Kommissionsakte dafür, ihre Beteiligung an einem<br />

Kartell einzuräumen und die Verantwortung hierfür zu übernehmen. Im Gegenzug kann die Kommission<br />

die gegen die Parteien verhängte Geldbuße um 10 % reduzieren. Am 2. Juli 2008 wurden<br />

in einer Mitteilung Leitlinien zu diesem Verfahren veröffentlicht.<br />

Am 24. Februar 2009 hat die Kommission Leitlinien zu Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende<br />

Unternehmen veröffentlicht. In Ergänzung zu den einschlägigen wettbewerbsrechtlichen<br />

Entscheidungen der Kommission soll dieses Dokument mehr Klarheit und Vorhersehbarkeit in<br />

Bezug auf den allgemeinen Prüfungsrahmen schaffen,<br />

Am 19. Mai 2010 hat die Kommission neue Leitlinien zu vertikalen Beschränkungen angenommen.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

Am 17. Oktober 2011 hat die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket (Bekanntmachung<br />

und Beschluss des Kommissionspräsidenten) angenommen, das darauf abzielt, in Kartellverfahren<br />

die Zusammenarbeit mit den Parteien und die Mechanismen zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte<br />

zu stärken.. Bestehen Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Verfahrensrechte der Parteien<br />

können letztere den Anhörungsbeauftragten für Wettbewerbsverfahren anrufen, dessen Rolle in<br />

allen Phasen des Kartellverfahrens gestärkt wird.<br />

1/2003/EG (Verordnung) vom 16.12.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 1/1 vom 04.01.2003<br />

773/2004/EG (Verordnung) vom 07.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 123/18 vom 27.04.2004<br />

Leitlinien für vertikaler Beschränkungen, Amtsblatt der EG Nr. C 291/1 vom 13.10.2000<br />

Leitlinien für horizontale Beschränkungen, Amtsblatt der EG Nr. C 3/2 vom 06.01.2001<br />

Bekanntmachung über Netz der Wettbewerbsbehörden, Amtsblatt der EU Nr. C 101/43 vom<br />

27.04.2004<br />

Bekanntmachung über den Begriff der Beeinträchtigung des H<strong>and</strong>els, Amtsblatt der EU Nr. C<br />

101/81 vom 27.04.2004<br />

Bekanntmachung über die Zusammenarbeit mit Gerichten, Amtsblatt der EU Nr. C 101/54 vom<br />

27.04.2004<br />

Bekanntmachung über Beh<strong>and</strong>lung von Beschwerden, Amtsblatt der EU Nr. C 101/65 vom<br />

27.04.2004<br />

Bekanntmachung über Beratungsschreiben, Amtsblatt der EU Nr. C 101/78 vom 27.04.2004<br />

Bekanntmachung über Artikel 81 Abs.3, Amtsblatt der EU Nr. C 101/97 vom 27.04.2004<br />

Mitteilung über Einsicht in Kommissionsakten, Amtsblatt der EU Nr. C 325/7 vom 22.12.2005<br />

Leitlinien über Geldbußen, Amtsblatt der EU Nr. C 210/2 vom 01.09.2006<br />

Mitteilung (Ermäßigung von Geldbußen), Amtsblatt der EU Nr. C 298/17 vom 08.12.2006<br />

Weißbuch (Sammelklagen), Kom (2008) 165 vom 02.04.2008<br />

622/2008 vom 30.06.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 171/3 vom 01.07.2008<br />

Mitteilung (Vergleichsverfahren), Amtsblatt der EU Nr. C 167/1 vom 02.07.2008<br />

Leitlinien (Behinderungsmissbrauch), Amtsblatt der EU Nr. C45/7, 24.02 2009.<br />

Leitlinien über vertikalen Beschränkungen, Amtsblatt der EU Nr. 130/1, 19.05.2010.<br />

Bekanntmachung der Kommission über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach Artikel 101<br />

und 102 des AEUV, Amtsblatt der EU Nr. 308/6, 20.10.2011<br />

Beschluss des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und<br />

M<strong>and</strong>at des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren, Amtsblatt der EU Nr.<br />

275/29, 20.10.2011<br />

355<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Verordnung zu den Verfahrensregeln bei der staatlichen<br />

Beihilfekontrolle<br />

Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über die besonderen Vorschriften<br />

für die Anwendung von Artikel 93 * des EG-Vertrags<br />

Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung<br />

(EG) Nr. 659/1999 des Rates über die besonderen Vorschriften für die Anwendung<br />

von Artikel 93 * des EG-Vertrags<br />

Verordnung (EG) Nr. 271/2008 der Kommission vom 30. Januar 2008 zur Änderung der Verordnung<br />

(EG) Nr. 794/2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über die<br />

besonderen Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 * des EG-Vertrags<br />

Inhalt<br />

356<br />

Die Verordnung 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 hat zum Ziel, mehr Transparenz und<br />

Rechtssicherheit im Beihilferecht zu gewährleisten. Gemäß der Verordnung dürfen anmeldepflichtige<br />

Beihilfen nicht gewährt werden, bevor die Kommission eine entsprechende Genehmigungsentscheidung<br />

erlassen hat. Die Kommission ist verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten nach der<br />

Notifizierung eine Entscheidung zu treffen, sofern ihr alle Informationen übermittelt wurden. Die<br />

Verordnung bestimmt auch das Verfahren, nach dem die Kommission von den Mitgliedstaaten<br />

zusätzliche Informationen einfordern kann. Fällt die Kommission innerhalb der Zweimonatsfrist<br />

keine Entscheidung, so kann der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe durchführen, muss aber<br />

vorher die Kommission hiervon in Kenntnis setzen und eine mögliche Entscheidung der Kommission<br />

innerhalb der nächsten 15 Arbeitstage abwarten.<br />

Die Verordnung sieht auch Bestimmungen für das förmliche Prüfverfahren vor. Beschließt die Kommission,<br />

ein förmliches Prüfverfahren zu eröffnen, so muss sie die endgültige Entscheidung innerhalb<br />

von 18 Monaten treffen. Ist diese Frist abgelaufen, kann der Mitgliedstaat fordern, dass die<br />

Kommission innerhalb von zwei Monaten eine Entscheidung auf Grundlage der ihr zur Verfügung<br />

stehenden Informationen trifft.<br />

Entscheidet die Kommission, dass eine illegale Beihilfe vorliegt, wird sie deren Rückzahlung<br />

anordnen. Nach Ablauf einer zehnjährigen Frist ab Gewährung der Beihilfe kann die Kommission<br />

die Rückzahlung der Beihilfe, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit, nicht mehr fordern. Die Kommission<br />

kann ferner Inspektionen in den Unternehmen durchführen, wenn sie ernsthafte Zweifel<br />

an der Befolgung ihrer Entscheidung hat. Sie muss den Mitgliedstaat jedoch im Voraus darüber<br />

informieren.<br />

Zur Beschleunigung des Verfahrens wird die Kommission zukünftig ihre Entscheidungen über die<br />

Genehmigung der Beihilfen in der Originalsprache und in den <strong>and</strong>eren Amtssprachen lediglich in<br />

einer Zusammenfassung veröffentlichen.<br />

Die Verordnung 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 macht Vorgaben zur Durchführung<br />

der Verordnung 659/1999 des Rates und regelt Form, Inhalte und <strong>and</strong>ere Einzelheiten der Anmeldung<br />

und Jahresberichte. Die Mitgliedstaaten sind seit dem 1. Januar 2006 verpflichtet, die Noti-<br />

* Die in Artikel 93 des ehemaligen EG-Vertrags niedergelegten Regeln sind jetzt in Artikel 108 des AEUV zu finden.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

fizierungen staatlicher Beihilfen elektronisch zu übermitteln. Dafür wurde die Verordnung 794/2004<br />

entsprechend geändert.<br />

Zur Änderung der Verordnung 794/2004 hat die Kommission die Verordnung 271/2008 vom<br />

30. Januar 2008 erlassen. Diese führte ein elektronisches Anmeldesystem (SANI), das seit 1. Juli<br />

2008 für die Notifizierungen staatlicher Beihilfen verwendet werden muss, und ein gesichertes<br />

E-Mail-System (PKI) ein. Darüber hinaus enthält die Verordnung neue Anmeldeformulare, die an<br />

die Transparenzvorschriften der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung und an die Bestimmungen<br />

der Referenzzinsmitteilung angepasst wurden. Die neuen Formulare wurden auch infolge<br />

der Annahme der neuen EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen<br />

in KMU und des Gemeinschaftsrahmens für Beihilfen im Bereich Forschung, Entwicklung<br />

und Innovation von 2006 erforderlich.<br />

Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 kann als erster Schritt auf dem Weg zu einem systematischen<br />

und konsistenten Beihilferecht angesehen werden. Problematisch sind jedoch in Einzelfällen die<br />

Entscheidungsfristen, die in der Praxis von Fall zu Fall sehr stark variieren. Eine weitere Verkürzung<br />

insbesondere bei der vorläufigen Prüfung wäre somit begrüßenswert, um eine schnelle Antwort<br />

zur Einschätzung einer Beihilfe aus Sicht der Kommission zu erhalten.<br />

Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 wurde am 27. März 1999 im Amtsblatt der Europäischen<br />

Gemeinschaften veröffentlicht und trat am 16. April 1999 in Kraft.<br />

Am 30. April 2004 erschien im Amtsblatt der EU die Durchführungsverordnung 794/2004 der Kommission<br />

vom 21. April 2004, die am 20. Mai 2004 in Kraft trat. Im Juli 2007 begann die Europäische<br />

Kommission mit einer Überarbeitung der Durchführungsverordnung 794/2004.<br />

Als Ergebnis der Überarbeitung wurde im Dezember 2007 die Verordnung (EG) Nr. 271/2008 zur<br />

Änderung der Durchführungsverordnung 794/2004 verabschiedet. Die Verordnung wurde am<br />

25. März 2008 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und trat am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung<br />

in Kraft.<br />

Am 13. Juli 2012 hat die Kommission ein Konsultation zur Beihilfeverfahren-Verordnung bis zum<br />

5. Oktober 2012 eingeleitet. Die Kommission schlägt eine Präzisierung und Vereinfachung des<br />

derzeitigen in einer Verordnung des Rates festgelegten Systems vor. Dies betrifft insbesondere die<br />

Beh<strong>and</strong>lung von Beschwerden und die Erhebung von Marktdaten. Ziel dieser Änderungen ist es,<br />

dass sich die Kommission auf Beihilfesachen konzentrieren kann, die besonders schwerwiegende<br />

Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt betreffen.<br />

659/1999/EG (Verordnung) vom 22.03.1999, Amtsblatt der EG Nr. L 83/1 vom 27.03.1999<br />

794/2004/EG (Verordnung) vom 21.04.2004, Amtsblatt der EU L 140/1 vom 30.04.2004<br />

271/2008/EG (Verordnung) vom 30.01.2008, Amtsblatt der EU L 82/1 vom 25.03.2008<br />

357<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung<br />

Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)<br />

Inhalt<br />

358<br />

Die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung bildet ein wesentliches Element im Reformprozess<br />

des europäischen Beihilferechts, mit dem die Kommission einen gezielteren Einsatz von Beihilfen<br />

anstrebt. Die Verordnung umfasst die Bereiche Regionalbeihilfen, Investitions- und Beschäftigungsbeihilfen<br />

für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Beihilfen für Existenzgründerinnen,<br />

Umweltschutzbeihilfen, KMU-Beihilfen für die Inanspruchnahme von Beratungsdiensten und die<br />

Teilnahme an Messen, Risikokapitalbeihilfen, Beihilfen für Forschung, Entwicklung & Innovation,<br />

Ausbildungsbeihilfen und Beihilfen für benachteiligte und behinderte Arbeitnehmer. Die AGVO<br />

integriert somit die seit 2001 verabschiedeten Gruppenfreistellungsverordnungen für Beihilfen an<br />

KMU, Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen zugunsten von KMU, Beschäftigungs-, Ausbildungsund<br />

Regionalbeihilfen in einen einzigen Text und erweitert den Anwendungsbereich.<br />

In einer Gruppenfreistellungsverordnung erklärt die Kommission, dass bestimmte Beihilfekategorien<br />

mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind und daher nicht gemäß Artikel 108 Abs. 3 AEUV<br />

notifiziert und von der Kommission genehmigt werden müssen, sofern die Bedingungen der Verordnung<br />

erfüllt sind. Damit soll der administrative Aufw<strong>and</strong> reduziert und der Kommission die Konzentration<br />

auf die am meisten wettbewerbsverfälschenden Beihilfen ermöglicht werden.<br />

Die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung umfasst 26 Maßnahmen, die bei Erfüllung der<br />

darin festgelegten Bedingungen von der Notifizierungspflicht freigestellt sind. Sie besteht aus<br />

einem horizontalen Kapitel mit allgemeinen Bestimmungen, die für alle Beihilfearten gelten, und<br />

einem Kapitel über die besonderen Bestimmungen für die verschiedenen Beihilfekategorien.<br />

Die allgemeinen Bestimmungen beinhalten unter <strong>and</strong>erem gemeinsame Definitionen und St<strong>and</strong>ardkonzepte,<br />

allgemeine Voraussetzungen in Bezug auf die Transparenz von Beihilfen, gemeinsame<br />

Bestimmungen zum Anreizeffekt, gemeinsame Transparenzvorschriften sowie einen Überblick<br />

über die vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommenen Beihilfen.<br />

Die Verordnung gilt nicht für Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten. Sie gilt ferner nicht für<br />

Beihilfen für exportbezogene Tätigkeiten und Beihilfen zur Bevorzugung einheimischer Waren<br />

gegenüber eingeführter Waren. Die Verordnung gilt in allen Wirtschaftszweigen mit Ausnahme der<br />

Primärerzeugung von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Produkten, der Fischerei und Aquakultur, des Steinkohlebergbaus<br />

und Regionalbeihilfen in bestimmten Sektoren, wie z. B. Stahlindustrie und Schiffbau.<br />

Wie bereits die De-minimis-Verordnung gilt auch diese Verordnung nur für transparente Beihilfen.<br />

Dazu zählen unter <strong>and</strong>erem Beihilfen in Form von Zuschüssen und Zinszuschüssen sowie Darlehen,<br />

wenn das Bruttosubventionsäquivalent auf der Grundlage des zum Bewilligungszeitpunkt geltenden<br />

Referenzzinssatzes berechnet werden kann. Bürgschaften gelten nur dann als transparent,<br />

wenn die Methode zur Berechnung des Subventionsäquivalents von der Kommission genehmigt<br />

wurde oder im Falle von KMU das Subventionsäquivalent auf der Grundlage von Safe-Harbour-<br />

Prämien aus der Bürgschaftsmitteilung ermittelt wird. Das bereits in der De-minimis-Verordnung<br />

verankerte Kumulierungsgebot – Verpflichtung zur Anrechnung von De-minimis-Beihilfewerten für<br />

dieselben beihilfefähigen Kosten – gilt auch für staatliche Beihilfen, die auf der Grundlage der<br />

Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung gewährt werden.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Entsprechend den Transparenzvorschriften sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission<br />

binnen 20 Arbeitstagen eine Kurzbeschreibung der Beihilfemaßnahme zu übermitteln. Diese Kurzbeschreibung<br />

wird anschließend im Amtsblatt der EU und im Internet veröffentlicht.<br />

Für den Fischereisektor verabschiedete die Kommission eine eigene Gruppenfreistellungsverordnung,<br />

die am 30. Juli 2008 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde.<br />

Positiv zu werten ist die Erweiterung des Anwendungsbereiches und damit Freistellung weiterer<br />

Beihilfegruppen von der Notifizierungspflicht. Während in der Vergangenheit lediglich KMU-,<br />

Ausbildungs-, Beschäftigungs- und Regionalbeihilfen von der Genehmigungspflicht befreit wurden,<br />

können in Zukunft bspw. auch Umweltschutzbeihilfen oder Risikokapitalbeihilfen ohne vorherige<br />

Konsultierung der Kommission gewährt werden. Weiter hervorzuheben ist die Erhöhung der<br />

Beihilfeintensität bei kleinen und mittleren Unternehmen von 15 % auf 20 % bzw. von 7,5 % auf<br />

10 %. Dies steht auch im Einklang mit dem „Small Business Act“.<br />

Eine Reihe von Vorschriften erhöht jedoch eindeutig den Verwaltungsaufw<strong>and</strong> und das vor allem<br />

auf Seiten der Mitgliedstaaten. Dazu zählen z. B. die Transparenzvorschriften hinsichtlich der Vorgaben<br />

zur Veröffentlichung im Internet. Ursprünglich wollte die Kommission zudem für jede Beihilfe<br />

eine spezifische Nummer einführen. Nicht zuletzt in Folge der von der Mehrheit der Mitgliedstaaten<br />

vorgetragenen Kritik, hat sich die Kommission in der verabschiedeten Fassung schließlich<br />

dagegen entschieden.<br />

Kritisch zu sehen ist auch die Einführung des Anreizeffekts als Freistellungsbedingung. D. h. hat<br />

eine Beihilfe keinen Anreizeffekt, ist sie nicht von der Notifizierungspflicht freigestellt. Bei KMU-<br />

Beihilfen gilt der Anreizeffekt als erfüllt, wenn der Beihilfeempfänger den Beihilfeantrag vor<br />

Beginn des Vorhabens stellt. Bei Großunternehmen muss jedoch der Anreizeffekt minutiös nachgewiesen<br />

werden.<br />

Der Wunsch der Kommission, keine Unternehmen zu fördern, die einer früheren Rückforderungsentscheidung<br />

nicht nachgekommen sind, ist nachvollziehbar. Die Beschaffung solcher Informationen<br />

ist jedoch mit einem zusätzlichen bürokratischen Aufw<strong>and</strong> verbunden und wirkt der angestrebten<br />

Vereinfachung entgegen.<br />

An mehreren Stellen fehlt eine einheitliche Begrifflichkeit mit <strong>and</strong>eren Verordnungen im Sinne von<br />

Rechtsklarheit und Kohärenz.<br />

359<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

360<br />

In den letzten Jahren hat die Kommission einen Prozess der Modernisierung und Vereinfachung<br />

von staatlichen Beihilfeverfahren begonnen. Zu diesem Zweck, hat der Rat die Verordnung (EG) Nr.<br />

994/98 vom 7. Mai 1998 angenommen, die die Kommission ermächtigt, sog. Gruppenfreistellungsverordnungen<br />

zu erlassen.<br />

Diese hat seit 2001 Gruppenfreistellungsverordnungen für staatliche Beihilfen zugunsten von<br />

KMU, Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen, Umweltschutzbeihilfen, Beschäftigungs- und Ausbildungsbeihilfen<br />

sowie Beihilfen, die in Einklang mit der von der Kommission für jeden Mitgliedstaat<br />

zur Gewährung von Regionalbeihilfen genehmigten Fördergebietskarte stehen, verabschiedet.<br />

Die Gültigkeit dieser Verordnungen endete am 30. Juni 2008. Dieses Datum wurde durch die<br />

Verordnung (EG) Nr. 1976/2006 vom 20. Dezember 2006 festgelegt.<br />

Um einen angemessenen Übergangszeitraum zu schaffen, hat die Kommission im Juni 2008 entschieden,<br />

dass die Geltungsdauer ihrer Entscheidungen, mit denen Beihilferegelungen auf der<br />

Grundlage der Verordnungen (EG) Nr. 2204/2002 (Beschäftigungsbeihilfen), (EG) Nr. 70/2001<br />

(KMU-Beihilfen) und (EG) Nr. 68/2001 (Ausbildungsbeihilfen) genehmigt wurden, bis zum 30. September<br />

2008 verlängert wird.<br />

Am 7. Juli 2008 wurde die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung verabschiedet. Die erste<br />

Entwurfsfassung legte die Kommission bereits am 24. April 2007 vor. Nach einer breit angelegten<br />

Konsultation und einem zweiten Entwurf – veröffentlicht im Herbst 2007 – wurde am 28. Februar<br />

2008 schließlich der dritte Entwurf vorgelegt. Die Verordnung (EG) Nr. 736/2008 vom 22. Juli 2008<br />

für kleine und mittlere in der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Fischereierzeugnissen<br />

tätige Unternehmen wurde am 30. Juli 2008 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Allgemeine<br />

Gruppenfreistellungsverordnung trat am 20. Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU,<br />

die am 9. August 2008 erfolgte, in Kraft. Sie gilt bis zum 31. Dezember 2013 unmittelbar in jedem<br />

Mitgliedstaat.<br />

Am 20. Juni 2012 hat die Kommission ein Konsultation zur Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung<br />

bis zum 12. September 2012 eingeleitet, um die Regeln zu überarbeiten.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

994/98/EG (Verordnung) vom 07.05.1998, Amtsblatt der EG Nr. L 142/1 vom 14.05.1998<br />

1976/2006/EG (Verordnung) vom 20.12.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 368/85 vom 23.12.2006<br />

736/2008 (Verordnung) vom 22.07.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 201/16 vom 30.07.2008<br />

800/2008/EG (Verordnung) vom 06.08.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 214/3 vom 09.08.2008<br />

361<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

5. „De-minimis“-Verordnung<br />

Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung<br />

der Artikel 87 und 88 * EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen<br />

Verordnung (EG) Nr. 1535/2007 der Kommission vom 20. Dezember 2007 über die Anwendung<br />

der Artikel 87 und 88 * EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen im Agrarerzeugnissektor<br />

Verordnung (EG) Nr. 875/2007 der Kommission vom 24. Juli 2007 über die Anwendung der<br />

Artikel 87 und 88 * EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen im Fischereisektor und zur Änderung<br />

der Verordnung (EG) Nr. 1860/2004<br />

Inhalt<br />

362<br />

Die „De-minimis“-Verordnung 1998/2006 ermöglicht die staatliche Förderung von Unternehmen<br />

mit kleinteiligen Beträgen, ohne den Notifizierungsweg beschreiten zu müssen. Sie wurde auf<br />

Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der<br />

Artikel 87 und 88* des EG-Vertrages als Gruppenfreistellungsverordnung erlassen. Nach Maßgabe<br />

der „De-minimis“-Verordnung dürfen staatliche Beihilfen bis zu einem Subventionswert von<br />

200.000 EUR innerhalb von drei Steuerjahren gewährt werden, ohne sie notifizieren zu müssen. Für<br />

Unternehmen des Straßenverkehrssektors gilt ein Schwellenwert von 100.000 EUR in drei Steuerjahren.<br />

Diese Befreiung von der Notifizierungspflicht gilt für sog. „transparente“ Beihilfen, d. h. für<br />

Beihilfeformen, deren Beihilfewert (Bruttosubventionsäquivalent) im Voraus genau berechnet werden<br />

kann, ohne dass eine Risikobewertung erforderlich wäre. Dazu zählen laut der Verordnung<br />

■ Zuschüsse,<br />

■ Zinszuschüsse,<br />

■ Darlehen, sofern ihr Bruttosubventionsäquivalent auf der Grundlage der zum Bewilligungszeitpunkt<br />

geltenden marktüblichen Zinssätze berechnet worden ist,<br />

■ Bürgschaften, sofern sie auf Grundlage einer Bürgschaftsregelung gewährt werden und sofern<br />

der verbürgte Teil des Darlehens 1,5 Mio. EUR und 80 % des zugrunde liegenden Darlehens<br />

nicht übersteigt,<br />

■ Bürgschaftsregelungen, wenn vor ihrem Inkrafttreten eine Methode zur Berechnung ihres Beihilfewertes<br />

notifiziert und genehmigt wurde und wenn diese genehmigte Methode ausdrücklich<br />

auf die Art der Bürgschaften und die Art der zu Grunde liegenden Transaktionen im Zusammenhang<br />

mit der Anwendung der „De-minimis“-Verordnung Bezug nimmt.<br />

Alle <strong>and</strong>eren Beihilfeformen (insbesondere Kapitalzuführungen und Risikokapitalmaßnahmen) gelten<br />

als „intransparent“ und dürfen nur als De-minimis-Beihilfen gewährt werden, solange ihr<br />

Gesamtbetrag die De-minimis-Schwelle nicht übersteigt. De-minimis-Beihilfen dürfen nur dann<br />

mit <strong>and</strong>eren Beihilfen kumuliert werden, wenn dabei die in einer Gruppenfreistellungsverordnung<br />

oder in einer Entscheidung der Kommission festgelegten Förderhöchstintensitäten nicht überschritten<br />

werden.<br />

* Die in den Artikeln 87 und 88 des ehemaligen EG-Vertrags niedergelegten Regeln sind jetzt in den Artikeln 107 und 108 des AEUV<br />

zu finden.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Der Beihilfegeber muss dem begünstigten Unternehmen gegenüber im Voraus die Höhe der<br />

geplanten De-minimis-Maßnahme mitteilen und ihm bescheinigen, dass es sich dabei um eine<br />

De-minimis-Beihilfe h<strong>and</strong>elt. Der Beihilfegeber hat dafür Sorge zu tragen, dass der Gesamtbetrag<br />

der De-minimis-Beihilfen, den ein Beihilfenehmer in den vergangenen drei Steuerjahren erhalten<br />

hat, den Schwellenwert nicht übersteigt. Alle „De-minimis“-relevanten Unterlagen müssen 10<br />

Jahre lang aufbewahrt und auf Verlangen innerhalb von 20 Arbeitstagen bzw. innerhalb einer<br />

durch die Kommission festgesetzten Frist vorgelegt werden.<br />

Unternehmen in Schwierigkeiten sind vom Anwendungsbereich der „De-minimis“-Verordnung<br />

grundsätzlich ausgenommen. Die Verordnung 1998/2006 findet Anwendung in allen Wirtschaftsbereichen<br />

mit Ausnahme der Primärerzeugung l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Produkte, des Ausfuhrbereichs,<br />

des Steinkohlebergbaus, des Erwerbs von Fahrzeugen für den Straßengütertransport durch Unternehmen<br />

des gewerblichen Straßengütertransports, Exportbeihilfen sowie Beihilfen, die einheimische<br />

Waren zu Lasten von Importwaren begünstigen oder sich nach dem Preis oder der Menge<br />

vermarkteter Waren richten. Die Verarbeitung und Vermarktung von im Anhang I des EG-Vertrages<br />

aufgeführten Waren fällt jedoch unter den Anwendungsbereich der Verordnung, solange sich der<br />

Beihilfebetrag nicht nach dem Preis oder der Menge der Erzeugnisse richtet und solange die Beihilfe<br />

nicht davon abhängig ist, dass sie an Primärerzeuger weitergeleitet wird.<br />

Für die Primärerzeugung von Agrarprodukten gilt die Verordnung (EG) Nr. 1535/2007 vom<br />

20. Dezember 2007. Danach sind in einem Zeitraum von drei Jahren Beihilfen, die einen Höchstbetrag<br />

von 7.500 EUR und 0,75 % des gesamten jährlichen Produktionswertes des betroffenen Mitgliedstaates<br />

nicht übersteigen, gestattet und notifizierungsfrei.<br />

Die Verordnung der Kommission (EG) Nr. 875/2007 vom 24. Juli 2007 legt De-minimis-Regeln für<br />

den Fischereisektor fest. Hier sind Beihilfen bis zu 30.000 EUR in einem Zeitraum von drei Steuerjahren<br />

von der Notifizierungspflicht freigestellt, solange sie 2,5 % des jährlichen Produktionswertes<br />

der Fischwirtschaft des jeweiligen Mitgliedstaates nicht überschreiten.<br />

Die De-minimis-Verordnung 1998/2006 führt zu einem erheblichen administrativen Aufw<strong>and</strong> bei<br />

der Gewährung von Kleinstbeihilfen, der einer Bagatellregelung nicht immer angemessen ist. So<br />

hat mit der Verabschiedung der Verordnung für De-minimis-Beihilfen ein Paradigmenwechsel<br />

stattgefunden. Begründete die Europäische Kommission die Freistellung von der Notifizierungspflicht<br />

bislang damit, dass De-minimis-Beihilfen wegen ihrer geringen Höhe nicht die Tatbest<strong>and</strong>smerkmale<br />

des Art. 107 Abs. 1 AEGV erfüllten und demnach nicht als Beihilfen zu betrachten seien,<br />

so erklärt sie mit Inkrafttreten der „De-minimis“-Verordnung De-minimis-Beihilfen auf der Basis<br />

der Verordnung 994/98 als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. De-minimis-Beihilfen gelten<br />

zwar weiterhin als Nicht-Beihilfen – dies wird jedoch durch die erheblich verschärften Kumulierungsvorschriften<br />

ausgehebelt. Dies führt zu einem beträchtlich erhöhten Verwaltungsaufw<strong>and</strong> bei<br />

der Gewährung von Kleinstbeihilfen.<br />

Die Unterscheidung zwischen sog. „transparenten“ und „intransparenten“ Beihilfeformen ist aus<br />

Sicht der öffentlichen Banken ebenfalls nicht in Gänze nachvollziehbar. Die Beschränkung des<br />

Anwendungsbereichs der Verordnung in Bezug auf Bürgschaften, deren Beihilfewert durchaus<br />

berechenbar ist, setzt ein falsches ökonomisches Signal. Gerade Bürgschaften erlauben einen<br />

haushaltsschonenden Einsatz öffentlicher Mittel in der Wirtschaftsförderung, der darüber hinaus<br />

mit einer für die Unternehmen vorteilhaften Hebelwirkung verbunden ist. Die rigide Formulierung<br />

363<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

364<br />

der Transparenzregel erschwert zudem den Einsatz und die Neuentwicklung weiterer bankmäßiger<br />

Förderinstrumente, obwohl dies im Rahmen der europäischen Strukturförderung ausdrücklich<br />

durch die maßgeblichen Dienststellen der Europäischen Kommission erwünscht und angesichts<br />

knapper Haushaltsmittel auch sinnvoll ist.<br />

Zu begrüßen ist die Anhebung des Schwellenwertes auf 200.000 EUR sowie die prinzipielle Erweiterung<br />

des Anwendungsbereiches auf den Verkehrssektor und die Verarbeitung und Vermarktung<br />

von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Erzeugnissen. Bei letzterem droht jedoch durch die Einschränkungen<br />

bezüglich des Preises oder der Menge sowie der eventuellen Weitergabe an den Ersterzeuger<br />

erneut erhöhter Verwaltungsaufw<strong>and</strong>.<br />

Mit der Anhebung des Schwellenwertes für De-minimis-Beihilfen im Agrarsektor kam die Kommission<br />

den Forderungen der Mitgliedstaaten und interessierten Parteien nach. Die Regelung des<br />

Fischereisektors in einer eigenen Verordnung sorgt für erhöhte Transparenz und Rechtssicherheit.<br />

Im Jahre 1992 hat die Kommission erstmals eine „De-minimis“-Regel eingeführt. Obwohl diese<br />

Regel für Unternehmen aller Größenordnungen galt, wurde sie in den Gemeinschaftsrahmen für<br />

staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen integriert. Der Schwellenwert betrug<br />

damals 50.000 ECU. Dieser wurde mit einer gesonderten Mitteilung der Kommission über „Deminimis“-Beihilfen<br />

im Jahre 1996 verdoppelt und schließlich im Jahre 2001 als Verordnung<br />

70/2001 kodifiziert.<br />

Am 10. Juni 2006 veröffentlichte die Kommission den Entwurf der überarbeiteten De-minimis-<br />

Verordnung im Amtsblatt der EU. Die Verordnung wurde am 15. Dezember 2006 nach intensiven<br />

Konsultationen der Mitgliedstaaten und interessierter Dritter verabschiedet und trat am 1. Januar<br />

2007 in Kraft – mit einer Übergangsfrist, die am 30. Juni 2007 endete. Die neue Verordnung ersetzt<br />

die Verordnung 70/2001 und gilt bis 31. Dezember 2013.<br />

Bereits am 1. Januar 2005 trat die Verordnung 1860/2004 vom 6. Oktober 2004 in Kraft, die eine<br />

De-minimis-Regelung für den Agrar- und Fischereisektor einführte. Sie galt bis zum 1. Januar 2008.<br />

Die Kommission begann mit der Überarbeitung der Verordnung 1860/2004 im Sommer 2007. Am<br />

12. Dezember 2007 verabschiedete sie die Verordnung (EG) Nr. 1535/2007 vom 20. Dezember 2007<br />

über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf De-minimis-Beihilfen im Agrarerzeugnissektor,<br />

die am 21. Dezember 2007 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde. Die Verordnung (EG)<br />

Nr. 1535/2007 trat am 1. Januar 2008 in Kraft und ersetzte die Verordnung 1860/2004.<br />

Die Verordnung (EG) Nr. 875/2007 der Kommission vom 24. Juli 2007 führte eine gesonderte Deminimis-Regelung<br />

für den Fischereisektor ein und wird seit August 2007 angew<strong>and</strong>t.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

1998/2006/EG (Verordnung) vom 15.12.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 379/5 vom 28.12.2006<br />

875/2007/EG (Verordnung) vom 24.07.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 193/6 vom 25.07.2007<br />

1535/2007/EG (Verordnung) vom 20.12.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 337/35 vom 21.12.2007<br />

365<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

1. Bürgschaftsmitteilung<br />

Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 * EG-Vertrag auf staatliche<br />

Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften<br />

Inhalt<br />

366<br />

Die Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, mit dieser Mitteilung mehr Transparenz in der beihilferechtlichen<br />

Bewertung von Bürgschaften zu erreichen. Die Mitteilung orientiert sich am Prinzip des<br />

marktwirtschaftlich agierenden Investors und zeigt somit auf, unter welchen Bedingungen öffentliche<br />

Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften staatliche Beihilfeelemente enthalten. Zu diesem<br />

Zweck nennt die Kommission die Voraussetzungen, die gesamt erfüllt sein sollen, damit das Vorliegen<br />

eines Beihilfeelementes in einer Bürgschaft ausgeschlossen werden kann. Die Bürgschaftsmitteilung<br />

ist dabei kein Instrument zur Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme mit<br />

dem Gemeinsamen Markt. Ob eine Bürgschaft, die nach der Mitteilung eine staatliche Beihilfe<br />

darstellt, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, muss auf der Grundlage von horizontalen,<br />

regionalen und sektoralen Beihilfevorschriften geprüft werden. Die Bürgschaftsmitteilung zieht<br />

somit lediglich die Grenze zwischen einer Bürgschaft mit und ohne Beihilfeelemente.<br />

Die folgenden Kriterien müssen im Falle von staatlichen Einzelgarantien erfüllt sein, um das Vorliegen<br />

einer staatlichen Beihilfe auszuschließen: Der Kreditnehmer befindet sich nicht in finanziellen<br />

Schwierigkeiten; der Umfang der Garantie kann zum Zeitpunkt ihrer Übernahme ermittelt werden;<br />

die Garantie deckt grundsätzlich höchstens 80 % des ausstehenden Kreditbetrages oder der sonstigen<br />

ausstehenden finanziellen Verpflichtung ab und für die Garantie wird ein marktübliches Entgelt<br />

gezahlt. Die 80 %-Schwelle muss nicht eingehalten werden, wenn staatliche Bürgschaften zur<br />

Finanzierung von Unternehmen dienen, die mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen<br />

Interesse (DAWI) beauftragt wurden, sofern die Garantie von der Behörde gegeben wird, die<br />

den Auftrag erteilt. Es darf sich dabei jedoch nur um Unternehmen h<strong>and</strong>eln, die lediglich mit einer<br />

DAWI beauftragt wurden. Im Falle der Beauftragung mit mehreren DAWI oder bei gleichzeitiger<br />

Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit muss die 80 %-Schwelle wiederum eingehalten werden.<br />

Ebenso bei Bürgschaften für Schuldtitel gilt die Verpflichtung zur Einhaltung der 80 %-Schwelle<br />

nicht.<br />

Die o. g. Kriterien gelten auch für staatliche Garantieregelungen. Zudem muss der Regelung eine<br />

realistische Risikobewertung zugrunde gelegt werden, so dass sie sich aufgrund der von den<br />

Begünstigten gezahlten Prämien finanziell selbst trägt. Dazu soll mindestens einmal jährlich<br />

anh<strong>and</strong> der tatsächlichen Ausfallquote der Regelung überprüft werden, ob die Höhe der Prämien<br />

angemessen ist. Um als marktkonform zu gelten, müssen die Prämien die mit der Gewährung der<br />

Garantie verbundenen normalen Risiken, die Verwaltungskosten und die jährliche Vergütung eines<br />

angemessenen Kapitalbetrages abdecken.<br />

* Die in den Artikeln 87 und 88 des ehemaligen EG-Vertrags niedergelegten Regeln sind jetzt in den Artikeln 107 und 108 des AEUV<br />

zu finden.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Bei Nichteinhaltung der genannten Kriterien geht die Kommission davon aus, dass eine Einzelbürgschaft<br />

oder Bürgschaftsregelung eine staatliche Beihilfe darstellt. Die Berechnung des Beihilfewertes<br />

wird damit erforderlich. Die Mitteilung enthält Angaben zu dieser Berechnung.<br />

Das Beihilfeelement einer Bürgschaft liegt in der Differenz zwischen dem marktüblichen Entgelt<br />

und dem tatsächlich gezahlten Entgelt. Das marktübliche Entgelt für Einzelgarantien und Garantieregelungen<br />

bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist in den so genannten Safe-Harbour-<br />

Prämien abgebildet. Werden diese Prämien gezahlt und sind alle übrigen Bedingungen erfüllt, geht<br />

die Kommission davon aus, dass es sich bei der staatlichen Garantie nicht um eine staatliche Beihilfe<br />

h<strong>and</strong>elt. Die Höhe der Safe-Harbour-Prämien ist abhängig von der Bonitätseinstufung des<br />

Kreditnehmers. Bei der Bewertung von Garantieregelungen für KMU gibt es eine weitere Möglichkeit.<br />

Sie besteht in der Anwendung von Einheitsprämien. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der<br />

garantierte Betrag 2,5 Mio. EUR pro Unternehmen im Rahmen der betreffenden Regelung nicht<br />

überschreitet.<br />

Zu begrüßen ist, dass die Kommission im Laufe der Konsultationen zumindest einige Bedenken der<br />

Kreditwirtschaft berücksichtigt hat. So kam die Kommission in Bezug auf den Anwendungsbereich<br />

der Mitteilung der Forderung nach, Exportkreditgarantien auch künftig unter dem bisher anwendbaren<br />

Rechtsrahmen zu betrachten und vom Anwendungsbereich der Mitteilung auszunehmen.<br />

Des Weiteren ist zu begrüßen, dass die Kommission mit der neuen Mitteilung Vereinfachungen bei<br />

der Bewertung öffentlicher Bürgschaften für KMU einführt. Diese betreffen die Festlegung von<br />

jährlichen Mindestprämien, die, wenn sie dem Begünstigten in Rechnung gestellt werden, das<br />

Vorliegen einer Beihilfe ausschließen sollen. Die Kommission ging dabei in ihrem ersten Vorschlag<br />

von viel höheren Prämien aus, was vor allem in Anbetracht der unterschiedlichen Ausgestaltung<br />

der Finanzmärkte in den verschiedenen Mitgliedstaaten kritisiert wurde. Die Kommission kam der<br />

geforderten Reduzierung der Prämien in der verabschiedeten Mitteilung nach. Die Höhe der Prämien<br />

wird allerdings nach wie vor kritisch gesehen.<br />

Kritisch zu werten sind weiterhin die Vorgaben der Kommission hinsichtlich der Angaben zu den<br />

marktkonformen Bürgschaftsprämien. An dieser Stelle verlangt die Kommission nämlich, dass in<br />

den Bürgschaftsprämien nicht nur die mit der Bürgschaftsgewährung verbundenen normalen Risiken<br />

sondern auch Verwaltungs- und fiktive Kapitalkosten eingepreist werden müssen. Durch diese<br />

Opportunitätskostenlogik kommt es zur Benachteiligung des Finanzierungsinstruments Bürgschaft.<br />

Die Möglichkeit der Überschreitung der 80 %-Schwelle führt einerseits zu einer Lockerung im<br />

Vergleich zu der alten Mitteilung. Die damit verbundenen restriktiven Bedingungen – Überschreitung<br />

möglich nur bei Unternehmen, die ausschließlich mit einer Dienstleistung von allgemeinem<br />

wirtschaftlichen Interesse beauftragt sind – führen jedoch dazu, dass diese Lockerung nur in wenigen<br />

Fällen zur Anwendung kommen wird, da viele Unternehmen mit mehreren Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beauftragt sind. Die neue Mitteilung führt zudem an<br />

einigen Stellen zu Interpretationsschwierigkeiten, was die praktische Anwendung erschwert.<br />

367<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

368<br />

Die Europäische Kommission verabschiedete am 24. November 1999 die Mitteilung über die<br />

Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen<br />

und Bürgschaften (2000/C 71/07), die am 11. März 2000 im Amtsblatt der EG veröffentlicht<br />

wurde.<br />

Die Europäische Kommission begann im Jahr 2007 mit der Überarbeitung der Mitteilung, um bei<br />

der Beurteilung von staatlichen Bürgschaften mehr Rechtssicherheit und Transparenz zu gewähren.<br />

Sie legte am 18. Juli 2007 die Entwurfsfassung zur Konsultation mit den Mitgliedstaaten und<br />

interessierten Parteien vor. Es folgte ein Treffen mit den Mitgliedstaaten im Herbst 2007.<br />

In der Folge erarbeitete die Kommission einen zweiten Entwurf, den sie am 28. Februar 2008 auf<br />

ihrer Homepage veröffentlichte. Nach einer erneuten Konsultation wurde die Mitteilung am<br />

20. Mai 2008 verabschiedet und am 20. Juni 2008 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie ist für<br />

alle Mitgliedstaaten rechtsverbindlich. Diese werden aufgefordert, bestehende Garantiemaßnahmen,<br />

sofern es sich um neue Garantien h<strong>and</strong>elt, bis zum 1. Januar 2010 an die neue Mitteilung<br />

anzupassen. Die Mitteilung ersetzt die Mitteilung aus dem Jahr 2000.<br />

Eine Berichtigung der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des<br />

EG-Vertrags auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften<br />

erfolgte hinsichtlich der Bewertung von Einzelgarantien für KMU durch eine Veröffentlichung im<br />

Amtsblatt der EU am 25. September 2008.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Referenz<br />

Amtsblatt der EU Nr. C 155/10 vom 20.06.2008 (Bürgschaftsmitteilung)<br />

Amtsblatt der EU Nr. C 244/32 vom 25.09.2008 (Berichtigung)<br />

369<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

2. Leitlinien über die staatlichen Beihilfen und Risikokapital<br />

Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen<br />

in kleine und mittlere Unternehmen<br />

Inhalt<br />

370<br />

Die Leitlinien zeigen auf, wie die Europäische Kommission die Definition staatlicher Beihilfen des<br />

Artikel 107 Abs. 1 AEUV (ehemaliger Artikel 87 Abs. 1 EG-Vertrag) auf Risikokapitalmaßnahmen<br />

anwendet. Sie erläutern des Weiteren, welche Kriterien die Kommission anwendet, um die Vereinbarkeit<br />

von Risikokapitalbeihilfen nach Artikel 107 Absatz 3 EG-Vertrag zu prüfen. Besonderen<br />

Wert legt die Kommission dabei auf die Förderung innovativer und High-Tech-Unternehmen mit<br />

hohem Wachstumspotenzial und die Mobilisierung privaten Kapitals. Übergeordnetes Ziel ist es,<br />

das Versagen des Marktes bei der Bereitstellung von Risikokapital an Unternehmensgründungen<br />

und junge, innovative kleine und mittlere Unternehmen zu überbrücken und die Anlaufphase für<br />

neue Unternehmen zu verkürzen.<br />

Bei der beihilferechtlichen Prüfung von Risikokapitalmaßnahmen geht die Kommission davon aus,<br />

dass die entsprechende Maßnahme auf mindestens drei unterschiedlichen Ebenen eine Beihilfe<br />

darstellen kann, und zwar in Form von:<br />

■ Beihilfen für Kapitalgeber,<br />

■ Beihilfen für einen Fonds, ein Anlageinstrument und/ oder deren Verwalter und/oder<br />

■ Beihilfen an die zu finanzierenden Unternehmen.<br />

Grundsätzlich gilt, dass alle Risikokapitalmaßnahmen, die eine staatliche Beihilfe darstellen oder<br />

darstellen können, der Kommission nach Art. 107 Abs. 3 AEUV gemeldet werden müssen, bevor sie<br />

durchgeführt werden können. Für die Prüfung der Vereinbarkeit einer Risikokapitalmaßnahme mit<br />

dem Gemeinsamen Markt definiert die Kommission in den Leitlinien Indikatoren, anh<strong>and</strong> derer sie<br />

kontrolliert, ob eine Maßnahme auf ein Marktversagen abzielt und nicht zu einer Verzerrung des<br />

Wettbewerbs führt.<br />

Die Leitlinien sehen je nach der möglichen Wettbewerbsverzerrung zwei Prüfintensitäten vor, ein<br />

beschleunigtes und ein eingehendes Prüfverfahren. Ein wesentliches, aber nicht ausschließliches<br />

Kriterium ist dabei die Investitionshöhe. Bei Investitionen von weniger als 2,5 (vorher 1,5) Mio. EUR<br />

in ein KMU über einen Zeitraum von zwölf Monaten nimmt die Kommission an, dass ein Marktversagen<br />

vorliegt. Für solche Beihilfen ist ein vereinfachtes Prüfverfahren vorgesehen, um eine rasche<br />

Überprüfung der Beihilfe innerhalb der in der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom<br />

22. März 1999 festgelegten Frist zu ermöglichen.<br />

Eingehend geprüft werden Investitionen von mehr als 2,5 Mio. EUR und Maßnahmen, bei denen<br />

die Kriterien für das vereinfachte Prüfverfahren nicht kumulativ erfüllt sind. Hier ist für die Kommission<br />

ein Marktversagen weniger offenkundig und das Risiko der Verdrängung privater Investitionen<br />

und/oder der Verzerrung des Wettbewerbs höher. In diesen Fällen muss daher ein Marktversagen<br />

nachgewiesen werden. Dies soll im Wege einer unabhängigen Studie erfolgen, die zeigt,<br />

wie groß das Marktversagen bezogen auf die Zielunternehmen und -wirtschaftszweige der betreffenden<br />

Risikokapitalbeihilfe ist. Die Leitlinien definieren auch hier bestimmte Kriterien, anh<strong>and</strong><br />

derer die Kommission die Zulässigkeit einer Maßnahme prüft.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Kommission legt keine festen Kriterien fest, nach denen sie Risikokapitalmaßnahmen als mit<br />

dem Gemeinsamen Markt vereinbar einstufen könnte. Aus diesem Grund sollen Risikokapitalmaßnahmen<br />

der Kommission zunächst gemeldet und nach den in der Mitteilung festgelegten positiven<br />

und negativen Faktoren auf ihre Vereinbarkeit mit dem Beihilferecht überprüft werden. Die Einführung<br />

des vereinfachten Prüfverfahrens versucht, den zeitlichen Vorgaben des Risikokapitalinvestments,<br />

das schnelle Entscheidungen über Beteiligung und Kreditvergabe fordert, Rechnung zu tragen.<br />

Die Erhöhung des Safe-Harbour-Schwellenwertes auf EUR 2,5 Millionen pro Unternehmen und<br />

Jahr stellt im Vergleich zu den Risikokapitalleitlinien von 2001 und 2006 eine Flexibilisierung dar<br />

und ist zu begrüßen.<br />

Im März 2001 hat die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten den Entwurf einer ersten<br />

Mitteilung über staatliche Beihilfen und Risikokapital vorgelegt, die am 23. Mai 2001 von der<br />

Kommission angenommen wurde.<br />

Anfang 2005 begann die Kommission mit einer Überarbeitung der Mitteilung und eröffnete in Form<br />

eines Fragebogens über Erfahrungen mit den geltenden Regeln eine erste öffentliche Konsultation.<br />

Einen ersten Entwurf neuer Leitlinien legte die Kommission im Frühjahr 2006 vor. Am 19. Juli 2006<br />

verabschiedete sie die neuen Leitlinien, die ihre Gültigkeit mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt<br />

am 18. August 2006 erhielten und bis zum 31. Dezember 2013 gültig sind.<br />

In 2009 ist im Rahmen des Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens eine vorübergehende Anpassung<br />

der Leitlinien über Risikokapitalbeihilfen vorgesehen worden, die eine geringere Beteiligung<br />

privater Investoren und höhere Investitionstranchen zugelassen hat. Die Kommission hat geprüft,<br />

ob bestimmte mit dem Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen eingeführte Anpassungen dauerhaft<br />

gelten sollten und hat im Dezember 2010 mit einer neuen Mitteilung entschieden, die Safe-<br />

Harbour Werte von –1,5 auf 2,5 dauerhaft zu erhöhen.<br />

Am 16. Juli 2012 hat die Kommission eine Konsultation zu den Beihilfevorschriften für Risikokapitalinvestitionen<br />

in kleine und mittlere Unternehmen in Form eines Fragebogens eröffnet. Durch die<br />

Beantwortung von allgemeinen Fragen möchte die EU-Kommission insbesondere erfahren, wie<br />

groß der Finanzierungsbedarf mit Risikokapital für die KMU und wie groß die Finanzierungslücke<br />

ist. Von Interesse sind dabei auch die Gründe für die Eigenkapitalfinanzierungs- bzw. Kreditfinanzierungslücke.<br />

Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in<br />

kleine und mittlere Unternehmen, Amtsblatt der EU Nr. C 194/2 vom 18.08.2006<br />

Mitteilung der Kommission zur Änderung der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen<br />

zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in Kleine und Mittlere Unternehmen (2010)<br />

371<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

3. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen<br />

Interesse (Daseinsvorsorge)<br />

Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen<br />

Union für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse<br />

Beschluss der Kommission über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über<br />

die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen<br />

zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind<br />

Mitteilung der Kommission – Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in<br />

Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen<br />

Verordnung Nr. 360/2012 der Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel<br />

107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-<br />

Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse<br />

erbringen<br />

Richtlinie 2005/81/EG der Kommission vom 28. November 2005 zur Änderung der Richtlinie<br />

80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten<br />

und den öffentlichen Unternehmen (Transparenzrichtlinie – EU-Beihilferecht)<br />

Inhalt<br />

372<br />

Die EU-Kommission hat Ende 2011 neue beihilferechtliche Regelungen im Bereich der Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) verabschiedet. Die neuen Regeln, die<br />

an die Stelle des sogenannten „Monti-Kroes-Pakets“ von Juli 2005 treten, definieren grundlegende<br />

Begriffe wie den der „wirtschaftlichen Tätigkeit“, um die Anwendung der Bestimmungen<br />

durch die nationalen, aber auch durch die regionalen bzw. lokalen Behörden zu erleichtern. Das<br />

neue Paket umfasst die folgenden vier Instrumente, die für alle (nationalen, regionalen und lokalen)<br />

Behörden, die Ausgleichsleistungen für die Erbringung von DAWI gewähren, gelten:<br />

■ eine neue Mitteilung, in der für DAWI relevante grundlegende Begriffe definiert werden, unter<br />

<strong>and</strong>erem Beihilfe, DAWI, wirtschaftliche Tätigkeit, Kohärenz zwischen den öffentlichen Vergabeverfahren<br />

und Nichtvorliegen einer Beihilfe.<br />

■ einen Beschluss, mit dem die Mitgliedstaaten bei bestimmten DAWI-Kategorien von der Verpflichtung,<br />

Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen bei der Kommission<br />

anzumelden, freigestellt werden. Die Freistellung wird von Krankenhäusern und sozialem<br />

Wohnungsbau auf eine wesentlich größere B<strong>and</strong>breite an Sozialdienstleistungen<br />

ausgeweitet, und für die Anmeldepflicht <strong>and</strong>erer DAWI-Tätigkeiten gilt ein geringerer Schwellenwert<br />

in Bezug auf die Ausgleichsleistung. Der Schwellenwert für die Anmeldung wurde von<br />

30 Mio. EUR auf 15 Mio. EUR gesenkt.<br />

■ einen geänderten EU-Rahmen für die Prüfung hoher Ausgleichsbeträge, die an nicht im Bereich<br />

der Sozialdienstleistungen tätige Erbringer öffentlicher Dienstleistungen gehen. Diese Fälle<br />

müssen bei der Kommission angemeldet werden und können für mit dem Binnenmarkt vereinbar<br />

erklärt werden, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Die neuen Regeln führen insbesondere<br />

Folgendes ein: eine präzisere Methode für die Festsetzung der Höhe der Ausgleichsleistung,<br />

die für die Mitgliedstaaten geltende Vorschrift, in die Ausgleichsmechanismen


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Effizienzanreize einzubinden, die Vorschrift, dass die EU-Bestimmungen für das öffentliche<br />

Auftragswesen einzuhalten sind und die bei der Festsetzung der Ausgleichsleistung erfolgende<br />

Gleichbeh<strong>and</strong>lung der Stellen, die die gleiche Dienstleistung erbringen. Ferner kann die Kommission<br />

die Mitgliedstaaten dazu auffordern, Maßnahmen zu ergreifen, um die wettbewerbswidrigen<br />

Auswirkungen bestimmter Ausgleichsleistungen, bei denen die Gefahr einer Verzerrung<br />

des Wettbewerbs im Binnenmarkt besonders groß ist, zu verringern.<br />

■ eine spezielle DAWI-De-minimis-Verordnung, die die Voraussetzungen festlegt, unter denen<br />

staatliche Ausgleichszahlungen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen<br />

Interesse erbringen, nicht als staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 107 des<br />

Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingestuft werden.<br />

Die neue DAWI-De-minimis-Verordnung ist ähnlich aufgebaut, wie die allgemeine De-minimis-<br />

Verordnung. Der Schwellenwert der DAWI-De-minimis- Beihilfe für Unternehmen, die DAWI<br />

erbringen, beläuft sich auf 500.000 EUR in drei Steuerjahren pro Unternehmen. Wird die Beihilfe<br />

nicht als Zuschuss gewährt, so entspricht der Beihilfebetrag dem Bruttosubventionsäquivalent der<br />

Beihilfe. Die Verordnung gilt nur für transparente Beihilfeformen. Bei Beihilfen in Form von Garantien<br />

beläuft sich der Schwellenwert auf 3,75 Mio. EUR, wobei nur 80 % des zugrunde liegenden<br />

Darlehens verbürgt werden dürfen. Ebenso wie bei allgemeinen De-minimis Beihilfen darf auch bei<br />

DAWI-De-minimis-Beihilfen in Form von Garantien eine von der EU-Kommission genehmigte<br />

Berechnungsmethode zur Anwendung kommen. DAWI-De-minimis-Beihilfen dürfen ebenso wie<br />

auch die allgemeinen Deminimis- Beihilfen nicht mit <strong>and</strong>eren Beihilfen für dieselben förderfähigen<br />

Kosten kumuliert werden, wenn die aus der Kumulierung resultierende Beihilfeintensität die Beihilfeintensität<br />

übersteigen würde, die in einer Gruppenfreistellungsverordnung oder einem Kommissionsbeschluss<br />

festgelegt wird. Bei der Kumulierung von DAWI-De-minimis-Beihilfen mit <strong>and</strong>eren<br />

De-minimis-Beihilfen darf der Schwellenwert von 500.000 EUR nicht überschritten werden.<br />

DAWI-De-minimis-Beihilfen dürfen nicht mit Ausgleichsleistungen für dieselbe DAWI kumuliert<br />

werden<br />

Die Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten<br />

und den öffentlichen Unternehmen wird beibehalten. Die Richtlinie soll auf Unternehmen<br />

angew<strong>and</strong>t werden, die Ausgleichszahlungen für die Erbringung von Dienstleistungen von<br />

allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erhalten, ungeachtet der rechtlichen Qualifikation dieser<br />

Ausgleichszahlungen in Bezug auf Artikel 107 AEUV.<br />

373<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

374<br />

Im Hinblick auf die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse<br />

hat die Klärung der gemeinschaftlichen Rechtsgrundlagen für die Erbringung von Gemeinwohlaufgaben<br />

zentrale Bedeutung für das Fördergeschäft der Kreditwirtschaft. Das betrifft insbesondere<br />

die Anwendung des europäischen Beihilferechts für Dienstleistungen, die auf lokaler Ebene<br />

erbracht werden. Grundsätzlich ist daher das Bestreben zu begrüßen, mehr Rechtssicherheit bei<br />

der Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu schaffen.<br />

Die Kreditwirtschaft begrüßt auch, dass Ausgleichszahlungen für DAWI zur Deckung des sozialen<br />

Bedarfs von der Notifizierungspflicht bei der EU-Kommission freigestellt werden. Begrüßenswert<br />

ist auch die Einführung einer bereichsspezifischen De-minimis-Regelung.<br />

Nach Aufforderung durch den Europäischen Rat von Sevilla im Juni 2002 legte die Kommission im<br />

Dezember 2002 den Mitgliedstaaten ein Diskussionspapier (Non-Paper) über die Anwendung der<br />

gemeinschaftlichen Beihilferegelungen auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem<br />

Interesse vor.<br />

Diesem folgte am 21. Mai 2003 das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Das<br />

Grünbuch zielte darauf ab, durch eine öffentliche Konsultation den Bedarf und die Richtung eines<br />

weiteren möglichen Tätigwerdens der Kommission zu ermitteln. Geprüft werden sollte u. a. der<br />

Rechtsrahmen für die Gewährung von Ausgleichszahlungen für Dienstleistungen von allgemeinem<br />

wirtschaftlichen Interesse.<br />

Am 24. Juli 2003 erließ der Europäische Gerichtshof sein Urteil in der Rechtssache Altmark-Trans,<br />

auf das die Kommission ihre weiteren Aktivitäten wesentlich basierte. Aufbauend auf den vier<br />

Kriterien dieses Urteils stellte sie im März 2004 ein Paket von drei Entwürfen vor, mit denen mehr<br />

Rechtssicherheit für die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erreicht<br />

werden sollte (das sog. „Monti-Paket“). Es enthielt den Vorschlag für eine Kommissionsentscheidung<br />

über die Bedingungen einer Befreiung von Ausgleichszahlungen von der Notifizierungspflicht,<br />

den Entwurf eines Gemeinschaftsrahmens zur Bewertung von notifizierungspflichtigen Ausgleichszahlungen<br />

und den Vorschlag für eine Neufassung der Transparenzrichtlinie 80/723/EWG.<br />

Diese Entwürfe griff die Kommission im Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse<br />

vom 12. Mai 2004 auf. In dem Weißbuch zog die Kommission die politischen Schlussfolgerungen<br />

aus der Konsultation, die dem Grünbuch aus dem Jahr 2003 gefolgt war und benannte mit den<br />

Entwürfen die legislativen Schritte, die in diesem Bereich folgen sollten.<br />

Am 28. November 2005 verabschiedete die Kommission das Monti-Paket hinsichtlich der Anwendung<br />

des EU-Beihilferechts auf die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen<br />

Interesse. Alle drei Elemente des Monti-Pakets (Entscheidung, Gemeinschaftsrahmen sowie<br />

die Transparenz-Richtlinie) wurden am 29. November 2005 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Am 20. November 2007 verabschiedete die Kommission die Mitteilung über Dienstleistungen von<br />

allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen als Teil eines Bündels von Initiativen<br />

zur Modernisierung des europäischen Binnenmarktes. Die Mitteilung beschreibt aus der<br />

Sicht der Kommission die Debatte über die Zuständigkeiten der EU und darüber, ob die EU einen<br />

übergeordneten Rahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erlassen sollte. Sie hebt<br />

zudem die Bedeutung der Sozialdienstleistungen hervor. In der Mitteilung wird darauf verwiesen,


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Referenz<br />

dass bei allen wirtschaftlichen Dienstleistungen die Vorschriften des EU-Beihilferechts und die<br />

öffentlichen Vergabevorschriften eingehalten werden müssen. Für die Unterscheidung zwischen<br />

wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen ist die Art der eigentlichen Tätigkeit<br />

und nicht der Sektor bzw. die rechtliche Stellung des Dienstleisters entscheidend.<br />

Am 15. Juni 2010 hat die Kommission eine Konsultation über die Anwendung ihres Maßnahmenpakets<br />

zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse durchgeführt..<br />

Am 23. März 2011 hat die Kommission eine Mitteilung veröffentlicht zur Reform der EU-Beihilfevorschriften<br />

über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. In diesem Text<br />

wird das Ergebnis der Konsultation präsentiert. Parallel zu dieser Mitteilung veröffentlichten die<br />

Kommissionsdienststellen einen Bericht über die Kommissionspraxis bei der Anwendung der derzeit<br />

geltenden Vorschriften sowie die wichtigsten Fragen, die sich aus der Konsultation ergeben.<br />

Am 20. Dezember 2011 hat die EU-Kommission ein neues Paket mit beihilferechtlichen Regelungen<br />

im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) verabschiedet.<br />

Am 25. April 2012 wurde noch die spezifische De-minimis- Verordnung angenommen.<br />

KOM (2003) 270 (Mitteilung) vom 21.05.2003 (nicht im Amtsblatt der EU erschienen)<br />

KOM (2004) 374 (Mitteilung) vom 12.05.2004 (nicht im Amtsblatt der EU erschienen)<br />

2005/81/EG (Richtlinie) vom 28.11.2005, Amtsblatt der EU L 312/47 vom 29.11.2005<br />

2005/842/EG (Entscheidung) vom 28.11.2005, Amtsblatt der EU L 312/67 vom 29.11.2005<br />

2005/C 297/04, Amtsblatt der EU C 297/4 vom 29.11.2005<br />

KOM (2007) (Mitteilung) 725 vom 20.11.2007 (nicht im Amtsblatt der EU erschienen)<br />

KOM (2011) 146 endg. (Mitteilung) vom 23.03.2011 (nicht im Amtsblatt der EU erschienen)<br />

Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union<br />

auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem<br />

Interesse, Amtsblatt der EU Nr. C 8 vom 11.01.2012<br />

Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2<br />

des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von<br />

Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, Amtsblatt der EU Nr. C 8, vom<br />

11.01.2012<br />

Mitteilung der Kommission- Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von<br />

Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (2011), Amtsblatt der EU Nr.<br />

C8 vom 11.01.2012<br />

360/2012/EU (Verordnung) vom 25.04.2012, Amtsblatt der EU Nr. L 114 vom 26.04.2012<br />

375<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

4. Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche<br />

Beihilfen<br />

Mitteilung der Kommission – Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen<br />

zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise<br />

Inhalt<br />

376<br />

Mit dem vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen und den einhergehenden<br />

temporären Erleichterungen verfolgte die Kommission das Ziel, in der gegenwärtigen Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise den Auswirkungen der eventuellen Kreditklemme auf die Realwirtschaft entgegenzuwirken.<br />

Diese Erleichterungen wurden auf der Basis des Art. 107 Abs. 3 b AEUV (beträchtliche<br />

Störung des Wirtschaftslebens) als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Die temporären<br />

Änderungen der Beihilfebestimmungen betrafen pauschale Kleinbeihilfen von bis zu 500.000<br />

EUR, staatliche Beihilfen in Form von Bürgschaften und Zinszuschüssen, Beihilfen im Umweltschutzbereich<br />

sowie Risikokapitalvorschriften. Die EU-Kommission hatte den Vorübergehenden<br />

Unionsrahmen im Dezember 2010 um ein Jahr verlängert. Dabei hat die EU-Kommission jedoch<br />

zahlreiche Änderungen vorgenommen. Die am 11. Januar 2011 im Amtsblatt veröffentlichte Mitteilung<br />

ersetzte die vom 31. Oktober 2009.<br />

Der reguläre Höchstbetrag belief sich, nach der Verlängerung, weiter auf 500.000 EUR, während<br />

der Höchstbetrag bei Unternehmen, die in der Primärproduktion l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Erzeugnisse<br />

tätig sind lediglich 15.000 EUR betrug. Die Kleinbeihilfen zusammen mit den De-minimis-Beihilfen<br />

durften die genannten Beträge im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 nicht<br />

überschreiten. Außerdem galt die Bedingung, dass die Unternehmen sich am 1. Juli 2008 nicht in<br />

Schwierigkeiten bef<strong>and</strong>en. Sie durften jedoch nach diesem Datum aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

in Schwierigkeiten geraten sein. Die Beihilferegelungen, auf deren Grundlage die<br />

Beihilfen nach dem 31. Dezember 2010 gewährt wurden, mussten in Brüssel angemeldet und von<br />

der EU-Kommission genehmigt werden. Bei KMUs durften die Safe-Harbour-Prämien um 15 %<br />

abgesenkt werden. Bei großen Unternehmen gab es diese Absenkungsmöglichkeit nicht mehr. Die<br />

90%ige Verbürgung des Kreditbetrages wurde auf 80 % zurückgenommen. Die Garantieprämienermäßigung<br />

für KMU gilt nur für 2 Jahre. Weitere 8 Jahre dürfen die im Anhang aufgeführten Safe-<br />

Harbour-Prämien genutzt werden. Es dürfen keine Unternehmen in Schwierigkeiten gefördert<br />

werden.<br />

Außerdem wurden bei Zinszuschüssen die Vorschriften des ursprünglichen Rahmens beibehalten,<br />

mit dem Unterschied, dass die ermäßigten Zinssätze bei großen Unternehmen nur für Investitionskredite<br />

gelten und Unternehmen in Schwierigkeiten generell aus dem Anwendungsbereich herausgenommen<br />

wurden.<br />

Bei der Herstellung „grüner Produkte“: blieben die Vorschriften des ursprünglichen Rahmens<br />

unverändert bis auf die Tatsache, dass die Zinsermäßigungen bei großen Unternehmen bis zu 15 %<br />

und bei KMU bis zu 25 % betragen dürfen. Unternehmen in Schwierigkeiten sind auch an dieser<br />

Stelle aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen.<br />

Die Mitteilung galt vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011. Die vorübergehenden Regeln<br />

für Banken sind jedoch wieder verlängert worden.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Grundsätzlich ist die schnelle Reaktion der Kommission, Maßnahmen zu schaffen, die der Abfederung<br />

der Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Realwirtschaft dienen,<br />

positiv zu bewerten. Die Verlängerung einiger Maßnahmen ist ebenfalls zu begrüßen.<br />

Kritisch zu sehen sind dagegen jedoch nicht nur die einhergehenden Berichtspflichten, sondern<br />

auch die sehr detaillierten Kumulierungsbestimmungen, die in der Praxis nur schwer anwendbar<br />

sind, da es bspw. weder für Beihilfen in Form von Bürgschaften noch für Beihilfen in Form von<br />

Zinszuschüssen absolute Schwellenwerte gibt. Beihilferechtlich nicht nachvollziehbar ist das Verbot<br />

der Kumulierung von pauschalen Kleinbeihilfen mit De-minimis-Beihilfen für dieselben förderbaren<br />

Aufwendungen, wenn der Schwellenwert von 500.000 EUR eingehalten wird.<br />

Die Kommission verabschiedete den vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen am 17. Dezember<br />

2008. Der Verabschiedung ging eine Konsultation zum Entwurf voraus. Erste Änderungen zum<br />

Gemeinschaftsrahmen verabschiedete die Kommission am 25. Februar 2009. Eine konsolidierte<br />

Fassung der Mitteilung der Kommission – Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche<br />

Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise – wurde am 7. April 2009 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Bestimmungen<br />

gelten vom 17. Dezember 2008 bzw. 25. Februar 2009 bis zum 31. Dezember 2010.<br />

Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten bei den l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Primärerzeugern<br />

wegen der Finanzkrise Kredite zu erhalten, hat die EU-Kommission den Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen<br />

am 28. Oktober 2009 auch auf den Agrarbereich erweitert.<br />

Die EU-Kommission hat eine weitere Änderung im Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen am<br />

15. Dezember 2009 vorgenommen. Bei Beihilfen in Form von Garantien durfte der Kreditbetrag<br />

nicht die Lohnsumme des begünstigten Unternehmens für das Jahr 2008 übersteigen. Bei Investitionskrediten<br />

darf der Mitgliedstaat entsprechend der vorgenommenen Änderungen nun entscheiden,<br />

dass der maximal zulässige Kreditbetrag auf der Grundlage der durchschnittlichen jährlichen<br />

Lohnkosten in der gesamten EU festgelegt wird.<br />

Deutschl<strong>and</strong> hat auf der Basis des Gemeinschaftsrahmens Bundesrahmenregelungen für Kleinbeihilfen,<br />

niedrigverzinsliche Darlehen, Risikokapital, Bürgschaften sowie hinsichtlich der Herstellung<br />

„grüner Produkte“ von der Kommission genehmigen lassen.<br />

Angesichts der ausgeprägten Volatilität der Finanzmärkte und der unsicheren wirtschaftlichen<br />

Aussichten ist eine Verlängerung einiger im vorübergehenden Rahmen vorgesehenen Maßnahmen<br />

zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln bis zum 31. Dezember 2011 entschieden<br />

worden.<br />

Vorübergehende Beihilferegeln für Banken<br />

Am 25. Oktober 2008 hat die Kommission eine Mitteilung („Banken-Mitteilung“) angenommen, die<br />

die speziellen Bedingungen für die Vereinbarkeit von Staatsbürgschaften für Banken mit dem EU<br />

Wettbewerbsrecht regelt. Diese Bedingungen sind seit 2008 von der Kommission durch ihre „Entscheidungspraxis“<br />

verfeinert und konsolidiert worden. Am 5. Dezember 2008 hat die Kommission<br />

ihre Rekapitalisierungsmitteilung vorgelegt, in der sie genauere Leitlinien für Vorschriften zur<br />

377<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

378<br />

Rekapitalisierung von Banken gegeben hat. Am 25. Februar 2009 hat die Kommission weitere<br />

Leitlinien für Banken über die Beh<strong>and</strong>lung wertgeminderter Aktiva veröffentlicht Die Leitlinien<br />

stellen koordinierte Prinzipien für effiziente Auffanglösungen dar. Endziel soll sein, dass die Kreditvergabe<br />

an die Wirtschaft wieder angekurbelt wird. Wertminderungen vor der Tätigung von staatlichen<br />

Eingriffen sollen offen gelegt werden. Auch sollen Banken adäquat an den Kosten beteiligt<br />

werden. Zur Identifizierung von Wertpapieren, die für Auffanglösungen in Frage kommen, sollen<br />

Wertpapierkategorien („baskets“) gebildet werden<br />

Am 23. Juli 2009 hat die Europäische Kommission in einer Mitteilung dargelegt, wie sie bei der<br />

Bewertung einzelstaatlicher Umstrukturierungsbeihilfen für Banken vorgeht. Maßgebend sind<br />

danach die folgenden drei Grundsätze: Erstens müssen staatlich unterstützte Banken langfristig<br />

ohne weitere Hilfe des Staates rentabel arbeiten können. Zweitens müssen sich staatlich unterstützte<br />

Banken und ihre Eigentümer angemessen an den Umstrukturierungskosten beteiligen. Und<br />

drittens müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt<br />

zu begrenzen. Die Entscheidungspraxis der Kommission zur Vereinbarkeit von Staatsbürgschaften<br />

im Arbeitspapier der Kommission vom 7. August 2009 zusammengefasst. Ein Arbeitspapier<br />

vom 18. Mai 2010 formuliert die Bedingungen für die Fortführung von Staatsbürgschaften, die<br />

für die zweite 2010 Jahreshälfte beantragt werden.<br />

Die Europäische Kommission hat am 23. Juni 2010 die Verlängerung der deutschen Rettungsbeihilferegelung<br />

für Kreditinstitute (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) in Deutschl<strong>and</strong> bis zum<br />

31. Dezember 2010 genehmigt.<br />

Am 7. Dezember 2010 sind die vorübergehenden Regeln bis Ende 2011 verlängert worden. Am<br />

1. Juni 2011 hat die Kommission ein Staffarbeitspapier veröffentlicht, in dem sich die Kommission<br />

aufgrund der Staatsschuldenkrise, die einige Mitgliedstaaten getroffen hat, und der daraus entstehenden<br />

Risiken für manche Bankensysteme dagegen ausspricht, die Bedingungen bis Ende 2011<br />

für Bankenbeihilfen noch weiter zu verschärfen. Die im Mai 2010 gesetzten Bedingungen gelten<br />

daher bis Ende 2011. Deutschl<strong>and</strong> hat sich Ende 2010 dazu entschlossen, die Verlängerung der<br />

deutschen Rettungsbeihilferegelung nicht zu beantragen.<br />

Aufgrund der 2011 eingetretenen Verschärfung der angespannten Lage auf den Märkten für<br />

Staatsanleihen ist der Bankensektor in der EU zunehmend unter Druck geraten, vor allem was den<br />

Zugang zu längerfristiger Finanzierung anbelangt. Aus diesem Grund sollten die Banken-, die Rekapitalisierungs-<br />

und die Impaired-Assets-Mitteilung auch nach dem 31. Dezember 2011 gelten.<br />

Die neue Mitteilung vom 1. Dezember 2011 ergänzt die Rekapitalisierungsmit-teilung, indem sie<br />

nähere Erläuterungen zur Gewährleistung einer angemessenen Vergütung für Kapitalinstrumente<br />

ohne feste Rendite gibt. Sie erläutert außerdem, wie die Kommission eine unter dem Aspekt der<br />

Verhältnismäßigkeit erfolgende Prüfung der langfristigen Rentabilität von Banken vornehmen wird;<br />

und führt eine überarbeitete Methode ein, um sicherzustellen, dass die Vergütungen für Garantien<br />

für Bankverbindlichkeiten die Begrenzung der Beihilfe auf das erforderliche Minimum ausreichend<br />

gewährleisten und dass die Methode die in letzter Zeit eingetretene stärkere Differenzierung der<br />

Credit Default Swap Spreads (CDS-Spreads) von Banken und die Auswirkungen der CDS-Spreads<br />

des betreffenden Mitgliedstaats berücksichtigt.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

Referenz<br />

Mitteilung der Kommission – Die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen<br />

zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der derzeitigen globalen Finanzkrise, Amtsblatt<br />

der EU Nr. C 270 vom 25.10.2008<br />

Mitteilung der Kommission – Die Rekapitalisierung von Finanzinstituten in der derzeitigen Finanzkrise:<br />

Beschränkung der Hilfen auf das erforderliche Minimum und Vorkehrungen gegen unverhältnismäßige<br />

Wettbewerbsverzerrungen, Amtsblatt der EU Nr. C 010 vom 15.01.2009<br />

Mitteilung der Kommission über die Beh<strong>and</strong>lung wertgeminderter Aktiva im Bankensektor der<br />

Gemeinschaft, Amtsblatt der EU Nr. C 072 vom 26.03.2009<br />

Mitteilung der Kommission- Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur<br />

Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise,<br />

Amtsblatt der EU Nr. C 83/1 vom 07.04.2009<br />

Mitteilung der Kommission über die Wiederherstellung der Rentabilität und die Bewertung von<br />

Umstrukturierungsmaßnahmen im Finanzsektor im Rahmen der derzeitigen Krise gemäß den Beihilfevorschriften,<br />

Amtsblatt der EU Nr. C 195 vom 19.08.2009<br />

Mitteilung der Kommission im Hinblick auf die Änderung des vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens<br />

für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise (Agrarwirtschaft), Amtsblatt der EU Nr. C 261 vom<br />

31.10.2009<br />

Mitteilung der Kommission Änderung des vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens für staatliche<br />

Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise (Lohnkosten), Amtsblatt der EU Nr. C 303 vom 15.12.2009<br />

Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen<br />

zur Stützung von Finanzinstituten im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2011,<br />

Amtsblatt der EU Nr. C 329 vom 7.12.2010<br />

Mitteilung der Kommission – Vorübergehender Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung<br />

des Zugangs zu Finanzierungsmitteln, Amtsblatt der EU Nr. C 6 vom 11.1.2011<br />

Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen auf Maßnahmen<br />

zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise ab dem 1. Januar 2012, Amtsblatt der<br />

EU Nr. C 356/7 vom 06.12.2011<br />

379<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

5. Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für<br />

Unternehmen in Schwierigkeiten<br />

Mitteilung der Kommission – Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung<br />

und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten<br />

Inhalt<br />

380<br />

Die Kommission verfolgt mit den Leitlinien das Ziel, St<strong>and</strong>ards für das Gewähren von staatlichen<br />

Beihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten zu deren Rettung und Umstrukturierung zu schaffen.<br />

Gegenst<strong>and</strong> der Leitlinien sind zunächst die Definitionen für „Unternehmen in Schwierigkeiten“,<br />

„Rettungsbeihilfen“ und „Umstrukturierungsbeihilfen“.<br />

Demnach ist ein Unternehmen als Unternehmen in Schwierigkeiten zu bezeichnen, wenn es nicht in der<br />

Lage ist, mit eigenen Mitteln oder Fremdmitteln, die ihm von seinen Eigentümern/Anteilseignern oder<br />

Gläubigern zur Verfügung gestellt werden, Verluste aufzufangen, die das Unternehmen auf kurze oder<br />

mittlere Sicht so gut wie sicher in den wirtschaftlichen Untergang treiben werden. Hierbei kommen<br />

operationelle Kriterien zur Anwendung (mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals bzw. der in den<br />

Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel sind verbraucht und mehr als ein Viertel dieses Kapitals<br />

ist während der letzten zwölf Monate verloren gegangen bzw. die Voraussetzungen für die Eröffnung<br />

eines Insolvenzverfahrens sind erfüllt). Ein Unternehmen kann auch als ein Unternehmen in Schwierigkeiten<br />

angesehen werden, wenn so genannte weiche Faktoren (steigende Verluste, sinkende Umsätze,<br />

wachsende Lagerbestände, Überkapazitäten, verminderter Cashflow, zunehmende Verschuldung und<br />

Zinsbelastung, Abnahme oder Verlust des Reinvermögens) greifen.<br />

Rettungsbeihilfen werden als kurzfristige Überbrückungsmaßnahmen während einer Phase, in der die<br />

Zukunftsaussichten eines in Schwierigkeiten geratenen Unternehmens ermittelt werden, bezeichnet.<br />

Sie ermöglichen die Weiterführung des Unternehmens bis zur Aufstellung eines Umstrukturierungs-<br />

oder Liquidationsplans, der spätestens nach sechs Monaten vorgelegt werden muss. Umstrukturierungsbeihilfen<br />

dienen der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität eines Unternehmens.<br />

Die Leitlinien listen weiter die Voraussetzungen für die Gewährung von Rettungsbeihilfen für<br />

Unternehmen in Schwierigkeiten auf. Gehört ein Unternehmen einer größeren Unternehmensgruppe<br />

an oder wird von einer Unternehmensgruppe übernommen, so kann es Rettungsbeihilfen<br />

nur erhalten, wenn es sich nachweislich um eigene Schwierigkeiten h<strong>and</strong>elt und diese nicht auf<br />

eine willkürliche Kostenverteilung innerhalb der Gruppe zurückzuführen sind bzw. nicht von der<br />

Gruppe selbst bewältigt werden können. Die Form der Beihilfe ist auf Darlehen oder Darlehensbürgschaften<br />

beschränkt. Für die Rückzahlung von Darlehen und die Laufzeit von Bürgschaften darf<br />

die Frist von sechs Monaten ab Auszahlung der ersten Rate nicht überschritten werden. Die Beihilfe<br />

muss durch akute soziale Gründe gerechtfertigt sein und darf keine gravierenden Auswirkungen<br />

auf <strong>and</strong>ere Mitgliedstaaten haben. Die Höhe der Beihilfe muss auf ein Minimum zur Weiterführung<br />

des Unternehmens begrenzt sein. Es gilt das Prinzip der Einmaligkeit der Beihilfe. Der<br />

betreffende Mitgliedstaat muss innerhalb von sechs Monaten nach Genehmigung einer Rettungsbeihilfe<br />

einen Umstrukturierungsplan bzw. einen Liquiditätsplan des geförderten Unternehmens<br />

vorlegen oder den Nachweis erbringen, dass das Darlehen vollständig zurückgezahlt wurde.<br />

Für die Gewährung von Umstrukturierungsbeihilfen gilt unter <strong>and</strong>erem, dass auf der Grundlage<br />

eines umfangreichen und aussagefähigen Umstrukturierungsplans, die langfristige Rentabilität<br />

des Unternehmens wieder hergestellt werden muss. Das Unternehmen muss den Umstrukturierungsplan<br />

vollständig durchführen und alle Bedingungen und Auflagen erfüllen. Der Umstrukturie-


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

II. VON DER EUROPÄISCHEN UNION VERABSCHIEDETE VORHABEN<br />

rungsplan bedarf bei großen Unternehmen der Genehmigung der EU-Kommission. Bei KMU wird<br />

der Umstrukturierungsplan von dem Mitgliedstaat genehmigt und der EU-Kommission zur Kenntnis<br />

vorgelegt. Unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen sollen durch Ausgleichsmaßnahmen (Veräußerung<br />

von Vermögenswerten, Kapazitätsabbau, Beschränkung der Marktpräsenz etc.) vermieden<br />

werden. Diese Ausgleichsmaßnahmen sind nur für große und mittlere Unternehmen verpflichtend.<br />

In Regionalfördergebieten kann die EU-Kommission weniger strenge Anforderungen an die Ausgleichsmaßnahmen<br />

stellen. Die Beihilfe muss der Höhe nach auf ein absolutes Minimum begrenzt<br />

sein und das begünstigte Unternehmen muss Eigenleistungen erbringen.<br />

Des Weiteren beinhalten die Leitlinien die Bestimmungen hinsichtlich der Notifizierung von Rettungs-<br />

und Umstrukturierungsbeihilfen gegenüber der Kommission. Unterschieden wird hierbei<br />

nach großen Unternehmen und KMU.<br />

Bewertung<br />

Mit den Leitlinien, deren Wortlaut sich an die früheren Leitlinien anlehnt, nimmt die Kommission<br />

gewisse Änderungen und Klarstellungen gegenüber früherer Versionen vor, die aus verschiedenen<br />

Gründen angezeigt waren.<br />

Sobald die Parameter der Definition für Unternehmen in Schwierigkeiten erfüllt sind, kann ein<br />

Unternehmen ausschließlich Beihilfen auf Grundlage dieser Leitlinien erhalten.<br />

Die Bedeutung der Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen in<br />

Schwierigkeiten zeigt sich auch in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise, da insbesondere<br />

auch der befristete Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen darauf Bezug nimmt.<br />

Verfahren<br />

Die Kommission nahm 1994 die ersten Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur<br />

Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten an. 1999 wurde eine neue<br />

Fassung der Leitlinien angenommen, diese wurden bis 9. Oktober 2004 angewendet.<br />

Die Leitlinien in der gültigen Fassung, die am 1. Oktober 2004 im Amtsblatt der EU veröffentlicht<br />

wurden, werden seit dem 10. Oktober 2004 angewendet. Ihre Gültigkeitsdauer war ursprünglich<br />

bis zum 9. Oktober 2009 befristet. In Anbetracht der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

und mit dem Ziel, in dieser Situation Kontinuität und Rechtssicherheit zu gewährleisten, wurden<br />

die Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten<br />

bis zum 9. Oktober 2012 verlängert. Die Mitteilung über die Verlängerung wurde am 9. Juli 2009 im<br />

Amtsblatt der EU veröffentlicht.<br />

Eine Konsultation zu möglichen neuen Leitlinien wurde jedoch schon am 29. September 2007 in<br />

Form eines Fragebogens durchgeführt.<br />

Die Kommission hat im Dezember 2010 eine neue Konsultation zu den Leitlinien eingeleitet. Mit<br />

der neuen Konsultation wurden nun die Mitgliedstaaten und Marktteilnehmer um Rückmeldung zu<br />

ihren Erfahrungen mit der Rettung und Umstrukturierung von Industrieunternehmen und Finanzinstituten<br />

insbesondere vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise gebeten. Die Kommission plant<br />

eigene Regeln zur Rettung und Restrukturierung von Finanzinstituten anzunehmen.<br />

Referenz<br />

Amtsblatt der EU C 244/2 vom 01.10.2004 (Mitteilung Leitlinien)<br />

Amtsblatt der EU C 156/3 vom 09.07.2009 (Mitteilung Verlängerung)<br />

381<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Weissbuch zu kartellrechtlichen Sammelklagen<br />

Weissbuch – Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts<br />

Inhalt<br />

382<br />

Das Weissbuch zu Sammelklagen baut auf dem in EU Rechtsprechung entwickelten Grundsatz auf,<br />

dass jedes Opfer von Verstößen gegen die Vorschriften des EU-Vertrags (Artikel 101 und 102 AEUV)<br />

über wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen bzw. den Missbrauch einer marktbeherrschenden<br />

Stellung, ein Recht auf Schadenersatzansprüche hat.<br />

Dem Grünbuch zufolge ist in den meisten EU-Mitgliedstaaten es derzeit für Verbraucher und Unternehmen<br />

noch sehr schwierig, private wettbewerbsrechtliche Schadenersatzforderungen vor<br />

Gericht geltend zu machen. Das Weissbuch enthält daher Vorschläge, die darauf abzielen, die<br />

Effizienz privater Schadenersatzklagen zu stärken und zugleich die europäischen Rechtssysteme<br />

und -traditionen zu wahren. Die grundsätzliche Empfehlung der Kommission lautet, dass für Schäden<br />

nur einfacher Schadenersatz geleistet werden sollte. Die übrigen im Weissbuch ausgesprochenen<br />

Hauptempfehlungen beziehen sich auf den kollektiven Rechtsschutz, die Offenlegung von<br />

Beweismitteln und die Beweiskraft von best<strong>and</strong>skräftigen Entscheidungen von Wettbewerbsbehörden<br />

bei Folgeklagen auf Schadenersatz.<br />

Die Kommission schlägt zunächst einen einfachen Schadenersatz im Gegensatz zu einer Mehrfachentschädigung<br />

vor. Dies bedeutet, dass der Schaden einschließlich der tatsächlichen Verluste<br />

aufgrund beispielsweise wettbewerbswidriger Preisaufschläge oder entgangener Gewinne aufgrund<br />

von Umsatzeinbußen in vollem Umfang zu ersetzen ist. Die Kompensation des realen Wertes<br />

der erlittenen Verluste beinhaltet auch den Anspruch auf Zinsen.<br />

Des Weiteren müssen der Kommission zufolge vor allem Verbraucher und KMU mit geringwertigen<br />

Forderungen einen besseren Zugang zu den Gerichten erhalten und die Möglichkeit haben, ihre<br />

Forderungen zusammenzufassen und über geeignete Vertreter Klage zu erheben. Die Kommission<br />

erkennt an, dass sichergestellt werden muss, dass es dadurch nicht zu völlig unbegründeten Schadenersatzklagen<br />

kommt. Für den Wettbewerbsbereich empfiehlt das Weissbuch daher nur zwei<br />

Formen des kollektiven Rechtsschutzes, und zwar repräsentative Klagen, die beispielsweise von<br />

anerkannten Verbraucherschutzverbänden geführt werden, und Gruppenklagen, denen sich die<br />

Geschädigten ausdrücklich anschließen müssen (im Gegensatz zu Sammelklagen, die von Rechtsanwaltskanzleien<br />

für eine nicht bekannte Zahl von Klägern geführt werden).<br />

Außerdem sollte es den betroffenen Parteien nicht gestattet sein, den Zugang zu relevantem<br />

Beweismaterial zu verweigern, damit sich der Richter ein umfassendes Bild von dem Fall machen<br />

kann. Die Kommission empfiehlt jedoch keine weiterreichenden Optionen wie beispielsweise<br />

einen automatischen Anspruch auf Offenlegung, die zu Verfahrensmissbräuchen führen können,<br />

etwa dazu, dass die Beklagten nur deswegen zum Abschluss eines Vergleichs bereit sind, um die<br />

unverhältnismäßig hohen Kosten zu vermeiden, die mit einer übermäßigen Offenlegung verbunden<br />

sein können.<br />

Damit unnötige Verzögerungen und zusätzliche Kosten aufgrund eines erneuten Prozesses vermieden<br />

werden, empfiehlt die Kommission schließlich, dass best<strong>and</strong>skräftige Entscheidungen der<br />

Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zur Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes bei Fol-


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

geklagen auf Schadenersatz zum Nachweis dieses Verstoßes ausreichen. Dies entspricht bereits<br />

heutiger Rechtslage bei Entscheidungen der Kommission.<br />

Bewertung<br />

Bevor konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden, muss erst einmal überprüft werden, ob überhaupt<br />

eine Vereinheitlichung des Schadensersatzrechtes auf EU-Ebene erforderlich ist. Die<br />

Annahme, dass die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Kartellverstoßes in den<br />

Mitgliedstaaten ineffektiv ist, lässt sich für Deutschl<strong>and</strong> nicht aufrechterhalten. Mit der 7. Novelle<br />

des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind die Voraussetzungen für eine effektive<br />

Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen und Gewinnabschöpfung erheblich erweitert worden.<br />

Besonders kritisch ist der unmittelbare Eingriff in das nationale Zivil- und Zivilprozessrecht zu<br />

sehen. Die Schaffung eines Sonderschadensersatzrechtes und Sonderprozessrechtes wird von der<br />

Kreditwirtschaft abgelehnt. Das Subsidiaritätsprinzip muss beachtet werden.<br />

Verfahren<br />

Die Grundsätze für die Initiative der Kommission sind durch EU Rechtsprechung entwickelt worden,<br />

vor allem im Fall Courage gegen Crehan in 2001. Das EuGh urteilte, das Einzelpersonen und<br />

Unternehmen sich direkt auf EG Wettbewerbsrecht in ihren nationalen Gerichten berufen können<br />

und Schadenersatz für Wettbewerbsverletzungen einfordern konnten.<br />

Die Kommission hat 2005 in ihrem Grünbuch festgestellt, dass in den meisten Mitgliedstaaten die<br />

traditionellen Regeln und Verfahren im Bereich der zivilrechtlichen Haftung für wettbewerbsrechtliche<br />

Schadenersatzklagen unangemessen sind, zumal für solche Fälle eine sehr komplexe Analyse<br />

der zugrunde liegenden Tatsachen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erforderlich ist.<br />

Im Dezember 2007 hat die Kommission eine Studie veröffentlicht darüber wie Schadenersatzklagen<br />

effizienter gestaltet werden können.<br />

Am 3. April 2008 hat die Kommission ein Weissbuch veröffentlicht über Sammelklagen für Verbraucher<br />

und Unternehmen, die Opfer eines Verstoßes gegen Kartellrecht sind. Die Kommission<br />

hat dazu eine Konsultation bis zum 15. Juli 2008 eröffnet.<br />

Das Europäische Parlament hat sich am 23. März 2009 in einer Entschließung gegen Sammelklagen<br />

nach US Muster in der EU ausgesprochen. Vor allem Opt-Out Klagen sollen nur dort möglich<br />

bleiben, wo sie schon erlaubt sind. Das ist in Dänemark, Portugal und Spanien der Fall. Andere<br />

EU-Staaten sollten die Opt-Out-Klage nicht einführen. Eine formeller Vorschlag der Kommission ist<br />

Mitte 2009 mehrfach verschoben worden.<br />

Im Dezember 2009, hat eine Gruppe von Ökonomen und Rechtsanwälten eine Studie für die Kommission<br />

erstellt zur Quantifizierung von von Kartellverstoßopfern erlittenen Schäden. Die Kommission<br />

hat in Juni 2011 eine Konsultation zu diesem Thema eingeleitet. Auf dieser Grundlage plant<br />

die Kommission eine neue Mitteilung zur Quantifizierung von Schäden zu veröffentlichen.<br />

Referenz<br />

Weissbuch KOM (2008) 165 endg. vom 02.04.2008.<br />

383<br />

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H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

2. Mitteilung zur Modernisierung des Beihilferechts<br />

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts-<br />

und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen- Modernisierung des EU-<br />

Beihilferechts<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

384<br />

Im Rahmen der EU-Agenda zur Förderung des Wachstums soll die Beihilfenpolitik künftig vor allem<br />

die Gewährung gut konzipierter Beihilfen erleichtern, die auf die Behebung von Marktversagen und<br />

Ziele von gemeinsamem Interesse ausgerichtet sind. Ferner will die Kommission die Durchsetzung<br />

des Beihilfenrechts auf Fälle mit besonders starken Auswirkungen auf den Binnenmarkt fokussieren.<br />

Die Kommission führt in der Mitteilung eine Reihe von Maßnahmen zur Verwirklichung dieser<br />

Ziele auf. Die wichtigsten Elemente des Reformpakets sollen bis Ende 2013 in Kraft treten.<br />

Im Rahmen dieser Reform sollen die verschiedensten Leitlinien, wie bspw. für Umweltschutz-,<br />

Forschung und Entwicklung, Regional- und Risikokapitalbeihilfen sowie für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen<br />

an Unternehmen in Schwierigkeiten, überarbeitet werden. Dabei sollen die<br />

Vorschriften eng mit Marktversagen und Anreizeffekt verknüpft werden. Mit diesem Fokus möchte<br />

die EU-Kommission allgemeine Grundsätze erarbeiten, die sie bei der Würdigung der Vereinbarkeit<br />

aller Beihilfemaßnahmen anlegt. Diese horizontalen Grundsätze würden dann für die unterschiedlichen<br />

Leitlinien und Rahmenbestimmungen gelten.<br />

Künftig möchte die EU-Kommission ihren Fokus insbesondere auf Beihilfefälle legen, die besonders<br />

starke Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben. Hierzu soll die Überarbeitung der De-minimis-Verordnung,<br />

der Allgemeinen Gruppen-freistellungsverordnung sowie der Ermächtigungsverordnung<br />

dienen. Auch die Verfahrensverordnung soll mit dem Ziel der Straffung von<br />

Beihilfeverfahren überarbeitet werden. Schließlich sollen auch die Regeln und Konzepte besser<br />

erläutert werden, die eine Präzisierung des Begriffs der staatlichen Beihilfen einschließt. Hinter<br />

der nun eingeleiteten Reform des EU-Beihilferechts steht auch der Wille der EU-Kommission nach<br />

einer effizienteren Nutzung öffentlicher Fördermittel.<br />

Maßnahmen zur Modernisierung, die zu einem klareren und kohärenteren Aufbau des Beihilfenrechts<br />

führen sind grundsätzlich zu begrüßen. Die effiziente Nutzung öffentlicher Fördermittel<br />

spielt eine wichtige Rolle in der Stabilisierung der Europäischen Wirtschaft. Dabei sollten die<br />

Erfahrungen der in Regionalförderung eingebundenen Akteure berücksichtigt werden, um eine<br />

praxisnahe und unbürokratische Gestaltung zur ermöglichen.


H. WETTBEWERB UND BEIHILFE<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Am 8. Mai 2012 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung über die Modernisierung des<br />

EU-Beihilfenrechts angenommen. Im Laufe von 2012 sollen verschiedene Konsultationen gestartet<br />

werden.<br />

KOM (2012) 209 endg. vom 8 Mai 2012 (nicht im Amtsblatt veröffentlicht)<br />

385<br />

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I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Verordnung zur Einführung eines europäischen<br />

Vollstreckungstitels<br />

Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004<br />

zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen<br />

Inhalt<br />

386<br />

Ziel der Verordnung ist die Beseitigung von Zwischenmaßnahmen als Vorbedingung für die Vollstreckung<br />

einer in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über eine Forderung,<br />

deren Art und Höhe vom Schuldner nachweislich nicht bestritten wird. Gläubigern soll eine zügige,<br />

effiziente Vollstreckung im Ausl<strong>and</strong> ermöglicht werden, ohne dass zuvor eine erneute Prüfung in<br />

einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat erfolgen muss. Damit wird für den Bereich der unbestrittenen Forderungen<br />

das Exequaturverfahren (Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung eines Titels durch<br />

ein ausländisches Gericht nach dem dort geltenden Recht) abgeschafft.<br />

Entscheidungen im Sinne der Verordnung sind jede von einem Gericht eines Mitgliedstaates erlassene<br />

Entscheidungen wie ein Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl, Vollstreckungsbescheid sowie ein<br />

Kostenfestsetzungsbeschluss eines Gerichtsbediensteten. Anwendbar ist die Verordnung auf Zivilund<br />

H<strong>and</strong>elssachen, nicht anwendbar u. a. auf Steuer- und Zollsachen, Schiedsgerichtsbarkeit,<br />

Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren sowie das Familien- und Erbrecht. Voraussetzung für<br />

die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel ist, dass die Entscheidung vollstreckbar ist.<br />

Die Verordnung regelt Mindestverfahrensvorschriften für das Verfahren über unbestrittene Forderungen.<br />

Nur wenn die Vorschriften über ordnungsgemäße Zustellung und ordnungsgemäße Unterrichtung<br />

des Schuldners nachgewiesen werden, ist es gerechtfertigt, dass diese im Vollstreckungsmitgliedstaat<br />

nicht mehr geprüft werden. Im Übrigen gelten für die Vollstreckung die<br />

Rechtsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates.<br />

Unbeschadet der Bestimmungen der Verordnung gilt für das Vollstreckungsverfahren das Recht<br />

des Vollstreckungsmitgliedstaats. Eine als europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung<br />

wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat<br />

ergangene Entscheidung.<br />

Die Verordnung ist am 21. Januar 2005 in Kraft getreten und gilt ab dem 21. Oktober 2005.


I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ist aus Sicht<br />

der Banken zu begrüßen. Die in der Verordnung für einen wichtigen Teilbereich vorgesehene<br />

Ermöglichung der Vollstreckung in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat unter Verzicht auf ein Exequaturverfahren<br />

erleichtert die Durchsetzung von titulierten Ansprüchen erheblich. Derzeit bereitet die<br />

Vollstreckung titulierter Forderungen in <strong>and</strong>eren Mitgliedstaaten noch Probleme. Insbesondere der<br />

mit dem Exequaturverfahren verbundene Zeitverlust erschwert einen schnellen Zugriff auf das<br />

Schuldnervermögen und bietet dem Schuldner die Möglichkeit der Vermögensverschiebung.<br />

Durch den Wegfall einer Übersetzung für den st<strong>and</strong>ardisierten Vollstreckungstitel wird ein zusätzlicher<br />

Aufw<strong>and</strong> in zeitlicher und finanzieller Hinsicht verhindert.<br />

Die Europäische Kommission nahm am 18. April 2002 den Vorschlag für eine Verordnung an.<br />

Das Europäische Parlament verabschiedete am 8. April 2003 einen Bericht und schlug einige Änderungen<br />

vor. Diese zielen auf einen verbesserten Rechtsschutz für Schuldner und Gläubiger hinsichtlich<br />

der Erteilung bzw. Nichterteilung eines europäischen Vollstreckungstitels ab.<br />

Die Europäische Kommission verabschiedete am 11. Juni 2003 einen geänderten Verordnungsvorschlag,<br />

in dem sie die Änderungsanträge des Europäischen Parlaments berücksichtigt.<br />

Am 6. Februar 2004 legte der Rat einen Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt fest, in dem der Inhalt des<br />

geänderten Verordnungsvorschlags weitgehend übernommen wurde. Weggefallen ist u. a. die<br />

Bedingung der Rechtskraft für eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel, so dass eine<br />

Bestätigung erfolgen kann, wenn die Entscheidung im Ursprungsl<strong>and</strong> lediglich vollstreckbar ist.<br />

Das Europäische Parlament hat am 30. März 2004 in 2. Lesung den Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt<br />

angenommen.<br />

Die Verordnung ist am 21. April 2004 endgültig verabschiedet worden. Sie wurde 2005 durch Verordnung<br />

1869/2005 bezüglich der Formblätter im Annex geändert. Mit der Veränderung durch die<br />

Verordnung 1103/2008 wurde für die Kommission die Möglichkeit eingeführt, die Formblätter im<br />

Anhang anzupassen.<br />

Die grundsätzlich unmittelbar anwendbaren Regelungen der Verordnung sind in Deutschl<strong>and</strong> durch<br />

das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz in die Zivilprozessordnung integriert worden.<br />

805/2004/EG (Verordnung) vom 21.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 143/15 vom 30.04.2004<br />

1869/2005/EG (Verordnung) 16.11.2005, Amtsblatt der EU Nr. L 300/ 6 vom 17.11.2005<br />

1103/2008/EG (Verordnung) vom 22.10.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 304/ 80 vom 14.11.2008<br />

387<br />

I


I<br />

I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Verordnung zur Einführung eines europäischen<br />

Mahnverfahrens<br />

Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember<br />

2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens<br />

Inhalt<br />

388<br />

Ziel der Verordnung ist die Schaffung eines einheitlichen, zeitsparenden und effizienten Instruments<br />

zur Beitreibung unbestrittener Geldforderungen innerhalb der Europäischen Union. Die tief<br />

greifenden Unterschiede der Mahnverfahren in den Mitgliedstaaten stellen erhebliche Hindernisse<br />

für die Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten dar. Das europäische Mahnverfahren soll<br />

existierende nationale Mahnverfahren weder ersetzen noch harmonisieren, sondern eine Alternative<br />

für den Gläubiger darstellen.<br />

Die Verordnung soll nur für grenzüberschreitende Rechtssachen unabhängig von der Art des sachlich<br />

zuständigen Gerichts gelten. Eine grenzüberschreitende Rechtssache liegt vor, wenn mindestens<br />

eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem <strong>and</strong>eren Mitgliedstaat<br />

als dem des befassten Gerichts hat.<br />

Das europäische Mahnverfahren soll für sämtliche vertraglichen und außervertraglichen zivilrechtlichen<br />

Geldforderungen gelten, nicht jedoch für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche<br />

Angelegenheiten. Weiterhin fallen Ansprüche aus Konkursverfahren gegen zahlungsunfähige<br />

Unternehmen oder sonstige juristische Personen sowie aus Vergleichs- oder ähnliche Verfahren<br />

nicht in den Anwendungsbereich des Vorschlags.<br />

Das Verfahren soll weitestgehend mit Hilfe von St<strong>and</strong>ardformularen abgewickelt werden, um die<br />

Verwaltung der Verfahren zu erleichtern und eine automatisierte Verarbeitung der Daten zu ermöglichen.<br />

Der Antragsteller soll in dem Antrag auf Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls Angaben<br />

machen, aus denen der geltend gemachte Anspruch und seine Begründung klar zu entnehmen<br />

sind, damit der Antragsgegner entscheiden kann, ob er Widerspruch einlegen oder die Forderung<br />

unbestritten lassen will. Der Antragsteller soll dabei auch einige Beweismittel anführen, mit<br />

denen er die Richtigkeit seiner Angaben gegebenenfalls untermauern kann, ohne jedoch dem<br />

Gericht Urkundsbeweise vorlegen zu müssen.<br />

Das zuständige Gericht soll nach Prüfung der Erfüllung der formalrechtlichen Voraussetzungen<br />

einen europäischen Zahlungsbefehl ausfertigen. Dieser Zahlungsbefehl soll den Antragsgegner<br />

darüber aufklären, dass er entweder seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Antragsteller zu<br />

begleichen hat oder, wenn er die Forderung bestreiten will, innerhalb von 30 Tagen Widerspruch<br />

einlegen muss. Ein fristgerecht eingelegter Widerspruch beendet das europäische Mahnverfahren<br />

und führt zur automatischen Überleitung der Sache in einen ordentlichen Zivilprozess vor dem<br />

zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaates. Erfolgt kein Widerspruch, erklärt das Gericht<br />

den Zahlungsbefehl für unverzüglich vollstreckbar. Ein vollstreckbar gewordener europäischer<br />

Zahlungsbefehl wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat<br />

ergangene vollstreckbare Entscheidung.<br />

Sämtliche verfahrensrechtlichen Fragen, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich geregelt sind,<br />

richten sich nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das europäische Mahnverfahren stattfindet.


I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Im Hinblick auf das deutsche Recht ist positiv zu bewerten, dass weder eine umfassende noch eine<br />

summarische Prüfung der Begründetheit der Forderung vorgesehen ist und vom Erfordernis eines<br />

Urkundsbeweises abgesehen wird. Der Vorschlag orientiert sich damit weitgehend an den Regelungen<br />

des effizienten deutschen Mahnverfahrens.<br />

Die Schaffung eines einheitlichen europäischen Mahnverfahrens für grenzüberschreitende Fälle ist<br />

zu begrüßen, da die Beitreibung in der Regel mit einem nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufw<strong>and</strong><br />

verbunden ist. Diese Situation kann zahlungsunwillige Schuldner in grenzüberschreitenden<br />

Streitigkeiten begünstigen und Gläubiger von der Beitreibung ihrer Forderungen abhalten. Bei<br />

grenzüberschreitenden Sachverhalten müssen sich Wirtschaftsbeteiligte in Zukunft nicht mehr mit<br />

25 verschiedenen einzelstaatlichen Mahnverfahren ausein<strong>and</strong>ersetzen.<br />

Die Beschränkung der Anwendbarkeit des europäischen Mahnverfahrens auf grenzüberschreitende<br />

Sachverhalte ist zu begrüßen. Aus deutscher Sicht besteht angesichts der Effizienz des<br />

deutschen Mahnverfahrens für die Anwendung eines europäischen Instruments auf Inl<strong>and</strong>ssachverhalte<br />

kein Bedarf. Die Einführung eines parallelen Verfahrens hätte zu zwei unterschiedlichen<br />

Verfahren geführt und die reibungslose Abwicklung in Deutschl<strong>and</strong> beeinträchtigt.<br />

Verfahren<br />

Der Europäische Rat forderte im Oktober 1999 eine gemeinsame Regelung für ein europäisches<br />

Mahn- und Bagatellverfahren.<br />

Die Europäische Kommission legte am 20. Dezember 2002 ein Grünbuch über ein europäisches<br />

Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beitreibung von Streitigkeiten<br />

mit geringem Streitwert vor und leitete eine Konsultation ein.<br />

Die Europäische Kommission hat am 19. März 2004 einen Vorschlag für eine Verordnung verabschiedet,<br />

die dem Europäischen Parlament und Rat im Mitentscheidungsverfahren zur 1. Lesung<br />

vorgelegt worden ist. Am 13. Dezember 2005 nahm das Europäische Parlament einen Bericht an, in<br />

dem es einige Änderungen an dem Vorschlag forderte. Nachdem das Europäische Parlament und<br />

der Ministerrat die Anwendbarkeit des europäischen Mahnverfahrens über grenzüberschreitende<br />

Sachverhalte hinaus auf rein innerstaatliche Sachverhalte kritisiert hatten, legte die Kommission<br />

einen geänderten Vorschlag am 7. Februar 2006 vor.<br />

Am 30. Juni 2006 verabschiedete der Ministerrat einen gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt. Ministerrat und<br />

Europäisches Parlament müssen nun in 2. Lesung den Verordnungsvorschlag annehmen. Am<br />

25. Oktober 2006 nahm das Europäische Parlament die Verordnung in 2. Lesung an. Der Ministerrat<br />

verabschiedete die Verordnung am 11. Dezember 2006.<br />

Obwohl die Verordnung unmittelbar gilt, verweist sie an einigen Stellen ausdrücklich auf das nationale<br />

Recht oder gibt dem nationalen Gesetzgeber Spielraum. Das in Deutschl<strong>and</strong> verabschiedete<br />

Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung enthält<br />

die erforderlichen nationalen Durchführungsvorschriften. Die Ausführungsbestimmungen werden<br />

zeitgleich mit den jeweiligen EU-Verordnungen in Kraft treten. Das Europäische Mahnverfahren<br />

gilt ab dem 12. Dezember 2008<br />

Referenz<br />

1896/2006/EG (Verordnung) vom 12.12.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 399 vom 30.12.2006<br />

389<br />

I


I<br />

I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Verordnung über das auf außervertragliche<br />

Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II)<br />

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche<br />

Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

390<br />

Ziel der Rom-II-Verordnung ist die Vereinheitlichung der einzelstaatlichen Kollisionsnormen für<br />

außervertragliche Schuldverhältnisse. Da nach Ansicht der Kommission mit einer Harmonisierung<br />

des materiellen Rechts in naher Zukunft nicht zu rechnen sei, stellt die Verordnung auf die Vereinheitlichung<br />

der Kollisionsnormen ab. Die Verordnung soll Anwendung finden auf außervertragliche<br />

zivil- und h<strong>and</strong>elsrechtliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht<br />

verschiedener Staaten aufweisen. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind u. a. außervertragliche<br />

Schuldverhältnisse aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und <strong>and</strong>eren h<strong>and</strong>elbaren<br />

Wertpapieren.<br />

Ferner ist das Prinzip der freien Rechtswahl eingeführt worden. Demnach können die Parteien nach<br />

Entstehung ihrer Streitigkeit vereinbaren, dass auf das außervertragliche Schuldverhältnis das von<br />

ihnen gewählte Recht anzuwenden ist. Gewerbetreibende können eine Rechtswahl auch schon vor<br />

Eintritt eines schädigenden Ereignisses vertraglich vereinbaren.<br />

Die Verordnung differenziert zwischen außervertraglichen Schuldverhältnissen aus unerlaubter<br />

H<strong>and</strong>lung, d. h. deliktischen Schuldverhältnissen, speziellen Kollisionsnormen für bestimmte unerlaubte<br />

H<strong>and</strong>lungen und den nur für die ungerechtfertigte Bereicherung und die Geschäftsführung<br />

ohne Auftrag geltenden Regeln.<br />

Bei unerlaubter H<strong>and</strong>lung ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der direkte Schaden eintritt.<br />

Der Ort, an dem indirekte Schadensfolgen bestehen, ist für die Bestimmung des anwendbaren<br />

Rechts unerheblich.<br />

Bei unlauterem Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden<br />

eintritt. Dies ist der Staat, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven<br />

Interessen der Verbraucher beeinträchtigt werden. Für außervertragliche Schuldverhältnisse, die<br />

aus ungerechtfertigter Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag entst<strong>and</strong>en sind, gelten<br />

spezielle Kollisionsnormen, die verschiedene Regelungen vorsehen. Bei ungerechtfertigter Bereicherung<br />

kommt u. a. das Recht des Staates zur Anwendung, in dem die Bereicherung erfolgt ist.<br />

Die Kreditwirtschaft ist von dem Regelungsbereich der Verordnung nur beschränkt betroffen, da<br />

Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und <strong>and</strong>eren h<strong>and</strong>elbaren Wertpapieren<br />

vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Der Verordnungsvorschlag mag zu einer Vereinfachung<br />

der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen beitragen.<br />

Die Anwendung des Rechts des Ortes, in dem der Schaden bei unerlaubten H<strong>and</strong>lungen eingetreten<br />

ist, wirft Probleme auf. Denn der Ort der unerlaubten H<strong>and</strong>lung bzw. des schadensbegründenden<br />

Ereignisses ist in der Regel erheblich einfacher zu bestimmen als der Ort des Schadensein-


I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

tritts. Neben dieser allgemeinen Vorschrift gibt es viele unterschiedliche Regelungen für einzelne<br />

unerlaubte H<strong>and</strong>lungen. Eine derart differenzierende Systematik ist sachlich nicht erforderlich.<br />

Vielmehr sollte entsprechend der deutschen Regelung die unerlaubte H<strong>and</strong>lung zwecks einer einfachen<br />

und eindeutigen H<strong>and</strong>habung einheitlich geregelt werden.<br />

Die Kommission stellte am 3. Mai 2002 den Vorentwurf einer Verordnung zur Diskussion.<br />

Den Vorschlag für eine Verordnung über das auf gesetzliche Schuldverhältnisse anzuwendende<br />

Recht verabschiedete die Kommission am 22. Juli 2003. Der Vorschlag ist dem Europäischen Parlament<br />

und Rat im Mitentscheidungsverfahren am 22. Juli 2003 zugeleitet worden. Das Europäische<br />

Parlament hat eine Reihe von Änderungsanträgen in erster Lesung am 6. Juli 2005 angenommen.<br />

Am 21. Februar 2006 legte die Kommission einen geänderten Verordnungsvorschlag vor, in dem sie<br />

einige Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments berücksichtigte. Am 25. September<br />

2006 verabschiedete der Ministerrat den Gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt. Am 18. Januar 2007 nahm<br />

das Europäische Parlament eine Stellungnahme mit einigen Änderungsanträgen an. Am 15. Mai<br />

2007 einigten sich der Ministerrat und das Europäische Parlament im Vermittlungsausschuss. Der<br />

Rat verabschiedete die Verordnung am 28. Juni 2007, das Europäische Parlament am 10. Juli 2007.<br />

Die Veröffentlichung im Amtsblatt erfolgte am 31. Juli 2007. Die Verordnung gilt seit dem<br />

11. Januar 2009 unmittelbar in den Mitgliedstaaten.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wird mit dem Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts<br />

an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 das deutsche Internationale Privatrecht an die EG-<br />

Verordnung angepasst. Das Gesetz trat am 17. Dezember 2009 in Kraft.<br />

864/2007/EG (Verordnung) vom 11.07.2007, Amtsblatt der EU Nr. L 199/40 vom 31.07.2007<br />

391<br />

I


I<br />

I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Verordnung über das auf vertragliche<br />

Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)<br />

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse<br />

anzuwendende Recht (Rom I)<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

392<br />

Das Ziel der Rom I-Verordnung ist, das Übereinkommen von Rom von 1980 über das auf vertragliche<br />

Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument zu überführen.<br />

Die Verordnung soll für vertragliche zivil- und h<strong>and</strong>elsrechtliche Schuldverhältnisse, die eine Verbindung<br />

zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, nicht jedoch für Steuer- und Zollsachen<br />

sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten gelten. Vom Anwendungsbereich sind u. a. Verpflichtungen<br />

aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und <strong>and</strong>eren h<strong>and</strong>elbaren Wertpapieren,<br />

Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Recht der juristischen Personen, die Gründung von<br />

Trusts und Verpflichtungen aus einem vorvertraglichen Rechtsverhältnis ausgenommen.<br />

Grundsätzlich gilt das Prinzip der freien Rechtswahl. Das Recht muss von den Parteien ausdrücklich<br />

vereinbart sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder<br />

aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen<br />

Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen. Beschränkt sich der Sachverhalt allerdings auf<br />

einen Staat, kann von zwingenden Vorschriften dieses Staates nicht durch Rechtswahl abgewichen<br />

werden. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, so sollte das anzuwendende Recht<br />

nach der für die Vertragsart spezifizierten Regel bestimmt werden. Kann der Vertrag nicht einer der<br />

spezifizierten Vertragsarten zugeordnet werden, so sollte der Vertrag dem Recht des Staates unterliegen,<br />

in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat,<br />

ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Besteht ein Vertrag aus einem Bündel von Rechten und Verpflichtungen,<br />

die mehr als einer der spezifizierten Vertragsarten zugeordnet werden können, so<br />

sollte die charakteristische Leistung des Vertrags nach ihrem Schwerpunkt bestimmt werden. Bei<br />

Verbraucherverträgen ist das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers anzuwenden.<br />

Die Verordnung sieht jedoch verschiedene Ausnahmen von der allgemeinen Kollisionsnorm<br />

für Verbraucherverträge vor.<br />

Die Umw<strong>and</strong>lung des Übereinkommens von Rom in ein Gemeinschaftsinstrument ist sinnvoll, da<br />

dies die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes zur Auslegung der Regelungen zur Folge<br />

hat. Damit wird längerfristig eine weitgehend einheitliche Anwendung der Regelungen erreicht.<br />

Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit und der einheitlichen Anwendung wünschenswert.<br />

Es ist jedoch fraglich, ob die jetzt im Hinblick auf Verbraucherverträge getroffene Regelung in<br />

Artikel 6 Abs. 2 der Verordnung, die eine Bestimmung von verbindlichen Verbraucherschutzvorschriften<br />

nach dem jeweils anwendbaren Recht vorsieht, tatsächlich in der Praxis zu vernünftigen<br />

Ergebnissen führt. Es ist zwar zu begrüßen, dass die ursprünglich von der Kommission gestellte<br />

Forderung, die Rechtswahlmöglichkeit bei Verbraucherverträgen abzuschaffen und sie ausschließlich<br />

dem Recht des Verbraucherstaates zu unterwerfen, nicht übernommen wurde. Die Anknüpfung


I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers hätte Unternehmen vor das Problem<br />

gestellt, diesen zweifelsfrei festzustellen. Ferner wäre unklar gewesen, wie gegebenenfalls der<br />

Nachweis hierüber zu erbringen ist.<br />

Die ausschließliche Anwendung des Rechts des Verbrauchers bei Verbraucherverträgen hätte auch<br />

zur Folge gehabt, dass bei grenzüberschreitenden Verträgen weite Regelungsmaterien, die verbraucherschutzrechtlich<br />

irrelevant sind, ebenfalls dem Heimatrecht des Verbrauchers unterworfen<br />

gewesen wären.<br />

Die jetzt getroffenen Regelung lässt zwar grundsätzlich die Möglichkeit der Rechtswahl zu, sorgt<br />

aber dafür, dass zunächst die verbindlichen – nicht der Rechtswahl zugänglichen – Vorschriften<br />

jeweils für das anwendbare Recht ermittelt und die Rechtswahlklausel entsprechend gestaltet<br />

werden muss. Letztendlich dürften damit unterschiedliche rechtliche Einordnungen in den Gesetzen<br />

der Mitgliedstaaten zementiert werden.<br />

Der Europäische Rat forderte im Oktober 1999 in Tampere eine größere Konvergenz im Bereich des<br />

Zivilrechts. Die Kommission legte am 14. Januar 2003 ein Grünbuch über das auf vertragliche<br />

Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) vor und leitete eine Konsultation ein.<br />

Am 15. Dezember 2005 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung vor, der im<br />

Mitentscheidungsverfahren von dem Europäischen Parlament und Ministerrat verabschiedet werden<br />

muss.<br />

Am 29. November 2007 gab das Europäische Parlament seine Stellungnahme in 1. Lesung ab. Am<br />

6. Dezember 2007 erzielte der Rat eine politische Einigung und nahm die Verordnung am 5. Juni<br />

2008 an. Die Verordnung wurde am 17. Juni 2008 verabschiedet.<br />

Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts<br />

an die Verordnung am 26. März 2009 verabschiedet.<br />

Die Kommission arbeitet 2012 an einem Bericht, gemäß Artikel 27 Abs. 2. Demnach soll die Kommission<br />

einen Bericht über die Frage vorlegen, ob die Übertragung einer Forderung Dritten entgegengehalten<br />

werden kann, und über den Rang dieser Forderung gegenüber einem Recht einer<br />

<strong>and</strong>eren Person.<br />

593/2008/EG (Verordnung) vom 17.06.2008, Amtsblatt der EU Nr. L 177/6 vom 04.07.2008<br />

393<br />

I


I<br />

I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Europäisches Vertragsrecht<br />

Referenzrahmen für ein Europäisches Vertragsrecht<br />

Inhalt<br />

394<br />

Mit ihrer Initiative über einen Referenzrahmen für ein Europäisches Vertragsrecht verfolgt die<br />

europäische Kommission das Ziel, die Kohärenz auf dem Gebiet des Vertragsrechts zu erhöhen.<br />

Aktionsplan:<br />

Im Aktionsplan wurde eine langfristig angelegte Strategie vorgeschlagen, die auf einer Kombination<br />

von gesetzgeberischen und nicht gesetzgeberischen Maßnahmen beruht.<br />

Die erste Maßnahme zielte auf die Verbesserung des bereits geltenden und zukünftigen EU-Vertragsrechts<br />

ab. Vorgeschlagen wurde die Ausarbeitung eines „gemeinsamen Referenzrahmens“,<br />

der gemeinsame Regelungen und Begriffsbestimmungen enthalten soll. So könnten Begriffe wie<br />

„Vertrag“ oder „Schaden“ einheitlich definiert werden. Der Referenzrahmen sollte zumindest<br />

Regeln enthalten zum Vertragsschluss, zur Gültigkeit und Auslegung von Verträgen, zur Erfüllung<br />

und Nichterfüllung und zu den daraus resultierenden Ansprüchen, zum Kreditsicherungsrecht<br />

bewegliche Sachen betreffend sowie zum Bereicherungsrecht. Die Kommission beabsichtigte, den<br />

gemeinsamen Referenzrahmen bei der Überarbeitung geltender EU-Rechtsvorschriften oder bei<br />

der Ausarbeitung neuer Legislativvorschläge zu berücksichtigen.<br />

Die zweite Maßnahme zielte auf die Förderung der Ausarbeitung europaweit anwendbarer allgemeiner<br />

Geschäftsbedingungen ab, die den Parteien vor allem die Kosten für aufwendige Vertragsverh<strong>and</strong>lungen<br />

ersparen und die Besonderheiten des grenzüberschreitenden Geschäfts berücksichtigen<br />

sollen. Die Förderung soll über den Austausch von Informationen von Initiativen der<br />

Wirtschaft erfolgen, die über europaweit verwendbare allgemeine Geschäftsbedingungen verfügen.<br />

Der dritte Aktionsbereich umfasste die Prüfung der Frage, ob die Schaffung eines Vertragsrechts<br />

auf europäischer Ebene sinnvoll ist, das neben dem Vertragsrecht des einzelnen Mitgliedstaates<br />

existieren soll, ohne dieses jedoch zu ersetzen.<br />

Grünbuch und Machbarkeitsstudie<br />

Im April 2010 hat die Europäische Kommission eine Expertengruppe eingesetzt, die eine Machbarkeitsstudie<br />

in Form eines ausgearbeiteten Instruments für einen gemeinsamen Referenzrahmen für<br />

das europäische Vertragsrecht erstellen sollte. Während die Expertengruppe an einem Text arbeitete,<br />

stellte die Kommission im Juli 2010 die Optionen für die Rechtsnatur des Instruments zur<br />

öffentlichen Konsultation (Grünbuch über Politikoptionen für ein Fortschreiten zum einem Europäischen<br />

Vertragsrecht für Verbraucher und Unternehmen). Die Kommission diskutiert in dem Grünbuch<br />

sieben verschiedene Optionen: Veröffentlichung der Ergebnisse der o. g. Expertengruppe<br />

(Option 1), Schaffung einer offiziellen „toolbox“ für die Rechtsetzungsorgane (Option 2), eine Kommissionsempfehlung<br />

zum Europäischen Vertragsrecht (Option 3), Verordnung zur Einführung eines<br />

fakultativen europäischen Vertragsrechtsinstrumentes (Option 4), Richtlinie über ein Europäisches


I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Vertragsrecht (Option 5), Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vertragsrechtes (Option 6)<br />

Verordnung zur Einführung eines Europäischen Zivilgesetzbuches (Option 7).<br />

Die von den Experten vorgelegte Machbarkeitsstudie entspricht in Aufbau, Struktur und Inhalt im<br />

Wesentlichen einem Zivilgesetzbuch im Bereich des Vertragsrechts. Es enthält allgemeine Regelungen<br />

zum Vertragsrecht, sowie zwei Abschnitte, die sich ausschließlich auf Kaufverträge und auf<br />

damit zusammenhängende Dienstleistungen beziehen. Der Text umfasst grundlegende Begriffsbestimmungen<br />

und Regeln zum Vertragsschluss, zur Nichtigkeit und Auslegung von Verträgen, zu<br />

Ersatzansprüchen im Falle der Nichterfüllung und zur Beendigung von Verträgen. Außerdem werden<br />

vorvertragliche Informationspflichten und Verjährungsregeln formuliert.<br />

Der Erlass weiterer europäischer Regelungen auf dem Gebiet des Vertragsrechts ist nicht erforderlich.<br />

Aus dem Nebenein<strong>and</strong>er der unterschiedlichen nationalen Vertragsrechte ergeben sich weder<br />

für den inländischen noch für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr Schwierigkeiten, die den<br />

Erlass zusätzlicher Regelungen rechtfertigen. Wesentliche Teile des Vertragsrechts, insbesondere<br />

das Verbrauchervertragsrecht, sind bereits Gegenst<strong>and</strong> umfassender Gemeinschaftsregelungen.<br />

Sinnvoller wäre es zunächst den bereits geltenden „acquis“ kohärenter zu gestalten. Daher sollten<br />

im Regelrahmenwerk lediglich allgemeine Definitionen festgehalten werden, die für eine Kohärenz<br />

europäischer Gesetzgebung sorgen sollen. Demnach ginge auch die von der Kommission vorgeschlagene<br />

„toolbox“-Option zu weit. Denn auch die „toolbox“ legt abgeschlossenes umfangreiches<br />

Gesetzeswerk zugrunde.<br />

Ein optionales Instrument in Form eines 28. Regimes ist nicht zielführend. In vielen Bereichen des<br />

Vertragsrechts besteht bereits die Möglichkeit der Rechtswahl, die von Vertragsparteien in der<br />

Regel genutzt wird und in der Praxis zu überzeugenden Ergebnissen führt. Der Wettbewerb zwischen<br />

den nationalen Rechten hat sich bisher positiv auf die Qualität des materiellen Rechts ausgewirkt.<br />

Eine Harmonisierung des Vertragsrechts würde diesen Wettbewerb behindern.<br />

Die von der Kommission vorgegebene Arbeitsweise und die bisherigen Vorschläge der Forschergruppe<br />

weisen darauf hin, dass die Kommission letztlich ein europäisches Zivilgesetzbuch und<br />

nicht nur „einen gemeinsamen Referenzrahmen“ anstrebt, der gemeinsame Regelungen und<br />

Begriffsbestimmungen enthält. Vielmehr wird ein optionales Regime, das die Parteien neben ihren<br />

nationalen Rechtsordnungen wählen können sollen, angestrebt. Dies ist ein erster Schritt in Richtung<br />

eines eigenständigen EU-Zivilgesetzes.<br />

395<br />

I


J<br />

I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

396<br />

Am 12. Februar 2003 legte die Kommission einen Aktionsplan mit dem Titel „Ein kohärentes europäisches<br />

Vertragsrecht – Ein Aktionsplan“ vor.<br />

Am 11. Oktober 2004 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung zum europäischen Vertragsrecht<br />

und zur Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzst<strong>and</strong>s veröffentlicht. Zwischen 2004<br />

und 2007 haben Forscher im Rahmen eines von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojekts<br />

einen Entwurf für einen Referenzrahmen ausgearbeitet. Die Kommission hat sich entschlossen,<br />

während der Forschungsphase auch Marktteilnehmer zu konsultieren, um die praktischen<br />

Aspekte und Bedürfnisse der Benutzer zu ermitteln. Die Kommission hat Ende 2004 hierzu<br />

eine Gruppe von insgesamt 160 Experten bestimmt, die seit Frühjahr 2005 in 32 Arbeitsgruppen die<br />

Vorschläge der Forschergruppe untersuchen und bewerten sollten. Im Dezember 2007 hat die von<br />

der Kommission beauftragte Gruppe von Wissenschaftlern einen vierhundertseitigen Vorschlag zu<br />

Prinzipien, Definitionen und Modellregelungen für einen Gemeinsamen Referenzrahmen vorgelegt.<br />

Um einen nutzerfreundlichen und praxistauglichen Text zu erarbeiten, hat die Kommission im April<br />

2010 eine Expertengruppe aus Rechtswissenschaftlern und Rechtspraktikern einberufen, die an<br />

einer entsprechenden neuen Version arbeiten sollten (so genannte Machbarkeitsstudie). Am 1. Juli<br />

2010 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch zum Vertragsrecht vorgestellt, in dem die<br />

interessierte Öffentlichkeit bis Anfang 2011 zu den verschiedenen Optionen für die rechtliche<br />

Ausgestaltung eines europäischen Vertragsrechts konsultiert wurde. Am 3. Mai 2011 wurde die<br />

Machbarkeitsstudie veröffentlicht. Hierzu konnten interessierte Kreise bis Juli 2011 nochmals<br />

Stellung nehmen. Unter Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse wird die Kommission gegebenenfalls<br />

2012 weitere Vorschläge vorlegen.<br />

Am 11. Oktober 2011 legte die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag über ein Gemeinsames<br />

Europäisches Kaufrecht vor, das als ein 28. Regime optional von den Parteien gewählt werden<br />

können soll. Der Vorschlag ist rein sektoral auf Kaufverträge beschränkt und erfasst noch nicht die<br />

Finanzdienstleistungen. Es ist aber davon auszugehen, dass ein Vertragsrecht mittelfristig auch auf<br />

Finanzdienstleistungen ausgedehnt wird.


I. ZIVIL- UND VERFAHRENSRECHT<br />

II. SONSTIGE VORHABEN<br />

Referenz<br />

KOM (2003) 68 (Mitteilung) vom 12.02.2003, Amtsblatt der EU Nr. C 63/1 vom 15.03.2003<br />

KOM (2004) 651 (Mitteilung) vom 11.10.2004 (im Amtsblatt nicht veröffentlicht)<br />

KOM (2010) 348 (Grünbuch) vom 01.07.2010 (im Amtsblatt nicht veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 635 (Verordnungsvorschlag) vom 11.10.2011 (im Amtsblatt nicht veröffentlicht)<br />

397<br />

J


J<br />

J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

1. Richtlinie über Finanzsicherheiten<br />

Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über<br />

Finanzsicherheiten<br />

Inhalt<br />

398<br />

Ziel der Richtlinie ist die Schaffung einfacher und wirksamer Regelungen für grenzüberschreitende<br />

Sicherheitenvereinbarungen im Rahmen von Vollrechtsübertragungs- und Verpfändungsstrukturen.<br />

Finanzsicherheiten werden hinsichtlich des Insolvenzrechts und Kollisionsrechts abgesichert.<br />

Durch eine Begrenzung der erforderlichen Formalien bei Sicherheitenvereinbarungen soll der Verwaltungsaufw<strong>and</strong><br />

eingeschränkt werden.<br />

Die Richtlinie zielt darauf ab, die Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungsund<br />

Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen zu ergänzen, indem einheitliche Regelungen für<br />

die Bestellung von Sicherheiten geschaffen werden.<br />

Von den Vorschriften der Richtlinie können nur solche Sicherheitenvereinbarungen profitieren, bei<br />

denen sowohl der Sicherungsnehmer als auch der Sicherungsgeber einer der in der Richtlinie aufgezählten<br />

Kategorien angehören. Zu diesen Kategorien gehören u. a. öffentliche Stellen, Zentralbanken,<br />

die Europäische Zentralbank, die Bank für internationalen Zahlungsausgleich, multilaterale<br />

Entwicklungsbanken, der Internationale Währungsfonds, die Europäische Investitionsbank,<br />

der Aufsicht unterliegende Finanzinstitute, Investmentfirmen, Versicherungen und Organisationen<br />

für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren sowie zentrale Vertragsparteien, Verrechnungsstellen<br />

und Clearingstellen. Andere juristische Personen, Einzelkaufleute und Personengesellschaften<br />

kommen nur dann in den Genuss der Vorschriften, wenn die <strong>and</strong>ere Vertragspartei eine der<br />

genannten ist. Die Mitgliedstaaten haben zudem die Möglichkeit, die in der Richtlinie genannten<br />

Sonderregelungen für Finanzsicherheiten auf Fälle zu beschränken, bei denen beide Vertragspartner<br />

beaufsichtigte Institute bzw. öffentliche Stellen sind.<br />

In den Anwendungsbereich fallen Sicherungsvereinbarungen über Finanzsicherheiten in Form von<br />

Barguthaben sowie über <strong>and</strong>ere Finanzinstrumente wie Aktien, verbriefte und unverbriefte Schuldtitel<br />

und Schuldverschreibungen.<br />

Zur Verringerung des Verwaltungsaufw<strong>and</strong>s und zur Erhöhung der Verkehrsfähigkeit wird von<br />

Form-erfordernissen hinsichtlich der Bestellung und der Wirksamkeit einer Finanzsicherheit, der<br />

prozessualen Beweisführung sowie der Besitzverschaffung abgesehen und der Anwendungsbereich<br />

der Richtlinie auf Finanzsicherheiten beschränkt, die im Rahmen einer Sicherheitenvereinbarung<br />

gestellt wurden und deren Bestellung in einem Schriftstück nachweisbar ist. Einziges Erfordernis<br />

hinsichtlich der Wirksamkeit der Sicherheit ist die reine Besitzverschaffung. Zur Herstellung<br />

eines Gleichgewichts zwischen der wirtschaftlichen Erwägung, die Sicherheitenvereinbarung nicht<br />

von der Erfüllung von Formerfordernissen abhängig und damit verkehrsfähig zu machen, und dem<br />

Sicherheitsbedürfnis der vertragsschließenden Parteien wird zur Wahrung der Rechtssicherheit


J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

lediglich die Nachweisbarkeit der Bestellung oder der Besitzverschaffung (äußere Nachvollziehbarkeit<br />

des Sicherungsgeschäfts) verlangt. Dies kann in schriftlicher Form oder auf einem <strong>and</strong>eren<br />

dauerhaften Datenträger erfolgen. Zum Nachweis der Besitzverschaffung reicht die Gutschrift der<br />

Wertpapiere im Effektengiro bzw. ein entsprechendes Barguthaben aus.<br />

Die Änderungsrichtlinie 2009/44/EG hatte zum Ziel, die Richtlinie über Finanzsicherheiten an die<br />

Marktentwicklungen und regulatorischen Entwicklungen anzupassen. Ferner sollte der durch die<br />

Richtlinie gewährleistete Schutz auf <strong>and</strong>ere Arten von Vermögenswerten, nämlich Kreditforderungen,<br />

die für die Besicherung von Kreditgeschäften der Zentralbanken zugelassen sind, ausgeweitet<br />

und damit deren gemeinschaftsweite Verwendung erleichtert werden.<br />

Bereits im August 2004 hatte der Rat der Europäischen Zentralbank beschlossen, ab dem 1. Januar<br />

2007 Kreditforderungen als eine zulässige Art von Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems<br />

anzuerkennen. Einige Mitgliedstaaten, u. a. Deutschl<strong>and</strong>, akzeptierten Kreditforderungen<br />

bereits vorher, wenngleich dabei unterschiedliche rechtliche Regelungen galten. Um für alle Zentralbanken<br />

gleiche Bedingungen zu schaffen und die grenzüberschreitende Verwendung von Sicherheiten<br />

zu fördern, musste der Rechtsrahmen harmonisiert werden.<br />

Die Bestimmungen über Kreditforderungen sollen nicht in die Verbraucherrechte eingreifen. Der<br />

Anwendungsbereich der Richtlinie ist auf Kreditforderungen beschränkt, die für die Besicherung<br />

von Kreditgeschäften der Zentralbanken zugelassen sind. Kreditforderungen einzelner Verbraucher<br />

sind damit grundsätzlich ausgeschlossen.<br />

Der Begriff der Kreditforderungen wird in der Richtlinie weit gefasst, da Kreditforderungen in der<br />

EU in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Merkmale aufweisen. Kreditforderungen<br />

sind Geldforderungen aus einer Vereinbarung, aufgrund deren ein Kreditinstitut einen Kredit in<br />

Form eines Darlehens gewährt.<br />

Die Richtlinie über Finanzsicherheiten wird nachhaltig begrüßt. Die Absicherung von Kreditrisiken<br />

hat national wie weltweit eine erhebliche Bedeutung und dient der Stabilisierung des Bankensystems.<br />

Die Überarbeitung der Richtlinie über Finanzsicherheiten verbessert die grenzüberschreitende<br />

Verwendung von Sicherheiten und erhöht die Rechtssicherheit. Dies reduziert auch die Risiken<br />

der Marktteilnehmer.<br />

Am 27. März 2001 nahm die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag über Finanz-<br />

Sicherheiten an. Das Europäische Parlament schlug in seiner Stellungnahme in erster Lesung am<br />

13. Dezember 2001 einzelne Änderungen vor, insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereiches.<br />

Der Europäische Rat einigte sich am 13. Dezember 2001 auf die Grundzüge der Richtlinie und<br />

nahm am 5. März 2002 einen gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt an. Das Europäische Parlament stimmte<br />

dem gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt am 15. Mai 2002 ohne Änderungen zu. Die Richtlinie wurde am<br />

6.Juni 2002 von Europäischem Rat und Parlament unterzeichnet und am 27. Juni 2002 im Amtsblatt<br />

veröffentlicht. Die Richtlinie ist von den Mitgliedstaaten bis 27. Dezember 2003 in nationales<br />

Recht umzusetzen.<br />

399<br />

J


J<br />

J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

400<br />

Die Richtlinie ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 5. April 2004 in<br />

deutsches Recht umgesetzt worden.<br />

Am 20. Dezember 2006 hat die Europäische Kommission einen Bericht über die Anwendung der<br />

Richtlinie vorgelegt.<br />

Am 24. April 2008 legte die Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über Finanzsicherheiten<br />

vor. Die Richtlinie wurde am 6. Mai 2009 verabschiedet. Die Mitgliedstaaten mussten<br />

die Richtlinie bis zum 30. Dezember 2010 umsetzen und die nationalen Vorschriften ab dem 30.Juni<br />

2011 anwenden.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Richtlinie mit dem Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie<br />

und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie umgesetzt, das am 24. November 2010 in Kraft<br />

trat.


J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Referenz<br />

2002/47/EG (Richtlinie) vom 06.06.2002, Amtsblatt der EG Nr. L 168/43 vom 27.06.2002<br />

2009/44/EG (Richtlinie) vom 06.05.2009, Amtsblatt der EU Nr. L 146/ 37 vom 10.6.2009<br />

401<br />

J


J<br />

J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

2. Richtlinie zur Koordinierung der Vergabeverfahren<br />

Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über<br />

die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und<br />

Dienstleistungsaufträge<br />

Inhalt<br />

402<br />

Ziel der Richtlinie ist die Zusammenfassung der drei „klassischen“ Vergaberichtlinien: der Richtlinie<br />

92/50/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge,<br />

der Richtlinie 93/36/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge<br />

und der Richtlinie 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher<br />

Bauaufträge. Zwischen den drei Richtlinien best<strong>and</strong>en einige Unstimmigkeiten, die durch die neue<br />

Richtlinie beseitigt werden sollen. Die Richtlinie präsentiert sich in der Form eines einzigen Textes,<br />

der Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge umfasst. Dadurch soll eine Vereinfachung erreicht<br />

werden. Daneben beinhaltet die Richtlinie inhaltliche Änderungen u. a. in folgenden Bereichen:<br />

■ Einführung elektronischer Beschaffungsmechanismen und die daraus folgende Verkürzung der<br />

Fristen für Ausschreibungsverfahren;<br />

■ Einführung eines neuen Verh<strong>and</strong>lungsverfahrens für besonders komplexe Aufträge;<br />

■ Möglichkeit einer Rahmenvereinbarung;<br />

■ Klarstellung der Bestimmungen über technische Spezifikationen;<br />

■ strengere Bestimmungen über Zuschlagskriterien;<br />

■ Vereinfachung der Schwellenwerte.<br />

In der Richtlinie ist nunmehr festgelegt, dass Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich der<br />

Richtlinie ausgeschlossen sind. Die Richtlinie findet gemäß Artikel 16 d keine Anwendung auf<br />

Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der<br />

Übertragung von Wertpapieren oder <strong>and</strong>eren Finanzinstrumenten, insbesondere Geschäfte, die der<br />

Geld- oder Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber dienen, sowie Dienstleistungen der<br />

Zentralbanken.<br />

Die Richtlinie definiert Einrichtungen des öffentlichen Rechts wie bisher als Einrichtungen, die zu<br />

dem besonderen Zweck gegründet worden sind, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht<br />

gewerblicher Art zu erfüllen.<br />

Die Richtlinie bedient sich der bewährten drei Verfahrensarten: offenes Verfahren, nicht offenes<br />

Verfahren und Verh<strong>and</strong>lungsverfahren. Die Richtlinie führt als weiteres Verfahren den wettbewerblichen<br />

Dialog ein. Folgende Schwellenwerte für die verpflichtende Anwendung der in der<br />

Richtlinie enthaltenen Ausschreibungsregeln sind mit der Verordnung 1152/2011 neu festgelegt<br />

worden: Für Bauaufträge und Baukonzessionen gilt ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro, für Liefer-<br />

und Dienstleistungsaufträge gilt ein Schwellenwert von 130.000 Euro, wenn die Aufträge von den<br />

in Anhang IV der Richtlinie genannten zentralen Regierungsbehörden vergeben werden; in allen<br />

<strong>and</strong>eren Fällen gilt ein Schwellenwert von 200.000 Euro.<br />

Bewertung<br />

Der Ausschluss der Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie wird ausdrücklich<br />

begrüßt. Damit ist die rechtliche Unsicherheit hinsichtlich der Einbeziehung von Finanzdienstleistungen<br />

in das öffentliche Auftragswesen beendet. Die Kreditaufnahme von Kommunen und


J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Ländern ist somit, wie vom Verb<strong>and</strong> und der deutschen Regierung immer vertreten, nun ausdrücklich<br />

von der Ausschreibungspflicht ausgenommen.<br />

Mit der Richtlinie ist nunmehr geklärt, dass öffentlich-rechtliche Banken, die im Wettbewerb stehen,<br />

nicht ausschreibungspflichtig sind.<br />

Verfahren<br />

Am 10. Juni 2000 nahm die Kommission den Vorschlag der Richtlinie zur Koordinierung der Verfahren<br />

zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge an. Finanzdienstleistungen<br />

waren vom Anwendungsbereich nicht ausgeschlossen.<br />

Am 16. Januar 2002 hat das Europäische Parlament einen Bericht mit umfangreichen Änderungsvorschlägen<br />

angenommen. Die Europäische Kommission stimmte der Mehrzahl der Änderungsanträge<br />

des Parlaments zu, lehnte aber eine vom Parlament geforderte Ausweitung der Ausnahmebestimmungen<br />

für Finanzdienstleistungen ab. Am 21. Mai 2002 verständigte sich der Europäische<br />

Rat auf eine politische Einigung. Am 20. März 2003 verabschiedete der Rat einen gemeinsamen<br />

St<strong>and</strong>punkt, der klarstellt, dass bei der Kreditaufnahme der öffentlichen H<strong>and</strong> keine Ausschreibung<br />

erfolgen muss. Das Europäische Parlament hat am 2. Juli 2003 in zweiter Lesung 44 Änderungsanträge<br />

verabschiedet. Hauptstreitpunkt in den beiden ersten Lesungen war die vom Parlament<br />

geforderte Einbeziehung von sozialen und ökologischen Aspekten in die Vergabekriterien.<br />

Am 14. Oktober 2003 wurde der Vermittlungsausschuss einberufen. Am 2. Dezember 2003 konnten<br />

das Parlament und der Rat im Vermittlungsausschuss eine Einigung erzielen. Das Europäische<br />

Parlament billigte das Vermittlungsergebnis am 29. Januar 2004, der Ministerrat am 2. Februar<br />

2004. Am 31. März wurde die Richtlinie von dem Parlament und Rat unterzeichnet. Die Richtlinie,<br />

die am 30. April 2004 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, muss innerhalb von 21 Monaten umgesetzt<br />

werden. Durch die Verordnung 1874/2004/EG vom 28. Oktober 2004 wurden die ursprünglichen<br />

Schwellenwerte der Richtlinie geändert.<br />

Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht hatte sich aufgrund der Bundestagswahlen verzögert.<br />

Die vom Deutschen Bundestag und Bundesrat verabschiedete dritte Verordnung zur Änderung<br />

der Vergabeverordnung wurde am 23. Oktober 2006 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am<br />

1. November 2006 in Kraft getreten.<br />

Die Kommission hat am 24. Juli 2006 eine erläuternde Mitteilung zu Aufträgen außerhalb des<br />

Anwendungsbereichs der Richtlinie, d. h. insbesondere unterhalb der Schwellenwerte, vorgelegt.<br />

Am 27. Januar 2011 veröffentlichte die Kommission ihr Grünbuch über die „Modernisierung der<br />

europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens“ und konsultierte im Frühjahr<br />

2011 die Öffentlichkeit hierzu. Hierbei geht es um ein grundsätzliches Überdenken der Vorschriften<br />

zum Vergaberecht. Die Regeln sollen sowohl für den öffentlichen Sektor als auch für Unternehmen,<br />

insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen, vereinfacht werden. Hierbei werden Definitionen<br />

und auch Ausnahmetatbestände, auch für Finanzdienstleistungen überprüft.<br />

Die EU-Kommission hat einen entsprechenden Vorschlag am 20. Dezember 2011 vorgelegt (vgl.<br />

Kapitel J.II.1.).<br />

Referenzen<br />

2004/18/EG (Richtlinie) vom 31.03.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 134/114 vom 30.04.2004<br />

1251/2011 (EU) (Verordnung der Kommission) vom 30.11.2011, Amtsblatt der EU Nr. L 319/43 vom<br />

2.12.2011<br />

403<br />

J


J<br />

J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

3. Richtlinie über die mittel- und langfristige<br />

Exportkreditversicherung<br />

Richtlinie 98/29/EG des Rates vom 7. Mai 1998 zur Harmonisierung der wichtigsten Bestimmungen<br />

über die Exportkreditversicherung zur Deckung mittel- und langfristiger Geschäfte<br />

Inhalt<br />

404<br />

Das Ziel der Richtlinie ist, Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, die durch die unterschiedlichen<br />

Systeme der Exportförderung entstehen. Indem die Regierungen mittels der Exportkreditversicherungen<br />

Risiken von Zahlungsausfällen absichern, schaffen sie Anreize für inländische Exporteure<br />

zum Abschluss von Verträgen auf Märkten, die <strong>and</strong>ernfalls zu hohe Risiken bergen würden. Jeder<br />

Mitgliedstaat hat dabei ein <strong>and</strong>eres System der Exportkreditversicherung eingerichtet.<br />

Der Anwendungsbereich der Richtlinie bezieht sich auf die Deckung von Geschäften im Zusammenhang<br />

mit dem Export von Waren und/oder Dienstleistungen mit Ursprung in einem Mitgliedstaat,<br />

sofern diese Unterstützung mittelbar oder unmittelbar auf Rechnung oder mit Unterstützung<br />

eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gewährt wird und die Risikolaufzeit (Rückzahlungszeit einschließlich<br />

der Herstellungszeit) insgesamt mindestens zwei Jahre beträgt.<br />

Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass Geschäfte im Zusammenhang mit dem Export von<br />

Waren und/oder Dienstleistungen im Einklang mit den Bestimmungen des Anhangs der Richtlinie<br />

versichert werden; diese betreffen unter <strong>and</strong>erem allgemeine Grundsätze, den Deckungsumfang,<br />

die Haftung und die Bestimmungen über die Entschädigungsleistung. In der Richtlinie sind vier<br />

Notifikationsverfahren vorgesehen, durch die auf Gemeinschaftsebene mehr Transparenz in diesem<br />

Geschäftsbereich geschaffen werden soll.<br />

Artikel 4 der Richtlinie 98/29/EG wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom<br />

14. April 2003 geändert. Die Verordnung 806/2003 hat die Bestimmungen über den Ausschuss zur<br />

Unterstützung der Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse, die nach dem<br />

Konsultationsverfahren erlassenen Rechtsakten des Rates vorgesehen sind, an den Beschluss<br />

1999/468/EG angepasst.<br />

Bewertung<br />

Grundsätzlich wird das Ziel der Richtlinie 98/29/EG, Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, unterstützt.<br />

Eine Vereinheitlichung der Bestimmungen durch die Richtlinie fördert die Zusammenarbeit<br />

zwischen den im Auftrag des Staates oder mit Unterstützung des Staates h<strong>and</strong>elnden Kreditversicherern.<br />

Dies wird als entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaftsexporte<br />

auf Drittl<strong>and</strong>märkten angesehen. Eine Harmonisierung der Bestimmungen trägt auch dazu<br />

bei, die Exportkreditsysteme der Mitgliedstaaten anzugleichen.<br />

Der Harmonisierungsbedarf besteht v. a. im Hinblick auf die Wettbewerbssituation, die für europäische<br />

Exportkreditversicherungsunternehmen angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus den<br />

Schwellenländern (z. B. China, Indien oder Brasilien) zu erwarten ist. Weitere Schritte der Kommission<br />

zur Harmonisierung sind daher sehr zu begrüßen.


J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Bereits 1960 hatte der Ministerrat einen Arbeitskreis zur Koordinierung der Politik auf dem Gebiet<br />

der Kreditversicherung und der Bürgschaften eingesetzt.<br />

1970 verabschiedete der Ministerrat eine Richtlinie zur Exportkreditversicherung, die von den<br />

Mitgliedstaaten weitestgehend nicht umgesetzt wurde und daher wirkungslos blieb. Diese ersten<br />

Maßnahmen zur Harmonisierung der Exportkreditversicherung sind als ein Schritt zur Angleichung<br />

der verschiedenen Systeme der Mitgliedstaaten anzusehen.<br />

1991 beauftragte der Arbeitskreis eine Sachverständigengruppe damit, Fragen einer Harmonisierung<br />

der mittel- und langfristigen Exportkreditversicherung zu untersuchen; am 27. März 1992 und<br />

am 11. Juni 1993 legte die Expertengruppe Berichte dazu vor.<br />

Auf Basis dieser Berichte verabschiedete die Kommission am 13. Juli 1994 ihren Richtlinienvorschlag<br />

und legte diesen am 2. September 1994 dem Rat vor.<br />

Am 7. Mai 1998 verabschiedete der Rat die Richtlinie, die zum 1. April 1999 in deutsches Recht<br />

umgesetzt wurde. Die Richtlinie geht zurück auf die Entscheidung 93/112/EWG, mit der der Rat<br />

das OECD-Übereinkommen über Leitlinien für öffentlich unterstütze Exportkredite in Gemeinschaftsrecht<br />

umgesetzt hat. Das OECD-Übereinkommen ist die rechtliche Grundlage für im Auftrag<br />

des Staates oder mit Unterstützung des Staates h<strong>and</strong>elnde Exportkreditversicherer.<br />

Die Kommission legte am 29. April 2002 einen Erfahrungsbericht zur Durchführung der Richtlinie<br />

98/29/EG und der dabei erreichten Konvergenz (KOM(2002) 212) vor.<br />

Gemäß dem Bericht ging die Durchführung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten reibungslos vonstatten,<br />

allerdings erachtete die Kommission eine weitere Harmonisierung der Exportkreditversicherungsregelungen<br />

für notwendig. Die Kommission hat daher den Mitgliedstaaten vorgeschlagen,<br />

sich zu mehreren möglichen Änderungen der Richtlinie zu äußern, darunter der Zugang für<br />

Dritte zu notifizierten Informationen, die Klärung des Begriffs des öffentlichen Schuldners, sowie<br />

die Genehmigung der Nutzung der entwickelten Datenbank zur Übermittlung von Notifikationen.<br />

Die Bestimmungen der Richtlinie 98/29/EG über den Ausschuss zur Unterstützung der Kommission<br />

bei der Ausübung ihrer Befugnisse (Artikel 4) wurden durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003<br />

angepasst.<br />

Die in der Richtlinie festgelegten Notifikationsverfahren ergänzen die in der Entscheidung<br />

73/391/EWG festgelegten Verfahren. Letztere wurde durch Entscheidung des Rates 2006/789/EG<br />

vom 13. November 2006 über die Verfahren für Konsultationen und Notifizierungen auf dem Gebiet<br />

der Kreditversicherung, der Bürgschaften und der Finanzkredite aufgehoben.<br />

Am 29. Juni 2012 veröffentlichte die EU Kommission ihren ersten Entwurf der überarbeiteten Mitteilung<br />

über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf die kurzfristige Ausfuhrkreditversicherung<br />

mit der Bitte um Stellungnahmen. Die Abdeckung mittel- und langfristiger Exportkreditrisiken,<br />

die zurzeit weitgehend als nicht marktfähig betrachtet werden, ist jedoch nicht Gegenst<strong>and</strong> der<br />

Mitteilung.<br />

Referenz<br />

98/29/EG (Richtlinie) vom 07.05.1998, Amtsblatt der EG Nr. L 148/22 vom 19.05.1998<br />

2003/806/EG (Verordnung) vom 14.04.2003, Amtsblatt der EU Nr. L 122/1 vom 16.05.2003<br />

2006/789/EG (Entscheidung) vom 13.11.2006, Amtsblatt der EU Nr. L 319/37 vom 18.11.2006<br />

405<br />

J


J<br />

J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

4. Richtlinie zur Umwelthaftung<br />

Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über<br />

Umwelthaftung zur Vermeidung von Umweltschäden und zur Sanierung der Umwelt<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

406<br />

Ziel der Richtlinie ist die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Umwelthaftung zur Vermeidung<br />

und Behebung von Umweltschäden. Die EU-Kommission basiert ihren Vorschlag auf das Verursacherprinzip.<br />

Als Umweltschaden im Sinne des Richtlinien-Vorschlages gelten:<br />

■ Schäden in Bezug auf die biologische Vielfalt;<br />

■ Schäden an den Gewässern;<br />

■ Flächenschäden, d. h. Schäden, die aufgrund einer Bodenkontaminierung eine ernsthafte<br />

potenzielle oder tatsächliche Gefahr für die menschliche Gesundheit verursachen<br />

In Bezug auf die Schadensvermeidung ist der Betreiber verpflichtet, Vorsorgemaßnahmen zu treffen,<br />

die zur Vermeidung eines Schadens beitragen.<br />

Betreiber ist jede natürliche oder juristische Person, die die berufliche Tätigkeit ausübt oder<br />

bestimmt oder der – sofern dies in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist – die ausschlaggebende<br />

Verfügungsmacht über die technische Durchführung einer solchen Tätigkeit übertragen<br />

wurde.<br />

Nach dem sog. Verursacherprinzip wird ein Betreiber, der beruflich bestimmte umweltrelevante<br />

Tätigkeiten ausübt oder dafür verantwortlich ist, öffentlich-rechtlich dazu verpflichtet, für die Kosten<br />

der Vermeidung oder Sanierung von Umweltschäden finanziell einzustehen. Die Richtlinie gilt<br />

damit nicht für zivilrechtliche Personen- oder Sachschäden sowie wirtschaftliche Verluste.<br />

Die Betreiberdefinition hätte aus Sicht der Banken enger gefasst werden müssen. Die nunmehr in<br />

der Richtlinie enthaltene Definition könnte u. U. zu Lasten der Banken ausgeweitet werden und<br />

dazu führen, dass Banken als Grundpf<strong>and</strong>rechtsgläubiger in die Haftung für auf Grundstücken bestehende<br />

Altlasten einbezogen werden.


J. SONSTIGES<br />

I. IN DEUTSCHLAND GELTENDES EU-RECHT<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Die Kommission legte 1989 den Vorschlag für eine „Richtlinie des Rates über zivilrechtliche Haftung<br />

für die durch Abfälle verursachten Schäden“ vor. 1991 wurde der überarbeitete Vorschlag<br />

zurückgestellt, bis die Kommission am 14. Mai 1993 ein Grünbuch über die Sanierung von Umweltschäden<br />

vorlegte.<br />

Nachdem der Wirtschafts- und Sozialausschuss am 23. Februar 1994 Stellung dazu bezogen hatte,<br />

forderte das Europäische Parlament die Kommission im April des Jahres auf, die Thematik intensiver<br />

zu bearbeiten. Im April 1996 legte die Kommission zwei in Auftrag gegebene Studien über die<br />

wirtschaftlichen Aspekte der Umwelthaftung und Kompensationssysteme sowie eine rechtsvergleichende<br />

Studie über die unterschiedlichen Haftungssysteme in der EU und den USA vor.<br />

Im Januar 1997 beschloss die Kommission die Erarbeitung eines Weißbuchs zur Umwelthaftung<br />

welches am 9. Februar 2000 vorgelegt wurde. Am 11. Dezember 2001 nahm die Kommission den<br />

Richtlinienvorschlag zurück. Im Anschluss an die Konsultationsphase legte die Europäische Kommission<br />

dem Europäischen Rat am 4. März 2002 den Vorschlag für die Richtlinie über Umwelthaftung<br />

zur Vermeidung von Umweltschäden und zur Sanierung der Umwelt vor.<br />

Am 14. Mai 2003 nahm das Europäische Parlament einen Bericht an, der diverse Änderungsvorschläge<br />

vorsieht. Unter <strong>and</strong>erem verschärfte das Parlament die für die Kreditwirtschaft bedeutsame<br />

Definition des Betreibers sowie die Vorschrift über eine finanzielle Deckungsvorsorge.<br />

Betreiber wäre demnach jede natürliche oder juristische Person, die eine umweltgefährdende<br />

Tätigkeit ausübt oder kontrolliert bzw. die wirtschaftliche Macht in Bezug auf das Funktionieren<br />

einer solchen Tätigkeit ausübt.<br />

Am 18. September 2003 nahm der Rat einen gemeinsamen St<strong>and</strong>punkt an. Am 27. Januar 2004<br />

wurde der Vermittlungsausschuss einberufen. Das Europäische Parlament und der Rat einigten<br />

sich am 23. Februar 2004 und unterzeichneten die Richtlinie endgültig am 21. April 2004. Die Mitgliedstaaten<br />

mussten die Richtlinie bis zum 30. April 2007 in nationales Recht umsetzen.<br />

Zur Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie in deutsches Recht wurde ein neues Gesetz über die<br />

Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz – USchadG) geschaffen.<br />

Das Umweltschadensgesetz ist am 14. November 2007 in Kraft getreten.<br />

2004/35/EG (Richtlinie) vom 21.04.2004, Amtsblatt der EU Nr. L 143/56 vom 30.04.2004<br />

407<br />

J


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J. SONSTIGES<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

1. Reform der öffentlichen Auftragsvergabe<br />

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe<br />

Inhalt<br />

408<br />

Der Vorschlag über die Modernisierung der öffentlichen Auftragsvergabe ist eine von drei Richtlinienvorschlägen,<br />

neben der die Europäische Kommission einen sektorspezifischen Richtlinienvorschlag<br />

für die öffentliche Auftragsvergabe über „die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im<br />

Bereich der Wasser-, Energie und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste“ und einem weiteren<br />

Richtlinienvorschlag über die Konzessionsvergabe, die – erstmalig – auch die Dienstleistungskonzession<br />

erfasst, veröffentlicht hat.<br />

Hintergrund der Überarbeitung der Vergaberichtlinien ist die „Strategie 2020“ für intelligentes,<br />

nachhaltiges und integratives Wachstum, in der das öffentliche Auftragswesen eine zentrale Rolle<br />

spielt. Besonders hervorgehoben wird dabei, dass auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffung<br />

die wirtschaftlichste Nutzung öffentlicher Gelder gewährleistet werden muss und die Beschaffungsmärkte<br />

europaweit zugänglich sein müssen. Aus diesem Grund müssen nach Ansicht der<br />

Kommission die Rechtsvorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe einer Überprüfung und<br />

Modernisierung unterzogen werden.<br />

Der Richtlinienvorschlag über die öffentliche Auftragsvergabe beinhaltet eine Reihe von Anpassungen<br />

gegenüber der aktuell geltenden Richtlinie 2004/18/EG (vgl. Kapitel J.I.2.). Hervorzuheben<br />

sind:<br />

■ die Ausnahmevorschrift für Finanzdienstleistungen wurde erheblich eingeschränkt; ausgenommen<br />

sind nunmehr gemäß Artikel 10 d) des Vorschlags lediglich Finanzinstrumente gemäß der<br />

Richtlinie über Märkte in Finanzinstrumente (MiFID) 2004/39/EG (d.h. Kapitalmarktgeschäfte),<br />

hingegen sind Geschäfte, die der Geld- oder Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber<br />

dienen, insbesondere zum Beispiel der normale Kassenkredit einer Kommune, nicht mehr ausdrücklich<br />

aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften ausgenommen, die bislang nach Artikel<br />

16 d) der geltenden Richtlinie 2004/18/EG ausgenommen waren (vgl. Kapitel J.I.2.);<br />

■ die Neugestaltung des Anwendungsbereiches mit neuer Definition der Auftragsvergabe und<br />

Wegfall der Unterscheidung zwischen A- und B-Dienstleistungen;<br />

■ die gesetzliche Regelung des bisher nur durch die Rechtsprechung definierten Inhouse-<br />

Geschäfts, die restriktiver ausgestaltet wurde als in der Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofs (EuGH), so muss nach Artikel 11 des Vorschlags die Kontrolle, die der Auftraggeber<br />

über den Auftragnehmer ausüben muss, derart gestaltet sein, dass er die maßgebliche<br />

Strategie beeinflussen kann; ferner muss der Auftragnehmer zu 90% statt bisher „wesentlich“<br />

für den Auftraggeber tätig sein;<br />

■ Grundlegende Vergabeverfahren bleiben das offene und das nichtoffene Verfahren; in der<br />

Richtlinie werden Bedingungen definiert, unter denen das Verh<strong>and</strong>lungsverfahren, der wettbewerbliche<br />

Dialog und/oder die Innovationspartnerschaft (neu) zur Anwendung kommen können;<br />

■ es werden sechs spezifische Vergabemethoden für die Vergabebehörden geregelt;


J. SONSTIGES<br />

II. VORHABEN IN BERATUNG<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenzen<br />

■ die Fristen für die Teilnahme und Einreichung von Angeboten werden z. T. erheblich verkürzt<br />

(beispielsweise die Mindestfrist für das offene Verfahren von 52 Tage auf 30 Tage);<br />

■ die Gründe für den Ausschluss von Bewerbern und Bietern sind angepasst worden;<br />

■ es wird eine überarbeitete Definition des Interessenkonfliktes in Artikel 21 vorgeschlagen;<br />

■ neu ist eine spezielle Regelung zu Auftragsänderungen während der Laufzeit (Artikel 72); bei<br />

wesentlichen Änderungen der Bedingungen ist die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens<br />

erforderlich;<br />

■ das Konzept der „Lebenzykluskosten“ aus dem Bereich der Öffentlich-Privaten Partnerschaften<br />

ist in der Richtlinie berücksichtigt worden. Die wichtigsten Änderungen sind in dem in Anlage<br />

2 beigefügten Vermerk zusammengefasst.<br />

Grundsätzlich ist die Vereinfachung und Modernisierung von Vergabeverfahren zu begrüßen. Die<br />

umfassende wirtschaftliche Bewertung durch die Europäische Kommission hat ergeben, dass die<br />

mit den Vergaberichtlinien angestrebten Ziele zum Großteil erreicht wurden. Gleichwohl sollen die<br />

Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (vgl. Kapitel J.I.2.) durch die aktuell vorgelegten Vorschläge<br />

ersetzt werden. Die Überarbeitung der Ausnahmetatbestände und die Einbeziehung von<br />

Inhouse-Geschäften haben erhebliche Bedeutung für die öffentliche H<strong>and</strong> und sind auch für öffentliche<br />

Banken als Partner der Kommunen von Relevanz. Vor diesem Hintergrund bewerten wir einzelne<br />

der vorgeschlagenen Bestimmungen kritisch. Dies betrifft insbesondere die Anpassung der<br />

Ausnahmevorschrift für Finanzdienstleistungen. Der Kommunalkredit sollte wie bisher vergabefrei<br />

bleiben, damit die bewährte Praxis in Deutschl<strong>and</strong> beibehalten werden kann. Insbesondere aufgrund<br />

der starken Volatilität des Marktes und um auf Refinanzierungsbedarf kurzfristig reagieren<br />

zu können, ist ein Vergabeverfahren für Finanzdienstleistungen ungeeignet. Eine Vergabepflicht<br />

mindert die Praktikabilität der bestehenden, wettbewerbsintensiven und effizienten Verfahren<br />

öffentlicher Finanzierungen, erhöht deren Kosten und schreckt Marktteilnehmer ab. Ferner sollten<br />

Regeln über das Inhouse-Geschäft an die Rechtsprechung des EuGH angepasst werden. Die vorgeschlagenen<br />

Regeln gehen allerdings erheblich über die vom EuGH definierten Maßstäbe hinaus<br />

und sind zu restriktiv.<br />

Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag am 20. Dezember 2011 vorgelegt. Die Arbeiten in Parlament<br />

und Rat sind noch im Gange.<br />

KOM (2011) 896 (Richtlinienvorschlag) vom 20.12.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

409<br />

J


J<br />

J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

1. Öffentliche-private Partnerschaften<br />

(Public Private Partnerships)<br />

Folgen des Grünbuchs zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen<br />

Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen<br />

Inhalt<br />

410<br />

Das von der EU-Kommission am 30. April 2004 vorgelegte Grünbuch betrachtet öffentlich-private<br />

Partnerschaften (ÖPP) bzw. Public Private Partnerships (PPP) unter dem Blickwinkel der gemeinschaftlichen<br />

Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen. Als PPP bezeichnet die<br />

Kommission alle Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und Privatunternehmen,<br />

die der Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben oder der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen<br />

dienen.<br />

In diesem Zusammenhang geht es insbesondere um die Fragen, ob ein einheitlicher europäischer<br />

Regelungsrahmen geschaffen werden muss und wo es Klärungsbedarf im Hinblick auf die unterschiedlichen<br />

Erscheinungsformen und Modelle von öffentlich-privaten Partnerschaften gibt.<br />

Institutionalisierte ÖPPs: Auf europäischer Ebene werden etwa die so genannten „Institutionalisierten<br />

ÖPPs“ (IÖPPs) genauer abgegrenzt. Die Konsultationen zum Grünbuch hatten erheblichen<br />

Klärungsbedarf hinsichtlich der Anwendung der gemeinschaftlichen Regelungen auf die IÖPPs<br />

ergeben. Diese werden in Abgrenzung zu den „vertraglichen“ Partnerschaften als Zusammenarbeit<br />

zwischen öffentlichen und privaten Beteiligten auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage definiert.<br />

Sie werden von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen gebildet, um öffentliche Aufträge oder<br />

Konzessionen gemeinsam durchzuführen.<br />

In der Mitteilung aus 2008 über Auslegungsfragen in Bezug auf die Anwendung der gemeinschaftlichen<br />

Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen auf IÖPPs legt die Kommission<br />

dar, wie sie die Anwendung der gemeinschaftlichen Bestimmungen für öffentliche Aufträge<br />

und Konzessionen im Zusammenhang mit der Gründung und dem Betrieb eines IÖPP-Modells versteht.<br />

Konzessionen: PPP-Projekte können auch Gegenst<strong>and</strong> von Bau- oder Dienstleistungskonzessionen<br />

sein. Konzessionen unterscheiden sich von öffentlichen Aufträgen, weil der private Partner seine<br />

Vergütung aus der Nutzung des Bauwerks oder der Bereitstellung einer Dienstleistung bezieht. Auf<br />

europäischer Ebene fallen die Dienstleistungskonzessionen jedoch nicht unter den Geltungsbereich<br />

der EU-Koordinierungsrichtlinie für die Vergabe öffentlicher Aufträge.<br />

Die Abgrenzung zwischen öffentlichen Aufträgen und Konzessionen ist häufig mit erheblichen<br />

Schwierigkeiten verbunden und ist daher für die Praxis bedeutsam.


J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

Referenzen<br />

Auf europäischer Ebene gibt es keinen speziellen Rechtsrahmen für PPP. Bereits jetzt fallen jedoch<br />

die ÖPP in den Geltungsbereich des EG-Vertrags. Jede H<strong>and</strong>lung, durch die eine öffentliche Stelle<br />

einem Dritten die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit überträgt, muss jedoch vor dem Hintergrund<br />

des EG-Vertrags auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden. Auf dem Gebiet der Niederlassungs-<br />

und der Dienstleistungsfreiheit gehören zu diesen Grundsätzen insbesondere Transparenz,<br />

Gleichbeh<strong>and</strong>lung, Nichtdiskriminierung, Verhältnismäßigkeit und gegenseitige Anerkennung.<br />

Im Hinblick auf Diskriminierungsfragen sind die bestehenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechts<br />

geeignet, die effektive Teilnahme von Wirtschaftsteilnehmern auf der Basis intensiven Wettbewerbs<br />

zu gewährleisten. Darüber hinaus existiert in Deutschl<strong>and</strong> die Möglichkeit des Nachprüfungsverfahrens,<br />

welches im Grünbuch als kritisch bewertete Vertragsklauseln bereits erfasst und<br />

sich in der Praxis bewährt hat. Um die Dynamik nicht zu beeinträchtigen, mit der durch nationale<br />

Initiativen die Entwicklung von PPP derzeit vorangetrieben wird, ist die Schaffung eines zusätzlichen<br />

europäischen Regelwerks kritisch zu betrachten. Ein gesondertes Regelungswerk könnte das<br />

in vielen Mitgliedstaaten noch „zarte Pflänzchen“ PPP eher gefährden als nach vorn bringen. Die<br />

wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Konsultation zum ÖPP-Grünbuch haben bestätigt, dass<br />

kein besonderes vergaberechtliches Regime für PPPs erforderlich ist. Vielmehr sollte Wirtschaftsteilnehmern<br />

der Zugang zu den Projekten durch eine nachvollziehbare und schlüssige Beschreibung<br />

der Rahmenbedingungen erleichtert werden.<br />

Das Grünbuch wurde am 30. April 2004 verabschiedet. Am 3. Mai 2005 veröffentlichte die Kommission<br />

eine Zusammenfassung der Konsultationsergebnisse. Am 15. November 2005 folgte die<br />

„Mitteilung zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften<br />

für das öffentliche Beschaffungswesen und Konzessionen”. Die Kommission erläutert darin die<br />

politischen Optionen, die nach Abschluss der Konsultation bestehen. Erwogen wird eine Rechtsvorschrift<br />

für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. Dazu führte die EU Kommission bis<br />

zum Sommer 2007 eine Folgenabschätzung durch, auf deren Basis im Juni 2007 den Mitgliedstaaten<br />

ein Diskussionspapier vorgelegt wurde, dass die ersten Überlegungen und zentralen Aspekte<br />

einer möglichen Initiative der EU Kommission im Bereich Konzessionen erläutert. Die darin aufgeführten<br />

Themenbereiche umfassen u. a. Definition und Inhalt von Konzessionen, Vergabeverfahren<br />

sowie Laufzeit von Konzessionen.<br />

Des Weiteren hat die Kommission am 5. Februar 2008 eine Mitteilung zu Auslegungsfragen in<br />

Bezug auf die Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und<br />

Konzessionen auf IÖPP veröffentlicht.<br />

2000/C 121/2 (Mitteilung), Amtsblatt der EG C 121/2 vom 29.04.2000<br />

KOM (2004) 327 (Grünbuch) vom 30.04.2004 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

SEC (2005) 629 (Bericht) vom 03.05.2005 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2005) 569 (Mitteilung) vom 15.11.2005 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

C (2007) 6661 (Mitteilung) vom 05.02.2008 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

411<br />

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III. SONSTIGE VORHABEN<br />

2. Small Business Act<br />

Mitteilung der Kommission „Vorfahrt für KMU in Europa:<br />

Der „Small Business Act“ für Europa“<br />

Inhalt<br />

412<br />

Mit dem „Small Business Act” beabsichtigt die Kommission die Schlüsselrolle der KMU (kleinen<br />

und mittleren Unternehmen) hervorzuheben und die Rahmenbedingungen für das unternehmerische<br />

H<strong>and</strong>eln der mittelständischen Unternehmen zu verbessern. Sie möchte Akzente setzen bei<br />

der Stärkung des Unternehmergeistes in der Gesellschaft, bei der Verankerung des Prinzips „Vorfahrt<br />

für KMU“ in der politischen Entscheidungsfindung und bei der Unterstützung der KMU in<br />

ihrem Wachstumsprozess. Zehn Grundsätze sollen die EU und die Mitgliedstaaten leiten:<br />

1. Ein Umfeld soll entstehen, in dem sich Unternehmer und Unternehmen in Familienbesitz entfalten<br />

können und in dem sich unternehmerische Initiative lohnt.<br />

2. Rechtschaffene Unternehmer, die insolvent geworden sind, sollen rasch eine zweite Chance<br />

bekommen.<br />

3. Regelungen sollten nach dem Prinzip „Vorfahrt für KMU“ gestaltet werden.<br />

4. Öffentliche Verwaltungen sollen verstärkt auf die Bedürfnisse der KMU eingehen.<br />

5. Politische Instrumente sollen KMU-gerecht gestaltet werden, so dass die KMU leichter an<br />

öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen und staatliche Beihilfen besser nutzen können.<br />

6. Für die KMU soll der Zugang zu Finanzierungen erleichtert und ein rechtliches und wirtschaftliches<br />

Umfeld für mehr Zahlungsdisziplin im Geschäftsleben geschaffen werden.<br />

7. Die KMU sollen dabei unterstützt werden, stärker von den Möglichkeiten des Binnenmarkts zu<br />

profitieren.<br />

8. Weiterqualifizierung und alle Formen von Innovation sollen auf der Ebene der KMU gefördert<br />

werden.<br />

9. Die KMU sollen in die Lage versetzt werden, Umweltprobleme in Geschäftschancen umzuw<strong>and</strong>eln.<br />

10. Die KMU sollen ermutigt werden, vom Wachstum der Märkte zu profitieren und dafür entsprechende<br />

Unterstützung erhalten.<br />

Die Kommission kündigt jeweils konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Grundsätze an und<br />

fordert die Mitgliedstaaten zu entsprechender Initiative auf. Bezüglich der Finanzierungsthematik,<br />

gemäß dem sechsten Grundsatz, sollen die Mitgliedstaaten:<br />

■ Finanzierungsprogramme entwickeln, die die Finanzierungslücke zwischen 100.000 EUR und<br />

1 Mio EUR vor allem durch Instrumente schießen, die Merkmale von Fremd- und Eigenkapital in<br />

sich vereinen,<br />

■ die rechtlichen und steuerlichen Hindernisse beseitigen, die im Binnenmarkt tätige Kapitalfonds<br />

daran hindern, zu den gleichen Bedingungen zu investieren wie inländische Fonds,<br />

■ gewährleisten, dass die Besteuerung der Unternehmensgewinne Investitionen fördert,


J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Bewertung<br />

Verfahren<br />

■ die zur Verfügung stehenden Finanzierungsmöglichkeiten der kohäsionspolitischen Programme,<br />

Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Europäischer L<strong>and</strong>wirtschaftsfonds<br />

für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), voll ausschöpfen.<br />

In diesem Zusammenhang wird die Initiative der Europäischen Investitionsbank (EIB), ihre KMU-<br />

Förderinstrumente zu vereinfachen, zu modernisieren und zu diversifizieren begrüßt.<br />

Darüber hinaus stehen im Fokus des „Small Business Acts“ die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung<br />

in Bezug auf staatliche Beihilfen und ein Vorschlag für eine Verordnung zum Statut für<br />

eine Europäische Privatgesellschaft (societas privata europaea – SPE).<br />

Die Einführung und die begleitende Kontrolle der Umsetzung des „Small Business Act“ soll von der<br />

Kommission und den Mitgliedstaaten im Rahmen der „Lissabon-Strategie für Wachstum und<br />

Arbeitsplätze“ sichergestellt werden. Mit der „Überprüfung des Small Business Acts für Europa“<br />

im Februar 2011 wird der SBA an die EU-2020-Strategie angeknüpft, die der Lissabon-Strategie<br />

folgt.<br />

Mit dem „Small Business Act” für Europa unterstreicht die Kommission die zentrale Rolle der KMU<br />

für Wachstum und Beschäftigung in Europa. Der „Small Business Act“ ist ein wichtiger Schritt um<br />

Europa unternehmerfreundlicher zu machen und seinen kleinen und mittleren Unternehmern bessere<br />

Geschäfte zu ermöglichen.<br />

Grundsätzlich wird die Initiative begrüßt. Allerdings waren die genannten Rechtsvorschriften<br />

bereits im Fokus <strong>and</strong>erer EU-Initiativen.<br />

Die weitere Unterstützung von europäischen KMUs durch Maßnahmen aus der „Überprüfung des<br />

Small Business Act für Europa“ wird begrüßt, insbesondere was den verbesserten Zugang zu<br />

Finanzierung betrifft.<br />

Der Veröffentlichung des „Small Business Acts“ (SBA) ging eine online-Konsultation vom<br />

31. Januar 2008 bis zum 31. März 2008 voraus. Am 22. April 2008 hat die Kommission ein Dokument<br />

veröffentlicht, das die Antworten zu der Konsultation zusammenfasst. Die endgültige Mitteilung<br />

wurde von der Kommission am 25. Juni 2008 angenommen.<br />

Am 1. Dezember 2008 hat der Wettbewerbsfähigkeitsrat Schlussfolgerungen zum SBA angenommen,<br />

in denen die besonders wichtige Rolle, die den KMU zukommt, indem sie zum Wirtschaftswachstum<br />

und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa beitragen, sowie die Notwendigkeit<br />

hervorgehoben wird, das Potenzial der KMU in Bezug auf Produktivität und Innovation voll auszuschöpfen.<br />

Zudem wurde ein Aktionsplan ausgearbeitet, der der Umsetzung des SBA in drei vorrangigen<br />

Tätigkeitsbereichen dienen soll (Erleichterung des Zugangs der KMU zu Finanzierungen,<br />

Schaffung eines Regelungsumfelds, das den Bedürfnissen von KMU gerecht wird sowie Verbesserung<br />

des Marktzugangs für KMU).<br />

Einen Initiativbericht zum SBA, der vom Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie vorbereitet<br />

wurde, hat das Europäische Parlament am 10. März 2009 angenommen.<br />

413<br />

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J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

414<br />

Am 28./29. Mai 2009 beschäftigte sich der Wettbewerbsfähigkeitsrat erneut mit dem SBA. Im<br />

Mittelpunkt dessen st<strong>and</strong>en die Maßnahmen des SBA-Aktionsplans zur Überwindung der Wirtschaftskrise<br />

durch Unterstützung der KMU in den o.g. drei Bereichen, die als entscheidend für die<br />

Verstärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit betrachtet werden.<br />

Am 15. Dezember 2009 hat die Kommission einen Bericht angenommen, der die Fortschritte bei der<br />

Umsetzung des SBA auf europäischer und nationaler Ebene beleuchtet.<br />

Am 23. Februar 2011 hat die EU-Kommission eine Mitteilung zur „Überprüfung des Small Business<br />

Acts für Europa“ veröffentlicht. Darin werden die bisherigen Fortschritte aufgezeigt und ebenso<br />

Beispiele für bewährte Verfahren aus den Mitgliedsstaaten aufgeführt. Zugleich formuliert die<br />

EU-Kommission neue Aufgabenstellungen, sowohl auf EU-Ebene als auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten.<br />

Die bisherige KMU-Strategie soll fortgeführt werden und sich an den Zielstellungen der<br />

EU-2020-Strategie orientieren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich auf die Bereiche<br />

Rechtsetzung z. B. die Anwendung von KMU-Tests bei der Gesetzesfolgenabschätzung, Finanzierungsbedarf<br />

von KMU, Marktzugang für KMU und Förderung des Unternehmertums.<br />

Zwecks Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten will die EU-Kommission verstärkt Darlehensbürgschaften<br />

zur Förderung von Investitionen, Wachstum, Innovationen und Forschung für<br />

KMU ermöglichen. Außerdem sollen die Fi-nanzierungsprogramme für KMU zugänglicher gemacht<br />

werden. Dazu wurde ein Aktionsplan für einen verbesserten Zugang von KMU zu Finanzierung<br />

angekündigt. Erwogen werden auch neue rechtliche Regelungen für europäische Wagniskapitalfonds.<br />

Auch sollen auf Ebene der Mitgliedsstaaten u. a. Kreditombudsmann-Lösungen entwickelt<br />

werden sowie zentrale Anlaufstellen geschaffen werden, bei denen KMU europäische, nationale<br />

und lokale Unterstützung beantragen können.<br />

Zur Unterstützung einer ressourceneffizienten Wirtschaft möchte die Kommission u. a. die Rolle<br />

des European Enterprise <strong>Network</strong>s (EEN) ausbauen. Außerdem soll weiterhin das Unternehmertum<br />

gefördert werden. Die Initiativen in diesem Bereich betreffen Mentoring von Unternehmerinnen,<br />

Unternehmensübertragung, „Soziale Unternehmen“, „Zweite Chance“, elektronische Marktplätze.<br />

Die Kommission möchte auch die KMU-Politik der Mitgliedsstaaten stärker überwachen. Dazu<br />

sollen jährliche Fortschrittsberichte zur Wettbewerbsfähigkeit erstellt werden. Nationale und<br />

lokale Pläne zur Umsetzung des SBA sollen unterstützen und ein KMU-Beauftragter soll koordinierende<br />

Funktion zwischen Behörden haben.<br />

Am 30. Mai 2011 hat sich der Wettbewerbsfähigkeitsrat mit der Kommissionsmitteilung zur Überprüfung<br />

des SBA beschäftigt und Schlussfolgerungen verabschiedet, die die Beibehaltung und<br />

Durchsetzung der Maßnahmen unterstützen.


J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Referenz<br />

KOM (2008) 394 (Mitteilung) endgültig vom 25.06.2008 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

KOM (2011) 78 (Mitteilung) endgültig vom 23.02.2011 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

415<br />

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J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

3. Aktionsplan für eine Reform der<br />

Finanzmarktregulierung und -aufsicht<br />

Mitteilung der Kommission vom 4. März 2009 für die Frühjahrstagung des Europäischen<br />

Rates „Driving European Recovery“<br />

Inhalt<br />

416<br />

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise, die Mitte 2007 begann, veröffentlichte die Kommission<br />

im März 2009 eine Mitteilung, die Impulse für einen Aufschwung in Europa geben soll. Die Mitteilung<br />

enthält ein Programm, das Reformen im Finanzdienstleistungssektor, die Ankurbelung der<br />

Nachfrage und die Förderung von Investitionen beinhaltet. Außerdem werden Maßnahmen vorgeschlagen,<br />

um die Beschäftigung in Europa zu fördern.<br />

Hinsichtlich des Finanzdienstleistungssektors, skizziert die Mitteilung einen Aktionsplan für eine<br />

Reform der Finanzmarktregulierung und -aufsicht. Ein Großteil dieser Vorschläge basiert auf dem<br />

„de Larosière“-Expertenbericht, der im Februar 2009 vorgelegt wurde.<br />

Das geplante Reformprogramm folgt fünf Hauptzielen:<br />

■ Errichtung eines effizienten Aufsichtsrahmens, der es ermöglicht potentielle Risiken frühzeitig<br />

zu erkennen;<br />

■ Schließung regulatorischer Lücken, die im Zuge der Finanzmarktkrise zutage getreten sind;<br />

■ Wiederherstellung von Vertrauen von Investoren, Konsumenten und KMUs in den Finanzmarkt;<br />

■ Verbesserung des Risikomanagements und Abstimmung der Vergütungssysteme;<br />

■ Erhöhung der Effizienz von Sanktionen für Zuwiderh<strong>and</strong>eln gegen Finanzmarktregeln.<br />

Im Bereich der Aufsichtsstrukturen stellt die Kommission die Einrichtung eines Europäischen Gremiums<br />

zur Beaufsichtigung der Stabilität des gesamten Finanzsystems in Aussicht. Außerdem soll<br />

ein Europäisches Finanzaufsichtssystem für die Aufsicht einzelner Institute eingesetzt werden (vgl.<br />

Kapitel A.IV.2.). Auch das Krisenmanagement soll gestärkt werden. Ein Weißbuch soll dazu Früherkennungsmaßnahmen<br />

vorschlagen.<br />

Um regulatorische Lücken zu füllen, schlägt die Kommission die Regulierung von Hedgefonds, Private<br />

Equity Fonds und <strong>and</strong>eren systemisch wichtigen Marktteilnehmern vor (vgl. Kapitel B.III.1.).<br />

Ein Bericht über Derivatemärkte und der Vorschlag geeigneter Maßnahmen zur Erhöhung der<br />

Transparenz und Gewährleistung von Stabilität auf diesen Märkten stellt einen weiteren Programmpunkt<br />

dar (vgl. Kapitel B.IV.3). Außerdem sollen legislative Vorschläge für die Überarbeitung<br />

der Eigenkapitalbestimmungen erarbeitet werden (vgl. Kapitel A.III.1. und A.IV.1.). In diesem<br />

Zusammenhang sollen auch Möglichkeiten gefunden werden, prozyklische Effekte von regulatorischen<br />

Bestimmungen zu vermindern. Ein laufendes Aktionsprogramm soll für die Erarbeitung konsistenterer<br />

Aufsichtsbestimmungen sorgen. Außerdem sollen national einheitliche Bestimmungen<br />

für den Erwerb von und Verfügung über Wertpapiere geschaffen werden (vgl. Kapitel B.IV.1.).<br />

Schließlich soll die OGAW-Richtlinie im Hinblick auf Depotbanken überarbeitet werden (vgl. Kapitel<br />

B.IV.2.).<br />

Zur Wiederherstellung von Vertrauen in den Finanzmarkt soll eine Mitteilung zu Retail-Investmentprodukten<br />

erarbeitet werden (vgl. Kapitel B.IV.6.). Außerdem sollen Maßnahmen getroffen werden,<br />

um Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsbestimmungen zu stärken (vgl. Kapitel A.I.1.


J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

und B.I.2.). Des Weiteren will man Maßnahmen zu verantwortungsvoller Kreditvergabe („responsible<br />

lending“) setzen. Die Einbeziehung der Interessen Europäischer Investoren in Finanzdienstleistungsbelangen<br />

soll durch verschiedene Maßnahmen verstärkt werden. Auch die Konsumentenbildung<br />

im Bereich der Finanzdienstleistungen soll verbessert werden. Untersucht soll zudem<br />

werden, wie Zwangsvollstreckungen von Grundeigentum vermieden werden können, um Bürger<br />

davor zu bewahren, dass sie ihr Zuhause verlieren. Schließlich sollen Vorschläge unterbreitet<br />

werden, wie der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) verwirklicht werden kann.<br />

Die Mitteilung greift außerdem Empfehlungen des „de Larosière Berichts“ bezüglich der Vergütungsschemata<br />

in Banken und <strong>and</strong>eren Unternehmen auf. Dem Bericht zufolge haben diese zu<br />

exzessiver Risikobereitschaft zum Nachteil einer auf Langfristigkeit ausgerichtete Unternehmensentwicklung<br />

geführt. Diese Schwächen adressiert die Kommission in ihren Empfehlungen zur Vergütungspolitik<br />

im Finanzsektor und zur Vergütung von Direktoren. Die Kommission kündigt außerdem<br />

verbindliche Maßnahmen an, um die Vergütungspolitik von Banken stärker unter<br />

Bankenaufsicht zu bringen (vgl. Kapitel A.III.1.). Schließlich sollen die Baseler Corporate Governance<br />

Empfehlungen auf deren Anwendung hin überprüft werden.<br />

Um wirksamere Sanktionen zu schaffen, will die Kommission die Richtlinie über Marktmissbrauch<br />

überarbeiten (vgl. Kapitel B.IV.5.) und zudem Vorschläge unterbreiten, wie Sanktionen einheitlich<br />

verstärkt und effizienter verhängt werden können.<br />

Ferner empfiehlt die Kommission Anpassungen der Fair Value-Bewertung und Verbesserungen von<br />

Bilanzierungsregeln durch Annahme von anti-zyklischen Maßnahmen, um den pro-zyklischen Effekten<br />

der Zeitwertbewertung von gewissen Finanzinstrumenten entgegenzuwirken. Die Kommission<br />

fordert ebenfalls eine Verbesserung der Governance des International Accounting St<strong>and</strong>ards<br />

Board.<br />

Die Kommission kündigte schließlich Maßnahmen zur Förderung der Integrität der Finanzsysteme<br />

im Bereich der Geldwäschebekämpfung und Terrorismusfinanzierung an.<br />

Bewertung<br />

Der Aktionsplan der Kommission zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Finanzmärkte wird<br />

sehr begrüßt. In vielen Bereichen hat sich durch die Finanzmarktkrise gezeigt, dass Reformen<br />

unumgänglich sind. Die geplanten Maßnahmen sollten jedoch einer umfassenden Auswirkungsanalyse<br />

unterworfen werden. Dabei sollte auch die Auswirkung der Gesamtheit der Maßnahmen<br />

auf die Kreditwirtschaft geprüft werden.<br />

Verfahren<br />

Im Oktober 2008 hat die Kommission eine hochrangige Gruppe unter Vorsitz von Jacques de Larosière<br />

beauftragt, sie zur Zukunft der europäischen Finanzmarktregulierung und -überwachung zu<br />

beraten. Diese Gruppe stellte am 25. Februar 2009 ihren Bericht vor.<br />

Die Empfehlungen der de Larosière Gruppe wurden von der Kommission in ihrer Mitteilung zur<br />

Frühjahrstagung des Europäischen Rates mit dem Titel „Driving European Recovery“ übernommen.<br />

Die Mitteilung wurde am 4. März 2009 publiziert.<br />

Referenz<br />

KOM (2009) 114 (Mitteilung) endgültig vom 04.03.2009 (nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht)<br />

417<br />

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J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

4. Aktionsprogramm zur Verringerung der<br />

Verwaltungslasten in der Europäischen Union<br />

Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union<br />

Inhalt<br />

Bewertung<br />

418<br />

Im Rahmen ihres Prinzips der „Besseren Rechtsetzung“ hat die Kommission im Januar 2007 das<br />

Aktionsprogramm zur Verringerung von Verwaltungslasten in der Europäischen Union auf den Weg<br />

gebracht, dessen Ziel es ist, die aus EU-Rechtsakten resultierenden administrativen Kosten zu<br />

messen und die Verwaltungslasten bis 2012 um 25 % zu reduzieren. Es zielt darauf, die politischen<br />

Ziele auf geradlinigere, modernere und weniger belastende Art umzusetzen. Unnötige und unverhältnismäßige<br />

Lasten können wirtschaftliche Auswirkungen haben und werden oft von Unternehmen<br />

als erstrangige Ziele für Vereinfachung gesehen. Deshalb will die Kommission in enger<br />

Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eingehend analysieren, welche Berichtspflichten unnötigen<br />

Verwaltungsaufw<strong>and</strong> verursachen. Dabei wird man sich sowohl mit Verpflichtungen befassen,<br />

die auf Rechtsvorschriften der Gemeinschaft beruhen, als auch mit den nationalen Maßnahmen zu<br />

deren Umsetzung.<br />

Im Anschluss an einer groß angelegten Berechnung der Verwaltungskosten im Zeitraum 2007–<br />

2008 werden wesentliche Vorschläge zur Vereinfachung der Verwaltungslasten vorgelegt. Damit<br />

sollen bereits kurzfristig konkrete Ergebnisse erzielt werden lassen. Es sind außerdem im Aktionsprogramm<br />

Sofortmaßnahmen vorgesehen, die durch technische Änderungen an bestehenden Vorschriften<br />

erhebliche Vorteile bringen sollen. Diese Maßnahmen können aufgrund der Art der<br />

erforderlichen Änderungen ziemlich schnell angenommen werden und werden daher als „Fast<br />

Track Actions“ (FTA) bezeichnet.<br />

Gesellschaftsrecht ist im Programm der Kommission als Priorität gekennzeichnet, vor allem was<br />

Verwaltungslasten angeht, die von Informationspflichten verursacht werden.<br />

Die Kommission hat außerdem die komplexen Informationspflichten der Bankrechts-Richtlinie als<br />

auch die der Kapitaladäquanz-Richtlinie als Priorität in der Reduzierung von Verwaltungslasten<br />

identifiziert. Konkrete Vorschläge hierzu liegen noch nicht vor.<br />

Die Verringerung von Verwaltungslasten ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Es ist wichtig, dass<br />

die Messung der bestehenden und die Wirtschaft stark belastenden Bürokratiekosten sowie die<br />

Vereinfachung komplexer Informationspflichten schnell zum Abschluss kommen. Die komplette<br />

Abschaffung mehrerer Richtlinien in Bereich des Gesellschaftsrechts wird von der Industrie jedoch<br />

abgelehnt, da sie den Binnenmarkt gefährden könnte.


J. SONSTIGES<br />

III. SONSTIGE VORHABEN<br />

Verfahren<br />

Referenz<br />

Im November 2006 hat die Kommission vorgeschlagen, ein Aktionsprogramm zur Verringerung der<br />

Verwaltungslasten in der Europäischen Union zu starten. Informationspflichten wurden unter <strong>and</strong>erem<br />

in den Bereichen des Gesellschaftsrechts und der Finanzdienstleistungen als Priorität identifiziert.<br />

Ein erstes Paket von zehn Maßnahmen wurde in Januar 2007 von der Kommission angekündigt,<br />

darunter die Abschaffung teurer Gutachten bei Fusionen oder Spaltungen.<br />

Am 12. Juli 2007 hat die Kommission eine Mitteilung zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts<br />

vorgelegt. Dabei stellt sie die Abschaffung bzw. Vereinfachung der 1., 2., 3., 6., 11., und 12.<br />

Gesellschaftsrechts-Richtlinie sowie Erleichterungen bei den Offenlegungspflichten für KMUs zur<br />

Diskussion.<br />

Die Kommission hat am 31. August 2007 beschlossen, eine Hochrangige Gruppe unabhängiger<br />

Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten mit einem Drei-Jahres-M<strong>and</strong>at einzusetzen, die<br />

sich mit der Verringerung des durch Rechtsvorschriften bedingten Verwaltungsaufw<strong>and</strong>s in der EU<br />

befassen soll und die Kommission berät. Am 13. September 2007 wurde Herr Dr. Edmund Stoiber,<br />

der ehemalige bayrischer Ministerpräsident, zum Vorsitzenden dieser Gruppe berufen. Die Gruppe<br />

nahm ihre Arbeit am 17. Januar 2008 auf.<br />

Am 10. März 2008 hat die Kommission eine Liste mit elf weiteren „Fast Track Actions“ veröffentlicht.<br />

Um einige dieser Aktionen im Gesellschaftsrecht umzusetzen, hat die Kommission am<br />

18. April 2008 Vorschläge veröffentlicht, die die Vierte Richtlinie über den Jahresabschluss von<br />

Gesellschaften, die Siebte Richtlinie über den konsolidierten Abschluss, die Erste Richtlinie des<br />

Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen für Gesellschaften und die Elfte Richtlinie des<br />

Rates über die Offenlegung von Zweigniederlassungen ändern.<br />

Am 24. Juli 2009 ist im Rahmen des EU Programms für die Vereinfachung des Geschäftsumfelds<br />

eine Vereinfachung der Richtlinie 89/117/EWG zur Konsultation gestellt worden. Mitgliedstaaten<br />

können aufgrund der aktuellen Bestimmungen vorsehen, die Zweigniederlassungen von Banken in<br />

dem betreffenden Mitgliedstaat verpflichten, bestimmte Rechnungslegungsinformationen zu veröffentlichen.<br />

Dieses Wahlrecht soll, da nur in wenigen Mitgliedstaaten umgesetzt und für Marktteilnehmer<br />

entbehrlich, abgeschafft werden.<br />

In Deutschl<strong>and</strong> sind erste Änderungen im Bürokratieabbau erkennbar. Die deutsche Bundesregierung<br />

hat am 25. April 2006 das Programm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ beschlossen.<br />

Dieses zeichnet sich vor allem durch die Entwicklung bei neuen Gesetzgebungsvorhaben aus.<br />

Es wurde ein Ex-ante-Verfahren eingeführt, in dem die Auswirkungen auf Bürokratiekosten von den<br />

Bundesministerien inzwischen zwingend bei jedem neuen Regulierungsvorhaben systematisch<br />

geprüft werden, und die Vermeidung unnötiger Belastungen für die Wirtschaft ist ein wichtiges<br />

Kriterium in der Gesetzgebungsdiskussion geworden.<br />

KOM (2007) 23 (Mitteilung) endg. vom 24.01.2007<br />

419<br />

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STICHWORTVERZEICHNIS<br />

A<br />

B<br />

Abrechnung und Abwicklung 160<br />

Abschlussprüfer-Richtlinie 176, 177, 178<br />

Abschlussprüfung 57, 176, 177, 178, 210, 211, 212, 213, 214, 216<br />

Abspracheverbot 353<br />

Abwicklung 13, 21, 58, 64, 72, 73, 74, 75, 122, 124, 126, 142, 157, 158, 160,<br />

161, 162, 196, 274, 312, 316, 324, 328, 389<br />

Abwicklungsfonds 73, 74<br />

Abwicklungsinstrumente 73<br />

Abwicklungsplan 72, 74<br />

Achte Richtlinie 176, 177, 178, 214<br />

Advanced Measurement Approach (AMA) 35<br />

Aggregationsmethode 22, 60<br />

AIBD-Methode 250<br />

AIFM-Richtlinie 77, 119, 120, 121, 146<br />

Aktienpreisrisiken 38<br />

Aktionäre Hauptversammlung 204<br />

Aktionärsrechte 116, 204, 205, 216<br />

Aktionsplan zum Gesellschaftsrecht 199, 205<br />

Altmark-Trans 374<br />

Anforderungsabzugsmethode 22, 60<br />

Angaben zum Auftraggeber bei Geldtransfers 340, 341<br />

Anlagebuch 38, 51<br />

Anlageprodukte für Kleinanleger 153, 163<br />

Anlegerentschädigungs-Richtlinie 16, 86, 87, 116, 131<br />

antizyklischer Puffer 68<br />

Aufrechnungen 306<br />

Aufsicht 13, 18, 24, 27, 29, 30, 31, 44, 45, 48, 54, 55, 58, 60, 66, 67, 68, 72, 73, 74,<br />

80, 113, 121, 122, 127, 128, 129, 144, 145, 150, 162, 163, 177, 180, 211, 220, 222, 226,<br />

256, 332, 398, 416<br />

Aufsichtsbehörde 96, 110, 112, 117, 119, 129, 141, 157, 162, 163<br />

aufsichtsrechtliche Meldewesen 34, 35<br />

außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten 261, 262<br />

außervertragliche Schuldverhältnisse 390<br />

Auszahlungsfrist 15, 17, 62, 63<br />

automatischer Informationsaustausch 288<br />

Bad Bank 73<br />

Bail-in 73, 74, 75<br />

Bankbilanz-Richtlinie 164, 165, 166, 167, 169, 173, 190, 193<br />

Bankenrichtlinie 25, 26, 27, 29, 30, 31, 33, 35, 36, 38, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 50, 59, 61, 72,<br />

307, 317, 400<br />

Bankenunion 58, 64, 75<br />

Bankrechts-Richtlinie 19, 30, 36, 309, 418<br />

Basel II 13, 23, 26, 52, 67<br />

Basisindikatoransatz 28<br />

BCCI-Richtlinie 18, 19, 82<br />

421


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

C<br />

D<br />

422<br />

Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten 22, 23, 60, 61, 116<br />

Beihilfekontrolle 356<br />

Beihilfen 356, 357, 358, 359, 360, 362, 363, 364, 366, 368, 370, 371, 372, 373, 375, 376,<br />

377, 379, 380, 381, 384, 412, 413<br />

Beihilfen an KMU 358<br />

Beihilfen in Form von Garantien 373, 377<br />

Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung 328, 331, 334, 335<br />

Beschwerdestelle 256<br />

Besteuerung von Zinserträgen 276, 277, 282, 283, 284, 292<br />

best execution 104<br />

Beteiligungs-Richtlinie 42, 43, 106<br />

Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) 178<br />

Bilanz-Richtlinie 164, 165, 193<br />

Börsenprospekt-Richtlinie 88, 89<br />

Börsenrechts-Richtlinie (Kodifizierung) 88<br />

Börsenzulassungs-Richtlinie 88<br />

Brückenbank 73<br />

Capital Requirements Directive 36, 38, 41<br />

Capital Requirements Directive Transposition Group 36, 41<br />

Cash-Flow-Methode 269<br />

CCP 126, 127, 162, 296<br />

CEBS 16, 24, 26, 34, 35, 40, 43, 44, 46, 47, 48, 54, 55, 57, 70, 107, 112, 113, 129, 162, 225, 342<br />

CEIOPS 24, 43, 54, 55, 57, 342<br />

CESR 43, 54, 55, 57, 81, 82, 83, 84, 85, 92, 93, 94, 100, 102, 106, 107, 110, 111, 112, 113,<br />

114, 116, 123, 129, 136, 140, 143, 157, 158, 160, 162, 163, 342<br />

Clearing 48, 126, 127, 128, 129, 134, 156, 157, 158, 160, 162, 300, 301, 316<br />

Clearingstelle 44<br />

Clearing und Settlement 129, 156, 158, 160, 162, 300, 316<br />

Code of Conduct 160<br />

Colleges of supervisors 45<br />

Corporate Governance 13, 68, 132, 165, 169, 173, 181, 200, 202, 204, 205, 207, 212, 213, 216,<br />

217, 220, 222, 226, 227, 228, 229, 417<br />

CRD 17, 26, 29, 30, 34, 35, 36, 38, 39, 40, 41, 44, 45, 46, 47, 48, 50, 51, 53, 56, 66, 67, 68,<br />

70, 72, 77, 110, 112, 116, 129, 145, 161, 162, 167, 225, 227<br />

Credit Default Swaps 44, 48, 122, 123, 124, 128, 129<br />

Daseinsvorsorge 372<br />

Daueremissionen 90<br />

de Larosière 51, 55, 57, 117, 120, 127, 188, 223, 224, 225, 227, 229, 416, 417<br />

de Larosière-Gruppe 51, 55, 57, 127<br />

De-minimis-Beihilfen 362, 363, 364, 372, 373, 376, 377<br />

Depotbank 118, 119, 155, 205<br />

Derivate 39, 48, 67, 73, 80, 81, 102, 107, 126, 127, 128, 132, 134, 135, 136, 140, 143,<br />

161, 162, 163, 191, 296


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

E<br />

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse 367, 372, 373, 374, 375<br />

Dienstleistungsaufträge 402, 403<br />

Dienstleistungsverkehr 30<br />

Distanzgeschäfte 236<br />

Doppelbesteuerungsabkommen 300<br />

Double Default-Effekt 39, 40<br />

Dritte Geldwäsche Richtlinie 330<br />

Durchführungsbefugnisse 101, 187, 196, 332, 404<br />

Durchführungsbestimmungen 23, 35, 40, 92, 96, 106, 122, 140<br />

EBA 35, 44, 48, 55, 56, 73, 79, 129<br />

EBC 24, 35, 40<br />

ECAI 110, 111<br />

ECAIs 34, 35, 112, 113<br />

E-Commerce-Richtlinie 239<br />

EEJ-Net 260, 261, 262<br />

EFCC 24<br />

effektive Jahreszins 248, 250, 253<br />

Effektivzins 249, 254<br />

EFRAG 186, 187<br />

EGMI 159, 160<br />

EIF 33<br />

Eigenkapitalausstattung 22, 26, 31, 38<br />

Eigenkapitalvorschriften 26, 33, 40, 70<br />

Eigenmittel-Richtlinie 30, 31, 32<br />

Einfrieren von Geldern 334, 336<br />

Einlagensicherung 13, 16, 58, 64<br />

Einlagensicherungsfonds 16, 74<br />

Einlagensicherungssysteme 14, 15, 16, 20, 62, 63<br />

Ein-Mann-Personengesellschaft 184<br />

EIOPA 55, 58, 79<br />

elektronischer Geschäftsverkehr 238<br />

elektronisches Geld 308, 315<br />

Elektronisches Lastschriftverfahren 318<br />

ELV 318<br />

Emissionsprospekt-Richtlinie 89, 90<br />

Endgültigkeit der Abrechnung 307, 317<br />

Endgültigkeit von Zahlungen 116, 161, 306, 307, 315, 316, 317<br />

Endorsement 186, 187<br />

Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems Gold 274<br />

Ergänzungskapital 28, 66<br />

Erste Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie 30<br />

Erste Geldwäsche-Richtlinie 330<br />

ESFS 55, 117<br />

ESMA 55, 58, 78, 79, 81, 85, 89, 91, 93, 94, 97, 101, 102, 106, 107, 110, 111, 113, 114, 116,<br />

117, 120, 121, 123, 124, 126, 129, 133, 134, 135, 142, 143, 144, 145, 150, 163, 211<br />

ESME 93, 101, 107, 108, 113, 123, 128, 129, 140, 163<br />

423


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

F<br />

G<br />

424<br />

ESRB 55, 57, 79, 116, 117<br />

EU-2020-Strategie 413, 414<br />

Europa-AG 199<br />

europäische Gesellschaftsform 182<br />

Europäische Privatgesellschaft 206, 207, 208, 210, 413<br />

Europäischer Pass 80, 90<br />

europäischer Vollstreckungstitel 386<br />

europäisches Mahnverfahren 389<br />

Exchange Traded Funds 76, 77<br />

Expected Positive Exposure (EPE) 39<br />

Exportkreditversicherung 404, 405<br />

Fair-Value-Option 201<br />

Fair-Value-Richtlinie 165, 169, 173, 190, 191, 193, 201<br />

Fernabsatz-Richtlinie 116, 234, 236, 242, 247<br />

Fernabsatz von Finanzdienstleistungen 236, 239, 242, 243, 244<br />

Fernverkauf von Finanzdienstleistungen 236<br />

FICOD 60<br />

Finanzaktivitätssteuer 297, 302<br />

Finanzmarktkrise 15, 19, 46, 50, 51, 52, 55, 56, 63, 66, 72, 75, 106, 110, 416, 417<br />

Finanzmarktstabilität 55, 56, 75, 297<br />

Finanzsanktionen 13, 334, 335, 336, 337<br />

Finanzsanktionen Datenbank 335<br />

Finanzsicherheiten 116, 161, 316, 398, 399, 400<br />

Finanztransaktionssteuer 13, 297, 298, 302<br />

FIN-Net 257, 260, 261, 262<br />

FISCO-Gruppe 156, 159, 301<br />

Fonds 62, 74, 75, 76, 80, 81, 85, 118, 119, 120, 130, 134, 146, 147, 148, 149, 154, 272, 370,<br />

412, 413<br />

Förderbanken 44, 74, 126, 127, 147, 253<br />

Fragerecht 204, 205<br />

Fremdwährung 38<br />

FSAP 101, 156<br />

Fusionskontrolle 348, 349, 350<br />

G20 76, 126, 128<br />

Gebietskörperschaften 29, 32, 33, 62, 133, 286<br />

Geldmarktfonds 76, 77, 131<br />

Geldtransfer-Verordnung 340, 342<br />

Geldwäschebekämpfung 13, 328, 329, 332, 338, 347, 417<br />

gemeinsame Prinzipien 322<br />

Gewichtung 29, 32, 36, 313<br />

Giovannini-Barrieren 156, 158, 300, 301<br />

Giovannini-Gruppe 158<br />

Going Concern 66


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

H<br />

I<br />

J<br />

K<br />

grenzüberschreitendes Acquiring 326<br />

grenzüberschreitende Zahlungen 310, 318<br />

Großkredit-Richtlinie 30, 33<br />

Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften 410<br />

Gruppenfreistellungsverordnung 357, 358, 359, 360, 362, 373, 413<br />

Haftung der Organmitglieder 202<br />

H<strong>and</strong>elsbuch 38, 50, 51, 52, 53<br />

hartes Kernkapital 66, 68<br />

Hauptversammlung Stimmrechte 204<br />

Hedgefonds 118, 119, 120, 121, 146, 416<br />

Hybridkapital 44, 46, 47<br />

Hypothekarkredit 29, 254, 264, 265<br />

IAS 66, 98, 165, 169, 170, 173, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 200, 201, 211, 295<br />

IAS 12.74 66<br />

IFRS 77, 100, 172, 186, 187, 188, 189, 201<br />

Incremental <strong>and</strong> Migration <strong>Risk</strong> Charge 50<br />

Incremental Default <strong>Risk</strong> Charge (IRC) 35<br />

incremental risk 39, 52<br />

Inhouse-Geschäft 408, 409<br />

Insider-Geschäfte 96, 138, 139<br />

Insolvenz 21, 73, 77, 127, 157, 161, 306, 307<br />

Interbankenforderungen 29, 44, 46<br />

Investmentfonds 76, 77, 80, 81, 83, 114, 116, 118, 119, 120, 144, 146, 152, 153, 163, 276, 292,<br />

296<br />

IOSCO 23, 61, 97, 110, 111, 112, 113, 121, 123, 129, 137, 162, 163<br />

IRB-Ansatz 33<br />

irreführende Werbung 234<br />

ISA 177, 178, 212<br />

Jahresabschluss 98, 164, 165, 168, 169, 170, 190, 192, 200, 201, 216<br />

JCFC 24, 61<br />

Kapitaladäquanz-Richtlinie 26, 36, 38, 39, 40, 41, 44, 47, 50, 55, 61, 66, 72, 116, 307, 317, 418<br />

Kapitalerhaltungspuffer 68<br />

Kartellrecht 354, 383<br />

Kartensystem 326<br />

Kernkapital 28, 44, 45, 46, 47, 66, 68, 69<br />

KID 81, 83<br />

KII 81, 83<br />

425


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

L<br />

M<br />

426<br />

KMU 28, 133, 138, 146, 147, 207, 208, 295, 357, 358, 359, 360, 367, 368, 370, 371, 376, 381,<br />

382, 412, 413, 414<br />

Kodifizierung 19, 30, 88, 89, 287<br />

Komitologieverfahren 24, 35, 40, 47, 83, 92, 101, 106, 187, 196, 332<br />

Konkursvorrecht 20<br />

Konsolidierung 28, 30, 31, 38, 43, 107, 172<br />

Kontowechsel 320, 321<br />

Kontrahentenausfallrisiko 66, 67, 129<br />

Konzernabschluss-Richtlinie 164, 165, 200<br />

Konzessionsvergabe 408<br />

Koordinierung der Vergabeverfahren 402<br />

Kreditnehmereinheit 44<br />

Kreditrisiko 28, 33<br />

Kreditrisikominderungsinstrumente 28<br />

Kreditrisikotransfer 76<br />

Kreditwesengesetz 30, 36<br />

Krisenmanagement 44, 58, 64, 72, 74, 75, 161, 196, 416<br />

Kundenmobilität 252, 320, 354<br />

Lamfalussy-Verfahren 13, 35, 40, 54, 99, 100<br />

Leerverkäufe 122, 123, 129, 140, 163<br />

Leitlinien 26, 34, 35, 40, 43, 44, 48, 55, 60, 81, 83, 84, 85, 94, 107, 112, 113, 114, 116, 121, 129,<br />

136, 140, 144, 163, 183, 212, 225, 247, 250, 300, 349, 350, 351, 353, 354, 355, 357, 370,<br />

371, 377, 380, 381, 384, 405<br />

Leverage Ratio 66, 67, 69<br />

Liikanen-Gruppe 75, 79<br />

Liquidation 20, 21, 73<br />

Liquidationsrichtlinie 73<br />

Liquiditätspuffer 66<br />

Liquiditätsrisikomanagement 44, 45, 47<br />

Liquiditätsst<strong>and</strong>ards 66, 70<br />

Liquidity Coverage Ratio 66, 69<br />

Lizenzgebühren 277, 279, 282, 283, 284<br />

Look-Through Approach 77<br />

Mapping 112<br />

Marktmanipulation 96, 138, 139, 140, 163<br />

Marktmissbrauch 89, 96, 97, 124, 138, 140, 163, 354, 417<br />

Marktrisiko 39, 40, 50<br />

Marktrisikomodell 39, 51, 52<br />

Markttransparenzdatenbank 107<br />

Master-Feeder-Strukturen 84<br />

Mehrfachstimmrecht 194<br />

Mehrwertsteuer 268, 269, 274, 280, 290, 291, 302, 303<br />

Mehrwertsteuer auf Finanzdienstleistungen 269, 291


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

N<br />

O<br />

P<br />

Mehrwertsteuer, elektronisch erbrachte Dienstleistungen 280<br />

mehrwertsteuerliche Beh<strong>and</strong>lung elektronisch erbrachter Dienstleistungen 280<br />

Meldewesen 34, 35, 38, 54<br />

MIF 310, 318, 326<br />

MiFID 13, 42, 43, 77, 81, 82, 93, 104, 105, 106, 107, 108, 116, 129, 131, 132, 133, 135, 136, 139,<br />

141, 146, 148, 153, 163, 316, 408<br />

MiFID-Review 77<br />

Mindeststückelung 90, 99<br />

missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 230, 231, 234<br />

Modernisierung des Gesellschaftsrechts 181, 199, 204, 213, 216, 217, 220<br />

Modernisierungs-Richtlinie 165, 169, 173, 191, 192<br />

Mortgage backed securities 32<br />

multilaterales Interbankenentgelt 310, 318, 326<br />

Mutter-Tochter-Richtlinie 272, 273<br />

Nachh<strong>and</strong>elstransparenz 104, 134, 135, 136, 163<br />

Net Stable Funding Ratio 69<br />

Netting 32, 33, 39, 161, 306<br />

Offenlegung 26, 29, 34, 38, 96, 101, 124, 142, 148, 165, 166, 168, 172, 184, 200, 216, 221, 222,<br />

382, 419<br />

Offenlegungspflichten 26, 29, 98, 124, 138, 166, 191, 192, 198, 201, 216, 218, 419<br />

Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen von Zweigniederlassungen 166<br />

öffentliche Auftragsvergabe 408<br />

OGAW 18, 77, 78, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 116, 118, 119, 120, 144, 145, 152, 154, 155, 163, 296,<br />

416<br />

OGAW-Richtlinie 18, 77, 78, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 118, 119, 145, 154, 155, 416<br />

Omnibus I 41, 55, 58, 85, 93, 97, 101, 106, 117<br />

Omnibus II 55, 58, 93, 117<br />

Omnibus II-Richtlinie 55, 58, 93<br />

Omnibus I-Richtlinie 23, 41, 55, 58, 85, 93, 97, 101, 106, 117<br />

operationelles Risiko 26, 28, 34, 35<br />

opt-in 194, 195<br />

opt-out 194, 195, 222<br />

Originator 45<br />

OTC-Derivate 39, 44, 48, 80, 107, 126, 128, 132, 135, 136, 161, 162, 163<br />

Pf<strong>and</strong>briefe 20, 32, 69<br />

Preisverordnung 310, 314, 319<br />

PRIPs 163<br />

Private Equity Fonds 118, 119, 416<br />

Privatplatzierungsregime 119<br />

Proliferationsfinanzierung 337, 346, 347<br />

427


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

Q<br />

R<br />

S<br />

428<br />

Prospekt-Richtlinie 55, 58, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 99, 101, 102, 108, 116, 117, 163<br />

Public Private Partnerships 410<br />

Publizitäts-Richtlinie 88<br />

Quellensteuer auf Zinsen 277<br />

Rating 28, 39, 110, 111, 112, 113, 114, 144, 145<br />

Ratingagenturen 13, 34, 35, 55, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 144, 145<br />

Realkredit 32, 231<br />

Rechnungslegung 34, 57, 98, 165, 168, 169, 173, 186, 187, 191, 192, 209, 216<br />

Rekapitalisierung 73, 378, 379<br />

Repogeschäft 76<br />

restriktive Maßnahmen 334, 336<br />

Retail-Cascade 90<br />

Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen 380, 381, 384<br />

Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 43, 81, 82, 104, 132, 163, 220. Siehe MiFID<br />

Risikobewertung 29, 68, 362, 366<br />

Risikogewicht 29, 32, 45, 67<br />

Risikokapitalbeihilfen 358, 359, 370, 371, 384<br />

Risikokapitalfonds 146, 147<br />

Risikomanagement 24, 26, 29, 34, 36, 45, 50, 84, 85, 224, 226<br />

risk-based approach 328<br />

Rohwarenpreis 38<br />

Rom I 390, 392, 393<br />

Rom II 390<br />

Sammelklagen 266, 267, 354, 355, 382, 383<br />

Sanierung 13, 20, 21, 72, 73, 74, 75, 196, 406, 407<br />

Sanierungsplan 72<br />

Schattenbankwesen 76, 77, 78, 79<br />

Securities Law Directive 159<br />

Selbstbehalt 15, 45, 46, 77, 131<br />

Siebte gesellschaftsrechtliche Richtlinie 164<br />

Siebte Richtlinie über den konsolidierten Abschluss 172, 173, 419<br />

Single Rule Book 67<br />

Small Business Act 359, 412, 413, 414<br />

Solvabilität II-Richtlinie 55, 58, 61, 77, 78<br />

Solvabilitätsanforderungen 22<br />

Solvabilitätskoeffizient 31<br />

Solvabilitäts-Richtlinie 30, 31, 32, 40<br />

Sonderempfehlung IX 338, 339<br />

Sonderempfehlung VII 340, 341<br />

Sonderverwalter 73, 74


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

T<br />

U<br />

V<br />

soziales Unternehmertum 148, 149<br />

Special Purpose Entities 200<br />

Sponsor 45<br />

staatliche Bürgschaften 366<br />

St<strong>and</strong>ardansatz 28, 33, 112<br />

Statut der Europäischen Aktiengesellschaft 182, 183<br />

Stressed Value at <strong>Risk</strong> 35, 39, 50<br />

Stresstests 35, 45, 60, 61<br />

strukturierte Produkte 110, 144, 152<br />

Surcharge-Modelle 39, 50, 51<br />

Sydney Press Release 44<br />

systematische Internalisierung 104<br />

systemischer Risikopuffer 68<br />

systemisches Risiko 54, 55, 56, 68, 77<br />

Systemrisiken 54, 55, 56, 77, 117<br />

Target 2 Securities Projekt 157<br />

Telefonaufzeichnungen 163<br />

Topping-up 14, 16<br />

Transaction Reporting 107, 140, 163<br />

Transparenzbericht 110, 176<br />

Transparenz-Richtlinie 88, 89, 93, 98, 101, 102, 116, 129, 142, 143, 163, 374<br />

Transparenz von Bankgebühren 315, 322<br />

Übernahmeangebote 194, 195<br />

Unabhängigkeit des Abschlussprüfers 176, 212<br />

Unabhängigkeit von Aufsichtsräten 220, 222<br />

unlautere Geschäftspraktiken 246, 247<br />

Unternehmen in Schwierigkeiten 358, 363, 376, 380, 381, 384<br />

verantwortungsvolle Kreditvergabe 248, 249, 254<br />

Verbraucherkredit 234, 247, 248, 250<br />

Verbraucherkredit-Richtlinie 234, 247<br />

verbraucherpolitische Strategie 237, 258, 259, 266, 267<br />

Verbraucherrechtsstreitigkeiten 260, 261, 262<br />

Verbriefungsregeln 45, 47<br />

Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge 402<br />

Vergabeverfahren 372, 402, 408, 409, 411<br />

vergleichende Werbung 232, 233<br />

Vergütung 51, 68, 154, 216, 218, 220, 221, 222, 223, 225, 228, 366, 378, 410, 417<br />

Verhaltenskodex 110, 111, 112, 156, 160, 254, 264, 265, 277, 283, 316<br />

Verhaltenskodex für Hypothekarkreditgeber 264, 265<br />

Vernetzung der Unternehmensregister 207<br />

429


STICHWORTVERZEICHNIS<br />

W<br />

Z<br />

430<br />

Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen 348<br />

Verschmelzungsrichtlinie 199<br />

Versicherungen 22, 42, 55, 398<br />

vertragliche Schuldverhältnisse 392, 393<br />

Verwahrstelle 84, 130, 154, 155<br />

Vierte Richtlinie über den Jahresabschluss 168, 170, 419<br />

Vorleistungsrisiko 39<br />

Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen 371, 376, 377, 379<br />

Warenderivate 96, 107<br />

Warenderivatemärkte 163<br />

Warengeschäfte 47<br />

Wertansätze 190<br />

Wertpapierabrechnung 150, 151<br />

Wertpapieraufsichtsbehörde 55, 89, 93, 101, 106, 107, 116, 117, 163<br />

Wertpapierdienstleistungen 86, 104, 107, 133, 163<br />

Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 104, 105<br />

Wertpapierfirmen 18, 22, 34, 38, 40, 42, 62, 72, 86, 96, 104, 106, 107, 130, 132, 133, 134, 154,<br />

163, 296<br />

Wertpapierleihgeschäft 76, 77<br />

Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme 306, 307, 316, 317<br />

Wertpapierrechtsrichtlinie 159<br />

Wertpapiersammelbanken 157, 162<br />

Wettbewerbsrecht 349, 377, 383<br />

Wiederverbriefungen 50, 51, 52, 53<br />

Winter Gruppe 195<br />

wirtschaftlicher Eigentümer 328, 329, 331<br />

Zahlungssysteme 162, 306, 307, 317, 326, 354<br />

Zeitwert 190, 192<br />

zentrale Gegenpartei 55<br />

zentrale Gegenpartei zentrale Gegenparteien 48, 122, 126, 127, 128, 132, 157, 161, 162<br />

Zinsbesteuerung 278, 283<br />

Zinsrisiko 50<br />

Zulassung Abschlussprüfer 177<br />

zusätzliches Ausfallrisiko 39, 51, 52<br />

zusätzliches Kernkapital 66<br />

Zweckgesellschaft 76<br />

Zweigniederlassungen 14, 20, 45, 166, 167, 419<br />

Zweite Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie 30, 31, 182<br />

Zweite Geldwäsche-Richtlinie 330<br />

Zwischenmitteilungen 98, 142<br />

Zwölfte Richtlinie Gesellschaftsrecht 184


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

ABS Asset Backed Securities<br />

Abs. Absatz<br />

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union<br />

AG Aktiengesellschaft<br />

AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

AIBD Association of International Bond Dealers (heute: ISDA)<br />

AIFM Alternative Investment Funds Manager<br />

ARC Accounting Regulatory Committee<br />

Art. Artikel<br />

BCCI Bank of Credit <strong>and</strong> Commerce International<br />

BGB Bürgerliches Gesetzbuch<br />

BIP Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukt<br />

BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich<br />

bspw. beispielsweise<br />

bez. bezüglich<br />

bzw. beziehungsweise<br />

CCP Central Counterparty (Zentrale Gegenpartei)<br />

CDM Clean Development Mechanism<br />

CDS Credit Default Swap<br />

CEBS Committee of European Banking Supervisors<br />

CEIOPS Committee of European Insurance <strong>and</strong> Occupational Pensions Supervisors<br />

CESAME Clearing <strong>and</strong> Settlement Advisory <strong>and</strong> Monitoring Expert Group<br />

CESR Committee of European Securities Regulators<br />

Com Commission<br />

CPPS Committee on Payment <strong>and</strong> Settlement Systems<br />

CRD Capital Requirements Directive<br />

DFBS technische Durchführungsbestimmungen<br />

d. h. das heißt<br />

DM Deutsche Mark<br />

EBA European Banking Authority<br />

EBC European Banking Committee<br />

ec eurochèque<br />

ECAI External Credit Assessment Institution<br />

ECOFIN Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU<br />

ECU European Currency Unit<br />

EDV Elektronische Datenverarbeitung<br />

EEJ European Extra-Judicial <strong>Network</strong> (Europäisches Netz für außergerichtliche<br />

Streitbeilegung)<br />

EFRAG European <strong>Financial</strong> Reporting Advisory Group<br />

EFTA European Free Trade Association (Europäische Freih<strong>and</strong>elsgemeinschaft)<br />

EG Europäische Gemeinschaft<br />

EGMI Expert Group on Market Infrastructure<br />

EGV Vertrag über die Europäische Gemeinschaften<br />

431


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

432<br />

EIOPA European Insurance <strong>and</strong> Occupational Pensions Authority<br />

EIOPC European Insurance <strong>and</strong> Occupational Pensions Committee<br />

EIF Europäischer Investitionsfonds<br />

EK Eigenkapital<br />

EMAS Environmental Management <strong>and</strong> Audit Scheme<br />

endg. endgültig<br />

EP Europäisches Parlament<br />

EPG Europäische Privatgesellschaft<br />

ESC European Securities Committee<br />

ESZB Europäisches System der Zentralbanken<br />

ESIS European St<strong>and</strong>ardised Information Sheet<br />

ESFS European System of <strong>Financial</strong> Supervisors<br />

ESMA European Securities <strong>and</strong> Markets Authority<br />

ESME Europäische Expertengruppe für Wertpapiermärkte<br />

ESRB European Systemic <strong>Risk</strong> Board<br />

etc. et cetera<br />

EU Europäische Union<br />

EuGH Europäischer Gerichtshof (Luxemburg)<br />

EuG Europäisches Gericht erster Instanz<br />

EUR Euro<br />

EUV Vertrag über die Europäische Union<br />

e. V. eingetragener Verein<br />

evtl. eventuell<br />

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

EWI Europäisches Währungsinstitut (Frankfurt/Main) (Vorläufer der EZB)<br />

EWU Europäische Währungsunion<br />

EWWU Europäische Wirtschafts- und Währungsunion<br />

EZB Europäische Zentralbank<br />

FATF <strong>Financial</strong> Action Task Force on Money Laundering<br />

FAZ Falschgeld-Analysezentrum<br />

FEE Fédération des Experts Comptables Européens<br />

ff. fortfolgend(e)<br />

FICOD <strong>Financial</strong> Confomerates Directive<br />

FIN-Net grenzüberschreitendes außergerichtliches Netz zur Beh<strong>and</strong>lung von<br />

Beschwerden für Finanzdienstleistungen im Europäischen Wirtschaftsraum<br />

FK Fremdkapital<br />

FSAP <strong>Financial</strong> Services Action Plan<br />

FSC <strong>Financial</strong> Services Commitee<br />

FSPG <strong>Financial</strong> Services Policy Group<br />

GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

G+V-Rechnung Gewinn- und Verlustrechnung<br />

GD Generaldirektion<br />

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

GRD Griechische Drachme


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen<br />

HGB H<strong>and</strong>elsgesetzbuch<br />

IAIS International Association of Insurance Supervisors<br />

IAS International Accounting St<strong>and</strong>ards<br />

IFRS International <strong>Financial</strong> Reporting St<strong>and</strong>ards<br />

i.H.v. in Höhe von<br />

insbes. insbesondere<br />

IOSCO International Organization of Securities Commissions<br />

inkl. inklusive<br />

IÖPP Institutionalisierte öffentlich-private Partnerschaften<br />

ISA International St<strong>and</strong>ards on Auditing<br />

ISD Investment Services Directive – Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie<br />

ISDA International Swaps <strong>and</strong> Derivatives Association<br />

ISO International Organization for St<strong>and</strong>ardization<br />

IWF Internationaler Währungsfonds<br />

JCFC Joint Committee <strong>Financial</strong> Conglomerates<br />

JI Joint Implementation<br />

KID Key Information Document<br />

KII Key Investor Information<br />

KMU kleine und mittlere Unternehmen<br />

KOM Europäische Kommission<br />

KredBestV Kreditbestimmungsverordnung<br />

KWG Kreditwesengesetz<br />

MiFID Markets in <strong>Financial</strong> Instruments Directive – Richtlinie über Märkte für<br />

Finanzdienstleistungen<br />

Mio. Million<br />

MOG Monitoring Group on the Code of Conduct in Cleaning <strong>and</strong> Settlement<br />

Mrd. Milliarde<br />

MS Mitgliedstaat(en)<br />

MwSt Mehrwertsteuer<br />

Nf. Neufassung<br />

Nr. Nummer<br />

o. Ä. oder Ähnliches/r<br />

OECD Organisation for Economic Co-Operation <strong>and</strong> Development (Organisation für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)<br />

OGAW Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren<br />

ÖPP Öffentlich-private Partnerschaften – Public Private Partnerships<br />

OTC Over-the-Counter<br />

PCAOB Public Company Accounting Oversight Board<br />

PEP Politisch exponierte Person<br />

PIN Persönliche Identifikationsnummer<br />

POS Point of Sale<br />

PPP Public Private Partnerships – Öffentlich-private Partnerschaften<br />

PRIPS Packaged Retail Investment Products<br />

433


ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

434<br />

RechKredV Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute<br />

RL Richtlinie<br />

RTGS Real Time Gross Settlement<br />

SEC U.S. Securities <strong>and</strong> Exchange Commission<br />

SIPS Single Page Information Sheet<br />

sog. so genannt<br />

u. a. unter <strong>and</strong>erem<br />

ÜG Überweisungsgesetz<br />

US-GAAP Generally Accepted Accounting Principles in the US<br />

UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb<br />

vgl. vergleiche<br />

VÖB Bundesverb<strong>and</strong> Öffentlicher Banken Deutschl<strong>and</strong>s<br />

WIPO Weltorganisation für geistiges Eigentum<br />

WSA Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU<br />

WTO World Trade Organisation<br />

z. B. zum Beispiel


SCHEMATISCHE DARSTELLUNG<br />

435


Erweitertes Komitologieverfahren zur Beschleunigung der Gesetzgebung<br />

nach dem Vertrag von Lissabon<br />

Das 2004 eingeführte Lamfalussy-Verfahren zielte darauf ab, den EU-Gesetzgebungsprozess im Bereich Finanzdienstleistungen zu vereinfachen und zu beschleunigen.<br />

Das Verfahren sah vor, dass die EU-Organe unter Federführung der Kommission die politische Rahmenrechtsetzung vornehmen. Die Ausarbeitung technischer<br />

und detaillierter Durchführungsbestimmungen nimmt dagegen die Kommission mit Unterstützung von Fachausschüssen vor. Das Gesetzgebungsverfahren wurde<br />

durch den Vertrag von Lissabon modifiziert. Die Ermächtigung der Kommission und der Europäischen Aufsichtsbehörden als zuarbeitenden Ausschüssen erfolgt<br />

nunmehr per sog. delegierten Rechtsakt.<br />

Stufe 1: Rahmengesetzgebung (vgl. Schema Ordentliches Gesetzgebungsverfahren)<br />

KOM<br />

– konsultiert interessierte Kreise<br />

in offenen, transparenten Verfahren<br />

– nimmt förmlichen Gesetzesvorschlag<br />

für Rechtsakte an<br />

Stufe 2: Erlass von Durchführungsbestimmungen<br />

Erläuterungen:<br />

KOM Europäische Kommission<br />

EP Europäisches Parlament<br />

RAT Rat der EU<br />

RL Richtlinie<br />

VO Verordnung<br />

DFBS technische Durchführungsbestimmungen<br />

ESA European Supervisory Authorities<br />

EBA European Banking Authority<br />

EIOPA European Insurance <strong>and</strong> Occupational Pension Authority<br />

ESMA European Securities <strong>and</strong> Markets Authority<br />

EP<br />

RAT<br />

RECHTS-<br />

AKT<br />

(RL/VO)<br />

– Einigung über politische<br />

Grundrichtung und Grundsätze<br />

– Festlegung von Art und Umfang<br />

der Durchführungsbefugnisse der<br />

Kommission<br />

1 2<br />

3 4 5<br />

KOM ESA KOM<br />

EP + Rat<br />

Erlass<br />

1) Kommission wird im Rahmenrechtsakt zum Erlass eines delegierten Rechtsakts ermächtigt bzw. ESA zur Ausarbeitung<br />

technischer St<strong>and</strong>ards<br />

2) Kommission beauftragt ESA (EBA, ESMA, EIOPA)<br />

3) ESA konsultiert Marktteilnehmer, Verbraucher, Endnutzer in offener, transparenter Weise; erarbeitet DFBS oder<br />

technische St<strong>and</strong>ards und schlägt sie der Kommission vor<br />

4) Kommission prüft DFBS und unterbreitet diese dem EP und dem Rat, diese können innerhalb von 3 Monaten mit der Mehrheit<br />

der Mitglieder DFBS ablehnen (Verlängerung um 3 Monate möglich). Im Falle von regulatorischen technischen St<strong>and</strong>ards<br />

„transformiert“ die Kommission diese ohne Prüfung in einen delegierten Rechtsakt (Verordnung) und unterbreitet diesen<br />

dem EP und dem Rat (Frist 3 + 3 Monate). Sog. technische Durchführungsst<strong>and</strong>ards (implementing technical st<strong>and</strong>ards)<br />

unterliegen derselben Vorgehensweise (Frist 1 + 1 Monat). EP und Rat können Rechtsakt nicht ändern, sondern nur insgesamt<br />

annehmen oder ablehnen.<br />

5) Kommission erlässt delegierten Rechtsakt<br />

Stufe 3: Durchsetzung von Rechtsvorschriften aus Stufe 1 und Stufe 2<br />

ESA UMSETZUNG<br />

Gewährleistung einer effizienten und einheitlichen Umsetzung der Rechtsvorschriften durch:<br />

– Leitlinien und St<strong>and</strong>ards<br />

– Empfehlungen für gemeinsame Auslegungen<br />

– Vergleich der Regulierungspraxis zur Verbesserung der Durchsetzung<br />

Stufe 4: Überwachung der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts<br />

KOM<br />

KONTROLLE/<br />

DURCHSETZUNG<br />

– Überwachung der Einhaltung<br />

des Gemeinschaftsrechts<br />

– Einleitung rechtlicher Schritte<br />

gegen Mitgliedsstaaten bei Verstoß


Ordentliches Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV<br />

Kommissionsvorschlag<br />

Europäisches Parlament Rat<br />

Änderung<br />

Qualifizierte Mehrheit<br />

(255 Stimmen und<br />

62 % der MS)<br />

Erlass des Rechtsaktes,<br />

ggf. mit Änderungen<br />

Erlass des Rechtsaktes<br />

in Form des<br />

Gemeinsamen<br />

St<strong>and</strong>punktes<br />

Qualifizierte<br />

Mehrheit<br />

(255 Stimmen<br />

und 62 %<br />

der MS)<br />

Veto<br />

Stellungnahme<br />

Rat Kommission<br />

3 Monate<br />

Erlässt den Rechtsakt<br />

in der Form der<br />

Stellungnahme<br />

der Kommission<br />

Einstimmigkeit<br />

Billigung<br />

3 Monate Frist<br />

Billigung, Enthaltung<br />

Absolute Mehrheit der Mitglieder (369 Stimmen)<br />

3 Monate Frist<br />

Ablehnung 6 Wochen<br />

Erlässt den Rechtsakt<br />

mit den von der Kommission<br />

abgelehnten Änderungen des<br />

Europäischen Parlaments<br />

Rechtsakt ist<br />

gescheitert<br />

Kein gemeinsamer<br />

Vorschlag<br />

Ablehnung<br />

Ruft den Vermittlungsausschuss<br />

an<br />

Vermittlungsausschuss<br />

(Rat und Europäisches<br />

Parlament paritätisch)<br />

Qualifizierte Mehrheit im Rat<br />

und Mehrheit im Europäischen Parlament<br />

Rechtsakt ist erlassen<br />

Gemeinsamer<br />

St<strong>and</strong>punkt<br />

Europäisches Parlament<br />

6 Wochen<br />

Gemeinsamer Vorschlag<br />

Rat Europäisches Parlament<br />

Qualifizierte<br />

Mehrheit<br />

(255 und 62 %<br />

der MS)<br />

(abgegebene<br />

Stimmen)<br />

6 Wochen Absolute Mehrheit<br />

Änderungsvorschlag mit<br />

absoluter Mehrheit der<br />

Mitglieder(369 Stimmen)<br />

6 Wochen<br />

Ablehnung<br />

Rechtsakt ist<br />

gescheitert<br />

Erste Lesung<br />

Zweite Lesung<br />

Vermittlungsverfahren


www.voeb.de

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