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ist, ob der „Schließen”-Knopf gedrückt wurde und<br />
um wie viele Pixel die Eingabe verschoben werden<br />
muss, um ein Fenster über den Würfel zu<br />
bewegen. Eine zentrale Komponente wie den X-<br />
Server gibt es nicht mehr. Und dies ist genau die<br />
Architektur von Wayland.<br />
Die Mär der Netzwerktransparenz<br />
Verfolgt man die Diskussionen zu Wayland in diversen<br />
linuxnahen Foren, so scheint die Netzwerktransparenz<br />
das Killerfeature zu sein, ohne<br />
das niemand einen Linux-Desktop einsetzen<br />
würde [18]. Jedoch ist fraglich, ob die X-<br />
Netzwerktransparenz heute überhaupt noch sinnvoll<br />
ist. Wie oben bereits angesprochen, ist die<br />
Netzwerktransparenz eher ein Nebenprodukt der<br />
Anforderungen der 80er, die eine Client/Server-<br />
Architektur benötigten.<br />
Heute zeichnen Anwendungen jedoch mittels<br />
OpenGL und nicht mehr über X11. Dies führt<br />
zu einigen unangenehmen Auswirkungen für die<br />
Netzwerktransparenz. Das Protokoll ist optimiert<br />
für das Zeichnen von Primitiven mittels X11. Nun<br />
zeichnen die Anwendungen entweder auf Software<br />
emuliert (z. B. Qt Raster Engine) oder hardwarebeschleunigt<br />
mittels OpenGL. In vielen Fällen<br />
wird einfach in eine Pixmap gezeichnet und<br />
mittels Blitting auf den Bildschirm bzw. die offscreen<br />
Pixmap transferiert. Widget Styles wie<br />
z. B. Oxygen aus dem Hause KDE setzen massiv<br />
auf Animationen. Diese benötigen sehr viele Pixmaps,<br />
die jedes Mal an den X-Server übertragen<br />
werden. Selbst in einem lokalen Netzwerk kann<br />
hierbei das Protokoll schnell an die Grenze kom-<br />
men. Zum Übertragen von „Video” ist X11 aber<br />
nun wirklich nicht gedacht, denn es war optimiert<br />
für die primitiven Anforderungen des letzten Jahrhunderts.<br />
Ein anderes Problem für moderne Anwendungen<br />
ist die komplett fehlende Netzwerktransparenz<br />
von D-Bus. Kaum eine Anwendung kommt heute<br />
noch ohne D-Bus aus. Eine Benachrichtigung<br />
würde also an den falschen Rechner gesendet,<br />
Application Indicators werden in den falschen<br />
Systemabschnitt integriert, das Menü wird einfach<br />
nicht angezeigt und viele weitere Probleme<br />
werden in Zukunft auftreten. Dass die Netzwerktransparenz<br />
mit Wayland nicht mehr funktionieren<br />
wird, liegt nicht primär an Wayland, sondern<br />
daran, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist.<br />
Als Ersatz für die Netzwerktransparenz wurde<br />
vorgeschlagen, diese direkt in die Toolkits (also<br />
GTK+ und Qt) zu integrieren – und dies<br />
wäre auch sinnvoll. Als Beispiel seien hier einmal<br />
Icons genannt. Für Icons gibt es eine<br />
freedesktop.org-Spezifikation [19]. Icons können<br />
über die verschiedenen Arbeitsflächen hinweg<br />
einheitlich angesprochen und ausgewählt werden.<br />
Mit X wird das Icon vom entfernten Rechner<br />
geladen und als Bild übertragen. Es weiß nichts<br />
über das verwendete Icon-Theme auf dem Zielrechner.<br />
Verlagert man die Netzwerktransparenz<br />
in das Toolkit, könnte die entfernte Anwendung<br />
einfach das Icon vom lokalen Rechner laden, sofern<br />
es dort vorhanden ist. Die komplette Übertragung<br />
des Icons ist somit wegoptimiert und die<br />
Anwendung fühlt sich nativer und lokaler an.<br />
DESKTOP<br />
Wayland kann auch X-Clients anzeigen und somit<br />
ist es auch in Zukunft möglich, noch die X11-<br />
Netzwerktransparenz zu nutzen. Noch auf Jahre<br />
werden Anwendungen X unterstützen. Das Argument<br />
der fehlenden Netzwerktransparenz ist für<br />
Wayland einfach nicht haltbar. Nutzer, die von<br />
Wayland profitieren, wissen nicht einmal, was die<br />
Netzwerktransparenz ist oder wofür sie sie einsetzen<br />
sollten. Die Zukunft von Wayland liegt mit<br />
Sicherheit auch bei Smartphones. Daher ist es<br />
nicht überraschend, dass Wayland OpenGL ES<br />
verwendet und von Intel gesponsort wird.<br />
Wie geht es weiter?<br />
Bis Wayland für die Nutzer einsetzbar wird, wird<br />
noch einige Zeit vergehen: Toolkits müssen portiert<br />
werden, um von Wayland zu profitieren,<br />
Desktopumgebungen müssen sich von X lösen<br />
und Fenstermanager zu großen Teilen neu geschrieben<br />
werden. Die Arbeit dazu hat bisher<br />
höchstens im konzeptionellen Bereich begonnen.<br />
KDE Plasma dürfte von der existierenden Portierung<br />
auf Microsoft Windows profitieren, da<br />
es zeigt, dass man Plasma ohne X11 verwenden<br />
kann. Etwas komplizierter dürfte es für X-<br />
Fenstermanager werden. Diese wurden speziell<br />
für X entwickelt und gehen so ziemlich überall<br />
davon aus, dass sie auf X laufen. Fenstermanager,<br />
die bereits einen Compositor integrieren, haben<br />
hier zumindest einen Vorteil. Jedoch verwendet<br />
kaum ein Fenstermanager OpenGL ES. Der<br />
KDE Fenstermanager KWin befindet sich aktuell<br />
in Portierung und wird demnächst in die Hauptentwicklungslinie<br />
Einzug erhalten [20].<br />
© <strong>freiesMagazin</strong> CC-BY-SA 3.0 Ausgabe 03/2011 6