Ausgabe 01 / 2011 - ForderungsPraktiker
Ausgabe 01 / 2011 - ForderungsPraktiker
Ausgabe 01 / 2011 - ForderungsPraktiker
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Herausgeber<br />
Thomas Abend, Bereichsleiter Marktfolge Kredit, Intensiv-/Sanierungsbetreuung,<br />
Kreditabwicklung und Qualitätsmanagement,<br />
Südwestbank AG, Stuttgart<br />
Gregor Breitenbach, Gruppenleiter Risikomanagement im Bereich Kredit,<br />
DZ BAnK AG, Frankfurt<br />
Dr. Friedrich Cranshaw, Rechtsanwalt und Banksyndikus<br />
Peter Friedmann, Kreditsekretariat, Bewertung und Verwertung von Mobilien,<br />
Kreissparkasse Ravensburg<br />
Dr. Andreas Fröhlich, Geschäftsführer perspektiv GmbH, München<br />
Karsten Geiersbach, Bereichsleiter Interne Revision, Kasseler Sparkasse<br />
Horst Harms-Lorscheidt, Piepenburg Gerling Rechtsanwälte<br />
Prof. Dr. Martin Hörmann, Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter,<br />
Anchor Rechtsanwälte, Ulm<br />
Michael Jander, Zentralbereichsleiter Produkt- und Kreditmanagement,<br />
Kreissparkasse Böblingen<br />
Andrea Knauf, Rechtsanwältin, Leiterin Insolvenzabteilung CreditPlus Bank AG<br />
Christian Merz, Rechtsanwalt und Syndikus Rechtsabteilung,<br />
Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main<br />
nicole Michel, Rechtsanwältin, Geschäftsbereichsleiterin Bank- und<br />
Insolvenzrecht, Schneider, Geiwitz & Partner, Augsburg<br />
Prof. Dr. Wolfgang Portisch, Institutsleiter IQS Institut für Qualität und Standards<br />
in der Insolvenzabwicklung, Hochschule Emden-Leer<br />
Eva Ringelspacher, Commerzbank AG, Direktorin Zentraler Stab<br />
Global Intensive Care, Frankfurt am Main<br />
Dr. Thilo Schultze, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter, Grub Brugger<br />
Rechtsanwälte, Stuttgart<br />
Stephanie Siepmann, Geschäftsführerin, Proceed Portfolio Services GmbH<br />
Rainer Staffa, Vorstand, Volksbank Mittelhessen eG<br />
Dr. Ulrich Theileis, Wirtschaftsprüfer/Partner, Financial Services Deutschland,<br />
Deloitte & Touche GmbH<br />
Wolfgang Wegener, Abteilungsdirektor Rechtsabteilung,<br />
Stadtsparkasse Mönchengladbach<br />
redaktion<br />
Thomas Welker, Chefredakteur<br />
Dr. Patrick Rösler, stellv. Chefredakteur<br />
Corinna van der Eerden, stellv. Chefredakteurin<br />
Dr. Christian Göbes, Redakteur<br />
Frank Sator, Redakteur<br />
Marcus Michel, Redakteur<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
kommunikation ist alles – das wissen wir mittlerweile<br />
nur zu gut. Wie schwierig es im beruflichen alltag<br />
jedoch ist, die kommunikation und den Wissensaustausch<br />
trotz oder gerade wegen der modernen kom Corinna van der eerden<br />
munikationsmittel aufrecht zu erhalten wissen wir zumindest ebenso<br />
gut. seit März letzten Jahres bieten wir den Lesern des bankPraktiker,<br />
der schwesterzeitschrift ihres <strong>ForderungsPraktiker</strong>, deshalb die Möglichkeit,<br />
sich auf der kommunikationsplattform XING zu praxisrelevanten<br />
themen auszutauschen. Xing ist heute das größte berufsbezogene<br />
kommunikationsnetzwerk, welches sich durch eine weltweite<br />
Vernetzung von Menschen aus allen unternehmens bereichen<br />
und branchen zum Ziel gesetzt hat, eine interdisziplinäre kommunikationsplattform<br />
für unterschiedlichste themenbereiche zu schaffen.<br />
gerade Mitarbeiter aus banken und sparkassen sind in Xing in großer<br />
Zahl vertreten und kennen die vielfältigen Vorteile einer modernen<br />
fachthemenbezogenen kommunikation.<br />
die gruppe BankPraktiker schafft die Möglichkeit, institutsgruppenübergreifend<br />
mit autoren der beiträge aus dem bankPraktiker und kollegen<br />
zu diskutieren. das Forum ist von unserer Zielgruppe sehr gut<br />
angenommen worden, täglich dürfen wir neue Mitglieder begrüßen<br />
– mittlerweile tauschen sich über 500 Mitglieder in der gruppe bank<br />
Praktiker aus. neben dem Wissenstransfer untereinander erhalten die<br />
Mitglieder monatlich einen newsletter mit interessanten neuigkeiten<br />
aus der branche, aktuellen Personalia und weiteren interessanten Fakten.<br />
Wir möchten sie gerne einladen, der gruppe bankPraktiker ebenfalls<br />
beizutreten. Für sie als <strong>ForderungsPraktiker</strong> bietet sich hier die<br />
Möglichkeit, ihr knowhow auf der ganzen breite des bankgeschäfts<br />
weiterzuentwickeln. denn vernetztes denken – der blick über den<br />
tellerrand des eigenen Fachgebiets – kann in vielen situationen den<br />
entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen. die basismitgliedschaft<br />
bei Xing ist kostenfrei und kann von jedem durch eine einfache<br />
registrierung erlangt werden (www.xing.de). ihren beitritt zur<br />
gruppe bankPraktiker können sie einfach unter dem folgenden Link<br />
beantragen: https://www.xing.com/net/bankpraktiker. der Hinweis<br />
„Leser <strong>ForderungsPraktiker</strong>“ genügt und sie werden von den Moderatoren<br />
freigeschaltet.<br />
Pünktlich zum Jahresbeginn 2<strong>01</strong>1 wurde ein weiteres interessantes<br />
onlineForum in betrieb genommen: das IQS institut für Qualität<br />
und standards in der insolvenzabwicklung hat als Herausgeber des<br />
buchs MaInsO – Mindestanforderungen an die Insolvenzabwicklung<br />
zu diesem themenkomplex ein Forum ins Leben gerufen, um<br />
allen am insolvenzverfahren interessierten und beteiligten die Möglichkeit<br />
zu geben, auf den standard einfluss zu nehmen und über die<br />
dazu relevanten themen zu diskutieren. auch wenn sie diesem interessanten<br />
Forum beitreten möchten sind sie herzlich eingeladen, die<br />
anmeldung können sie über die Homepage des instituts vornehmen:<br />
www.iqsinstitut.de.<br />
um aber nicht nur in der virtuellen Welt zu kommunizieren, sind wir<br />
den zahlreichen bitten aus der Leserschaft des <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
nachgekommen und haben parallel zum konzept der Zeitschrift eine<br />
<strong>ForderungsPraktiker</strong>-Tagung entwickelt. am 30./31.05.2<strong>01</strong>1 bieten<br />
wir ihnen die Möglichkeit, sich in angenehmem ambiente in Überlingen<br />
am bodensee (abendveranstaltung auf der insel Mainau) zu aktuellen<br />
themen vom risikomanagement bis zur abwicklung zu informieren.<br />
Weitere informationen zur Veranstaltung finden sie auf der rückseite<br />
dieses Heftes und unter www.FCHeidelberg.de.<br />
Herzliche grüße<br />
ihre redaktion<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
editorial<br />
1
inhalt<br />
2<br />
AKTUELL<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
4–7<br />
4 Finanzamt darf in Wohlverhaltensphase<br />
aufrechnen<br />
2<strong>01</strong>0: Weniger Unternehmensinsolvenzen<br />
und mehr Verbraucherinsolvenzen<br />
Kreditmarktausblick<br />
5 OnlineMahnbescheide überfordern<br />
juristische Laien<br />
6 Zwölf Prozent weniger Kreditausfälle<br />
im dritten Quartal 2<strong>01</strong>0<br />
6,5 Mio. Deutsche überschuldet<br />
BEITRÄGE<br />
beitrÄge<br />
8 Insolvenzverwalterqualität:<br />
Mindestanforderungen an die<br />
Insolvenz abwicklung<br />
Prof. Dr. Wolfgang Portisch, Hochschule Emden-Leer, IQS Institut<br />
für Qualität und Standards in der Insolvenzabwicklung<br />
w Vorrangiges Ziel bei der einleitung eines insolvenzverfahrens<br />
ist gem. § 1 inso die bestmögliche<br />
und gemeinschaftliche befriedigung aller gläubiger.<br />
auch die sanierung über einen insolvenz plan<br />
wird ausdrücklich angeregt. Jedoch werden beide<br />
Ziele in der Praxis selten erreicht. eine ursache<br />
dieser Probleme liegt in der häufig nicht optimalen<br />
insolvenzverwalterauswahl, so dass das Vertrauen<br />
der kreditinstitute zur begleitung einer<br />
sanierung in der insolvenz fehlt. die einhaltung<br />
von Mindestanforderungen bei der insolvenzabwicklung<br />
und die einführung von Zertifikaten<br />
können hier unterstützend wirken.<br />
14 SicherheitenAußenprüfung:<br />
Prüfung sicherungs übereigneter<br />
Warenbestände<br />
Peter Friedmann, Kreissparkasse Ravensburg<br />
w insbesondere in krisenzeiten bekommt die<br />
bewertung eines sicherungsweise übereigneten<br />
Warenlagers erhöhte bedeutung. die kenntnis des<br />
tatsächlichen Werts dieser kreditsicherheit, die<br />
v. a. in der Mittelstandsfi nanzierung eingesetzt<br />
wird, ist oft entscheidend für die weitere Vorgehensweise<br />
und die vielfach notwendige sanierung<br />
eines kreditengagements. nur wer den tatsächlichen<br />
Wert seiner sicherheit kennt, wird in<br />
die Lage versetzt, die für das engagement richtigen<br />
und den kunden weitreichenden entscheidungen<br />
in der krise zu treff en.<br />
19 Bauträgergeschäft: Ablauf und<br />
aufbauorganisatorische Rahmenbedingungen<br />
am Beispiel der<br />
Sparkasse Hanau<br />
Alexander Thiel, Sparkasse Hanau<br />
w die spezialitäten und risiken des kreditgeschäfts<br />
mit bauträgern erfordern besondere Maßnahmen<br />
in den kreditprozessen und bei der konzentration<br />
von knowhow in der bank. in dem beitrag<br />
wird ein praxiserprobtes Modell der sparkasse<br />
Hanau vorgestellt.<br />
24 Bankentgelte: Massemehrung<br />
durch die Hintertüre?<br />
Dr. Christoph Bode, Treuhand Oldenburg GmbH<br />
w bei unzulässigen oder überhöhten bankentgelten<br />
kann dem insolvenzverwalter unter agbrechtlichen<br />
oder sittenwidrigkeitsgesichtspunkten<br />
ein entsprechender rückforderungsanspruch<br />
gegen die bank zustehen. dies eröffnet dem insolvenzverwalter<br />
die Möglichkeit zu einer – im einzelfall<br />
ganz erheblichen – Massemehrung.
8–45<br />
28 Sanierungsgutachter: Zivilrechtliche<br />
Haftung der Hausbank bei<br />
der Empfehlung eines konkreten<br />
Beraters?<br />
Dr. Eckhard M. Theewen, FernUniversität in Hagen, DR. THEEWEN<br />
BANKRECHTSPRAXIS, Düsseldorf<br />
w in krisenszenarien stellt sich den banken und<br />
sparkassen immer wieder die Frage, wie sie sicherstellen<br />
können, dass der geeignete sanierungsgutachter<br />
mit der erstellung des gutachtens beauftragt<br />
wird. der beitrag erörtert die wesentlichen<br />
Qualifikationen bei der geeignetheitsprüfung und<br />
untersucht in anbetracht der gefahren bei der<br />
Wahl eines ungeeigneten beraters die risiken, die<br />
sich bei der bankseitigen bestimmung nur eines<br />
konkreten beraters auftun können. entgegen weit<br />
verbreiteter ansicht in der kreditwirtschaft begegnet<br />
diese Handhabung so lange keinen rechtlichen<br />
bedenken, wie darüber hinaus keinerlei<br />
steuernde Maßnahmen gegenüber dem kriseunternehmen<br />
ergriffen werden. anders sieht die<br />
sache bei rückvergütungen zwischen berater<br />
und bank aus.<br />
34 LBOs: Krisenursachen und<br />
Sanierung von strukturierten<br />
Finanzierungen<br />
Eva Ringelspacher, Commerzbank AG<br />
w Firmenakquisitionen im rahmen eines Lbo sind<br />
durch hohe anteile von Fremdkapital geprägt.<br />
die damit verbundene hohe Zins und tilgungslast<br />
sowie das Fehlen von Liquiditätsreserven bergen<br />
das risiko, dass die unternehmen in krisenzeiten<br />
die darlehen nicht mehr bedienen können.<br />
der beitrag zeigt die struktur von Lbos, krisenursachen<br />
und sanierungsansätze auf.<br />
38 Insolvenzplan: Welche Chancen<br />
bestehen auf Erfolg?<br />
Dr. Andreas Fröhlich, perspektiv GmbH<br />
w der anteil der angestrebten Planverfahren hat<br />
im Verhältnis zur gesamtzahl der insolvenzen<br />
stark zugenommen. der gesetzgeber plant eine<br />
stärkung dieses instruments in kombination mit<br />
der eigenverwaltung. die spanne der realisierten<br />
ergebnisse ist allerdings ebenso groß wie das<br />
risiko, dass initiierten Planvorhaben auf dem Weg<br />
„die Puste ausgeht“. der beitrag liefert für gläubiger<br />
praktische tipps, wie vorgelegte insolvenzpläne<br />
überpüft und die optimale Lösungsqualität<br />
sichergestellt werden kann.<br />
Service<br />
46 ForderungsPartner<br />
48 rezensionen<br />
IMPrESSUM<br />
<strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
• ZIELGEnAUE RISIKOAnALYSE •<br />
• FRÜHZEITIGE SAnIERUnG •<br />
• ERFOLGREICHE ABWICKLUnG •<br />
Redaktion<br />
Thomas Welker, Chefredakteur<br />
Dr. Patrick Rösler, stellv. Chefredakteur<br />
Corinna van der Eerden, stellv. Chefredakteurin<br />
Dr. Christian Göbes, Redakteur<br />
Frank Sator, Redakteur<br />
Marcus Michel, Redakteur<br />
E-Mail: <strong>ForderungsPraktiker</strong>@FC-Heidelberg.de<br />
Leiterin Korrektorat und Rezensionen<br />
Janin Stärker<br />
E-Mail: Janin.Staerker@FC-Heidelberg.de<br />
Sponsoring- /Anzeigenleitung<br />
Annabell Jörg<br />
E-Mail: Annabell.Joerg@FC-Heidelberg.de<br />
Produktionsleitung<br />
Christiane Kempe<br />
E-Mail: Christiane.Kempe@FC-Heidelberg.de<br />
Leiterin Aboservice<br />
Beate Knopf<br />
E-Mail: Beate.Knopf@FC-Heidelberg.de<br />
Satz<br />
Metalexis, niedernhausen<br />
Druck<br />
Druckerei Anders e. K., Prüm-niederprüm<br />
Versand<br />
letterei.de GmbH & Co. KG, nauheim<br />
46–48<br />
Dr. Andreas Schmidt: Privatinsolvenz<br />
– Leitfaden für den Weg zur restschuldbefreiung<br />
Berthold Schäfer: insolvenzanfechtung<br />
anhand von rechtsprechungsbeispielen<br />
Titelfoto<br />
photocase.de/lube<br />
Preise<br />
Der Preis für ein Jahresabonnement Inland beträgt<br />
€ 99.– inkl. USt. und zzgl. € 9.– Versandkosten.<br />
<strong>ForderungsPraktiker</strong> erscheint sechs Mal jährlich.<br />
Der Preis für ein Einzelheft beträgt € 21,45<br />
(€ 20 + € 1,45 Versand). Abonnementkündigungen<br />
sind nur mit einer Frist von 4 Wochen zum Ende<br />
des berechneten Bezugszeitraums möglich.<br />
Firmenanschrift & inhaltliche Verantwortung<br />
Finanz Colloquium Heidelberg GmbH<br />
Plöck 32a<br />
D-69117 Heidelberg<br />
Tel.: 06221 – 99 898 0<br />
Fax: 06221 – 99 898 99<br />
info@fc-heidelberg.de<br />
www.fc-heidelberg.de<br />
Geschäftsführung<br />
Dr. Christian Göbes, Frank Sator, Dr. Patrick Rösler,<br />
Marcus Michel<br />
Sitz der Gesellschaft ist Heidelberg,<br />
Amtsgericht Mannheim HRB nr. 335598<br />
Umsatz-Identifi kationsnummer gemäß § 27 a<br />
Umsatzsteuergesetz: DE184391372<br />
ISSn 1869-6295<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
3
aktuell<br />
Forderungsbeitreibung<br />
Finanzamt darf in Wohlverhaltensphase<br />
aufrechnen<br />
w in der Wohlverhaltensphase eines insolvenzverfahrens<br />
ist die aufrechnung von<br />
alten Forderungen nur eingeschränkt<br />
möglich. dies gilt allerdings nicht für<br />
steuerforderungen. das entschied nun<br />
das Finanzgericht berlinbrandenburg. in<br />
den zugrunde liegenden Fällen hatte der<br />
kläger nach abschluss eines insolvenzverfahrens<br />
ein neues unternehmen gegründet;<br />
daraus hatte er verschiedene steuererstattungsansprüche<br />
erlangt, die in die<br />
Wohlverhaltensphase fielen. das Finanzamt<br />
zahlte die beträge nicht aus, sondern<br />
verrechnete sie mit alten steuerschulden.<br />
dagegen wandte sich der unternehmer<br />
mit seiner klage. das Finanz gericht folgte<br />
jedoch der argumentation nicht, wonach<br />
der sinn der Wohlverhaltensphase, also der<br />
aufbau einer neuen existenz, dem schuldner<br />
verwehrt werde (az. 12 k 2060/08 und<br />
12 k 12109/09). die insolvenzordnung<br />
spreche kein allgemeines aufrechnungsverbot<br />
aus. daher könne dem Finanzamt<br />
nicht verwehrt werden, alte steuerforderungen<br />
durch aufrechnung zu befrie<br />
digen. beide entscheidungen sind rechtskräftig.<br />
£<br />
Vorstand, risikomanagement,<br />
Forderungsbeitreibung<br />
2<strong>01</strong>0: Weniger Unternehmensinsolvenzen<br />
und mehr Verbraucherinsolvenzen<br />
w durch den konjunkturaufschwung<br />
sinken die insolvenzrisiken. 2<strong>01</strong>0 verringerte<br />
sich die Zahl der unternehmensinsolvenzen<br />
laut Creditreform um 2,5% auf<br />
32.100 Fälle (2009: 32.930 Fälle). beruhigend<br />
auf das insolvenzgeschehen wirken<br />
neben dem kräftig anziehenden exportmotor<br />
auch das anspringen der binnennachfrage<br />
sowie die entspannung auf den<br />
Finanzmärkten, was die unternehmensfinanzierung<br />
zunehmend erleichtert.<br />
im gegensatz zur entwicklung bei den<br />
unternehmensinsolvenzen erhöhte sich<br />
4 <strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
die Zahl der Verbraucherinsolvenzen deutlich.<br />
Mit 111.800 neuen Fällen wurde nicht<br />
nur der Vorjahreswert (100.790 Fälle) um<br />
10,9% übertroffen, auch stellt die aktuelle<br />
Zahl einen negativrekord dar. seit<br />
der Änderung des insolvenzrechts vor gut<br />
zehn Jahren, durch die auch Privatpersonen<br />
die Möglichkeit eröffnet wurde, sich<br />
zu entschulden, haben mehr als 700.000<br />
deutsche die restschuldbefreiung beantragt.<br />
Jeder siebte davon (14,6%) ist zwischen<br />
20 und 29 Jahre alt.<br />
Mit 35,4 Mrd. € bleibt die diesjährige insolvenzschadenssumme<br />
deutlich (um 55,1%)<br />
unter dem schadensvolumen des vergangenen<br />
Jahres zurück (2009: 78,9 Mrd. €).<br />
so verringerte sich die durchschnittliche<br />
schadenssumme pro insolvenz auf<br />
785.000 € (2009: 1,94 Mio. €). Private gläubiger<br />
werden voraussichtlich 25,2 Mrd. €<br />
(2009: 63,8 Mrd. €) abschreiben müssen,<br />
die öffentliche Hand 10,2 Mrd. € (2009:<br />
15,1 Mrd. €). im gesunkenen schadensbetrag<br />
spiegelt sich ein eher mittelständisch<br />
geprägtes insolvenzgeschehen wider.<br />
nur im dienstleistungssektor erhöhte sich<br />
die Zahl der insolvenzen noch einmal; und<br />
zwar um 3,6% auf 17.670 Fälle. dagegen<br />
ist im Verarbeitenden gewerbe ein merklicher<br />
rückgang um 15,8% auf 2.830 insolvenzen<br />
registriert worden. Zurückgegangen<br />
ist ebenfalls die Zahl der insolvenzen<br />
im Handel ( 7,7% auf 6.630 Fälle) sowie im<br />
bausektor ( 6,8% auf 4.970 Fälle). Überdurchschnittlich<br />
stark sind hierbei die<br />
rückgänge im osten der bundesrepublik.<br />
die stärksten rückgänge im Jahresverlauf<br />
gab es im Wirtschaftszweig Metallerzeugung<br />
und bearbeitung ( 58,1%),<br />
im automobilbau ( 41,7%) sowie in der<br />
gummi und kunststoffbranche ( 25,9%).<br />
das insolvenzgeschehen ist in diesem<br />
Jahr weitaus kleinteiliger als 2009. in der<br />
Mehrzahl (79%) sind es kleinstbetriebe mit<br />
höchstens fünf beschäftigten, die insolvenz<br />
anmelden mussten (2009: 77,2%).<br />
großunternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern<br />
machen lediglich 0,6% (2009:<br />
1,1%) aller registrierten insolvenzfälle<br />
aus.<br />
die größte Pleite des Jahres betraf den<br />
kfzZulieferer „Honsel ag“ aus Meschede<br />
mit rd. 3.000 Mitarbeitern. Zu den zehn<br />
großinsolvenzen 2<strong>01</strong>0 zählen weitere<br />
vier automobilzulieferer („saargummi“,<br />
„Pampus automotive“, „reuM gruppe“<br />
und „angelldemmel europe“) sowie der<br />
Pflegeheimbetreiber „Hansa gruppe“, der<br />
nonFooddiscounter „Mäc geiz“ und die<br />
Zeitarbeitsfirma „brinkhof Holding“.<br />
die Zahl der gewerbeanmeldungen ist<br />
2<strong>01</strong>0 auf den höchsten stand seit fünf<br />
Jahren gestiegen. deutschlandweit wurden<br />
895.000 anmeldungen in den registern<br />
vorgenommen. das sind 3,5% mehr als im<br />
vergangenen Jahr (2009: 864.500). gestiegen<br />
ist auch die Zahl der Handelsregisterneueintragungen<br />
– um 6,6% auf 105.430<br />
gründungen. die forcierten gründungsaktivitäten<br />
sind ausdruck günstigerer gründungsbedingungen,<br />
wie einem verbesserten<br />
konjunkturellen umfeld und einer<br />
weniger restriktiven unternehmens und<br />
gründungsfinanzierung.<br />
trotz des anstiegs der gesamtzahl der<br />
unternehmensgründungen gab es in einzelnen<br />
bereichen, wie z. b. im baugewerbe<br />
( 4,6%) und im Verkehrs und Logistiksektor<br />
(minus drei Prozent), rückgänge. die<br />
meisten Handelsregisterneueintragungen<br />
– bezogen auf den unternehmensbestand<br />
– gab es in berlin (1.310 neueintragungen<br />
pro 10.000 unternehmen),<br />
gefolgt von brandenburg (950) und Hamburg<br />
(940). in absoluten Zahlen führend<br />
sind die großen Flächenländer nordrhein<br />
Westfalen mit 24.000 neueintragungen,<br />
bayern mit 18.720 und badenWürttemberg<br />
mit 10.820 unternehmensgründungen<br />
in diesem Jahr. £<br />
Vorstand, risikomanagement<br />
Kreditmarktausblick<br />
Dezember 2<strong>01</strong>0<br />
w die seit einigen Monaten zu verzeichnende<br />
erholung auf dem Markt für unternehmenskredite<br />
setzt sich weiter fort. Zwar<br />
ist das kreditneugeschäft der deutschen<br />
kreditinstitute mit inländischen unternehmen<br />
und selbstständigen im dritten Quartal
2<strong>01</strong>0 um knapp neun Prozent gegenüber<br />
dem Vorjahresquartal rückläufig, die dynamik<br />
des rückgangs bleibt aber weit von den<br />
hohen zweistelligen schrumpfungsraten im<br />
Winterhalbjahr 2009/2<strong>01</strong>0 entfernt. auch<br />
in den nächsten beiden Quartalen wird das<br />
kreditneugeschäft unter seinem Vorjahresniveau<br />
liegen, das tempo des rückgangs<br />
wird sich allerdings weiter verlangsamen.<br />
der aktuell negative trend beim kreditneugeschäft<br />
sollte jedoch nicht als ausdruck<br />
von angebotsproblemen am kreditmarkt<br />
interpretiert werden. so ist die<br />
ifokredithürde im dezember – bereits<br />
den zwölften Monat in Folge – kontinuierlich<br />
gesunken und liegt mittlerweile<br />
wieder auf Vor krisen niveau. Zudem gehen<br />
die Finanzierungsexperten führender<br />
unternehmensverbände erstmals per<br />
saldo von einem verbesserten kreditzugang<br />
ihrer Mitgliedsunternehmen aus, wie<br />
die jüngste blitzbefragung der kfW zeigt.<br />
Während sich der kreditmarkt auf der<br />
angebotsseite spürbar entspannt, bleibt<br />
die kreditnachfrage trotz der aktuell hohen<br />
konjunkturellen dynamik weiter verhalten.<br />
ein grund hierfür ist, dass die kreditnachfrage<br />
ein klassischer nachlaufender konjunkturindikator<br />
ist, der i. d. r. erst in der<br />
spätphase eines booms voll zum tragen<br />
kommt. Hinzu kommt, dass bei den kleinen<br />
und mittleren unternehmen das eigenkapital<br />
und die eigenkapitalquoten im krisenjahr<br />
2009 entgegen vielfacher erwartungen<br />
im schnitt gestiegen und nicht<br />
gefallen sind. diese kapitalpolster stehen<br />
neben dem ansteigenden CashFlow aus<br />
der wieder anspringenden geschäftstätigkeit<br />
als innenfinanzierungsmöglichkeiten<br />
zur Verfügung und wirken sich noch<br />
dämpfend auf die kreditnachfrage aus.<br />
darüber hinaus nähert sich die kapazitätsauslastung<br />
in der industrie erst im laufenden<br />
Quartal wieder ihrem langjährigen<br />
durchschnitt an. Für den großteil<br />
der unternehmen standen erweiterungsinvestitionen<br />
damit bislang noch nicht im<br />
Vordergrund. das gesamtvolumen der<br />
unternehmensinvestitionen dürfte zwar<br />
in diesem Jahr mit sieben Prozent und im<br />
kommenden Jahr mit 6,5% kräftig stei<br />
gen, das Vorkrisenniveau wird jedoch auch<br />
ende 2<strong>01</strong>1 noch nicht wieder erreicht sein.<br />
Mittelfristig sind die aussichten für den<br />
heimischen unternehmenskreditmarkt<br />
jedoch so günstig wie seit langer Zeit nicht<br />
mehr. die Wachstumsaussichten deutschlands<br />
haben sich stark aufgehellt. so ist<br />
nach einem rekordwachstum von 3,6% im<br />
auslaufenden Jahr für 2<strong>01</strong>1 mit einer Fortsetzung<br />
der dynamischen entwicklung bei<br />
einem realwachstum von 2,6% zu rechnen.<br />
neben den exporten dürfte sich dabei<br />
auch die binnennachfrage in deutschland<br />
spürbar erholen. nach den erfahrungen der<br />
vergangenen Jahre scheint zudem plausibel,<br />
dass deutsche banken bei vermeintlich<br />
attraktiveren investitionsmöglichkeiten<br />
im ausland künftig vorsichtiger agieren<br />
werden, was der inländischen kreditvergabe<br />
zusätzlich zugute kommen dürfte.<br />
die ausführliche analyse mit datentabelle<br />
und grafiken zum kfWkreditmarktausblick<br />
ist unter www.kfw.de in der kategorie<br />
„research“ abrufbar. £<br />
Forderungsbeitreibung<br />
OnlineMahnbescheide überfordern<br />
juristische Laien<br />
w es ist das alltägliche geschäft eines<br />
inkassounternehmers: Forderungen wer<br />
den überwiegend vorgerichtlich eingezogen,<br />
doch bleibt ein teil, bei dem ein<br />
gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet<br />
werden muss. nicht jeder gläubiger<br />
wendet sich an einen rechtsanwalt oder<br />
an ein fachkundiges inkassounternehmen,<br />
um seiner Forderung nachdruck zu verleihen.<br />
einschlägige internetseiten – wie<br />
z. b. www.onlinemahnantrag.de, welche<br />
von den Justizverwaltungen der bundesländer<br />
betrieben wird – bieten betroffenen<br />
an, selbst einen gerichtlichen Mahnbescheid<br />
online zu beantragen. das hört<br />
sich einfach an, überfordert aber meist die<br />
antragsteller und birgt zudem erhebliche<br />
rechtsnachteile in sich.<br />
um Forderungen im Wege des gerichtlichen<br />
Mahn und Vollstreckungsverfahrens<br />
einzuziehen, benötigen gläubi<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
aktuell<br />
ger laut der bremer inkasso gmbH gute<br />
kenntnisse über etwa rechtsformen der<br />
unternehmung und deren Vertretungsverhältnisse.<br />
betroffene müssen wissen,<br />
dass z. b. neben einer gmbH & Co. kg auch<br />
die gmbH gesamtschuldnerisch voll mithaftet<br />
und dass bei einer gbr, einer kg<br />
oder einer oHg neben der gesellschaft<br />
auch die gesellschafter persönlich in<br />
anspruch genommen werden können. nur<br />
die gesellschaft anzugehen, kann ein entscheidender<br />
Fehler sein, der letztlich dazu<br />
führen kann, dass der gläubiger am ende<br />
leer ausgeht. Weiter benötigen gläubiger<br />
mind. gute kenntnisse auf dem gebiet<br />
der Verjährung oder des Zahlungsverzugs.<br />
gerade die geltendmachung einer<br />
bereits verjährten Forderung kann – trotz<br />
berechtigtem anspruch – schnell erhebliche<br />
kosten nach sich ziehen.<br />
die durchführung des gerichtlichen<br />
Mahnverfahrens ist teil einer dreijährigen<br />
berufsausbildung zur rechtsanwaltsfachangestellten.<br />
diese verantwortet<br />
i. d. r. in einem rechtsanwaltsbüro die<br />
durchführung wesentlicher teile des<br />
gerichtlichen Mahnverfahrens. erklärungen<br />
und Hinweise in einem onlineFormular<br />
können laut der bremer inkasso gmbH<br />
eine gute ausbildung und fundierte kenntnisse<br />
im gerichtlichen Mahnverfahren<br />
nicht ersetzen. diese notwendigen kenntnisse<br />
würden den meisten anwendern<br />
solcher onlineMahnbescheide fehlen.<br />
aufgrund mangelnder Fachkenntnisse<br />
machen gläubiger sodann häufiger in<br />
den onlineMahnbescheiden falsche<br />
oder mangelhafte angaben – es folgen<br />
beanstandungen der amtsgerichte, die<br />
den antragsteller meist restlos überfordern.<br />
Mögliche Fehlerquellen liegen hier<br />
etwa in der fehlerhaften angabe der Vertretungsverhältnisse.<br />
oft sind Haupt oder<br />
nebenforderungen nicht korrekt bezeichnet<br />
oder der Mahnbescheid kann nicht<br />
zugestellt werden, weil der antragsgegner<br />
verzogen ist. dem antragsteller fehlen<br />
dann die Möglichkeiten einer schnellen<br />
und zuverlässigen anschriftenermittlung.<br />
dies alles führt letztlich zu einer verzögerten<br />
Zwangsvollstreckung der Forderung.<br />
der scheinbar einfachere Weg über<br />
5
aktuell<br />
ein onlineformular entpuppt sich daher<br />
oft als sackgasse.<br />
auch im gerichtlichen Mahnverfahren<br />
ist jeder gläubiger berechtigt, entweder<br />
anwaltliche unterstützung oder im selben<br />
umfang die dienste eines inkassounternehmens<br />
in anspruch zu nehmen. die<br />
kosten, die hierdurch entstehen, hat der<br />
schuldner als Verzugsschaden zu ersetzen.<br />
es gibt daher auch aus kostengesichtspunkten<br />
keinen grund, im gerichtlichen<br />
Mahnverfahren auf die Hinzuziehung eines<br />
rechtsanwalts oder eines fachkundigen<br />
inkassounternehmens zu verzichten. £<br />
mehr dazu unter:<br />
www.bremerinkasso.de<br />
Vorstand, Forderungsbeitreibung<br />
Zwölf Prozent weniger Kreditausfälle<br />
im dritten Quartal 2<strong>01</strong>0<br />
w im dritten Quartal 2<strong>01</strong>0 sind rd. zwölf<br />
Prozent weniger ratenkredite ausgefallen<br />
als im Vorjahresquartal und sieben Prozent<br />
weniger als im zweiten Quartal 2<strong>01</strong>0 – so<br />
wenige kredite wie zuletzt ende 2008.<br />
an den deutschen konsumentenkreditmärkten<br />
geht es weiter aufwärts. trotz der<br />
hohen Zunahme an krediten im letzten<br />
Jahr kam es zu einem erfreulichen rückgang<br />
an kreditausfällen. der grund für<br />
die zuverlässige ratenzahlung der kreditnehmer<br />
ist zum einen der robuste deutsche<br />
arbeitsmarkt. aber auch die sorgfältige<br />
und gewissenhafte Prüfung der<br />
kreditwünsche durch die banken spielt<br />
eine wichtige rolle.<br />
die deutschen haben gerade im krisenjahr<br />
2009 besonders viele konsumentenkredite<br />
aufgenommen (plus zehn Prozent). Finanziert<br />
wurden u. a. autos, elektronik und<br />
einrichtungsgüter, auch als Folge staatlicher<br />
konjunkturprogramme. Für die konjunktur<br />
war der private konsum im letzten<br />
Jahr eine wichtige stütze. bislang zeichnet<br />
sich dabei ein positiver trend bei der<br />
rückzahlung ab. 2009 sind weniger als drei<br />
von 100 konsumentenkrediten ausgefallen<br />
(2,4%) und in den ersten drei Quarta<br />
6 <strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
len 2<strong>01</strong>0 sind die kreditausfälle kontinuierlich<br />
gefallen.<br />
obwohl weniger kredite ausfallen, ist allerdings<br />
die anzahl der Verbraucherinsolvenzen<br />
gestiegen. nach angaben des statistischen<br />
bundesamts haben im ersten<br />
Halbjahr 2<strong>01</strong>0 53.864 Personen eine Verbraucherinsolvenz<br />
beantragt, das sind<br />
11,6% mehr als im Vorjahreszeitraum. £<br />
Vorstand, risikomanagement,<br />
Forderungsbeitreibung<br />
6,5 Mio. Deutsche überschuldet<br />
w 6,49 Mio. deutsche über 18 Jahre sind<br />
laut schuldneratlas 2<strong>01</strong>0 der Creditreform<br />
zum stichtag <strong>01</strong>.10.2<strong>01</strong>0 überschuldet und<br />
weisen nachhaltige Zahlungsstörungen<br />
auf (2009: 6,19 Mio. Personen). die Zahl der<br />
überschuldeten Personen hat sich 2<strong>01</strong>0<br />
gegenüber dem Vorjahr um rd. 300.000<br />
betroffene erhöht. Für die bundesrepublik<br />
deutschland ermittelt sich so eine schuldnerquote<br />
– also das Verhältnis von überschuldeten<br />
Personen zur bevölkerungszahl<br />
über 18 Jahre – von 9,5% (2009: 9,09%).<br />
Überschuldung liegt vor, wenn ein schuldner<br />
die summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen<br />
auch in absehbarer Zeit<br />
nicht begleichen kann und ihm weder Vermögen<br />
noch andere kreditmöglichkeiten<br />
zur Verfügung stehen.<br />
trotz des historischen Wirtschaftseinbruchs<br />
im vergangenen Jahr ist die Zahl der überschuldeten<br />
Verbraucher nicht so stark<br />
gestiegen wie befürchtet. eine deut liche<br />
Verschlechterung der Überschuldungssituation<br />
in deutschland wurde auch dank<br />
kurzarbeitergeld und der damit weiterhin<br />
stabilen einkommen zunächst verhindert.<br />
allerdings ist die im Vergleich zum Vorjahr<br />
erhöhte schuldnerquote auch ausdruck der<br />
zeitweisen Verschlechterung am arbeitsmarkt<br />
infolge der rezession. immer noch<br />
gilt der Verlust des arbeitsplatzes als Hauptauslöser<br />
für Überschuldung. Zum Zweiten<br />
lassen die gestiegenen finanziellen belastungen<br />
der Verbraucher – etwa für gesundheit<br />
und altersvorsorge sowie für Miete<br />
und nebenkosten – weniger spielraum, um<br />
bestehende kreditverpflichtungen erfüllen<br />
zu können. die seit dem Frühjahr wieder<br />
vermehrten positiven konjunktursignale<br />
sowie die stabilen beschäftigungserwartungen<br />
führten schließlich zu einem wieder<br />
lockeren ausgabeverhalten der Verbraucher,<br />
die auch neue kreditverpflichtungen<br />
eingegangen sind. das gilt insbesondere<br />
für jüngere erwachsene.<br />
in allen bundesländern ist 2<strong>01</strong>0 eine<br />
Zunahme der privaten Überschuldung zu<br />
verzeichnen. Überdurchschnittlich stark fiel<br />
der anstieg in sachsenanhalt aus (+ 0,53<br />
Prozentpunkte gegenüber 2009) sowie im<br />
saarland und in berlin (jeweils + 0,51 Prozentpunkte).<br />
um einen vergleichsweise<br />
geringen anteil ist die schuldnerquote in<br />
bremen gestiegen (+ 0,21 Prozentpunkte).<br />
die Hansestadt (14,13%) weist aber weiterhin<br />
die höchste Quote aller deutschen<br />
Länder auf, gefolgt von berlin (12,67%) und<br />
sachsenanhalt (11,58%). am niedrigsten<br />
ist die schuldnerquote derzeit in bayern<br />
(7,06%), badenWürttemberg (7,46%) und<br />
sachsen (8,37%).<br />
die Verschuldungsproblematik verstärkt<br />
sich bei weiblichen schuldnern und in<br />
bestimmten altersgruppen überdurchschnittlich:<br />
Während der anteil der Männer<br />
an den überschuldeten Privatpersonen seit<br />
2004 von 68 auf 61,3% zurückging ( 6,7 Prozentpunkte),<br />
stieg der anteil der Frauen um<br />
6,7 Prozentpunkte auf 38,7%. demnach sind<br />
3,98 Mio. aller überschuldeten Personen<br />
männlichen ( 0,47 Mio. gegenüber 2004)<br />
und 2,51 Mio. weiblichen geschlechts (plus<br />
0,42 Mio. gegenüber 2004). im Vergleich<br />
zum Jahr 2009 erhöhte sich die Zahl der<br />
überschuldeten Frauen um 11,4%, während<br />
die Zahl der betroffenen Männer nahezu<br />
stagnierte (+ 0,9%).<br />
auch in bezug auf das alter des schuldners<br />
gibt es unterschiedliche trends: so<br />
liegt die schuldnerquote bei Personen<br />
in der altersgruppe 40 bis 49 Jahre mit<br />
13,29% zwar weiterhin am höchsten,<br />
allerdings sind relativ gesehen weniger<br />
Personen betroffen als im Jahr 2004<br />
(15,18%). anders dagegen die entwicklung<br />
bei jungen erwachsenen: Von den 20
is 29jährigen einwohnern deutschlands<br />
gelten mittlerweile 10,75% als überschuldet.<br />
das sind fast 400.000 Personen oder<br />
3,2 Prozentpunkte mehr als 2004, als die<br />
schuldnerquote in diesem alterssegment<br />
noch bei unterdurchschnittlichen 7,55%<br />
lag. einen anstieg der schuldnerquote<br />
im Vergleich zu 2004 verzeichnen auch<br />
die altersgruppe der unter 20Jährigen<br />
(+ 1,12 Prozentpunkte) sowie ältere Personen<br />
über 70 Jahre (+ 0,22 Prozentpunkte).<br />
der gegenüber dem Vorjahr festzustellende<br />
aktuelle anstieg der gesamtzahl<br />
der überschuldeten Personen in deutschland<br />
wird aber bis auf die über 60Jährigen<br />
von allen altersgruppen verursacht.<br />
3,61 der 6,49 Mio. überschuldeten Personen<br />
weisen zahlreiche gerichtliche Über<br />
schuldungsmerkmale wie eine eides <br />
statt liche Versicherung oder eine Privatinsolvenz<br />
auf. die Zahl der betroffenen<br />
hat sich gegenüber 2006 (3,40 Mio.) um<br />
mehr als sechs Prozent erhöht. Zurückgegangen<br />
ist hingegen die Zahl der<br />
Personen, deren Überschuldungssituation<br />
noch nicht aussichtslos ist, die aber<br />
bereits nachhaltige Zahlungsstörungen<br />
aufweisen. gegenüber 2006 sank die Zahl<br />
der betroffenen von 3,79 auf 2,88 Mio.<br />
( 24%).<br />
die Verbraucherüberschuldung ist in<br />
deutschland deutlich geringer als in<br />
den angelsächsischen Ländern. so sind<br />
in großbritannien 13,8% der privaten konsumenten<br />
überschuldet, in den usa sogar<br />
17,4%. ein grund hierfür: diese Volkswirt<br />
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aktuell<br />
schaften waren und sind stärker von der<br />
Finanz und immobilienkrise betroffen,<br />
und die arbeitslosigkeit ist im Verlauf der<br />
rezession deutlich stärker und nachhaltiger<br />
gestiegen als in deutschland.<br />
in den kommenden zwei Jahren ist nicht<br />
mit einem rückgang der Verbraucherüberschuldung<br />
zu rechnen. Jeder zehnte<br />
deutsche (9,8%) fühlt sich bereits jetzt<br />
durch seine finanziellen Verbindlichkeiten<br />
überfordert, ein weiteres drittel (32%) hat<br />
wenigstens manchmal „schuldenstress“.<br />
die von der bundesregierung geplanten<br />
sparmaßnahmen sowie weitere Faktoren<br />
– wie zunehmende Wohnkosten und der<br />
anstieg prekär beschäftigter – drohen auslöser<br />
für eine neuerliche Überschuldungsentwicklung<br />
zu sein. £<br />
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8<br />
beitrag<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Vorstand risikomanagement sanierung sicherheitenverwertung<br />
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Insolvenzverwalterqualität<br />
gewährleisten<br />
Autor:<br />
Prof. Dr. Wolfgang Portisch,<br />
Leiter des Bereichs Bank und<br />
Finanzmanagement an der<br />
Hochschule EmdenLeer und<br />
wissenschaftlicher Leiter des<br />
IQS Institut für Qualität und Standards<br />
in der Insolvenzabwicklung.<br />
Mindestanforderungen an die insolvenzabwicklung (Mainso) und Zertifi zierung<br />
nach inso 90<strong>01</strong>:2<strong>01</strong>0 als auswahlkriterien für insolvenzgerichte und gläubiger.<br />
» Eine Ursache der<br />
Probleme liegt in der<br />
häufig nicht optimalenInsolvenzverwalterauswahl,<br />
so<br />
dass das Vertrauen<br />
der Kreditinstitute<br />
zur Begleitung einer<br />
Sanierung in der<br />
Insolvenz fehlt. «<br />
1 Vgl. Portisch/Neumann, effi ziente insolvenzprozesse<br />
in banken und sparkassen, 2<strong>01</strong>0, s. 66 ff .<br />
2 Vgl. Kranzusch/Icks, die Quote der insolvenzgläubiger<br />
in regel und insolvenzplanverfahren,<br />
2009, s. 15. diese untersuchung zeigt, dass nur<br />
in einem bruchteil der Verfahren ein insolvenzplan<br />
umgesetzt wird, obwohl die Quoten im<br />
durchschnitt deutlich höher ausfallen, als im<br />
Fall der reinen Verwertung.<br />
I. Einleitung<br />
w Vorrangiges Ziel bei der einleitung eines<br />
insolvenzverfahrens ist gem. § 1 inso die bestmögliche<br />
und gemeinschaftliche befriedigung<br />
aller gläubiger. auch die sanierung über einen<br />
insolvenzplan wird ausdrücklich angeregt.<br />
Jedoch werden beide Ziele in der Praxis selten<br />
erreicht: die realisierung einer sanierung in der<br />
insolvenz erfolgt nur in ausnahmefällen und<br />
die kreditinstitute sind mit dem Verfahrensablauf<br />
häufi g unzufrieden 1 . eine ursache dieser<br />
Probleme liegt in der häufi g nicht optimalen<br />
insolvenzverwalterauswahl, so dass das Vertrauen<br />
der kreditinstitute zur begleitung einer<br />
sanierung in der insolvenz fehlt. auf die auswahlentscheidung<br />
kann derzeit von banken<br />
kaum wirksam einfl uss genommen werden.<br />
Häufi g werden daher sanierungsunerfahrene<br />
Verwalter ausgewählt. oft fi ndet dann nur noch<br />
eine Zerschlagung der Vermögenswerte von<br />
unternehmen statt, meist einhergehend mit<br />
einer Vernichtung von immateriellen Werten<br />
wie dem Firmennamen. um höhere Fallzahlen<br />
an sanierungen in der insolvenz zu erreichen,<br />
sind die Verwalter künftig sorgfältiger auszuwählen<br />
und die transparenz bei der Verfahrensabwicklung<br />
ist zu verbessern. die einhaltung<br />
von Mindestanforderungen bei der insolvenzabwicklung<br />
und die einführung von Zertifi katen<br />
können hier unterstützend wirken. auch die<br />
aktuelle insolvenzrechtsreform befasst sich mit<br />
diesen themenbereichen.<br />
II. Geplante Insolvenzrechtsreform<br />
zur Insolvenzverwalterauswahl<br />
im Fokus der aktuellen reform des insolvenzrechts<br />
steht u. a. die auswahl geeigneter insolvenzverwalter.<br />
es wird davon ausgegangen,<br />
dass ein insolvenzplanerfahrener und risikobereiter<br />
Verwalter, u. u. mit guten branchenkennt<br />
nissen und kontakten den Versuch einer sanierung<br />
im insolvenzverfahren eher anstrengt, als<br />
ein unerfahrener sachwalter, der risiken zu vermeiden<br />
versucht. auch die büroausstattung mit<br />
dem Vorhalten eines auf sanierungen spezialisierten<br />
Mitarbeiterstabs kann bei der realisierung<br />
von sanierungsoptionen unterstützend<br />
wirken. gläubiger wie kreditinstitute kennen<br />
diese professionell arbeitenden insolvenzverwalter<br />
meist sehr gut. daher sollten die rechte<br />
dieser gläubiger bei der Verwalterauswahl<br />
künftig deutlich gestärkt werden 2 .<br />
die einfl ussnahme auf die auswahl eines geeigneten<br />
insolvenzverwalters durch die gläubigerbanken<br />
ist derzeit gering. so pochen die insolvenzgerichte<br />
häufi g auf ihre unabhängigkeit<br />
bei dieser entscheidung. daher kommt es vielfach<br />
zu besetzungspraktiken, die eine (möglichst<br />
gerechte) gleichverteilung auf den Personenkreis<br />
der Vorauswahlliste vorsehen. diese<br />
als gerecht empfundene Verteilung der Verfahren<br />
führt jedoch nicht immer zu einer optimalen<br />
allokation der knappen spezialistenressourcen.<br />
Zudem sind die insolvenzgerichte<br />
bei den vielen Verfahren meist nicht derart<br />
intensiv in den Verfahrensablauf einbezogen,<br />
so dass nicht bekannt wird welcher insolvenzverwalter<br />
eine sanierung vor der Zerschlagung<br />
befürwortet und zudem seine gläubiger optimal<br />
mit informationen versorgt. Hier befi nden<br />
sich gerade die experten in den kreditinstituten<br />
näher am operativen kern des insolvenzgeschehens.<br />
Zudem kennen sie die insolventen<br />
Firmen meist aus der vorgeschalteten sanierungsphase<br />
und können die Chancen einer<br />
gesundung im insolvenzverfahren mit dem<br />
„richtigen“ insolvenzverwalter gut einschätzen.<br />
bislang sind die Möglichkeiten der faktischen<br />
Mitbestimmung von banken bei der insolvenzverwalterauswahl<br />
gering. die gesetzliche regelung<br />
sieht lediglich vor, dass eine abwahl des
insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren<br />
gem. § 57 inso durch die gläubigerversammlung<br />
erfolgen kann. diese Möglichkeit kommt<br />
jedoch eindeutig zu spät 3 . bereits im vorläufigen<br />
Verfahren werden bei Firmenpleiten die<br />
wichtigen stellschrauben in richtung einer<br />
sanierung oder Liquidierung gestellt. Wird<br />
das unternehmen in der insolvenz erst als aus<br />
dem geschäftsverkehr ausgeschieden betrachtet,<br />
besteht auch nach der insolvenzeröffnung<br />
i. d. r. nicht mehr die Möglichkeit einer Wiederbelebung<br />
der operativen tätigkeiten. eine<br />
nicht optimale besetzung des insolvenzverwalterpostens<br />
kann dann nicht mehr nachträglich<br />
korrigiert werden. dieses soll nun durch<br />
die aktuelle reform des insolvenzrechts geändert<br />
werden. die Vorschläge des bundesministeriums<br />
der Justiz (bMJ) sehen vor, den einfluss<br />
der gläubiger auf die insolvenzverwalterauswahl<br />
zu stärken. es ist geplant, dass gem. § 56<br />
abs. 2 insoe bereits ein vorläufiger Gläubigerausschuss<br />
im eröffnungsverfahren durch die<br />
summenmehrheit einen geeigneten insolvenzverwalter<br />
vorschlägt. das gericht soll von dieser<br />
empfehlung nur dann abweichen können, wenn<br />
die betreffende Person nicht die allgemeinen<br />
anforderungen erfüllt (§ 56 abs. 3 insoe) 4 .<br />
diese Vorgehensweise ist aus bankensicht sehr<br />
zu begrüßen, stärkt es doch die gläubigerautonomie<br />
bei der auswahl des insolvenzverwalters<br />
5 . darüber besteht die Möglichkeit, das<br />
insolvenzrecht wirkungsvoller auf eine sanierung<br />
bei unternehmen auszurichten, deren<br />
Fortführungswert über dem Zerschlagungswert<br />
liegt. auch die Verfahrenstransparenz lässt<br />
sich u. u. verbessern, wenn künftig auf dem<br />
„Markt für insolvenzverwalter“ stärker selektiert<br />
wird und nur die qualitativ besten verbleiben.<br />
im Folgenden wird untersucht, welche kriterien<br />
bei der auswahl guter Verwalter von insolvenzgerichten<br />
und kreditinstituten herangezogen<br />
werden können.<br />
III. Modelle und Kriterien zur<br />
bestmöglichen Insolvenzverwalterauswahl<br />
es existieren zahlreiche Vorschläge und kriterien,<br />
nach denen sich insolvenzverwalter<br />
potenziell selektieren lassen. diese Merkmale<br />
können auch dazu dienen, eine gute Vorauswahl<br />
von Verwaltern für die sog. Vorauswahl<br />
liste der insolvenzgerichte zu generieren. dies<br />
sind u. a. die empfehlungen:<br />
der uhlenbruckkommission 6 ,<br />
des bakinso und des diai 7 ,<br />
des HannoveranerModells 8 ,<br />
der Vid berufsgrundsätze 9 .<br />
beurteilungsobjekte sind im Wesentlichen die<br />
Person des insolvenzverwalters, aber auch die<br />
büroorganisation der kanzlei. daneben bestehen<br />
Merkmale, die nicht überschneidungsfrei<br />
der Person oder der kanzlei zugeordnet werden<br />
können. die kriterienkataloge der o. g. Vorschläge<br />
beziehen sich zum einen auf Qualifikationsmerkmale,<br />
die unbedingt vorhanden<br />
sein müssen, wie der abschluss eines rechts<br />
oder wirtschaftswissenschaftlichen studiums,<br />
der spezialisierung zum Fachanwalt für insolvenzrecht<br />
oder einer vorhandenen Zertifizierung.<br />
Zum anderen werden weiche qualitätsbezogene<br />
Attribute, wie die unabhängigkeit<br />
oder das bestehen geordneter wirtschaftlicher<br />
Verhältnisse, gefordert. diese eigenschaften<br />
sind eindeutig wichtig, aber schwerlich durch<br />
externe akteure zu verifizieren. Zudem fehlt es<br />
bei diesen soft Facts an der beurteilung von<br />
Verfahrensabläufen oder der einschätzung<br />
erforderlicher sanierungseigenschaften bzw.<br />
erzielter erfolge im insolvenzplanverfahren<br />
oder bei der übertragenden sanierung.<br />
eine weitere option bei der Qualitätsbeurteilung<br />
besteht in der erhebung von erfolgskennzahlen<br />
bei den abgeschlossenen Verfahren. so<br />
führt das insolvenzgericht Hannover mit dem<br />
„Hannoveraner Modell“ seit einigen Jahren<br />
erfolgsmessungen bei insolvenzverfahren<br />
durch. ermittelt werden die Verfahrensergebnisse<br />
anhand von kennzahlen wie der Quote<br />
der Massesteigerung, der ausschüttungsquote<br />
an ungesicherte gläubiger und der anteil der<br />
Verwaltungskosten an der Masse. diese kennzahlen<br />
gehen mit weiteren kriterien wie der<br />
sanierungsquote gewichtet in ein Punktbewertungsschema<br />
ein und geben auskunft über<br />
die Fachkompetenz, die sanierungskompetenz<br />
und die erzielten Verfahrensergebnisse 10 .<br />
dieses stark quantitativ geprägte Verfahren<br />
wurde in der Vergangenheit mit dem Hinweis<br />
auf die fehlende Vergleichbarkeit von insolvenzverfahren<br />
diskutiert. es ist eine hohe Fallzahl<br />
der insolvenzverfahren aus verschiedenen<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Bereits im vorläufigen<br />
Verfahren<br />
werden bei Firmenpleiten<br />
die wichtigen<br />
Stellschrauben<br />
in Richtung einer<br />
Sanierung oder Liquidierung<br />
gestellt. «<br />
3 Vgl. Portisch, sanierung und insolvenz aus<br />
bankensicht, 2<strong>01</strong>0, s. 278 ff.<br />
4 Vgl. art. 1 des diskussionsentwurfs für ein gesetz<br />
zur weiteren erleichterung der sanierung<br />
von unternehmen, bearbeitungsstand<br />
<strong>01</strong>.09.2<strong>01</strong>0.<br />
5 kreditinstitute sollten auch die gespräche<br />
mit den Vertretern der insolvenzgerichte aufnehmen,<br />
die diskussion suchen und ggf. sachlich<br />
begründen, worin die Vorzüge der Wahl<br />
eines bestimmten insolvenzverwalters in einem<br />
Verfahren liegen. bei vielen professionell arbeitenden<br />
insolvenzgerichten werden diese erläuterungen<br />
sicherlich gehör finden.<br />
6 Vgl. Uhlenbruck, Zinso 2007 s. 760764 und<br />
Uhlenbruck, Hohe Qualitätsanforderungen an<br />
insolvenzverwalter, in: ksi 2007 s. 268269.<br />
7 siehe informationen auf den seiten der Homepage<br />
des bakinso (www.bakinso.de), Fragebogen<br />
des insolvenzgerichts Hamburg und vgl.<br />
Frind, Zinso 2008 s. 655662.<br />
8 Vgl. Neubert, Zinso 2<strong>01</strong>0 s. 7378.<br />
9 siehe dazu die berufsgrundsätze der insolvenzverwalter<br />
des Vid.<br />
10 Vgl. Neubert, Zinso 2<strong>01</strong>0 s. 7378. auch das insolvenzgericht<br />
Hamburg erhebt seit mehreren<br />
Jahren verschiedene abwicklungskennzahlen<br />
und weist mittlerweile eine umfassende datenbasis<br />
auf.<br />
9
10<br />
beitrag<br />
» Ermittelt werden<br />
die Verfahrensergebnisse<br />
anhand von<br />
Kennzahlen wie der<br />
Quote der Massesteigerung,<br />
der Ausschüttungsquote<br />
an ungesicherte<br />
Gläubiger<br />
und der Anteil der<br />
Verwaltungskosten<br />
an der Masse. «<br />
11 Jedoch ist auch zu beachten, dass sich die gläubiger<br />
angemessen in das Verfahren einbringen<br />
sollten, mit dem besuch der Präsenztermine, der<br />
aufnahme der gespräche mit dem insolvenzgericht<br />
und den insolvenzverwaltern.<br />
12 Vgl. iQs – institut für Qualität und standards in<br />
der insolvenzabwicklung, Mainso – Mindestanforderungen<br />
an die insolvenzabwicklung, 2<strong>01</strong>0.<br />
13 Vgl. Geiwitz/Schneider, Person des insolvenzverwalters:<br />
Qualifikation und organisation, 2<strong>01</strong>0,<br />
s. 581 und Riedel, idealtypische Verfahrenssteuerung<br />
durch gerichte in: Mainso – Mindestanforderungen<br />
an die insolvenzabwicklung, 2<strong>01</strong>0,<br />
s. 731835.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
branchen und größenklassen verteilt auf viele<br />
insolvenzverwalter notwendig, um statistisch<br />
gesicherte und vergleichbare erkenntnisse<br />
über die Qualität der insolvenzbearbeitung<br />
über die Jahre zu erhalten. Lägen diese daten<br />
bundesweit vor, wären quantitative analysen<br />
zu erfolgsquoten u. u. vergleichend auswertbar.<br />
Jedoch sagen auch diese Modelle wenig<br />
über den durch die gläubiger wahrgenommenen<br />
Verfahrensablauf aus 11 . abb. 1 fasst die<br />
verschiedenen ansätze mit den wesentlichen<br />
beurteilungskriterien zusammen.<br />
im Hinblick auf die stärkung der gläubigerrechte<br />
bei der insolvenzverwalterauswahl sind<br />
deren interessen künftig intensiver zu berücksichtigen.<br />
um dieses zu gewährleisten wurden<br />
die Mindestanforderungen an die insolvenzabwicklung<br />
entwickelt 12 . diese befassen sich<br />
neben den bedingungen für einen auf eine<br />
sanierung ausgerichteten Verfahrenablauf auch<br />
mit den notwendigen Qualifikationen eines<br />
insolvenzverwalters und der erforderlichen<br />
büroorganisation, um einen transparenten und<br />
sicheren Verfahrensablauf zu gewährleisten.<br />
IV. Mindestanforderungen an die<br />
Insolvenzabwicklung (MaInsO)<br />
die publizierten Mindestanforderungen an<br />
die insolvenzabwicklung (Mainso) umfas<br />
sen den gesamten insolvenzprozess. dieser<br />
beginnt bereits mit den anforderungen zur<br />
auswahl eines geeigneten insolvenzverwalters.<br />
es werden umfangreiche ansprüche an<br />
die Qualifikation, das Verhalten und die branchenspezifischen<br />
kenntnisse des insolvenzverwalters<br />
formuliert. Zudem werden die anforderungen<br />
an die Mitarbeiter in den kanzleien<br />
neben den erfordernissen an die aufbau und<br />
ablauforganisation detailliert spezifiziert. auch<br />
die implementierung eines Qualitätsmanagementsystems<br />
und die anforderungen an das<br />
Verfahrens und kanzleicontrolling werden<br />
erläutert 13 .<br />
des Weiteren wird in diesem Handbuch der<br />
abwicklungsempfehlungen ausführlich auf<br />
die bestmögliche Verwertung von sicherungsgütern<br />
und rechten eingegangen. anforderungen<br />
an die sanierung und unternehmensfortführung<br />
in der insolvenz werden ebenfalls<br />
formuliert. insgesamt liegen mit den Mindestanforderungen<br />
an die insolvenzabwicklung<br />
umfassende regelungen für eine effiziente<br />
und wirksame Verfahrensabwicklung vor. die<br />
einhaltung dieser empfehlungen ist für alle<br />
betroffenen stakeholder vorteilhaft. so bieten<br />
diese anforderungen praxisnahe kriterien für<br />
die optimale insolvenzverwalterauswahl und<br />
zudem kann die einhaltung dieser richtlinien<br />
für bessere Quoten im Verfahren und für eine<br />
Verstärkung der sanierungstätigkeit sorgen.<br />
Abbildung 1: Beurteilung von Insolvenzverwaltern und ihrer Kanzleien<br />
Merkmale<br />
Uhlenbruck-Kommission<br />
BAKinso und DIAI<br />
Hannoveraner Hannoveraner Modell<br />
VID<br />
Bezug<br />
Insolvenzverwalter und Kanzleiauswahl<br />
Person des<br />
Insolvenzverwalters<br />
Person<br />
Person/<br />
Kanzlei<br />
Juristischer oder wirtschaftswiss. Abschluss,<br />
Nachweis insolvenzrechtlicher und<br />
praktischer Kenntnisse, geordnete wirt.<br />
Verhältnisse, Insolvenzplanerfahrung<br />
Personenbezogene Zertizierung, Zertizierung, Rating,<br />
Leistungskennzahlen<br />
Fachkompetenz, Sanierungskompetenz<br />
Ergebnisse, Kommunikationsfähigkeit<br />
Berufsgrundsätze: Qualikation,<br />
Qualikation,<br />
Unabhängigkeit, Grundsätze ordnungsgemäßer<br />
Insolvenzverwaltung (GoI)<br />
Kanzlei des<br />
Insolvenzverwalters<br />
Kanzlei<br />
Insolvenzspezische Insolvenzspezische Büroausstattung,<br />
spezialisierter Mitarbeiterstab, Einrichtung<br />
Risikomanagement-, Qualitätssicherungssystem,<br />
Standardisierung Berichtswesen<br />
Rating, Verfahrenscontrolling, Infrastruktur<br />
Leistungskennzahlen<br />
Erfolgskriterien, erzielte Verfahrensergebnisse,<br />
Kennzahlenerhebung<br />
Leistungsfähige Büroorganisation, gerichtskompatible<br />
elektronische Datenverarbeitung,<br />
modernes Qualitätsmanagement
abb. 2 zeigt ausgewählte aspekte der Mindestanforderungen<br />
an die insolvenzabwicklung.<br />
neben den Mindestanforderungen an die insolvenzabwicklung<br />
können auch zertifizierte Qualitätsmanagementsysteme<br />
(QMs) bei insolvenzverwaltern<br />
ein indiz für eine hochwertige<br />
Verfahrensabwicklung von insolvenzen und<br />
damit ein Qualitätsindiz für insolvenzverwalter<br />
darstellen. neuere insolvenzspezifische Zertifikate<br />
wie die inso 90<strong>01</strong> beinhalten neben einer<br />
systemprüfung auch eine inhaltliche Verifizierung<br />
durch insolvenzfachleute.<br />
V. Zertifizierung nach InsO<br />
90<strong>01</strong>:2<strong>01</strong>0 mit Konformitätsbescheinigung<br />
die einführung von Qualitätsmanagementsystemen<br />
(QMs) und deren Zertifizierung ist in<br />
vielen unternehmensbranchen längst üblich.<br />
auch für die insolvenzverwaltung wurden spezielle<br />
Zertifikate wie die inso 90<strong>01</strong> entwickelt.<br />
QMs beschäftigen sich in erster Linie mit der<br />
einführung von robusten und nachvollziehbaren<br />
geschäftsprozessen. dabei werden hohe<br />
anforderungen an die transparenz, die Vereinheitlichung<br />
und die Überwachung von abläufen<br />
gesetzt. dieses bietet gerade bei insolvenzverfahren<br />
eine grundlage für eine abwicklung<br />
auf hohem Qualitätsniveau.<br />
1. Qualitätsmanagementsysteme<br />
und Zertifikate in der Insolvenzabwicklung<br />
Mit der einführung eines QMs und der Zertifizierung<br />
des Verfahrens werden die abläufe<br />
in der insolvenzabwicklung transparent ausgestaltet<br />
und es wird Prozesssicherheit für<br />
interne sowie externe stakeholder geschaffen.<br />
damit lassen sich auch risiken im operativen<br />
tagesgeschäft von insolvenzverwaltern<br />
verringern. Wichtig ist das Zuschneiden<br />
eines QMs auf die jeweilige branche. Vorteil<br />
der insolvenzbezogenen inso 90<strong>01</strong><br />
ist daher, dass ein umfassender Prüf und<br />
gestaltungskatalog gegeben wird zur 14 :<br />
einhaltung der iso 90<strong>01</strong>,<br />
einführung eines Verfahrens und kanzleicontrollings<br />
und<br />
beachtung der grundsätze des Vid, der<br />
uhlenbruckkommission und der entscheidung<br />
des bVerfg vom 23.05.2006 für die<br />
Vorauswahlliste 15 .<br />
Zur stetigen Weiterentwicklung und anpassung<br />
der Zertifizierung an aktuelle gegebenheiten<br />
wurde zusätzlich ein Fachrat mit spezialisten<br />
aus unterschiedlichen bereichen<br />
eingesetzt. Wichtige neuerungen finden so<br />
eingang in den Zertifizierungsprozess. neben<br />
der reinen Prozessüberprüfung und ggf. der<br />
neugestaltung der geschäftsabläufe lassen<br />
Abbildung 2: Mindestanforderungen an die Insolvenzabwicklung (MaInsO)<br />
MaInso – Mindestanforderungen an die Insolvenzabwicklung<br />
Anforderungen:<br />
-Verwalter<br />
-Organisation<br />
-Verhalten<br />
Anforderungen an die Person des Verwalters<br />
• Ausbildung und praktische Erfahrung<br />
• Fachwissen und ständige Weiterbildung<br />
• Persönliche Integrität und Unabhängigkeit<br />
• Eigenverantwortliches Handeln und Gewissenhaftigkeit<br />
• Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse<br />
• Branchenspezische Kenntnisse und Erfahrungen<br />
• Einhaltung der Empfehlungen der Uhlenbruck-Kommission<br />
und der Berufsgrundsätze des VID<br />
Anforderungen an die Mitarbeiter<br />
• Qualizierte und engagierte Mitarbeiter<br />
• Qualitative und quantitative Steuerung der Einsatzes<br />
• Laufende Fortbildung der Mitarbeiter<br />
Anforderungen:<br />
-Sanierung<br />
-Verwertung<br />
-Transparenz<br />
Anforderungen:<br />
-Abrechnung<br />
-Gläubiger<br />
-Gerichte<br />
Organisatorische Anforderungen an die Kanzlei<br />
• Einsatz aktueller Hardware und Software<br />
• Durchdachtes Ablage- und Archivierungssystem<br />
• Eziente/eektive Aufbau- und Ablauforganisation<br />
Sonstige Anforderungen<br />
• Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS)<br />
• Erarbeitung eines QMS-Handbuchs<br />
• Zertizierung des QMS<br />
• Aufbau eines Verfahrenscontrollings<br />
• Einführung eines Verfahrensberichtswesens<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Die publizierten<br />
Mindestanforderungen<br />
an die Insolvenzabwicklung<br />
(MaInso) umfassen<br />
den gesamten Insolvenzprozess.<br />
«<br />
14 Vgl. Lützenrath/Portisch/Schuppener, anforderungen<br />
an die sanierung und unternehmensfortführung<br />
in der insolvenz, in: Mainso<br />
– Mindestanforderungen an die insolvenzabwicklung,<br />
2<strong>01</strong>0, s. 277 ff.<br />
15 Vgl. beschluss des bVerfg vom 23.05.2006, 1 bvr<br />
2530/04.<br />
11
12<br />
beitrag<br />
» Durch das überprüfte<br />
Zertifikat InsO<br />
90<strong>01</strong>:2<strong>01</strong>0 dokumentiert<br />
eine Kanzlei<br />
sowohl den Insolvenzgerichten<br />
als auch den<br />
Gläubigern, dass sie<br />
sich erfolgreich einer<br />
Fach-Auditierung<br />
des insolvenzspezifischenQualitätsmanagementsystems<br />
unterzogen hat. «<br />
16 Vgl. Portisch, Prozessoptimierung bei der insolvenzabwicklung,<br />
in: Mainso – Mindestanforderungen<br />
an die insolvenzabwicklung, 2<strong>01</strong>0,<br />
s. 604 ff.<br />
17 Vgl. Portisch/Neumann, effiziente insolvenzprozesse<br />
in banken und sparkassen, 2<strong>01</strong>0, s. 52 ff.<br />
18 Vgl. Lützenrath/Portisch/Schuppener, anforderungen<br />
an die sanierung und unternehmensfortführung<br />
in der insolvenz, in: Mainso<br />
– Mindestanforderungen an die insolvenzabwicklung,<br />
2<strong>01</strong>0, s. 285.<br />
19 Vgl. Riedel, idealtypische Verfahrenssteuerung<br />
durch die gerichte, in: Mainso – Mindestanforderungen<br />
an die insolvenzabwicklung, 2<strong>01</strong>0,<br />
s. 743 ff.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
sich zudem oft Effizienzvorteile im operativen<br />
geschäft erzielen. des Weiteren kann ein<br />
Zertifikat wie die inso 90<strong>01</strong> als Qualitätsindiz<br />
auch insolvenzgerichten einen Hinweis auf<br />
eine hohe Prozessqualität bei der insolvenzverwaltung<br />
liefern und die auswahl geeigneter<br />
kandidaten erleichtern. etablierte Zertifikate<br />
sollten daher nicht nur eingang in jeden<br />
gerichts fragebogen finden, sondern auch ein<br />
echtes auswahlkriterium darstellen. denn es<br />
zeigt, dass sich ein insolvenzverwalter mit der<br />
einführung eines geprüften QMs einem strukturierten<br />
Verfahrensablauf und damit strengen<br />
Qualitätsanforderungen zur Prozesssicherheit<br />
sowie der internen und externen transparenz<br />
im Verfahrensablauf unterzieht. dies ist auch<br />
im sinne der verfahrensbeteiligten gläubiger 16 .<br />
2. Aufwertung der InsO 90<strong>01</strong>:2<strong>01</strong>0<br />
durch die Konformitätsbescheinigung<br />
Problematisch war bislang noch die vom bVerfg<br />
geforderte Verifikation der geforderten kriterien<br />
auf der Vorauswahlliste. dieses gilt auch<br />
für die realisierung des QMs in der kanzlei. die<br />
inhaltliche Überprüfung der kanzleien und der<br />
insolvenzverwalter vor ort durch Vertreter der<br />
gerichte ist aufgrund der hohen anzahl an Verfahren<br />
und der Vielzahl der aufgaben der insolvenzgerichte<br />
sowie der einhaltung einer gebotenen<br />
neutralität in der Praxis kaum möglich. aus<br />
diesem grund wurde bei der inso 90<strong>01</strong>:2<strong>01</strong>0<br />
eine konformitätsprüfung eingeführt, die eine<br />
inhaltliche Überprüfung des QMs durch Fachleute<br />
wie ehemalige insolvenzrichter und<br />
rechtspfleger in den kanzleien vorsieht.<br />
dadurch wird die bislang in erster Linie systemische<br />
Funktionsfähigkeit eines Qualitätsmanagementsystems<br />
neuerdings materiell<br />
überprüft und über ein siegel bestätigt. die<br />
konformitätsbescheinigung vervollständigt<br />
die systemische Prüfung des Qualitätsmanagementsystems<br />
inso 90<strong>01</strong> um inhaltliche<br />
elemente. eine konformitätsstelle begutachtet<br />
dazu im rahmen eines Präsenztermins die<br />
inhaltlichen aspekte der anforderungen nach<br />
inso 90<strong>01</strong> und erstellt im anschluss einen empfehlungsbericht.<br />
kernpunkte der untersuchung<br />
gelten u. a. der beurteilung des risikomanagements<br />
und des Verfahrenscontrollings. durch<br />
das überprüfte Zertifikat inso 90<strong>01</strong>:2<strong>01</strong>0 dokumentiert<br />
eine kanzlei sowohl den insolvenzge<br />
richten als auch den gläubigern, dass sie sich<br />
erfolgreich einer Fachauditierung des insolvenzspezifischenQualitätsmanagementsystems<br />
unterzogen hat. dieses kann auch zu einer<br />
erhöhten anzahl an sanierungen in der insolvenz<br />
beitragen. denn ein QMs fordert auch den<br />
einsatz betriebswirtschaftlicher tools zum Verfahrens<br />
und kanzleicontrolling.<br />
3. Verfahrens und Kanzleicontrolling,<br />
Transparenz und ReportingTools<br />
Häufig werden von gläubigern wie banken<br />
Mängel in den betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten<br />
und der externen kommunikation bei<br />
insolvenzverwaltern konstatiert 17 . gerade<br />
betriebswirtschaftliche standards sollten daher<br />
nicht nur für die bearbeitung einer einzelnen<br />
im Zweifel großen und bekannten unternehmensinsolvenz,<br />
sondern auch für die gesamtheit<br />
aller durch einen insolvenzverwalter<br />
begleiteten Verfahren gelten. dies kann nur<br />
funktionieren, wenn robuste geschäftsprozesse<br />
als grundlage der steuerung eingeführt<br />
werden.<br />
klar definierte büro und Verfahrensabläufe<br />
in insolvenzkanzleien tragen zur erfüllung<br />
von Qualitätsanforderungen im rahmen von<br />
insolvenzverfahren bei 18 . dazu gehört auch<br />
ein umfassendes Verfahrenscontrolling mit<br />
der vollständigen beschreibung und umsetzung<br />
aller insolvenzspezifischen Prozesse wie<br />
z. b. der systematik der anfechtung, dem debitorenmanagement,<br />
der beschaffung externer<br />
dienstleistungen, der ermittlung von Verfahrenskennzahlen,<br />
der Frühindikatorenanalyse<br />
zur Vermeidung der Massearmut und der<br />
Finanzplanerstellung. auch das kanzleicontrolling<br />
mit dem erstellen von Vergütungsprognosen,<br />
einer kanzleibWa und einem gelebten<br />
risikomanagement führt zur Verbesserung der<br />
Qualität bei der insolvenzabwicklung und einer<br />
erhöhung der Verfahrenstransparenz. die einhaltung<br />
einer Zertifizierungsnorm liefert einen<br />
beitrag zur steigerung der Qualität bei der<br />
insolvenzabwicklung, vergleichbar mit einem<br />
geprüften Produktsiegel (tÜVgeprüft) 19 .<br />
dieses kann auch zur inhaltlichen umschreibung<br />
des kriteriums der „geeignetheit“ eines<br />
insolvenzverwalters i. s. d. § 56 inso beitragen.<br />
nicht nur die insolvenzverfahren sind mit<br />
betriebwirtschaftlichen rechnungslegungs
instrumenten wie einer einheitlichen und aussagekräftigen<br />
schlussrechnung zu begleiten.<br />
auch die steuerung des insolventen unternehmens<br />
im Verfahren muss durch den insolvenzverwalter<br />
mit kennzahlen und integrierten<br />
Planungssystemen erfolgen. ohne eine<br />
betriebswirtschaftliche und controllingbezogene<br />
steuerung lässt sich keine sanierung im<br />
insolvenzverfahren begleiten. dazu sind eine<br />
Planungssoftware und qualifizierte Mitarbeiter<br />
zu deren bedienung vorzuhalten. Zur Verbesserung<br />
der transparenz für gläubiger dienen die<br />
elektronische Forderungsanmeldung und die<br />
offene insolvenzakte, über die mit einem Passwort<br />
geschützt jederzeit einblick in den Verfahrensablauf<br />
genommen werden kann. dadurch<br />
wird die akzeptanz der kreditinstitute auch bei<br />
der begleitung von sanierungen in der insolvenz<br />
erhöht werden. dies ist dringend notwendig,<br />
denn es wird noch viel zu häufig zerschlagen<br />
als saniert.<br />
VI. Nutzen von Mindestanforderungen<br />
und Zertifikaten bei<br />
der Insolvenzabwicklung<br />
die einhaltung von Mindestanforderungen<br />
sowie die einführung von QMs und insolvenzspezifischen<br />
Zertifikaten wie die inso 90<strong>01</strong>:2<strong>01</strong>0<br />
ist eindeutig ein indiz für gelebte Qualität bei<br />
der insolvenzabwicklung. sie erleichtern den<br />
gerichten zudem die arbeit, wenn u. a. einheitliche<br />
und gut strukturierte dokumente und Verzeichnisse<br />
eingereicht werden. daher sollten<br />
diese Qualitätskriterien auch in die auswahlentscheidung<br />
der insolvenzgerichte eingehen.<br />
im rahmen der geplanten Zentralisierung von<br />
insolvenzgerichten sind auch bundeseinheitliche<br />
Qualitätsstandards für eine einheitliche<br />
strukturierte Vorauswahlliste und eine optimale<br />
PrAXISTIPPS<br />
Vergabepraxis denkbar. Viele insolvenzgerichte<br />
leisten derzeit bereits professionelle arbeit in<br />
der insolvenzbegleitung, aber eben nicht alle.<br />
auch insolvenzgerichte könnten mit der einführung<br />
eines QMs ihre eigenen Prozesse vereinheitlichen<br />
und transparent gestalten.<br />
bei der insolvenzverwalterauswahl geht es<br />
um die sache – die rettung von insolventen<br />
unternehmen, bei denen der Fortführungswert<br />
über dem Liquidationswert liegt. eine<br />
merkliche erhöhung der anzahl von sanierungen<br />
wird nur dann erreichbar sein, wenn<br />
die besten Verwalter ausgewählt werden und<br />
sich dieser volkswirtschaftlich wichtigen Materie<br />
der sanierung und restrukturierung in der<br />
insolvenz annehmen. Werden qualitativ hochwertige<br />
Verwalter mit einem optimalen branchen<br />
und größenFit ausgewählt, lassen sich<br />
auch bessere erfolge bei der insolvenzabwicklung<br />
erzielen. u. u. führt ein erhöhtes Vertrauen<br />
in die strukturierte insolvenzabwicklung auch<br />
zu einer früheren insolvenzantragstellung<br />
der schuldner und einer gesteigerten bereitschaft<br />
von kreditinstituten, eine sanierung in<br />
der insolvenz auch mit zusätzlichem geld zu<br />
begleiten. auch banken und sparkassen sollten<br />
in Zukunft auf diese Qualitätskriterien bei<br />
insolvenzverwaltern achten, denn diese erhöhen<br />
die transparenz und im Zweifel auch den<br />
erfolg beim Verfahrensablauf.<br />
sichtbare kriterien für die Qualität bei der insolvenzverwaltung<br />
sind freiwillig eingeführte<br />
standards und erfolgreich durchgeführte Zertifizierungen,<br />
die auch den insolvenzgerichten<br />
ein signal für eine gute Qualität liefern und im<br />
ergebnis zu besseren erfolgen bei der insolvenzabwicklung<br />
führen. dieses bietet allen an<br />
einem insolvenzverfahren beteiligten stakeholdern<br />
erhebliche Vorteile. £<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Eine merkliche<br />
Erhöhung der Anzahl<br />
von Sanierungen wird<br />
nur dann erreichbar<br />
sein, wenn die<br />
besten Verwalter ausgewählt<br />
werden. «<br />
Zertifikate wie die inso 90<strong>01</strong> bieten insolvenzgerichten und gläubigern ein verlässliches signal für nachvollziehbare und<br />
transparente geschäftsprozessen der Verfahrensabwicklung in den kanzleien.<br />
eine konformitätsbescheinigung bietet die Möglichkeit einer Verifizierung der inso 90<strong>01</strong> durch Fachleute vor ort und bietet<br />
den insolvenzgerichten ein weiteres wichtiges auswahlkriterium im Hinblick auf die güte eines insolvenzverwalters.<br />
die Mindestanforderungen an die insolvenzabwicklung (Mainso) bieten allen betroffenen stakeholdern im insolvenzverfahren<br />
verlässliche standards für eine Verfahrensabwicklung und sanierung in der insolvenz auf hohem niveau.<br />
13
14<br />
beitrag<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Vorstand risikomanagement sanierung sicherheitenverwertung<br />
Forderungsbeitreibung investor revision<br />
SicherheitenAußenprüfung<br />
Warenlager<br />
Vorbereitung und durchführung der Prüfung sicherungsübereigneter Warenbestände.<br />
Autor:<br />
Peter Friedmann,<br />
Kreditsekretariat, Bewertung und<br />
Verwertung von Mobilien,<br />
Kreissparkasse Ravensburg.<br />
» Bei allem Informationsbedürfnis<br />
der Bank oder Sparkasse<br />
dürfen die<br />
Kundeninteressen<br />
nicht aus dem Auge<br />
verloren werden. «<br />
I. Einleitung<br />
w die raumsicherungsübereignung von<br />
Warenlagern ist eine v. a. in der Mittelstandsfi<br />
nanzierung eingesetzte und seit langem<br />
anerkannte kreditsicherheit. Mittels einer<br />
raumsicherungsübereignung übereignet der<br />
sicherungsgeber seine sämtlichen gegenwärtigen<br />
und künftig eingebrachten Waren innerhalb<br />
eines bestimmten raums (sicherungsraum)<br />
zur sicherung seiner Verbindlichkeiten<br />
an den sicherungsnehmer.<br />
da sich die übereigneten Waren nicht wie<br />
bei einer Verpfändung im besitz des sicherungsnehmers<br />
befi nden und einem häufi gen<br />
Wechsel unterliegen, ist zur konkreten bestimmung<br />
des Werts einer solchen sicherheit die<br />
regelmäßige Prüfung unerlässlich und wird<br />
auch in den Marisk entsprechend gefordert.<br />
II. Aufbau einer Warenlagerprüfung<br />
die nachfolgende abb. gibt einen kurzen Überblick<br />
über den aufbau und die notwendigen<br />
Abbildung 1: Aufbau einer Warenlagerprüfung<br />
Warenlagerprüfung<br />
bestandteile einer Warenlagerprüfung, die<br />
immer in einem Prüfungsbericht mündet.<br />
die Prüfung vor Ort und damit die inaugenscheinnahme<br />
der sicherheiten ist der Prüfung<br />
an Hand von eingereichten Warenbestandslisten<br />
vorzuziehen, da nur dadurch ein reeller<br />
und praxisnaher eindruck, auch für eine später<br />
mögliche Verwertung der sicherheit, gewonnen<br />
werden kann.<br />
ein weiterer Vorteil der außenprüfung gegenüber<br />
den eingereichten bestandslisten besteht<br />
in der körperlichen Besichtigung der Waren<br />
und der gewissheit, dass die gemeldeten<br />
Waren vorhanden sind.<br />
in den formularmäßigen sicherungsverträgen<br />
sind die Prüfungsrechte des Sicherungsnehmers<br />
geregelt. der sicherungsgeber verpfl ichtet<br />
sich darin, dem sicherungsnehmer oder einem<br />
von ihm beauftragten dritten alle notwen digen<br />
unterlagen und informationen zur Verfügung zu<br />
stellen und Zutritt zum sicherungsgut zu verschaff<br />
en. die Prüfung beim sicherungsgeber<br />
sollte nie unter Zeitdruck stattfi nden, da im<br />
gespräch mit den Verantwortlichen, bewusst<br />
Interne Prüfung Externe Prüfung<br />
Sicherheitenverträge Ergebnisse früherer<br />
Prüfungen<br />
Marktinfos und<br />
Jahresabschluss<br />
Unterlagen vom<br />
Sicherungsgeber<br />
Terminvereinbarung<br />
Einleitung Örtliche<br />
Gegebenheiten<br />
Stichproben Roh/-Hilfs-<br />
/Betriebsstoffe<br />
Unfertige Erzeugnisse Fertigerzeugnisse<br />
Werthaltigkeit
oder unbewusst, wichtige informationen über<br />
den geschäftsverlauf und die sonstigen rahmen<br />
bedingungen erlangt werden.<br />
die jährliche Überprüfung der Sicherheit ist<br />
empfehlenswert. die Prüfungsintervalle sind<br />
von der einschätzung des kreditrisikos beim<br />
jeweiligen kreditnehmer, aber auch von regulatorischen<br />
Vorgaben (Marisk) abhängig.<br />
bei allem informationsbedürfnis der bank oder<br />
sparkasse dürfen die kundeninteressen nicht<br />
aus dem auge verloren werden. Zu häufige<br />
oder zu unpassenden terminen (oster oder<br />
Weihnachtsgeschäft, betriebsferien) durchgeführte<br />
Prüfungen führen unweigerlich zu<br />
einer belastung der kundenbeziehung. Hier<br />
ist Finger spitzengefühl gefragt.<br />
III. Interne Prüfung<br />
die interne Prüfung erfolgt größtenteils ohne<br />
Mithilfe des sicherungsgebers, da im Wesentlichen<br />
die üblichen, beim engagement sowieso<br />
vorliegenden unterlagen geprüft werden.<br />
1. Sicherheitenverträge<br />
Hierzu zählen als erstes die bestehenden<br />
sicherheitenverträge, die hinsichtlich der aktualität<br />
sowie der rechtlichen Haltbarkeit eingehend<br />
begutachtet werden müssen. Weiterhin<br />
sind folgende Punkte zu überprüfen:<br />
sind die Verträge rechtswirksam unterzeichnet?<br />
ist die bestimmtheit der sicherungsgüter<br />
bzw. des sicherungsraums gegeben?<br />
Werden die vereinbarten Meldetermine zur<br />
bestandshöhe und einreichung der Warenbestandslisten<br />
eingehalten?<br />
Liegt eine Verzichtserklärung auf das Vermieterpfandrecht<br />
vor?<br />
sind sicherungsschein oder sicherungsbestätigung<br />
in ausreichender Höhe vorhanden?<br />
2. Frühere Prüfungen<br />
auch die ergebnisse früherer Prüfungen sollten<br />
in die aktuelle Prüfung einbezogen werden.<br />
Vorhandene Mängel einer vorherigen Prüfung<br />
müssen erneut geprüft werden bzw. es sollte<br />
festgestellt werden, ob diese Mängel beseitigt<br />
wurden oder weiterhin bestehen.<br />
bisherige Prüfungsschwerpunkte sind hinsichtlich<br />
der aktualität zu bewerten und ggf.<br />
durch neue schwerpunkte zu ersetzen. bestand<br />
oder besteht ein besonderer anlass für die<br />
durchzuführende Prüfung, vielleicht auf grund<br />
von Veränderungen in der Zusammensetzung<br />
des sicherungsguts oder auf grund von Hinweisen<br />
des betreuenden Firmenkundenberaters?<br />
3. Marktinformationen und Jahresabschlüsse<br />
allgemeine informationen aus der kundenbeziehung<br />
wie z. b. unregelmäßigkeiten in der<br />
kontoführung, Lastschriften oder scheckrückgaben<br />
und dauernde kontoüberziehungen sind<br />
hier ebenso von bedeutung wie das Vorliegen<br />
eines testats für die bilanz (es fand bereits im<br />
rahmen der Jahresabschlussprüfung eine stichprobenartige<br />
kontrolle durch den WP statt).<br />
informationen zur entwicklung in der relevanten<br />
branche, konjunkturelle besonderheiten<br />
oder gesetzlichen Änderungen sowie zu einer<br />
veränderten Finanzierungsstruktur (z. b. erhöhte<br />
inanspruchnahme von Lieferantenkrediten) des<br />
zu prüfenden unternehmens runden das bild ab.<br />
4. Terminvereinbarung zur Prüfung<br />
im Fall einer erstprüfung bei einem kunden<br />
empfiehlt es sich, die kontaktaufnahme und<br />
terminvereinbarung durch den jeweiligen<br />
kundenberater vornehmen zu lassen. dieser<br />
ist dem kunden bekannt, eventuelle Fragen<br />
nach dem Wieso und Weshalb sind schnell<br />
zu beantworten. Wurde bereits eine Prüfung<br />
durchgeführt, so ist die Vereinbarung weiterer<br />
Prüfungstermine durch den Prüfer selbst kein<br />
Problem. der Prüfer und das Procedere sind<br />
dem kunden in der Zukunft bekannt.<br />
im Fall von auffälligkeiten oder negativmerkmalen<br />
in der kundenbeziehung ist eine terminvereinbarung<br />
nicht notwendig. Hier ist eine<br />
unangekündigte Prüfung angebracht und zur<br />
Vermeidung von Manipulationen auch ratsam.<br />
5. Unterlagen vom Sicherungsgeber<br />
um überhaupt eine – stichprobenartige – Prüfung<br />
durchführen zu können, werden unterla<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Im Fall von Auffälligkeiten<br />
oder<br />
Negativmerkmalen<br />
in der Kundenbeziehung<br />
ist eine Terminvereinbarung<br />
nicht<br />
notwendig. Hier ist<br />
eine unangekündigte<br />
Prüfung angebracht<br />
und zur Vermeidung<br />
von Manipulationen<br />
auch ratsam. «<br />
15
eitrag<br />
» Auch durch regelmäßige<br />
und intensive<br />
Prüfungen ist<br />
man vor Betrug durch<br />
den Sicherungsgeber<br />
nicht geschützt. Der<br />
Betrug wird lediglich<br />
erschwert! «<br />
16<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
gen vom sicherungsgeber benötigt, die vorab<br />
beim kunden angefordert werden sollten, um<br />
Verzögerungen am Prüfungstag zu vermeiden.<br />
die wichtigsten unterlagen sind nachfolgend<br />
aufgeführt:<br />
inventurliste möglichst detailliert mit angaben<br />
zu Menge, artikelbezeichnung, Verpackungseinheit,<br />
standort, ekPreis je stück<br />
und gesamtwert des Warenlagers<br />
Liste gegliedert nach der altersstruktur des<br />
Warenbestands<br />
Warenbestandsliste nach umsatz je Produkt<br />
bzw. Produktgruppe („rennerPennerListe“)<br />
kreditoren/oPosListe (gesamtliste, da hieraus<br />
auch eventuelle Miet oder Versicherungsrückstände<br />
erkennbar sind)<br />
Lieferungs/geschäftsbedingungen der<br />
Hauptlieferanten und einkaufsverbände<br />
IV. Externe Prüfung vor Ort<br />
sind alle Punkte der internen Prüfung abgeschlossen<br />
und ist gemeinsam mit dem kunden<br />
ein termin für die Prüfung gefunden, folgt die<br />
arbeit im „außendienst“.<br />
1. Einleitung<br />
auch bei einer Prüfung wie bei jedem anderen<br />
kundentermin sollte man nicht mit der tür<br />
ins Haus gefallen werden. Der Smalltalk mit<br />
den Verantwortlichen gehört dazu. die permanente<br />
anwesenheit des geschäftsführers/<br />
inhabers ist nicht unbedingt erforderlich. eine<br />
entlastung der Verantwortlichen durch das<br />
einbinden weiterer, zuständiger Mitarbeiter<br />
(Lagerverwalter, buchhalter, Controller) entspannt<br />
die ungewohnte situation.<br />
oftmals können über die täglich mit der Lagerverwaltung<br />
oder buchhaltung befasste Person<br />
spezielle informationen erlangt werden. Hierzu<br />
zählt insbesondere die erläuterung der jeweiligen<br />
Warenbestandsliste, die abhängig vom<br />
genutzten Programm immer anders aussieht<br />
und der darin verwendeten abkürzungen, kennzeichnungen<br />
bzw. bedeutung der einzelnen<br />
spalten sowie der enthaltenen Zusatzangaben.<br />
Fragen nach dem Warenlager und den Produkten,<br />
auch ob alle Lager (vielleicht wurde<br />
zwischenzeitlich ein weiteres Lager gemietet/<br />
gekauft) von der Übereignung erfasst sind,<br />
gehören ebenfalls zur einleitenden Phase<br />
wie die geplante, zukünftige entwicklung des<br />
unternehmens oder aufgetretener, besonderer<br />
einflüsse (neue konkurrenz im geschäftsgebiet,<br />
geänderte gesetzliche rahmenbedingungen<br />
etc.). Wie bereits gesagt, kein Zeitdruck<br />
bei einer Prüfung!<br />
2. Örtliche Gegebenheiten<br />
der der sicherungsübereignung angeheftete<br />
Lageplan muss mit den tatsächlichen gegebenheiten<br />
vor ort abgeglichen werden. dazu<br />
ist die besichtigung des gesamten Firmengeländes<br />
notwendig. Hierbei wird gleich ein allgemeiner<br />
eindruck vom Zustand des geländes<br />
und der gebäude gewonnen. auch der erste<br />
eindruck vom Warenlager zählt dazu. sind die<br />
Lagerflächen überfüllt, teile der Waren verstaubt<br />
oder gar beschädigungen an den Verpackungen<br />
vorhanden, kann eine ausweitung<br />
des eigentlich vorgesehenen Prüfungsumfangs<br />
erwogen werden.<br />
3. Stichproben<br />
es ist nicht Sinn und Zweck einer Warenlagerprüfung,<br />
dem Kunden die jährliche<br />
Inventur seines Warenlagers abzunehmen,<br />
sondern die angaben des kunden zu überprüfen.<br />
eine Prüfung kann daher nicht vollständig<br />
sein, sondern wird sich im rahmen von hinreichenden<br />
stichproben (20 – 50%) bewegen,<br />
die dem Prüfer als ausreichend zur Verifizierung<br />
der kundenangaben erscheinen. auch durch<br />
regelmäßige und intensive Prüfungen ist man<br />
vor betrug durch den sicherungsgeber nicht<br />
geschützt. der betrug wird lediglich erschwert!<br />
Zur stichprobenartigen Prüfung zählen insbesondere<br />
die Abstimmung von Soll- und Istbestand<br />
in ausgewählten Positionen sowie<br />
die klärung möglicher differenzen (Lieferschein<br />
noch nicht verbucht, rechnung wurde gerade<br />
geschrieben etc.). auch die anbringung von<br />
geforderten kennzeichnungen (sicherungsübereignung<br />
mit kennzeichnungspflicht) bzw.<br />
der genannten Verpackungseinheiten auf einzelentnahmen<br />
sollten geprüft werden. ein<br />
blick auf die einkaufsrechnungen und der Vergleich<br />
der dort angegebenen Preise mit den<br />
in der Warenbestandsliste verbuchten Preise
sowie die Überprüfung der meist vorhandenen<br />
eigentumsvorbehaltsrechte an Hand der<br />
Lieferbedingungen rundet die stichprobenartige<br />
Prüfung ab.<br />
4. Roh/ Hilfs/ Betriebsstoffe<br />
Hier ist zu klären, ob die vorgefundenen<br />
bestände auftragsbezogen sind oder ob eventuell<br />
nach gutdünken eingekauft wird. bei<br />
losen stoffen, z. b. Flüssigkeiten oder siloware,<br />
ist die art der inventarisierung zu prüfen. insbesondere<br />
bei rohstoffen, die starken Preisschwankungen<br />
unterliegen, sollte geklärt<br />
werden, wie diese Preisschwankungen in der<br />
bewertung berücksichtigt werden. in seltenen<br />
Fällen befinden sich im Lager auch Kommissions-<br />
oder gar Konsignationswaren, die gar<br />
nicht in der Warenbestandsliste auftauchen<br />
dürfen, aber trotzdem enthalten sind. bei der<br />
Prüfung sollte immer zu diesen in Fremdeigentum<br />
stehenden Waren nachgefragt werden.<br />
5. Unfertige Erzeugnisse<br />
gerade die unfertigen erzeugnisse bieten einen<br />
erheblichen bewertungsspielraum. Hier stellt<br />
sich die Frage, ob auftragsbezogen oder für<br />
einen geplanten, noch nicht konkretisierten<br />
Verkauf produziert wird und ob die halbfertigen<br />
arbeiten dem aktuellen auftragsbestand<br />
oder dem normalen umsatz des unternehmens<br />
entsprechen.<br />
Werden teile des Warenlagers bei dritten bearbeitet<br />
bzw. veredelt, sog. schwimmende Ware,<br />
sind diese Waren zumindest zeitweise nicht im<br />
sicherungsraum. der anteil dieser Waren ist<br />
festzustellen und bei der bewertung zu berücksichtigen.<br />
kritisch zu hinterfragen ist, ob die<br />
unfertigen erzeugnisse im Fall einer Verwertungsmaßnahme<br />
überhaupt verkäuflich sind.<br />
6. Fertige Erzeugnisse/Handelswaren<br />
die Position, mit der im Verwertungsfall der<br />
größte erlös erzielt werden kann, bedarf einer<br />
genaueren betrachtung, die sich auf die Zusammensetzung<br />
der artikel bezieht:<br />
Lagern bei saisonwaren auch güter aus<br />
den Vorjahren?<br />
erfolgt eine vollständige Farb und größensortierung,<br />
z. b. bei textilien, schuhen etc.?<br />
Werden Waren für kunden mit eigenem<br />
Label gelagert (Verkaufshemmnis)?<br />
ist bei verderblichen Waren das Mindesthaltbarkeitsdatum<br />
überschritten, droht<br />
oder besteht schädlingsbefall und werden<br />
die Lagerbestimmungen, wie temperatur<br />
etc., eingehalten?<br />
Liegen bei Problemwaren (Chemikalien,<br />
Waffen, Munition, Pharmaprodukte) die<br />
erforderlichen genehmigungen für Lagerung<br />
und Verkauf vor und sind sicherheitsbestimmungen<br />
hinsichtlich der Lagerung<br />
eingehalten?<br />
befinden sich, v. a. bei schlecht erreichbarer<br />
Ware (lange kartonreihen, hohe Lagerregale),<br />
auch blindkartons? nicht der erste<br />
karton sondern der letzte ist interessant.<br />
sind Musterartikel, restpartien, reparaturstücke,<br />
ZweiteWahlartikel, retouren oder<br />
„Liebhaberstücke“ vorhanden?<br />
7. Werthaltigkeit der übereigneten<br />
Waren<br />
unmittelbar vor ort beim kunden muss eine<br />
grobe einschätzung der Werthaltigkeit des<br />
sicherungsguts getroffen werden. Handelt<br />
es sich um konsumgüter, die von jedermann<br />
gebraucht werden, ist die Werthaltigkeit deutlich<br />
höher einzuschätzen als bei speziellen artikeln,<br />
die nur von wenigen oder gar einzelnen<br />
nutzern benötigt werden. unfertige erzeugnisse<br />
sind meist unverkäuflich, gleiches gilt<br />
für artikel mit geringer stückzahl oder gar<br />
„lagertreue“ Waren. auch bei Waren mit Label<br />
eines Dritten ist die Werthaltigkeit fraglich,<br />
da zu einem Verkauf die Zustimmung<br />
dieses dritten benötigt wird bzw. der dritte<br />
als einziger abnehmer den Preis diktieren<br />
kann.<br />
V. Prüfungsbericht<br />
den abschluss einer jeden Warenlagerprüfung<br />
bildet der Prüfungsbericht, in dem alle erkenntnisse<br />
der beiden teilbereiche einer Prüfung<br />
abschließend schriftlich festgehalten werden.<br />
ein Prüfungsbericht sollte folgende angaben<br />
enthalten:<br />
datum der aktuellen und der letzten Prüfung.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Kritisch zu hinterfragen<br />
ist, ob die<br />
unfertigen Erzeugnisse<br />
im Fall einer<br />
Verwertungsmaßnahme<br />
überhaupt<br />
verkäuflich sind. «<br />
17
18<br />
beitrag<br />
» Bilder, die während<br />
der Prüfung<br />
beim Kunden mit<br />
dessen Einverständnis<br />
gemacht wurden,<br />
geben dem Adressat<br />
des Berichts einen<br />
Einblick in die vom<br />
Prüfer vorgefundenen<br />
Verhältnisse<br />
beim Kunden und<br />
dienen gleichzeitig<br />
Beweiszwecken. «<br />
PrAXISTIPPS<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
name und anschrift des kunden, name des<br />
Prüfers sowie der bei der Prüfung anwesenden<br />
Personen.<br />
auflistung der vom kunden erhaltenen<br />
unterlagen.<br />
datum, art, besondere Vereinbarungen des<br />
sicherungsvertrags sowie eine aussage zu<br />
dessen durchsetzbarkeit.<br />
Jahresabschluss (testierte bilanz, sicherungsübereignung<br />
aus bilanz ersichtlich<br />
etc.).<br />
Örtlichkeiten (Lageplan stimmt überein,<br />
eigentum oder gemietet, Vermieterpfandrecht,<br />
Mietrückstände, Zustand allgemein).<br />
Vergleichszahlen zur Höhe des Warenbestands<br />
zumindest der letzten drei Jahre.<br />
art und umfang der Versicherung, nachweis<br />
für die bezahlung der beiträge, Vorliegen<br />
des sicherungsscheins und aus reichende<br />
Höhe der Versicherungssumme.<br />
art und Zusammensetzung der übereigneten<br />
Waren (Preise, alter, Verwertbarkeit<br />
usw.)<br />
allgemeine und besondere beobachtungen<br />
und anmerkungen sowie Handlungsnotwendigkeiten.<br />
kein Zeitdruck bei einer Prüfung – jedes thema kann zielführend sein.<br />
erstellen sie vorher einen Fragenkatalog und arbeiten sie diesen gezielt ab.<br />
Fertigen sie einen Musterprüfungsvordruck an.<br />
eindeutige bewertungsaussage mit ausweis<br />
der getätigten abschläge.<br />
bilder, die während der Prüfung beim kunden<br />
mit dessen einverständnis gemacht wurden,<br />
geben dem adressat des berichts einen einblick<br />
in die vom Prüfer vorgefundenen Verhältnisse<br />
beim kunden und dienen gleichzeitig beweiszwecken.<br />
sinnvoll ist sicherlich die erstellung<br />
eines Musterprüfungsberichts, der durchgängig<br />
von allen mit der Prüfung betrauten Personen<br />
verwendet wird, um klare strukturen und<br />
eine kontinuität in der darstellung zu erreichen.<br />
diese Vorgehensweise erleichtert den Marktmitarbeitern<br />
die Auswertung der Prüfungsberichte<br />
für ihre bedürfnisse und den Prüfern die<br />
eigentliche Prüfung, da sie sich nicht jedes Mal<br />
neu auf einen bericht einstellen müssen.<br />
eine Warenlagerprüfung dient der internen<br />
Wertermittlung. die offenlegung des Prüfungsergebnisses<br />
ist nicht notwendig und in<br />
den wenigsten Fällen ratsam. darin enthaltene<br />
angaben, insbesondere zu den ergebnissen der<br />
internen Prüfung, sind nicht für den kunden<br />
bestimmt. £<br />
Legen sie hausinterne Vorgaben fest, wann und in welchen Zeitabständen eine Warenlagerprüfung zwingend durchzuführen<br />
ist.
Vorstand risikomanagement sanierung sicherheitenverwertung<br />
I. Einleitung<br />
Forderungsbeitreibung investor revision<br />
Organisation des Bauträgerkreditgeschäfts<br />
ablauf und aufbauorganisatorische rahmenbedingungen für das bauträgerkreditgeschäft<br />
am beispiel der sparkasse Hanau.<br />
w die Finanzierung von bauträgerprojekten<br />
wird aufgrund des gewerblichen Charakters<br />
der kundenbeziehung dem Firmenkundenkreditgeschäft<br />
zugerechnet. aus dieser klassischen<br />
Zuordnung heraus erfolgte die kundenbetreuung<br />
in der sparkasse Hanau durch die<br />
Firmenkundenbetreuer des s FirmenCenter.<br />
gleichzeitig wurde die bonitätsanalyse und<br />
die kreditsachbearbeitung für das bauträgergeschäft<br />
durch die abteilung Firmen, gewerbe<br />
und kommunalkunden innerhalb der Zentralen<br />
kreditabteilung durchgeführt. aber auch<br />
andere risikorelevante immobilienfi nanzierungen,<br />
z. b. das kreditgeschäft mit baugenossenschaften,<br />
wurde auf Marktfolgeseite durch die<br />
abteilung Firmen, gewerbe und kommunalkunden<br />
bewertet und bearbeitet.<br />
die kundenbetreuung erfolgte, je nach kundenprofi<br />
l, durch den einzelnen kundenberater<br />
im sFirmenCenter, dem sVermögensmangagement<br />
oder dem simmobilienCenter. Mit der<br />
entscheidung der sparkasse im Jahr 2007, das<br />
kreditgeschäft mit professionellen immobilienkunden<br />
zu forcieren und weiter auszubauen,<br />
wurden verschiedene aufbauorganisatorische<br />
Veränderungen umgesetzt.<br />
Motivation war – neben dem Ausbau von<br />
Ertragspotenzialen, die das gewerbliche immobilienkreditgeschäft<br />
bietet – auch die frühzeitige<br />
anpassung an die anforderungen, die die städtebauliche<br />
entwicklung in der stadt Hanau erfordert.<br />
so ist u. a. im Juni 2008 das Vergabeverfahren<br />
„Wettbewerblicher dialog innenstadt Hanau“<br />
offi ziell im amtsblatt der europäischen union<br />
veröff entlicht worden. im rahmen des wettbewerblichen<br />
dialoges wird die stadt Hanau mit<br />
privatwirtschaftlichen Partnern die entwicklung<br />
des zentralen innerstädtischen bereichs entlang<br />
einer achse aus innerstädtischen Plätzen in der<br />
nächsten dekade städtebaulich entwickeln. aber<br />
auch andere positive standortfaktoren des oberzentrums<br />
Hanau, große freigewordene konversionsfl<br />
ächen der ehemaligen usarmee die einer<br />
städtebaulichen nutzung zugeführt werden<br />
sollen und die nähe zum rheinMaingebiet,<br />
lassen dynamische Veränderungen, einhergehend<br />
mit einer positiven entwicklung am lokalen<br />
immobilienmarkt, erwarten.<br />
um dieser entwicklung, aber auch den höheren<br />
ausfallpotenzialen von gewerblichen immobilienfi<br />
nanzierungen und bauträgern adäquat<br />
rechnung zu tragen, wurden neben den<br />
Firmen und gewerbekundenbetreuern des<br />
sFirmenCenters spezialisierte kundenbetreuer<br />
mit der Pfl ege und dem ausbau der kundenbeziehungen<br />
mit den bestehenden immobilienkunden<br />
betraut. Weiterhin ist beabsichtigt,<br />
durch die ausrichtung auf das segment professionelle<br />
immobilienkunden neukundenbeziehungen<br />
aufzubauen.<br />
einhergehend mit der ausrichtung der Vertriebseinheit<br />
wurden Modifi kationen innerhalb<br />
der Zentralen kreditabteilung vorgenommen.<br />
neben der abteilung Firmen gewerbe und<br />
kommunalkunden wurde die abteilung<br />
gewerbliche immobilienfi nanzierungen, mit<br />
auf das immobiliengeschäft spezialisierten kreditanalysten<br />
und sachbearbeitern, aufgebaut.<br />
diese aufbauorganisatorischen anpassungen<br />
an die kreditprozesse wurden auch durch die<br />
empfehlungen des Modell k – Modellorganisation<br />
effi ziente und risikoorientierte kreditbearbeitung<br />
des deutschen sparkassen und giroverbands<br />
(dsgV) untermauert.<br />
II. Kundenbetreuung erfolgt<br />
durch spezialisierte Firmenkundenberater<br />
unter dem Geschäftsfeld „Gewerbliche<br />
Immobilienfi nanzierungen“ werden im<br />
Autor:<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
Alexander Thiel,<br />
Gruppenleiter Gewerbliche<br />
Immobilienfinanzierung,<br />
Sparkasse Hanau.<br />
» Modifikationen<br />
der standardisierten<br />
Kredit- und Sicherheitenverträgewerden<br />
nur in begründeten<br />
Ausnahmefällen<br />
und in enger Abstimmung<br />
mit der Rechtsabteilungvorgenommen.<br />
«<br />
19
eitrag<br />
» Um den Risiken<br />
aus dem Bauträgerkreditgeschäft<br />
adäquat zu begegnen,<br />
ist eine effiziente<br />
Aufbau- und Ablauforganisation<br />
sowie<br />
ein konsequentes<br />
Risikomanagement<br />
unerlässlich. «<br />
20<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
schwerpunkt komplexe immobilienkunden<br />
mit einem kreditvolumen von mind. 750.000 €<br />
zusammengefasst. als immobilienkunden<br />
werden private wie auch gewerbliche kreditnehmer<br />
klassifiziert, deren geschäftstätigkeit<br />
bzw. investitionsentscheidung im immobilienbereich<br />
liegt oder die relevanten Cashflows zur<br />
bedienung des kapitaldiensts aus immobilieninvestitionen<br />
erwirtschaftet werden. Hierunter<br />
werden neben den klassischen privaten immobilieninvestoren,<br />
die als bestandshalter von<br />
Wohnimmobilien bzw. kleineren Portfolios auftreten,<br />
auch gewerblich tätige immobilieninvestoren<br />
wie z. b. grundstückshändler, bauträgerunternehmen,<br />
Projektentwickler sowie die<br />
regional tätigen baugenossenschaften zusammengefasst.<br />
als regionale sparkasse im rhein<br />
Maingebiet liegt der Fokus bei bauträgermaßnahmen<br />
bis zu einem Volumen von zehn Mio. €.<br />
insbesondere bei spezialimmobilien und je<br />
nach Fallkonstellation wird mit anderen sparkassen<br />
oder der Landesbank Hessenthüringen<br />
im konsortialkreditgeschäft zusammengearbeitet.<br />
die kundenbetreuung der immobilienkunden<br />
erfolgt über das sFirmenCenter mit<br />
separaten ansprechpartnern aus der Firmenkundenabteilung.<br />
durch die Zusammenführung<br />
der immobilienlastigen bestandskunden<br />
betreuen diese Firmenkundenberater ausschließlich<br />
großvolumige immobilienkunden.<br />
aufgrund der Spezialisierung im aufgabengebiet<br />
und der kenntnis über das von der sparkasse<br />
gewünschte risikoprofil, erfolgt auf der<br />
Vertriebsseite bereits eine erste, zügige Vorselektion<br />
von Finanzierungsanträgen. neben<br />
der betreuung des immobilienkunden in allen<br />
bankbetrieblichen Fragestellungen erstellt die<br />
kundenbetreuung eine schriftliche bonitätsbeurteilung<br />
Markt. die bonitätsbeurteilung Markt<br />
wird als anlage an die kreditvorlage den gremien<br />
der sparkasse vorgelegt. als grundlage<br />
für die kreditentscheidung wird die einschätzung<br />
des Projekterfolgs des bauvorhabens (z. b.<br />
über zu realisierende Verkaufs und/oder Mieterlöse)<br />
und die unternehmerbeurteilung vorgenommen.<br />
insbesondere im bauträgergeschäft<br />
ist die einschätzung der beruflichen erfahrung,<br />
der bauexpertise, der kaufmännischen Fähigkeiten<br />
und die integrität des bauunternehmers,<br />
aber auch eine gute Markt und ortskenntnis<br />
über den regionalen immobilienmarkt und das<br />
nachfrageverhalten der endkunden durch den<br />
Firmenkundenberater entscheidend.<br />
die kreditanträge werden mit den relevanten<br />
unterlagen zum bauvorhaben und zur bonität<br />
des kreditantragstellers an den spezialisierten<br />
bereich innerhalb der Zentralen kreditabteilung<br />
zur weiteren bearbeitung gegeben. die<br />
sparkasse Hanau hat für die bearbeitung von<br />
allen kreditanträgen Vorgaben für die durchlaufzeiten<br />
(serviceLevelagreement) in der<br />
Marktfolge vereinbart. auch für die bearbeitung<br />
von komplexen immobilienfinanzierungen<br />
wurden serviceLevels vereinbart, so dass<br />
auch in diesem geschäftsfeld die Firmenkundenberatung<br />
eine orientierungsgröße für die<br />
bearbeitungszeit – unter berücksichtigung<br />
der bearbeitungsfähigkeit des kreditantrags –<br />
mit dem kreditantragsteller besprechen kann.<br />
aufgrund der vereinbarten serviceLevel und<br />
der engen abstimmung zwischen Markt und<br />
Marktfolge ist es möglich, den kreditantragstellern<br />
– insbesondere im neukundengeschäft –<br />
ein schnelles Feedback zu ihrem Finanzierungsantrag<br />
zu geben.<br />
III. Spezialisierung setzt sich in<br />
der Markfolge fort<br />
die Aufgabenstellung der Marktfolge ist es,<br />
die eingereichen bonitäts und bauunterlagen<br />
nach den hausinternen standards für komplexe<br />
immobilienfinanzierungen auszuwerten. im<br />
Fall von bauträgerfinanzierungen wird ebenfalls<br />
eine standortbewertung und eine beurteilung<br />
des Vertriebskonzepts vorgenommen.<br />
die kreditentscheidung zur Finanzierung von<br />
großvolumigen immobilienprojekten oder bauvorhaben<br />
wird anhand immobilienspezifischer<br />
Parameter (z. b. dem LoantoValue oder der zu<br />
erzielenden nachhaltigen Jahresnettomiete)<br />
beeinflusst. im gegensatz zum klassischen<br />
Firmen kundenkredit sind somit grundsätzlich<br />
andere kennzahlen und entscheidungs größen<br />
relevant. um diesen anforderungen an das<br />
kredit geschäft gerecht zu werden, ist es für die<br />
Firmenkundenberater und die kreditanalysten<br />
wichtig, neben einer langjährigen erfahrung im<br />
gewerblichen kreditgeschäft auch über gute<br />
kenntnisse der kreditentscheidungsparameter<br />
für immobilieninvestitionen zu verfügen.<br />
die ermittelten ergebnisse und informationen<br />
werden anschließend durch den kreditanalysten<br />
im rahmen einer kreditentscheidungsvorlage<br />
für die jeweilige kompetenzebene
zusammengefasst und mit einer Handlungsempfehlung<br />
versehen. die kreditvorlage wird<br />
dann einer entscheidung durch die gremien<br />
der sparkasse zugeführt. da es sich bei diesen<br />
kreditentscheidungen regelmäßig um risikorelevantes<br />
kreditgeschäft handelt, sind stets die<br />
zustimmenden Voten von Markt und Marktfolge<br />
einzuholen.<br />
neben der bonitäts und bauvorhabensbeurteilung<br />
wird auch die Kreditsachbearbeitung<br />
durch das spezialistenteam in der Marktfolge<br />
vorgenommen. im kreditgeschäft mit bauträgern<br />
sind diverse besonderheiten bei der Vertragsgestaltung<br />
und der operativen abwicklung<br />
des kreditengagements zu beachten.<br />
insbesondere die Vorgaben der Makler und<br />
bauträgerverordnung (MabV) sind zu beachten,<br />
aber auch weitere gesetzliche regelungen<br />
wie das Forderungssicherungsgesetz<br />
oder das gesetz zur eindämmung von illegaler<br />
betätigung im baugewerbe (auch bekannt<br />
unter dem stichwort „bauabzugssteuer“) und<br />
interne, aus risikogesichtspunkten, einzuhaltende<br />
sachbearbeitungsstandards (z. b. das<br />
ZweikontenModell).<br />
Hieraus resultieren besondere anforderungen<br />
an das Vertragswerk und die abwicklung<br />
der grundstücks und aufbaufinanzierung<br />
zwischen dem bauträger und der sparkasse.<br />
gemeinsam mit der rechtsabteilung und den<br />
empfehlungen des sparkassen und giroverbands<br />
wurde eine standardisierte kreditzusage<br />
formuliert. ebenfalls werden die Verlagsvordrucke<br />
des sparkassenverlags für die erstellung der<br />
kreditsicherheitenverträge genutzt. Modifikationen<br />
der standardisierten kredit und sicherheitenverträge<br />
werden nur in begründeten<br />
ausnahmefällen und in enger abstimmung<br />
mit der rechtsabteilung vorgenommen.<br />
IV. Organisatorische Zuständig <br />
keiten und Rahmenbedingungen<br />
sind klar zu regeln<br />
um den risiken aus dem bauträgerkreditgeschäft<br />
adäquat zu begegnen, ist eine effiziente<br />
aufbau und ablauforganisation sowie<br />
ein konsequentes risikomanagement unerlässlich.<br />
Aufbauorganisatorisch muss die Zuständigkeit<br />
der spezialistenteams im Markt und der<br />
Marktfolge klar geregelt werden. insbesondere<br />
im bauträgergeschäft wurden die Zuständigkeiten<br />
zwischen anderen Vertriebsbereichen<br />
mit bezug auf immobilienkredite (z. b. das<br />
simmobilienCenter oder die gewerbekundenabteilung)<br />
klar abgegrenzt. unwägbarkeiten<br />
sind hier insbesondere bei sog. „verdeckten<br />
bauträgerfinanzierungen“ von kleinen bauunternehmen<br />
oder nicht hauptgewerblichen<br />
bauträgern zu sehen. als mögliche ausnahme<br />
werden mittelgroße immobilienfinanzierungen<br />
(z. b. die Finanzierung des kaufpreises für ein<br />
großes Mehrfamilienhaus zur kapitalanlage)<br />
vertriebsseitig in den Fachmärkten (simmobilienCenter<br />
oder sVermögensmanagement)<br />
abgewickelt. die abwicklung der kreditsachbearbeitung<br />
und die bonitätsanalyse dieser<br />
kreditanträge erfolgt in abhängigkeit von der<br />
komplexität und des gesamtobligos in der<br />
Marktfolge durch die Mitarbeiter der abteilung<br />
Firmen, gewerbe und kommunalkunden oder<br />
der gewerblichen immobilienfinanzierung.<br />
neben der bewertung des bauvorhabens aus<br />
Vertriebsperspektive unter den Prämissen<br />
Marktgängigkeit, endkundennachfrage, standort<br />
usw. wird ebenfalls eine beleihungswertermittlung<br />
des bauvorhabens im rahmen der<br />
kreditbesicherung vorgenommen. die bewertung<br />
des bauvorhabens wird anhand der internen<br />
regelungen unter berücksichtigung der<br />
Hessischen beleihungsgrundsätze (Hessbelgrd)<br />
vorgenommen. die beleihungs und Verkehrswertermittlung<br />
erfolgt durch vereidigte grundstücksschätzer<br />
der sparkasse. bei besonderen<br />
immobilien wird die Zentrale schätzstelle<br />
der sparkasse mit der bewertung beauftragt.<br />
da die Zentrale schätzstelle mit zertifizierten<br />
immobiliengutachtern besetzt ist, werden die<br />
anforderungen der belWertV 1 umgesetzt, so<br />
dass die erstellten beleihungswertermittlungen<br />
auch als grundlage für das Pfandbriefgeschäft<br />
eingesetzt werden können.<br />
Ablauforganisatorisch wurde speziell für das<br />
bauträgerkreditgeschäft eine separate arbeitsanweisung<br />
erstellt. Hier wurden die operative<br />
abwicklung der kreditengagements in der kreditsachbearbeitung,<br />
die Vertragsgestaltung der<br />
kredit und sicherheitenverträge und die Mindestinhalte<br />
der bauvorhabensbewertung und<br />
bonitätsbeurteilung festgelegt. abweichungen<br />
von der arbeitsanweisung sind in der kreditvorlage<br />
explizit zu nennen und separat durch den<br />
kompetenzträger zu bewilligen.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Die wesentlichen<br />
Fehlentwicklungen<br />
sind im Vertriebsrisiko<br />
und dem<br />
Bau kostenrisiko<br />
zu sehen. «<br />
1 Verordnung über die ermittlung der beleihungswerte<br />
von grundstücken.<br />
21
22<br />
beitrag<br />
» Ein weiteres<br />
wichtiges Element<br />
ist das laufende<br />
Bau-Controlling. «<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Von der sparkassen rating und risikosysteme<br />
gmbH wurde das immobiliengeschäftsrating<br />
als risikoklassifizierungsverfahren für immo <br />
bilienkunden entwickelt. in der sparkasse<br />
Hanau wird dieses ratingsystem für alle immobilienkunden<br />
eingesetzt. das risikoklassifizierungsverfahren<br />
kann aufgrund des modularen<br />
aufbaus für bauträger und für bestandshalter<br />
eingesetzt werden. die ratingnote wird als<br />
risikokennziffer zur klassifizierung des kreditengagements<br />
für die kreditrisikostrategie und<br />
das risikoreporting nach Marisk genutzt.<br />
V. Operatives Risikomanagement<br />
während der Bauphase<br />
das wesentliche ausfallrisiko einer bauträgermaßnahme<br />
liegt in der Fehlentwicklung innerhalb<br />
des bauvorhabens, da die rückzahlung<br />
des bauträgerkredits i. d. r. auf die zu erwartenden<br />
Verkaufserlöse aus dem bauvorhaben<br />
abgestellt wird. die wesentlichen Fehlentwicklungen<br />
sind im Vertriebsrisiko und dem baukostenrisiko<br />
zu sehen.<br />
das Vertriebsrisiko beinhaltet einen nicht ausreichenden<br />
oder nur zögerlichen abverkauf<br />
der zu erstellenden einheiten. Hierzu werden<br />
im Vorfeld individuelle Vorverkaufsstände von<br />
dem bauträger verlangt, ggf. modifiziert an die<br />
bereitstellung der grundstücksfinanzierung<br />
und die aufbaufinanzierung. um einen erfolgreichen<br />
und zügigen abverkauf sicherzustellen,<br />
ist das Vertriebskonzept eingehend zu prüfen<br />
und der bisherige track record zu beurteilen.<br />
Während der aufbauphase werden regelmäßig<br />
die Vertriebsstände abgefragt und mit dem Vertriebskonzept<br />
abgeglichen.<br />
um den risiken des Baukostenrisikos zu<br />
begegnen, werden bauzwischenfinanzierungen<br />
grundsätzlich nur im ZweikontenModell<br />
und gegen strenge Mittelverwendungskontrolle<br />
zur Verfügung gestellt. ein weiteres wichtiges<br />
element ist das laufende bauControlling.<br />
Hierunter ist insbesondere die regelmäßige<br />
Überwachung anhand von bautenstandsberichten<br />
und der baukostensollistabgleichen<br />
des bauleitenden architekten zu verstehen.<br />
ebenfalls wird die baustelle regelmäßig durch<br />
den Firmenkundenberater und in besonderen<br />
Fällen auch durch den kreditanalysten oder<br />
einen Mitarbeiter der Zentralen schätzstelle<br />
besichtigt, der den gemeldeten mit dem aktuellen<br />
bautenstand abgleicht.<br />
um die vorgenannten risiken komprimiert und<br />
standardisiert aufzubereiten wird in der kreditsachbearbeitung<br />
ein dvgestütztes Bauträger-<br />
Tool gepflegt. in diesem bauträgertool werden<br />
die protokollierten kaufverträge und von den<br />
endkunden gezahlten kaufpreisraten sowie<br />
die vom bauträger kommunizierten baukosten<br />
inkl. eines sollistabgleichs gepflegt. so<br />
ist es dem kreditanalysten jederzeit möglich,<br />
sich ein aktuelles bild über den abverkauf der<br />
erzielten einheiten, die entwicklung der baukosten<br />
und das restrisiko bezogen auf noch zu<br />
verkaufende einheiten zu ermitteln.<br />
ein wichtiges element des risikomanagements<br />
für bauträgerfinanzierungen ist das<br />
regelmäßige reporting an den risikomanager<br />
und den gesamtvorstand der sparkasse.<br />
Hierzu werden in einem regelmäßigen turnus<br />
alle laufenden bauträgerfinanzierungen,<br />
gegliedert nach wohnwirtschaftlichen bauvorhaben,<br />
gewerblichen Projektentwicklungen<br />
und grundstücksentwicklungen durch<br />
die Marktfolge aufbereitet und in einer Watch-<br />
List zusammengefasst. neben der kurzdarstellung<br />
des Projekts, dem reporting der Verkaufsstände<br />
und der baukostenentwicklung sind<br />
redaktionelle kommentierungen der Marktfolge<br />
möglich. diese WatchList wird durch<br />
den risikomanager gesichtet und in den kreditsitzungen<br />
des gesamtvorstands eingehend<br />
besprochen.<br />
gem. den Mindestanforderungen an das risikomanagement<br />
(Marisk) spiegelt sich das<br />
geschäftsfeld „gewerbliche immobilienfinanzierungen“<br />
in den Vorgaben der Kreditrisikostrategie<br />
wider. Über die Festlegung<br />
von max. einzelkreditgrößen unter berücksichtigung<br />
des adäquaten risikoklassifizierungsverfahrens<br />
wurden kreditrisikostrategiekonforme<br />
engagementobergrenzen festgelegt. Werden<br />
diese obergrenzen überschritten, wird der kreditnehmer<br />
im vierteljährlichen kreditrisikobericht<br />
separat an den gesamtvorstand und den<br />
kreditausschuss reportet. Weiterhin wurden<br />
immobilienspezifische Finanzierungskennzahlen<br />
(u. a. LoantoValue) sowie vertretbare<br />
bandbreiten im gewerblichen immobilienkreditgeschäft<br />
in die kreditrisikostrategie aufgenommen.<br />
£
Abbildung 1: reporting Bauträger/Spezialimmobilien<br />
Bauträger<br />
Mustermann Bauträger<br />
GmbH & Co. KG<br />
Beispiel Baubetreuung<br />
GmbH<br />
ABC Projektentwickler<br />
e. K.<br />
Erstellt:<br />
Geprüft:<br />
Projektkonto-Nr.<br />
PrAXISTIPPS<br />
Veränderungen gegenüber dem letzten Report<br />
Stand: 20. 11.2<strong>01</strong>0<br />
Projektart<br />
Bauvorhaben<br />
12345 wohnwirt. MFH<br />
Beispielstraße<br />
63450 Hanau<br />
7891<strong>01</strong>1 GuB Umlegung,Erschließ-<br />
-ung,Baugrundstücke<br />
Max Maus Str., 63450<br />
Hanau<br />
60708090 gewerbl. Fachmarktzentrum<br />
Einkaufsplatz, 63450<br />
Hanau<br />
Datum/ Unterschrift<br />
Datum/ Unterschrift<br />
Stand:06.12.2<strong>01</strong>0 /14:32<br />
Kreditlinie<br />
T€<br />
Inanspruchnahme<br />
T€<br />
Einheiten<br />
verkaufte<br />
Einheiten<br />
Vorverkaufsauflage<br />
Geplanter m²-<br />
Preis €<br />
Reporting Bauträger/ Spezialimmobilien<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
kreditinstitute sollten eine klare entscheidung für oder gegen das bauträgerkreditgeschäft treffen. die notwendigen<br />
operativen wie strategischen anpassungen in den geschäftsprozessen sollten dann zügig umgesetzt werden.<br />
nur in immobilienmärkten und in größenklassen kredite vergeben, die durch die Mitarbeiter des kreditinstituts gut eingeschätzt<br />
und operativ abgewickelt werden können.<br />
komplexe gewerbliche immobilienfinanzierungen und insbesondere das bauträgerkreditgeschäft sollten ausschließlich<br />
durch die spezialisierten expertenteams im Markt und der Marktfolge bearbeitet werden.<br />
erzielter m²-Preis<br />
€<br />
Baukostensteigerung<br />
Bautenstand<br />
Beschluss per<br />
(Befristung bis)<br />
2.976 2.780 6 5 2 WE 3.370 3.389 nein 65% 30.10.2007 Die Objekte sind vor der Fertigstellung. Momentan werden die<br />
(30.12.2<strong>01</strong>0) Außenanlagen hergerichtet. Bei der noch zu verkaufenden Wohnung<br />
handelt es sich um die EG-Wohnung B2.<br />
684 684* 2.867<br />
m²<br />
979<br />
m²<br />
900 425 1 1 entfällt 1.300<br />
TEUR<br />
Kenntnisnahme:<br />
Sonstiges<br />
entfällt 394 466 entfällt entfällt 27.06.2007 * davon TEUR 95 als Bürgschaft für Grundstückskaufvertrag<br />
(30.06.2<strong>01</strong>1)<br />
1.300 nein 60% 29.06.2<strong>01</strong>0<br />
TEUR<br />
(30.09.2<strong>01</strong>1)<br />
Gesamtvorstand<br />
23
24<br />
beitrag<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Vorstand risikomanagement sanierung sicherheitenverwertung<br />
Forderungsbeitreibung investor revision<br />
Bankentgelte: Massemehrung<br />
durch die Hintertüre?<br />
risiko für banken durch rückforderung von unzulässigen und/oder überhöhten<br />
bankentgelten durch den insolvenzverwalter.<br />
Autoren:<br />
Dr. Christoph Bode,<br />
Rechtsanwalt, Bankrecht sowie<br />
Sanierungs und Insolvenzberatung,<br />
Treuhand Oldenburg GmbH.<br />
» Unzulässig ist es,<br />
wenn die Banken<br />
Entgelte für Tätigkeiten<br />
berechnen,<br />
welche keine Dienstleistung<br />
für den<br />
Kunden sind oder<br />
in Erfüllung vertraglich<br />
geschuldeter<br />
Nebenleistungen<br />
oder gesetzlicher<br />
Verpflichtungen<br />
erbracht werden. «<br />
1 bgH, Xi Zr 236/07 und iX Zr 37/09; dargestellt in<br />
beckonline Fdinsr 2<strong>01</strong>0, 306119.<br />
2 Vgl. dazu Sämisch/Adam, Zinso 2<strong>01</strong>0 s. 934939.<br />
3 Vgl. Nobbe, WM 2008 s. 185194.<br />
4 Vgl. Nobbe, WM 2008 s. 186.<br />
5 Vgl. Nobbe, WM 2008 s. 187.<br />
6 Vgl. bgH, urt. v. 18.05.1999 – Xi Zr 219/98 – in:<br />
ZiP 1999 s. 1.0901.093; zu recht kritisiert von<br />
Bitter, ZiP 2008 s. 2.155, 2.156.<br />
7 siehe dazu Krüger, nZi 2<strong>01</strong>0 s. 1, 2.<br />
I. Einleitung<br />
w nachdem der bgH mit seinen entscheidungen<br />
vom 20.07.2<strong>01</strong>0 1 die Möglichkeiten<br />
der insolvenzverwalter, eine Massemehrung<br />
durch den Widerruf von Lastschriftbelastungsbuchungen<br />
zu erreichen, deutlich eingeschränkt<br />
hat, ist zu erwarten, dass sich die insolvenzverwalter<br />
verstärkt anderen ansatzpunkten<br />
für eine anreicherung der insolvenzmasse<br />
zuwenden. dabei stehen banken als regelmäßig<br />
an insolvenzverfahren beteiligte und als<br />
zahlungskräftige anspruchsgegner naturgemäß<br />
im Mittelpunkt der betrachtung – zumal<br />
der Massemehrungsbeitrag der Finanzverwaltung<br />
in absehbarer Zeit durch die Wiedereinführung<br />
des Fiskusprivilegs entfallen könnte 2 .<br />
II. AGBrechtliche Zulässigkeit<br />
oder Unzulässigkeit von Bankentgelten<br />
Zur Zulässigkeit oder unzulässigkeit von bankentgelten<br />
liegt inzwischen eine Vielzahl von<br />
– auch höchstrichterlichen – entscheidungen<br />
vor 3 . diese entscheidungen befassen sich<br />
– soweit ersichtlich – ausschließlich mit bankentgelten,<br />
denen als Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />
eingestufte regelungen<br />
zugrunde lagen und deren Zulässigkeit oder<br />
unzulässigkeit dementsprechend unter agbrechtlichen<br />
gesichtspunkten bewertet wurde.<br />
dabei hat sich folgendes Prüfungsschema<br />
herausgebildet: Zunächst wird untersucht, ob<br />
die jeweilige Entgeltregelung überhaupt der<br />
AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt.<br />
dies ist nach dem Wortlaut des gesetzes (§ 307<br />
abs. 3 s. 1 bgb) nur dann der Fall, sofern es um<br />
bestimmungen geht, „durch die von rechtsvorschriften<br />
abweichende oder diese ergänzende<br />
regelungen vereinbart werden“. der<br />
bgH weitet den anwendungsbereich der agbrechtlichen<br />
inhaltskontrolle allerdings dadurch<br />
erheblich aus, dass er unter rechtsvorschriften<br />
i. s. d. § 307 abs. 3 s. 1 bgb auch ungeschriebene,<br />
allgemein anerkannte rechtsgrundsätze,<br />
richterrecht und bei gesetzlich nicht geregelten<br />
Verträgen rechte und Pfl ichten, die sich<br />
durch ergänzende auslegung aus der natur<br />
des schuldverhältnisses ergeben, versteht 4 .<br />
ist die jeweilige regelung danach der agbrechtlichen<br />
inhaltskontrolle unterworfen, so<br />
hebt der bundesgerichtshof u. a. hervor, dass<br />
es unzulässig ist, wenn die banken Entgelte<br />
für Tätigkeiten berechnen, welche keine<br />
Dienstleistung für den Kunden sind oder<br />
in erfüllung vertraglich geschuldeter nebenleistungen<br />
oder gesetzlicher Verpfl ichtungen<br />
erbracht werden 5 . insbesondere in anwendung<br />
der zuletzt genannten Fallgruppe (erfüllung<br />
einer gesetzlichen Verpfl ichtung) hat der bgH<br />
entscheidungen zu Lasten der banken getroffen,<br />
welche schwer nachvollziehbar sind, da sie<br />
den einzelnen kunden der Verantwortlichkeit<br />
für ausschließlich in seine sphäre fallende und<br />
von ihm verursachte ereignisse entheben und<br />
die dadurch entstehenden kosten der gemeinschaft<br />
der bankkunden auferlegen. als beispiel<br />
ist hier zu nennen das vom bgH ausgesprochene<br />
Verbot, die kosten für die bearbeitung<br />
und Überwachung einer kontopfändung dem<br />
kontoinhaber zu belasten 6 .<br />
ungeachtet der Voraussetzungen des § 307<br />
abs. 3 s. 1 bgb ist eine transparenzkontrolle<br />
gem. § 307 abs. 1 s. 2 bgb und eine billigkeitsprüfung<br />
des § 315 abs. 3 bgb möglich. diese<br />
Vorschriften haben in der Praxis bislang jedoch<br />
keine nennenswerte bedeutung erlangt 7 .<br />
III. Sittenwidrigkeit von<br />
Bankentgelten<br />
soweit die abgrechtliche inhaltskontrolle von<br />
regelungen zur erhebung von bankentgelten<br />
greift, kommt einer Sittenwidrigkeit der rege
lung gem. § 138 bgb keine bedeutung zu, da<br />
der AGB-rechtliche Prüfungsmaßstab des<br />
§ 307 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 BGB strenger<br />
ist 8 . eine entgeltregelung außerhalb dieses<br />
kontrollbereichs muss sich hingegen an der sittenwidrigkeitsgrenze<br />
des § 138 bgb messen<br />
lassen.<br />
sittenwidrig und damit nichtig ist eine der<br />
berechnung von bankentgelten zugrunde liegende<br />
regelung dann, wenn zwischen Leistung<br />
der bank und gegenleistung (Höhe des<br />
entgelts) objektiv ein auffälliges Missverhältnis<br />
besteht und ein weiteres Moment hinzutritt,<br />
welches die regelung als sittenwidrig<br />
erscheinen lässt 9 . dies kann eine verwerfliche<br />
gesinnung oder das bewusste ausnutzen<br />
einer schwächeren Lage des Vertragspartners<br />
(kunden) sein 10 . insoweit reicht es aus, dass<br />
sich der sittenwidrig Handelnde leichtfertig<br />
der erkenntnis verschließt, dass der Vertragspartner<br />
sich nur wegen seiner schwächeren<br />
Lage auf die für ihn ungünstige Vereinbarung<br />
einlässt 11 .<br />
ein insolvenzverwalter, welcher eine Massemehrung<br />
durch die rückforderung eines vom<br />
(späteren) insolvenzschuldner gezahlten bankentgelts<br />
anstrebt, muss demnach folgende<br />
Überlegungen anstellen: Zunächst gilt es, das<br />
berechnete bankentgelt im Verhältnis zu der<br />
dafür von der bank erbrachten Leistung zu<br />
bewerten. sofern das von der bank berechnete<br />
entgelt nicht in einem angemessenen Verhältnis<br />
zur Leistung der bank steht, ist zu prüfen,<br />
ob der insolvenzverwalter weitere umstände<br />
darlegen kann, die auf eine sittenwidrige Vereinbarung<br />
schließen lassen. diesbezüglich<br />
dürfte der insolvenzverwalter im regelfall auf<br />
die – auch für die handelnden bankmitarbeiter<br />
erkennbare – schwächere Verhandlungsposition<br />
des (späteren) Insolvenzschuldners<br />
abstellen. denn regelmäßig befindet<br />
sich der (spätere) insolvenzschuldner schon<br />
eine geraume Zeit vor der insolvenzantragstellung<br />
in einer wirtschaftlich schwierigen<br />
Lage und ist auf das Wohlwollen seiner finanzierenden<br />
banken angewiesen. in dieser situation<br />
ist es ihm insbesondere unmöglich, den<br />
Forderungen der bank dadurch entgegenzutreten,<br />
dass er ein anderes kreditinstitut einbindet<br />
oder sich gegen ein überhöhtes bankentgelt<br />
rechtlich zur Wehr setzt. Für eine rechtliche<br />
auseinandersetzung mit der bank fehlen dem<br />
kunden in einer solchen Lage häufig die erforderlichen<br />
finanziellen Mittel. und der kunde<br />
muss damit rechnen, dass die bank im Fall eines<br />
rechtsstreits eine Möglichkeit suchen wird, ihr<br />
kredit engagement zu beenden. dabei hat der<br />
kunde zu berücksichtigen, dass die bank einen<br />
bis auf weiteres eingeräumten kontokorrentkredit<br />
jederzeit (mit angemessener Frist) ohne<br />
einen besonderen kündigungsgrund kündigen<br />
kann 12 .<br />
solchen darlegungen des insolvenzverwalters<br />
wird sich ein über den rückforderungsanspruch<br />
des insolvenzverwalters entscheidendes<br />
gericht insbesondere dann nicht<br />
verschließen können, wenn sich der (spätere)<br />
insolvenzschuldner im Zeitpunkt der berechnung<br />
des überhöhten bankentgelts bereits<br />
in der Betreuung durch die Sanierungsabteilung<br />
der bank befand. denn dies ist ein<br />
untrügliches Zeichen dafür, dass zum einen der<br />
kunde sich in einer wirtschaftlich schwierigen<br />
Lage und damit in einer gegenüber der bank<br />
schwachen Position befand und zum anderen<br />
die handelnden bankmitarbeiter dies wussten<br />
bzw. erkennen konnten. Zudem wird der Insolvenzschuldner<br />
nach einleitung des insolvenzverfahrens<br />
häufig gewillt sein, vor gericht als<br />
Zeuge seine abhängigkeit vom Wohlwollen<br />
der kreditinstitute zu bestätigen.<br />
als Zwischenergebnis festzuhalten ist somit,<br />
dass bei einem objektiv auffälligen Missverhältnis<br />
zwischen der Höhe des bankentgelts und<br />
der von der bank im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens<br />
erbrachten Leistung regelmäßig<br />
von einem sittenwidrigen Verhalten der bank<br />
auszugehen ist.<br />
IV. Einzelfälle<br />
sofern das bankentgelt, dessen rückforderung<br />
der insolvenzverwalter beabsichtigt, auf<br />
einer als allgemeine geschäftsbedingung einzustufenden<br />
regelung beruht, kann der insolvenzverwalter<br />
die berechtigung der bank zur<br />
berechnung dieses entgelts unter agbrechtlichen<br />
gesichtspunkten (gerichtlich) überprüfen<br />
lassen. in der Praxis wird dem allerdings<br />
eine untergeordnete bedeutung zukommen,<br />
da es sich insoweit regelmäßig um relativ<br />
geringe Beträge handelt und der aufwand<br />
für den insolvenzverwalter nicht in einem sinn<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Die Betreuung in<br />
der Sanierungsabteilung<br />
ist ein untrügliches<br />
Zeichen dafür,<br />
dass der Kunde sich<br />
in einer wirtschaftlich<br />
schwierigen<br />
Lage und damit in<br />
einer gegenüber der<br />
Bank schwachen<br />
Position befand. «<br />
8 Ermann/Palm, bgb, 12. aufl., § 138, rz. 8 m. w. n.<br />
9 Palandt/Ellenberger, bgb, 68. aufl., § 138, rz. 34<br />
m. w. n.<br />
10 Ermann/Palm, bgb, 12. aufl., § 138, rz. 39 m. w. n.<br />
11 Vgl. bgH, urt. v. 25.10.1979 – ii Zr 182/77 – in:<br />
nJW 1980 s. 445, 446.<br />
12 Vgl. nr. 19 abs. 2 agbbanken und nr. 26 abs. 1<br />
agbsparkassen.<br />
25
26<br />
beitrag<br />
» Es ist in jedem<br />
Einzelfall zu prüfen,<br />
ob das Poolführerentgelt<br />
in einem angemessenen<br />
Verhältnis<br />
zum Aufwand des<br />
Poolführers steht. «<br />
13 Vgl. zu diesem bereich die ausführungen von<br />
Krüger, nZi 2<strong>01</strong>0 s. 16.<br />
14 dies ergibt sich insbesondere aus den basel iianforderungen;<br />
siehe dazu Ehlers, Zinso 2006<br />
s. 510515.<br />
15 Vgl. Palandt/Ellenberger, bgb, 68. aufl., § 138,<br />
rz. 27 m. w. n.<br />
16 Vgl. Münchkomm/ernst, bgb, 5. aufl., § 286,<br />
rz. 75; Palandt/grüneberg, bgb, 68. aufl., § 288,<br />
rz. 8.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
vollen Verhältnis zur möglicherweise zu erlangenden<br />
Massemehrung steht. Lediglich dann,<br />
wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Vorfälle zu<br />
verzeichnen ist und die bank jedes Mal ein entgelt<br />
berechnet hat, kann sich ein weiteres Vorgehen<br />
für den insolvenzverwalter lohnen 13 .<br />
Von praktischer relevanz sind demnach eher<br />
Bankentgelte, die außerhalb des AGB-rechtlichen<br />
Bereichs erhoben werden und somit<br />
einer sittenwidrigkeitsprüfung gem. § 138 bgb<br />
zu unterziehen sind. diese entgelte können im<br />
einzelfall eine ganz erhebliche größenordnung<br />
erreichen. im nachfolgenden sollen einige<br />
dieser entgelte dargestellt werden.<br />
1. Zinsen und Avalprovisionen<br />
Wenn ein kunde in eine wirtschaftlich schwierige<br />
situation gerät, nehmen dies die banken<br />
mitunter zum anlass, die Kreditkonditionen<br />
für den Kunden zu verschlechtern, namentlich<br />
die Sätze für Zinsen und Avalprovisionen<br />
zu erhöhen. das geschieht zwar auch in<br />
der gewissheit, dass der kunde in der konkreten<br />
situation keine andere Möglichkeit hat, als<br />
die Verschlechterung der konditionen hinzunehmen.<br />
im Vordergrund wird jedoch regelmäßig<br />
das gestiegene Ausfallrisiko stehen,<br />
welches bei der bemessung der dem kunden<br />
eingeräumten konditionen berücksichtigung<br />
finden darf und muss 14 . die bank ist demnach<br />
grundsätzlich dazu berechtigt, die sätze<br />
für Zinsen und avalprovisionen anzuheben,<br />
sofern sich der kunde in einer wirtschaftlich<br />
schwierigen situation befindet. Lediglich wenn<br />
die Grenze zum Wucher überschritten ist, ist<br />
eine konditionenverschlechterung als sittenwidrig<br />
zu qualifizieren. ein wucherischer Zinssatz<br />
liegt (erst dann) vor, wenn der Vertragszinssatz<br />
den marktüblichen effektivzinssatz<br />
relativ um 100% überschreitet oder absolut<br />
um zwölf Prozentpunkte übersteigt 15 . in aller<br />
regel werden sich die erhöhungen der sätze<br />
für Zinsen und avalprovisionen demnach<br />
unterhalb der sittenwidrigkeitsgrenze bewegen,<br />
sodass der insolvenzverwalter daraus<br />
keine rückforderungsansprüche herleiten<br />
kann.<br />
anders liegt ein im bereich der Verzugszinsberechnung<br />
zu beobachtendes Phänomen:<br />
da es sich bei den darlehensforderungen der<br />
banken nicht um sog. entgeltforderungen<br />
gem. § 288 abs. 2 bgb handelt 16 , kann lediglich<br />
ein Verzugszinssatz i. H. v. fünf Prozentpunkten<br />
über dem basiszinssatz geltend gemacht<br />
werden, nicht jedoch i. H. v. acht Prozentpunkten<br />
über dem basiszinssatz. Wenn banken<br />
gleichwohl einen Verzugszinssatz i. H. V. acht<br />
Prozentpunkten über den basiszinssatz berechnen,<br />
so ist dies nicht nur sittenwidrig, sondern<br />
schlicht rechtswidrig. Für den insolvenzverwalter<br />
hat dies in zweifacher Weise bedeutung:<br />
Zunächst geht es um die rückforderung der<br />
zuviel berechneten Zinsen selbst. Zudem ist<br />
zu beachten, dass der überhöhte Verzugszinssatz<br />
bei einer sicherheitenverwertung auswirkungen<br />
auf die Höhe des Forderungsausfalls<br />
und damit auf die Höhe einer Quotenzahlung<br />
hat.<br />
2. Poolführerentgelt<br />
Häufig finden sich die finanzierenden banken in<br />
der krise ihres kreditnehmers zu einem sicherheitenpool<br />
zusammen. in diesem Zusammenhang<br />
wird mit dem kreditnehmer regelmäßig<br />
eine Vereinbarung getroffen, wonach an den<br />
Poolführer eine (höhere) einmalzahlung und<br />
weitere kontinuierlich zu erbringende Zahlungen<br />
zu leisten sind. dieses Poolführerentgelt<br />
wird nicht selten prozentual in Höhe der<br />
summe der Poolkredite bemessen. diese Verfahrensweise<br />
birgt das risiko, dass die Höhe des<br />
Poolführerentgelts von der tatsächlichen Leistung<br />
des Poolführers abgekoppelt wird.<br />
selbstverständlich entsteht dem Poolführer<br />
durch die Formulierung des Poolvertrags<br />
und die spätere koordination innerhalb des<br />
sicherheitenpools einschließlich der Weitergabe<br />
von informationen und unterlagen des<br />
kreditnehmers sowie aufgrund der sicherheitenprüfung<br />
ein arbeits und kostenaufwand,<br />
der die berechnung eines Poolführerentgelts<br />
rechtfertigt. es ist jedoch in jedem einzelfall zu<br />
prüfen, ob das Poolführerentgelt in einem<br />
angemessenen Verhältnis zum Aufwand<br />
des Poolführers steht. besonders kritisch ist<br />
die Höhe des Poolführerentgelts zu würdigen,<br />
wenn die summe der Poolkredite sehr hoch<br />
ist und das Poolführerentgelt auf dieser basis<br />
prozentual bemessen wird sowie wenn der<br />
Pool wenige Poolpartner umfasst, wenn keine<br />
variablen sicherheiten verwaltet werden und/<br />
oder wenn die Sicherheitenprüfung gesondert<br />
bepreist wird.
3. Sonstige (Bearbeitungs) Entgelte<br />
durchaus erfinderisch sind die banken, wenn<br />
es darum geht, in der wirtschaftlichen krise des<br />
kunden weitere entgelte zu vereinnahmen. das<br />
können z. b. entgelte für die bearbeitung von<br />
kredit(erhöhungs)anträgen, konsortialkreditverträgen,<br />
anträgen auf gewährung von Landesbürgschaften,<br />
kreditverlängerungen und<br />
umschuldungen sein. Häufig werden diese entgelte<br />
mit englischen bezeichnungen verbrämt<br />
(restructuring fee, arrangement fee oder –<br />
bei konsortialkreditverträgen – schlicht participation<br />
fee).<br />
nun ist es sicher nicht von der Hand zu weisen,<br />
dass die betreuung eines in wirtschaftliche<br />
schieflage geratenen kunden einen erhöhten<br />
bearbeitungsaufwand für die bank nach sich<br />
zieht, der auch zur berechnung von entsprechenden<br />
bearbeitungsentgelten berechtigt.<br />
Wie beim Poolführerentgelt ist jedoch stets die<br />
Angemessenheit des Entgelts zu beachten.<br />
diese angemessenheit fehlt jedenfalls dann,<br />
wenn – wie in einem dem Verfasser bekannt<br />
gewordenen Fall – für die simple Verlängerung<br />
eines kontokorrentkredits bei unveränderter<br />
sicherheitenlage von jeder der fünf beteiligten<br />
Poolbanken ein entgelt von 15 t€ in rechnung<br />
gestellt und dem jeweiligen bankkonto<br />
des kunden belastet wird.<br />
V. Rechtsfolgen<br />
sofern banken – in rechtswidriger bzw. sittenwidriger<br />
Weise – nicht angemessene entgelte<br />
berechnet und vom (späteren) insolvenzschuldner<br />
erhalten haben, kann der<br />
Insolvenzverwalter diese Entgelte zum<br />
Zweck der Massemehrung zurückfordern.<br />
PrAXISTIPPS<br />
anspruchsgrundlage ist insoweit § 812 abs. 1<br />
s. 1 1. alt. bgb. in betracht kommt zudem eine<br />
schadensersatzpflicht wegen der Verletzung<br />
der den banken aus dem kreditverhältnis mit<br />
dem (späteren) insolvenzschuldner erwachsenden<br />
Pflichten (§ 280 bgb).<br />
dabei hat der insolvenzverwalter zu beachten,<br />
dass der rückforderungsanspruch der dreijährigen<br />
Verjährungsfrist des § 195 bgb unterliegt.<br />
diese Verjährungsfrist beginnt gem. § 199<br />
abs. 1 bgb mit ablauf des Jahres, in welchem das<br />
zurückzufordernde bankentgelt vereinnahmt<br />
wurde. allerdings wird sich im einzelfall durchaus<br />
darüber diskutieren lassen, ob der (spätere)<br />
insolvenzschuldner in anbetracht seiner schwachen<br />
Position gegenüber den banken überhaupt<br />
in der Lage war, den rückforderungsanspruch<br />
geltend zu machen, sodass die Verjährungsfrist<br />
im ergebnis unter einbeziehung der Wertungen<br />
des § 242 bgb bis zur eröffnung des insolvenzverfahrens<br />
gehemmt war.<br />
angesichts des unmittelbaren schuldrechtlichen<br />
anspruchs auf rückforderung einer überhöhten<br />
bankentgelts sind die insolvenzspezifischen<br />
Möglichkeiten des insolvenzverwalters<br />
zu vernachlässigen. dies gilt insbesondere<br />
hinsichtlich einer insolvenzanfechtung gem.<br />
§ 131 inso. sofern das vereinnahmte bankentgelt<br />
nicht unangemessen war und somit<br />
eine kongruente Deckung vorliegt, kann<br />
jedoch eine Anfechtung gem. § 130 InsO<br />
in betracht kommen. in diesem Zusammenhang<br />
ist schließlich darauf hinzuweisen, dass<br />
bank entgelte, die von der bank dem kontokorrentkonto<br />
des (späteren) insolvenzschuldners<br />
belastet wurden, einer anfechtung der Verrechnung<br />
von Zahlungseingängen nicht als<br />
zu berücksichtigende sollverfügungen entgegengehalten<br />
werden können 17 . £<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Nicht angemessene<br />
Bankentgelte<br />
kann der Insolvenzverwalter<br />
zum Zweck<br />
der Massemehrung<br />
wegen ungerechtfertigterBereicherung<br />
oder Verletzung<br />
der (kredit)vertraglichen<br />
Pflichten<br />
zurückfordern. «<br />
17 Vgl. bgH, urt. v. 17.06.2004 – iX Zr 124/03 – in:<br />
Zinso 2004 s. 856, 857.<br />
bei Vereinnahmung überhöhter bankentgelte steht dem insolvenzverwalter ein entsprechender rückzahlungsanspruch<br />
zu. darauf muss sich die bank einstellen. insbesondere sollte sie die berechnung pauschaler entgelte, die sich prozentual<br />
an der kredithöhe orientieren, vermeiden.<br />
sinnvoll ist es, bei erheblichen bearbeitungsentgelten den bearbeitungsaufwand kurz schriftlich zu dokumentieren.<br />
dies sollte möglichst in einem schreiben an den kunden geschehen, in welchem die berechnung des bearbeitungsentgelts<br />
thematisiert wird. dieses schreiben sollte vom kunden unterzeichnet und an die bank zurückgesandt werden.<br />
27
28<br />
beitrag<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Vorstand risikomanagement sanierung sicherheitenverwertung<br />
Forderungsbeitreibung investor revision<br />
Rechtsfragen bei der Auswahl von<br />
Sanierungsgutachtern<br />
Autor:<br />
Dr. Eckhard M. Theewen,<br />
Rechtsanwalt und Fachanwalt für<br />
Bank und Kapitalmarktrecht,<br />
Lehrbeauftragter der Hagen Law School<br />
und der FernUniversität in Hagen,<br />
DR. THEEWEN BANKRECHTSPRAXIS,<br />
Düsseldorf.<br />
Zivilrechtliche Haftung der Hausbank bei der empfehlung eines konkreten beraters?<br />
» Die überwiegende<br />
Wahrscheinlichkeit<br />
der Fortführung<br />
muss anhand einer<br />
qualifizierten Fortführungsprognose<br />
nebst Planverprobung<br />
dargelegt werden. «<br />
1 Theewen, bank und kapitalmarktrecht, § 4<br />
rdn. 50 ff .<br />
2 § 18 inso.<br />
3 Was im vom Lg göttingen, beschl. v. 03.11.2008<br />
10 t 119/08 zu beurteilenden sachverhalt der<br />
Fall war; ZiP 2009 s. 382.<br />
4 bgH, urt. v. 24.05.2005 iX Zr 123/04, WM 2005<br />
s. 1.468.<br />
5 Theewen FP 2009 s. 27 ff .<br />
6 oLg München, gmbHr 1998 s. 281; oLg<br />
schleswig, gmbHr 1998 s. 536, dazu eWir1998<br />
s. 271 (v. gerkan); Bork, ZiP 2000 s.1.709;<br />
Uhlenbruck, inso, 12. aufl . § 19 rz. 27; Theewen,<br />
bank und kapitalmarktrecht, § 4 rdn. 12 ff .<br />
I. Einleitung<br />
w die belastung der deutschen kreditwirtschaft<br />
durch den nachhaltigen konjunkturellen<br />
abschwung der Volkswirtschaft, der sich in den<br />
Jahren 2006 bis 2008 scheinbar nur vorübergehend<br />
entspannt hatte, zieht nach einer<br />
studie der Creditreform weiter an. Waren die<br />
unternehmensinsolvenzen in 2007 und 2008<br />
unter die 30.000Marke gesunken, ermittelte<br />
Creditreform für 2009 wieder rd. 34.900 und<br />
prognostiziert für 2<strong>01</strong>0 rd. 40.000 Firmeninsolvenzen,<br />
so dass Mittelstand und kreditwirtschaft<br />
weiter unter druck sind.<br />
Für das sanierungsgeschäft bedeutet dies<br />
dauer hafte Herausforderungen an die banken<br />
und sparkassen einerseits und die übrigen an<br />
sanierungsstrategien beteiligten. Fehler in der<br />
bankseitigen unternehmenssanierung können<br />
zu wirtschaftlich schweren schäden für die<br />
begleitenden kreditinstitute führen 1 .<br />
im Zuge der einleitung von rettungsmaßnahmen<br />
kommt der Mandatierung von sanierungsgutachtern<br />
eine zentrale bedeutung zu.<br />
angesichts häufi g nicht verfügbarer „Pools“<br />
qualifi zierter Spezialisten stellt sich den kreditinstituten<br />
die Frage, wie sie sich bei der auswahl<br />
des geeignet erscheinenden sanierungsgutachters<br />
verhalten sollen.<br />
II. Unternehmenskrise und<br />
Rettungsmaßnahmen<br />
erfolgt der anstoß zur restrukturierung eines<br />
in die krise geratenen unternehmens nicht<br />
frühzeitig, sind spätester anknüpfungspunkt<br />
einer unternehmenssanierung zwei Insolvenzgründe,<br />
nämlich Zahlungsunfähigkeit<br />
(§ 17 inso) und Überschuldung (§ 19 inso).<br />
soweit keine drohende 2 oder bereits eingetretene<br />
Zahlungsunfähigkeit vorliegen oder<br />
diese zwischenzeitlich ausgeräumt ist 3 , bleibt<br />
noch die untersuchung des tatbestands der<br />
Überschuldung.<br />
1. Positive Fortführungsprognose<br />
Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn die<br />
Liquiditätslücke des kriseunternehmens zehn<br />
Prozent der fälligen gesamtverbindlichkeiten<br />
oder mehr beträgt, sofern nicht ausnahmsweise<br />
mit an sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />
zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke<br />
demnächst vollständig oder fast<br />
vollständig beseitigt werden wird und den<br />
gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen<br />
umständen des einzelfalls zuzumuten ist.<br />
beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht<br />
zu beseitigende Liquiditätslücke des schuldners<br />
dagegen weniger als zehn Pozent seiner<br />
fälligen gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig<br />
von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei<br />
denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke<br />
demnächst mehr als zehn Prozent erreichen<br />
wird. eine bloße Zahlungsstockung ist hingegen<br />
anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht<br />
überschritten wird, den eine kreditwürdige<br />
Person benötigt, um sich die benötigten Mittel<br />
zu leihen. dafür sind drei Wochen erforderlich,<br />
aber auch ausreichend 4 .<br />
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen<br />
des schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten<br />
nicht mehr deckt, es sei denn, die<br />
Fortführung des unternehmens ist nach den<br />
umständen überwiegend wahrscheinlich 5 .<br />
die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Fortführung<br />
muss anhand einer qualifi zierten<br />
Fortführungsprognose nebst Planverprobung<br />
dargelegt werden. dabei ist anerkannt,<br />
dass dies eine nach betriebswirtschaftlichen<br />
grundsätzen durchzuführende ertrags und<br />
Finanzplanung erfordert 6 . die Fortführungsprognose<br />
muss nach sachgerechten kriterien<br />
und für sachverständige dritte nachvollzieh
ar erstellt werden. regelmäßig ist sie teil eines<br />
qualifizierten, plausiblen sanierungskonzepts,<br />
auf dessen grundlage sodann ein Finanzplan<br />
aufzustellen ist, in dem die finanzielle entwicklung<br />
des unternehmens für den Prognosezeitraum<br />
dargestellt werden muss 7 .<br />
2. Geeigneter Gutachterkreis<br />
immer wieder diskutiert wird die Frage, welche<br />
Anforderungen an denjenigen gestellt werden<br />
müssen, der die Fortführungsprognose erarbeitet.<br />
nach der rechtsprechung des bgH soll die<br />
sanierungsfähigkeit des kriseunternehmens<br />
durch einen objektiven – nicht notwendigerweise<br />
unabhängigen 8 oder unbeteiligten –<br />
branchenkundigen Wirtschaftsfachmann 9<br />
festgestellt werden. in erster Linie haben sich<br />
daher auf sanierung bzw. restrukturierung<br />
spezialisierte Unternehmensberater und<br />
Unternehmensberatungsgesellschaften bewährt<br />
10 . aber auch entsprechend versierte<br />
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater können<br />
in betracht kommen, wenn sie die erforderliche<br />
expertise aufweisen oder diese jeweils anlass<br />
bzw. projektbezogen beiziehen.<br />
die initiativen des instituts der Wirtschaftsprüfer<br />
(idW Far 1/1991, s6) unterstreichen das<br />
selbstverständnis der Wirtschaftsprüfer, für die<br />
erstellung von sanierungskonzepten berufen<br />
zu sein. insgesamt kommen Unternehmensberater,<br />
restrukturierungsberater, rechtsanwälte,<br />
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater,<br />
aber auch Interimmanager und Insolvenzverwalter<br />
als gutachter in betracht.<br />
Wirtschaftsprüfer und steuerberater sind,<br />
soweit sie mangels des erforderlichen knowhows<br />
für die erstellung des gutachtens nicht<br />
in Frage kommen, gleichwohl ein wichtiger<br />
Faktor, etwa bzgl. der sicherung der datenvollständigkeit<br />
in der unternehmenssanie<br />
rung 11 .<br />
3. Inhalte eines Sanierungsgutachtens<br />
Zunächst ist festzuhalten, dass es keine Legaldefinition<br />
für die begriffe sanierungsgutachten,<br />
sanierungskonzept und Fortführungsprognose<br />
gibt. richtigerweise wird man sanierungskonzept<br />
und Fortführungsprognose als essen<br />
zielle elemente eines sanierungsgutachtens be<br />
zeichnen.<br />
a) Anknüpfungspunkte nach der Rechtsprechung<br />
die inhaltlichen anforderungen an ein derartiges<br />
gutachten sind vom gesetzgeber nicht<br />
präzisiert worden. allerdings hat auch hier die<br />
rechtsprechung insbesondere im Zusammenhang<br />
mit der beurteilung ernsthafter sanierungsbemühungen<br />
von sicherungsgebern und<br />
nehmern, die eine anfechtung von kredit sicherheiten<br />
wegen gläubigerbenachteiligungsabsicht<br />
oder Vorwürfe der insolvenzverschleppung<br />
ausschließen wollen, einige wenige eher allgemeine<br />
Kriterien für ein sanierungskonzept aufgestellt,<br />
die als tatbestandsmerkmale herangezogen<br />
werden können.<br />
ein ernsthafter sanierungsversuch setzt nach der<br />
rechtsprechung ein in sich schlüssiges Konzept<br />
voraus, das von den erkannten und erkennbaren<br />
tatsächlichen gegebenheiten ausgeht<br />
und nicht offensichtlich undurchführbar ist 12 .<br />
so wird ein sanierungsgutachten sowohl<br />
eine qualifizierte aussage zur Wahrscheinlichkeit<br />
der unternehmensfortführung treffen als<br />
auch ein konzept vorweisen, wie die konkret<br />
definierten Ziele mit welchen Mitteln binnen<br />
welcher Fristen erreicht werden können.<br />
als maßgebliche Elemente sind anerkannt:<br />
analyse der wirtschaftlichen Lage des<br />
schuldners im rahmen seiner Wirtschaftsbranche<br />
und der krisenursachen.<br />
analyse der Vermögens, ertrags und<br />
Finanzlage.<br />
definition von objektiv sanierungstauglichen<br />
Maßnahmen.<br />
Planrechnungen.<br />
in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen,<br />
dass die objektive sanierungsfähigkeit<br />
in einem ggf. fortzuentwickelnden sanierungskonzept<br />
dokumentiert werden muss, bei<br />
dem Planabweichungen bei der umsetzung<br />
zu sofortigen (Gegen)Maßnahmen zu führen<br />
haben 13 . derartige Planabweichungen sind<br />
indes nur hinreichend identifizierbar, wenn<br />
messbare Covenants und Meilensteine implementiert<br />
sind 14 .<br />
idealerweise sind bei erstellung des konzepts<br />
bereits erste ansätze, etwa adhocMaß<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Richtigerweise<br />
wird man Sanierungskonzept<br />
und<br />
Fortführungsprognose<br />
als essenzielle<br />
Elemente eines<br />
Sanierungsgutachtens<br />
bezeichnen. «<br />
7 Uhlenbruck, inso, § 19 rz. 28; Theewen, bankund<br />
kapitalmarktrecht, § 4 rdn. 22 ff.<br />
8 Theewen, MariskHandbuch sanierung, s. 72.<br />
9 so noch bgHZ 10, 228. später scheint der bgH<br />
dieses erfordernis nicht mehr aufrecht erhalten<br />
zu haben. das erfordernis eines externen gutachters<br />
bejahend z. b. Obermüller, rdn. 5.131,<br />
Theewen, MariskHandbuch sanierung, s. 72,<br />
ders., WM 2004 s. 105, 109, ders., bkr 2003<br />
s. 141, 145f.; dagegen Wenzel, nZi 1999 s. 294,<br />
298.<br />
10 Vgl. Kaufmann, in Buth/Hermanns, restrukturierung,<br />
sanierung, insolvenz. 3. aufl. § 23,<br />
rdn. 19 ff.<br />
11 Theewen, FP 2009 s. 27 ff.<br />
12 oLg München, gmbHr 1998 s. 281.<br />
13 Theewen, MariskHandbuch sanierung, s. 88.<br />
14 Haghani/Holzamer, in Buth/Hermanns, restrukturierung,<br />
sanierung, insolvenz. 3. aufl. § 21,<br />
rdn. 8 ff.; Theewen, § 4 rdn. 44 ff.<br />
29
30<br />
beitrag<br />
» Selbst bei<br />
kleineren Engagements<br />
besteht kein<br />
Anlass, auf qualifizierteSanierungsberater<br />
zu verzichten.<br />
«<br />
15 so Hirte/Knof, WM 2009 s. 1.961, 1.968.<br />
16 so aber wohl Hirte/Knof, WM 2009 s. 1.961,<br />
1.968 unter berufung auf bgH, WM 1993 s. 270<br />
rdn. 30, Wub Vi b. § 31 nr. 1 ko 1.93; Hefermehl/<br />
Branz, ZiP 1993 s. 276, eWir 1993 s. 161 (onusseit).<br />
17 bgH, WM 2004 s. 1.075 = dstr 2004 s. 1.053 =<br />
nZg 2004 s. 619 = nZi 2005 s. 284 = ZiP 2004<br />
s. 1.049 = Zinso 2004 s. 679; Wub ii C. § 30<br />
gmbHg 2.04 v. gerkan.<br />
18 bgHZ 10, 228.<br />
19 ausführlich Theewen, bkr 2003 s. 141, 145 f.,<br />
ders., MariskHandbuch sanierung, s. 209 ff.<br />
20 FnidW 1991, s. 319.<br />
21 Hirte/Knof, WM 2009 s. 1.961, 1.968.<br />
22 Theewen, FP 2009 s. 27 ff.<br />
23 näheres unter www.isuinstitut.com; außerdem<br />
isu (Hrsg.), Mindestanforderungen an sanierungskonzepte<br />
(Mas), Heidelberg, 2007.<br />
24 Hirte/Knof, WM 2009 s. 1.961, 1.968.<br />
25 Theewen, MariskHandbuch sanierung, s. 73.<br />
26 näheres unter www.bankrechtspraxis.de und<br />
im studium der Fernuniversität in Hagen.<br />
27 Theewen, bank und kapitalmarktrecht, § 4<br />
rdn. 45 ff.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
nahmen mit Liquiditätswirksamkeit wie z. b.<br />
gesellschafterbeiträge, Verzögerung der Zahlung<br />
von Verbindlichkeiten und beschleunigung<br />
der außenstände Überbrückungskredit<br />
usw. in die tat umgesetzt 15 , doch ist dies kein<br />
ausschließlicher anknüpfungspunkt für die<br />
annahme ernsthafter und begründeter aussichten<br />
auf erfolg 16 .<br />
im Übrigen kommen die kriterien in betracht,<br />
die die rechtsprechung des il. Zivilsenats des<br />
bgH 17 im Zusammenhang mit den insolvenzauslösungstatbeständen<br />
und die rechtsprechung<br />
des iV. Zivilsenats des bgH 18 hinsichtlich<br />
der Bankenhaftung nach § 826 BGB 19<br />
im Fall der gewährung eines sanierungskredits<br />
bei einem erfolglosen sanierungsversuch<br />
zum schutz der gläubiger aufgestellt haben.<br />
b) Anknüpfungspunkte aus der Wirtschaft<br />
die einhaltung der strengen Maßstäbe der<br />
rechtsprechung des bgH zur beurteilung<br />
der objektiven sanierungsfähigkeit bietet in<br />
Wirtschaftsleben und kreditwirtschaftlicher<br />
Praxis rechtssicherheit. das Institut der Wirtschaftsprüfer<br />
e.V. (IDW) hat in seine stellungnahme<br />
Far 1/1991 zu den Anforderungen an<br />
die Erstellung von Sanierungskonzepten<br />
die Leitlinien der rechtsprechung einfließen<br />
lassen 20 . damit schuf es einen über den berufsstand<br />
der Wirtschaftsprüfer hinaus zwar nicht<br />
verbindlichen, aber anerkannten standard 21<br />
hinsichtlich der erstellung von sanierungskonzepten,<br />
der im Wesentlichen auch im einklang<br />
mit den in Wissenschaft und Praxis vertretenen<br />
auffassungen zu den anforderungen<br />
an die erstellung von sanierungsgutachten<br />
steht.<br />
der Fachausschuss recht (Far) und Hauptfachausschuss<br />
(HFa) des ldW haben an den anforderungen<br />
weiter gearbeitet, der inzwischen<br />
durch einen vollkommen überarbeiteten IDW<br />
Standard S 6 ersetzt wurde 22 . Parallel gibt eine<br />
initiative aus der Wirtschaft, die zur entwicklung<br />
des sanierungsstandards MaS des ISU-<br />
Instituts führte 23 .<br />
auch wenn in der sanierungspraxis, selbst bei<br />
selben branchen oder Märkten, kein Fall wie<br />
der andere ist und hinsichtlich der ansatzpunkte,<br />
der gewichtung usw. unterschiedliche<br />
auffassungen vertreten werden können,<br />
bieten derartige standards praxisrelevante<br />
orientierungshilfen 24 .<br />
selbst bei sog. kleineren Engagements, also<br />
Fällen kleiner Firmenkunden oder gewerbetreibender,<br />
bei denen sich die kreditwirtschaft, die<br />
ja aus Zeit, Mengengerüst und Haftungserwägungen<br />
auf eigengutachten verzichten 25 , auf<br />
der suche nach geeigneten gutachtern mit<br />
auskömmlichen Honoraren schwer tun – die<br />
kosten der größeren beratungsgesellschaften<br />
stehen in solchen Fällen außer Verhältnis zur<br />
unternehmens bzw. umsatzgröße –, besteht<br />
kein anlass, auf qualifizierte sanierungsberater<br />
zu verzichten 26 .<br />
schließlich darf nicht vergessen werden, dass<br />
der sanierungserfolg nicht nur vom sanierungsgutachten<br />
und den dort empfohlenen<br />
Maßnahmen abhängt, sondern auch von einem<br />
qualifizierten Sanierungscontrolling 27 . auch<br />
in dieser Hinsicht bedarf die auswahl des geeigneten<br />
gutachters besonderen augenmerks.<br />
III. Auswahl und Beauftragung des<br />
geeigneten Gutachters<br />
1. Auswahl von Gutachtern<br />
nachdem vorstehende Überlegungen die<br />
grundsätzlichen erwägungen umrissen haben,<br />
gilt es, Fragen der konkreten auswahl des beraters<br />
und dessen beauftragung zu untersuchen.<br />
Für die erstellung eines sanierungsgutachtens<br />
nebst sanierungskonzept ist idealerweise<br />
ein Wirtschaftsfachmann mit ausgewiesener<br />
Sanierungserfahrung und auf das zu prüfende<br />
unternehmen bezogenem Branchen-<br />
und Märkte-Know-how zu mandatieren. Je<br />
qualifizierter und punktgenauer das anforderungsprofil<br />
passt, desto höher sind die sanierungsaussichten.<br />
das sich eventuell dabei durch<br />
die entsprechend höheren kosten auf tuende<br />
spannungsfeld ist unter berücksichtigung des<br />
zu erwartenden nutzens zu untersuchen. Hier<br />
sollte ggf. gemeinsam mit der geschäftsleitung<br />
des kriseunternehmens beraten werden.<br />
der unternehmer wird häufig, und durchaus<br />
aus unterschiedlichen beweggründen, für<br />
eigene Vertrauensleute werben, also meist<br />
den (vielleicht bereits langjährig tätigen) steu
erberater oder Wirtschaftsprüfer. soweit dort<br />
die notwendige expertise vorhanden und<br />
keine Verantwortung für Faktoren der schieflage<br />
feststellbar ist, kann dagegen nichts eingewandt<br />
werden.<br />
anders ist die Lage zu beurteilen, wenn maßgeblich<br />
allein kostengründe für die beauftragung<br />
des steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers<br />
oder aber andere unternehmerseitig<br />
gewünschte berater sprechen sollen. Fehlt die<br />
notwendige Qualifikation, sollte der abschlussprüfer<br />
zwar als wichtiges Projektteammitglied<br />
eingebunden werden, aber über die datenlieferung<br />
hinaus nicht zu sanierungsspezi fischen<br />
aufgabenstellungen befragt werden. der für<br />
das unternehmen bereits tätige unternehmensberater<br />
dürfte regelmäßig nicht als sanierungsfachmann<br />
in Frage kommen.<br />
dagegen spricht im Zweifel schon die mangelnde<br />
Objektivität aufgrund des umstands,<br />
dass diese berater zuvor bereits mit der sache<br />
befasst waren. etwas anderes gilt nur, wenn der<br />
unternehmer anlässlich der krise einen ausgewiesenen<br />
experten zu rate gezogen hat und<br />
sodann das gespräch mit seiner bank sucht 28 .<br />
Häufig bestehen seitens des kriseunternehmens,<br />
insbesondere bei Inhaber geführten<br />
Firmen, Vorbehalte gegen den externen sanierungsgutachter.<br />
neben u. a. kostengesichtspunkten<br />
dürfte es im extremfall die sorge sein,<br />
dass der „externe“ zu tiefe einblicke in das unternehmen<br />
gewinnen oder dieses so weit „umkrempeln“<br />
könnte, dass das „Lebenswerk“ des unternehmers<br />
für diesen nicht mehr erkennbar sei.<br />
da die Hausbank aber regelmäßig als Lieferant<br />
neuer Liquidität zur Finanzierung der<br />
sanierung angesprochen wird, und diese ein<br />
grundlegendes interesse an der möglichst vollständigen<br />
und zutreffenden bewertung der<br />
sanierungsaussichten hat, hat sie mehr als ein<br />
bloßes „Vorschlagsrecht“. in der kreditwirtschaft<br />
ist zu beobachten, dass konkrete empfehlungen<br />
gescheut werden. dabei ist die befürchtung<br />
maßgebend, ansonsten wegen faktischer<br />
geschäftsführung belangt werden zu können.<br />
so herrscht die weit verbreitete bestrebung,<br />
mind. drei gutachter zur auswahl zu stellen.<br />
soweit diese drei kandidaten über gleichwertige<br />
Qualifikationen ( branchen, Produkte und<br />
Märkteknowhow) verfügen, ist dies sicher<br />
die „eleganteste Lösung“. solch komfortable<br />
ausgangssituationen sind indes häufig die<br />
ausnahme.<br />
a) Faktische Geschäftsführung<br />
eine faktische Geschäftsführung ist mit der<br />
bankseitigen empfehlung eines konkreten,<br />
geeignet erscheinenden gutachters nicht verbunden.<br />
dies gilt zumindest, soweit keine weiteren<br />
steuernden Maßnahmen der bank hinzutreten.<br />
anknüpfungspunkt für eine deliktische<br />
Haftung (hier: § 823 abs. 2 bgb i. V. M. § 266<br />
stgb) einer Person als faktischer geschäftsführer<br />
eines unternehmens, bei der keine natürliche<br />
Person Vollhafter ist, ist zwingend, dass der<br />
betreffende nach dem gesamterscheinungsbild<br />
seines auftretens die geschicke der gesellschaft<br />
– über die interne einwirkung auf die satzungsmäßige<br />
geschäftsführung hinaus – durch<br />
eigenes Handeln im außenverhältnis, das die<br />
tätigkeit des rechtlichen geschäftsführungsorgans<br />
nachhaltig prägt, maßgeblich in die<br />
Hand nimmt 29 .<br />
dies wird ohne Hinzutreten weiterer eingriffe<br />
und Maßnahmen für ein kreditinstitut regelmäßig<br />
nicht gelten, soweit es sich also auf die<br />
Empfehlung eines konkreten Gutachters<br />
beschränkt. denn das grundsätzliche interesse,<br />
weitere Finanzmittel nur unter bedingungen<br />
zu bewilligen, die eine kreditentscheidung<br />
vertretbar machen, stellt für sich allein schon<br />
keinen tauglichen anknüpfungspunkt für ein<br />
eigensüchtiges Interesse der Hausbank oder<br />
sonst in den sanierungsprozess einzubindender<br />
kreditinstitute dar.<br />
b) Lähmung wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit<br />
auch eine Lähmung der wirtschaftlichen<br />
Bewegungsfreiheit des kriseunternehmens<br />
kann allein durch die konkretre empfehlung<br />
des sanierungsgutachters nicht begründet<br />
werden. regelmäßig werden die kosten des<br />
gutachters von der an der sanierung beteiligten<br />
bank bzw. den banken – im Zweifel im<br />
rahmen einer brückenfinanzierung 30 – finanziert.<br />
dass dadurch die bewegungsfreiheit des<br />
kriseunternehmens (i. s. d. § 826 bgb) ernsthaft<br />
tangiert werden soll, dürfte also kaum je<br />
der Fall sein.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Da die Hausbank<br />
regelmäßig als<br />
Lieferant neuer Liquidität<br />
zur Finanzierung<br />
der Sanierung<br />
angesprochen wird,<br />
und diese ein grundlegendes<br />
Interesse an<br />
der möglichst vollständigen<br />
und zutreffenden<br />
Bewertung<br />
der Sanierungsaussichten<br />
hat, hat sie<br />
mehr als ein bloßes<br />
„Vorschlagsrecht“. «<br />
28 Theewen, bank und kapitalmarktrecht, § 4<br />
rdn. 39.<br />
29 bgH urt. v. 27.06.2005 (ii Zr 113/03, Frankfurt<br />
a. M.), WM 2005 s. 1.606 ff. im anschluss an bgH,<br />
WM 2002 s. 960 ff.<br />
30 Theewen, bank und kapitalmarktrecht, § 4<br />
rdn. 91.<br />
31
eitrag<br />
» Es gibt keine<br />
Differenzierung mehr<br />
zwischen Gesellschafterdarlehen<br />
und Eigenkapital<br />
ersetzenden Gesellschafterdarlehen,<br />
so dass das Kapitalerhaltungsgebot<br />
nicht mehr für<br />
Gesellschafterdarlehen<br />
und wirtschaftlich<br />
gleichgestellte<br />
Handlungen gilt. «<br />
31 Theewen, bank und kapitalmarktrecht, § 4<br />
32<br />
rdn. 110 ff.<br />
32 bgH, nJW 1992 s. 3.035; zu den Vorinstanzen<br />
oLg Hamm, ZiP 1991 s. 531 ff., und Lg Hagen,<br />
ZiP 1990 s. 728 ff.<br />
33 seit <strong>01</strong>.11.2008 in kraft.<br />
34 Häuser, in: Schimansk/Bunte/Lwowski, § 85<br />
rdn. 141.<br />
35 Theewen, bank und kapitalmarktrecht, § 4<br />
rdn. 115.<br />
36 siehe im einzelnen Theewen, bank und kapitalmarktrecht,<br />
§ 4 rdn. 114 ff.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
c) QuasiGesellschafterhaftung<br />
eine solche Haftung ist aufgrund faktischer<br />
wie vertraglicher Anmaßung von Gesellschafterbefugnissen<br />
denkbar 31 . Maßgeblich<br />
ist in diesem Zusammenhang die grundsatzentscheidung<br />
des bgH vom 13.07.1992 32 .<br />
danach hatte sich ein kreditinstitut wesentliche<br />
gesellschafterrechte durch Verpfändung<br />
bzw. abtretung gesichert. in der gesamtschau<br />
mit dem octroi eines unternehmensberaters,<br />
der das besondere Vertrauen des kreditinstituts<br />
genoss und der das kriseunternehmen<br />
maßgeblich steuerte, bejahte der bgH eine<br />
Haftung des geldinstituts als Quasigesell<br />
schafterin.<br />
nur soweit also die in die sanierung eingebundene<br />
bank durch mittelbare beteiligung<br />
wirtschaftlich einem gesellschafter gleichkommt<br />
und aufgrund ihres faktischen Einflusses<br />
auf diese gesellschaft – und sei es nur<br />
mittelbar durch den sanierungsberater – deren<br />
geschicke bestimmt, kommt eine Haftung in<br />
betracht.<br />
Hinsichtlich der Haftungsfolgen ist angesichts<br />
der gesetzesnovellierung durch MoMig 33 zu<br />
differenzieren. nach altem recht sind banken,<br />
die derartige Maßnahmen ergriffen haben,<br />
aufgrund § 32 a abs. 3 s.1 gmbHg als „Quasigesellschafter“<br />
dem Kapitalersatzrecht unterworfen<br />
34 . das gesetz erweiterte den von § 32 a<br />
abs. 1 gmbHg erfassten Personenkreis auf<br />
andere kreditgeber, deren darlehensgewährung<br />
an die gesellschaft wirtschaftlich derjenigen<br />
eines gesellschafters gleichkommt.<br />
Hier erfolgt eine gleichstellung mit gesellschaftern<br />
des schuldnerunternehmens.<br />
nach neuem recht gibt es keine eigenkapitalersatzfiktion<br />
mehr. danach sind die regelungen<br />
des gesamten eigenkapitalersatzrechts<br />
nun rechtsformneutral in die insolvenzordnung,<br />
und zwar in §§ 39, 44a, 135 inso übergeleitet<br />
worden. Fortan gibt es keine differenzierung<br />
mehr zwischen gesellschafterdarlehen<br />
und eigenkapital ersetzenden gesellschafterdarlehen,<br />
so dass das kapitalerhaltungsgebot<br />
nicht mehr für gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich<br />
gleichgestellte Handlungen gilt. Forderungen<br />
von banken mit Quasigesellschafterqualität<br />
treten fortan zwangsläufig im rang<br />
zurück 35 .<br />
d) Haftung der Bank für Fehler des<br />
Gutachters?<br />
grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen<br />
werden, dass ein sanierungsgutachter Fehler<br />
macht, die zu schadensersatzansprüchen<br />
führen können. soweit nicht bereits dort vertragliche<br />
Haftungsausschlüsse greifen, stellt<br />
sich die Frage, ob die nur diesen einen gutachter<br />
empfehlende bank für dessen Fehler (mit)<br />
haftet. Zur Vermeidung derartiger risiken sollte<br />
die bank im Zusammenhang mit der konkreten<br />
empfehlung des gutachters einen generellen<br />
Haftungsausschluss vereinbaren.<br />
dies kann durch eine klausel in dem zwischen<br />
unternehmer und berater zu schließenden<br />
Vertrag oder besser noch in einer Vereinbarung<br />
zwischen unternehmer und kreditinstitut<br />
erfolgen. bei der bankseitigen empfehlung<br />
mehrerer gutachter zur auswahl durch<br />
den unternehmer stellt sich dieses Problem<br />
natürlich nicht.<br />
2. Rückvergütungen zugunsten der<br />
Hausbank<br />
in der sanierungspraxis ist zu beobachten, dass<br />
sich sanierungsbereite kreditinstitute zuweilen<br />
einen teil des Honorars des sanierungsexperten<br />
im Wege einer rückvergütung auszahlen<br />
lassen. diese Handhabung begegnet<br />
erheblichen rechtlichen bedenken. anknüpfend<br />
an die durch anlegerrecht angestoßene<br />
kickbackrechtsprechung des bgH 36 liegt in<br />
solchen Fällen ein massiver Interessenkonflikt<br />
vor. das kriseunternehmen geht davon<br />
aus, dass die Hausbank den konkreten berater<br />
wegen dessen expertise empfiehlt. bedingt<br />
sich die bank indes einen teil des Honorars als<br />
Vergütung in eigener sache aus, so müssen<br />
sanierungsgutachter und bank dies dem kriseunternehmen<br />
offenbaren, damit dieses bewerten<br />
kann, ob die empfehlung im interesse des<br />
unternehmens oder aber – auch – im Provisionsinteresse<br />
der bank erfolgt.<br />
unterlässt sie dies, kann das kriseunternehmen<br />
– oder im Fall des scheiterns der sanierung der<br />
insolvenzverwalter – aus dem gesichtspunkt<br />
des Schadensersatzes rückabwicklung dergestalt<br />
verlangen, dass der gutachter das Honorar<br />
zurückzahlen muss und sich im Zweifel an<br />
der bank schadlos zu halten versucht.
denkbar ist auch, dass die bank auf auskehrung<br />
der Provision nach den grundsätzen der rechtsprechung<br />
zu auftrags und kommissionsrechtlichen<br />
Herausgabepflichten gem. §§ 666, 667<br />
bgb, § 384 abs. 2 Hgb 37 in anspruch genommen<br />
werden kann.<br />
soweit die bank ihren sanierungsaufwand<br />
– und vielleicht auch ihr risiko – vergütet<br />
bekommen möchte und dies in risikokonditionen<br />
nicht darstellen kann, ist eine eigene Honorierung<br />
mit dem sanierungsbedürftigen unternehmen,<br />
etwa in Form einer „Success fee“, der<br />
rückervergütung in jedem Fall vorzuziehen.<br />
3. Beauftragung des Gutachters<br />
der gutachter sollte ausschließlich durch das<br />
unternehmen mandatiert werden. eine einbeziehung<br />
des kreditinstituts in die Vertragsbeziehungen<br />
dergestalt, dass es den auftrag<br />
mitunterzeichnet, ist weder sinnvoll noch erforderlich.<br />
Zum einen ist dies für die Möglichkeit,<br />
empfehlungen bezüglich qualifizierter berater<br />
auszusprechen, nicht notwendig, zum anderen<br />
kann es Hinweise und erwartungen bezüglich<br />
bestimmter Prüffelder auch losgelöst davon<br />
formulieren.<br />
PrAXISTIPPS<br />
schließlich wird die bank nur dann den sanierungskredit<br />
ausreichen, wenn Zweifel an der<br />
sanierungsfähigkeit aus deren sicht ausgeräumt<br />
sind. das uneingeschränkte Auskunftsrecht<br />
der bank in der Prüfungs und<br />
sanierungsphase dürfte zwischen den beteiligten<br />
selbstverständlich sein, da es sich um eine<br />
schicksalsgemeinschaft handelt, in der gegenseitiges<br />
Vertrauen kontrolle gerade nicht ausschließt,<br />
denn es geht um wirtschaftlich und<br />
rechtlich bedeutsame entscheidungen. dieses<br />
recht sollte daher spiegelbildlich zur befreiung<br />
der bank vom bankgeheimnis gegenüber<br />
dem gutachter schriftlich dokumentiert<br />
werden.<br />
V. Fazit<br />
Hinsichtlich der anforderungen an die Qualität<br />
von sanierungsgutachtern dürfen kreditinstitute<br />
zur sicherung des sanierungserfolgs<br />
konkrete empfehlungen bei der auswahl von<br />
experten geben und die Vergabe von Überbrückungs<br />
oder sanierungskrediten davon abhängig<br />
machen. eine Haftung wegen faktischer<br />
geschäftsführung oder Quasigesellschafterhaftung<br />
ist damit allein nicht verbunden. £<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Hinsichtlich der<br />
Anforderungen an die<br />
Qualität von Sanierungsgutachterndürfen<br />
Kreditinstitute<br />
zur Sicherung des<br />
Sanierungs erfolgs<br />
konkrete Empfehlungen<br />
bei der Auswahl<br />
von Experten<br />
geben und die<br />
Vergabe von Überbrückungs-<br />
oder<br />
Sanierungskrediten<br />
davon abhängig<br />
machen. «<br />
37 Vgl. bgHZ 114, 87, 91; 146, 235, 239; bgH, WM<br />
1992 s. 879, 880 f.<br />
38 Theewen, MariskHandbuch sanierung, s. 75.<br />
an eine positive Fortführungsprognose sind im kontext qualifizierter sanierungsgutachten hohe anforderungen zu stellen.<br />
in der Wirtschaft anzutreffende standards können eine praktische richtschnur bei der erstellung oder beurteilung von<br />
sanierungsgutachten und konzepten sein. die auswahl des sanierungsgutachters orientiert sich an dessen nachgewiesenem,<br />
für das konkrete Projekt erforderliche branchen, Produkte und Märkteknowhow.<br />
auch die empfehlung eines einzigen sanierungsexperten löst für sich allein genommen keine Haftungsrisiken der finanzierenden<br />
bank oder sparkasse aus.<br />
Zur Vermeidung einer möglichen Haftung wegen Fehlern eines einzig empfohlenen gutachters sollten banken vorsorglich<br />
mit dem kriseunternehmen einen Haftungsausschluss vereinbaren.<br />
das uneingeschränkte auskunftsrecht der bank in der Prüfungs und sanierungsphase sollte im rahmen der Vertragsbeziehung<br />
zwischen unternehmen und gutachter in Form eines Vertrags mit klauseln zugunsten des kreditinstituts oder<br />
direkt zwischen letzterem und krisenunternehmen geschehen 38 .<br />
rückvergütungsvereinbarungen zwischen sanierungsberatern und banken sollten vermieden und statt dessen eine<br />
besondere Vergütung mit dem kriseunternehmen direkt ausgehandelt werden.<br />
33
34<br />
beitrag<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Vorstand risikomanagement sanierung sicherheitenverwertung<br />
Forderungsbeitreibung investor revision<br />
Restrukturierung von LBOs<br />
Autor:<br />
Eva Ringelspacher,<br />
Direktorin, Intensive Care,<br />
Sanierung/Restrukturierung<br />
von Firmenkunden, Commerzbank AG.<br />
krisenursachen und sanierung von strukturierten Finanzierungen.<br />
» Trotz teilweiser<br />
anderer Verlautbarungen<br />
über<br />
das Abklingen der<br />
Finanzkrise fällt<br />
es Banken schwer,<br />
frisches Geld zur Verfügung<br />
zu stellen. «<br />
I. Einleitung<br />
w durch die Wirtschaftskrise sind insbesondere<br />
unternehmen ausfallgefährdet, deren Finanzierung<br />
kreditbasiert ist und die geringes eigen <br />
kapital aufweisen. trotz teilweiser anderer Verlautbarungen<br />
über das abklingen der Finanzkrise<br />
fällt es banken schwer, unternehmen in<br />
schwierigkeiten zu refi nanzieren oder diesen<br />
frisches geld zur Verfügung zu stellen. der Möglichkeit,<br />
die Finanzverbindlichkeiten und damit<br />
den daraus resultierenden kapitaldienst zu reduzieren,<br />
stehen banken off ener gegenüber. Was<br />
nicht bedeutet, dass banken bereit wären, auf<br />
die rückführung ausgereichter Mittel zu verzichten.<br />
daher sind restrukturierungsmaßnahmen<br />
gefragt, die das unternehmen retten, aber<br />
gleichzeitig die Vornahme von abschreibungen<br />
und Wertberichtigung verhindern.<br />
II. Struktur von LBOs<br />
1. Definition<br />
der begriff Leverage-Buy-Out (LBO) bezeichnet<br />
die akquisition eines unternehmens unter einbezug<br />
eines großen anteils an Fremdkapital zur<br />
begleichung des kaufpreises. ein akquisitionsvehikel<br />
(“Holding Company” bzw. “HoldCo”) kauft<br />
eine Firma (“operating Company” bzw. “opCo”).<br />
der kauf wird durch ein hohes Fremdkapital dargestellt,<br />
sprich „geleveraged“. die Finanzierung<br />
erfolgt mehrstufi g über senior, second Lien,<br />
Mezzanine und subordinated Loans:<br />
senior Loan darlehen sind immer erstrangig<br />
besichert, es handelt sich um Laufzeitdarlehen,<br />
aber auch revolvierende kredite. second Lien<br />
darlehen sind im zweiten rang besichert und<br />
im dritten rang sind die Mezzanine kredite zu<br />
fi nden. gesellschafterdarlehen oder nachrangige<br />
kredite fi nden sich im vierten rang als sog.<br />
subordinated Loans wieder.<br />
diese kredite werden durch die sicherheiten<br />
und garantien („upstream security/guaran<br />
tee“) der operativen einheiten (opCo’s) besichert.<br />
das eigenkapital ist sehr gering. durch<br />
den geringen einsatz von eigenmitteln lässt<br />
sich für den investor eine hohe eigenkapitalrendite<br />
erzielen, solange die gesamtkapitalrendite<br />
höher ist als der Fremdkapitalzins. dies wird als<br />
Leverage (=Hebel) eff ekt bezeichnet.<br />
2. Struktur der Finanzierung<br />
die Finanzierungsstrukturen sind sehr komplex,<br />
da Liquidität in allen Varianten zur Verfügung<br />
gestellt wird. die sog. atranchen haben eine<br />
regeltilgung während die btranchen eine endfällige<br />
rückzahlung aufweisen. Letzteres führt zu<br />
dem Problem, dass während der Laufzeit keine<br />
ansparung erfolgt und eine refi nanzierung am<br />
ende der Laufzeit (in den meisten Fällen in 2<strong>01</strong>2<br />
bis 2<strong>01</strong>4) erforderlich wird.<br />
3. Vertragsgestaltung<br />
der konsortialführer („agent“) hat die aufgabe<br />
der Verwaltung der kredite sowie der steuerung<br />
der geld und informationsfl üsse zwischen<br />
den banken und dem kreditnehmer. es<br />
gibt eine standarddokumentation der Loan<br />
Market Association (LMA):<br />
englisches recht, gerichtsstand London,<br />
umfangreicher definitionsteil,<br />
einzelklausel,<br />
umfang ca. 300 s. und<br />
grundsätzlich gilt das Mehrheitsprinzip.<br />
es fehlen jedoch regelungen für den Fall der<br />
restrukturierung bzw. insolvenz.<br />
III. Ursachen für die Restrukturierung/Krise<br />
1. Struktur der Finanzierung<br />
das risiko liegt in der hohen schuldenlast trotz<br />
teilweise solidem operativen kerngeschäft. die<br />
Cashfl ow-basierten Modelle, auf denen die
kreditvergabe beruht, sind modelliert für „gute<br />
Zeiten“ und haben daher wenig bis gar keine<br />
Liquiditätsreserven für krisenzeiten bzw. für<br />
eine sanierung. so finanzierte unternehmen<br />
sind besonders anfällig bei schwächelnden<br />
Märkten und konjunkturabschwüngen, da<br />
dann der Cashflow die schulden nicht mehr<br />
tilgen kann.<br />
erstes Frühwarnsignal ist der Bruch von<br />
Covenants, die aber in der Praxis zunächst<br />
über sog. „waiver“ geheilt werden. Waiver sind<br />
Verzichte auf kündigungen bei möglichen<br />
Covenantverstößen, für die der kreditnehmer<br />
auch eine Fee an die kreditgeber zahlen muss.<br />
die ursachen für den Covenantbruch werden<br />
aber in diesem stadium oft nicht hinterfragt.<br />
in einzelfällen ist nur ein reset der Covenants<br />
– sprich eine anpassung der kennziffern an<br />
die tatsächlichen gegebenheiten – und keine<br />
finanzielle restrukturierung erforderlich.<br />
2. Bankenlandschaft<br />
Fonds, Hedge Fonds und investoren kaufen<br />
sich am sekundärmarkt ein, indem sie die kreditforderungen<br />
erwerben. dies hat eine zersplitterte<br />
und unübersichtliche bankenlandschaft<br />
zur Folge und es treffen interessen von<br />
banken, Fonds und Private equityinvestoren<br />
zusammen, die konträrer nicht sein können.<br />
die bildung von Steering commitees (SC) ist<br />
zu empfehlen; diese setzen sich zusammen<br />
aus dem agent plus einer auswahl von banken<br />
und Fonds, die durch ein Wahlverfahren aufgrund<br />
von Vorschlägen bestimmt werden. es<br />
dient dazu die interessen der diversen gläubiger<br />
(bankenkonsortium, Fremdkapitalgeber,<br />
gesellschafter und Management) in gleichlauf<br />
zu bringen und um eine offene kommunikation<br />
sowie entscheidungsfindung zu gewährleisten.<br />
daneben wird ein effizientes arbeiten<br />
gewährleistet, da die abstimmungsprozesse<br />
sehr zeitaufwendig sind. das sC übernimmt<br />
die Verhandlungen mit den banken oder<br />
sonstigen dritten und sorgt für abstimmung<br />
innerhalb des konsortiums. insgesamt ist die<br />
bildung eines sC’s als vertrauensbildende<br />
Maßnahme zu sehen. es ist ein reines informationsgremium<br />
und hat keinerlei entscheidungsbefugnisse.<br />
Letzteres ist wichtig, um Haftungsfolgen<br />
auszuschließen. daneben wird<br />
es durch eigene Legal und Financial advisors<br />
beraten.<br />
3. Handlungsempfehlungen<br />
es empfiehlt sich, frühzeitig Verhandlungen mit<br />
den beteiligten banken zu führen und einen<br />
plausiblen business/Liquiditätsplan zu erstellen.<br />
neben der finanziellen restrukturierung<br />
müssen auch operative restrukturierungsmaßnahmen<br />
implementiert werden. Ziel der<br />
finanziellen restrukturierung ist es, die Finanzierung<br />
des unternehmens durch Verringerung<br />
der schulden an die geänderten wirtschaftlichen<br />
rahmenbedingungen anzupassen, d. h.<br />
die kapitaldienste tragbar zu gestalten und<br />
hinsichtlich einer insolvenz die dreiWochen<br />
Frist zur insolvenzantragsstellung zu vermeiden.<br />
erster schritt ist in den meisten Fällen<br />
eine stillhaltevereinbarung mit den wesentlichen<br />
Finanzierungsgläubigern, um dann im<br />
zweiten schritt die sanierung durch mehrere<br />
bausteine je nach interessenlage und Möglichkeiten<br />
der beteiligten umzusetzen (siehe<br />
iV. restrukturierungsansätze).<br />
IV. Restrukturierungsansätze<br />
1. Stundung von Zins und Tilgungsleistungen<br />
die gesamte kreditsumme plus Zinsen oder<br />
nur Zinsen werden kapitalisiert und erst am<br />
ende der Laufzeit fällig (Pik Loan =„payment<br />
in kind“). diese kredite sind unbesichert und<br />
stehen im nachrang, was bedeutet, dass das<br />
Problem der rückzahlung nur zeitlich nach<br />
hinten verschoben wird. im unterschied zum<br />
Verzicht kommt es nicht zum erlöschen der Forderung.<br />
in der sanierungsphase hat dies den<br />
Vorteil für die banken, dass kein Verzicht erklärt<br />
und damit keine Wertberichtigung gebildet<br />
werden muss und für das unternehmen, dass<br />
der Cashflow nicht mit weiterem kapitaldienst<br />
belastet wird.<br />
2. Fresh Money<br />
Hierfür kommen normalerweise nur die sponsoren/investoren<br />
– also die gesellschafter des<br />
unternehmens – oder die banken in Frage: die<br />
sponsoren haben in einer solchen situation<br />
kein interesse an einem frühzeitigen ausstieg<br />
und die banken können ihr engagement am<br />
Markt nur mit erheblichen abschlägen verkaufen<br />
bzw. die Verwertung der sicherheiten stellt<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Die Cash-flowbasierten<br />
Modelle,<br />
auf denen die<br />
Kreditvergabe beruht,<br />
sind modelliert für<br />
„gute Zeiten“ und<br />
haben daher wenig<br />
bis gar keine Liquiditätsreserven<br />
für<br />
Krisenzeiten. «<br />
35
36<br />
beitrag<br />
» Neben der finanziellenRestrukturierung<br />
müssen auch<br />
operative Restrukturierungsmaßnahmenimplementiert<br />
werden. «<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
keine ernsthafte alternative dar. die ausgestaltung<br />
erfolgt als Überbrückungs-(Bridgeloan)<br />
oder Sanierungskredit. ein Überbrückungskredit<br />
sollte nur gegen insolvenzfeste oder<br />
freie sicherheiten – im sinne eines bargeschäfts<br />
(§ 142 inso) gewährt werden. er stellt<br />
eine kurzfristige Maßnahme dar, um zum einen<br />
die insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit) zu<br />
beseitigen und die erstellung eines sanierungsgutachtens<br />
zu ermöglichen.<br />
diskutiert wird dann – bei Vorlage des gutachtens<br />
und unter beachtung der abstimmungsregelungen<br />
sowie erforderlichen Mehrheiten<br />
gemäß der Vertragsdokumentation – ob das<br />
Fresh Money als super senior (vorrangig vor<br />
allen anderen krediten) oder pari passu (gleichrangig)<br />
zu den bestehenden senior Loans zur<br />
Verfügung gestellt wird.<br />
3. Doppelseitige Treuhand<br />
Wenn ein kreditnehmer sich in einer krise<br />
befindet und die gesellschafter keinen beitrag<br />
leisten wollen, werden die banken nur<br />
dann neues kapital zu Verfügung stellen,<br />
wenn sie Zugriff auf die gesellschaftsanteile<br />
erhalten. der gesellschafter überträgt dabei<br />
die anteile auf einen Treuhänder und dieser<br />
hält die anteile sowohl für die banken als<br />
auch für den gesellschafter. Zielsetzung ist<br />
der Verkauf des unternehmens daher ist der<br />
Vertrag als Verkaufstreuhand verbunden mit<br />
einem M&A-Auftrag ausgestaltet. die gläubiger<br />
wollen damit die gesellschaft der alleinigen<br />
kontrolle der gesellschafter entziehen.<br />
in der Praxis ist dies allerdings in internationalen<br />
banken konsortien schwierig bis gar nicht<br />
durchzusetzen.<br />
V. Rekapitalisierung<br />
1. Equity Cure Right<br />
die rekapitalisierung kann nur durch eine neuordnung<br />
der gesellschafterstruktur, der bilanzstruktur<br />
und der refinanzierung der bestehenden<br />
Finanzverbindlichkeiten erreicht werden.<br />
equity Cure right bedeutet, dass der investor<br />
bei Covenantbrüchen berechtigt ist, neues/<br />
zusätzliches Eigenkapital einzuschießen. Hierdurch<br />
wird der Covenantbruch geheilt und<br />
den banken das kündigungsrecht entzogen.<br />
2. Debt to Equity Swap<br />
als gegenleistung für die reduzierung der<br />
nominalverbindlichkeiten erhalten die die<br />
restrukturierung begleitenden banken die<br />
umstrukturierte restschuld in Form einer<br />
Beteiligung am Schuldnerunternehmen.<br />
die Fremdverbindlichkeiten werden so in<br />
eigenkapital umgewandelt. es handelt sich um<br />
eine sachkapitalerhöhung für die ein bewertungsgutachten<br />
hinsichtlich der Werthaltigkeit<br />
der eingebrachten Forderung vorliegen<br />
muss. Wichtig hierbei ist, dass das ausfallrisiko<br />
davon i. d. r. unberührt bleibt, da die planmäßige<br />
rückführung der Finanzverbindlichkeiten<br />
nach wie vor von der wirtschaftlichen<br />
entwicklung – also vom operativen geschäft –<br />
des unternehmens abhängt, welches aber nach<br />
finanzieller restrukturierung freigesetzte Liquidität<br />
(durch Verringerung von tilgungs und<br />
Zinszahlungen) zur Verfügung hat.<br />
der tausch von kreditforderungen in eigenkapital<br />
wird oft mit dem Ziel, die alteigentümer<br />
hinauszudrängen, vollzogen und die gläubiger<br />
werden dann die neuen eigentümer des unternehmens.<br />
eine zerstreute bankenlandschaft<br />
kann daher dazu führen, dass entweder eine<br />
einigung unmöglich wird oder das unternehmen<br />
eine „zufällige“ eigentümerstruktur erhält.<br />
deutsche banken wollen aber in den meisten<br />
Fällen keine eigenkapitalposition einnehmen<br />
und erklären einen debt to equity swap oft als<br />
ultima ratio, wenn alle anderen sanierungsmaßnahmen<br />
nicht greifen oder gar gescheitert<br />
sind. bei der Frage der Höhe der sanierungsbeiträge<br />
geht es v. a. um die beträge, um die die<br />
Verbindlichkeiten zu verkürzen sprich umzuwandeln<br />
sind. Hier ist auf die Verschuldungsfähigkeit<br />
(„debt Capacity“) des unternehmens<br />
abzustellen. durch einen debt to equity<br />
swap kann eine Überschuldung abgewendet<br />
werden, die eigenkapitalposition verbessert<br />
sich, der kapitaldienst für die eingebrachten<br />
Forderungen entfällt und es tritt eine Verbesserung<br />
der Liquiditätssituation ein.<br />
3. Distressed Investoren<br />
eine wichtige rolle können distressed investoren<br />
(banken, Fonds oder Hedge Fonds) spielen,<br />
wenn unternehmen einen zusätzlichen Liquiditätsbedarf<br />
haben und banken nicht mehr bereit<br />
sind ihre kredite aufzustocken. solche situati
onen suchen distressed investoren gezielt um<br />
neue Liquidität zur Verfügung zu stellen, aber<br />
verlangen im gegenzug hohe konzessionen<br />
der beteiligten banken.<br />
VI. Fazit<br />
die derzeitige schlechte Finanzlage zahlreicher<br />
unternehmen, insbesondere von Zielgesellschaften<br />
schuldenfinanzierter unternehmen,<br />
führt zu einem anstieg der sanierungsfälle.<br />
Zugleich bietet aber die derzeitige Marktsituation<br />
große Chancen für langfristig orientierte<br />
investoren, im operativen kern intakte<br />
unternehmen günstig zu erwerben. klassische<br />
beteiligungsfonds werden immer stärker in den<br />
bereich distressed assets vordringen. Voraussetzung<br />
ist aber stets die Finanzierbarkeit<br />
des erwerbs. idealerweise findet eine solche<br />
PrAXISTIPPS<br />
restrukturierung möglichst im einvernehmen<br />
aller beteiligten als konsensualer deal statt.<br />
es zeigt sich verstärkt eine kombination aus<br />
klassischen sanierungsmaßnahmen und Produkten<br />
aus dem investmentbanking. Wichtig<br />
ist die anpassung des kapitaldienstes an die<br />
tatsächliche Leistungsfähigkeit kombiniert mit<br />
einer operativen restrukturierung. oft zeigte<br />
sich in der jüngsten Vergangenheit, dass große<br />
restrukturierungsdeals nicht von langer dauer<br />
und beständigkeit waren. Lösungen die in 2009<br />
für angeschlagene unternehmen gefunden<br />
wurden, kamen nur zustande, weil die banken<br />
abschreibungen vermeiden wollten. Für die<br />
banken stellt sich die aktive sanierung – auch<br />
mit Übernahme von equityPositionen – als<br />
alternative dar. daneben werden Partnerschaften<br />
zwischen gläubigerbanken und Fonds entstehen.<br />
£<br />
neben der finanziellen restrukturierung ist immer auch eine operative restrukturierung durchzuführen.<br />
die einbringung von sanierungsknowHow durch beteiligung am steering Commitee ist vorteilhaft.<br />
die eingehung von equityPositionen durch die banken kann eine sinnvolle alternative sein.<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Als Gegenleistung<br />
für die Reduzierung<br />
der Nominalverbindlichkeiten<br />
erhalten<br />
die die Restrukturierung<br />
begleitenden<br />
Banken die umstrukturierte<br />
Restschuld<br />
in Form einer Beteiligung<br />
am Schuldnerunternehmen.<br />
«<br />
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Von Bankern. Für Banker.<br />
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38<br />
beitrag<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Vorstand risikomanagement sanierung sicherheitenverwertung<br />
Forderungsbeitreibung investor revision<br />
Überprüfung von Insolvenzplänen<br />
aus Gläubigersicht<br />
kriterien und praktische tipps zur bewertung der erfolgschancen.<br />
Autor:<br />
Dr. Andreas Fröhlich,<br />
Geschäftsführender Gesellschafter,<br />
perspektiv GmbH.<br />
» Entgegen früherer<br />
eher ablehnender<br />
Haltungen lässt sich<br />
auch heute in der<br />
Praxis erkennen,<br />
dass Gläubiger den<br />
Planaktivitäten<br />
– zumindest anfänglich<br />
– oftmals positiv<br />
gegenüberstehen. «<br />
1 Vgl. hierzu auch Uhlenbrock, insolvenzordnung,<br />
vor §§ 217269 rn. 1 ff .; Smid/Rattunde, der insolvenzplan,<br />
s. 8.<br />
2 beispielhaft seien die erfolgreichen insolvenzplanverfahren<br />
Herlitz und ihr Platz genannt.<br />
3 Vgl. Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), § 1 rn. 1.<br />
4 Vgl. Smid/Rattunde, a. a. o (Fn. 1), s. 8. daneben<br />
wird vom gesetzgeber noch die sog. eigenverwaltung<br />
als dritte Möglichkeit eingestuft, die<br />
jedoch im regelfall nur zusammen mit einem<br />
Planverfahren zur anwendung kommt.<br />
5 Vgl. Haarmeyer (Hrsg.), sanierungs und insolvenzmanagement<br />
i, s. 86.<br />
6 Vgl. Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), § 1 rn. 1.<br />
7 Vgl. Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), § 220 rn. 5 f., Smid/<br />
Rattunde, a. a. o (Fn. 1), s. 269 f.<br />
I. Einleitung<br />
w bereits seit 1999 eröff net die insolvenzordnung<br />
die Möglichkeit, unternehmen mittels<br />
insolvenzplanverfahren zu sanieren 1 . Zwar gibt<br />
es auch aus den anfangsjahren des insolvenz <br />
plans in deutschland einige durchaus positive<br />
beispiele 2 , allerdings stellten diese bis<br />
einschließlich 2008 die absolute ausnahme<br />
dar.<br />
dies hat sich seit Mitte 2009 signifi kant geändert:<br />
derzeit liegt bei mind. einem von drei<br />
größeren insolvenzverfahren das Wort „Planverfahren“<br />
bereits mit antragstellung in der<br />
Luft, so dass alle institutionellen gläubiger<br />
zunehmend mit dieser Verfahrensart in berührung<br />
kommen.<br />
entgegen früherer eher ablehnender Haltungen<br />
lässt sich denn auch heute in der Praxis<br />
erkennen, dass gläubiger den Planaktivitäten<br />
– zumindest anfänglich – oftmals positiv<br />
gegenüberstehen, auch wenn aufgrund der<br />
neuartigkeit dieser Verfahrensart immer noch<br />
eine gewisse unsicherheit im umgang mit<br />
solchen initiativen zu spüren ist.<br />
Welche anforderungen sollten an einen Planentwurf<br />
gestellt werden? Welche Prüfungskriterien<br />
gibt es, die erfolgswahrscheinlichkeit eines<br />
insolvenzplans zu überprüfen? Wie können<br />
gläubiger die annahmewahrscheinlichkeit von<br />
insolvenzplänen einschätzen oder gar beeinfl<br />
ussen? Welche Möglichkeiten zur generierung<br />
von alternativen gibt es? diese Fragestellungen<br />
sind deshalb von großer bedeutung, weil die<br />
bisherige insolvenzpraxis leider zeigt, dass eine<br />
Vielzahl initiierter insolvenzpläne im Laufe des<br />
Verfahrens scheitert. Wurden in diesen Fällen<br />
jedoch nicht frühzeitig alternative Lösungen<br />
aufgebaut, bleibt für das unternehmen oftmals<br />
nur noch die Liquidation oder die umsetzung<br />
eines Planverfahrens mit unbefriedigender<br />
Lösungsqualität.<br />
II. Der Insolvenzplan als Verwertungsform<br />
i. S. d. InsO<br />
bekanntermaßen stellt die insolvenzordnung<br />
als alternative zur Liquidation 3 zwei konzeptionelle<br />
Möglichkeiten zur Verfügung, welche<br />
zu einer unternehmenssanierung beitragen<br />
können: die übertragende Sanierung sowie<br />
das Insolvenzplanverfahren 4 . statistisch<br />
im Vordergrund steht dabei immer noch die<br />
übertragende sanierung, bei der das Vermögen<br />
im Wege eines asset deals auf einen investor<br />
übertragen wird. das insolvenzplanverfahren<br />
ist demgegenüber meist ein instrument<br />
des schuldnerischen unternehmens selbst, die<br />
wirtschaftliche krise zu meistern 5 .<br />
oberstes Ziel des insolvenzverfahrens ist es,<br />
die befriedigungschancen für die gesamtheit<br />
der gläubiger zu optimieren. deshalb werden<br />
den beteiligten alle drei genannten arten der<br />
Masseverwertung gleichrangig zur Verfügung<br />
gestellt 6 . die gläubiger sollen aufgrund der<br />
gläubigerautonomie im Wettbewerb um die<br />
beste Verwertungsart die optimale Masseverwertung<br />
entdecken und durchsetzen. Vor<br />
diesem Hintergrund muss ein insolvenzplan<br />
nicht nur isoliert, sondern immer auch im direkten<br />
Vergleich mit den anderen Verwertungsarten<br />
geprüft werden 7 .<br />
III. Frühzeitige Beurteilung der<br />
Erfolgschancen des Insolvenzplanverfahrens<br />
Wird ein Planverfahren erst einmal vorgeschlagen,<br />
stellt sich für die gläubiger bereits im vorläufi<br />
gen insolvenzverfahren die Frage, ob ein<br />
solches Vorhaben unterstützt oder ggf. zusätzlich<br />
auf eine Verwertung im rahmen eines regelinsolvenzverfahrens<br />
gesetzt werden sollte.<br />
ein wesentliches entscheidungskriterium sind<br />
dabei selbstverständlich die Erfolgsaussichten<br />
der Planinitiative. eine detaillierte beurteilung
der Chancen mag in diesem frühen Verfahrensstadium<br />
noch recht schwierig erscheinen,<br />
da die datenlage zu diesem Zeitpunkt meist<br />
noch recht rudimentär ist. dennoch ist es – aufgrund<br />
der statistisch verhältnis mäßig hohen<br />
„abbruchquoten“ bei Planverfahren – unerlässlich,<br />
die erfolgsaussichten frühzeitig abzuschätzen,<br />
um den eigenen Handlungsspielraum aufrecht<br />
zu erhalten. denn wer zu lange auf einen<br />
aussichtslosen insolvenzplan setzt, riskiert am<br />
ende meist eine Liquidation des unternehmens<br />
und damit regelmäßig äußerst niedrige<br />
befriedigungsquoten.<br />
in der Praxis haben sich kriterien herauskristallisiert,<br />
aufgrund derer die erfolgswahrscheinlichkeit<br />
bereits frühzeitig eingeschätzt werden<br />
kann. studien 8 haben ergeben, dass der erfolg<br />
von Planverfahren im Wesentlichen durch folgende<br />
drei kriterien bestimmt wird 9 .<br />
1. Erfolgsfaktor 1: Frühzeitige Vorlage<br />
eines Planentwurfs<br />
ein äußerst verlässlicher Faktor bei der beurteilung<br />
der erfolgswahrscheinlichkeit eines angedachten<br />
insolvenzplanverfahrens ist der Zeitpunkt<br />
dessen Initiierung. generell lässt sich<br />
sagen: Je früher mit der Vorbereitung des Planverfahrens<br />
begonnen wurde, desto höher sind<br />
die Chancen auf eine erfolgreiche umsetzung.<br />
dies hängt im Wesentlichen damit zusammen,<br />
dass die erarbeitung und abstimmung eines<br />
belastbaren Planentwurfs regelmäßig viel Zeit<br />
kostet. darüber hinaus beweist ein frühzeitig<br />
eingeleitetes Planverfahren Weitsicht und<br />
schafft bei den relevanten stakeholdern entsprechendes<br />
Vertrauen.<br />
beginnt der Planinitiator – wie häufig der Fall –<br />
erst während des laufenden antragsverfahrens<br />
mit der Planerstellung, so ist die Wahrscheinlichkeit<br />
sehr groß, dass die Zeit am ende davon<br />
läuft. die erfolgschancen sind dagegen hoch,<br />
wenn der Planinitiator schon vorinsolvenzlich<br />
mit der erarbeitung begonnen hat und mit der<br />
antragstellung bereits einen ersten substantiierten<br />
Planentwurf vorlegen kann (sog. prepackaged<br />
plan).<br />
die Praxis zeigt: die erfolgsaussichten eines<br />
insolvenzplans nehmen überproportional<br />
stark ab, je später er initiiert wird. Wird daher<br />
mit antragstellung nicht unmittelbar auch ein<br />
erster belastbarer Planentwurf vorgelegt, ist<br />
aus sicht der gläubiger – aber auch der insolvenzverwaltung<br />
– erhöhte Vorsicht geboten.<br />
besondere achtsamkeit ist auch dann geboten,<br />
wenn der korrespondierende insolvenzantrag<br />
nicht frühzeitig wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit“<br />
gestellt wird. denn in diesen<br />
Fällen wird der insolvenzplan vielfach nicht als<br />
ernsthaftes sanierungsinstrument in betracht<br />
gezogen, sondern lediglich als allerletzte Möglichkeit<br />
angesehen, auf irgendeine Weise noch<br />
etwas zu retten.<br />
2. Erfolgsfaktor 2: Entwicklung eines<br />
umsetzbaren Sanierungskonzepts<br />
abgesehen von der sanierungswürdigkeit und<br />
fähigkeit des schuldnerunternehmens ist die<br />
entwicklung eines umsetzbaren sanierungskonzepts<br />
ein weiterer essentieller erfolgsfaktor<br />
für das insolvenzplanverfahren und für<br />
die nachhaltige sanierung des schuldnerunternehmens.<br />
da spätestens mit der insolvenz<br />
des unternehmens klar ist, dass ein „weiter wie<br />
bisher“ nicht möglich ist, muss das sanierungskonzept<br />
meist radikale sanierungsmaßnahmen<br />
aufweisen. selbst wenn dies zu einem umfangreichen<br />
arbeitsplatzabbau führen kann, darf es<br />
dabei keine „heiligen kühe“ geben (z. b. unprofitable<br />
geschäfts oder Produktbereiche). Weiterhin<br />
muss das konzept hinreichend „operationalisiert“,<br />
d. h. in konkreten Maßnahmenplänen<br />
detailliert, sein. die sanierungsmaßnahmen<br />
sind darüber hinaus zu quantifizieren und die<br />
entsprechenden einsparpotenziale auf einer<br />
Zeitschiene zu hinterlegen 10 .<br />
die Praxiserfahrung zeigt, dass die Qualität<br />
der in insolvenzplänen enthaltenen sanierungskonzepte<br />
ganz unterschiedlich ausfällt.<br />
die spanne reicht von wenig detaillierten,<br />
unplausiblen „Wunschvorstellungen“ bis hin zu<br />
ausführlichen und realistischen Maßnahmenplänen.<br />
Je konkreter der insolvenzplan an<br />
dieser stelle ist, desto höher ist am ende auch<br />
dessen umsetzungswahrscheinlichkeit.<br />
das vorgelegte sanierungskonzept entscheidet<br />
meist nicht nur über die nachhaltigkeit<br />
der Fortführungslösung, sondern auch über<br />
die Finanzierbarkeit der angebotenen befriedigungsquoten.<br />
denn der insolvenzplan enthält<br />
eine integrierte Planungsrechnung, die in<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Wer zu lange auf<br />
einen aussichtslosen<br />
Insolvenzplan setzt,<br />
riskiert am Ende<br />
meist eine Liquidation<br />
des Unternehmens<br />
und damit<br />
regelmäßig äußerst<br />
niedrige Befriedigungsquoten.<br />
«<br />
8 die ergebnisse der perspektiv/Handelsblattstudie<br />
können unter http://www.perspektiv.<br />
de/downloads/Per_kZ5_17.pdf bzw. http://<br />
www.perspektiv.de/downloads/perspektiv_<br />
studie_handelsblatt.pdf sowie die ergebnisse<br />
der perspektiv/Zinsostudie unter http://www.<br />
perspektiv.de/downloads/Zinso_nL_7_10.pdf<br />
heruntergeladen werden.<br />
9 Vgl. hierzu auch Fröhlich/Sittel, FP 2<strong>01</strong>0 s. 34 f.<br />
10 das operative sanierungskonzept mündet auf<br />
diese Weise in der für den insolvenzplan erforderlichen<br />
ergebnis, bilanz und Liquiditätsplanung.<br />
39
eitrag<br />
» Das vorgelegte<br />
Sanierungskonzept<br />
entscheidet meist<br />
nicht nur über die<br />
Nachhaltigkeit der<br />
Fortführungslösung,<br />
sondern auch über die<br />
Finanzierbarkeit der<br />
angebotenen Befriedigungsquoten.<br />
«<br />
11 Ähnlich sächsische aufbaubank, bereich Wirtschaftsförderung,<br />
expertenbefragung insolvenz<br />
planverfahren 20<strong>01</strong>, durchgeführt von der<br />
tu dresden, Lehrstuhl für Marketing, s. 33.<br />
40<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
ihrem Liquiditätsteil die vorgeschlagenen Zahlungsströme<br />
an die gläubiger determiniert. die<br />
belastbarkeit des sanierungskonzepts ist für<br />
die gläubiger insbesondere dann von herausragender<br />
bedeutung, wenn die befriedigung<br />
über einen längeren Zeitraum „gestreckt“ wird.<br />
denn sollte die Planung nicht erreicht werden,<br />
so steht u. u. keine ausreichende Liquidität<br />
mehr für die geplanten „ausschüttungen“ zur<br />
Verfügung. die erfolgschancen eines insolvenzplans<br />
sind somit nur dann hoch, wenn im<br />
rahmen des darstellenden teils des insolvenzplans<br />
ein belastbares, umsetzbares sanierungskonzept<br />
vorgelegt wird.<br />
3. Erfolgsfaktor 3: Zufluss von „frischem<br />
Geld“<br />
die erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt,<br />
dass insolvenzpläne vielfach an ihrer Finanzierung<br />
scheitern, weil die Planinitiatoren – insbesondere<br />
die altgesellschafter – über keine ausreichenden<br />
eigenen Mittel verfügen, eine neue<br />
Fremdfinanzierung nicht zustande bringen und<br />
Coinvestoren nicht gefunden oder erst gar<br />
nicht gewünscht werden. trotz der finanziellen<br />
erleichterungen im rahmen des insolvenzverfahrens<br />
sind zumeist signifikante zusätzliche<br />
Finanzierungsmittel erforderlich, um die<br />
nachhaltigkeit der sanierung zu gewährleisten<br />
und um eine Mindestausschüttung an die gläubiger<br />
sicherstellen zu können 11 .<br />
in der Praxis tritt das Problem regelmäßig in<br />
drei Facetten auf:<br />
Von den Planinitiatoren wird im Planentwurf<br />
keinerlei „fresh money“ eingeplant.<br />
diese Variante lässt sich aus sicht der gläubiger<br />
spätestens mit Vorlage des ersten<br />
Plan entwurfs erkennen.<br />
der Planentwurf sieht zwar neue Finanzmittel<br />
vor, die Mittelherkunft ist jedoch nicht<br />
konkret hinterlegt. die Planinitiatoren<br />
machen dabei geltend, dass der kapitalgeber<br />
erst im weiteren Verlauf des Verfahrens<br />
identifiziert werden muss.<br />
es liegt frühzeitig noch überhaupt kein Plan<br />
vor, so dass sich diese Frage aus sicht der<br />
gläubiger überhaupt nicht beurteilen lässt.<br />
das thema hat insofern eine hohe brisanz, als<br />
sich die fehlende Finanzierung meist erst zu<br />
einem späteren stadium des Verfahrens final<br />
bestätigt. Zuvor werden von den Planinitiatoren<br />
oftmals „durchhalteparolen“ ausgegeben<br />
oder gar „nebelbomben“ geworfen. Vor diesem<br />
Hintergrund sollten die gläubiger das thema<br />
„fresh money“ unmittelbar auf die agenda bringen<br />
und von den Planinitiatoren konkrete aktivitäten<br />
und aussagen verlangen.<br />
Mit einer ausgefeilten „Verschleppungstaktik“<br />
kann es vermeintlich besonders gewieften<br />
Plan initiatoren gelingen, den einigungsdruck<br />
auf die gläubiger derart zu erhöhen,<br />
dass am ende auch unvorteilhaften insolvenzplänen<br />
mit suboptimalen befriedigungsquoten<br />
zugestimmt werden muss. dies ist insbesondere<br />
dann der Fall, wenn das Planverfahren als<br />
einzige Fortführungsalternative verfolgt wird.<br />
denn ist das Verfahren erst einmal weit fortgeschritten<br />
und können die gläubiger nur noch<br />
zwischen dem vorgelegten Planentwurf und<br />
einer Liquidation entscheiden, so ist es aus der<br />
sicht der Plan initiatoren verhältnismäßig einfach,<br />
die gläubiger „auszuquetschen“.<br />
da viele insolvenzpläne an ihrer Finanzierung<br />
scheitern, kommt diesem aspekt – gerade im<br />
aktuellen Finanzierungsumfeld – eine besonders<br />
hohe bedeutung zu. Wird dieses thema<br />
bei antragstellung daher nicht bereits proaktiv<br />
und konkret von den Planinitiatoren adressiert,<br />
sollten die gläubiger und die insolvenzverwaltung<br />
skeptisch sein und das thema investorensuche<br />
unmittelbar anstoßen.<br />
4. Zwischenfazit<br />
die erfolgsaussichten eines insolvenzplanverfahrens<br />
lassen sich in einer belastbaren erstabschätzung<br />
an den drei vorgenannten erfolgsfaktoren<br />
festmachen. Mithilfe dieser kriterien<br />
lässt sich aus der sicht der gläubiger zuverlässig<br />
und frühzeitig abschätzen, wie mit einem<br />
Planvorhaben umgegangen werden sollte.<br />
Wenn mit antragstellung die o. g. aspekte nicht<br />
bereits klar adressiert sind, sollten bei allen<br />
gläubigern die alarmglocken läuten. denn<br />
die Wahrscheinlichkeit, dass das Planvorhaben<br />
nicht realisiert werden kann, ist in diesen Fällen<br />
extrem hoch. daher wäre es mehr als fahr lässig,<br />
nicht bereits in diesem frühen stadium – zumindest<br />
parallel – auf alternative Lösungsansätze<br />
zu setzen. es sollte dann unmittelbar mit einer<br />
investorensuche begonnen werden, sei es
zur unterstützung der Planinitiative oder zur<br />
umsetzung einer übertragenden sanierung.<br />
die Praxis hat dabei gezeigt, dass in allen größeren<br />
insolvenzverfahren, in denen eine nachhaltige<br />
sanierung mittels Planverfahren möglich<br />
ist, immer auch eine übertragende sanierung<br />
realisierbar sein wird. denn fällt die für den Plan<br />
erforderliche Prüfung der sanierungswürdigkeit<br />
sowie fähigkeit positiv aus und ist das<br />
schuldnerunternehmen daher auch zukünftig<br />
„marktfähig“, so werden sich auch im rahmen<br />
eines investorenprozesses interessenten finden<br />
lassen, die einen realistischen, am Markt erzielbaren<br />
kaufpreis zu zahlen bereit sind. aus der<br />
sicht der gläubiger wird daher das Planverfahren<br />
fast niemals die einzige und unbedingt bessere<br />
alternative sein können.<br />
IV. Das umstrittene Instrument<br />
der Eigenverwaltung<br />
Mit der eigenverwaltung hat der gesetzgeber<br />
ein instrument geschaffen, dem schuldnerunternehmen<br />
im einzelfall die insolvenzabwicklung<br />
selbst zu überlassen 12 . der schuldner<br />
fungiert dann als sog. „debtor in possession“,<br />
d. h. er verwaltet die beschlagnahmte Masse<br />
zugunsten der gläubiger als „amtswalter in<br />
eigener sache“ 13 . die eigenverwaltung erfreut<br />
sich – aus verständlichen gründen – bei gesellschaftern<br />
und geschäftsführern besonderer<br />
beliebtheit, da das unternehmen so „Herr im<br />
ring“ bleibt und lediglich durch einen sachwalter<br />
kontrolliert wird.<br />
dem instrument wird in der Literatur und der<br />
insolvenzpraxis vielfach erhebliches Misstrauen<br />
entgegengebracht, da die ernsthafte<br />
gefahr besteht, dass der „bock zum gärtner“<br />
gemacht wird 14 . in den aktuellen reformbemühungen<br />
des gesetzgebers finden diese bedenken<br />
keine berücksichtigung, da dieses instrument<br />
zur regel in einem insolvenzverfahren<br />
erhoben werden soll.<br />
Problematisch ist v. a., wenn die Verwaltungs<br />
und Verfügungsbefugnis des schuldnerunternehmens<br />
dazu genutzt wird, die eigene<br />
Planinitiative zum nachteil der gläubiger<br />
„durchzudrücken“, indem alternative Lösungsoptionen<br />
insoweit torpediert werden, als am<br />
ende nur die Planannahme oder die Liquida<br />
tion des schuldnerunternehmens zur auswahl<br />
stehen. eine max. gläubigerbefriedigung<br />
kann auf diese Weise selbstredend nicht erzielt<br />
werden.<br />
das Funktionieren des rechtsinstituts der<br />
eigenverwaltung hängt – gerade in kritischen<br />
Fällen – stark davon ab, wie der sachwalter<br />
seine kontrollfunktion wahrnimmt. Hier muss<br />
der sachwalter stark genug sein, der eigenverwaltung<br />
Paroli zu bieten und sie ggf. in ihre<br />
schranken zu verweisen. gibt es gar einen<br />
schulterschluss von eigenverwaltung und<br />
sachwalter, sind die aussichten der gläubiger<br />
meist düster.<br />
die oftmals vom schuldnerunternehmen angestrebte<br />
„Paarbildung“, d. h. der das schuldnerunternehmen<br />
beratende insolvenzrechtsexperte<br />
versucht, einen ihm genehmen und wohl<br />
gewogenen kollegen zum Verwalter bestellen<br />
zu lassen, ist daher grundsätzlich sehr kritisch<br />
zu betrachten. Vor diesem Hintergrund stellt<br />
sich die Frage, wie sich gläubiger im Fall eines<br />
antrags auf eigenverwaltung positionieren sollten<br />
und welche einflussmöglichkeiten sie hierbei<br />
haben.<br />
Zunächst ist festzuhalten, dass die anordnung<br />
der eigenverwaltung formal durch das<br />
insolvenzgericht erfolgt. die anordnung setzt<br />
jedoch gem. § 270 abs. 2 nr. 3 inso explizit<br />
voraus, dass keine nachteile für die gläubiger<br />
zu erwarten sind. insoweit hat das gericht eine<br />
Prognoseentscheidung zu treffen.<br />
grundvoraussetzung für die unterstützung<br />
einer beantragten eigenverwaltung ist ein<br />
uneingeschränktes Vertrauen in das Management.<br />
Liegt dies nicht (mehr) vor und bestehen<br />
daher ernsthafte Zweifel an der anordnung der<br />
eigenverwaltung, ist den gläubigern dringend<br />
angeraten, ihre bedenken unverzüglich beim<br />
insolvenzgericht vorzubringen und ggf. sogar<br />
rechtsmittel gegen die anordnung einzulegen.<br />
ist die eigenverwaltung erst einmal angeordnet<br />
und zeigt sich, dass der oftmals das<br />
Management diesbezüglich unterstützende<br />
juristische berater die interessen der gläubiger<br />
nicht adäquat vertritt, ist ein gegenlenken<br />
meist bereits zu spät, da entsprechende rechtsmittel<br />
zu langwierig sind. im Zweifel sollten die<br />
gläubiger sich daher bereits zum Zeitpunkt der<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Die Praxis hat<br />
gezeigt, dass in allen<br />
größeren Insolvenzverfahren,<br />
in denen<br />
eine nachhaltige<br />
Sanierung mittels<br />
Planverfahren möglich<br />
ist, immer auch<br />
eine übertragende<br />
Sanierung realisierbar<br />
sein wird. «<br />
12 Vgl. Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), § 270 rn. 1, Smid/<br />
Rattunde, a. a. o (Fn. 1), s. 90 f.<br />
13 Vgl. Smid/Rattunde, a. a. o. (Fn. 1), s. 90 f.<br />
14 Vgl. Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), § 270 rn. 1 f.<br />
41
eitrag<br />
» Es ist zwingend<br />
erforderlich, dass sich<br />
Gläubiger bereits mit<br />
frühen Zwischenständen<br />
des Insolvenz<br />
plans detailliert<br />
auseinandersetzen. «<br />
15 Vgl. http://www.idw.de/idw/portal/d302226/<br />
index.jsp, abgedruckt in WPg 6/2000, s. 285 ff.<br />
16 Vgl. Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), § 232 rn. 1 ff.,<br />
Smid/Rattunde, a. a. o. (Fn. 1), s. 207 ff.<br />
42<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beantragung der eigenverwaltung ausdrücklich<br />
dagegen entscheiden.<br />
die eigenverwaltung scheint dann – aber auch<br />
nur dann – ein taugliches instrument die gläubigerinteressen<br />
zu unterstützen, wenn der „prepackaged<br />
plan“ bereits zum ende des vorläufigen<br />
Verfahrens so weit vorangeschritten ist,<br />
als dass in allen wesentlichen Punkten bereits<br />
einigkeit mit den maßgeblichen stakeholdern<br />
besteht. im Übrigen zeigt die Praxis, dass vom<br />
schuldnerunternehmen angestoßene Planverfahren<br />
sehr wohl auch ohne eigenverwaltung<br />
erfolgreich umgesetzt werden können.<br />
V. Prüfung des vorgelegten Planentwurfs<br />
spätestens mit einreichung des finalen Planentwurfs<br />
beim insolvenzgericht erfolgt von seiten<br />
der insolvenzverwaltung wie auch des insolvenzgerichts<br />
eine Prüfung der formellen und<br />
materiellen anforderungen an den insolvenzplan.<br />
i. d. r. erfolgt allerdings keine detaillierte<br />
Prüfung der komponenten, die für den wirtschaftlichen<br />
erfolg und damit für die befriedigungsquote<br />
(sanierungskonzept und „fresh<br />
money“) verantwortlich sind. die Mindestvoraussetzungen<br />
an den aufbau eines insolvenzplans<br />
sind in den §§ 220 ff. inso gesetzlich<br />
normiert. darüber hinaus hat das institut<br />
der Wirtschaftsprüfer im „idW standard: anforderungen<br />
an insolvenzpläne (idW s 2)“ grundsätze<br />
definiert, denen vorgelegte insolvenzpläne<br />
genügen sollten 15 .<br />
in professionell vorbereiteten Planverfahren<br />
ist es üblich, dass frühzeitig – d. h. schon mit<br />
antragstellung oder spätestens im Verlauf des<br />
vorläufigen insolvenzverfahrens – Zwischenstände<br />
des Planentwurfs an die insolvenzverwaltung<br />
und die (Haupt) gläubiger übermittelt<br />
werden. Ziel aus sicht der Planinitiatoren ist<br />
dabei, die grundzüge des Plans mit den beteiligten<br />
vorabzustimmen, um Überraschungen<br />
bei der späteren Planabstimmung zu vermeiden.<br />
dies ist ein sinnvolles Vorgehen, da sich die<br />
Verwaltung sowie die gläubiger frühzeitig ein<br />
bild über den stand und die Weiterentwicklung<br />
der Planarbeiten machen können.<br />
es ist daher zwingend erforderlich, dass sich<br />
gläubiger bereits mit frühen Zwischenstän-<br />
den des insolvenzplans detailliert auseinandersetzen.<br />
eine kontinuierliche Prüfung ist sinnvoll.<br />
damit keine Zeit verstreicht, sollten sich<br />
die erfolgsaussichten durch Plananpassungen<br />
verändern. Zur Prüfung gehört eine formelle<br />
und materielle Prüfung des vorgelegten<br />
Planentwurfs:<br />
1. Formelle Grundvoraussetzungen<br />
auch wenn die formelle Überprüfung des finalen<br />
Planentwurfs formellrechtlich durch die<br />
insolvenzverwaltung und das insolvenzgericht<br />
erfolgt 16 , sollten sich institutionelle gläubiger<br />
mit den entsprechenden erfordernissen vertraut<br />
machen und frühzeitig zumindest eine<br />
überschlägige Prüfung vornehmen. denn die<br />
formelle Qualität des Planentwurfs erlaubt oftmals<br />
direkte rückschlüsse auf die materielle<br />
Qualität und damit auf die erfolgsaussichten<br />
des insolvenzplans.<br />
der idW s 2 standard enthält als anlage einen<br />
Musterinsolvenzplan, der sehr gut als strukturierungshilfe<br />
bei der Überprüfung der formellen<br />
Voraussetzungen verwendet werden kann.<br />
erfahrungsgemäß folgen die meisten insolvenzpläne,<br />
die mit professioneller externer unterstützung<br />
erstellt worden sind, dieser struktur.<br />
Werden formelle defizite entdeckt, sollten<br />
diese unmittelbar gegenüber der insolvenzverwaltung<br />
oder dem Planersteller kommuniziert<br />
werden, da solche Fehler meist noch behoben<br />
werden können.<br />
2. Materielle Grundvoraussetzungen<br />
aus der sicht der gläubiger wichtiger als die<br />
Formerfordernisse ist der materielle inhalt des<br />
Planentwurfs. bei der materiellen Prüfung spielen<br />
insbesondere folgende aspekte eine wichtige<br />
rolle:<br />
a) Befriedigungsquote und Quotenvergleich<br />
der erste blick der gläubiger bei der durchsicht<br />
von Planentwürfen fällt meist auf die vorgesehene<br />
befriedigungsquote. die von den Planerstellern<br />
angebotene Quote muss dabei<br />
zunächst in ihrer absoluten Höhe der besicherungssituation<br />
sowie den Vorstellungen<br />
der gläubiger rechnung tragen. die Höhe der
Quote sollte jedoch auch zum ausdruck bringen,<br />
dass die sanierung des insolventen unternehmens<br />
nicht (allein) auf kosten der gläubiger<br />
erfolgt. darüber hinaus erfordert das gesetz,<br />
dass – wie bereits dargestellt – die befriedigungsquote<br />
relativ zu den anderen Verwertungsarten<br />
keine schlechterstellung der gläubiger<br />
darstellt.<br />
dies bedeutet zunächst formal, dass der insolvenzplan<br />
einen Passus enthalten muss, in dem<br />
dargestellt wird, welche Quoten im Fall einer<br />
Liquidation aber auch einer übertragenden<br />
sanierung zu erwarten sind 17 . der Vergleich zur<br />
Liquidation fällt aufgrund vorhandener sachverständigengutachten<br />
verhältnismäßig leicht.<br />
schwieriger gestaltet sich oftmals der notwendige,<br />
üblicherweise jedoch fehlende Vergleich<br />
zur Verwertung im rahmen einer übertragenden<br />
sanierung. Wird im konkreten Verfahren<br />
kein paralleler investorenprozess angestoßen,<br />
so lässt sich nur schwer abschätzen, welche<br />
Werte hier zu realisieren wären. nicht ausreichend<br />
ist ein nur pauschaler Hinweis darauf,<br />
dass eine Veräußerung des unternehmens entweder<br />
gar nicht in betracht käme oder nur zu<br />
abstrakt schlechteren konditionen möglich sei.<br />
ist – zumindest bei schuldnerunternehmen<br />
mit über zehn Mio. € umsatz – eine übertragende<br />
sanierung angeblich nicht möglich, ist<br />
das Planverfahren ebenfalls grundsätzlich in<br />
Frage zu stellen. Für ein im rahmen eines Planverfahrens<br />
sanierbares unternehmen wird es<br />
immer auch investorenlösungen im rahmen<br />
einer übertragenden sanierung geben.<br />
die befriedigungsquote erweist sich in vielen<br />
Verfahren als „Verhandlungsgegenstand“, wobei<br />
der erstvorschlag der Planersteller üblicherweise<br />
sehr niedrig angesetzt wird, um sich entsprechenden<br />
spielraum für nachverhandlungen zu<br />
erhalten. in diesem Zusammenhang besteht die<br />
gefahr, dass – wie bereits oben beschrieben –<br />
der Planersteller durch eine geschickte Verzögerungstaktik<br />
die Verhandlungsmacht der<br />
gläubiger einzuschränken versucht. die Versuchung<br />
ist groß, die gläubiger „kurz vor schluss“<br />
vor die entscheidung zu stellen, den Plan anzunehmen<br />
oder sich mit den Liquidationswerten<br />
zufrieden zu geben. gläubiger müssen darauf<br />
achten, dass ihnen mangels alternativlösungen<br />
nicht die Pistole auf die brust gesetzt wird.<br />
b) Zeitpunkt der Befriedigung<br />
da in den meisten Fällen zumindest eine teilbefriedigung<br />
der gläubiger aus künftigen<br />
erlösen erfolgen soll, ist ein weiterer wichtiger<br />
aspekt der „rückzahlungszeitplan“. der im<br />
insolvenzplan integrierten Liquiditätsplanung<br />
ist zu entnehmen, wann der Planersteller die<br />
anteilige rückzahlung der Verbindlichkeiten<br />
vorgesehen hat. das erstangebot der Planersteller<br />
liegt oftmals in einem zeitlich gestreckten<br />
rückzahlungsplan, um die unternehmensliquidität<br />
zu schonen. dies kann so weit gehen,<br />
dass der insolvenzplan eine ratenzahlung<br />
über mehrere Jahre vorsieht. Für die gläubiger<br />
ist dies jedoch meist ein unbefriedigendes<br />
angebot, da die Finanzierbarkeit der rückzahlung<br />
von unkontrollierbaren Fakten, wie<br />
der erfolgreichen umsetzung des sanierungskonzepts<br />
und der einhaltung der Liquiditätsplanung,<br />
abhängt. der tatsächliche rückfluss<br />
ist dadurch mit erheblichen risiken verbunden.<br />
Hinzu kommt, dass sich mathematisch<br />
bei einem solchen Vorschlag die vorgesehene<br />
befriedigungsquote weiter verschlechtert, da<br />
bei einer ratenzahlung die beträge abzuzinsen<br />
sind. ob dann der „Quotenvergleich“ noch positiv<br />
ausfällt, ist in vielen Fällen mehr als fraglich.<br />
c) Belastbarkeit des Sanierungskonzepts<br />
die belastbarkeit des sanierungskonzepts hat<br />
– wie bereits dargestellt – einen unmittel baren<br />
einfluss auf die sicherheit von rückzahlungen.<br />
des Weiteren sind die meisten gläubiger<br />
– unabhängig von ihrem konkreten engagement<br />
– an einer nachhaltigen sanierung des<br />
schuldnerunternehmens interessiert. V. a. aber<br />
beeinflusst die belastbarkeit des sanierungskonzepts<br />
die erfolgswahrscheinlichkeit des<br />
insolvenzplans signifikant. selbst wenn das<br />
thema nachhaltigkeit für die eigenen interessen<br />
nur eine untergeordnete rolle spielt, sind<br />
der insolvenzverwalter, das insolvenzgericht<br />
und v. a. bestimmte gläubigergruppen (z. b.<br />
arbeitnehmervertreter, sozialversicherung)<br />
erheblich daran interessiert, dass die Zukunft<br />
des unternehmens langfristig gesichert ist.<br />
Zur beurteilung des insolvenzplans und<br />
dessen erfolgschance ist daher auch das operative<br />
sanierungskonzept samt Planungsrechnung<br />
detailliert zu prüfen. als Maßgabe für ein<br />
sanierungskonzept hat das institut der Wirt<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Die Versuchung<br />
ist groß, die Gläubiger<br />
„kurz vor Schluss“<br />
vor die Entscheidung<br />
zu stellen, den Plan<br />
anzunehmen oder<br />
sich mit den Liquidationswertenzufrieden<br />
zu geben. «<br />
17 Vgl. Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), § 220 rn. 5 f., Smid/<br />
Rattunde, a. a. o. (Fn. 1), s. 269 f.<br />
43
eitrag<br />
» Selbst wenn das<br />
Thema Nachhaltigkeit<br />
für die eigenen<br />
Interessen nur eine<br />
untergeordnete<br />
Rolle spielt, sind v. a.<br />
bestimmte Gläubigergruppen<br />
erheblich<br />
daran interessiert,<br />
dass die Zukunft des<br />
Unternehmens langfristig<br />
gesichert ist. «<br />
18 Vgl. etwa Smid/Rattunde, a. a. o. (Fn. 1), s. 175.<br />
19 unter bestimmten Voraussetzungen fingiert das<br />
gesetz die Zustimmung dissentierender gläubigergruppen,<br />
die sich nicht mit den nach § 244<br />
abs. 1 inso vorgesehenen Mehrheiten für die<br />
annahme des insolvenzplans entschieden hat.<br />
Vgl. hierzu etwa Uhlenbrock, a. a. o. (Fn. 1), Vor<br />
§§ 217269 rn. 43 f.<br />
44<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
schaftsprüfer (idW) den „idW standard: anforderungen<br />
an die erstellung von sanierungskonzepten<br />
(idW s 6)“ veröffentlicht.<br />
d) Gruppenbildung<br />
Wenngleich der gesetzgeber in § 222 abs. 1<br />
inso Vorschriften für die gruppenbildung normiert<br />
hat, besteht im rahmen der konkreten<br />
ausgestaltung durch den Planersteller ein weitgehender<br />
gestaltungsspielraum 18 .<br />
Vor dem Hintergrund des sog. obstruktionsverbots<br />
19 kann durch eine geschickte gruppenbildung<br />
die annahmewahrscheinlichkeit<br />
des insolvenzplans erhöht werden. die rechtlichen<br />
grenzen der gruppenbildung sind im<br />
gesetz nicht exakt formuliert, so dass der Prüfungsumfang<br />
des insolvenzgerichts hier auch<br />
eingeschränkt ist. dennoch sollten gläubiger<br />
die gruppenbildung auf Fehlerhaftigkeit aber<br />
auch auf mögliche taktische Zielsetzungen der<br />
Planinitiatoren hin überprüfen.<br />
e) Zwischenfazit<br />
Vorgelegte Planentwürfe sind einer detaillierten<br />
formellen und materiellen Prüfung zu<br />
unterziehen. die genannten aspekte betreffen<br />
dabei nicht immer nur die eigenen interessen,<br />
haben aber entscheidenden einfluss auf<br />
die annahmewahrscheinlichkeit des insolvenzplans<br />
durch die gläubigergemeinschaft und<br />
damit implizit auf die eigene Positionierung.<br />
VI. Aktive Begleitung des Planverfahrens<br />
durch die Gläubiger<br />
die erfolgreiche umsetzung von insolvenzplänen<br />
hängt jedoch nicht nur von der zuvor<br />
beschriebenen Überprüfung des Planentwurfs<br />
ab. die annahme und erfolgswahrscheinlichkeit<br />
steht und fällt darüber hinaus mit einer<br />
aktiven beteiligung der gläubiger im Verfahren.<br />
1. Vorabstimmung der wesentlichen<br />
Gläubigergruppen<br />
die erfolgschancen eines insolvenzplanverfahrens<br />
können wesentlich erhöht werden,<br />
wenn die verschiedenen gläubiger sich<br />
bereits frühzeitig abstimmen und die eigenen<br />
interessen offen gegenüber den ande<br />
ren gläubigern, der insolvenzverwaltung<br />
und dem Planinitiator kommunizieren. regel <br />
mäßig haben selbst die beteiligten institutionellen<br />
gläubiger aufgrund der besicherungssituation,<br />
Vorgaben des eigenen Hauses etc.<br />
ganz unterschiedliche erwartungen und interessenlagen.<br />
gelingt es nicht, diese unter einen<br />
Hut zu bringen, so besteht die große gefahr,<br />
dass der Plan – trotz obstruktionsverbot –<br />
am ende scheitert. dann ist es jedoch meist<br />
zu spät, alternative Lösungen zu verfolgen, so<br />
dass nur die Liquidation und damit meist suboptimale<br />
ergebnisse für die gläubiger erzielt<br />
werden.<br />
2. Offene Kommunikation<br />
damit die Planinitiatoren eine realistische<br />
Chance haben, die belange der gläubiger zu<br />
berücksichtigen, sollten letztere bereits im<br />
vorläufigen Verfahren genau definieren, unter<br />
welchen Voraussetzungen sie ein Planvorhaben<br />
unterstützen. dabei können aspekte wie<br />
die befriedigungsquote, der Zeitpunkt der<br />
befriedigung, der Zufluss von „fresh money“,<br />
die darstellung eines belastbaren Vergleichs<br />
zur übertragenden sanierung, die einbindung<br />
von restrukturierungsexperten etc.<br />
eine wichtige rolle spielen. den Planinitiatoren<br />
sollten genaue „Leitplanken“ aufgezeigt<br />
werden, innerhalb derer sich der insolvenzplan<br />
bewegen muss. auch gegenüber der<br />
insolvenzverwaltung sollten diese anforderungen<br />
und befindlichkeiten frühzeitig kommuniziert<br />
werden, damit sie ihren einfluss auf<br />
die Planersteller geltend machen kann. nur auf<br />
diese Weise kann sich die Verwaltung auch ein<br />
eigenes bild darüber machen, ob die Planinitiative<br />
aussicht auf erfolg hat oder ob sinnvollerweise<br />
andere Lösungsoptionen verfolgt<br />
werden sollten.<br />
3. Enge und aktive Begleitung des<br />
Planverfahrens<br />
aufgrund der statistisch hohen „abbruchquote“<br />
bei insolvenzplanverfahren ist den<br />
gläubigern dringend angeraten, das Verfahren<br />
von anfang an äußerst aktiv zu begleiten<br />
und beim insolvenzverwalter eine entsprechende<br />
information und beteiligung einzufordern.<br />
Von anfang an sind die gläubiger<br />
gefordert, sich insbesondere zu den themen<br />
sanierungskonzept, „fresh money“ und „inves
torensuche“ sowie dem aufbau alternativer<br />
Lösungen klar zu äußern. den Planerstellern<br />
und der insolvenzverwaltung sollte frühzeitig<br />
kommuniziert werden, welche konkreten<br />
anforderungen gestellt werden. es ist essen <br />
tiell, dass sich die gläubiger im weiteren Verlauf<br />
des Verfahrens kontinuierlich über den Planfortschritt<br />
informieren, um die erfolgswahrscheinlichkeit<br />
besser einschätzen zu können.<br />
bei einem passiven, abwartenden Verhalten<br />
ist die gefahr groß, dass erst zu spät erkannt<br />
wird, dass das Verfahren in eine falsche richtung<br />
läuft und die eigenen interessen dadurch<br />
negativ berührt werden. Werden insbesondere<br />
die oben beschriebenen drei erfolgsfaktoren<br />
des Planverfahrens nicht bereits mit antragstellung<br />
vehement eingefordert, besteht eine<br />
große gefahr, dass das Verfahren gegen die<br />
eigenen Vorstellungen verläuft. ein „Zurück“<br />
ist dann meist nicht mehr möglich.<br />
4. Zwischenergebnis<br />
Zur Überprüfung des insolvenzplans und<br />
dessen erfolgsaussichten gehört die klare kommunikation<br />
von anforderungen innerhalb der<br />
gläubigergruppe sowie gegenüber der insolvenzverwaltung<br />
als auch den Planinitiatoren.<br />
essentiell ist dabei, den abstimmungsvorgang<br />
bereits frühzeitig im vorläufigen Verfah<br />
PrAXISTIPPS<br />
ren anzustoßen, damit etwaige „showstopper“<br />
schnell erkannt werden.<br />
VII. Fazit<br />
die umsetzung von insolvenzplänen bietet<br />
gläubigern unter bestimmen Voraussetzungen<br />
die Möglichkeit, ihre befriedigung zu optimieren.<br />
Vor dem Hintergrund hoher „abbruchraten“<br />
sind jedoch eine proaktive begleitung<br />
des Verfahrens sowie eine intensive Prüfung<br />
des vorgelegten Planentwurfs spätestens<br />
unmittelbar nach antragstellung an erforderlich.<br />
können die erfolgsfaktoren des Planverfahrens<br />
– die frühzeitige Vorlage eines Planentwurfs,<br />
die entwicklung eines umsetzbaren<br />
sanierungskonzeptes sowie der Zufluss von<br />
„ frischem geld“ – nicht frühzeitig sichergestellt<br />
werden, drohen unbefriedigende ergebnisse.<br />
aufgrund der hohen unsicherheit über den<br />
ausgang des Planverfahrens ist es fast immer<br />
empfehlenswert, alternative Verwertungsoptionen<br />
parallel zu prüfen, um eine abhängigkeit<br />
von den Planerstellern zu vermeiden.<br />
die anordnung einer eigenverwaltung führt<br />
dabei oftmals dazu, dass kaum noch einflussmöglichkeiten<br />
auf den weiteren Verfahrensablauf<br />
bestehen und somit eine unbefriedigende<br />
Lösungsqualität vorprogrammiert ist. £<br />
<strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
beitrag<br />
» Es ist essentiell,<br />
dass sich die<br />
Gläubiger im weiteren<br />
Verlauf des Verfahrens<br />
kontinuierlich<br />
über den Planfortschrittinformieren,<br />
um die Erfolgswahrscheinlichkeit<br />
besser einschätzen<br />
zu können. «<br />
die frühzeitige initiierung des Plans und dessen einreichung mit stellung des insolvenzantrags sind erfolgsdeterminierend.<br />
erfolgskritisch für einen insolvenzplan sind weiterhin ein substantiiertes und realisierbares sanierungskonzept – mit entsprechender<br />
operationalisierung in der guV.<br />
das institut der Wirtschaftsprüfer hat zur orientierung standards verabschiedet, welche die Mindestanforderungen an<br />
insolvenzpläne (idW s2) und sanierungskonzepte (idW s6) darlegen.<br />
Von den Planinitiatoren sind frühzeitig verbindliche aussagen zur Finanzierung des Vorhabens einzufordern.<br />
eigenverwaltung kann nur dann ein taugliches instrument darstellen, wenn zum ende des vorläufigen Verfahrens der<br />
prepackaged plan im Wesentlichen mit den stakeholdern abgestimmt ist.<br />
Parallel zum insolvenzplan sind immer alternative Fortführungslösungen zu erarbeiten, damit im Fall der ablehnung<br />
nicht die Liquidation droht.<br />
45
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ezensionen<br />
<strong>01</strong><br />
02<br />
sicherheitenverwertung,<br />
Forderungsbeitreibung<br />
<strong>01</strong> Privatinsolvenz<br />
48 <strong>01</strong> / 2<strong>01</strong>1 <strong>ForderungsPraktiker</strong><br />
Dr. Andreas Schmidt: Privatinsolvenz – Leitfaden für<br />
den Weg zur restschuldbefreiung. Verlag C. H. beck,<br />
München, 3. aufl. 2009. 231 s., 39 €.<br />
w die Privatinsolvenz ist längst zum Massengeschäft<br />
geworden: Weit mehr als 100.000 schuldner begeben<br />
sich pro Jahr ins Verfahren und hoffen, nach sechs Jahren<br />
schuldenfrei zu sein. aber nicht nur für schuldner und<br />
ihre berater ist eine genaue kenntnis der Materie unverzichtbar.<br />
auch der Vermieter und der arbeitgeber des<br />
schuldners sowie Personen, denen der schuldner unterhaltsverpflichtet<br />
ist, sind gezwungen, sich detailliert<br />
mit der Privatinsolvenz zu befassen. Mittlerweile hat<br />
sich die Privatinsolvenz fest etabliert. der bgH hat zu<br />
wesentlichen Fragen stellung genommen und die Privatinsolvenz<br />
zu einer facettenreichen spezialMaterie<br />
entwickelt. in der Praxis haben sich bei der abwicklung<br />
dieser Verfahren usancen herausgebildet, die sich nicht<br />
aus dem gesetz entnehmen lassen.<br />
die vorliegende dritte auflage trägt diesen veränderten<br />
rahmenbedingungen rechnung. der Handbuchteil<br />
schildert den ablauf eines Privatinsolvenzverfahrens<br />
vom gang zur schuldnerberatungsstelle bis zur erteilung<br />
der restschuldbefreiung. Praxistipps helfen, typische<br />
Fehler und Fallstricke zu vermeiden.<br />
im ratgeberteil werden wichtige Fragen zu den auswirkungen<br />
eines Privatinsolvenzverfahrens auf den schuldner<br />
und sein umfeld präzise beantwortet. der band<br />
wendet sich an schuldner, schuldnerberater, richter,<br />
rechtspfleger, gerichtsvollzieher, anwälte und steuerberater,<br />
ist aber auch geeignet für Mitarbeiter von<br />
abwicklungsabteilungen für den Privatkundensektor<br />
in banken, um sich einen Überblick über kleininsolvenzverfahren<br />
zu verschaffen. £<br />
risikomanagement, sanierung,<br />
Forderungsbeitreibung<br />
02 Insolvenzanfechtung anhand von<br />
Rechtsprechungsbeispielen<br />
Berthold Schäfer: insolvenzanfechtung anhand von<br />
rechtsprechungsbeispielen. Lexisnexis, Münster, 2<strong>01</strong>0.<br />
519 s., 78 €.<br />
w das anfechtungsrecht ist nicht nur hoch praxisrelevant,<br />
sondern oft auch verwirrend, z. b. wenn die bezah<br />
lung einer berechtigten Forderung wegen Vollstreckungsdruck<br />
inkongruent (= „nicht zu beanspruchen“) wird und<br />
die inkongruenz wiederum ein indiz sein soll, dass der<br />
schuldner mit gläubigerbenachteiligungsvorsatz geleistet<br />
und der gläubiger dies erkannt habe. auch die anfechtbarkeit<br />
einer aufrechnungslage oder die unentgeltlichkeit<br />
einer tilgung erschließt sich nicht ohne weiteres.<br />
dies erschwert den einstieg in das anfechtungsrecht<br />
anhand der üblichen kommentarliteratur: Wer nicht<br />
ohnehin schon weiß, dass die inkongruenz ein indiz im<br />
rahmen der vorsätzlichen gläubigerbenachteiligung ist,<br />
schaut gar nicht erst bei der kommentierung zu § 133<br />
inso nach. oder wer nicht ohnehin schon weiß, dass<br />
die entstehung einer aufrechnungslage eine inkongruente<br />
gläubigerbenachteiligung sein kann, findet<br />
nicht ohne weiteres zu der kommentierung des § 96<br />
abs. 1 Ziff. 3 inso.<br />
deshalb geht schäfer einen andern Weg und erläutert<br />
das anfechtungsrecht nicht primär anhand des gesetzestextes,<br />
sondern durch Fallbeispiele. das ausgezeichnete<br />
Stichwortverzeichnis verweist z. b. unter dem<br />
stichwort „Zwangsvollstreckung, drohende“ direkt zu dem<br />
beispielsfall „Inkongruente Deckung bei Zahlung unter<br />
dem Druck der bevorstehenden Zwangsvollstreckung“.<br />
unter „Aufrechnung“ findet man ohne weiteres und<br />
insbesondere ohne Vorkenntnisse – den beispielsfall<br />
„Gläubigerbenachteiligung durch Herbeiführung einer<br />
Aufrechnungslage“.<br />
Zusätzlich wird jede Vorschrift kurz und verständlich<br />
kommentiert, streng praxistauglich auf basis der bgHrechtsprechung<br />
und wiederum mit zahlreichen Querverweisen:<br />
es gelingt dem autor z. b., auf gerade einmal<br />
sieben seiten zur inkongruenzanfechtung nicht nur<br />
die grundlagen darzustellen, sondern auch noch zahlreicher<br />
spezialfälle wie die inkongruenz eines Verzichts,<br />
die nachbesicherung eigener Verbindlichkeiten oder<br />
das Problem der mittelbaren Zuwendung. schneller<br />
und präziser kann man dieses thema nicht darstellen.<br />
damit geht das Werk weit über eine bloße einführung<br />
hinaus. Wer einen ersten Zugang zum anfechtungsrecht<br />
sucht, findet diesen über die einführungen und<br />
das stichwortverzeichnis. Wer die Lösung von spezialfällen<br />
sucht, findet über die jeweilige Vorschrift oder<br />
ebenfalls über das stichwortverzeichnis den passenden<br />
Fall. Zusammenfassend ist das Werk eine wertvolle Hilfe<br />
für jeden, der mit dem anfechtungsrecht zu tun hat<br />
– mehr muss niemand wissen. £<br />
Rechtsanwalt Dr. Thilo Schultze, grub brugger & Partner,<br />
stuttgart