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Ausführliche Biographie als PDF - QR-Gedenken

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war sehr beliebt und besonders geachtet durch seine sportlichen Leistungen. Auch sein<br />

„Feind“ wurde sein Freund.<br />

In der Anfangszeit in Tilsit hatten wir ständig Hunger. Das niedrige Gehalt meines Vaters<br />

war immer schnell ausgeschöpft. So konnten wir zur Schule nur ein Stück trockenes Brot<br />

mitbekommen, das uns aber gut schmeckte. Es fiel uns auf, dass Kinder, meistens<br />

Landkinder, ihre Brote oft in den Papierkorb im Flur warfen. Irene, immer praktisch, nähte<br />

uns in die Unterröcke Taschen. Da steckten wir die Brote rein, wenn wir sie in einem<br />

unbeobachteten Moment aus dem Papierkorb holen konnten. Mir passierte die Peinlichkeit,<br />

dass ich von einer Schülerin dabei beobachtet wurde. Vor Scham weinte ich gleich los.<br />

Armut empfanden wir <strong>als</strong> Schande. Käthe Sokolow, ein jüdisches Mädchen, nahm mich in<br />

den Arm und beruhigte mich, sie wüsste, dass wir Flüchtlinge aus Russland wären, alles<br />

verloren hätten und sehr arm wären. Von da an lag über eine lange Zeit jeden Tag auf<br />

meiner Tasche ein in Pergamentpapier eingeschlagenes belegtes Brot.<br />

Einmal wurde ich von Sokolows zu einem jüdischen Fest eingeladen. Das hatte mich sehr<br />

beeindruckt. Es gab ungesäuertes Brot, „Matzen“, und noch andere Sachen zu essen. Bei<br />

Kerzenbeleuchtung las der Großvater, mit weißem Haar und Bart, aus dem alten Testament<br />

vor und segnete uns <strong>als</strong> Patriarch alle. Das war sehr feierlich. – Natürlich erzählte ich Papi<br />

von meinem Erlebnis in der jüdischen Familie Sokolow. Papi erklärte mir, dass Jesus ein<br />

Jude war, der anfänglich glaubte, dass sein Auftrag dem jüdischen Volk galt. Die Juden<br />

erkannten ihn aber nicht <strong>als</strong> Messias an, sondern <strong>als</strong> ihren höchsten Propheten. – Nach<br />

dem 2. Weltkrieg habe ich mich in Israel nach der Familie Sokolow erkundigt. Der Name war<br />

bekannt, aber nicht diese Familie.<br />

Auf den Straßen wurde ein Lied „gesungen“, ein richtiger Gassenhauer, in das auch ich<br />

fröhlich mit einstimmte. Der Inhalt des Textes war mir nicht bewusst, erst <strong>als</strong> er mir erklärt<br />

wurde. Ich schämte mich sehr, so sehr, dass ich das Lied bis heute nicht vergessen habe.<br />

Es war die Melodie, die mich mitriss, die ich aber nicht mehr übermittelt habe. Niemand soll<br />

dieses Lied noch singen können. Aber es ist ein Zeugnis dieser Zeit.<br />

Unser Hund Hallo<br />

Hallo, die Synagoge brennt, hallo, das Judenpack, das rennt.<br />

Und der Herr Rabbiner, der sammelt seine Hühner,<br />

mit krummer Nas„ und krumme Been„<br />

führt er sie nach Jerusalem.<br />

Zu unserem großen Jubel kauften unsere Eltern ein Hundebaby. Es war ein<br />

Mischlingshund, ähnlich einem irischen Spitz. Es war ein Rüde mit dunklen, sehr<br />

ausdrucksvollen Augen, schwarzer Nase und einem weichen, langhaarigen Fell. Wir tauften<br />

ihn „Hallo“. Als erstes badeten wir unser Baby, was ihm überhaupt nicht gefiel. Er<br />

entwickelte sich zu einem wunderschönen, lernfreudigen und gescheiten Hund. Wolfram<br />

brachte ihm Gehorsamspflichten bei, wie „Sitz“ oder sein Futter erst nach dem Wort „nimm“<br />

zu fressen. Hallo konnte auch Türen öffnen, was Leute, die zu meinem Vater wollten und<br />

sich vor Hunden fürchteten, nicht so gut fanden. Er griff aber nur auf Befehl an, und das<br />

auch nur mit warnendem Knurren und mit Gebell. So war Hallo auch ein Schutz für uns.<br />

Wenn wir ihn auf der Straße riefen, gab es oft Verwirrung bei den Passanten, die sich bei<br />

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