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Ausführliche Biographie als PDF - QR-Gedenken

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Nun wandte er sich an mich mit den Worten, dass ich ihn lügnerisch verleumdet hätte, ich<br />

müsste deshalb die Schule verlassen.<br />

Ich packte meine Sachen und schaute immer wieder meine Mitschüler enttäuscht und<br />

empört an und lief dann tränenüberströmt aus der Klasse. Ich warf mich meinem Vater in die<br />

Arme und erzählte ihm die ganze Geschichte. Papi beruhigte mich und sagte: „Das wird<br />

wohl Onkel Otto entscheiden müssen.“ Onkel Otto, Papis Bruder, Professor in Königsberg<br />

und Oberschulrat von West- und Ostpreußen, kam so schnell, wie er es einrichten konnte.<br />

Er sagte zu mir: „Na, was hast du denn angestellt?“ Ich gehörte zu seinen Lieblingsnichten,<br />

und ich liebte ihn auch sehr. Das blieb auch so bis zu seinem Tod. Er starb <strong>als</strong> alter Mann. Er<br />

hatte mit Herrn Hartung eine Unterredung. Da Herr Hartung ein angesehener Musiker und<br />

Knabenchorleiter war, bekam er eine Verwarnung und wurde nach Königsberg versetzt. Ich<br />

konnte wieder in die Schule gehen. Unser neuer Musiklehrer war Herr Weiß, der sehr<br />

beliebt war und ebenfalls ein guter Chorleiter des Knabenchors wurde. Nach den<br />

Chorproben tobten die Luthersängerknaben oft auf unserem Pfarrhof herum. Wir waren<br />

sehr zufrieden und sangen voll Freude.<br />

Quäkerspeisung<br />

Für unterernährte Kinder in den Schulen gab es die Quäkerspeisung. Zu diesen Kindern<br />

gehörten auch wir. Klassenmäßig wurden wir aufgerufen und bekamen angedickten Kakao<br />

und eine große Milchsemmel – köstlich.<br />

Ich hatte inzwischen Schulfreundschaften geschlossen. Dazu gehörte Lucie, ein Mädchen,<br />

das mich zu ihrer besten Freundin ernannte. Ich hatte mir allerdings unter dem Begriff<br />

„beste Freundin“ etwas anderes vorgestellt. Sie war nicht berechtigt, Quäkerspeisung zu<br />

erhalten. Sie drängelte sich aber immer neben mich und bettelte mich dann um das<br />

Brötchen für ihre Mutter an. Ich glaubte ihr das, weil bei unserer Familienmoral lügen ein<br />

großes Vergehen war. Eine Mitschülerin sagte mir: „Ellen, du bist richtig dumm. Lucie isst<br />

deine Brötchen selber.“ Ich war sehr betroffen und enttäuscht. Aber ich verzieh ihr, obwohl<br />

sie mich bei der Klassenlehrerin wegen irgendeiner Kleinigkeit gemein verpetzt hatte. Auch<br />

Petzen war in unserer Familie verpönt. Trotzdem vertrugen wir uns allmählich recht gut. Sie<br />

war oft bei uns und ich bei ihr. Sie war ein Einzelkind und genoss unsere große lebhafte<br />

Familie.<br />

In unserem Hause ging es meist lebhaft und wild zu. Trotzdem achteten meine Eltern sehr<br />

auf gute Manieren. Höflichkeit und Liebenswürdigkeit gehörten zu unserem Umgangston.<br />

Die Großeltern wurden immer mit einem Handkuss begrüßt. Bei Tisch durfte nicht laut<br />

geschwatzt werden. Es musste Rücksicht auf die verschiedenen Besucher meines Vaters<br />

genommen werden.<br />

Tilsit war eine Musik liebende Stadt und organisierte viele Konzerte, zu denen Musiker von<br />

außerhalb eingeladen wurden. Wir konnten diesen Musikern Privatquartiere bieten. Da<br />

erlebten wir wunderbare Menschen, die ich nie vergessen werde.<br />

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