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Heimische Pflanzen & Listen - Stiftung Wirtschaft und Ökologie SWO

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Kulturpflanzen • Vielfalt in Gefahr<br />

Gehen wir heute in einen Supermarkt, finden wir Tausende von Lebensmittelartikeln. Mit exotischen Gemüsen <strong>und</strong><br />

Früchten entsteht der Eindruck einer grossen Nahrungsmittelvielfalt. Doch der Schein trügt. Die Anzahl der<br />

Nahrungspflanzen beschränkt sich auf immer weniger Arten. Man geht davon aus, dass der prähistorische Mensch<br />

von 2000 Wildpflanzen lebte. Sogar im Beginn der Ackerbaukulturen wurden noch 500 Hauptnahrungspflanzen<br />

angebaut. Im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte beschränkte sich deren Anzahl auf bis heute 44 Arten, wovon einige aber<br />

kaum noch im Handel zu finden sind.<br />

Sortenverarmung<br />

Noch stärker verarmte die Sortenvielfalt in den letzten 40 Jahren. Im 2. Weltkrieg verschwanden allein in<br />

Griechenland H<strong>und</strong>erte von Weizensorten. Früher hatte jeder Landstrich in Deutschland seine eigene<br />

Möhrensorte, seinen Kohl etc. Diese sogenannten "Alten Landsorten" passten sich im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte an<br />

Boden <strong>und</strong> Klima dieser Gegend an. Sie besassen eine grosse Gen-Vielfalt, d.h. sie hatten viele Möglichkeiten, auf<br />

äussere Faktoren angemessen zu reagieren, waren verschieden gross usw. Die Industrie <strong>und</strong> die immer mehr<br />

maschinen-geprägte Landwirtschaft braucht jedoch neue Sorten, gezüchtet auf Ertrag <strong>und</strong> Einheitlichkeit. So<br />

enstanden Hoch-leistungssorten, die immer abhängiger von chemischer Düngung <strong>und</strong> Pestizideinsatz wurden.<br />

Gen-Banken<br />

Diese empfindlichen Sorten benötigen nun zum Erhalt ihrer Fähigkeiten immer wieder Gen-Auffrischungen<br />

dadurch, dass alte robuste Sorten eingekreuzt werden. Diese alten Sorten stammen zum Grossteil aus den<br />

Ursprungsländern unserer Kulturpflanzen, hauptsächlich aus Ländern der 3. Welt. Da die Gen-Vielfalt der <strong>Pflanzen</strong><br />

in diesen Gegenden aber durch Kriege, Industriealisierung <strong>und</strong> Hunger (*) gefährdet ist, wurden vor Jahren vor<br />

allem von Industrie-nationen <strong>und</strong> Konzernen Gen-Banken eingerichtet, die nationale alte Sorten <strong>und</strong> Urformen<br />

unserer Nahrungs-pflanzen einlagern. Aber diese Sammelstellen können keine Garantie für das Ueberleben der<br />

eingelagerten Samen übernehmen. Saatgut hält nicht ewig. Es muss immer wieder aufgefrischt werden, um die<br />

Keimfähigkeit zu erhalten. So kann die einzige deutsche Samenbank schon durch Stellenkürzungen Sorten<br />

verlieren. Stromausfall, Feuer, Ueberschwemmungen <strong>und</strong> Erdbeben sind vorallem für Gen-Banken der 3. Welt<br />

weitere Gefährdungen. Viele Sammlungen gingen so schon verloren.<br />

(*) Durch Hunger werden die Samen von Getreide, Erbsen, Bohnen etc. aufgegessen, die für die nächste Aussaat<br />

bestimmt waren. Hilfslieferungen bringen dann Hochleistungssorten ins Land, die nicht für dortige Verhältnisse<br />

geeignet sind.<br />

Multis<br />

Da <strong>Wirtschaft</strong>sinstitute grosse Gewinnspannen für den Saatgutmarkt vorhersagten <strong>und</strong> diese durch die Saatgutgesetze<br />

gesichert waren, wurde der Konkurrenzdruck immer grösser. Viele kleine Zuchtbetriebe wurden<br />

aufgekauft oder verschwanden vom Markt, mit ihnen verschwanden wiederum viele alte Sorten. Immer mehr<br />

Grossfirmen <strong>und</strong> internationale Konzerne (vor allem die Chemie) kauften sich in diese Branche ein <strong>und</strong> bestimmen<br />

einen immer grösseren Teil des Marktes (eine amerikanische Firma besitzt weltweit 3/4 aller Bananensorten). In<br />

Deutschland sind die Züchterfirmen noch mittelständisch, jedoch drängen ausländische Firmen auf den hiesigen<br />

Markt.<br />

Eine grosse Einschränkung der Sortenvielfalt entsteht auch dadurch, dass viele Landwirte <strong>und</strong> Gärtner nur einige<br />

wenige Sorten bevorzugt anbauen. In der beschreibenden Sortenliste des B<strong>und</strong>essortenamtes von 1986 werden<br />

für Winterroggen 12 Sorten angegeben. Eine Sorte davon nimmt schon 53% der angebauten Fläche ein, 3 Sorten<br />

93%. Warum bestimmte Sorten beliebter sind mag viele Gründe haben. Aus der Schweiz ist ein Fall bekannt, wo<br />

von 4(!) Weizensorten die Backindustrie eine favorisiert aufkaufte. Diese hat zwar einen niedrigeren Ertrag (kleinere<br />

Einnahm. d. Bauers), aber bei guten Backeigenschaften kann sie die grösste Menge Wasser aufnehmen.<br />

Hybride<br />

Eine weitere Monopolisierung geschieht durch verstärkte Züchtung von Hybriden <strong>und</strong> Inzuchtlinien. Diese<br />

<strong>Pflanzen</strong> sind Kreuzungen, die in der ersten Generation eine gute Ernte bringen, bei Nachzucht aber ihre<br />

Eigenschaften verlieren, unfruchtbar werden oder degenerieren. Somit ist jeder Bauer <strong>und</strong> Gärtner darauf<br />

angewiesen, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen. Und die reinrassigen Mutter- <strong>und</strong> Vaterpflanzen bleiben in<br />

Verwahrung der Züchterfirma. Beim Mais ist im B<strong>und</strong>essortenblatt von 1986 nur noch eine Sorte angegeben, die<br />

frei abblüht, 60 sind Hybride. Von 21 Rosenkohlsorten sind 17 Hybride.<br />

Bio-Samen<br />

Schwierig wird es für den Bio-Gärtner, wenn er Saatgut sucht, welches seinen ökologischen Ansprüchen gerecht<br />

wird. Die einzige deutsche Forschungsanstalt, von der man solche Samen beziehen konnte, musste schliessen. Im<br />

Handel sind einige "Bio-Samen", das Bio bezieht sich hier aber nicht auf spezielle Oeko-Züchtungen, sondern ist<br />

meist nur ungebeizte Saat. Die Sortenauswahl ist dabei minimal . Greifen die Bio-Gärtner nun alle zu diesen Samen,<br />

schränkt sich die Sortenvielfalt wiederum sehr stark ein. Von Nord bis Süd auf allen Bio-Beeten die gleichen<br />

<strong>Pflanzen</strong>! Wohl mögen ungebeizte Samen gesünder sein als gebeizte, aber die Eigenschaften der Samen bleiben<br />

dort die gleichen. Aus einer anfälligen Hochleistunssorte wird durch Weglassen der Beize keine widerstandsfähige,<br />

mit ökologischen Eigenschaften ausgestattete Bio-Sorte.<br />

Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt L. Watschong, Ahornweg 6, D-3525 Arenborn, Tel 05574/1345

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