Europas blutige Taufe
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Sterbehilfe gibt es nicht, aber während Karlmanns Adel auf dem Krongut Corbeny an der<br />
Aisne noch über die Regentschaft für die unmündigen Söhne des Toten streitet, erscheint<br />
Karl mit seinen Reitern und präsentiert sich als König aller Franken. Karlmanns Witwe<br />
flieht mit ihren Kindern zu den Langobarden. Einhard berichtet lapidar, sie sei nach<br />
Italien "gereist, was der König ohne Aufregung hinnahm, wenn es ihm auch recht<br />
überflüssig erschien".<br />
Karl hat die Langobarden tödlich beleidigt, Witwe und Erben des Bruders aus dem Land<br />
gejagt, und die eben 14-jährige Hildegard erwartet ein Königskind. Der Schwertadel<br />
murrt. Damit er sich beruhigt, braucht er Arbeit, und die will Karl ihm im Nordosten<br />
verschaffen, bei den Sachsen. Zum kommenden Frühjahr ruft er den Adel nach Worms.<br />
Dem Heerbann des Königs müssen seine Vasallen mit allen ihren Männern folgen.<br />
Weltliche und geistliche Grundherren stellen eine nach der Größe ihres Besitzes<br />
berechnete Zahl von Kriegern, ausgerüstet mit Waffen, Verpflegung und allem Gerät für<br />
den Marsch zum Sammelpunkt und drei weitere Monate. Mehrere freie Kleinbauern<br />
stellen einen Mann. Kern des Heeres, das der König von Worms lahnaufwärts gegen die<br />
Sachsen führt, sind die schweren Reiter der Scara francisca. Gegen Pfeile sind sie durch<br />
Kettenhemden geschützt, für die übrigens ein strenges Exportverbot gilt. Auch mit Sattel<br />
und Steigbügel müssen die Franken geritten sein. Sie sind für den Nahkampf bewaffnet,<br />
der vom bloßen Pferderücken nicht zu führen ist.<br />
Die Sachsen haben ihren Attacken wenig entgegenzusetzen. Auf dem Weg zur Weser<br />
zerstört Karl das "Götzenbild" der Irminsul und nimmt Geiseln. Weihnachten ist er wieder<br />
auf einem Krongut im Maasland. Solche Sachsenzüge hatte schon sein Vater Pippin<br />
geführt. Doch Karl ahnt nicht, dass er eben zwischen Niederrhein und Elbe, Holstein und<br />
Siegerland einen richtigen Krieg entfesselt hat, der erst nach 33 Jahren und 17 weiteren<br />
<strong>blutige</strong>n Heerfahrten beendet sein wird.<br />
Noch im Winter 772/73 erreicht ihn ein Brief aus Rom, in dem der Papst "für den Dienst<br />
Gottes und die Rechte des heiligen Petrus" um Hilfe gegen die Langobarden bittet. Karl<br />
hat wenig Lust, dem Pontifex den ersehnten Kirchenstaat zu erobern, aber als er von<br />
eigenen Boten hört, dass Desiderius den Papst drängt, Karlmanns ältesten Sohn zum<br />
König der Franken zu salben, ändert sich die Sache. Im Frühjahr erkämpft er den<br />
Übergang über die Alpen. Während sein Heer Pavia belagert, bestätigt er in Rom die<br />
"Pippinische Schenkung", dennoch wird es vorerst nichts mit dem Kirchenstaat. Als Pavia<br />
fällt, verordnet Karl Klosterhaft für Karlmanns Witwe, ihre Söhne und König Desiderius.<br />
Dessen "Eiserne Krone" nimmt er selber und zieht als König der Franken und<br />
Langobarden zurück nach Norden, wo die Sachsen in die Grenzgebiete eingefallen sind.<br />
Karl ändert seine Strategie. In befestigte Plätze legt er ständige Besatzungen, die von<br />
den umliegenden Bauern versorgt und mit Vorräten für die nachfolgenden Truppen<br />
beschickt werden müssen. Mit den Soldaten ziehen immer mehr Missionare ein, auch<br />
Sachsen, aber sanfte, aus England. Vor allem beim Adel haben sie Erfolg. Dessen<br />
heidnisch-germanische Logik ist simpel. Die Diener des Christengotts erkämpfen Siege,<br />
also muss dessen "Heil" stärker sein als das von Wotan, Donar und Saxnot. Viele lassen<br />
sich taufen. Dennoch schlagen andere sofort wieder los, als Karl im nächsten Jahr an die<br />
Adria marschiert, um einen Aufstand der Langobarden zu ersticken. Jetzt, schreibt<br />
Einhard, ist er entschlossen, "den Kampf gegen das treulose und bundesbrüchige