Europas blutige Taufe
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Sachsenvolk nicht eher aufzugeben, als bis es besiegt dem Christenglauben unterworfen<br />
oder aufgerieben war".<br />
Karl will christianisieren, einmal, weil er wirklich fromm ist, zum anderen, weil er Sachsen<br />
nur durch den Klerus beherrschen kann. Schon sein Großvater Karl Martell, der gar nicht<br />
fromm war, hatte Bonifatius unterstützt, weil durch dessen Kirchenverwaltung die<br />
rechtsrheinischen Reichsteile erst regierbar gemacht worden waren.<br />
Der dritte Sachsenzug ist so erfolgreich, dass Karl 777 den Reichstag nach Paderborn<br />
einberuft. Den scheinbar Besiegten bietet er mitten im Herzen ihres Landes ein Spektakel<br />
von Pracht und Herrlichkeit. Sie bestaunen das Gefolge der Grafen und Bischöfe von allen<br />
Enden des Reichs, die glänzende Phalanx der Kriegsprofis von der Scara francisca, den<br />
hünenhaften König, der statt seiner schlichten fränkischen Reitertracht jetzt einen<br />
golddurchwirkten blauen Mantel und ein Diadem trägt. Spektakulärer Höhepunkt der<br />
Schau ist der Auftritt von Männern in Pluderhosen, wallenden Umhängen und seidenen<br />
Turbanen. Sie bitten um Hilfe gegen den Emir Abd ar-Rahman, der im Norden Spaniens<br />
sein Volk unterdrücke und auch die Christen gnadenlos verfolge. Der König sagt zu.<br />
Viele sächsische Edle schwören ihm auf dem Reichstag Treue. Massentaufen gibt es<br />
auch; Karl glaubt, seine Arbeit sei getan, aber er irrt. Die Sachsen leben in germanischen<br />
Sippenverbänden, die nur im Kriegsfall einen Herzog auf Zeit wählen. Es gibt keinen<br />
König, dessen Eid Untertanen binden könnte. Ein Sachse schwört nur für sich selbst, und<br />
der "Edeling" Widukind hat weder für sich noch für andere geschworen. Der<br />
Frankenherrscher ist kaum nach Spanien abgezogen, da plündert er mit einem<br />
Bauernheer das rechte Rheinufer vor Köln und liefert den Besatzern seiner Heimat einen<br />
erbarmungslosen Guerillakrieg.<br />
Karls Unternehmen jenseits der Pyrenäen scheitert. Der Ebro kann nicht überquert,<br />
Saragossa nicht genommen werden. Auch die angeblich verfolgten Christen wenden sich<br />
erbittert gegen ihn, den Barbaren aus dem Norden. Als "Ungläubige" müssen sie zwar<br />
Steuern zahlen, aber beten dürfen sie, zu wem sie wollen. Nicht "Sarazenen" vernichten<br />
die Nachhut der abziehenden Franken im Tal von Roncevalles, wie das Rolandslied<br />
behauptet, sondern christliche Basken.<br />
Nach diesem Debakel setzt Karl alle Kraft darein, den sächsischen Aufstand<br />
niederzuschlagen, wenig später muss er in der Lombardei unter korrupten fränkischen<br />
Grafen Ordnung schaffen. Der Papst bekommt nur eine kleine Anzahlung auf seinen<br />
Kirchenstaat, dankbar ist er dennoch: Die schöne Hildegard, die den König begleitet, wird<br />
rechtmäßig Karls Ehefrau.<br />
Die aufständischen Sachsen werden deportiert<br />
782, eben zurück von einem zweiten Reichstag im scheinbar befriedeten Sachsenland,<br />
erreicht den König in Lothringen die Nachricht, dass die Sachsen ein Heer, das er gegen<br />
die Sorben östlich der Elbe schickte, schon an der Weser vernichtet haben. Seine Antwort<br />
ist grausam. 4500 Sachsen habe der König bei Verden an der Aller enthaupten lassen,<br />
berichtet Einhard. Und wenn diese Zahl auch sicher übertrieben ist, so gehört Karl doch<br />
ganz gewiss zu jenen "Söhnen der Kirche", für deren Untaten "im Dienste der Wahrheit"<br />
Johannes Paul II. soeben um Vergebung bat. Wohl im selben Jahr wird die capitulatio de<br />
partibus Saxoniae erlassen, ein drakonischer Strafkatalog, der unter anderem dekretiert: