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Europas blutige Taufe

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"Wer ... vom Stamme der Sachsen ... freiwillig Heide bleibt, der soll des Todes sterben."<br />

Dennoch muss Karl noch zwei große Schlachten schlagen, bevor Widukind, krank von der<br />

gnadenlosen Hetzjagd, 785 aufgibt und sich in Attigny bei Reims taufen lässt. Karl selbst<br />

gibt den Taufpaten.<br />

Drei Jahre später muss sich Bayernherzog Tassilo unterwerfen. Karl droht mit drei<br />

Heeren, sein römischer Alliierter mit dem Kirchenbann. Das letzte Stammesherzogtum<br />

auf deutschem Boden verschwindet im Frankenreich und Tassilo - wo sonst? - im Kloster.<br />

Dann zieht Karl gegen die slawischen Stämme an der Ostgrenze und führt den ersten<br />

Zug gegen die Awaren in Niederösterreich. Doch kaum hat er 793 für das folgende Jahr<br />

ein Konzil nach Frankfurt am Main einberufen, da vernichtet eine neue Generation<br />

sächsischer und friesischer Rebellen wieder ein Frankenheer an der Weser. Gnadenlos<br />

verfügt der König jetzt die Verheerung ganzer Landstriche und die Zwangsumsiedlung<br />

von Sachsen und Franken in die Stammesgebiete der jeweils anderen. 797/98<br />

überwintert er mit Luitgard, der vierten Frau, und seinem Hof im Heerlager bei Höxter.<br />

Auf den Rat des englischen Mönchs Alkuin, seines "Kulturministers", mildert er die<br />

"Blutgesetze" ab. Alte Rechtsbräuche der Sachsen bleiben gültig, ihre Herzöge werden<br />

fränkische Grafen, das Land wird gleichberechtigter Reichsteil.<br />

Dennoch, als der Klerus nördlich der Elbe den Zehnten gnadenlos eintreibt, erheben sich<br />

dort die Bauern noch einmal. Der König, der nun Kaiser ist, deportiert die Aufständischen<br />

nach Franken. Ihr entvölkertes Land überlässt er einem slawischen Stamm, den<br />

Abodriten, die nun die Nordgrenze des Reichs gegen die Dänen sichern sollen. Erst jetzt,<br />

804, ist Sachsen endgültig "befriedet".<br />

Etwa seit 795 überwintert Karl fast nur noch in Aachen, manchmal bleibt er ein ganzes<br />

Jahr. Er ist müde. Seit er reiten lernte, hat er die Monate zwischen März und Oktober zu<br />

Pferde verbracht, auch in den kurzen Pausen zwischen den Kriegen immer unterwegs von<br />

einem Krongut zum anderen. Oft war seine Familie in holpernden Wagen dabei, auf<br />

Straßen, die nichts anderes waren als Karrenspuren. Die "kleinen" Kriege zur Eroberung<br />

und Sicherung der "Marken" vor den eigentlichen Reichsgrenzen überlässt er nun den<br />

Söhnen. Als aber die Dänen 810 mit einem großen Krieg drohen, führt er selbst wieder<br />

sein Heer nach Norden. Bevor es zum Kampf kommt, wird König Göttrik ermordet.<br />

Am 28. Januar 814 stirbt Karl in Aachen. Zwei seiner drei legitimen Söhne sind schon tot.<br />

Ludwig, der jüngste, erbt ein Reich, das fast alle christlichen Völker des<br />

westeuropäischen Festlands vereinigt, dazu die Oberherrschaft über die Slawenstämme<br />

zwischen Odermündung, mittlerer Donau und Istrien. Das kurzlebige Reich, das Karl<br />

zusammenzwang, zeigt schon die Umrisse jenes Europa, das heute auf dem Weg zur<br />

freiwilligen Vereinigung ist. Zu hoffen bleibt, dass die nüchterne Einsicht in das<br />

Notwendige die Völker stärker bindet als das Schwert des Imperators vor 1200 Jahren.<br />

Hinweis<br />

Hierzulande feiert vor allem Aachen mit zahlreichen Veranstaltungen und einer großen<br />

Ausstellung "seinen" Kaiser. Informationen: 0241/432 13 13 (s. Artikel zu diesem Thema<br />

aus der ZEIT 25/2000)<br />

In der ZEIT 14/2000 folgt der 2. Teil: Der Schüler und Lehrer

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