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“ Ich komme meiner Seele nahe” - Musiktherapie in einer Tages ...

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Beziehungs-<br />

angebote<br />

durch Musik<br />

durch Themen<br />

<strong>in</strong>dividuelle<br />

Zielsetzungen<br />

Schnuppersitzung <br />

Eigenwahrnehmung<br />

Frau X<br />

Reflexion der<br />

Schnuppersitzung<br />

6<br />

Sichtweise des Menschen – dessen eigenen Prozess begleite und lediglich Reize,<br />

Themen etc. hierzu anbiete. Zu diesen Reizen gehören <strong>in</strong> der Gruppen-<br />

<strong>Musiktherapie</strong> logischerweise Musik und Musik<strong>in</strong>strumente, aber natürlich auch<br />

die anderen Teilnehmer der Gruppe, der Raum, das Licht, die Atmosphäre etc. und<br />

ich – der Therapeut - selber.<br />

Wenn ich durch den E<strong>in</strong>satz verschiedener musiktherapeutischer Techniken wie<br />

Imitation, Kontrastierung, Spiegelung usw. auf musikalische Äußerungen der<br />

Teilnehmer reagiere, setze ich spezifische Reize e<strong>in</strong>, mit der Intention e<strong>in</strong>e Reaktion<br />

hervorzurufen. Dadurch ergibt sich e<strong>in</strong>e Spirale: durch jedes Klangereignis<br />

wird Musik gestaltet, gleichzeitig werden die Klangereignisse durch Beziehung<br />

bestimmt, womit – wie zum Thema Indikation bereits gesagt – Musik letztlich<br />

Beziehung ist. Auch durch das Vorschlagen e<strong>in</strong>es Themas biete ich Beziehung(en)<br />

an: Beziehung der e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmer zu diesem Thema, Beziehung untere<strong>in</strong>ander<br />

und Beziehung zwischen Teilnehmern mir. Das heißt letztendlich, was ich<br />

konkret zum Erreichen der o.g. Ziele anbiete ist <strong>“</strong>Beziehung”.<br />

Das Beispiel von Frau X soll verdeutlichen, dass es auch ganz <strong>in</strong>dividuelle Zielsetzungen<br />

geben kann:<br />

Frau X ist am 08.04.2003 erstmals probeweise zur MT ge<strong>komme</strong>n. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 43<br />

Jahre alt, verheiratet und hat e<strong>in</strong>e Tochter (13 Jahre). Sie wohnt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Ort, ist gelernte<br />

Hauswirtschafter<strong>in</strong>, hat aber e<strong>in</strong>e 50%ige MdE 4 . Die Diagnose lautet „Residualsyndrom e<strong>in</strong>er<br />

Psychose, Depressionen und Antriebslosigkeit<strong>“</strong>. Erstmals erkrankt ist sie 1990. 1999 und 2003<br />

versuchte sie sich (jeweils mit Medikamenten) das Leben zu nehmen. In der <strong>Tages</strong>stätte verhält<br />

sich Frau X eher hyperaktiv und ist extrem redebedürftig. Von Seiten der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen wird die<br />

Gruppenfähigkeit teilweise <strong>in</strong> Frage gestellt und die <strong>Tages</strong>stätten-Besucher s<strong>in</strong>d stark von ihr genervt.<br />

Vor der ersten Teilnahme an der MT hatten andere Teilnehmer bereits große Bedenken<br />

geäußert, ob Frau X sich <strong>in</strong> diese Gruppe e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den könne. Frau X wirkt häufig sehr unruhig und<br />

eskaliert verbal bei nahezu jeder Gelegenheit, wobei sie stark von Außenreizen <strong>in</strong> ihrer Themenwahl<br />

gesteuert wird. Bei e<strong>in</strong>em Thema zu bleiben ist kaum länger als e<strong>in</strong> bis zwei Sätze lang möglich.<br />

Mit diesen Vor<strong>in</strong>formationen startete ich mit Frau X die „Schnuppersitzung<strong>“</strong>, <strong>in</strong> welcher sich<br />

folgendes zeigte:<br />

Häufiger Wechsel der Instrumente (Tambur<strong>in</strong>e und große Trommel) mit vielen größeren Pausen,<br />

zumeist (schnelleres) Spiel außerhalb des „Gruppenrhythmus’<strong>“</strong>, sehr laut im Vordergrund spielend,<br />

wobei ihr Spiel durchaus „suchend<strong>“</strong> (nach dem Rhythmus der anderen) wirkt, <strong>in</strong> ruhiger Phase<br />

weiterh<strong>in</strong> laut, aber unsicher wirkend, <strong>in</strong> lauter Phase fest und sicher im geme<strong>in</strong>samen Rhythmus,<br />

experimentierfreudig <strong>in</strong> Bezug auf verschiedene Spielweisen (schlagen, kratzen, reiben, streichen)<br />

nachdem sie diese bei mir abgeguckt hatte.<br />

In der Gesprächsrunde äußert sie, dass sie froh über ihre Klänge ist und nun erleichtert und entspannt<br />

sei. Sie ist an die Tanz-/Trommelgruppe der Tochter und an Tanzstunden mit ihrem Mann<br />

er<strong>in</strong>nert. In der ruhigen Phase fühlt sie sich „wie auf e<strong>in</strong>er Sommerwiese<strong>“</strong>.<br />

Die Schnuppersitzung hat mir gezeigt, dass Frau X über das Musizieren <strong>in</strong> der<br />

Lage ist, sich zu entspannen und sich zeitweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Rhythmus<br />

e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den, Assoziationen hat und diese auch benennen kann, wahrnehmen kann,<br />

was andere tun und nicht ständig im Mittelpunkt stehen muss. Aber auch Probleme<br />

werden deutlich: Frau X ist <strong>in</strong> ihrem Erleben und Handeln stark auf sich fixiert.<br />

Dass sie immer nur kurzfristige geme<strong>in</strong>same Phasen zulässt und dann abbricht,<br />

veranlasst mich zu der Hypothese, dass sie Kontakte schlecht aushalten<br />

kann. Sie merkt nicht, wie sie auf andere wirkt, hat möglicherweise e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränktes<br />

Handlungsrepertoire <strong>in</strong> Bezug auf die Gestaltung von (musikalischen)<br />

Kontakten, hält an Vertrautem teilweise starr fest, ist aber durchaus lernfähig,<br />

4 M<strong>in</strong>derung der Erwerbstätigkeit

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