28.10.2013 Aufrufe

Verhandeln statt behandeln Adherence Therapie als pflegerische ...

Verhandeln statt behandeln Adherence Therapie als pflegerische ...

Verhandeln statt behandeln Adherence Therapie als pflegerische ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Aktuelle Aspekte zur Entwicklung der<br />

<strong>Adherence</strong>-<strong>Therapie</strong><br />

Pflegefachtagung Herten 2010<br />

Dr. rer. medic. Michael Schulz


Menschen tun nicht immer das, was sie<br />

sollen<br />

Ever since Eve ate the<br />

forbidden fruit it has been<br />

metaphorically clear that<br />

people sometimes prefer not<br />

to follow instructions.<br />

Seit Eva verbotenerweise<br />

den Apfel gegessen hat, ist<br />

klar, dass Menschen<br />

manchmal nicht den<br />

Instruktionen folgen<br />

(Barry Blackwell, 1992)


Was meint „<strong>Adherence</strong>“?<br />

<strong>Adherence</strong> ist definiert <strong>als</strong> das Ausmaß, in<br />

welchem das Verhalten eines Patienten mit<br />

den gemeinsam von Patient und Arzt (bzw.<br />

Behandlungsteam) im Sinne einer<br />

partizipativen Entscheidungsfindung<br />

beschlossenen Behandlungszielen<br />

übereinstimmt.<br />

(Haynes and Rand – zugleich Grundlage für<br />

WHO)


Nonadherence ist u.a. verantwortlich<br />

für<br />

50% der sog. <strong>Therapie</strong>versager bei Hypertonie<br />

700.000 ungewollten Schwangerschaften pro<br />

Jahr (USA) infolge von Einnahmefehlern von<br />

oralen Kontrazeptiva<br />

80% der Organabstöße bei Transplantationen<br />

ca. 30-40% der <strong>Therapie</strong>resistenz bei<br />

Depression<br />

ca. 30-40% der Rezidive bei Schizophrenie


<strong>Adherence</strong> …<br />

Paradigmenwechsel<br />

Ist nicht immer angezeigt<br />

Ist ein Prozess<br />

Bezieht sich nicht nur auf Medikamente


Wandlung des „Compliance-Begriffes“ in den letzten 50<br />

Jahren in der wissenschaftlichen Literatur<br />

50er Jahre: Willfährigkeit und Gehorsam des<br />

Patienten gegenüber dem Arzt<br />

Patient ist bei <strong>Therapie</strong>versagen „schuld“<br />

60er Jahre: Versachlichung der<br />

therapeutischen Beziehung<br />

80er Jahre: das „therapeutische und soziale<br />

Umfeld des Patienten wird in das Compliance-<br />

Konzept mit einbezogen“


Bio-psycho-soziales Modell der ICF<br />

(International Classification of Funktioning)<br />

Körperfunktionen<br />

und -strukturen<br />

(Impairment)<br />

Umweltfaktoren<br />

Gesundheitsproblem<br />

(Gesundheitsstörung oder Krankheit, ICD)<br />

Aktivitäten<br />

WHO, Genf, 2002<br />

Partizipation<br />

(Disability) (Handicap)<br />

Personbezogene<br />

Faktoren


Diskussion seit den<br />

90er Jahren<br />

Erweiterung um<br />

eine Ökonomische<br />

Dimension


Finanzielle Anreize zur Compliance Förderung<br />

Pro:<br />

Finanzielle Anreizsysteme<br />

haben sich <strong>als</strong> wirksam<br />

erwiesen<br />

Keine unzumutbaren<br />

Risiken<br />

Sind praktikabel<br />

Contra<br />

Kaum gesicherte<br />

Erkenntnisse<br />

Woher kommt das Geld?<br />

Höhe der Zuwendung<br />

kaum zu klären<br />

Rebound Effekte nach<br />

Beendigung der Zahlung<br />

Gerechte Zuwendung<br />

kaum möglich<br />

Aus Sicht der Patienten<br />

absurd<br />

(„Entschädigung?“)<br />

Ethisch bedenklich


Fünf Theorien zu Adhärenz im Hinblick auf Patienten<br />

mit Schizophrenie nach Weiden (2007)<br />

1 Adhärenz ist kein klinisches Outcomekriterium und<br />

interessiert nur dann, wenn es das Behandlungsergebnis<br />

beeinflusst.<br />

2 Adhärenzprobleme gehen oft einher mit begrenzter<br />

Wirksamkeit der Medikation<br />

3 Adhärenz kann gesehen werden <strong>als</strong> Verhalten oder <strong>als</strong><br />

Einstellung<br />

4 Überzeugungen und Einstellungen der Patienten im<br />

Hinblick auf ihre Medikamente sind immer „wahr“<br />

5 Das Verhalten im Hinblick auf Adhärenz ist veränderbar<br />

unterliegt zeitlichen Schwankungen sollte <strong>als</strong> Teil der<br />

Krankheit begriffen werden


Was beeinflusst <strong>Adherence</strong>?<br />

Die fünf Dimensionen der WHO<br />

Sozioökonomische<br />

Faktoren<br />

Krankheitsbedingte<br />

Verfassung<br />

des Patienten<br />

<strong>Adherence</strong><br />

<strong>Therapie</strong>bezogene<br />

Faktoren<br />

Behandlungsteam<br />

und<br />

Gesundheitssystem<br />

Patientenbezogene<br />

Faktoren


Je häufiger pro Tag Medikamente eingenommen<br />

werden, umso geringer ist die Adhärenz Verhalten


Medical Care 2009; 47: 826–834


Ergebnisse:<br />

Arzt-Patienten-Kommunikation und <strong>Adherence</strong><br />

sind positiv korreliert<br />

Risiko für Non-<strong>Adherence</strong> ist um 19% höher,<br />

wenn ärztlicher Kommunikationsstil ungünstig<br />

ist<br />

Training ärztlicher Kommunikationskompetenz<br />

resultiert in signifikanten und substantiellen<br />

Verbesserungen der <strong>Adherence</strong>


Kooperation aus Sicht der<br />

Betroffenen<br />

„Von Pflegemitarbeitern<br />

wird mir häufig gesagt,<br />

dass die Beziehung zum<br />

Patienten, das Ringen um<br />

eine tragfähige Beziehung,<br />

den wesentlichsten Teil<br />

der Arbeit ausmacht….<br />

Viele Psychiatrie-<br />

Erfahrene nehmen die<br />

Pflegenden anders wahr.<br />

Im Vordergrund stehen<br />

eher ihre ordnenden und<br />

kontrollierenden, weniger<br />

ihre Verhandlungs- und<br />

Unterstützungsfunktion“.<br />

Sibille Prins, Psychiatrieerfahrene,<br />

Buchautorin


Parallel zur Krankheitsprogression<br />

vollzieht sich ein Lernprozess<br />

Krankheitsbeginn: Betroffener ist …<br />

Fraglos<br />

Zögernd<br />

passiv folgsamer Patient<br />

Weiterer Krankheitsverlauf:<br />

Entwickeln eigener Strategien zum<br />

Medikamentenmanagement<br />

Gänzliches Selbstmanagement<br />

Eigenhändige Entscheidung, z.B. um Komplexität<br />

zu verringern.


Hierarchische Kommunikation im Krankenhaus


Besondere Rolle der stationären<br />

Akutversorgung<br />

„Tyrannei des Akuten“<br />

Partnerschaftlicher Dialog ist in der Krise oft schwierig<br />

zu realisieren<br />

Passt nicht zu den Abläufen<br />

Erkrankte sind in dieser vulnerablen Situation begrenzt<br />

handlungsfähig<br />

Entlastung durch Delegation der Verantwortung<br />

Hierarchische Kommunikationssituation<br />

Patienten <strong>als</strong> Experten und Partner stehen den<br />

Anforderungen eines reibungslosen Ablaufes häufig<br />

entgegen.<br />

Aber: Krisensituation kann auch Motivation zur<br />

Verhaltensänderung bedeuten


WHO (2003)<br />

“Die Entwicklung von Strategien, zu<br />

einer verbesserten Akzeptanz von<br />

<strong>Therapie</strong>programmen ist ein<br />

wesentliches Element um weltweit<br />

Krankheitsfolgen zu verringern”


NICE Guideline<br />

„Medicines<br />

<strong>Adherence</strong>“


Empfehlung der NICE Guidliene<br />

„Medicines <strong>Adherence</strong>“<br />

Verbesserung der Kommuniaktaion<br />

Einbeziehung des Patienten sicherstellen<br />

(Arbeitsbündnis)<br />

Sichtweise des Patienten verstehen<br />

Individuelle Informationsweitergabe<br />

Informationen zu <strong>Adherence</strong> sammeln<br />

Interventionen einsetzen, um adhärentes Verhalten zu<br />

steigern<br />

<strong>Therapie</strong>pläne regelmäßig überprüfen<br />

Die Kommunikation zwischen<br />

Gesundheitsdienstleistern verbessern


Individuelle Maßnahmen<br />

z.B. Arbeitsbündnis,<br />

individuelle Hilfen<br />

Versorgungsstrukturelle<br />

Aspekte<br />

z.B. aufsuchende<br />

Behandlung<br />

Verbesserung der Adhärenz<br />

Spezifische therapeutische<br />

Interventionen<br />

Rabovski, Stoppe (2006)


Was kann die Pflege tun? Z.B.<br />

<strong>Adherence</strong> <strong>Therapie</strong>


<strong>Adherence</strong> <strong>Therapie</strong><br />

Nach Kemp et al 1998 und Gray et al 2002<br />

Community Psychiatric Nursing<br />

Manualisiert<br />

8 Einheiten à 40-60 Minuten<br />

5 Einheiten stationäre, 3 Einheiten nach<br />

Entlassung zu Hause<br />

Einzelkontakte<br />

Grundlagen aus CBT und Motivational<br />

Interviewing (Miller und Rollnick)


Einbeziehung der Patienten & Widerstand gering halten<br />

Austausch von Informationen & Diskrepanzen herausarbeiten<br />

Interpersonelle Fähigkeiten<br />

Ambivalenz<br />

Heraus- und<br />

bearbeiten<br />

Problemlösung<br />

Annahmen +<br />

Einstellungen<br />

besprechen<br />

Assessment<br />

Nach vorne<br />

blicken<br />

Rückblick<br />

Evidence based - wissenschaftliches Fundament<br />

Prozess Fähigkeiten


Rückblick<br />

2000<br />

Im ersten Jahr<br />

beim Abitur<br />

durchgefallen<br />

Die Menschen fingen<br />

an, über mich zu<br />

sprechen und<br />

verhielten sich<br />

schrecklich<br />

Begonenn viel<br />

Meine Mutter hat<br />

mich zum Arzt<br />

Cannabis zu rauchen,<br />

um sich zu<br />

gebracht<br />

entspannen<br />

Habe aufgehört zu<br />

Eintritt in die Universität, fühlt<br />

sich anders im Gegensatz zu<br />

den anderen Studenten<br />

essen, da andere<br />

‘<br />

Menschen Dinge in<br />

mein Essen getan<br />

haben<br />

Erste<br />

Krankenhausaufnahme,<br />

sehr ängstlich, Spritzen<br />

erhalten, drei Monate<br />

Aufenthalt .<br />

Einnahme von Med.<br />

zur Beruhigung für<br />

einige Monate, was<br />

ich im Anschluss an<br />

die Entlassung<br />

abgestezt, habe, weil<br />

es mich zu müde<br />

gemacht hat<br />

Zweite Aufnahme,<br />

Einstellung auf Risperdal<br />

.<br />

Praktikum für vier Montae<br />

Probleme mit den<br />

Nachbarn, Polizei<br />

wurde gerufen<br />

Immer noch die<br />

Einnahme von Risperdal.<br />

Weiterhin Müdigkeit,<br />

möchte gerne etwas<br />

anderes nehmen


Überzeugungen und Befürchtungen bezüglich<br />

psychiatrischer Medikation<br />

Ich brauche keine Medikamente<br />

mehr nehmen, wenn es mir besser<br />

geht.<br />

Ich bin nicht anders mit oder ohne<br />

Medikation<br />

Ich fühle mich freier und<br />

leistungsfähiger ohne Medikation<br />

Ich nehme nur auf Druck Anderer<br />

Medikamente ein.<br />

Medikamente vergiften einen ganz<br />

langsam<br />

Die unerwünschten Effekte der<br />

Medikation sind immer vorhanden<br />

Ich kann besser mit Menschen<br />

umgehen, wenn ich Medikamente<br />

einnehme<br />

Es ist unnatürlich, dass mein<br />

Gehirn und mein Körper von<br />

Medikamenten kontrolliert werden<br />

Wenn ich Medikamente nehme,<br />

kann ich einem Zusammenbruch<br />

vorbeugen<br />

es kann einer Psychose<br />

vorbeugen , aber ich werde nur<br />

psychotisch, wenn ich Cannabis<br />

oder LSD nehme


Ambivalenzen herausarbeiten<br />

Medikamente einnehmen<br />

Nicht so gut gut<br />

Ich höre immer<br />

noch Stimmen<br />

Ich schlafe zu viel<br />

ich habe ein<br />

starkes Verlangen<br />

nach Süssigkeiten<br />

Ich habe 3 Kilo<br />

zugenommen<br />

Ich bin weniger<br />

gehemmt<br />

Ich trinke nicht zu<br />

viel Alkohol<br />

Ich habe heute<br />

längere<br />

Phasen, in denen<br />

es mir gut geht<br />

• Ich würde<br />

abnehmen<br />

Medikamente absetzen<br />

Gut Nicht so gut<br />

• Ich wäre vielleicht<br />

fröhlicher<br />

• Ich wäre nicht so<br />

faul und<br />

schwerfällig<br />

Ich würde ständig<br />

Stimmen hören<br />

Menschen würden<br />

auf mich<br />

gehässiger und<br />

kritischer wirken<br />

Missverständnisse<br />

würden zunehmen<br />

Ich würde<br />

ängstlicher sein<br />

und wäre leichter<br />

zu irritieren<br />

Ich würde weniger<br />

schlafen


Wirksamkeit?


Zusammenfassung der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnis<br />

Interventionen müssen komplex sein<br />

Nachweis der Wirksamkeit schwer zu<br />

führen<br />

Ergebnismaß schwer zu messen, da Begriff<br />

sich kaum operationalisieren lässt<br />

Modifizierung der Outcomekriterien


So far …


Was sagen Pflegende und<br />

Patienten?


Kooperation mit Ärzten<br />

Es ist irgendwann während der<br />

Sitzungen das Problem aufgetaucht,<br />

dass die Patientin sagte: „ich erzähle<br />

euch das, aber ich will nicht, dass der<br />

Arzt das erfährt. Wenn der was erfährt,<br />

dann bekomme ich es auf`s Butterbrot<br />

und krieg den erhobenen Zeigefinger“.<br />

Dann war da so die Frage, was mache<br />

ich denn jetzt. „Na, gut erzählen Sie“.


Hausbesuche<br />

Der Hausbesuch war ganz spannend. Also, auch mal<br />

zu sehen wie der Patient wohnt. Ich hatte mir das<br />

anders vorgestellt, chaotischer, vollgestopft. Aber es<br />

war alles sehr minimalistisch, sehr ordentlich, sehr<br />

sauber. Er war total nett, hatte auch Kaffee gekocht<br />

und berichtete, dass wirklich alles super läuft.<br />

Deshalb finde ich persönlich es auch so wichtig, dass<br />

man auch früh genug anfängt, den Patient zu Hause<br />

aufzusuchen. Da hat man automatisch eine andere<br />

Rolle. Auf der Station sagt man so unsere Station, das<br />

ist meins, hier sind meine Regeln und wenn ich beim<br />

Patienten bin, bin ich da Gast. Da hat man ganz<br />

automatisch eine andere Rolle. Ich glaub, da hat dann<br />

auch der Patient wie soll ich das sagen. Ich finde das<br />

dann fairer.


Hausbesuche (2)<br />

Pflegende<br />

Wenn der Patient am Pförtner vorbei ist, dann<br />

sind die ganz anders, dann reden die ganz<br />

anders. So ein Assessment auf Station zieht<br />

sich manchmal über Monate hin, ehe man<br />

Informationen kriegt. Aber wenn man mit dem<br />

Patienten in seine Wohnung fährt, dann ist<br />

man vielleicht eine Stunde unterwegs, aber da<br />

hat man eine Sammlung, die übertrumpft<br />

Wochen vorher.


Edukation und Verhalten<br />

Herr B.: „Ja ich war aufgeklärt. Über das<br />

Insulin und auch über das ... das<br />

Antidepressiva war ich informiert. Nur hatte ich<br />

das erstmal nicht ernst genommen. ... Das<br />

Insulin schon, ich weiß ja,... man merkt ja die<br />

Wirkung vom Insulin. Aber vom<br />

Antidepressivum eher nicht. Ich habe keine<br />

Wirkung gespürt und hab das auch gar nicht<br />

ernst genommen, erstmal.“


Haltungsänderung<br />

Pflegende:<br />

Früher habe ich immer gedacht: wenn die Medikamente<br />

angeordnet sind und ich erlebe es ja auch, dass es<br />

dem Patienten dann gut geht, dann müssen sie die<br />

halt nehmen. Aber was es mit dem Patienten macht,<br />

wenn er tagtäglich Medikamente nehmen muss, da<br />

wurde so wenig drauf geguckt und darum habe ich<br />

durch die Schulung eine andere Sichtweise<br />

bekommen.<br />

Da (auf die Komplexität der Situation) haben wir<br />

vorher überhaupt nicht drauf gekuckt. Wir haben das<br />

ja so gelernt. Unser Job war es, dass die Patienten die<br />

Medikamente nehmen.


Haltungsänderung (2)<br />

Pflegende:<br />

Ich habe für mich noch eine Erfahrung zusätzlich<br />

gemacht. Wir sind halt von der alten Schule gedrillt:<br />

der Patient muss nehmen. Es ist meine Pflicht, dass er<br />

sie nimmt. Dass man jetzt doch mehr und mehr sieht,<br />

ich muss mich auch mal auf einer Ebene mit dem<br />

Patienten wieder finden. Da ist der Patient. Ich muss<br />

mehr hören, was meint der, was denkt er und wie<br />

können wir einen Kompromiss eingehen, wie kann das<br />

gehen.<br />

Wir sind ja so sozialisiert. Und sich da auch zu lösen,<br />

das ist ja ein tiefer Prozess.


Haltungsänderung (3)<br />

Für mich war noch mal ganz wichtig zu<br />

gucken, was die Fortbildung mit mir gemacht<br />

hat. Wie gesagt, ich habe da eine ganz andere<br />

Sichtweise bekommen. Früher hat man<br />

gesagt: Die Medikamente wurden<br />

verschrieben, <strong>als</strong>o müssen sie die auch<br />

nehmen. Man hat sehr viel Zeit und Energie<br />

damit verschwendet, den Patienten zu sagen,<br />

dass sie ihre Medikamente nehmen müssen.<br />

Das hat sich bei mir verändert.


Problembereiche:<br />

„Tyrannei des Akuten“<br />

Abgrenzung<br />

Wertschätzung des Systems<br />

Rollenveränderung<br />

Partizipative Ansätze sind<br />

zeitaufwendiger<br />

Akutstationen


Verschiedene Kliniken habe AT<br />

erfolgreich implementiert<br />

Herten<br />

Lengerich<br />

Warstein – Lippstadt<br />

Bielefeld<br />

Kaiserswerther Diakonie Düsseldorf<br />

Kilchberg (CH)<br />

Bern (CH)


Organisation der Verbreitung<br />

Dachverband<br />

Trainerausbildung<br />

Kurse an<br />

unterschiedlichen<br />

Stellen<br />

Herten<br />

Gütersloh (ZAB)<br />

Warstein<br />

Wien<br />

Kilchberg<br />

Bern


Die Schulung<br />

Konzipiert in<br />

Zusammenarbeit mit<br />

dem Institut in<br />

London<br />

Fünf Tage<br />

Supervidierende<br />

Begleitung


<strong>Adherence</strong> <strong>Therapie</strong> Preisgekrönt<br />

BFLK Landes- und Bundespreis<br />

2. Platz Berliner Gesundheitspreis


Take home<br />

Von Compliance zu <strong>Adherence</strong><br />

Paradigmenwechsel?<br />

Arbeitsbündnis mit Fokus auf<br />

Krankheitsmanagement<br />

Vorraussetzung: Mit Unsicherheit Leben<br />

können<br />

Einbeziehung des Kontextes<br />

Expertenrolle neu definieren<br />

<strong>Adherence</strong> <strong>Therapie</strong> integriert komplexe<br />

Vorgaben


„Care is often viewed as<br />

something we do for people,<br />

rather than with people. This is<br />

an unashamedly paternalistic<br />

view. This kind of care infantilies<br />

people: maintaining them in a<br />

state of dependency“<br />

„Pflege wird oft <strong>als</strong> etwas<br />

angesehen, was man für<br />

Menschen tut, an<strong>statt</strong> es mit<br />

Menschen zu tun. Dies ist eine<br />

unverschämte paternalistische<br />

Sichtweise. Man behandelt<br />

Menschen dann wie Kinder:<br />

hält sie in einem Zustand der<br />

Abhängigkeit“


Verwendete Literatur (Auswahl)<br />

Stone M, Bronkesh S: »Meshing patient and physician go<strong>als</strong>«<br />

1998 (www.hsmgroup.com/info/compli/compli.html)<br />

Seemann, Kiessling: Volkskrankheit „Noncomplaince – Ursachen, Folgen,<br />

<strong>Therapie</strong>möglichkeiten. Psychoneuro 2008, 34 (9): 405-409<br />

L. Osterberg L, Blaschke M: <strong>Adherence</strong> to Medication, N. Engl. J. Med., August<br />

2005; 353(5): 487 - 497<br />

WHO: <strong>Adherence</strong> to long term <strong>Therapie</strong>s – Evidence for action. Geneva: 2003<br />

Gray Schulz<br />

Müller S, Kiessling W, Stiegler M: Finazielle Anreize zur Complianceförderung.<br />

Psych Praxis 2009, 36: 258-260<br />

Rabovsky K, Stoppe G: Prävention und Behandlung von Non-Compliance und<br />

Gesamtbehandlungsabbruch. Psychoneuro 2006 (6): 313-318<br />

Vielen Dank!


„Improving<br />

<strong>Adherence</strong> of<br />

patients with SMI is<br />

one of the biggest<br />

challanges facing<br />

psychiartry today“<br />

Bosworth:2006


Fünf Theorien zu Adhärenz im Hinblick auf Patienten<br />

mit Schizophrenie nach Weiden (2007)<br />

Theorie 1 Adhärenz ist kein klinisches Outcomekriterium und<br />

interessiert nur dann, wenn es das Behandlungsergebnis<br />

beeinflusst.<br />

Theorie 2 Adhärenzprobleme gehen oft einher mit begrenzter<br />

Wirksamkeit der Medikation<br />

Theorie 3 Adhärenz kann gesehen werden <strong>als</strong> Verhalten oder <strong>als</strong><br />

Einstellung<br />

Theorie 4 Überzeugungen und Einstellungen der Patienten im<br />

Hinblick auf ihre Medikamente sind immer „wahr“<br />

Theorie 5 Das Verhalten im Hinblick auf Adhärenz ist veränderbar<br />

unterliegt zeitlichen Schwankungen sollte <strong>als</strong> Teil der<br />

Krankheit begriffen werden


Je häufiger pro Tag Medikamente eingenommen<br />

werden, umso geringer ist die Adhärenz Verhalten


Literaturanalyse: Faktoren, die <strong>Adherence</strong> beeinflussen<br />

Illness related<br />

factors<br />

Lack of knowledge<br />

about illness and<br />

treatment<br />

Denial of illness<br />

Severity of illness<br />

Level of disability<br />

Rate of disease<br />

progression<br />

Impact of illness on<br />

lifestyle<br />

Treatment related<br />

factors<br />

Complex regimes<br />

Unwanted side<br />

effects<br />

Route of<br />

administration<br />

Lack of satisfaction<br />

Fear of side effects<br />

Poor symptom<br />

control<br />

Previous negative<br />

experiences<br />

Not seeing<br />

immediate benefits<br />

Misunderstanding<br />

treatment<br />

Frequent changes in<br />

treatment<br />

Duration of treatment<br />

Prescriber related<br />

factors<br />

Non collaborative<br />

Authoritative<br />

Not explaining<br />

Not having<br />

faith/confidence in<br />

prescriber<br />

Lack of access to<br />

prescriber<br />

Lack of follow up<br />

Prescriber<br />

overworked<br />

Service over<br />

burdened<br />

Lack of training in<br />

appropriate<br />

interventions to<br />

improve adherence<br />

Irregular medication<br />

review<br />

Person related<br />

factors<br />

Busy lifestyles<br />

Disorganised<br />

lifestyles<br />

Forgetting to take<br />

medication<br />

Beliefs about<br />

illness<br />

Beliefs about<br />

treatment<br />

Embarrassment<br />

Fear of being<br />

stigmatised<br />

Cognitive deficits<br />

Low self esteem<br />

Poor motivation<br />

Lack of perceived<br />

risk<br />

illness poses<br />

Low treatment<br />

expectations<br />

Environmental<br />

factors<br />

Family’s view of<br />

treatment<br />

Support from family<br />

Peer pressure<br />

Contact with other<br />

patients<br />

Media<br />

Access to alternative<br />

treatments<br />

Cultural factors<br />

Ethnic Background<br />

Religious beliefs<br />

Family influences<br />

Peer pressure<br />

Access to alternative<br />

treatments<br />

The National Health<br />

Service<br />

Kikkert et al, 2005


Formen von Non-Adhärenz<br />

Nicht-Akzeptanz: Nichteinlösen von<br />

Rezepten – 5%<br />

Non-Persistentz: Nicht abgesprochener<br />

Abbruch<br />

Weitere Formen:<br />

Drug Holiday, „Praxis Compliance“,<br />

Änderung zeitlicher Vorgabren<br />

intentional vs. nicht-intentional


Partizipative Entscheidungsfindung<br />

Problemdefinition<br />

Darstellung der Gleichwertigkeit („Equipoise“)<br />

Behandlungsmöglichkeiten und Risiken beschreiben<br />

Explorieren von Verständnis, Befürchtungen und<br />

Erwartungen beim Patienten<br />

Rollenpräferenz klären und Entscheidungsfindung<br />

Vereinbarungen überprüfen


Traditionelle Versorgung vs. Partizipativer<br />

Versorgungsansatz<br />

Issue Traditional Care Collaborative Care<br />

Beziehung<br />

zwischen<br />

Professsionelle<br />

m und Patient<br />

Verantwortlich<br />

für Versorgung<br />

Was ist das<br />

Zeil?<br />

Providers are experts<br />

who tell patients what to<br />

do. Patients are passive.<br />

Der Professionelle<br />

Dienstleister<br />

Compliance mit den<br />

Vorgaben.<br />

Noncompliance ist das<br />

Orpblem des Patienten<br />

Professionelle sind Experten<br />

der Erkrankung. Patienten<br />

sind Experten ihres Lebens<br />

Professioneller und Patient<br />

teilen die Verantwortung<br />

Patient setzt die Ziele<br />

basierend auf den<br />

erhaltenen Informationen.<br />

Nincompliance ist ein<br />

beiderseitiges Problem bzw.<br />

Verweist auf f<strong>als</strong>che<br />

Strategie.<br />

Bodenheimer T,et al. JAMA. 288: 2002, 2469-2475


Traditioneller Ansatz vs. Personenzentrierter Anstaz (2)<br />

Issue<br />

Wie wird Verhalten<br />

verändert?<br />

Wie werden<br />

Probleme<br />

identifiziert?<br />

Wie werden<br />

Probleme gelöst?<br />

Traditioneller<br />

Ansatz<br />

Externe Motivation<br />

Personenzentrierter<br />

Ansatz<br />

Interne Motivation, verbesserte<br />

Entscheidungsgrundlage des<br />

Patienten (Wissen)<br />

Durch den Professionellen Durch einen informeirten<br />

Patienten, der selber seine<br />

Probleme indetifiziert<br />

Durch den Professionellen Durch einen informierten Patienten<br />

mit der Unterstützung durch den<br />

Progfessionellen<br />

Bodenheimer T,et al. JAMA. 288: 2002, 2469-2475


Informationsbedarf muss<br />

situationsangemessen erfolgen<br />

Das Axiom „Wissen gleich Kontrolle ist<br />

differenziert zu betrachten


Patient-centered medicine<br />

1. Exploring both the disease and the illness<br />

experience<br />

2. Understanding the whole person<br />

3. Finding common ground<br />

4. Incorporating prevention and health<br />

promotion<br />

5. Enhancing the patient-doctor relationship<br />

6. Being realistic<br />

Stewart M et al


DARES<br />

Motivational Enhancement Principle<br />

1. Develop Discrepancy<br />

2. Avoid Argumentation<br />

3. Roll with Resistance<br />

4. Express Empathy<br />

5. Support Self-efficacy


Phasen der <strong>Adherence</strong> <strong>Therapie</strong><br />

Kennenlernphase<br />

Assessmentphase<br />

Therapeutische Phase<br />

Evaluationsphase


Fragen dir helfen können, mehr Adhärenz zu<br />

erzeugen<br />

Die Erwartungen des Patienten klären<br />

■ Was, hoffen Sie, kann ich heute für Sie tun?<br />

■ Sie haben ja schon Erfahrungen mit Ärzten – was denken Sie,<br />

wie Sie am besten klarkommen?<br />

Unterschiedliche Bewertungen ansprechen<br />

■ Ich finde es schwierig fortzufahren, wenn ich weiß, dass Sie<br />

eine andere Sicht der Situation haben <strong>als</strong> ich.<br />

■ Ich frage mich, ob wir so gut zusammenarbeiten wie es vielleicht<br />

möglich wäre.<br />

■ Gibt es irgendetwas an diesem Punkt, was ich tun könnte,<br />

damit wir besser zusammenarbeiten?<br />

Empathie und Verständnis ausdrücken<br />

■ Das muss sehr schwierig für Sie sein. Das tut mir leid.<br />

■ Es fällt Ihnen offenbar schwer, darüber zu sprechen. Kann ich<br />

es irgendwie einfacher für Sie machen?<br />

Über eine Diagnose sprechen<br />

■ Ich habe jetzt eine Erklärung dafür gefunden, was das Problem<br />

ist (Vorstellen der ärztlichen Diagnose).Wie passt das zu dem,<br />

was Sie bisher darüber gedacht haben?<br />

Nach Mary S. Stone und Sheryl J. Bronkesh: »Meshing patient and<br />

physician go<strong>als</strong>«, 1998 (www.hsmgroup.com/info/compli/compli.html)


Assessment<br />

Praktische Probleme<br />

Alkohol und Konsum nicht<br />

rezeptpflichtiger Drogen<br />

Nebenwirkungen<br />

Bedeutung, Vertrauen, Zufriedenheit<br />

Überzeugungen bezüglich Medikation<br />

Zusammenfassung


Beispiel: Definition des<br />

Behandlungsziels. Genesung ist …<br />

„Völlige Symptomfreiheit (Brief Psychiatric<br />

Rating Scale (BPRS


oder…<br />

„…ein zutiefst persönlicher, einzigartiger<br />

Veränderungsprozess der Haltung, Gefühle,<br />

Werte, Ziel, Fertigkeiten und Rollen … auf<br />

dem Weg zu einem befriedigenden Leben,<br />

trotz den durch die psychische Krankheit<br />

verursachten Einschränkungen … Die<br />

Entwicklung eines neuen Sinns und einer<br />

neuen Aufgabe im Leben während man über<br />

die katastrophalen Auswirkungen von<br />

psychischer Krankheit hinauswächst.<br />

(Antony, 1993)


Wandel der Begrifflichkeiten spiegelt<br />

gesellschaftliche Entwicklung weg vom<br />

allein bestimmenden Arzt hin zu<br />

partnerschaftlichen Modellen<br />

Patient übernimmt damit mehr<br />

Verantwortung für seine Behandlung


Thomas Bock zum Thema Compliance –<br />

Adhärenz in der Psychiatrie<br />

Compliance kann keine einseitige Vorleistung des<br />

Patienten sein, der gefälligst übernehmen soll, was wir<br />

für richtig halten. Compliance bedeutet Kooperation.<br />

Ob und wie eine Kooperation entsteht, hängt von allen<br />

beteiligten ab.<br />

Es geht <strong>als</strong>o um eine gemeinsame Anstrengung. Und<br />

so ist Non-Complince nicht einfach dem Patienten<br />

oder seiner besonders schweren Krankheit<br />

anzulasten, sondern vielleicht auch uns und unserer<br />

mangelnden Flexibilität, Fantasielosigkeit und<br />

unserem einseitigen medizinischen<br />

Beziehungsangebot


Ethische Dimension<br />

Selbstbestimmung und<br />

Eigenverantwortlichkeit<br />

Mündiger Patient vs. Definitionsmacht<br />

der Gesundheitsprofessionen


Definition von <strong>Adherence</strong><br />

Wie misst man <strong>Adherence</strong>?<br />

Folgen von Non-Adheräntem<br />

Verhalten<br />

Spezielle Situation Klinik<br />

Vom Handlungsbedarf zur Intervention<br />

Wirksamkeit von Interventionen


Alle Methoden der Messung sind ungenau<br />

Subjektiv (indirekt)<br />

Behandler<br />

Betroffener<br />

Überschätzen in der Regel den Grad der Adhärenz<br />

Medication Event Monitoring System (MEMS)<br />

Fragebögen<br />

Direkte Methoden:<br />

Blutuntersuchung<br />

Direkte Überwachung der Medikamenteneinnahme


Measuring <strong>Adherence</strong> Rating Scale – MARS<br />

(Thompson, Kulkarni, Sergejew, 2000)<br />

1. Passiert es, dass Sie vergessen, Ihre Medikamente zu nehmen? ja nein<br />

2. Gibt es Zeiten, in denen Sie sich nachlässig im Hinblick auf die Einnahme von<br />

Medikamenten verhalten?<br />

ja nein<br />

3. Setzen Sie die Medikamente manchmal ab, wenn es Ihnen besser geht? ja nein<br />

4. Setzen Sie Ihre Medikamente manchmal ab, wenn es Ihnen schlechter geht? ja nein<br />

5. Ich nehme meine Medikamente nur ein, wenn ich krank bin. ja nein<br />

6. Es ist unnatürlich, dass Medikamente meinen Verstand und meinen Körper<br />

kontrollieren.<br />

ja nein<br />

7. Meine Gedanken sind klarer, wenn ich Medikamente einnehme. ja nein<br />

8. Wenn ich Medikamente einnehme, kann ich erneuten Rückfällen vorbeugen. ja nein<br />

9. Ich fühle mich eigenartig, wie ein „Zombi“, wenn ich Medikamente einnehme. ja nein<br />

10. Medikamente machen mich müde und träge. ja nein


Mehr <strong>als</strong> 10% der chronisch kranken<br />

Patienten vergessen eine oder mehr<br />

Medikamenteneinnahmen jeden Tag<br />

33% berichten, dass sie mindestens ein<br />

Mal in den letzten vier Wochen<br />

Medikatmente vergessen haben<br />

(Chesney et al 2000, Ickovics et al 2002)


Auch Forschung tut sich schwer, den<br />

Paradigmenwechsel zu vollziehen


Definition von <strong>Adherence</strong><br />

Wie misst man <strong>Adherence</strong>?<br />

Folgen Non-Adheränten Verhaltens<br />

Spezielle Situation Klinik<br />

Vom Handlungsbedarf zur Intervention<br />

Wirksamkeit von Interventionen


Schätzung der WHO (2003)<br />

<strong>Therapie</strong>abbrüche bei chronisch erkrankten<br />

Menschen innerhalb des ersten Jahres<br />

Entwickelte Länder: 50 %<br />

Ergebnisse aber diagnoseunabhängig<br />

Psychiatrie: zwischen 30-80%<br />

Entwicklungsländer: höher


Kosten von Non-<strong>Adherence</strong> in<br />

Deutschland:<br />

ca. 10 Milliarden €.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!