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Heft 2 (04/2009)

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Jahren erschienen in der Sowjetunion eine Reihe<br />

sogenannter Produktionsromane, welche über<br />

die Fortschritte in der Industrialisierung und der<br />

Kollektivierung der Landwirtschaft berichteten.<br />

Der für seinen Bestseller »Der stille Don« bekannte<br />

Michail Scholochow, schrieb in dieser Zeit<br />

auch den weniger prominenten Zweiteiler »Neuland<br />

unterm Pflug«, welcher von seinen<br />

Erfahrungen beim Besuch einer Kolchose<br />

berichtet. Während des Zweiten Weltkriegs kam<br />

die Kultur naturgemäß in eine Phase der Stagnation.<br />

Die Geschichte der Produktionsromane war<br />

vorüber, an ihre Stelle trat eine neue, authentische<br />

Literatur. Der Schriftsteller Alexander<br />

Tschakowski versuchte in seinem dreibändigen<br />

Roman »Der Sieg« die Verhandlungen der Potsdamer<br />

Konferenz aus Sicht eines sowjetischen<br />

Reporters zu erzählen. Mit der Aufarbeitung des<br />

Zweiten Weltkriegs befasst sich auch Leonid<br />

Leonow, der für sein Erstlingswerk »Der russische<br />

Wald« 1957 den Leninpreis erhielt. Dort<br />

Schildert Leonow ein Familiendrama, welches<br />

sich im Moskau des Jahres 1941, zu Beginn des<br />

deutschen Überfalls auf die Sowjetunion<br />

abspielte. Seit 1949 war diese Literaturgattung<br />

mit der Herausbildung des sozialistischen Weltsystems<br />

jedoch nicht mehr allein auf russische<br />

Autoren beschränkt: 1960 bis 1963 versuchte sich<br />

der DDR-Autor Dieter Noll mit seinem Zweiteiler<br />

»Die Abenteuer des Werner Holt« an einer<br />

Aufarbeitung des Faschismus in Deutschland.<br />

Mit Erfolg: Sein Roman wurde einige Jahre<br />

darauf verfilmt und war später auch Schullektüre<br />

in der DDR. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte<br />

Anna Seghers, die mit ihrem, bereits 1942<br />

veröffentlichten Roman »Das siebte Kreuz« die<br />

Flucht von sieben Häftlingen aus einem Konzentrationslager<br />

schildert. Mit »Spur der Steine«<br />

Schuf der Schriftsteller Erik Neutsch dann 1964<br />

eine authentische Erzählung des sozialistischen<br />

Alltags in der DDR. Kurz zuvor begründete<br />

Joachim Wohlgemuth mit »Egon und das achte<br />

DIREKT <strong>04</strong>/<strong>2009</strong><br />

Weltwunder« bereits 1962 die Grundlagen des<br />

Jugendromans in der DDR.<br />

Fortsetzung fand dieser Stil im Theater, als 1972<br />

Ulrich Plenzdorfs sozialkritisches Theaterstück<br />

»Die neuen Leiden des jungen W.« in Halle seine<br />

Erstaufführung fand. Nahezu legendär wurde<br />

Hermann Kants 1965 veröffentlichter Roman<br />

»Die Aula«, welcher in unserer Bilbiothek nach<br />

wie vor als Klassensatz verfügbar ist und die<br />

Geschichte der Arbeiter- und Bauernfakultäten<br />

in der DDR nachzeichnet.Doch auch in der Sowjetunion<br />

blieb man nicht untätig: Die 1958 von<br />

Tschingis Aitmatow verfasste Novelle »Dshamilja«<br />

ist nach Ansicht des französischen Dichters<br />

Louis Aragon »die schönste Liebesgeschichte der<br />

Welt.«Auch die Werke von Konstantin Simonow<br />

fanden erhebliche Anerkennung. Besonders hervorzuheben<br />

sind hier die Romane: »Die Lebenden<br />

und die Toten« (1959), »Man wird nicht als<br />

Soldat geboren« (1964) sowie »Der letzte Sommer«<br />

(1972).<br />

Nach dieser (unvollständigen) Aufzählung<br />

einiger der bedeutendsten Werke der sozialistischen<br />

Literatur stellt sich natürlich die Frage: Was<br />

nun? In unserer Bibliothek ist davon lediglich ein<br />

kleiner Bruchteil verfügbar, was leider die Verdrängung<br />

dieser Kultur (beispielsweise aus dem<br />

Schulsystem in den neuen Bundesländern)<br />

zementiert. Allerdings sind fast alle der genannten<br />

Romane (dem Dietz- und Aufbau-Verlag sei<br />

Dank) gebraucht zu sehr günstigen Preisen bei<br />

eBay erhältlich. So stehen dem interessierten<br />

Leser auch heute noch die Tore offen, einzutauchen<br />

in eine neue Welt der Literatur, die ihm<br />

bis zum heutigen Tage vielleicht vollends<br />

unbekannt blieb. Lohnen tut es sich allemal,<br />

denn es wartet ein geballter literarischer Schatz<br />

auf ihn, der nur noch entdeckt werden will.<br />

von MMaarrcceell KKuunnzzmmaannnn<br />

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