29.10.2013 Aufrufe

Ausgabe 2009-01 - Shout unerhört - Jugendmagazin | Aktuelles

Ausgabe 2009-01 - Shout unerhört - Jugendmagazin | Aktuelles

Ausgabe 2009-01 - Shout unerhört - Jugendmagazin | Aktuelles

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Robert Andreasch referiert in Isny über die rechtsextreme<br />

Szene in Süddeutschland. Im Rahmen des Rock im Rain<br />

hatten die Veranstalter anhand der Einladung des Journalisten<br />

und Autors Robert Andreasch, der als Experte für<br />

neofaschistische Jugendbewegungen und auch die NPD<br />

gilt, schon zu verhältnismäßig früher Stunde eine Infoveranstaltung<br />

organisiert, die sich innerhalb eines jungen Festivals<br />

mehr als gut machte und darüber hinaus ein äußerst<br />

brisantes Thema zum Inhalt hatte.<br />

Neofaschistisches Gedankengut, das hat man fast schon<br />

vermuten können, hat seine Patente nicht ausschließlich für<br />

Plattenbauten in Berlin-Marzahn, die sächsische Schweiz<br />

und Frankfurt ohne Main angemeldet, sondern beschäftigt<br />

sich ganz elementar regional mit Orten wie Biberach, Mindelheim,<br />

Ravensburg und auch dem beschaulichen Wuchzenhofen<br />

bei Leutkirch.<br />

Des Weiteren kann man davon ausgehen, dass sich in jenen<br />

schönen süddeutschen Idyllen dankbare Mitdenker finden,<br />

die das Märchen vom „Ali, der Hans den Arbeitsplatz<br />

wegnimmt“, schon gehört haben und es dank ihrer kreativen<br />

Gabe, politische Prozesse zu erfassen, ideologisch weiter<br />

ausbauen konnten. Leider ist es nicht „nur“ der sympathisch<br />

bemitleidenswerte „Dorfdeppen Nazi“, der aus der Provinz<br />

kommt, der die Globalisierung für den nächsten Champions<br />

League Gegner des FC Bayern hält und im stillen Wirtshaus<br />

an der Ecke markante Zwischentöne produzieren kann. Mitten<br />

im Eldorado für christliche Kultur und Politik gedeihen<br />

die Samen der organisierenden und strukturierenden Kaderschmieden<br />

Ideologisch geschult und rhetorisch die Seele<br />

des völkischen Gedankens immer mit frischem Wasser<br />

versorgend, so baut sich nach und nach eine beängstigende<br />

junge Kultur auf, die mal autonom und alternativ gestylt<br />

daherkommt, mal den biederen „Normalo“ gibt, aber auch<br />

glatzköpfig und tätowiert sämtlichen gängigen Klischees<br />

entsprechen kann.<br />

SPACE INVADERS<br />

AGAINST<br />

RACISM<br />

Globale Umstrukturierung, Zukunftsangst, Antiamerikanismus,<br />

völkisch verklärte Romantik, Antisemitismus sowie<br />

Ausländer- und Rassenhass, dazu Event- und Gruppensuche<br />

bilden einen diffusen, explosiven Cocktail, der diverse<br />

Jugendliche aus dem kompletten süddeutschen Raum zu<br />

faszinieren scheint. Der braune Trip kennt in seiner Ausprägungsvielfalt<br />

mehrere Zugänge.<br />

Andreasch nennt in seinem Vortrag Namen, zeigt Gesichter<br />

und macht das gespenstische Treiben der nationalen<br />

Bewegung damit einfach transparenter. Er umreißt Strategien<br />

der NPD, die jedoch teilweise den Eindruck erwecken,<br />

als ob die Organisation in sich selbst so uneins sei,<br />

dass man sich keine größeren Sorgen um das politische<br />

Gewicht überzeugter Rechtsabbieger machen müsste. Die<br />

vermeintliche Entwarnung relativiert sich jedoch dann, als<br />

Andreasch rechtsextreme Thesen und deren breite Zustimmung<br />

innerhalb der Bevölkerung anhand von politikwissenschaftlichen<br />

Untersuchungen aufzeigt. Das Gedankenspiel,<br />

was passieren würde, wenn die nationale Szene<br />

einen weiteren gestrandeten Postkartenzeichner zum<br />

Heilsbringer erheben könnte, drängt sich hierbei förmlich<br />

auf und erschreckt zugleich. Die Weltwirtschaftskrise<br />

und ihre fatale Auswirkung auf die Industrienationen kann<br />

an jenem Samstag im September nur geahnt werden. Die<br />

Vermutung, dass eine solche Situation Extremisten in die<br />

Karten spielen könnte, mutet jedoch auch im September<br />

2008 so falsch nicht an. Die Gewissheit, dass die Nazis in<br />

unseren Breiten schon über ausreichend Potential verfügen,<br />

lässt einen nachdenklichen Beigeschmack zurück.<br />

Erklärungen zum Phänomen finden sich in jedem persönlichen<br />

Theorie-Eintopf bestimmt zu genüge.<br />

Obwohl ein Großteil des Publikums aus älteren Semestern<br />

besteht, fällt positiv auf, dass die oft als apolitisch<br />

verschriene Jugend ebenso zahlreich vertreten ist und im<br />

Verlauf von Andreaschs Vortrag immer größer wird. Die<br />

an den „aus Baden Württemberg stammenden Journalisten“<br />

(Andreasch gibt aus Gründen des Selbstschutzes<br />

nur wenige Details seiner Biographie und Situation preis)<br />

gestellten Fragen lassen allein den Schluss zu, dass auch<br />

in weiten Teilen der jüngeren Generation ein mehr als<br />

ernsthaftes Interesse an dieser unschönen Problematik<br />

besteht.<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!