Ausgabe 2009-01 - Shout unerhört - Jugendmagazin | Aktuelles
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Robert Andreasch referiert in Isny über die rechtsextreme<br />
Szene in Süddeutschland. Im Rahmen des Rock im Rain<br />
hatten die Veranstalter anhand der Einladung des Journalisten<br />
und Autors Robert Andreasch, der als Experte für<br />
neofaschistische Jugendbewegungen und auch die NPD<br />
gilt, schon zu verhältnismäßig früher Stunde eine Infoveranstaltung<br />
organisiert, die sich innerhalb eines jungen Festivals<br />
mehr als gut machte und darüber hinaus ein äußerst<br />
brisantes Thema zum Inhalt hatte.<br />
Neofaschistisches Gedankengut, das hat man fast schon<br />
vermuten können, hat seine Patente nicht ausschließlich für<br />
Plattenbauten in Berlin-Marzahn, die sächsische Schweiz<br />
und Frankfurt ohne Main angemeldet, sondern beschäftigt<br />
sich ganz elementar regional mit Orten wie Biberach, Mindelheim,<br />
Ravensburg und auch dem beschaulichen Wuchzenhofen<br />
bei Leutkirch.<br />
Des Weiteren kann man davon ausgehen, dass sich in jenen<br />
schönen süddeutschen Idyllen dankbare Mitdenker finden,<br />
die das Märchen vom „Ali, der Hans den Arbeitsplatz<br />
wegnimmt“, schon gehört haben und es dank ihrer kreativen<br />
Gabe, politische Prozesse zu erfassen, ideologisch weiter<br />
ausbauen konnten. Leider ist es nicht „nur“ der sympathisch<br />
bemitleidenswerte „Dorfdeppen Nazi“, der aus der Provinz<br />
kommt, der die Globalisierung für den nächsten Champions<br />
League Gegner des FC Bayern hält und im stillen Wirtshaus<br />
an der Ecke markante Zwischentöne produzieren kann. Mitten<br />
im Eldorado für christliche Kultur und Politik gedeihen<br />
die Samen der organisierenden und strukturierenden Kaderschmieden<br />
Ideologisch geschult und rhetorisch die Seele<br />
des völkischen Gedankens immer mit frischem Wasser<br />
versorgend, so baut sich nach und nach eine beängstigende<br />
junge Kultur auf, die mal autonom und alternativ gestylt<br />
daherkommt, mal den biederen „Normalo“ gibt, aber auch<br />
glatzköpfig und tätowiert sämtlichen gängigen Klischees<br />
entsprechen kann.<br />
SPACE INVADERS<br />
AGAINST<br />
RACISM<br />
Globale Umstrukturierung, Zukunftsangst, Antiamerikanismus,<br />
völkisch verklärte Romantik, Antisemitismus sowie<br />
Ausländer- und Rassenhass, dazu Event- und Gruppensuche<br />
bilden einen diffusen, explosiven Cocktail, der diverse<br />
Jugendliche aus dem kompletten süddeutschen Raum zu<br />
faszinieren scheint. Der braune Trip kennt in seiner Ausprägungsvielfalt<br />
mehrere Zugänge.<br />
Andreasch nennt in seinem Vortrag Namen, zeigt Gesichter<br />
und macht das gespenstische Treiben der nationalen<br />
Bewegung damit einfach transparenter. Er umreißt Strategien<br />
der NPD, die jedoch teilweise den Eindruck erwecken,<br />
als ob die Organisation in sich selbst so uneins sei,<br />
dass man sich keine größeren Sorgen um das politische<br />
Gewicht überzeugter Rechtsabbieger machen müsste. Die<br />
vermeintliche Entwarnung relativiert sich jedoch dann, als<br />
Andreasch rechtsextreme Thesen und deren breite Zustimmung<br />
innerhalb der Bevölkerung anhand von politikwissenschaftlichen<br />
Untersuchungen aufzeigt. Das Gedankenspiel,<br />
was passieren würde, wenn die nationale Szene<br />
einen weiteren gestrandeten Postkartenzeichner zum<br />
Heilsbringer erheben könnte, drängt sich hierbei förmlich<br />
auf und erschreckt zugleich. Die Weltwirtschaftskrise<br />
und ihre fatale Auswirkung auf die Industrienationen kann<br />
an jenem Samstag im September nur geahnt werden. Die<br />
Vermutung, dass eine solche Situation Extremisten in die<br />
Karten spielen könnte, mutet jedoch auch im September<br />
2008 so falsch nicht an. Die Gewissheit, dass die Nazis in<br />
unseren Breiten schon über ausreichend Potential verfügen,<br />
lässt einen nachdenklichen Beigeschmack zurück.<br />
Erklärungen zum Phänomen finden sich in jedem persönlichen<br />
Theorie-Eintopf bestimmt zu genüge.<br />
Obwohl ein Großteil des Publikums aus älteren Semestern<br />
besteht, fällt positiv auf, dass die oft als apolitisch<br />
verschriene Jugend ebenso zahlreich vertreten ist und im<br />
Verlauf von Andreaschs Vortrag immer größer wird. Die<br />
an den „aus Baden Württemberg stammenden Journalisten“<br />
(Andreasch gibt aus Gründen des Selbstschutzes<br />
nur wenige Details seiner Biographie und Situation preis)<br />
gestellten Fragen lassen allein den Schluss zu, dass auch<br />
in weiten Teilen der jüngeren Generation ein mehr als<br />
ernsthaftes Interesse an dieser unschönen Problematik<br />
besteht.<br />
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