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Materialien - Evangelisches Bauernwerk in Württemberg e.V.

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<strong>Materialien</strong> zum<br />

Erntebittgottesdienst<br />

2013<br />

„E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land, g<strong>in</strong>g auf<br />

und wuchs und brachte Frucht.“<br />

Markus 4, Vers 8


Herausgeber:<br />

Evang. Landesbauernpfarramt<br />

Evang. <strong>Bauernwerk</strong> <strong>in</strong> <strong>Württemberg</strong> e. V.<br />

74638 Waldenburg-Hohebuch<br />

Tel: 07942/107–0<br />

Fax: 07942/107-20<br />

<strong>in</strong>fo@hohebuch.de<br />

www.hohebuch.de<br />

Redaktion:<br />

Dr. Jörg D<strong>in</strong>ger, Landesbauernpfarrer<br />

Sonja Naegel<strong>in</strong>, Sekretariat<br />

2<br />

Spendenkonto: Evang. Kreditgenossenschaft eG<br />

Konto<strong>in</strong>haber: Evang. <strong>Bauernwerk</strong> <strong>in</strong> Württ. e.V.<br />

Kontonummer: 518 6013<br />

Bankleitzahl: 520 604 10<br />

Verwendungszweck: Spende Notfonds<br />

oder IBAN: DE97 5206 0410 0005 1860 13<br />

und BIC: GENODEF1EK1<br />

Falls e<strong>in</strong>e Bestätigung des Spendene<strong>in</strong>gangs gewünscht<br />

wird, bitten wir um genaue Absenderangabe.


<strong>Materialien</strong> zum Erntebittgottesdienst 2013<br />

Inhaltsangabe<br />

Vorwort 4<br />

Lieder und Psalmen 6<br />

Gestaltungs- und Dekorationsidee 7<br />

Sprechmotette 8<br />

Anspiel 10<br />

E<strong>in</strong>gangsgebete 11<br />

Anmerkungen zum Predigttext 13<br />

Predigtvorschlag 17<br />

Fürbitten 22<br />

Lebensrückblick e<strong>in</strong>es Bauern 25<br />

Interview mit jungen Landwirt<strong>in</strong>nen und Landwirten 29<br />

Grenzen des Wachstums 32<br />

3


Vorwort<br />

Liebe Pfarrer<strong>in</strong>nen und Pfarrer,<br />

liebe Prädikant<strong>in</strong>nen und Prädikanten,<br />

liebe Vorbereitungsteams der Erntebittgottesdienste!<br />

Die Vegetation ist noch deutlich im Rückstand, auch wenn dem langen<br />

und trüben W<strong>in</strong>ter nun e<strong>in</strong>ige fast schon sommerliche Tage gefolgt<br />

s<strong>in</strong>d. Bis Sie <strong>in</strong> ungefähr zwei Monaten Ihren Erntebittgottesdienst<br />

feiern, wird sich e<strong>in</strong>e Menge getan haben. Vieles, was wir jetzt<br />

nur <strong>in</strong> ersten Ansätzen sehen, wird wachsen, reifen und Frucht br<strong>in</strong>gen.<br />

Hoffentlich gefördert durch Regen und Sonne zur rechten Zeit.<br />

Hoffentlich, ohne dass e<strong>in</strong> Hagelschlag alle schönen Ansätze zunichte<br />

macht, und die Arbeit der Bäuer<strong>in</strong>nen und Bauern an dieser<br />

Stelle vergeblich war.<br />

„E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land, g<strong>in</strong>g auf und wuchs und brachte<br />

Frucht.“ Das Leitwort für die Erntebittgottesdienste 2013 stammt aus<br />

dem oft bildlich dargestellten Gleichnis vom Sämann. Bis heute<br />

prägt das „vierfache Ackerfeld“ das Logo des Evangelischen <strong>Bauernwerk</strong>s<br />

<strong>in</strong> <strong>Württemberg</strong>. Der Säende auf dem Titelblatt f<strong>in</strong>det sich<br />

auf e<strong>in</strong>em Glasfenster <strong>in</strong> der evangelischen Kirche <strong>in</strong> Unterkessach.<br />

Der Bezirksarbeitskreis Neuenstadt des Evangelischen <strong>Bauernwerk</strong>s<br />

hat mit mir die Ihnen vorliegenden <strong>Materialien</strong> erarbeitet. Allen Beteiligten<br />

danke ich herzlich für die gute Zusammenarbeit. Stellvertretend<br />

nenne ich die Bezirksbauernpfarrer<strong>in</strong> Susanne Spöhrer und<br />

den Bildungsreferenten Matthias Häfner.<br />

Die Initialzündung für die Themenf<strong>in</strong>dung lieferte e<strong>in</strong>e Diskussion<br />

über „Chancen und Grenzen des Wachstums“: betrieblich, gesamtwirtschaftlich,<br />

<strong>in</strong> der Natur, geistlich, kirchlich. Darum f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />

diesem Heft auch Gedanken von Bäuer<strong>in</strong>nen und Bauern zum Thema<br />

„Wachstum“, die über den Predigtvorschlag h<strong>in</strong>aus Anregungen für<br />

den Gottesdienst geben können, sowie die Zusammenfassung zweier<br />

Beiträge zu den „Grenzen des Wachstums“.<br />

4


Jesu Gleichnis zeigt uns unterschiedliche Formen des Wachstums,<br />

fruchtbare und weniger fruchtbare. Das Leitwort selbst beschreibt<br />

den optimalen Verlauf: „E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land, g<strong>in</strong>g auf und<br />

wuchs und brachte Frucht.“ Möge Jesu Mut machendes Wort bei uns<br />

auf guten Boden fallen und Frucht br<strong>in</strong>gen. Wenn diese <strong>Materialien</strong><br />

dazu e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Beitrag leisten, haben sie ihren Zweck mehr als<br />

erfüllt. So wünsche ich uns allen gesegnete Erntebittgottesdienste<br />

und e<strong>in</strong>e gute Ernte.<br />

Mit herzlichen Grüßen, Ihr<br />

Jörg D<strong>in</strong>ger, Landesbauernpfarrer<br />

Hohebuch, Ende April 2013<br />

Das von Robert Eberwe<strong>in</strong><br />

gestaltete Symbol des<br />

Evang. <strong>Bauernwerk</strong>s, das<br />

„vierfache Ackerfeld“, ist<br />

leicht abgewandelt bis heute <strong>in</strong><br />

Gebrauch.<br />

.<br />

5


Lieder und Psalmen<br />

Die Liedvorschläge s<strong>in</strong>d dieses Jahr etwas zahlreicher ausgefallen.<br />

Dafür haben wir darauf verzichtet, zum wiederholten Male e<strong>in</strong>en<br />

Vorschlag zum Ablauf abzudrucken (vgl. dazu die Erntebitthefte bis<br />

e<strong>in</strong>schließlich 2011). E<strong>in</strong> Tipp: Bedenken Sie die Frage der Musik<br />

frühzeitig, wenn der Gottesdienst auf e<strong>in</strong>em landwirtschaftlichen<br />

Betrieb oder im Freien stattf<strong>in</strong>det. Spielt e<strong>in</strong> Posaunenchor? Welche<br />

Möglichkeiten zur musikalischen Gestaltung gibt es sonst? Gesangbücher<br />

oder Liedblätter?<br />

Morgenlieder<br />

437 Die helle Sonn leucht´ jetzt herfür<br />

449 Die güldne Sonne<br />

451 (Str. 7-10) Me<strong>in</strong> erst Gefühl sei Preis und Dank<br />

663 (Str. 2-6) Mit Freuden will ich s<strong>in</strong>gen<br />

664 (Str. 3, 4) Früh am Morgen Jesus gehet<br />

E<strong>in</strong>gang und Ausgang<br />

155 Herr Jesu Christ, dich zu uns wend<br />

164 Jesu, stärke de<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der<br />

169 (Str. 1-3) Der Gottesdienst soll fröhlich se<strong>in</strong><br />

176 Öffne me<strong>in</strong>e Augen<br />

457 (Str.1, 4-12) Der Tag ist se<strong>in</strong>er Höhe nah<br />

461 Aller Augen warten auf dich, Herre<br />

Lieder zum Thema<br />

196 (Str. 2-4) Herr, für de<strong>in</strong> Wort sei hoch gepreist<br />

368 In allen me<strong>in</strong>en Taten<br />

369 Wer nur den lieben Gott lässt walten<br />

378 Es mag se<strong>in</strong>, dass alles fällt<br />

379 (Str. 2, 3) Gott wohnt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lichte<br />

494 In Gottes Namen fang ich an<br />

497 (Str. 1, 2, 5, 9, 10, 12, 13) Ich weiß, me<strong>in</strong> Gott<br />

500 Lobt Gott <strong>in</strong> allen Landen<br />

654 Du schufst, Herr, unsre Erde gut<br />

6


659 (Str. 1, 2, 4) Die Erde ist des Herrn<br />

667 (Str. 3-6) Die ihr bei Jesus bleibet<br />

675 Das walte Gott<br />

677 Die Ernt ist da, es w<strong>in</strong>kt der Halm<br />

„Klassiker“ zum Erntebittgottesdienst<br />

502 Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit<br />

503 Geh aus, me<strong>in</strong> Herz<br />

508 Wir pflügen und wir streuen<br />

512 Herr, die Erde ist gesegnet<br />

Für Gottesdienste mit K<strong>in</strong>dern<br />

504 Himmel, Erde, Luft und Meer<br />

515 Laudato Si<br />

Psalmen<br />

1 (702), 8 (705), 23 (711), 36 (719), 67 (731), 104 (743), 126 (750),<br />

145 (756), 146 (757)<br />

Schriftlesung<br />

Natürlich kann das Gleichnis, dem das Leitwort entstammt und das<br />

der Predigt als Ganzes zu Grunde liegt, auch Schriftlesung se<strong>in</strong>:<br />

Markus 4, 3-9. Weitere Vorschläge: Jesaja 32, 16-20; Jesaja 55, 8-<br />

11; Jeremia 17, 7+8, Matthäus 7, 16-21; Johannes 15, 1-5; 2. Kor<strong>in</strong>ther<br />

9, 6-10; Philipper 1, 9-11 (alle zum „Frucht br<strong>in</strong>gen“).<br />

Gestaltungs- und Dekorationsidee<br />

Etwa zehn bis vierzehn Tage vor dem Gottesdienst e<strong>in</strong>e große Schale<br />

mit Erde füllen, verschiedene schnell wachsende Samen e<strong>in</strong>säen und<br />

regelmäßig wässern. Die Samen sollten dann bis zum Gottesdienst<br />

aufgehen.<br />

Neben dem Altar, z.B. auf e<strong>in</strong>em alten Handleiterwagen, können e<strong>in</strong><br />

großes, mit Körnern gefülltes Glas, die Schale mit der wachsenden<br />

Saat, e<strong>in</strong> Strauß mit frisch vom Acker geschnittenem Getreide und<br />

vielleicht dazu e<strong>in</strong> Brot präsentiert werden.<br />

7


Sprechmotette zu Markus 4,8<br />

Alle: E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land, g<strong>in</strong>g auf und wuchs und<br />

brachte Frucht.<br />

I.: So wünschen wir es uns, wenn wir säen. Dass die Saat<br />

aufgeht, wächst und gedeiht, und wir am Ende gute Frucht<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können.<br />

II.: Aber nicht immer geht es so gut. Mal ist es zu trocken, mal zu<br />

feucht.<br />

III.: Oder es hagelt <strong>in</strong> das fast erntereife Getreide.<br />

I.: Wir können auch an Februar letztes Jahr denken. Die<br />

wunderbar aufgegangene W<strong>in</strong>tersaat. Wo ke<strong>in</strong> schützender<br />

Schnee lag, ist sie e<strong>in</strong>fach erfroren.<br />

II.: Für das Nachgesäte war es dann e<strong>in</strong>e ganze Weile zu trocken.<br />

III.: Schlimm war für viele die lange Unsicherheit: „Umbrechen<br />

oder stehen lassen? Wird´s noch etwas oder muss ich es<br />

abschreiben?“<br />

I.: Bei der Ernte gab es schließlich Riesenunterschiede. So<br />

ziemlich alles zwischen „katastrophal“ und „gut“.<br />

Entsprechend unterschiedlich war auch die Stimmung zu<br />

Erntedank.<br />

II.: Es ist nicht selbstverständlich, dass die Saat aufgeht, wächst<br />

und gedeiht und gute Frucht br<strong>in</strong>gt.<br />

III.: Überhaupt ist es e<strong>in</strong> Wunder, wie aus e<strong>in</strong>em Samenkorn<br />

immer wieder e<strong>in</strong>e Ähre wird mit vielen Körnern.<br />

Alle: E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land, g<strong>in</strong>g auf und wuchs und<br />

brachte Frucht.<br />

I.: E<strong>in</strong>iges, das heißt: nicht alles.<br />

II.: Ja, <strong>in</strong> der Geschichte vom Sämann, die Jesus erzählt, gibt es<br />

auch Verlust.<br />

III.: Körner fallen auf den Weg, auf felsigen Boden, unter die<br />

Dornen, und nichts wird aus ihnen.<br />

8


I.: E<strong>in</strong> seltsamer Bauer. Geht der verschwenderisch mit dem<br />

Saatgut um! Von „precision farm<strong>in</strong>g“ hat er sicher noch nichts<br />

gehört.<br />

II.: Ansche<strong>in</strong>end hat man das damals so gemacht. Erst gesät, dann<br />

untergepflügt. E<strong>in</strong> gewisser Verlust ist dabei von vornhere<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>kalkuliert.<br />

III.: Der sche<strong>in</strong>t ihn aber auch nicht besonders zu bekümmern,<br />

weil der Rest gut aufgeht und reichlich Frucht trägt.<br />

Alle: E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land, g<strong>in</strong>g auf und wuchs und<br />

brachte Frucht.<br />

I.: Können wir heute <strong>in</strong> der Landwirtschaft so arbeiten wie der<br />

Sämann, von dem Jesus erzählt?<br />

II.: Müssen wir nicht vielmehr knallhart kalkulieren, aus dem<br />

knappen Boden und dem teuren Saatgut das Optimale<br />

herausholen?<br />

III.: Oder wird es immer so se<strong>in</strong>, solange wir <strong>in</strong> und mit der Natur<br />

arbeiten – dass nicht alles aufgeht, wächst und gedeiht, wie<br />

sehr wir uns auch um Optimierung bemühen? E<strong>in</strong>e reiche<br />

Ernte ist und bleibt e<strong>in</strong> Geschenk Gottes.<br />

I.: So ist es doch bei allem, was wir tun. In der Landwirtschaft,<br />

<strong>in</strong> anderen Berufen. In der Kirche oder im Vere<strong>in</strong>. Selbst <strong>in</strong><br />

der eigenen Familie.<br />

II.: Was br<strong>in</strong>gt es eigentlich, sich für andere zu engagieren? Ich<br />

versuche, Werte zu vermitteln – aber am Ende zählen nur<br />

Geld und Konsum.<br />

III.: Oder kann ich darauf hoffen, dass me<strong>in</strong> Engagement am Ende<br />

doch Frucht br<strong>in</strong>gt? Vielleicht erst viel später und anders, als<br />

ich gedacht hatte. Ich denke, die Geschichte, die Jesus erzählt,<br />

will diese Hoffnung stärken.<br />

Alle: E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land, g<strong>in</strong>g auf und wuchs und<br />

brachte Frucht, und e<strong>in</strong>iges trug dreißigfach und e<strong>in</strong>iges<br />

sechzigfach und e<strong>in</strong>iges hundertfach.<br />

9


Anspiel<br />

Mutter und K<strong>in</strong>d sitzen im Auto.<br />

M: Oh Mann, ist das schon spät, wir haben doch den Term<strong>in</strong> beim<br />

Arzt.<br />

K: Hey Mama, fahr doch nicht so schnell, da vorne fährt e<strong>in</strong><br />

Mähdrescher.<br />

M: Jetzt auch das noch, das kann ja wohl nicht wahr se<strong>in</strong>, hier kann<br />

ich nicht überholen.<br />

K: Ooh, der Mähdrescher ist ja riesengroß.<br />

M: Ja, die Erntemasch<strong>in</strong>en werden immer größer und breiter.<br />

K: Dann fahren wir eben h<strong>in</strong>terher und ich kann den Mähdrescher<br />

noch anschauen.<br />

M: Ja, da hilft jetzt alles nichts, dann kommen wir eben zu spät<br />

zum Arzt.<br />

K: Mama, was macht eigentlich e<strong>in</strong> Mähdrescher?<br />

M: Der Mähdrescher drischt auf den Feldern der Bauern.<br />

K: Was heißt dreschen?<br />

M: Der Mähdrescher schneidet das Getreide und trennt Spreu und<br />

Stroh vom Korn.<br />

K: Was macht der Bauer mit den Körnern?<br />

M: Er br<strong>in</strong>gt die Getreidekörner zur Mühle und da wird daraus<br />

Mehl gemahlen. Weißt du, was man aus Mehl macht?<br />

K: Aus Mehl bäckst du Kuchen und Brot.<br />

M: Genau, Getreide braucht man für Brot und Kuchen, für<br />

Haferflocken und Müsli.<br />

K: Mmh, das s<strong>in</strong>d ja lauter leckere Sachen zum Essen.<br />

M: Und wichtige Sachen, ohne Getreide müssten wir hungern,<br />

denn e<strong>in</strong> Teil der Körner wird für die nächste Ernte wieder<br />

ausgesät.<br />

10


K: Dann ist ja gut, dass der Mähdrescher heute fährt.<br />

M: Ja, du hast recht, es ist gut, dass das Wetter schön ist und die<br />

Erntemasch<strong>in</strong>en unterwegs s<strong>in</strong>d. Auch wenn wir es eilig haben<br />

und die großen Masch<strong>in</strong>en nicht so schnell auf der Straße<br />

fahren können wie e<strong>in</strong> Auto.<br />

K: Und was ist mit unserem Term<strong>in</strong>?<br />

M: Da kommen wir e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong> bisschen zu spät und erklären, dass<br />

uns etwas Wichtiges aufgehalten hat.<br />

K: Ja, etwas Lebensnotwendiges ist uns begegnet…<br />

E<strong>in</strong>gangsgebete<br />

Im Anfang<br />

Bevor das Wasser<br />

flutete<br />

und die Berge<br />

aufstiegen<br />

war ER<br />

der Beweger.<br />

Erich Spöhrer<br />

I.<br />

Herr, wir danken dir, dass Jahr für Jahr die Früchte <strong>in</strong> Feld und<br />

Garten wachsen und gedeihen.<br />

Wir danken dir, dass du uns das ganze Jahr durch begleitest und<br />

trägst.<br />

Wir haben uns zu diesem Gottesdienst getroffen und bitten dich um<br />

Hilfe und Begleitung für die nächste Zeit und für diesen<br />

Gottesdienst.<br />

Wir legen diesen Gottesdienst und all unser Tun <strong>in</strong> de<strong>in</strong>e Hände und<br />

bitten dich, dass wir zuversichtlich und freudig die Ernte e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen<br />

können.<br />

Wo Gott nicht segnet, da hilft ke<strong>in</strong>e Arbeit, wo er nicht behütet, da<br />

hilft ke<strong>in</strong>e Sorge.<br />

Amen.<br />

11


II.<br />

Zu dir kommen wir, Herr, unser Gott.<br />

Du hast uns und alles geschaffen.<br />

Du lässt die Saat aufgehen, wachsen, reifen und Frucht br<strong>in</strong>gen.<br />

Zu dir kommen wir vor der Ernte,<br />

mit unserer Freude, unserem Dank,<br />

mit unseren Sorgen, unseren Bitten.<br />

Zu dir kommen, zu dir beten wir, und wir hören auf de<strong>in</strong> Wort.<br />

Sprich du zu uns, mach uns bereit zum Hören.<br />

Lass de<strong>in</strong> gutes Wort fruchtbar se<strong>in</strong> <strong>in</strong> unserem Leben,<br />

<strong>in</strong> unserer Geme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> der ganzen Welt.<br />

So werden wir stille vor dir.<br />

III.<br />

Lobe den Herrn, me<strong>in</strong>e Seele, und was <strong>in</strong> mir ist, se<strong>in</strong>en heiligen<br />

Namen!<br />

Lobe den Herrn, me<strong>in</strong>e Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes<br />

getan hat!<br />

Mit Lob und Dank kommen wir an diesem Sonntagmorgen vor dich.<br />

Wir danken dir, treuer Gott, dass auch dieses Jahr wieder e<strong>in</strong>e gute<br />

Ernte herangewachsen ist.<br />

(Du hast nach der S<strong>in</strong>tflut versprochen: Solange die Erde steht, soll<br />

nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und W<strong>in</strong>ter,<br />

Tag und Nacht.)<br />

Wir danken dir, Herr Jesus Christus, für den äußeren Frieden <strong>in</strong><br />

unserem Land und bitten dich für den <strong>in</strong>neren Frieden <strong>in</strong> unseren<br />

Geme<strong>in</strong>den.<br />

Heiliger Geist, du Tröster der betrübten Herzen, öffne uns nun die<br />

Ohren und die Herzen für das Wort der Wahrheit.<br />

Mache mich zum guten Lande, wenn de<strong>in</strong> Samkorn auf mich fällt.<br />

Herr, wir danken dir für de<strong>in</strong>e Gegenwart und hoffen auf de<strong>in</strong>en<br />

Segen, der uns auch durch die neue Woche begleiten möge.<br />

Dir, unserem Gott und Vater, durch unseren Herrn Jesus Christus, sei<br />

Ehre, Preis und Lob allezeit.<br />

Amen.<br />

12


Anmerkungen zum Predigttext<br />

Wachstum<br />

„Wachstum“ ist <strong>in</strong> aller Munde, v.a. als Wirtschafts- oder betriebliches<br />

Wachstum, <strong>in</strong> kirchlichen Kreisen auch als „church growth“<br />

bzw. „Wachsen gegen den Trend“. Für manche e<strong>in</strong> Zauberwort, anderen<br />

dagegen e<strong>in</strong>e gefährliche Ideologie. Unternehmer, auch Landwirte,<br />

freuen sich jedenfalls, wenn der Betrieb sich entwickelt und<br />

wächst. Andererseits spüren sie oft den Zwang: „Um zu bestehen<br />

müssen wir größer werden, ob wir es wollen oder nicht.“<br />

Zuerst aber ist Wachstum e<strong>in</strong> elementares Natur-Geschehen, gehört<br />

unverzichtbar zu jeglichem Leben. Doch während wirtschaftliches<br />

Wachstum nach unendlicher Fortsetzung strebt, hat es <strong>in</strong> der Natur<br />

e<strong>in</strong> Ziel, e<strong>in</strong> Ende. Der Phase des Wachsens folgt e<strong>in</strong>e des Reifens<br />

und Erwachsen-Se<strong>in</strong>s – und am Ende erweist sich alles Geschaffene<br />

als vergänglich. Das Getreide wird geerntet. Menschen werden alt<br />

und sterben.<br />

Wenn <strong>in</strong> der Bibel vom Wachsen die Rede ist, dann überwiegend im<br />

positiven S<strong>in</strong>ne, ohne den Aspekt der Vergänglichkeit auszublenden<br />

(z.B. Ps. 103, 15f). Gott schenkt das Wachsen und Gedeihen <strong>in</strong> der<br />

Natur und auf dem Acker (z.B. Ps. 104, 14f). Ja, der Vorgang steht<br />

sogar gleichnishaft für das „Reich Gottes“ – <strong>in</strong> den so genannten<br />

„Wachstumsgleichnissen“ Jesu (Mk. 4 par.). Gottes Reich beg<strong>in</strong>nt<br />

unsche<strong>in</strong>bar, wie e<strong>in</strong> Senfkorn, wie e<strong>in</strong>e Aussaat, bei der e<strong>in</strong>iges<br />

daneben geht. Aber es wächst und gedeiht. Am Ende steht e<strong>in</strong> stattlicher<br />

Strauch da, fällt die Ernte überwältigend groß aus. In diesem<br />

S<strong>in</strong>ne erzählt die Apostelgeschichte, wie die Zahl der Christen <strong>in</strong> der<br />

Urgeme<strong>in</strong>de gewaltig anwächst (Apg. 2, 41. 47; 5, 14f; 6, 1 u.ö.).<br />

Auf der anderen Seite wird Wachstum auch qualitativ als Vertiefung<br />

des Glaubens verstanden (2. Kor. 9, 10; 10, 15; Kol. 1, 10 u.ö.).<br />

Der Leitvers für den Erntebittgottesdienst 2013 entstammt dem<br />

Gleichnis Mk. 4, 3-9. Deutlich ist der landwirtschaftliche Bezug.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus benennt der Abschnitt unterschiedliche Aspekte zur<br />

13


Wachstumsthematik <strong>in</strong>sgesamt: es gibt wunderbares, es gibt aber<br />

auch zu schnelles oder im Keim ersticktes Wachstum.<br />

„Sämann“ oder „vierfaches Ackerfeld“?<br />

Mk. 4, 3-9 ist e<strong>in</strong>es der wenigen Gleichnisse, bei dem die Bibel e<strong>in</strong>e<br />

Deutung gleich mit liefert (Mk. 4, 14-20). Se<strong>in</strong> klassischer Name<br />

„Vom vierfachen Ackerfeld“ rührt von dieser Deutung her. Hauptsächlich<br />

<strong>in</strong>teressieren dabei die vier unterschiedlichen Böden. Diesen<br />

entsprechen vier verschiedene Reaktionsweisen auf die christliche<br />

Verkündigung bzw. vier Menschentypen. Manche s<strong>in</strong>d vornhere<strong>in</strong><br />

nicht bereit sich darauf e<strong>in</strong>zulassen. Es gibt die schnell Begeisterten,<br />

die bei den ersten Schwierigkeiten ebenso schnell wieder weg s<strong>in</strong>d,<br />

die überaus Beschäftigten, bei denen gute Ansätze überwuchert<br />

werden und fruchtlos bleiben. Bei anderen aber wirkt Gottes Wort<br />

nachhaltig und prägt das ganze Leben. Hörer<strong>in</strong>nen und Hörer werden<br />

damit zur Selbsterforschung angeregt: „Vierfach ist das Ackerfeld –<br />

Mensch, wie ist de<strong>in</strong> Herz bestellt?“<br />

Diese Auslegung wurde z.T. schon <strong>in</strong> der Reformationszeit, v.a. aber<br />

im letzten Jahrhundert vielfach als „gesetzlich“ kritisiert. Man versuchte,<br />

den ursprünglichen S<strong>in</strong>n von Jesu Gleichnis unabhängig von<br />

se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>nerbiblischen Deutung zu erheben. Dafür wird das Gleichnis<br />

nun eng mit den anderen „Wachstumsgleichnissen“, v.a. mit dem<br />

vom Senfkorn (Mk. 4, 30-32), zusammen gesehen. Die Arbeit des<br />

Sämanns und der Kontrast zwischen dem unsche<strong>in</strong>baren Anfang und<br />

dem überwältigenden Ertrag stehen dann im Vordergrund (z.B. J.<br />

Jeremias: „Gleichnis vom unverzagten Sämann“). Die Deutung V<br />

14ff ersche<strong>in</strong>t als sekundäre Bildung der Urgeme<strong>in</strong>de.<br />

Neuere Auslegungen versuchen die Ausschließlichkeit und E<strong>in</strong>seitigkeit<br />

beider Sichtweisen zu überw<strong>in</strong>den. Auf der e<strong>in</strong>en Seite wird<br />

der sprachliche und sachliche Zusammenhang von V 3-9 und V 14-<br />

20 deutlich herausgearbeitet, so dass es kaum mehr möglich ersche<strong>in</strong>t,<br />

zweites nur als sekundäre (Fehl-)Deutung vom eigentlichen<br />

Jesus-Gleichnis abzusetzen. Andererseits werden die Erkenntnisse<br />

der kritischen Gleichnis-Forschung des 20. Jahrhunderts <strong>in</strong>tegriert,<br />

v.a. h<strong>in</strong>sichtlich des Bezugs zum „Reich Gottes“ bzw. zu dessen<br />

14


Verkündigung durch Jesus und se<strong>in</strong>e Jünger (U. Luz, EKK I/2, Neukirchen<br />

1999, 303-306. 308-311; K. Dronsch, <strong>in</strong>: Kompendium der<br />

Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 297-311; J. Schröter <strong>in</strong>: Texte zur<br />

Bibel 28, Neukirchen 2012, 66-68).<br />

E<strong>in</strong>ige Beobachtungen im E<strong>in</strong>zelnen:<br />

Der Sämann: Er begegnet nur ganz am Anfang des Gleichnisses und<br />

der Deutung, verschw<strong>in</strong>det danach aber völlig aus dem Blickfeld.<br />

Se<strong>in</strong>e Arbeit und ihr Erfolg bzw. Misserfolg sche<strong>in</strong>t also nicht<br />

Hauptthema zu se<strong>in</strong>.<br />

Der Same: Das Wort taucht im ganzen Text nicht auf. Im Gleichnis<br />

ist nur die Rede davon, dass „e<strong>in</strong>iges“ auf den Weg, auf felsigen Boden,<br />

unter die Dornen, auf gutes Land fällt. Genau genommen ist<br />

aber nur der letzte Fall im Plural formuliert: „E<strong>in</strong>es“ – „e<strong>in</strong> anderes“<br />

– „e<strong>in</strong> anderes“ – „andere“ (= „der ganze Rest“). Demnach gehen<br />

nicht etwa drei Viertel des Ausgesäten verloren, sondern eher e<strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>er Anteil. Dennoch lenken Gleichnis wie Deutung das Augenmerk<br />

v.a. auf die Anteile, die aus verschiedenen Gründen ke<strong>in</strong>e<br />

Frucht br<strong>in</strong>gen. In der Deutung zeigt sich dabei e<strong>in</strong>e Unschärfe:<br />

Während zunächst e<strong>in</strong>deutig der Same mit dem „Wort“ (der christlichen<br />

Verkündigung) identifiziert wird (V 14), ersche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der<br />

Folge die Menschen als die „Gesäten“. Deutlich ist das im griechischen<br />

Text und der Übersetzung der Zürcher Bibel. Die Lutherübersetzung<br />

umschifft das Problem: „…, bei denen gesät ist …“ Auf jeden<br />

Fall werden die Menschen nicht direkt mit den unterschiedlichen<br />

Böden identifiziert und damit e<strong>in</strong> für allemal auf e<strong>in</strong>e bestimmte Reaktionsweise<br />

festgelegt.<br />

Die Verluste: Warum geht im Gleichnis überhaupt etwas verloren?<br />

Müsste der Bauer nicht wissen, wo der Weg verläuft, wo die Humusschicht<br />

über dem Felsen zu dünn ist? Müsste er das Unkraut nicht<br />

vor dem Säen und später noch e<strong>in</strong>mal entfernen? Beantwortet werden<br />

die Fragen meistens mit den Ackerbaumethoden <strong>in</strong> Paläst<strong>in</strong>a zur Zeit<br />

Jesu: Zuerst habe man auf den unbearbeiteten Acker gesät, dann gepflügt.<br />

Ob das zutrifft, vermag ich nicht zu beurteilen. Das Gleichnis<br />

selber schweigt zum Thema „Pflügen“, wie überhaupt zu den landwirtschaftlichen<br />

Details. Klar sche<strong>in</strong>t aber zu se<strong>in</strong>, dass die anfallen-<br />

15


den Verluste nicht für ungewöhnlich gehalten werden. Und das<br />

Ganze ist von Anfang an so formuliert, dass es auf die Übertragung<br />

h<strong>in</strong>zielt, die die Verse 14-20 vornehmen.<br />

Wer Ohren hat zu hören …<br />

Die beiden wichtigsten Worte von Markus 4, 3-20 heißen „Säen“ und<br />

„Hören“ (jeweils 9mal). Thema der ganzen E<strong>in</strong>heit – e<strong>in</strong>schließlich<br />

der dazwischen geschalteten und schwierig zu deutenden Reflexion<br />

über das „Geheimnis des Reiches Gottes“ und das Verstehen bzw.<br />

Nicht-Verstehen (V 10-13) – ist also das gel<strong>in</strong>gende oder eben nicht<br />

gel<strong>in</strong>gende Hören. Das Gleichnis ist e<strong>in</strong>gerahmt von zwei Aufmerksamkeitsrufen:<br />

„Hört!“ (V3) – „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“<br />

(V 9) Bei der Gleichnisdeutung ist auffällig, dass alle vier Gruppen<br />

das Wort der Verkündigung hören – bei den ersten drei deutet die<br />

Verbform freilich an, dass es sich um e<strong>in</strong> lediglich punktuelles Hören<br />

handelt, das darum letztendlich folgenlos bleibt, während die letzten<br />

immer wieder hören, so dass das Wort <strong>in</strong> ihnen nachhaltig wirkt und<br />

ihr Leben prägt.<br />

Als Christen heute sprechen uns Gleichnis und Deutung <strong>in</strong> doppelter<br />

Weise an: „Als hörende Geme<strong>in</strong>de gilt es, das Wort aufzunehmen.“<br />

(K. Offermann <strong>in</strong>: Texte zur Bibel 28, Neukirchen 2012, 69) – „Als<br />

säende (=verkündigende, J.D.) Geme<strong>in</strong>de gilt es, sich von Erfolg und<br />

Misserfolg nicht irritieren zu lassen. Beide gehören dazu, und mit<br />

beidem soll die Geme<strong>in</strong>de rechnen.“ (ebd.)<br />

E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes Land …<br />

Der Leitvers beschreibt sehr schön den Prozess des Frucht-Br<strong>in</strong>gens:<br />

Der Same fällt auf gutes Land.<br />

Er geht auf.<br />

Die Pflanze wächst.<br />

Am Ende steht die Frucht.<br />

In ke<strong>in</strong>er der Phasen ist der gute Fortgang selbstverständlich, bis kurz<br />

vor der Ernte kann noch etwas dazwischen kommen. Während das<br />

Gleichnis Gefahren benennt, die mit der Bodenbeschaffenheit zusammenhängen,<br />

spielt für die Landwirtschaft heute v.a. die Gefähr-<br />

16


dung der Ernte durch das Wetter (Frost, Trockenheit, Hagel) und<br />

durch Schädl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>e Rolle. Dass trotz aller <strong>in</strong>s Kalkül zu ziehenden<br />

Verluste am Ende reiche Frucht steht, ist nach e<strong>in</strong>er neuen Auslegung<br />

die „gute Ordnung der Schöpfung“, die die Erzählung veranschaulicht<br />

(K. Dronsch, a.a.O., 307): „Dafür werden <strong>in</strong> der Parabel<br />

vier sich gleichzeitig realisierende Geschichten erzählt, bei der sich<br />

die Verlässlichkeit des Schöpfers dar<strong>in</strong> zeigt, dass es genug Saat gibt,<br />

die aufgeht und Frucht br<strong>in</strong>gt.“<br />

Zusammengefasst eröffnet der Leitvers e<strong>in</strong>en weiten Raum für die<br />

Predigt zum Erntebittgottesdienst:<br />

Der Prozess des Wachsens und Frucht-Br<strong>in</strong>gens und se<strong>in</strong>e<br />

Gefährdungen.<br />

Die gute Ordnung der Schöpfung und die Verlässlichkeit des<br />

Schöpfers.<br />

Fruchtbares, verfehltes und im Keim ersticktes Wachstum.<br />

Fruchtbr<strong>in</strong>gendes oder folgenloses Hören auf das Wort, das<br />

uns von Gott her gesagt ist – wir als hörende Geme<strong>in</strong>de.<br />

Die Frage, was aus dem wird, was wir säen – auf dem Acker,<br />

im Garten, wie auch im übertragenen S<strong>in</strong>ne (unsere Versuche,<br />

Gutes zu bewirken im Beruf, <strong>in</strong> der Familie, <strong>in</strong> der Kirchengeme<strong>in</strong>de,<br />

<strong>in</strong> der Ortschaft …).<br />

Das „gute Land“ – <strong>in</strong> dem wir leben, das wir bestellen – das<br />

wir s<strong>in</strong>d oder nicht s<strong>in</strong>d.<br />

Predigtvorschlag<br />

E<strong>in</strong>iges fällt auf gutes Land, liebe Geme<strong>in</strong>de. Von dem, was der<br />

Bauer gesät hat. Warum eigentlich nicht alles? Es müsste doch<br />

darum gehen, das kostbare Saatgut möglichst effektiv zu nutzen. So,<br />

dass nichts oder fast nichts verloren geht. Ja, das ist e<strong>in</strong> Ziel, dem der<br />

moderne Ackerbau immer näher kommt. Verluste m<strong>in</strong>imal halten<br />

durch präzise gezieltes Ausbr<strong>in</strong>gen von Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz.<br />

Nicht zu viel und nicht zu wenig, alles genau an die richtige<br />

Stelle und zur rechten Zeit.<br />

17


Anders der Bauer, von dem Jesus erzählt. Se<strong>in</strong>e Methode ersche<strong>in</strong>t<br />

weniger professionell. E<strong>in</strong>iges vom Gesäten fällt auf den Weg, die<br />

Vögel kommen und fressen es weg. Weiß er denn nicht, wo die Erde<br />

schon so festgetreten ist, dass nichts mehr aufgehen kann? E<strong>in</strong>iges<br />

fällt auf felsigen Boden, schießt schnell auf, verdorrt aber, weil es<br />

nicht richtig e<strong>in</strong>wurzeln kann. Eigentlich müsste er die Stellen kennen,<br />

an denen die Humusschicht zu dünn ist, um den Pflanzen auf<br />

Dauer genug Wasser und Nährstoffe zu geben. Schließlich fällt e<strong>in</strong>iges<br />

unter die Dornen, die zugleich mit dem guten Samen aufgehen<br />

und die Frucht ersticken. Warum rückt er dem Unkraut nicht richtig<br />

zu Leibe? Ke<strong>in</strong> guter Bauer, so sche<strong>in</strong>t es. Oder macht er schlicht<br />

das, was zu se<strong>in</strong>er Zeit üblich ist – erst säen, dann umpflügen? Die<br />

Verluste bekümmern ihn offenbar nicht besonders. Denn e<strong>in</strong>iges, ja<br />

vieles fällt auf gutes Land, geht auf und wächst und br<strong>in</strong>gt Frucht.<br />

Reichlich Frucht.<br />

„Halt!“ könnte jetzt jemand dazwischen rufen: „Du vergisst, dass das<br />

Ganze e<strong>in</strong> Gleichnis ist, e<strong>in</strong>es, das Jesus sogar selber erklärt. Da geht<br />

es nur vordergründig um e<strong>in</strong>en Bauern, se<strong>in</strong> Saatgut und den Acker.<br />

In Wahrheit s<strong>in</strong>d wir Menschen gefragt, wie Gottes Wort bei uns<br />

ankommt.“<br />

Da gibt es die, die hören und doch nicht hören. Sie können oder<br />

wollen nicht an sich heran lassen, was Gott ihnen zu sagen hat. Andere<br />

hören das Wort und s<strong>in</strong>d gleich Feuer und Flamme. Sie versuchen,<br />

ihre Begeisterung an andere weiter zu geben, ernten aber Des<strong>in</strong>teresse,<br />

Ablehnung, Spott. Bald erlahmt der Schwung, das rasant <strong>in</strong><br />

die Höhe geschossene Glaubens-Pflänzchen verdorrt. Wieder andere<br />

wollen schon irgendwie gläubig se<strong>in</strong>. Aber sie haben so viel um die<br />

Ohren, wichtige D<strong>in</strong>ge: Geld verdienen, den Betrieb entwickeln, die<br />

Familie versorgen, Sport treiben, das Leben genießen. Für Fragen<br />

nach dem S<strong>in</strong>n, für das Hören auf Gott fehlt die Zeit, fehlt die Ruhe.<br />

Schließlich gibt es die, die sich trotz allem, was auch noch wichtig<br />

ist, Zeit und Ruhe nehmen für den, der an erster Stelle steht: Gott.<br />

Sie hören auf se<strong>in</strong> Wort, nicht nur e<strong>in</strong>mal, sondern immer wieder.<br />

Und das Wort verändert sie von <strong>in</strong>nen heraus. Es geht auf und wächst<br />

und br<strong>in</strong>gt gute Frucht.<br />

18


Ja, liebe Geme<strong>in</strong>de, das alte Nachtwächterlied hat Recht: „Vierfach<br />

ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist de<strong>in</strong> Herz bestellt?“ E<strong>in</strong>e offene<br />

Frage, denn wir s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong> für allemal festgelegt, ob der Same bei<br />

uns auf den Weg fällt oder auf gutes Land. Jesu Gleichnis könnte<br />

vielmehr den Boden <strong>in</strong> uns auflockern oder der W<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>, der das<br />

Samenkorn an die richtige Stelle bläst, wo es aufgehen, wachsen und<br />

reifen kann.<br />

Es geht also um uns Menschen und das, was Gott zu sagen hat, liebe<br />

Geme<strong>in</strong>de. Es geht aber auch um den Bauern und se<strong>in</strong>e Saat. Denn<br />

Jesus ist bodenständig, hat den Stoff für se<strong>in</strong> Gleichnis nicht zufällig<br />

gewählt. Es weist h<strong>in</strong>tergründig auf die gute Ordnung der Schöpfung<br />

h<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der trotz Verlusten am Ende reiche Frucht dasteht.<br />

Wenden wir uns also wieder dem Sämann zu. E<strong>in</strong>iges, sogar vieles<br />

von dem, was er ausbr<strong>in</strong>gt, fällt auf gutes Land, wächst, gedeiht und<br />

br<strong>in</strong>gt reichlich Frucht. Doch noch e<strong>in</strong>mal die Frage: Warum nicht<br />

alles? Heutzutage müsste es doch möglich se<strong>in</strong>, die Verluste auf e<strong>in</strong><br />

M<strong>in</strong>destmaß zu begrenzen. Aber wenn wir genauer nachdenken,<br />

merken wir, dass nach wie vor e<strong>in</strong>iges verloren gehen kann auf dem<br />

Weg von der Aussaat bis zum Dreschen. Nicht unbed<strong>in</strong>gt, weil es auf<br />

den falschen Boden fällt. Eher durch Schädl<strong>in</strong>ge oder wegen des<br />

Wetters. Der Frost, der die wunderschön aufgegangene W<strong>in</strong>tersaat<br />

zerstört oder die Apfelblüten. Trockenheit im Frühjahr, Hagelunwetter<br />

im Sommer, vielleicht noch kurz vor der Ernte. Mit all dem<br />

haben Bäuer<strong>in</strong>nen und Bauern im Land <strong>in</strong> den letzten Jahren zu<br />

schaffen gehabt, manche erhebliche E<strong>in</strong>bußen erlitten. Ja, solche<br />

Bedrohungen durch das Wetter s<strong>in</strong>d der Grund, warum seit bald 200<br />

Jahren Erntebittgottesdienste gefeiert werden mit der Bitte um e<strong>in</strong>e<br />

gesegnete Ernte, um Verschonung vor Unfällen und Unwettern.<br />

E<strong>in</strong>erseits, liebe Geme<strong>in</strong>de, ist es der normale, natürliche Gang der<br />

D<strong>in</strong>ge: Von dem, was wir säen, geht e<strong>in</strong>e Menge auf und reift zur<br />

Frucht, die wir schließlich ernten. Wenn man andererseits die Gefährdungen<br />

bedenkt, denen das Gesäte auf dem Acker, denen unsere<br />

We<strong>in</strong>berge, Obst- und Gemüsekulturen ausgesetzt s<strong>in</strong>d, ist e<strong>in</strong>e gute<br />

Ernte nach wie vor nicht selbstverständlich, sondern e<strong>in</strong> Geschenk.<br />

E<strong>in</strong> wunderbares Geschenk des Schöpfers, der die Erde so e<strong>in</strong>ge-<br />

19


ichtet hat, dass sie Gras hervorbr<strong>in</strong>gt und Getreide, Büsche und<br />

Bäume, dass sie Tieren und Menschen Raum bietet zum Leben, Nahrung<br />

und Wasser.<br />

Diese gute Ordnung der Schöpfung steht im H<strong>in</strong>tergrund von Jesu<br />

Gleichnis. Von Zahlenverhältnissen spricht er nicht. Aber es ist wohl<br />

so geme<strong>in</strong>t, dass e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil auf den Weg fällt, etwas auf felsigen<br />

Boden, etwas unter die Dornen. Der ganze Rest aber auf guten<br />

Boden. Als unprofessionell ist die Methode dieses Bauern nicht anzusehen.<br />

Vielmehr strahlt er Gelassenheit aus, das Vertrauen, dass<br />

trotz Verlusten genügend aufgeht und zur Frucht reift.<br />

Hundert Prozent Effektivität gab es damals nicht, gibt es heute genauso<br />

wenig. Dabei ist es gut und s<strong>in</strong>nvoll, wenn wir versuchen<br />

möglichst wenig zu verschwenden. Auf allen Ebenen, nicht nur bei<br />

der Aussaat. Denken wir nur daran, wie viele gute Lebensmittel verloren<br />

gehen. Nachernteverluste <strong>in</strong> armen Ländern. Getreide verdirbt,<br />

weil es nicht richtig gelagert oder transportiert werden kann. Lebensmittelvernichtung<br />

bei uns. Brot und Joghurt, Obst und Gemüse –<br />

aussortiert im Supermarkt, zu Hause entsorgt, weil es niemand mehr<br />

essen wollte oder konnte. „Essen im Eimer“ – e<strong>in</strong> Weckruf an uns<br />

alle, damit wir mit Gottes guten Gaben sorgsamer umgehen.<br />

Hundert Prozent Effektivität gibt es nicht. Weil wir Geschöpfe s<strong>in</strong>d,<br />

die <strong>in</strong> und mit der Schöpfung arbeiten. Weil wir selbst mit der besten<br />

Technik nie und nimmer alles im Griff haben werden. Trotzdem fällt<br />

schon im Gleichnis e<strong>in</strong> großer Teil des Gesäten auf guten Boden,<br />

geht auf, wächst und reift heran zur Frucht. Die gute Ordnung der<br />

Schöpfung, <strong>in</strong> der wir leben, <strong>in</strong> der unser Auftrag lautet: „bebauen<br />

und bewahren“.<br />

Es geht auf, wächst und reift zur Frucht. Das, liebe Geme<strong>in</strong>de, ist der<br />

Musterfall für gel<strong>in</strong>gendes Wachstum. Mit der Aussaat als Start und<br />

der Ernte als Ziel. Wenn <strong>in</strong> unserer Zeit von Wachstum die Rede ist,<br />

dann meist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etwas anderen S<strong>in</strong>n. Betriebe, Unternehmen<br />

wachsen, die Wirtschaft <strong>in</strong>sgesamt. Tendenziell ohne Anfang und<br />

Ende, sondern immer weiter. Denn Stillstand ist Rückschritt.<br />

Der Betrieb wächst, entwickelt sich weiter, Neues entsteht. E<strong>in</strong>e<br />

schöne Sache. „Wachsen macht Spaß“, sagt e<strong>in</strong> junger Landwirt,<br />

20


„zum<strong>in</strong>dest habe ich unheimlich Freude und Spaß dabei, etwas<br />

Neues zu machen oder aufzubauen.“ Wobei <strong>in</strong>novativ se<strong>in</strong> wichtiger<br />

ersche<strong>in</strong>t als bloßes Größenwachstum. (Hier können weitere Zitate<br />

aus den Erfahrungsberichten <strong>in</strong> diesem Heft e<strong>in</strong>gebaut werden.) Auf<br />

der anderen Seite empf<strong>in</strong>den viele die Nötigung zu wachsen, ob man<br />

will oder nicht, und ihnen ist klar, dass Wachstum eben nicht grenzenlos<br />

se<strong>in</strong> kann. Weil die Fläche knapp ist, andere auch wachsen<br />

wollen. Weil wir an persönliche Grenzen stoßen, uns nicht immer<br />

mehr aufhalsen können. Weil sich die Frage nach dem verantwortbaren<br />

Risiko stellt. Die Spannung ist schwer auszuhalten: e<strong>in</strong>erseits der<br />

Wachstumszwang – der Betrieb, die Wirtschaft <strong>in</strong>sgesamt muss<br />

wachsen. Auf der anderen Seite die Grenzen, an die wir stoßen, weil<br />

es <strong>in</strong> der Natur ke<strong>in</strong> unendliches Wachstum geben kann, weil wir<br />

Geschöpfe s<strong>in</strong>d, die <strong>in</strong> und mit der Schöpfung arbeiten.<br />

Jesu Gleichnis erzählt auch davon, wie es mit dem Wachstum<br />

daneben gehen kann. Es kommt erst gar nicht <strong>in</strong> Gang, weil die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

zu schlecht s<strong>in</strong>d oder weil man sich verzettelt, zu viel halb<br />

und nichts richtig macht. Es gibt ungesund rasches Wachstum, das <strong>in</strong><br />

der Gefahr steht, ebenso rasch wieder <strong>in</strong> sich zusammenzufallen. E<strong>in</strong><br />

Strohfeuer, e<strong>in</strong>e „Blase“. Problematisch vor allem, wenn wir zu immer<br />

neuen Wachstumsschritten genötigt werden, ohne dass Zeit<br />

bleibt zum Reifen. Organisches Wachstum dagegen braucht Zeit,<br />

beutet weder Mensch noch Tier noch die Natur gnadenlos aus.<br />

Vor dem Wachsen steht aber das Säen. Im direkten wie im übertragenen<br />

S<strong>in</strong>ne. Bäuer<strong>in</strong>nen und Bauern säen und pflanzen. Wenn Jesus<br />

Gottes Reich verkündigt und Kranke heilt, sät er ebenfalls etwas aus.<br />

Hoffnung und Liebe. Die Eltern und Großeltern unter uns, Lehrer<strong>in</strong>nen,<br />

Ausbilder und Pfarrer – wir alle versuchen, bei den uns anvertrauten<br />

jungen Menschen e<strong>in</strong>e gute Saat zu legen. Manche säen freilich<br />

Hass und Misstrauen. Welche Saat aufgeht, wächst und Frucht<br />

br<strong>in</strong>gt, das haben wir oft nicht <strong>in</strong> der Hand. Bei dem, was wir betrieblich<br />

<strong>in</strong> die Wege leiten, hängt es ebenfalls nicht alle<strong>in</strong> an dem,<br />

was wir wollen, können und leisten.<br />

Doch Jesu Gleichnis macht uns Hoffnung. Es geht zwar nicht alles<br />

auf, und nicht alles, was aufgegangen ist, reift zur Frucht. Ke<strong>in</strong>e<br />

21


hundert Prozent Effektivität. Aber Gott lässt aufgehen, wachsen und<br />

gedeihen, oft unerwartet reich. Bei dem, was wir säen im direkten<br />

wie im übertragenen S<strong>in</strong>ne.<br />

Ist es nicht wunderbar, wenn sich die grünen Halme zeigen? Dieses<br />

Jahr geschah das ziemlich spät. Wenn sie wachsen, Ähren ausbilden<br />

und diese reif – hoffentlich nicht „notreif“ – werden, so dass wir dreschen<br />

können. Ist es nicht herrlich, wenn im Frühjahr die Obstbäume<br />

und We<strong>in</strong>stöcke zuerst grün werden, dann blühen, bis sich die<br />

Früchte bilden, die ordentlich Zeit und Sonne brauchen, um den vollen,<br />

süßen Geschmack zu entfalten?<br />

Genauso schön ist es, wenn ich erfahre, dass e<strong>in</strong> gutes Wort, das ich<br />

vor langer Zeit gesagt habe, dem betreffenden Menschen wirklich<br />

weiter geholfen hat. Wenn e<strong>in</strong> Bibelwort <strong>in</strong> mir aufgeht, sich verwurzelt,<br />

mich von <strong>in</strong>nen heraus verändert. „E<strong>in</strong>iges fiel auf gutes<br />

Land, g<strong>in</strong>g auf und wuchs und brachte Frucht.“ – „Alles, was wir<br />

Gutes wirken, ist gesät <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en Schoß, und du wirst die Ernte senden<br />

unaussprechlich reich und groß.“ Amen.<br />

Fürbitten<br />

I: Großer Gott, Schöpfer von Himmel und Erde und auch Gott für<br />

Wachstum und Gedeihen. Auch Vater im Himmel dürfen wir zu dir<br />

sagen.<br />

Hilf uns immer wieder dir neu zu vertrauen. Du hältst die Welt <strong>in</strong><br />

de<strong>in</strong>en Händen, darauf vertrauen wir. Das fällt aber schwer, Vater,<br />

wenn uns viel Arbeit zur Eile treibt oder wenn sich gar e<strong>in</strong>e Missernte<br />

abzeichnet.<br />

Gib uns immer die Kraft und die Zeit, dich um Sonne, Regen, W<strong>in</strong>d,<br />

Frost und Hitze zur rechten Zeit zu bitten und an de<strong>in</strong>e Wirklichkeit<br />

zu glauben.<br />

Schenke du Freude und Dankbarkeit bei allem Ernten und bewahre<br />

uns vor Hektik, Habgier oder e<strong>in</strong>em Unglück.<br />

Vater im Himmel, steure du das Wachstum nicht nur im Gartenbau<br />

und <strong>in</strong> der Landwirtschaft und Viehzucht, sondern überall <strong>in</strong> unserem<br />

ganzen menschlichen Denken und Wollen.<br />

22


Du siehst Vater, wie oft wir mehr wollen, etwas Größeres, Schnelleres<br />

oder Besseres.<br />

Hilf uns zu denken: Von de<strong>in</strong>er Gnade leben wir und was wir haben<br />

kommt von dir – und das ist genug.<br />

II. In de<strong>in</strong>er Hand, Herr, unser Gott,<br />

steht Wachstum und Gedeihen.<br />

De<strong>in</strong>em Segen verdanken wir alles,<br />

was nach dem langen W<strong>in</strong>ter gewachsen ist,<br />

was wir <strong>in</strong> den nächsten Wochen und Monaten ernten werden.<br />

Wir bitten dich: Segne nun die Ernte und alle, die <strong>in</strong> ihr arbeiten.<br />

Hilf, dass all das, was heranreift, auch gut e<strong>in</strong>gebracht werden kann.<br />

Sei bei denen, die jetzt sehr viel zu tun haben,<br />

dass die Hektik nicht zu groß wird und sie vor Unglück bewahrt<br />

werden.<br />

Wir bitten dich, Herr, unser Gott, für die Menschen weltweit,<br />

bei denen es dieses Jahr wenig zu ernten gibt,<br />

oder denen das Geld nicht reicht für genügend Lebensmittel.<br />

Wir bitten dich auch für die allzu Satten,<br />

denen der Wert der Lebensmittel nicht mehr richtig bewusst ist.<br />

Lass uns alle sorgsam mit dem umgehen, was jetzt geerntet wird,<br />

was wir kaufen können <strong>in</strong> der Bäckerei und der Metzgerei,<br />

auf dem Markt und im Supermarkt.<br />

Hilf, dass wir weltweit Lösungen f<strong>in</strong>den für mehr Gerechtigkeit,<br />

damit die Hungernden satt werden.<br />

In de<strong>in</strong>er Hand, Herr, unser Gott,<br />

steht Wachstum und Gedeihen.<br />

Auch im Blick auf das, was wir an Gutem säen<br />

<strong>in</strong> unseren Ortschaften und Kirchengeme<strong>in</strong>den.<br />

Hilf, dass die guten Gedanken und Ideen aufgehen und Frucht br<strong>in</strong>gen.<br />

Die Saat von Hass und Zwietracht lass dagegen verkümmern.<br />

Segne die Worte all derer, die de<strong>in</strong> Evangelium verkündigen,<br />

lass es Frucht br<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> unseren Herzen,<br />

<strong>in</strong> dem, was wir reden und tun.<br />

23


III. Guter Gott, wir danken dir für die neue Ernte die im Moment<br />

heranwächst. Wir s<strong>in</strong>d dankbar dafür, dass du uns Regen, Sonne und<br />

Wärme zur richtigen Zeit geschenkt hast. Dies ist Jahr für Jahr e<strong>in</strong><br />

neues Wunder.<br />

Lebendiger Gott, wir bitten dich für die kommende Erntezeit.<br />

Schenke du das richtige Wetter, Kraft für die viele Arbeit und Bewahrung<br />

im Umgang mit den Masch<strong>in</strong>en.<br />

Schöpfergott, wir s<strong>in</strong>d abhängig von dir. Trotz allem technischen<br />

Fortschritt und all unserem Planen und Vorsorgen bist du derjenige,<br />

der Wachstum schenkt und das Heft <strong>in</strong> der Hand hält. Wir bitten<br />

dich, dass du zu unserem Wollen das Vollbr<strong>in</strong>gen schenkst.<br />

Heiliger Gott, viele Menschen wissen nicht, was von der Landwirtschaft<br />

alles abhängt. Schenke du e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> dafür, dass es eben<br />

nicht selbstverständlich ist, mit Brot, Gemüse, Fleisch, Milch, We<strong>in</strong>,<br />

Käse und all den anderen D<strong>in</strong>gen versorgt zu se<strong>in</strong>. Lass der Landwirtschaft<br />

die angemessene Wertschätzung für diese wichtige Arbeit<br />

zukommen.<br />

Sorgender Gott, du weißt, dass es mit e<strong>in</strong>er guten Ernte nicht getan<br />

ist. Wir bitten dich für gerechte Preise und e<strong>in</strong>en fairen Handel. Hier<br />

<strong>in</strong> Deutschland und weltweit für Kle<strong>in</strong>bauern und -bäuer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

Ländern, <strong>in</strong> denen der Preis über Hunger, Leben und Tod entscheiden<br />

kann.<br />

IV. Lieber himmlischer Vater, wir danken dir für das Wunder des<br />

Wachsens, das wir zurzeit wieder <strong>in</strong> der Natur sehen dürfen.<br />

Nun bitten wir dich: Schenke auch weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> gutes Wachsen und<br />

Reifen der Feldfrüchte!<br />

Schenke für die Erntezeit beständiges Wetter, damit nichts verdirbt!<br />

Gib allen, die mit der Ernte zu tun haben, viel Kraft und Durchhaltevermögen;<br />

gerade auch dann, wenn Zusatzarbeit nötig ist, etwa bei<br />

Nacht!<br />

Und angesichts der Gefahren im Umgang mit den Masch<strong>in</strong>en bitten<br />

wir dich: Bewahre uns vor Unfall und Schaden! Lass uns alle immer<br />

wieder gesund und wohlbehalten vom Feld nach Hause kommen!<br />

Herr, wir danken dir für alle de<strong>in</strong>e Güte. Amen.<br />

24


Lebensrückblick e<strong>in</strong>es Bauern: „Ich b<strong>in</strong> so zufrieden, wenn ich<br />

auf me<strong>in</strong> Leben als Landwirt zurückblicke…“<br />

Im folgenden Lebensrückblick s<strong>in</strong>d Orte und Jahreszahlen anonymisiert.<br />

Protokolliert hat ihn Susanne Spöhrer.<br />

„Als Bub habe ich regelmäßig die K<strong>in</strong>derkirche besucht. E<strong>in</strong>e Geschichte<br />

von Tolstoi („Wie viel Erde braucht der Mensch?“), die ich<br />

dort hörte, hat mich sehr geprägt:<br />

‚Es war e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Bauer, der hat von se<strong>in</strong>em Herrn das folgende<br />

Angebot bekommen: „Du kriegst von mir so viel Land, wie Du an<br />

e<strong>in</strong>em Tag umwandern kannst.“ Der Bauer g<strong>in</strong>g am frühen Morgen<br />

los. Im Lauf des Tages hat er immer wieder ausgeschaut und hat bei<br />

sich gesagt: „Das Eck nehme ich jetzt noch mit – und das noch – und<br />

das – und das…“. Am Abend, als er zum Herrn zurückg<strong>in</strong>g, um se<strong>in</strong><br />

erlaufenes Gebiet <strong>in</strong> Besitz zu nehmen, ist er tot zusammengebrochen.‘<br />

Diese Geschichte hat sich mir sehr e<strong>in</strong>geprägt. Sie hat mich später<br />

dazu gebracht, dass ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Arbeit und bei der Planung auf e<strong>in</strong><br />

mäßiges Wachstum geachtet habe. Ziele habe ich langfristig <strong>in</strong>s<br />

Auge gefasst, habe sie konsequent verfolgt und gleichzeitig Entscheidungen<br />

flexibel der Entwicklung angepasst.<br />

E<strong>in</strong>em Acker habe ich immer den ihm angemessenen Ertrag abverlangt<br />

– also nicht den maximal möglichen Ertrag: Das habe ich nicht<br />

wegen des Verdienstes gemacht, sondern aus Freude am Ertrag.<br />

Ich b<strong>in</strong> dankbar dafür, dass mir viele Pachtflächen aufgrund freundschaftlicher<br />

<strong>in</strong> Generationen gewachsener Beziehungen angeboten<br />

wurden.<br />

Als Junge habe ich mir nie Zeit zum Lernen genommen. Wenn ich an<br />

den Hausaufgaben saß und draußen e<strong>in</strong>en Schlepper hörte, b<strong>in</strong> ich<br />

lieber rausgegangen und habe geschaut, was dort passiert. Me<strong>in</strong> Opa<br />

sagte: „Du musst e<strong>in</strong>mal der Bauer werden.“ Niemand hat mir damals<br />

gesagt, dass für die Landwirtschaft das Lernen wichtig ist.<br />

25


Mit 15 war ich mit der Schule fertig. Zwei Jahre habe ich danach im<br />

eigenen Betrieb Landwirt gelernt. Darauf folgte me<strong>in</strong> erster Schritt <strong>in</strong><br />

die Selbständigkeit: Ich machte e<strong>in</strong> Jahr lang e<strong>in</strong>e Fremdlehre auf<br />

e<strong>in</strong>em Viehbetrieb im Hohenloher Land. Sie hatten 60 Kühe mit<br />

Vorzugsmilch und Nachzucht. Dort gab es vier Angestellte: drei<br />

Lehrl<strong>in</strong>ge und e<strong>in</strong>en Praktikanten. Dort habe ich viel gelernt, besonders<br />

<strong>in</strong> der Organisation der praktischen Arbeit. Dort habe ich mir<br />

auch e<strong>in</strong> gutes Selbstwertgefühl erworben. In der Erntezeit haben wir<br />

von 6.00 Uhr morgens bis 22.00 Uhr abends gearbeitet, und ich habe<br />

das gerne getan. Ich habe viel Ehrgeiz entwickelt, die Arbeit zu bewältigen.<br />

Nach e<strong>in</strong>em halben Jahr hat mir der Bauer die Führung der<br />

Angestellten übertragen. Ich habe fast zu viel geschafft und dabei<br />

sehr gern.<br />

Nach dem e<strong>in</strong>en Jahr Fremdlehre habe ich die Gehilfenprüfung gemacht<br />

und anschließend auf dem elterlichen Hof weitergearbeitet.<br />

Dort folgte me<strong>in</strong> zweiter Schritt <strong>in</strong> die Selbständigkeit: Me<strong>in</strong> Vater<br />

hat angefangen, nebenbei zu arbeiten, und ich habe die Führung des<br />

Betriebes übernommen. Gleichzeitig habe ich zwei Jahre lang die<br />

landwirtschaftliche Fachschule besucht.<br />

Mit me<strong>in</strong>em Vater b<strong>in</strong> ich gut ausgekommen. Er hat mir die Verantwortung<br />

für den Ackerbau übertragen. Selbst hat er die Verantwortung<br />

für den Stall gehabt. Die Zuständigkeiten waren klar. Die Zusammenarbeit<br />

war gut. Die Eigenverantwortung ist sehr wichtig für<br />

mich gewesen und ebenso das Vertrauen me<strong>in</strong>es Vaters.<br />

Anfang der 80er Jahre habe ich die Prüfung zum staatlich geprüften<br />

Wirtschafter erfolgreich abgelegt. Bei der Abschlussfahrt nach Berl<strong>in</strong><br />

habe ich me<strong>in</strong>e Frau kennen gelernt. Anschließend habe ich sofort<br />

mit dem Meisterkurs begonnen und im folgenden Jahr die Prüfung<br />

zum Landwirtschaftsmeister gemacht. Me<strong>in</strong>e Frau hat im gleichen<br />

Jahr wie ich die Prüfung zur Meister<strong>in</strong> der ländlichen Hauswirtschaft<br />

gemacht. Wenig später haben wir uns verlobt. Zwei Jahre später haben<br />

wir geheiratet. Nach der Hochzeit wurden uns nache<strong>in</strong>ander vier<br />

K<strong>in</strong>der geboren.<br />

26


Anfang der 80er Jahre haben wir den ersten geschlossenen Betrieb<br />

dazu gepachtet. Danach haben wir immer wieder Flächen dazu gepachtet.<br />

Mitte der 80er Jahre haben wir den elterlichen Betrieb me<strong>in</strong>er<br />

Frau dazu gepachtet. Wenige Jahre später habe ich den E<strong>in</strong>druck<br />

gewonnen, dass wir den Betrieb so weiterentwickeln können, dass<br />

ihn e<strong>in</strong>er der Söhne übernehmen kann.<br />

Wir haben uns früh dafür entschieden auszusiedeln, um für e<strong>in</strong>en<br />

Hofnachfolger e<strong>in</strong>e tragfähige Grundlage zu schaffen. Im Jahr 1990<br />

haben wir den ersten Spatenstich für unseren Aussiedlerhof gemacht.<br />

Wir hatten das große Glück, dass wir die alte Hofstelle verkaufen<br />

konnten. Im Zusammenhang mit der Aussiedlung hat es, nebenbei<br />

gesagt, viel Neid gegeben im Ort. Das hatte ich <strong>in</strong> der Schärfe nicht<br />

erwartet.<br />

Den Betrieb haben wir allmählich weiter vergrößert. Die K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d<br />

groß geworden. Als unsere vier K<strong>in</strong>der im Jugendalter waren, ist<br />

me<strong>in</strong>e Frau nach e<strong>in</strong>er schweren Erkrankung gestorben. Das war e<strong>in</strong>e<br />

schwere Zeit.<br />

Im gleichen Zeitraum habe ich gesehen, dass unser Betrieb zu kle<strong>in</strong><br />

ist, um überlebensfähig zu se<strong>in</strong>. Damals habe ich zum ersten Mal<br />

über Kooperation nachgedacht und habe Beratung gesucht bei Agriconcept,<br />

e<strong>in</strong>er Tochterfirma des Bauernverbandes. E<strong>in</strong>er me<strong>in</strong>er<br />

Söhne hat Landwirt gelernt und die Meisterprüfung gemacht. Ihm<br />

habe ich nach und nach den Ackerbau übertragen.<br />

Als ich <strong>in</strong> die Berufsschule kam, hatten wir 50-60 Muttersauen und<br />

Ferkelaufzucht. Das war damals e<strong>in</strong> Betrieb mittlerer Größe. Später<br />

nach der Aussiedlung hatten wir 130 Muttersauen. Auch das war e<strong>in</strong><br />

Betrieb mittlerer Größe. Die anderen Betriebe waren ja auch gewachsen.<br />

Etwa zwei Jahre lang habe ich nach e<strong>in</strong>em geeigneten Partner für den<br />

Betrieb gesucht und ihn schließlich im Nachbarort gefunden. Unser<br />

Partnerbetrieb ist wie wir auf Schwe<strong>in</strong>ezucht spezialisiert. Wir haben<br />

e<strong>in</strong>e GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) gegründet. Zusammen<br />

haben wir e<strong>in</strong>en Stall gebaut für knapp 500 Muttersauen und für<br />

27


Jungsauen. Das ist im Vergleich mit Betrieben <strong>in</strong> Ost- und Norddeutschland<br />

e<strong>in</strong> mittelgroßer Betrieb.<br />

Die Vorteile der Kooperation sehe ich dar<strong>in</strong>, dass wir beim Ferkelverkauf<br />

höhere Zuschläge bekommen aufgrund der Betriebsgröße.<br />

Als große Entlastung empf<strong>in</strong>de ich die Möglichkeit, dass wir uns<br />

austauschen, dass wir zusammenarbeiten und dass wir uns gut ergänzen.<br />

Weitere Vorteile der Kooperation sehe ich dar<strong>in</strong>, dass wir<br />

Krankheiten <strong>in</strong> Ruhe ausheilen können und dass Weiterbildung und<br />

Urlaub möglich s<strong>in</strong>d. Urlaub ist besonders für junge Familien wichtig.<br />

Von Vorteil ist auch die Entlastung im Alltag, dass wir Schwierigkeiten<br />

geme<strong>in</strong>sam tragen und lösen.<br />

Die Kooperation hat auch Nachteile, aber die Vorteile überwiegen.<br />

Als Nachteil sehe ich die Aufgabe der Selbständigkeit, und es ist<br />

gewöhnungsbedürftig, dass der Ertrag geteilt wird.<br />

Nötig für die Kooperation ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit<br />

und Kommunikation. Nötig ist es, andere <strong>in</strong> ihrer Eigenart zu respektieren.<br />

Für unbed<strong>in</strong>gt nötig halte ich den konstruktiven Umgang<br />

mit Fehlern.<br />

Ich b<strong>in</strong> dankbar dafür, dass e<strong>in</strong>er me<strong>in</strong>er Söhne den Hof übernehmen<br />

wird und dass er bereit ist, die Kooperation weiterzuführen geme<strong>in</strong>sam<br />

mit se<strong>in</strong>er Partner<strong>in</strong>. Ich b<strong>in</strong> dankbar für den guten Zusammenhalt<br />

<strong>in</strong> der Familie.<br />

Trotz aller Zweifel und aller Enttäuschung im Zusammenhang mit<br />

dem Tod me<strong>in</strong>er Frau ist der christliche Glaube e<strong>in</strong> lebendiges Fundament<br />

me<strong>in</strong>es Lebens geblieben, das ich mit me<strong>in</strong>er zweiten Frau<br />

teile.“<br />

Me<strong>in</strong> Wunsch für dich ist: De<strong>in</strong>e Gaben sollen wachsen mit den<br />

Jahren. Gott hat sie dir geschenkt, und sie sollen die Herzen derer,<br />

die du liebst, mit Freude erfüllen. Und <strong>in</strong> jeder Stunde der Freude<br />

und des Leides wird Gott mir dir se<strong>in</strong>, dich segnen; und du mögest <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Nähe bleiben.<br />

28<br />

Aus Irland (EG, S. 351)


Interview mit jungen Landwirt<strong>in</strong>nen und Landwirten<br />

Die Gedanken junger Betriebsleiter<strong>in</strong>nen und -leiter zum Thema<br />

Wachstum. Die Interviews wurden unabhängig vone<strong>in</strong>ander geführt.<br />

a) Welche Gedanken kommen dir, wenn du an Wachstum<br />

denkst?<br />

(Landwirt 1*): In erster L<strong>in</strong>ie denke ich hier an die Natur, wie sie<br />

jetzt im Moment gerade draußen sprießt. Besonders die Maispflanze<br />

mit ihrem enormen Wachstum fasz<strong>in</strong>iert mich.<br />

(Landwirt 2*): E<strong>in</strong> Ziel, e<strong>in</strong> Muss: Wachstum macht Spaß, zum<strong>in</strong>dest<br />

habe ich unheimlich Freude und Spaß daran, etwas Neues zu machen<br />

oder aufzubauen.<br />

(Landwirt<strong>in</strong> 3*): Mit Wachstum verb<strong>in</strong>de ich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die<br />

Natur. Aber eigentlich ist Wachstum <strong>in</strong> vielen Bereichen des Lebens<br />

da. Ich f<strong>in</strong>de folgendes Zitat passend: Wenn man alles, was e<strong>in</strong>em im<br />

Leben begegnet als Möglichkeit zum eigenen Wachstum ansieht,<br />

gew<strong>in</strong>nt man an <strong>in</strong>nerer Stärke (Milarepa).<br />

b) Wie erlebst du Wachstum <strong>in</strong> der Natur?<br />

Es begeistert e<strong>in</strong>fach, wie aus e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Samenkorn e<strong>in</strong>e große<br />

Pflanze wird, die viel Ertrag br<strong>in</strong>gt.<br />

Manchmal überraschend: aus e<strong>in</strong>er Pflanze, oder e<strong>in</strong>em Feld, das<br />

verunkrautet, völlig ausgedörrt oder erfroren aussieht, wächst e<strong>in</strong><br />

wunderschöner Bestand heran.<br />

Für mich ist es auch irgendwie erschreckend, dass die Natur uns für<br />

ihr Wachstum eigentlich gar nicht braucht. Wir sie aber umso mehr.<br />

Das Wachstum der Natur ist so komplex, dass es für uns Menschen<br />

nicht möglich ist, es nachzubauen. Bedeutet: Den Käfer, auf den ich<br />

heute trete, kann ke<strong>in</strong> Labor der Welt morgen wieder nachbauen.<br />

c) Wie erlebst du Wachstum im Bezug auf den Hof?<br />

Leider ist Wachstum irgendwie Zwang, „wachsen oder weichen“!<br />

Aber es begeistert mich auch, wie viel produktiver man z.B. als vor<br />

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20 Jahren se<strong>in</strong> kann, wenn Technik und Know-how <strong>in</strong>s Spiel kommen.<br />

Wachstum ist notwendig, manchmal e<strong>in</strong> unbed<strong>in</strong>gtes Muss. Ich habe<br />

aber auch manchmal Angst nicht richtig oder schnell genug zu<br />

wachsen und so im Wettbewerb abgehängt zu werden.<br />

In Bezug auf den Betrieb f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> ständiges Wachstum statt. Es gibt<br />

immer wieder neue Möglichkeiten, den Betrieb weiterzuentwickeln.<br />

d) Inwieweit ist Wachstum wichtig für e<strong>in</strong> positives Gefühl?<br />

Ohne Wachstum wird e<strong>in</strong> Betrieb nicht zukunftsfähig bleiben und es<br />

stellt sich vieles, was man geschafft und aufgebaut hat, <strong>in</strong> Frage! Für<br />

mich ist Wachstum auch e<strong>in</strong>e Herausforderung, der ich mich stellen<br />

muss, um den Hof zu erhalten.<br />

Wachstum ist schön. Mir macht es vor allem Spaß, etwas Neues zu<br />

machen, weniger, immer größer zu werden. Ich möchte immer die<br />

Möglichkeit verspüren, etwas Neues machen zu können.<br />

Nicht stehen bleiben, neue Ideen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und wenn es gut läuft,<br />

erfolgreich damit zu se<strong>in</strong>. Das motiviert mich und ich habe dabei e<strong>in</strong><br />

gutes Gefühl.<br />

e) Wovon lässt du dich <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Betriebsentwicklung leiten?<br />

Betriebsentwicklung ist <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Frage der Arbeitskraft.<br />

Ich frage mich: Ab wann ist e<strong>in</strong>e Fremdarbeitskraft notwendig und<br />

f<strong>in</strong>anzierbar? Welchen Wert hat Freizeit?<br />

Von Wirtschaftlichkeit und Marktentwicklung, Freude an dem, was<br />

man machen möchte, und der Wirkung für die gesamte Gesellschaft.<br />

Wenn man nichts Neues macht, muss man wachsen, weichen, mit weniger<br />

zufrieden se<strong>in</strong> oder aber besonders gut se<strong>in</strong>.<br />

Vom Markt und neuen Trends. Ich muss me<strong>in</strong>e Produkte der Nachfrage<br />

anpassen. Wenn ich es nicht schaffe, marktfähig zu bleiben, ist<br />

dies Existenz bedrohend. Deshalb steht Wachstum auch für Existenzsicherung.<br />

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f) Unterscheidest du zwischen verschiedenen Formen des<br />

Wachsens?<br />

Betrieblich kann ich wachsen um jeden Preis und mit vielen Fremdarbeitskräften<br />

oder versuchen, Arbeitskräfte e<strong>in</strong>zusparen. Ich versuche<br />

gerade die zweite Möglichkeit, da der Betrieb so überschaubarer<br />

bleibt und ich auch sehen kann, was man aus dem vorhandenen Betrieb<br />

machen kann.<br />

Ich unterscheide zwischen betrieblichem, privatem, geistigem und<br />

geistlichem Wachstum. Wächst man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bereich besonders<br />

stark, kann man <strong>in</strong> den anderen Bereichen weniger wachsen.<br />

Ja, wachsen nach dem Trend und zum neuen Trend. Lieber ist es mir,<br />

den Betrieb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Richtung wachsen zu lassen. Treffe oder<br />

begründe ich damit e<strong>in</strong>en neuen Trend, ist das super. Das Risiko ist<br />

zwar größer, aber wenn es klappt, ist es das erfolgreichere Wachstum.<br />

g) Gibt es für dich Grenzen des betrieblichen Wachstums?<br />

Ich denke, dass die betrieblichen Gegebenheiten meist die Grenzen<br />

vorgeben. Das können die Lage des Betriebes, verschiedene Auflagen,<br />

Agrarstruktur und Verfügbarkeit von Arbeitskräften se<strong>in</strong>.<br />

Ja, vor allem aufgrund von eigenen und externen E<strong>in</strong>schränkungen:<br />

Flächenknappheit, Risiko, der eigenen Psyche, der Gesundheit, dem<br />

Wunsch im Leben nicht nur für den Betrieb zu leben.<br />

Ja, der Markt auf dem ich me<strong>in</strong>e Produkte verkaufen will. Ist dieser<br />

gesättigt, macht es ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n <strong>in</strong> diese Richtung weiter zu wachsen.<br />

Angaben zu den jungen Landwirt<strong>in</strong>nen und Landwirten:<br />

(Landwirt 1*): 32 Jahre, Dipl. Ing. agr., Puten- und Ackerbaubetrieb<br />

(Landwirt 2*): 30 Jahre, Dipl. Ing. agr., Wildblumen- und Gräsersaatgutproduktion,<br />

Ackerbau und Schwe<strong>in</strong>ezucht<br />

(Landwirt<strong>in</strong> 3*): 23 Jahre, Bachelor, Schwe<strong>in</strong>ezuchtbetrieb mit Jungsauenvermehrung<br />

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Grenzen des Wachstums<br />

Zusammenfassung aus Misereormagaz<strong>in</strong> 1/2013 und Magaz<strong>in</strong> der<br />

He<strong>in</strong>rich-Böll-Stiftung 2/2011 durch Hildegund W<strong>in</strong>ter.<br />

I Grenzen des Wachstums s<strong>in</strong>d variabel<br />

1a Warnung - Ende 18. Jahrhundert<br />

Der englische Nationalökonom und Sozialwissenschaftler Robert<br />

Malthus prophezeit schon im 18. Jahrhundert, dass die Agrarproduktion<br />

nicht mit der rasch anwachsenden Bevölkerung Schritt halten<br />

könne. Hungersnöte wären die Folge, wenn aufgrund der steigenden<br />

Nachfrage die Böden übernutzt werden und die Ertragskraft dadurch<br />

immer weiter s<strong>in</strong>ken würde.<br />

1b Lösung - Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

Die Zeitgenossen Justus Liebig und Gregor Mendel konnten durch<br />

ihre Entdeckungen <strong>in</strong> der Agrochemie und der systematischen Pflanzenzucht<br />

die Erträge <strong>in</strong> der Landwirtschaft vervielfachen.<br />

2a Warnung - Club of Rome 1972<br />

Donella und Dennis Meadows stellten 1972 <strong>in</strong> ihren Studien "Grenzen<br />

des Wachstums", herausgegeben vom Club of Rome, den Weg<br />

des materiellen Wachstums als solchen <strong>in</strong>frage. Ihr Fazit lautet: Die<br />

Ressourcen der Erde s<strong>in</strong>d endlich. Durch die Zunahme der Weltbevölkerung<br />

steigen Agrar- und Fleischproduktion, der Verbrauch natürlicher<br />

Rohstoffe, von Düngemitteln und Süßwasser. Gleichzeitig<br />

entstehen kaum zu bewältigende Mengen an Abfällen und<br />

Schadstoffen im Boden, im Wasser und <strong>in</strong> der Luft.<br />

Die Gefahr des Kohlenstoffdioxids <strong>in</strong> der Atmosphäre wird <strong>in</strong> der<br />

Studie h<strong>in</strong>gegen nur als e<strong>in</strong>e Bedrohung unter vielen angesehen.<br />

2b Reaktionen<br />

Kurzzeitig wird der Club of Rome kritisiert, denn die Ressourcen<br />

schrumpften nicht so rasch wie vorhergesagt.<br />

Auch die Ökosysteme waren nicht so schnell überlastet. Auf saure<br />

Seen, Waldsterben und Ozonloch wurde erfolgreich mit Filtern und<br />

Verboten reagiert.<br />

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3 Warnung - Club of Rome 2012<br />

Im "Zukunftsreport 2052" von Jørgen Randers wird der Klimawandel<br />

als zentrale Bedrohung angesehen. 35 führende Wissenschaftler warnen<br />

<strong>in</strong> ihren Stellungnahmen vor e<strong>in</strong>em ungezügelten Wirtschaftswachstum.<br />

Über Jahrtausende s<strong>in</strong>d Menschenzahl und materielle<br />

Produktion nur sehr langsam gewachsen. Mit der Industrialisierung<br />

setzt e<strong>in</strong>e atemberaubende Beschleunigung e<strong>in</strong>.<br />

Wachstum 1800 - 2000:<br />

Weltbevölkerung 6-fach<br />

Energieverbrauch 40-fach<br />

Weltwirtschaft 50-fach<br />

Alle Forscher analysieren, dass die Ökosysteme im roten Bereich<br />

agieren. Als größtes Problem wird die Erderwärmung e<strong>in</strong>gestuft.<br />

II Politische Lösungsversuche<br />

1 Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität<br />

2011<br />

Der Deutsche Bundestag hat 2011 e<strong>in</strong>e Kommission e<strong>in</strong>gerichtet, die<br />

sich mit der Zukunftsfrage nachhaltiges Wirtschaften beschäftigt. Sie<br />

soll die gesellschaftliche Debatte vorantreiben, wie globaler<br />

Wohlstand und soziale Gerechtigkeit mit den Grenzen e<strong>in</strong>es endlichen<br />

Planeten vere<strong>in</strong>bar gemacht werden können. Es geht darum,<br />

nach Möglichkeiten der Entkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch<br />

zu suchen und neue Wege für nachhaltigere Arbeits-,<br />

Lebens- und Konsumstile zu entwickeln, die den Orientierungsrahmen<br />

für e<strong>in</strong>e neue Form des Wirtschaftens bilden sollen.<br />

2 E<strong>in</strong> Beispiel: Ecuador 2008 und Bolivien 2009 - Konzept "Buen<br />

Vivir" <strong>in</strong> Verfassung aufgenommen<br />

In Ecuador und Bolivien hat das Verhältnis zur Natur e<strong>in</strong>en zentralen<br />

Stellenwert bekommen, seit dem das Konzept des "Buen Vivir" <strong>in</strong><br />

die Verfassung aufgenommen worden ist.<br />

Es zielt auf e<strong>in</strong>e Harmonie mit der Natur und e<strong>in</strong>e Abkehr von der<br />

Idee des endlosen Wachstums und soll verh<strong>in</strong>dern, dass die traditionellen<br />

Entwicklungsmodelle der <strong>in</strong>dustrialisierten Länder nachgeahmt<br />

werden, da diese die auf der Ausbeutung der natürlichen Res-<br />

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sourcen bestehen. Der Verfassungsgrundsatz ist umso bemerkenswerter,<br />

da beide Länder stark von der Ausbeutung ihrer Bodenschätze<br />

(Öl, Gas) profitieren.<br />

III Vorgeschlagene weitere Lösungsansätze<br />

Agrarreformen: Stärkung der Kle<strong>in</strong>bauern, Änderung der<br />

Subventionierungsrichtl<strong>in</strong>ien<br />

Verantwortungsvoller Fleischkonsum<br />

Steigerung der Ressourceneffizienz („aus weniger mehr<br />

machen“)<br />

Regenerative Energien<br />

Nachwachsende Werkstoffe<br />

Bionik (zielt darauf ab, biologische Prozesse und <strong>Materialien</strong><br />

<strong>in</strong> technische Innovationen zu übersetzen)<br />

Neben allen politischen Lösungsansätzen braucht es dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>e<br />

ökologische Dynamik von unten, die von Konsumenten, Umweltverbänden,<br />

Landwirtschaft, Geme<strong>in</strong>den, Erf<strong>in</strong>dern und Investoren<br />

vorangetrieben wird.<br />

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