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carte blanche à pierre-laurent aimard - European Mozart Ways

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ÜBERGÄNGE - LETZTE ROMANTIK<br />

Fortsetzung<br />

In der Geschichte der Kunst sind Spätwerke die Katastrophen, schrieb der Philosoph Theodor<br />

W. Adorno. Katastrophen, in denen ein ungeheures Potential zur Erneuerung steckt.<br />

Beethoven ist dazu eine erste, so prominente wie extreme Vorstufe, das Ende der<br />

Romantik aber, Jahrzehnte nach ihm, ist der Kulminationspunkt. Eine überreif gewordene,<br />

bis zum Bersten gespannte Tonalität drängt zum Ausbruch. Jedes der<br />

Konzerte beleuchtet andere Aspekte des Phänomens „Übergang“ und spiegelt sie<br />

auf vielschichtige Weise: So verknüpft das erste Konzert Alexander Zemlinskys aufwühlendes<br />

3. Streichquartett, das er 1923 nach dem Tod seiner Schwester Mathilde<br />

schrieb, mit der Leuchtkraft Josef Suks und den neuen Farben, zu denen sich (dessen<br />

Schwiegervater) Antonin Dvorˇák inspiriert sah, als er fernab der böhmischen Heimat<br />

in der Neuen Welt sein F-Dur-Quartett in nur zwei Wochen komponierte.<br />

Klaviermusik in konzentrierter Form bringt dann das zweite Konzert: triumphaler<br />

Skrjabin neben mächtigem Liszt, Wagners Todeswollust neben Bergs Sonate op. 1,<br />

die noch an die klassische Form und Tonalität gebunden ist, unter deren Oberfläche<br />

es aber nicht mehr nur gärt, sondern brodelt vor überreizter Harmonik. Später<br />

Beethoven neben einem Meilenstein der amerikanischen Musik schließlich im dritten<br />

Konzert: Gegensätze, die unversöhnt nebeneinander stehen in der Innenwelt<br />

eines seit langem vollkommen ertaubten Komponisten, schlichte Melodien in einer<br />

zerklüfteten Klanglandschaft, werden in ihrer Modernität unvermittelt von einer<br />

Musik beleuchtet, die über 120 Jahre später entstand und die Elliot Carter zu einem<br />

der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts machen sollte. Dabei greift sein<br />

1. Streichquartett selbst wiederum auf die Tradition zurück, verdichtet sie radikal<br />

und gewinnt auch in dichter Kontrapunktik große Eleganz. Ein Konzert mit einem<br />

reinen Dvorˇákprogramm und dem letzten seiner 13 Streichquartette, eines mit<br />

spätem, radikalem Brahms und Mahlers Lied von der Erde, eines mit den drei Komponisten<br />

der Wiener Schule, kurz bevor sie die Tonalität explodieren ließen – so<br />

fokussieren die Konzerte eine atemlose, getriebene und doch verletzliche Musik, die<br />

unerbittlich und freudig erregt Neues wagt.<br />

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