PDF Wege aus der Sprachlosigkeit / Über die Notwendigkeit einer ...
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Traumatherapie als Erweiterung <strong>der</strong> konventionellen Psychotherapie<br />
Unzulänglichkeiten <strong>der</strong> Psychoanalyse zum Verständnis von Traumafolgestörungen<br />
wurden bereits in <strong>der</strong> einschlägigen Literatur <strong>aus</strong>reichend beschrieben. Dadurch,<br />
dass <strong>die</strong> Psychoanalyse konsequenterweise das Subjekt als Urheber s<strong>einer</strong><br />
Wünsche ansieht, das alles, was ihm wi<strong>der</strong>fährt, im Lichte <strong>die</strong>ser Wunschwelt<br />
interpretiert, ist <strong>die</strong>ser Ansatz natürlich eine Täterpsychologie par excellence: alle<br />
Wi<strong>der</strong>fahrnisse des Lebens korrespon<strong>die</strong>ren, so <strong>die</strong> Annahme, mit <strong>einer</strong><br />
präexistenten Wunschwelt. Ein lediglich intrasubjektivitätstheoretischer Ansatz wird<br />
dem Sachverhalt bei psychischer Traumatisierung nicht <strong>aus</strong>reichend gerecht, da<br />
Menschen immer auch – bei weiter bestehen<strong>der</strong> eigener Subjekthaftigkeit –<br />
Gegenstand <strong>der</strong> Wünsche an<strong>der</strong>er sind, aber auch Gegenstand übergreifen<strong>der</strong>,<br />
verletzen<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>fahrnisse. Die Realität von Trauma ist ja gerade dadurch<br />
gekennzeichnet, dass Menschen Wi<strong>der</strong>fahrnissen <strong>aus</strong>gesetzt sind, <strong>die</strong> ob ihrer<br />
Ungeheuerlichkeit keine Repräsentanz, keine Entsprechung im vorher bestehenden<br />
Wunschsystem aufweisen können.<br />
So fehlte also bislang ein Ansatz, <strong>der</strong> immer auch (!) gegebene Realität des<br />
Ausgeliefertseins von Subjekten angemessen thematisieren kann. Hier sehen wir<br />
den zentralen konzeptuellen Fokus, und in <strong>der</strong> empirischen Realität von Gewalt und<br />
Gewaltfolgen das zentrale Gegenstandsfeld <strong>der</strong> Psychotraumatologie.<br />
Diese Ausführungen können deutlich machen, dass <strong>die</strong> Psychotraumatologie dazu<br />
beitragen kann, auf dem Hintergrund eines Wechselseitigkeitsansatzes herkömmlich<br />
verstandene Phänomene in einem neuen Licht zu sehen. Dabei verän<strong>der</strong>t sich auch<br />
das Verständnis von Biografie insgesamt. Die Psychotraumatologie, wie wir <strong>die</strong>se<br />
verstehen, verschiebt nämlich den Fokus von <strong>der</strong> Würdigung <strong>einer</strong> auf das<br />
Verständnis <strong>der</strong> gegenwärtigen Person hinleitenden Biografik auf <strong>die</strong> Bedeutung von<br />
„Ereignissen“ und dem Selbst- und Weltverständnis des Individuums „danach“, sie ist<br />
insofern eine „Post-Ereignisbiografie“.<br />
Menschen und Kollektive sind immer „irgendwie geworden“, aber unter<br />
psychotraumatologischer Perspektive ist das von Bedeutung, was im Moment <strong>der</strong><br />
Traumatisierung mit ihnen geschieht und was sie dar<strong>aus</strong> machen!<br />
Insgesamt sind <strong>die</strong> Vorstellungen vom Menschen in <strong>der</strong> Psychotraumatologie<br />
an<strong>der</strong>e: Gilt in vielen herkömmlichen Ansätzen, insbeson<strong>der</strong>e in dem <strong>der</strong><br />
Psychoanalyse, dass Menschen relativ unverän<strong>der</strong>bar seien, etwa durch<br />
überdauernde „Strukturmerkmale“ zu kennzeichnen, verweist <strong>die</strong><br />
Psychotraumatologie auf <strong>die</strong> Realität, dass im Extrem ein einzelnes Ereignis einen<br />
Menschen zerstören, zumindest „wesentlich“ verän<strong>der</strong>n kann. Das wird ungern<br />
akzeptiert, es ist offenbar leichter akzeptabel, dass ein einziges Gewaltereignis einen<br />
Knochen brechen als <strong>die</strong> Seele zerstören könne – schimmert hier eine säkularisierte<br />
Form <strong>der</strong> klassischen Unsterblichkeitslehre <strong>der</strong> Seele durch? Die Zerbrechlichkeit<br />
von Menschen zu realisieren kann ängstigen – dass <strong>die</strong> <strong>Wege</strong> <strong>der</strong> Forschung auch<br />
durch Ängste <strong>der</strong> Zugehörigen <strong>der</strong> scientific communitiy bestimmt werden, ist wohl<br />
<strong>aus</strong>reichend bekannt.<br />
Ersetzt eine <strong>der</strong>artig verstandene Psychotraumatologie herkömmliche Ansätze?<br />
Nach unserer Einschätzung ganz sicher nicht. Wir sind davon überzeugt, dass <strong>die</strong><br />
Berücksichtigung von extremer Vernachlässigung, Missbrauch, Gewalt und<br />
Gewaltfolgen auf individueller und überindividueller Ebene bestehende Ansätze<br />
„einfärben“ und <strong>die</strong>se verän<strong>der</strong>n wird. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass<br />
bestehende Ansätze weiterhin ihren unbestrittenen Wert haben werden, da, wo sie<br />
sich bewährt haben. Das gilt für <strong>die</strong> herkömmliche Psychoanalyse und für <strong>die</strong>