PDF Wege aus der Sprachlosigkeit / Über die Notwendigkeit einer ...
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Beziehungstraumata eben im Prinzip nur durch eine intensive Beziehungstherapie,<br />
insbeson<strong>der</strong>e eine modifizierte integrative Psychotherapie wirklich an <strong>der</strong> Wurzel zu<br />
packen sind.<br />
Dabei kann eine Traumastation lediglich eine „Station“, wenn gleich auch eine<br />
unumgängliche, auf dem Weg <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Wortlosigkeit in <strong>die</strong> Genesung sein. Eine<br />
interdisziplinäre Kooperation zwischen ambulanten Therapeuten, Sozialarbeitern<br />
sowie H<strong>aus</strong>ärzten ist dabei von beson<strong>der</strong>er Bedeutung. Das Traumathema ist in<br />
s<strong>einer</strong> Breite und Vielschichtigkeit nur interdisziplinär anzugehen. Die klinischen<br />
Disziplinen fokussieren Perspektiven <strong>der</strong> Psychopathologie, fehlgesteuerter<br />
Kognitionen und Emotionen sowie des „neuronal functioning“. Nur im<br />
interdisziplinären Diskurs <strong>der</strong> einzelnen Fachgebiete und im Polylog <strong>der</strong><br />
verschiedensten SpezialistInnen, aber auch <strong>der</strong> Experten-HelferInnen und <strong>der</strong><br />
Experten-PatientInnen, im Aust<strong>aus</strong>ch <strong>der</strong> „doppelten Expertenschaft“ von<br />
Betroffenen und Professionellen, können <strong>die</strong> einzelnen Wissensstände so<br />
konnektiviert werden, dass es zu übergeordneten transdisziplinären Erkenntnissen<br />
kommt und zu einem transversalen Wissen, das <strong>die</strong> Fülle <strong>der</strong> menschlichen<br />
Erfahrungen durchquert und immer wie<strong>der</strong> zu neuen, erweiterten Einsichten kommt.<br />
Bei allem Abstand zu den Selbstverständlichkeiten und Konventionen unserer<br />
„gesunden“ Welt bleibt <strong>der</strong> traumatisierte Mensch für uns eine Auffor<strong>der</strong>ung, in<br />
seinem Kranksein auch eine – wenngleich radikal verschobene – menschliche<br />
Lebensform zu sehen.<br />
Zum Abschluss möchte ich noch Marc Aurel (Marcus Aurelius Antonius, römischer<br />
Kaiser, 121 n. Chr. – 180 n. Chr.) zitieren: „ Das Heil unseres Lebens beruht darin,<br />
dass wir das Wesen je<strong>der</strong> einzelnen Sache zu durchschauen suchen, worin ihre<br />
Substanz besteht, was sie verursachte. Von ganzer Seele das Rechte zu tun und<br />
wahrhaftig zu sprechen, was bleibt sonst noch, als das Leben zu geniessen, indem<br />
man ein gutes Tun an das an<strong>der</strong>e knüpft, so dass auch nicht <strong>der</strong> kleinste<br />
Zwischenraum bleibt? Denn durch ethisches, solidarisches Handeln kann man –<br />
auch bei belastenden Situationen – eine lebensfreundliche Einstellung gewinnen,<br />
eine Haltung „heiteren Herzens.“<br />
Als Leitprinzip <strong>der</strong> Traumabehandlung steht <strong>der</strong> „client wellfare“, das Wohlergehen<br />
<strong>der</strong> PatientInnen, <strong>die</strong> Wandlung <strong>der</strong> traumatischen Finsternis in das „Gold <strong>der</strong><br />
Befreiung“.<br />
Vielleicht es im Sinne von Hilde Domin ja eines Tages möglich, <strong>die</strong> Sintflut zu<br />
überleben, <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Löwengrube und dem Feuerofen wie<strong>der</strong> her<strong>aus</strong>zusteigen, dass<br />
wir „immer versehrter und immer heiler… zu uns selbst entlassen werden“.<br />
Bernd Frank<br />
Oberarzt Stationäre Traumatherapie<br />
Fachpsychotherapeut für Traumatherapie ( DIPT/SIPT )