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Dr. Elisabeth Biesel<br />

Hexenverfolgung im Raum Trier<br />

Kurzentwurf für zwei Unterrichtseinheiten im Fach Geschichte<br />

Thema der 1. Unterrichtseinheit: Hexerei: „leerer Aberglaube“ oder „Teufelswerk“?<br />

Thema der 2. Unterrichtseinheit: Ursachen und Ausbreitung der Hexenverfolgungen<br />

Thema der Reihe: <strong>Die</strong> Entstehung des frühneuzeitlichen Staates<br />

Trier, im Februar 2006<br />

1


Übergeordnetes Lernziel:<br />

Thema der 1. Unterrichtseinheit:<br />

Hexerei: „leerer Aberglaube“ oder „Teufelswerk“?<br />

<strong>Die</strong> Schülerinnen und Schüler erarbeiten, dass Hexerei ein imaginäres Verbrechen ist,<br />

analysieren kritisch am lokalen Beispiel (Petrus Binsfeld und Cornelius Loos) den<br />

zeitgenössischen Diskurs um Hexerei <strong>als</strong> Aberglauben oder reale Bedrohung der Gesellschaft<br />

und stellen heraus, dass sich sowohl Befürworter <strong>als</strong> auch Gegner der Hexenverfolgungen<br />

letztlich in der Prämisse ihrer Argumentation auf eine Glaubensfrage und nicht auf die<br />

Vernunft gründen.<br />

Feinlernziele:<br />

<strong>Die</strong> Schülerinnen und Schüler:<br />

1. bestimmen die Schlüsselbegriffe des Bittschreibens von Matthias Loerscher an den<br />

Amtmann von St. Maximin, thematisieren die Rolle, die das Gerücht in dem eingeleiteten<br />

Verfahren spielt und arbeiten heraus, dass eine gewisse Skepsis gegenüber den<br />

Hexereiverfahren im Bittschreiben deutlich <strong>wird</strong>.<br />

2. beschreiben den 1594 angefertigten Kupferstich „Trierer Hexentanz“ und erarbeiten daraus<br />

die konstitutiven Elemente des Hexereideliktes (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexensabbat,<br />

Hexenflug und Schadenzauber).<br />

3. stellen fest, dass der nach der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. („Carolina“) mit<br />

der Hexerei verbundene Schadenzauber den Zugriff der weltlichen Gerichtsbarkeit<br />

ermöglicht.<br />

4. vergleichen arbeitsteilig die Argumentationsstruktur in den Texten von Cornelius Loos<br />

(Gegner der Hexenverfolgungen) und Petrus Binsfeld (Befürworter der Hexenverfolgungen),<br />

bestimmen die Rolle der Obrigkeit in den Texten und übertragen die Argumente in ein<br />

fiktives Streitgespräch zwischen Binsfeld und Loos.<br />

2


Verlauf<br />

Phase Inhalt Lern-<br />

ziele<br />

Unter-<br />

richtsform<br />

Medien Zeit<br />

Einstieg Bittschreiben an den<br />

Amtmann von St. Maximin,<br />

1640<br />

LV 5’<br />

Erarbeitung I Inhalt des Bittschreibens 1 f.-e. Text 5’<br />

Erarbeitung<br />

II+ Sicherung<br />

Vertiefung I<br />

+ Sicherung<br />

II<br />

Erarbeitung<br />

III +<br />

Sicherung<br />

Beschreibung des<br />

Flugblattes „Trierer<br />

Hexentanzplatz“ +<br />

konstitutive Elemente des<br />

Hexereideliktes<br />

Carolina: Schadenzauber<br />

unterliegt weltlichen<br />

Gerichtsbarkeit<br />

Argumentation von<br />

Befürwortern und Gegnern<br />

der Hexenverfolgungen<br />

(Quelle)<br />

2 SB, f.-e. Folie<br />

Tafel<br />

3 LV, f.-e. Folie,<br />

Tafel<br />

4, ÜLZ PA, SB, f.-e. Text,<br />

Tafel<br />

8’<br />

7’<br />

20’<br />

3


Tafelbild:<br />

konstitutive Elemente des Hexereideliktes:<br />

Hexerei: „leerer Aberglaube“ oder „Teufelswerk“?<br />

Teufelspakt + Teufelsbuhlschaft + Hexenflug + Hexensabbat + Schadenzauber<br />

Zuständigkeit der weltlichen<br />

Gerichtsbarkeit<br />

Befürworter der Hexenverfolgungen Gegner der Hexenverfolgungen<br />

z.B. Petrus Binsfeld Glaubensfrage<br />

z.B. Cornelius Loos<br />

Prämisse: Teufel und Hexen existieren Prämisse: Glauben an Hexerei = Aberglaube<br />

Folgerung: reale Bedrohung Folgerung: Gerichtsverfahren sind unmenschlich<br />

Obrigkeit: Verpflichtung zum Eingreifen „Tyrannei“, nutzt Verfahren zur Bereicherung<br />

Loos: Nähe von „Ketzerei“ und „Aufruhr“<br />

4


1640: Bittschreiben des Schmidtburgischen Meiers, Matthias Loerscher, an den<br />

Amtmann von St. Maximin, Fridericus Zirvisius<br />

(Anklage des Ausschusses zu Longuich gegen Susanne (Ehefrau) wegen Zauberei vom 17. Nov. 1640, Dekret<br />

vom 24. Nov. 1640: Erlaubnis zur Zeugenvorladung, Bittschrift nicht datiert, steht aber in unmittelbarem<br />

Zusammenhang mit ersten Zeugenvernehmung)<br />

Ehrnvester, hochgelehrter, gepiettender her amptman, e[uer] e[hrnvesten] und herrlickeiten sein mein<br />

bereitwilliger dienst und geringes vermögen jederzeits zubevolen.<br />

Euer ehrnvesten und herlikeitten kan ich armer supplicant underthenigst nicht verhalten waß gestalt<br />

jetzunder auch waß alhie zu Longuich wie auch daherumb in andern dorffern ein so groß jämerlich<br />

und wunderlich geschwetz sein schwerungh gehatt wegen deß lasters der zauberey, <strong>als</strong>o das auch einer<br />

der des lasters auch vur Gott frey und ledigh ist, schwerlich ohnverletzt seiner ehren darvon kommen<br />

kan, in welches geschwetz sein ich, sampt meiner hausfrauw, so hierin geratten sein, das man herumb<br />

nicht allein da zwey oder drey beyeinander zuschwetzen stehen, nichst anders dan von unser zauberey<br />

zu schwetzen haben, sondern auch schwer mitt den fingern auff unß deutendt und weisendt wie dan<br />

wir unß auch schämen mussen in die stadt Trier hinein zu kommen dan da man unß kommen syet, da<br />

wir bekent seint gleich die burger auff der gassen still stehen und onß darumb anschauen.<br />

Da doch wie Gott der allmechtigh woll weiß, welcher ein erforscher der hertzen ist, und mein zeugen<br />

sein <strong>wird</strong>t, das mein gewissen des f<strong>als</strong> so frey ist, und so clar ist <strong>als</strong> die son im himmell.<br />

Waß aber meine haußfrauw antrifft, vor welche ich nicht schweren kan, dan kein mensch dem andern<br />

in sein hertz sehen kan, sie sich dessen so hoch vereussert, und verschwerett, frey zu sein von solchem<br />

laster, <strong>als</strong>o das wan sie darin erfunden wurde werden, ich keinen menschen mehr glauben könte.<br />

Weill aber, <strong>als</strong> ich höre (Gott im himmel sey es geclagt) ein proces desfalls bey euer ehrnvesten uber<br />

selbige solte von den ausschussen gefiert werden, und dan vor euch kommen albereits etliche zeugen<br />

daruber abgehortt sollen sein, und schon zu dem schloß und avisen gestelt, welches ich mich nit<br />

genugsam verwundern kan, und mich in der gassen hochlich beschwerett und beschwetzett, jedoch da<br />

solches mitt rechter practick und nicht f<strong>als</strong>chem vorbringen zugehett, ich solches nicht allein<br />

verhindern sondern darzu behulfflich sein wolte, da ich konte. [...] Bitte derohalben ich euer<br />

ehrnvesten und herlikeitten underthenigst, solche wordt recht zu bedencken darmitt dardurch keinem<br />

menschen ohnrecht geschen, und da fillicht deren gleichen andere zeugen noch mehr vorbracht<br />

mögten worden sein, selbige auch zu sonderen, ob solche nicht fillicht mehr auß neidt und haß <strong>als</strong><br />

gewissen ist geredt worden, und dardurch auch keinem ohnrecht wiederfharen, verhoffen und<br />

vertrauen e[uer] e[hrnvesten] und herlikett werden hiehrein thun, was recht ist.<br />

E[uer] e[hrnesten] und herrlik[eit] underthenigster / supplicant.<br />

Matthias Lorscher schmidtburger / meyer zu Lonquisch<br />

(LHAKo Abt. 211 Nr. 3022)<br />

5


Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (1532)<br />

109.<br />

Straff der Zauberey<br />

So jemand den Leuten durch Zauberey schaden oder nachtheyl zugefu[e]get / soll man in straffen vom Leben<br />

zum Tod[e] / un[d] man sol solche straff mit de[m] Feuer thun. Wo aber jemand Zaubery gebraucht / und darmit<br />

niemand schaden gethan hett / soll sonst gestrafft werden / nach gelegenheit der Sach / darinnen die Urtheyler<br />

raths gebrauchen sollen / wie vom Raht suchen hernach geschrieben stehet.<br />

(zitiert nach: „... die Zauberinnen mögen verbrennet werden“. Hexenverfolgungen in Darmstadt und Umgebung am Beginn der Neuzeit.<br />

(Geschichte im Archiv. Darmstädter <strong>Dokument</strong>e für den Unterricht 3) Darmstadt 1993)<br />

(übernommen aus: Rita Voltmer, Hexenverfolgungen im Erzbistum Trier nach der Reformation. In: Trier. <strong>Die</strong> Geschichte des Bistums 4,<br />

Trier 1998, S. 28)<br />

6


Arbeitsauftrag:<br />

• Lesen Sie arbeitsteilig die Texte von Petrus Binsfeld und Cornelius Loos. Erarbeiten<br />

Sie arbeitsteilig die Positionen der beiden Autoren.<br />

Leitfragen: Wie steht der Autor zu den konstitutiven Elementen des Hexereideliktes?<br />

Wie sieht er die Rolle der Obrigkeit? Auf welche Grundlagen beruft er sich?<br />

• Petrus Binsfeld und Cornelius Loos sind sich vermutlich oft begegnet und haben<br />

theologische Fragen erörtert. Verfassen Sie ein Streitgespräch zwischen den beiden,<br />

bei dem sie ihre Argumente austauschen!<br />

Auszüge aus dem „Tractatus de confessionibus maleficorum et sagarum“ des Trierer<br />

Weihbischofs Petrus Binsfeld von 1589, dt. Übersetzung von 1591.<br />

1. Es ist gewiß und keins wegs zuzweifflen / daß Zauberey aigentlich genennt / oder Teuf-felswerck<br />

vermittels / Menschlicher hülff in der Natur geschehen / unnd solches nach außweisung H. Schrifft /<br />

Geistlich: und Weltlicher Rechten / unnd rechter Vernunnfft.<br />

2. Der Catholische Glaub / helt für gewiß unnd beständig / daß Teuffel seyn [...]<br />

3. Daß aber das Laster Zauberey / von dem wir hie handlen / ins Werck gestelt / seyn drey stuck<br />

vonnöten darzu. Erstlich / Göttlicher Willen / der solches verhengt und zuläst. Zum andern / der<br />

Gewalt deß Teuffels / der solches verricht / und darzu anraizet. Zum dritten unnd letztlich / deß<br />

Zauberischen Menschen willen / der sich freywillig darein ergibt [...]<br />

4. Der Teuffel vermag mehr nit dann im Gott zuläst[...]<br />

7


5. Uber Göttliche Verhengnuß / unnd deß bösen Geists Gewalt / so <strong>wird</strong>t auch zu Zauberey erfordert /<br />

deß Menschen freyer Will / der auß Boßheit in die Zauberey verhengt unnd bewilligt / deren sich der<br />

Teuffel gleich <strong>als</strong> ein Werckzeug zu seinem fürhaben gebraucht [...]<br />

6. Aller der Zauberer Werck gescheen auß heimlichen oder außtrücklichen Pact mit dem Teufel [...]<br />

Erste eintzige ursach / so zu disem Laster bewegt / ist der Geistlichen Unwissenheit [...]<br />

Andere Ursach ist / täglicher schlaff der Obrigkeit [...]<br />

Dritte Ursach / ist Unglaub [...]<br />

Vierde zuberaitende ursach ist Fürwitz [...]<br />

<strong>Die</strong> Fünffte Ursach / ist unersättliche Liebe / Reichthumb zusamblen [...]<br />

<strong>Die</strong> sechste Ursach / ist Gailhait und fleischlicher Wollust [...]<br />

<strong>Die</strong> siebendt / ist die Verfluchunge oder Unsinnigkeit zuschweren [...]<br />

<strong>Die</strong> achte Ursach / welche gar offt inn dem Weiblichen Geschlecht statt hat / ist Verlassenheit / oder<br />

übrige Traurigkeit / oder inn widerwertigen Sachen / Kleinmütigkeit [...]<br />

I. <strong>Die</strong> erste Schlußred / Zauberer / Warsager / Schwartzkünstler / oder alle die jenige / so mit dem<br />

bösen Geist ein Verstandt oder Pact haben / können keine warhaffte Mirackel thun [...]<br />

IIII. Zauberer und Schwartzkünstler können durch deß Teuffels Gewalt / Frösch / Schlangen / Mucken<br />

/ Schnacken / und dergleichen andere unvollkommenliche Thierlein machen / welche nach<br />

Philosophischer Lehr / auß Verfäulung wachsen [...]<br />

V. Zauberer oder Zauberin treiben Werck der Unzucht mit dem Teuffel [...]<br />

VI. <strong>Die</strong> Zauberer können durch Hülff deß Teuffels / die Fruchtbarkeit zwischen den Eheleuten oder<br />

andern Personen verhindern [...]<br />

VII. <strong>Die</strong> Zauberer können durch Hülff deß Teuffels / Kranckheiten machen / die Menschen mit irer<br />

Zauberey umbbringen / und das Viech tödten [...]<br />

VIII. <strong>Die</strong> Zauberer unnd Unholden / können viel Kranckheiten hailen / denen kein Doctor oder<br />

Artzney helffen mag / Aber nicht alle [...]<br />

IX. Ob wol die Zauberer unnd Teuffelsbanner / können viel Kranckheiten hailen / und offt zugefügte<br />

Zaubereyen abwenden / ob schon nicht alle / so ist doch nit billich / umb entledigung solcher<br />

Kranckheiten zulauffen / wer aber das Widerspil thut / sündiget schwerlich [...]<br />

X. Schwartzkünstler unnd Zauberer / können durch deß Teuffels Gewalt underwiesen / Wetter machen<br />

/ Regen / Donner / Hagel und Schaur / und andere dergleichen Ding / die sich in dem Lufft und<br />

Element zutragen / herfür bringen [...]<br />

XII. <strong>Die</strong> Zauberer Hexen und Unholden werden offt dem Leib nach / warhafft unnd wesentlich von<br />

einem Ort zum andern / zu ihrer Versamblung getragen [...]<br />

(zitiert nach Ausgabe in Stadtbibliothek Trier)<br />

8


Widerruf des Cornelius Loos (1540/46-1596) von 1593, überliefert bei Martin Delrio im Anhang<br />

seiner sechsbändigen „Disquisitionem magicarum“ (Untersuchung der Hexen) von 1599<br />

1. Zu allererst wiederruffe, verdamme, verwerffe und mißbillige ich, (was ich oft mit Schrifften und<br />

Worten h<strong>als</strong>starrig bey vielen bejahet habe, und welches ich vor das Haupt und furnehmste Stueck<br />

dieser meiner Disputation gehalten habe), nemlich, daß es eine phantasie, und <strong>als</strong> ein leerer<br />

Aberglaube, vor ein Gedicht zu halten seye, was von dem coerperlichen Ausfahren oder Wegbringen<br />

der Zauberer und Hexen geschrieben <strong>wird</strong>, so wohl weil dieses nach einer Ketzerischen Bosheit<br />

allerdings riechet, <strong>als</strong> auch weil diese Meynung mit aufruehrerischen Dingen vermischet ist, und<br />

dahero nach dem Laster der beleidigten Majestaet schmecket.<br />

2. Dann, (welches ich zum zweyten wiederruffe:) ich habe, durch heimlich an unterschiedene<br />

geschickte Briefe, wider die Obrigkeit h<strong>als</strong>starrig, und ohne gruendliche Ursachen ausgebreitet, und<br />

noch ferner bekraefftiget, das zauberische Ausfahren seye f<strong>als</strong>ch und eine Einbildung, die arme Leute<br />

werden durch die Grausamkeit der Tortur gezwungen, dasjenige zu bekennen, was sie niemahls gethan<br />

haben, es werde auf dieser Schlacht-Banck unschuldiges Blut vergossen, und durch eine neue<br />

Alchimie aus Menschen Blut, Gold und Silber gemacht.<br />

3. Durch diese und andere dergleichen Dinge habe ich theils durch besondere Gespraeche, bey dem<br />

Poebel, theils durch allerhand an beyderlei Obrigkeit geschriebene Briefe, die Obere und Richter bey<br />

den Unterthanen der Tyrannei beschuldiget.<br />

5. Ich wiederrufe, ueber dieses, und verdamme diese meine Schluß-Saetze, es seyen keine Zauberer,<br />

welche GOtt absagen, den Teufel verehren, Wetter machen, seelische und andere denselben gleiche<br />

Wercke verrichten, sondern alles dieses seyen Traeume. [...]<br />

7. Es geschehe kein Buendniß zwischen dem Teufel und einem Menschen, koenne auch keines<br />

geschehen [...]<br />

10. Es seye kein Beyschlaff des Teufels mit einem Menschen.<br />

11. Es koennen weder die Teufel, noch die Zauberer, Wetter, Regen, Hagel etc. machen, und es seyn<br />

lauter Traeume, was davon gesagt <strong>wird</strong>. [...]<br />

(zitiert nach Hexen und Hexenprozesse, hg. v. Wolfgang Behringer. München 1988, S. 360–363.)<br />

9


Übergeordnetes Lernziel:<br />

Thema der 2. Unterrichtseinheit:<br />

Ursachen und Ausbreitung der Hexenverfolgungen<br />

<strong>Die</strong> Schülerinnen und Schüler arbeiten heraus, dass eine umfassende Krise zu Beginn der<br />

frühen Neuzeit ein Klima der Angst und Unsicherheit geschaffen hat, in der unter bestimmten<br />

Umständen Personen <strong>als</strong> Hexen stigmatisiert und großer Zahl hingerichtet wurden und<br />

vergleichen den Prozess der Stigmatisierung und Verfolgungen mit ähnlichen Situationen, in<br />

denen eine Gesellschaft „Sündenböcke“ sucht und vernichtet.<br />

Feinlernziele:<br />

<strong>Die</strong> Schülerinnen und Schüler:<br />

1. benennen die Gebiete mit intensiven Hexenverfolgungen in Europa.<br />

2. erarbeiten, dass die verfolgungsintensiven Gebiete im katholischen Westen des Reiches<br />

dicht beieinander sowie im protestantischen Mecklenburg liegen und stellen die besonders<br />

hohe Verfolgungsintensität im Herrschaftsbereich der reichsunmittelbaren Abtei St. Maximin<br />

heraus.<br />

3. untersuchen die zeitgenössischen Kommentare zu den Verfolgungen im Trierer Land,<br />

benennen die in den Quellen genannten Ursachen für die Verfolgungen (Missernten, Hunger,<br />

Teuerung, Unwetter, Bereicherung der Amtspersonen, Unzucht, Armut usw.) und ordnen die<br />

Positionen von Johann Linden und Hermann Weinsberg <strong>als</strong> kritisch ein.<br />

4. ordnen die erarbeiteten Ursachen <strong>als</strong> Symptome von Krisenerscheinungen ein und<br />

erkennen, dass Hexenverfolgungen nur dann zustande kamen, wenn sich<br />

Verfolgungsbereitschaft der Obrigkeit und der Verfolgungswille der Bevölkerung bei<br />

durchaus unterschiedlicher Motivlage trafen.<br />

5. vergleichen den Prozess der Stigmatisierung und Verfolgung von Hexen in einer<br />

Krisensituation mit anderen historischen Situationen, in denen Menschen stigmatisiert und<br />

verfolgt werden (Ketzerverfolgungen, Templer, Judenprogrome, Judenvernichtung in NS-<br />

Zeit, heute: Umgang mit dem Islam).<br />

10


Verlauf<br />

Phase Inhalt Lern-<br />

Einstieg Karte: Ausbreitung der<br />

Hexenverfolgungen in<br />

Europa<br />

Erarbeitung I Statistiken + Karte,<br />

verfolgungsintensive<br />

Gebiete im Westen des<br />

Reiches und in<br />

Erarbeitung<br />

II+ Sicherung<br />

Mecklenburg<br />

Ursachen der Verfolgungen<br />

nach zeitgenössischen<br />

Quellen<br />

Bewertung Parallelen zu<br />

Judenpogromen im MA,<br />

NS-Zeit, heute: Islam?<br />

Karten aus:<br />

ziele<br />

Unter-<br />

richtsform<br />

Medien Zeit<br />

1 f.-e. Folie 5’<br />

2 f.-e., LV Folien 5’<br />

3 StA, f.e. Text,<br />

Tafel<br />

SB<br />

(Diskussion)<br />

Rita Voltmer / Karl Weisenstein, Das Hexenregister des Claudius Musiel. Trier 1996.<br />

Rita Voltmer / Franz Irsigler, <strong>Die</strong> europäischen Hexenverfolgungen in der Frühen Neuzeit –<br />

Vorurteile, Faktoren und Bilanzen. In: Hexenwahn. Ängste der Neuzeit. Berlin 2002, S. 45.<br />

Statistiken aus:<br />

Rita Voltmer: Von Blutdurst und Profitgier. In: Dam<strong>als</strong> 6, 2002, S. 28 und 29 (dort auch ein<br />

Artikel von Rita Voltmer zum berühmten Fall des Doktor <strong>Die</strong>trich Flade).<br />

25’<br />

10’<br />

11


Tafelbild:<br />

wirtschaftliche Krise<br />

Ursachen der Hexenverfolgungen<br />

(„Kleine Eiszeit“, Seuchen Kriege, Armut, Hunger)<br />

religiöse Krise<br />

(Reformation, Gegenreformation, Sozialdisziplinierung)<br />

Glaubenskrise<br />

(Hl. Schrift verliert ihren Rang <strong>als</strong> Deutungsmodell)<br />

Folge: Klima der Angst und Unsicherheit<br />

Auslöser der Verfolgungen:<br />

Verfolgungsbereitschaft der Obrigkeit (Motive: Hexenangst, Schutz der<br />

Untertanen, Bereicherung, landesherrliche Motive)<br />

+<br />

Verfolgungswille der lokalen Bevölkerung (Motive: Hexenangst, Strafe für<br />

angeblichen Schaden, Bereicherung, Stigmatisierung von Außenseitern)<br />

Parallelen?<br />

12


Zeitgenössische Kommentare zu den Trierer Hexenverfolgungen:<br />

Wir haben alhie gründtliches Wissen, das im Bisthumb Trier auff die 300 Personen wegen der Zauberei<br />

verbrändt worden. In ainem Dorff habe man alle weiber verbrändt, Ausgenommen zwei ... Under den gemelten<br />

300 seien viel allte Pfaffenköchinnen gefunden worden. [Sind] auch viel ausgerissen und entlaufen. Das bringt<br />

alles Buhlschaft, Unzucht, Nachgiebigkeitt und die Bitter Armueth diser Armen leuth. Straßburg, 3. September<br />

1589, stylo antiquo.<br />

(aus der so genannten „Fugger-Zeitung“, dem Korrespondenten-Berichten an das Augsburger<br />

Handelshaus Fugger, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 9862)<br />

Aus der Trierer Chronik „Gesta Treverorum“, verfasst vom Domkanoniker Johann Linden:<br />

Dazu musste er (Kurfürst Johann VII. von Schöneberg) in seiner ganzen Regierung den ständigen Mangel an<br />

Brotgetreide, die Unbill der Witterung und den Misswachs auf den Feldern mit seinen Untertanen aushalten.<br />

Denn nur zwei Jahre von den neunzehn waren fruchtbar, die Jahre 1584 und 1590 ... Weil man allgemein<br />

glaubte, dass der durch viele Jahre anhaltende Misswachs durch Hexen und Unholde aus teuflischem Hass<br />

verursacht werde, erhob sich das ganze Land zur Ausrottung der Hexen. <strong>Die</strong>se Bewegung unterstützten viele<br />

Amtspersonen, die sich aus den Verbrennungen dieser Art Gold und Reichtum erhofften. Daher traten in der<br />

ganzen Diözese, in Städten und Dörfern, bei den Gerichtshöfen ausgesuchte Ankläger auf,<br />

Untersuchungsrichter, Gerichtsboten und Schöffen, Richter und Henkersknechte, die Menschen beiderlei<br />

Geschlechts vor Gericht und zum Verhör schleppten und in großer Zahl verbrannten. Kaum einer von denen, die<br />

angeklagt wurden, entging der Hinrichtung. Auch die Vornehmen wurden in der Stadt Trier nicht verschont.<br />

(zitiert nach Hexen und Hexenprozesse, hg. v. Wolfgang Behringer. München 1988, S. 360–363.)<br />

Der Kölner Ratsherr: Konrad Weinsberg:<br />

A[nn]o 1589 den 30. jun[i] wulten etlichen vor gewiss halten, das die hexen oder zeuberschen das ungewitter<br />

verlittene nacht gemacht hetten, dan das gerucht ginge eitz stark, wie der von Schonenberg, churfurst von Treir,<br />

binnen und baussen Treir vil zeuber und zeuberschen, man und frauen, geistlichen und weltlichen, gefangen,<br />

verbrent und ertrenkt hett ... Mich gibt wonder, das im catholischn, hilligen stift von Treir und in andern mehe<br />

orter, so vil boisser weiber sin, warumb dem teufel da mehe von gott gestatt[et] <strong>wird</strong> die zauberei, dan in der<br />

stat Coln. Wer hat ehe gehort, das einig zeuber oder zeuberin in Cöln verurteilt oder verbrent sei.<br />

(Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert. Bd. IV, bearb. von<br />

Friedrich Lau, Bonn 1989, S. 68 f.)<br />

1. Wie groß ist das Ausmaß der Trierer Verfolgungen in den Augen der Zeitgenossen?<br />

2. Welche Gründe für die Verfolgungen werden hier genannt?<br />

3. Kann man vermuten, wie Johann Linden selbst zur Verfolgung der Hexen stand? Welche<br />

Motive unterstellt er den Amtspersonen?<br />

4. Welche Vorstellung über das Delikt der Hexerei <strong>wird</strong> beim Kölner Ratsherren Hermann<br />

Weinsberg deutlich?<br />

16

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