„Was ist der Mensch?“ – Aspekte des biblischen ... - SELK
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Lutherischer Jugendkongress, 16. <strong>–</strong> 18.3.2007: Seelsorge an Jugendlichen 1<br />
Grundlagenreferat:<br />
<strong>„Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>?<strong>“</strong> <strong>–</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>des</strong> <strong>biblischen</strong> <strong>Mensch</strong>enbil<strong>des</strong><br />
1. Einstieg<br />
von Prof. Dr. Achim Behrens<br />
<strong>„Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>?<strong>“</strong> als Einstiegsfrage zu einem Kongress über Seelsorge an<br />
jungen <strong>Mensch</strong>en, das scheint vernünftig. <strong>„Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>?<strong>“</strong> <strong>–</strong> Mal ganz<br />
ehrlich: Woher soll ich das eigentlich wissen?<br />
1.1 Hermeneutik<br />
Die Bibel sagt nicht alles über den <strong>Mensch</strong>en. Es geht immer um die Beziehung<br />
zu Gott (vgl. das Fehlen eines Artikels de homine in den BSLK). Aber dieser<br />
Aspekt wird sonst nicht ins Spiel gebracht. Und die „Frage nach Gott<strong>“</strong> unterscheidet<br />
wohl auch Seelsorge von psychologischer Beratung. Es geht auch nicht<br />
um „den <strong>Mensch</strong>en an sich<strong>“</strong>, son<strong>der</strong>n um dich: Es wird persönlich<br />
1.2 Aspektive<br />
Die Bibel <strong>ist</strong> kein Lehrbuch. Es gibt also auch kein Kapitel „über den <strong>Mensch</strong>en.<strong>“</strong><br />
Die Bibel addiert verschiedene <strong>Aspekte</strong> <strong>des</strong> <strong>Mensch</strong>seins durch verschiedene<br />
Gattungen: Erzählungen; Psalmen; Rechtssätze; Evangelien; Briefe;<br />
Weisheitsschriften... => Wir werden nicht alles und nie das ganze Bild auf einmal<br />
erfassen. Wichtige Einzelteile werden „addiert<strong>“</strong>. Heißt: Auch nach meinem<br />
Vortrag gibt’s noch was zu entdecken.<br />
2. <strong>Aspekte</strong> <strong>des</strong> <strong>Mensch</strong>seins in <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Bibel<br />
2.1 Der <strong>Mensch</strong> als Ebenbild Gottes<br />
Die Schöpfungserzählungen (Gen 1; 2) handeln nicht von Vergangenem, denn<br />
sie sind bis heute nicht erledigt. Daher lohnt ein Blick in diese Texte auch dann,<br />
wenn uns die Naturwissenschaft ein an<strong>der</strong>es Bild von <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Erde<br />
und <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>en zeichnet (und uns das vielleicht sogar einleuchtet). Luther im<br />
Kleinen Katechismus: „Ich glaube, dass mich geschaffen hat samt allen Kreaturen...<strong>“</strong><br />
Was heißt Bild Gottes?<br />
Bild Gottes im Alten Orient und im AT (Labans geklaute Götter). Im Bild <strong>ist</strong> die<br />
Gottheit real präsent. Im AT wird aber dagegen polemisiert, ja im Dekalog werden<br />
Götterbil<strong>der</strong> ausdrücklich verboten. Hier: Ein an<strong>der</strong>es Wort als sonst für<br />
Götterbil<strong>der</strong> verwendet wird: säläm <strong>ist</strong> in Mesopotamien nur <strong>der</strong> König; in <strong>der</strong>
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Bibel aber „<strong>der</strong> <strong>Mensch</strong><strong>“</strong>; männlich und weiblich. Jede Frau und je<strong>der</strong> Mann <strong>ist</strong><br />
„Repräsentant<strong>“</strong> Gottes auf Erden.<br />
Gen 1,27: Gott schuf den <strong>Mensch</strong> als sein Bild<br />
als Bild Gottes schuf er ihn<br />
männlich und weiblich schuf er sie<br />
Sozusagen „heute ein König<strong>“</strong>. Daher folgt Würde und Unverletzlichkeit <strong>des</strong><br />
<strong>Mensch</strong>en (Gen 9,6), aber auch seine Verantwortung gegenüber dem Schöpfer.<br />
Dieses Wesen „<strong>Mensch</strong><strong>“</strong> <strong>ist</strong> von Gott ansprechbar und auf sein Verhältnis zu<br />
Gott hin ansprechbar.<br />
Dies „Repräsentanz<strong>“</strong> Gottes durch den <strong>Mensch</strong>en findet sich ähnlich auch im<br />
Neuen Testament, wenn Jesus seinen Jüngern sagt: <strong>„Was</strong> ihr diesen meinen geringsten<br />
Brü<strong>der</strong>n getan habt, habt ihr mir getan<strong>“</strong> (Mt 25) o<strong>der</strong> „Wer euch hört,<br />
<strong>der</strong> hört mich<strong>“</strong> (Lk 10).<br />
2.1 Der <strong>Mensch</strong> als Sün<strong>der</strong><br />
Wenn das alles so prima <strong>ist</strong>, warum gibt es dann das Böse in <strong>der</strong> Welt? Ein weiterer<br />
Aspekt erweitert das Bild vom <strong>Mensch</strong>en. Dies erzählt die Sündenfallgeschichte<br />
Gen 2-3. Die „paradiesischen Zustände<strong>“</strong> eines unmittelbaren und ungetrübten<br />
Miteinan<strong>der</strong>s zwischen Gott und <strong>Mensch</strong> gehen durch die Schuld <strong>der</strong><br />
<strong>Mensch</strong>en verloren. An Gottes Urteil über Adam, Eva und die Schlange wird<br />
deutlich: Gott macht ein Schuld-Verschiebe-Spiel nicht mit („die Frau war’s<strong>“</strong><br />
o<strong>der</strong> „die Schlange war’s<strong>“</strong> zählt nicht. Alle kriegen ihr Fett). Von nun an leben<br />
wir als <strong>Mensch</strong>en im Zustand <strong>der</strong> Trennung von Gott. Das „erben<strong>“</strong> wir mit unserer<br />
Geburt, es <strong>ist</strong> Teil unseres <strong>Mensch</strong>seins in dieser gefallenen Welt. Daher<br />
kann man auch von „Erbsünde<strong>“</strong> sprechen. Wichtig <strong>ist</strong> dabei, dass es sich zunächst<br />
um eine Zustandsbeschreibung, nicht um eine moralische Wertung handelt.<br />
Wir sind Sün<strong>der</strong>, d.h. zunächst, dass wir Gott nicht mehr paradiesisch morgens<br />
beim Frühstück treffen. Wir haben vielleicht eine dumpfe Ahnung von einem<br />
höheren Wesen, aber wer Gott <strong>ist</strong>, muss uns eigentlich gesagt werden. Und<br />
er hat fremde Seiten!<br />
Aus diesem Zustand folgt aber auch:<br />
- eine gestörte Gottesbeziehung (pesa: Aufruhr gegen Gott)<br />
- ein gestörtes Verhältnis zu den an<strong>der</strong>n<br />
- ein gestörtes Verhältnis zur Umwelt (herrschen wird als Willkürakt missverstanden)<br />
- ein gestörtes Verhältnis zu uns selbst (<strong>der</strong> <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> in sich selbst verkrümmt:<br />
awon; er verfehlt sich: hatah)
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All das führt auch zu „Sünden<strong>“</strong>, zu Schuld im eigentlichen Sinne:<br />
Im Bezug auf Gott kommt dem ersten Gebot zentrale Bedeutung zu. Die <strong>Mensch</strong>en<br />
sind „gottvergessen<strong>“</strong>. Beim Propheten Hosea sagt Gott seinem Volk:<br />
Hos 2,10:<br />
Aber sie [Israel als Frau gedacht] will nicht erkennen, dass ich es bin, <strong>der</strong><br />
ihr Korn, Wein und Öl gegeben hat und viel Silber und Gold, das sie dem<br />
Baal zu Ehren gebraucht haben.<br />
Das hat aber auch Folgen für das Verhalten den Nächsten gegenüber, so beim<br />
Propheten Amos:<br />
Am 5,24<br />
Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie<br />
versiegen<strong>der</strong> Bach.<br />
Wo „Recht und Gerechtigkeit<strong>“</strong> vernachlässigt werden, da wird auch <strong>der</strong> Gottesdienst<br />
schal (vgl. V. 22f.)<br />
Es wird deutlich: Wir <strong>Mensch</strong>en gehören im Gegenüber von Gott und Welt ganz<br />
auf die Seite <strong>der</strong> Welt. Nach biblischem Verständnis <strong>ist</strong> in uns kein göttlicher<br />
Funke, <strong>der</strong> nur zum glühen gebracht werden müsste. Wenn wir uns ganz tief in<br />
uns selbst versenken, dann treffen wir immer nur - uns selbst.<br />
Eigentlich sind wir auf unser Gottesverhältnis ansprechbar, aber die Trennung<br />
(die Sünde) führt dazu, dass wir Gott nicht hören wollen (Schuld sind heute oft<br />
kranke Gottesbil<strong>der</strong>). So schreibt Jesaja über seinen Auftrag:<br />
Jes 6,10:<br />
Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und ihre<br />
Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren<br />
Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.<br />
Augen, Ohren und „Herz<strong>“</strong> sind eigentlich Organe <strong>der</strong> Erkenntnis Gottes, aber<br />
wer Gott nicht hören will (Jes 28), wird eines Tages taub.<br />
Aus dem Sün<strong>der</strong>sein <strong>des</strong> <strong>Mensch</strong>en folgt bereits im AT die Notwendigkeit, dass<br />
Gott eingreift. Nicht wir erlösen uns, son<strong>der</strong>n Gott schafft uns neu.
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Ps 51,12:<br />
Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen<br />
Ge<strong>ist</strong>.<br />
Entscheidend <strong>ist</strong> hier die Vokabel „schaffen<strong>“</strong> (Hebr. bara), die ausschließlich<br />
mit Gott als Subjekt gebraucht wird: Dass wir neu werden, <strong>ist</strong> Initiative Gottes!<br />
Im fünften Buch Mose (Dtn 30,10) o<strong>der</strong> beim Propheten Ezechiel wird <strong>der</strong>selbe<br />
Sachverhalt mit dem Bild eines beschnittenen o<strong>der</strong> neuen Herzens ausgedrückt.<br />
2.3 Der <strong>Mensch</strong> im Streit mit Gott<br />
Erstaunlich <strong>ist</strong> die Offenheit, mit <strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e im Alten Testament <strong>Mensch</strong>en<br />
das Gespräch mit Gott suchen. Das Wissen um das eigene Sün<strong>der</strong>sein<br />
hin<strong>der</strong>t die <strong>Mensch</strong>en nicht daran, Gott geradezu unverschämt in den Ohren zu<br />
liegen:<br />
Abraham schachert mit Gott um die verlorenen Seelen von Sodom (Gen 18).<br />
Hiob:<br />
7,17 Was <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>, dass du ihn groß achtest und dich um ihn bekümmerst?<br />
18 Jeden Morgen suchst du ihn heim und prüfst ihn alle Stunden.<br />
19 Warum blickst du nicht einmal von mir weg und lässt mir keinen Atemzug<br />
Ruhe?<br />
20 Hab ich gesündigt, was tue ich dir damit an, du <strong>Mensch</strong>enhüter? Warum<br />
machst du mich zum Ziel deiner Anläufe, dass ich mir selbst eine Last<br />
bin?<br />
21 Und warum vergibst du mir meine Sünde nicht o<strong>der</strong> lässt meine Schuld<br />
hingehen? Denn nun werde ich mich in die Erde legen, und wenn du mich<br />
suchst, werde ich nicht mehr da sein.<br />
Hiob fühlt sich von Gott ungerecht behandelt und geht mit ihm ins Gericht. Dabei<br />
karikiert er die Psalmensprache. <strong>„Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong><strong>“</strong> (unser Thema) kennt<br />
man aus Ps 8,5 dort soll es darauf hinweisen, wie sehr Gott den <strong>Mensch</strong> als<br />
„Herrscher<strong>“</strong> <strong>der</strong> Welt doch gewürdigt hat. Hier bei Hiob heißt es: Mach dir nicht<br />
so viel Mühe! Deine Aufmerksamkeit <strong>ist</strong> mir lästig! Ähnlich: Warum blickst du<br />
nicht einmal weg von mir? In den Psalmen <strong>ist</strong> es stets ein Grund zur Klage,<br />
wenn Gott das Angesicht von einem wendet (Gottverlassenheit). Vollends aufregend:<br />
Warum vergibst Du mir nicht einfach? Dann wäre das Problem aus <strong>der</strong><br />
Welt! Hier klagt einer nicht über Gott, son<strong>der</strong>n mit Gott <strong>–</strong> ein „himmelweiter<strong>“</strong><br />
Unterschied!<br />
Psalm 6:
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5 Wende dich, Herr, und errette mich, hilf mir um deiner Güte willen!<br />
6 Denn im Tode gedenkt man deiner nicht; wer wird dir bei den Toten<br />
danken?<br />
Der Psalmbeter in diesem „Bußpsalm<strong>“</strong> erpresst Gott: Wenn ich erstmal Tod bin,<br />
wer soll dich dann loben!<br />
„Wende dich<strong>“</strong> <strong>–</strong> wörtlich: Bekehre dich Gott!<br />
Jes 63,15-17:<br />
15 So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen<br />
Wohnung! Wo <strong>ist</strong> nun dein Eifer und deine Macht? Deine große,<br />
herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mich.<br />
16 B<strong>ist</strong> du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts, und Israel<br />
kennt uns nicht. Du, Herr, b<strong>ist</strong> unser Vater;»Unser Erlöser«, das <strong>ist</strong><br />
von alters her dein Name.<br />
17 Warum lässt du uns, Herr, abirren von deinen Wegen und unser Herz<br />
verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte<br />
willen, um <strong>der</strong> Stämme willen, die dein Erbe sind!<br />
„O Heiland reiß den Himmel auf...<strong>“</strong> Das Volk Israel betet wie jemand, <strong>der</strong> bei<br />
nasskaltem Wetter unten auf dem Gehsteig steht, und oben wohnt Gott, <strong>der</strong> gefälligst<br />
mal ein Fenster aufmachen soll. Israel behaftet Gott bei seinem „Job<strong>“</strong><br />
Vater und Erlöser zu sein. Völlig irre: Warum lässt Du uns überhaupt sündigen?<br />
Und wie<strong>der</strong>: Bekehre dich!<br />
Aber es geht nicht darum, Unverschämtheiten gegenüber Gott einzuüben, son<strong>der</strong>n<br />
das alles <strong>ist</strong> eine Einladung zum Vertrauen! So lehrt Jesus im NT noch<br />
einmal deutlich das Vater Sagen. Daraus folgt die vermutlich lebenslange Einübung<br />
in den Satz „dein Wille geschehe!<strong>“</strong><br />
2.4 Der <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> Leib und Ge<strong>ist</strong><br />
Scheinbar ein Nebenaspekt und doch sehr oft vernachlässigt o<strong>der</strong> falsch verstanden:<br />
Der <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> auch Leib! Es geht nicht nur um Glauben o<strong>der</strong> Verstehen,<br />
son<strong>der</strong>n auch um die körperliche Ex<strong>ist</strong>enz. Der Körper <strong>ist</strong> ein Teil von uns, unserer<br />
Persönlichkeit. Nach biblischem Verständnis werden wir nicht reinkarniert,<br />
son<strong>der</strong>n leben jetzt mit Leib und Ge<strong>ist</strong> als unverwechselbare Person. Auch unser<br />
Leib <strong>ist</strong> von Gott geschaffen und gewollt.<br />
Gen 2,18:<br />
Und Gott <strong>der</strong> Herr sprach: Es <strong>ist</strong> nicht gut, dass <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong> allein sei;<br />
ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.
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Der <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> auf Gemeinschaft als Frau und Mann angelegt, auch auf geschlechtliche<br />
Gemeinschaft, wie <strong>der</strong> Ausgangspunkt <strong>der</strong> Story zeigt. Die Frau <strong>ist</strong><br />
übrigens nicht eigentlich „Gehilfin<strong>“</strong>, die Bier und Puschen vor den Fernseher<br />
bringt, son<strong>der</strong>n ein entsprechen<strong>des</strong> Gegenüber (wörtlich). Aus <strong>der</strong> Rippe „gebaut<strong>“</strong>:<br />
Der männliche <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> ausbaufähig!<br />
Koh 9,9:<br />
Genieße das Leben mit deiner Frau, die du lieb hast, solange du das eitle<br />
Leben hast, das dir Gott unter <strong>der</strong> Sonne gegeben hat; denn das <strong>ist</strong> dein<br />
Teil am Leben und bei deiner Mühe, mit <strong>der</strong> du dich mühst unter <strong>der</strong> Sonne.<br />
Gemeinsamer Genuss gehört dazu, wenn er auch nicht alles <strong>ist</strong>. Das Hohelied<br />
Saolomos <strong>ist</strong> eigentlich eine Sammlung erotischer Liebeslie<strong>der</strong>, die die Feude<br />
von Mann und Frau aneinan<strong>der</strong> betonen.<br />
Im NT findet sich bei Paulus:<br />
1. Kor 6:<br />
19 O<strong>der</strong> wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel <strong>des</strong> Heiligen Ge<strong>ist</strong>es<br />
<strong>ist</strong>, <strong>der</strong> in euch <strong>ist</strong> und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch<br />
selbst gehört?<br />
20 Denn ihr seid teuer erkauft; darum pre<strong>ist</strong> Gott mit eurem Leibe.<br />
Und auch dies steht zwar im Kontext einer Mahnung, richtet sich aber gegen<br />
Leute, die meinen, auf den Körper käme es für „ge<strong>ist</strong>liche<strong>“</strong> <strong>Mensch</strong>en nicht an.<br />
Aber auch im Hinblick auf unseren Körper <strong>ist</strong> Verantwortung gefor<strong>der</strong>t.<br />
2.5 Der erlöste <strong>Mensch</strong><br />
Joh 1,14:<br />
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine<br />
Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als <strong>des</strong> eingeborenen Sohnes vom Vater,<br />
voller Gnade und Wahrheit.<br />
Das <strong>ist</strong> die Art und Weise, wie <strong>der</strong> Evangel<strong>ist</strong> Johannes die Weihnachtsgeschichte<br />
erzählt. Allerdings ohne Ochs und Esel, herzliebes Jesulein und Eiapopeia,<br />
son<strong>der</strong>n ziemlich philosophisch. Die Trennung zwischen Gott und uns<br />
<strong>Mensch</strong>en wird also doch noch überwunden, aber an<strong>der</strong>s als gedacht: Nicht wir<br />
erarbeiten uns einen Weg in den Himmel, son<strong>der</strong>n Gott kommt runter <strong>–</strong> in Jesus.<br />
Wenn Johannes hier sagt, das Wort wurde Fleisch, dann <strong>ist</strong> damit noch einmal<br />
auf den Punkt gebracht, dass Gott mit uns kommunizieren will, das macht unser<br />
<strong>Mensch</strong>sein aus. Und dass vom Fleisch die Rede <strong>ist</strong>, heißt, dass Gott ein richti-
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ger <strong>Mensch</strong> wird mit allem, was dazu gehört, auch mit Leid und Tod: Unserem<br />
Gott <strong>ist</strong> nichts <strong>Mensch</strong>liches fremd.<br />
Der <strong>Mensch</strong>werdung und Erlösungstat Gottes entspricht auf unserer Seite das<br />
Vertrauen: Gerechtigkeit (Friede mit Gott) <strong>ist</strong> ein Geschenk (Gen 15,6; Röm<br />
3,28). Das Fundament unseres Daseins liegt außerhalb unserer selbst. Wir können<br />
es nicht selbst legen (schwierig in <strong>der</strong> Le<strong>ist</strong>ungsgesellschaft), aber wir brauchen<br />
es auch nicht selbst zu legen (Kontrapunkt zur Le<strong>ist</strong>ungsgesellschaft). Gottes<br />
Liebe und Anerkennung erarbeiten wir uns nicht, son<strong>der</strong>n sie <strong>ist</strong> immer<br />
schon da. In dieser Liebe <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Schutzraum, dass wir ehrlich gegenüber uns<br />
selbst sind, ohne Masken sein können. Gott spricht uns auf unser Sün<strong>der</strong>sein an,<br />
aber er sagt uns auch Liebe und Vergebung zu.<br />
Wir sind auf Kommunikation mit Gott hin angelegt. Auf unserer Seite kann das<br />
schief gehen, wir können Gott, den an<strong>der</strong>en und uns selbst missverstehen. Aber<br />
Gott gibt das Reden zu uns nicht auf.<br />
2.6 Der Chr<strong>ist</strong> in <strong>der</strong> Welt<br />
Das Leben <strong>der</strong> erlösten Chr<strong>ist</strong>en geht in vielfältiger Weise weiter. Mit dem Johannesevangelium<br />
(Joh 15,19; 17,16) könnte man sagen: Wir sind als Chr<strong>ist</strong>en<br />
in <strong>der</strong> Welt, aber nicht von <strong>der</strong> Welt. Mitten drin und doch frei; denn wir haben<br />
ein Mehr an Leben, Sinn und Hoffnung.<br />
Im Matthäusevangelium sagt Chr<strong>ist</strong>us:<br />
Mt 5:<br />
13 Ihr seid das Salz <strong>der</strong> Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit<br />
soll man salzen? Es <strong>ist</strong> zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet<br />
und lässt es von den Leuten zertreten.<br />
14 Ihr seid das Licht <strong>der</strong> Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge<br />
liegt, nicht verborgen sein.<br />
Das <strong>ist</strong> übrigens zunächst einmal eine Zusage, keine Auffor<strong>der</strong>ung! So sind wir<br />
als Chr<strong>ist</strong>en, aber überfor<strong>der</strong>n soll uns das nicht! Das Neue Testament weiß um<br />
das Scheitern<br />
Röm 7:<br />
19 Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; son<strong>der</strong>n das Böse, das<br />
ich nicht will, das tue ich.<br />
Vermutlich redet Paulus hier von <strong>der</strong> Zeit vor seinem Chr<strong>ist</strong>sein, aber doch haben<br />
sich unzählige Chr<strong>ist</strong>en in diesen Worten wie<strong>der</strong> gefunden. So sagt die lu-
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therische Theologie, <strong>der</strong> Chr<strong>ist</strong> sei gerecht und Sün<strong>der</strong> zugleich: Realismus statt<br />
Überfor<strong>der</strong>ung. Du darfst neu anfangen. Umkehr heißt „die Kurve kriegen<strong>“</strong> (<strong>der</strong><br />
verlorene Sohn).<br />
2.7 Die Hoffnung <strong>der</strong> Glaubenden<br />
Das kann doch nicht alles gewesen sein... (Wolf Biermann). Da kommt noch<br />
was und diese Hoffnung strahlt schon in diese Welt hinein. Der Himmel <strong>ist</strong> offen<br />
und unser Leben dauert länger, als wir zu träumen wagen. Manchmal muss<br />
man den Chr<strong>ist</strong>en sagen: Es gibt ein Leben vor dem Tod. Heute muss man vielleicht<br />
wie<strong>der</strong> mehr darauf hinweisen, dass chr<strong>ist</strong>licher Glaube über dieses Leben<br />
hinauswe<strong>ist</strong>, dass aber die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde<br />
(Jes 65,17; Offb 21,1) bereits in dieses Leben hineinwirkt. Im besten Fall<br />
werden wir gelassener.<br />
3. Zusammenfassung<br />
- Die Bibel spricht nicht vom <strong>Mensch</strong>en „an sich<strong>“</strong> o<strong>der</strong> in je<strong>der</strong> denkbaren<br />
Hinsicht, son<strong>der</strong>n vom <strong>Mensch</strong>en in seinem Verhältnis zu Gott.<br />
- Die Bibel beschreibt dieses Verhältnis nicht als systematische Lehre, son<strong>der</strong>n<br />
addiert unterschiedliche <strong>Aspekte</strong> <strong>des</strong> <strong>Mensch</strong>seins.<br />
- So <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong> Ebenbild Gottes: Frauen und Männer repräsentieren<br />
den Schöpfer in <strong>der</strong> Pflege dieser Welt und in Verantwortung vor Gott. Im<br />
NT: <strong>„Was</strong> ihr diesen getan habt, habt ihr mir getan...<strong>“</strong><br />
- Der <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> Sün<strong>der</strong>, d.h. wir leben im Zustand <strong>der</strong> Trennung von Gott.<br />
Daraus folgt aber auch eine Störung unserer Beziehung zu Gott, zu an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Mensch</strong>en und zu uns selbst. Dies äußert sich in schuldhaftem Verhalten.<br />
- Beson<strong>der</strong>s im AT zeigt sich, dass <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong> eindringlich an Gott appelliert,<br />
ja mit ihm ha<strong>der</strong>t. Wir sind auf Kommunikation mit Gott angelegt.<br />
In <strong>der</strong> Bibel klagen <strong>Mensch</strong>en zu Gott und schimpfen mit Gott, aber nicht<br />
über ihn.<br />
- Der <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong> nicht nur Ge<strong>ist</strong> o<strong>der</strong> Seele, son<strong>der</strong>n auch Leib. Nach biblischem<br />
Zeugnis schenkt und gönnt Gott uns auch die leiblichen Genüsse.<br />
Das führt aber auch zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Körper<br />
und Genussmitteln. Hier sind die Bereiche <strong>der</strong> Sexualität, aber auch alle<br />
Dimensionen <strong>des</strong> Konsumierens betroffen.<br />
- In <strong>der</strong> Sichtweise <strong>der</strong> Bibel sind die <strong>Mensch</strong>en immer als erlöste gedachte.<br />
Die Trennung zwischen Gott und uns soll aufgehoben werden. Sie wird es<br />
dadurch, dass Gott selbst <strong>Mensch</strong> wird. Er legt das Fundament unseres<br />
Daseins neu und lädt uns zum Vertrauen und Glauben ein.<br />
- Dieser Glaube hat Konsequenzen im Alltag. Uns wird gesagt, dass wir<br />
Salz <strong>der</strong> Erde und Licht <strong>der</strong> Welt sind, also in diese Welt hineinwirken,
Lutherischer Jugendkongress, 16. <strong>–</strong> 18.3.2007: Seelsorge an Jugendlichen 9<br />
aber auch, dass wir als Gerechte und Sün<strong>der</strong> zugleich leben. Real<strong>ist</strong>isch<br />
wird uns immer neu die Möglichkeit zur Umkehr (zum „Kurve kriegen<strong>“</strong>)<br />
eröffnet.<br />
- Das Leben als Glauben<strong>der</strong> / als Glaubende <strong>ist</strong> von <strong>der</strong> Bibel nicht ohne<br />
die Hoffnung auf das ewige Leben und einen neuen Himmel und eine<br />
neue Erde zu denken. Das Leben bekommt durch den Glauben eine „vierte<br />
Dimension<strong>“</strong>. Es <strong>ist</strong> auszuloten, inwieweit dies Einfluss auf unser Einstellung<br />
zum Leben und zum Tod hat.