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über Jigoro Kano und das Judo

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Erwin Bälz <strong>und</strong> Nyoiti Sakurazwa (Georges Ohsawa)<br />

<strong>über</strong> <strong>Jigoro</strong> <strong>Kano</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Judo</strong><br />

Um zu verdeutlichen, was JIGORO KANO, der Begründer des <strong>Judo</strong>, unter „<strong>Judo</strong>“ wirk-<br />

lich verstand, bringe ich mehrere Zitate. Zwei von ERWIN BÄLZ, eines von JIGORO<br />

KANO selbst <strong>und</strong> mehrere von GEORGES OHSAWA (NYOITI SAKURAZAWA).<br />

Zuerst <strong>das</strong> Zitat von ERWIN BÄLZ aus seinem Vorwort zum Buch von<br />

JIGORO KANO: „Jiu-Jitsu“.<br />

dieses Vorwort ist zitiert in:<br />

„Erwin Bälz – Das Leben eines deutschen Arztes im erwachenden<br />

Japan“<br />

Tagebücher, Briefe, Berichte<br />

Herausgegeben von TOKU BÄLZ,<br />

Stuttgart 1931, Seite 89-91<br />

Im von TOKU BÄLZ 1931 herausgegebenen Buch, wird JIGORO KANO im Personenver-<br />

zeichnis beschrieben als:<br />

„Direktor der Adelsschule <strong>und</strong> des Erziehungsinstituts, bekannt als bedeutendster<br />

Vorkämpfer <strong>und</strong> Reformer des Jiu-Jitsu.<br />

Er hat für seine Methode ‚Jiu-do’ eine moralische Gr<strong>und</strong>lage geschaffen.“<br />

Zitat von ERWIN BÄLZ aus dem von TOKU BÄLZ 1931 herausgegebenen Buch:<br />

„Aus dem Vorwort zu <strong>Kano</strong>, ,]iu-]itsu’:-.<br />

Im Anfang der modernen Ära, in den siebziger Jahren des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />

machte Japan eine sonderbare Periode der Verachtung alles<br />

Einheimischen <strong>und</strong> Eigenen durch.<br />

Die eigene Geschichte, die eigene Religion, die eigene Kunst erschienen<br />

nicht der Rede wert, ja man schämte sich ihrer.<br />

Alle körperlichen Übungen, Schwertfechten, Jiu-Jitsu wurden in den Bann<br />

getan.<br />

Die damals junge Generation <strong>und</strong> auch ihre Lehrer hatten für nichts Sinn<br />

als ausschließlich für Lernen, Lernen, nämlich der europäischen Wissenschaft.<br />

Die Studenten an der Kaiserlichen Universität waren schlecht genährte,<br />

<strong>über</strong>anstrengte Jungen, die oft buchstäblich ganze Nächte durcharbeiteten<br />

<strong>und</strong> sich keinerlei körperliche Ruhe oder Übung gönnten, so <strong>das</strong>s sie<br />

oft vor den Prüfungen zusammenbrachen oder gar Todesfälle eintraten.<br />

Im versuchte damals alles, um darin Wandel zu schaffen.


2<br />

Aber meine Bemühungen bei den Behörden um Errichtung einer Turnhalle<br />

<strong>und</strong> eines Turnplatzes waren vergeblich.<br />

Da ich in dem altjapanischen Schwertfechten, dem Ken-jitsu, eine sehr<br />

gute gymnastische Methode erkannte, so empfahl ich dieses, aber es<br />

wurde als roh, <strong>und</strong> da man gelegentlich einen schmerzhaften Hieb auf den<br />

Kopf bekam, als gefährlich zurückgewiesen, da man dadurch verdummen<br />

könne.<br />

Erst als ich, um diese Vorurteile zu entwaffnen, selbst bei dem berühmtesten<br />

Fechtlehrer, SAKAKIBARA, Unterricht nahm, <strong>und</strong> als dies in den Zeitungen<br />

bekannt wurde, erwachte <strong>das</strong> Interesse für <strong>das</strong> alte Fechten wieder.<br />

Denn, wenn ein Fremder <strong>und</strong> noch dazu der Professor der Medizin an der<br />

damals einzigen Universität des Landes ein Jünger dieser Kunst wurde,<br />

so konnte sie weder in den Augen des Westens barbarisch noch ges<strong>und</strong>heitsgefährlich<br />

sein.<br />

Um diese Zeit war es auch, <strong>das</strong>s ich zuerst die Bekanntschaft mit Jiu-Jitsu<br />

machte.<br />

Es war bei einem Besuch in der Provinzhauptstadt TSHIBA.<br />

Als beim Gouverneur die Rede auf die moderne Erziehung kam, klagte ich<br />

<strong>über</strong> den Mangel an Interesse für jeden Sport unter der schwächlichen<br />

Jugend der höheren Stände.<br />

Der Gouverneur war ganz meiner Ansicht, <strong>und</strong> er bedauerte namentlich,<br />

<strong>das</strong>s eine ausgezeichnete, früher in Japan vielgeübte Kunst, nämlich Jiu-<br />

Jitsu, so ganz außer Gebrauch gekommen sei.<br />

Es werde eigentlich nur noch in seiner Stadt gepflegt, wo ein alter Lehrer,<br />

TOTSUKA, seine Polizisten darin unterrichte, die ganz Erstaunliches leisteten,<br />

<strong>und</strong> bei Verhaftung von Verbrechern den größten Vorteil davon hätten.<br />

Er veranstaltete am nächsten Tag eine große Vorstellung, wobei der <strong>über</strong><br />

siebzigjährige TOTSUKA zuerst die Prinzipien von Jiu-Jitsu auseinander<br />

setzte <strong>und</strong> die einzelnen Griffe vormachte.<br />

Ich sah Dutzende von Wettkämpfen, <strong>und</strong> die Leistungen waren so erstaunlich<br />

<strong>und</strong> es wurden scheinbar so halsbrecherische Griffe <strong>und</strong> Bewegungen<br />

<strong>und</strong> Würfe ohne den geringsten Schaden für die Kämpfenden<br />

ausgeführt, <strong>das</strong>s ich mir sagte, hier sei eine ideale Form der Gymnastik<br />

für meine Studenten.<br />

Aber wieder hatte ich in TOKYO kein Glück.<br />

Der Direktor der Medizinschule <strong>und</strong> die anderen Herren an der Universität<br />

<strong>und</strong> im Unterrichtsministerium wollten von meinem Vorschlag, die Jiu-<br />

Jitsu-Leute von TSHIBA zu einer Vorstellung nach TOKYO zu rufen, nichts<br />

wissen.<br />

Die Studenten, meinten sie, seien zur geistigen Arbeit da.<br />

Eine Kunst, die in früherer Zeit, wo man sich gegen Bewaffnete zu schützen<br />

hatte, berechtigt war, habe jetzt keinen Zweck mehr.<br />

Auch meine Bemerkung, <strong>das</strong>s es sich ja nur um die gymnastische Seite<br />

der Sache handle, fruchtete nichts.<br />

Da wollte ich gleich wie beim Fechten auch <strong>das</strong> Jiu-Jitsu selbst vordemonstrieren.<br />

Aber leider fand sich kein Lehrer zum Unterricht bereit, denn man fürchtete,<br />

ich könnte mich mit meinen dreißig Jahren ernstlich verletzen, da man<br />

schon im Knabenalter mit Jiu-Jitsu beginnen müsste.


3<br />

Aber inzwischen hatten doch auch einige aktive <strong>und</strong> frühere Studenten<br />

der Universität Jiu-Jitsu aufgenommen, <strong>und</strong> namentlich der junge Gelehrte<br />

KANO, der <strong>das</strong> Jiu-Jitsu weiter entwickelt hat <strong>und</strong> dem vor allem seine Popularisierung<br />

zu verdanken ist, wurde sein eifrigster Apostel.<br />

Als auch er <strong>und</strong> seine Kameraden baten, <strong>das</strong>s die Universität die Jiu-<br />

Jitsu-Kämpfer aus TSHIBA kommen lassen möge, wurde endlich willfahren<br />

<strong>und</strong> es fand ein großer Wettkampf in der Aula der Universität statt.<br />

Dabei zeigte sich freilich auch, wie viel Übung die Erlernung der Kunst erforderte.<br />

Denn von all den jungen Männern in TOKYO war keiner, selbst KANO nicht,<br />

der als Gegner für irgendeinen der Polizeioffiziere in Frage kam.<br />

Tags darauf kam der alte TOTSUKA mit seinem besten Schüler SATO zu<br />

mir, um mir für meine Bemühungen zu danken.<br />

Ich sehe ihn noch heute vor mir, den ehrwürdigen Greis, wie er mit Tränen<br />

der Freude <strong>und</strong> Rührung in den Augen vor mir stand <strong>und</strong> mich um mein<br />

Bild bat, <strong>das</strong> er bis ans Ende feines Lebens verehren werde.<br />

Es sei zwar beschämend für ihn als JAPANER, <strong>das</strong>s ein Ausländer seinen<br />

Landsleuten habe sagen müssen, was sie an Jiu-Jitsu haben, aber er wisse<br />

doch jetzt, <strong>das</strong>s seine geliebte Kunst wieder zu Ehren kommen werde,<br />

<strong>und</strong> so könne er in Frieden in die Grube steigen.“<br />

In der „Kölnischen Zeitung“, Jg. 1904, Nr. 959, 964, 968 schrieb ERWIN BÄLZ in sei-<br />

nem Beitrag „Über den kriegerischen Geist <strong>und</strong> die Todesverachtung der Japa-<br />

ner“ rückblickend. Dieser Artikel ist auch publiziert in:<br />

ERWIN BÄLZ<br />

„Über die Todesverachtung der Japaner“<br />

Tagebücher, Briefe, Berichte<br />

Herausgegeben von ERWIN TOKU BÄLZ,<br />

Stuttgart 1936, Seite 18-72<br />

„Zunächst ist zu bemerken, <strong>das</strong>s die Japaner nicht mehr dieselben<br />

schwächlichen Gestalten sind wie vor zwanzig Jahren.<br />

Damals, unter dem hypnotisierenden Einfluss der durch ihre äußerlichen<br />

mechanischen Mittel imponierenden westlichen Kultur hatte sich eine<br />

wahre Lernwut der Jugend bemächtigt.<br />

Man wollte <strong>das</strong> herrliche Wissen des Westens sich zu eigen machen <strong>und</strong><br />

vernachlässigte dar<strong>über</strong> die Ausbildung des Körpers.<br />

Manche arbeiteten buchstäblich ganze Nächte hindurch, <strong>und</strong> es kam an<br />

der Universität vor, <strong>das</strong>s fremde Professoren ihre vor dem Staatsexamen<br />

stehenden Studenten vor allzu großem Fleiß warnen mussten, weil in jedem<br />

Jahr während oder nach der Prüfung eine ganze Anzahl junger Männer<br />

zusammenbrach oder der Schwindsucht verfiel.<br />

Jetzt ist <strong>das</strong> anders.<br />

Jetzt ist Sport in allen Formen Mode:<br />

Rudern, Fahren, Rennen, Fußball, Baseball, Fechten, <strong>und</strong> – Jujitsu, ein<br />

vorzügliches eigentümliches System des Ringens.


4<br />

Und in den Kadettenschulen wird natürlich besonderer Wert auf Kräftigung<br />

gelegt.<br />

Die Folge ist, <strong>das</strong>s die Jugend jetzt weit kräftiger ist als früher.“ (Seite 20-<br />

21)<br />

Wenn wir heute in Europa von "<strong>Judo</strong>" reden, so meinen wir mit unserem von den o-<br />

lympischen Spielen der Neuzeit geprägten Bewusstsein mit „<strong>Judo</strong>“ <strong>das</strong> System der<br />

sportlichen Kampftechniken.<br />

Dies ist aber gar nicht <strong>das</strong>, was der Begründer des <strong>Judo</strong> mit "<strong>Judo</strong>" bezeichnet hat!<br />

JIGORO KANO<br />

schrieb selbst in seinem Aufsatz:<br />

„Der Beitrag des <strong>Judo</strong> zur Erziehung“<br />

Vgl. „Budo-ABC“79/80 zitiert <strong>und</strong> kommentiert in HORST TIWALD “Psychotraining im<br />

Kampf <strong>und</strong> Budo-Sport“, Ahrensburg 1981, S. 74-75, ISBN 3-88020-080-7<br />

"Ich nannte den Gegenstand, den ich lehrte, ‚<strong>Judo</strong>’ statt ‚Jiu-Jitsu’. ...<br />

‚Jiu’ bedeutet sanft oder nachgeben, ‚Jitsu’ Kunst oder Kunstgriff; <strong>und</strong> ‚do’<br />

Weg oder Gr<strong>und</strong>satz;<br />

so bedeutet ‚Jiu-Jitsu’, eine Kunst erst nachzugeben, um schließlich den<br />

Sieg zu erringen; während <strong>Judo</strong> bedeutet den Weg oder Gr<strong>und</strong>satz derselben....<br />

Aber, genau gesprochen, <strong>das</strong> wirkliche Jiu-Jitsu ist etwas mehr.<br />

Die Wege, den Sieg <strong>über</strong> einen Gegner durch Jiu-Jitsu zu erringen sind<br />

nicht darauf beschränkt, den Sieg durch Nachgeben zu erringen. ...<br />

Wenn also der Gr<strong>und</strong>satz des Nachgebens nicht alle Kräfte des Jiu-Jitsu-<br />

Kampfes erklären kann, gibt es dann <strong>über</strong>haupt einen Gr<strong>und</strong>satz, der<br />

wirklich <strong>das</strong> ganze Feld deckt?<br />

Ja, den gibt es, <strong>das</strong> ist der Gr<strong>und</strong>satz des möglichst wirksamen<br />

Gebrauchs von Geist <strong>und</strong> Körper, <strong>und</strong> Jiu-Jitsu ist nichts anderes als die<br />

Anwendung dieses alldurchdringenden Gr<strong>und</strong>satzes anzugreifen <strong>und</strong> zu<br />

verteidigen.<br />

Kann dieser Gr<strong>und</strong>satz auch auf anderen Gebieten menschlichen Wirkens<br />

angewandt werden?<br />

Ja, denselben Gr<strong>und</strong>satz kann man anwenden zur Vervollkommnung des<br />

menschlichen Körpers, um ihn kräftig, ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> nützlich zu machen,<br />

hiernach zu handeln bedeutet die körperliche Erziehung.<br />

Er kann auch angewandt werden zur Vervollkommnung der intellektuellen<br />

<strong>und</strong> moralischen Kraft <strong>und</strong> bedeutet dann die geistige <strong>und</strong> moralische Erziehung.<br />

Er kann ebenso angewandt werden zur Vervollkommnung von Kost, Kleidung,<br />

Wohnung, gesellschaftlichen Verkehr <strong>und</strong> Geschäftsgebaren <strong>und</strong><br />

bedeutet Studium <strong>und</strong> Übung des Weges des Lebens.<br />

Ich gab diesen alles durchdringenden Gr<strong>und</strong>satz den Namen ‚<strong>Judo</strong>’.<br />

So ist <strong>Judo</strong> in weitem Sinne ein Studium <strong>und</strong> eine Übungsmethode für<br />

Geist <strong>und</strong> Körper wie auch für die Vorschriften des Lebens <strong>und</strong> Geschäfts.


5<br />

Daher kann <strong>Judo</strong> in einer von diesen Formen studiert <strong>und</strong> geübt werden ...<br />

...ich kam zu der Einsicht, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Studium dieses alldurchdringenden<br />

Gr<strong>und</strong>satzes wichtiger ist als <strong>das</strong> bloße Üben des Jiu-Jitsu, weil <strong>das</strong> richtige<br />

Verstehen dieses Gr<strong>und</strong>satzes uns nicht nur befähigt, ihn in allen Lebenslagen<br />

anzuwenden, sondern auch große Dienste leistet beim Studium<br />

der Kunst des Jiu-Jitsu.<br />

Man kann diesen Gr<strong>und</strong>satz nicht nur so fassen, wie ich es tat.<br />

Man kann zu demselben Schluss kommen durch philosophische Betrachtungen<br />

der täglichen Geschehnisse oder durch abstrakte philosophische<br />

Ergründung.<br />

Aber als ich anfing zu lehren, hielt ich es für ratsam, demselben Verlauf zu<br />

folgen, den ich beim Studium dieser Sache nahm, denn dadurch konnte<br />

ich den Körper meiner Schüler ges<strong>und</strong>, kräftig <strong>und</strong> nützlich machen.<br />

Gleichzeitig konnte ich ihnen helfen, diesen <strong>über</strong>aus wichtigen Gr<strong>und</strong>satz<br />

zu begreifen.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> begann ich die Unterweisung im <strong>Judo</strong> mit Übungen in<br />

Randori <strong>und</strong> Kata".<br />

In den Worten von JIGORO KANO wird deutlich, <strong>das</strong>s "<strong>Judo</strong>" eigentlich nicht die Sport-<br />

art, sondern ein ihr zugr<strong>und</strong>eliegendes Prinzip bedeutet, <strong>das</strong> sowohl in anderen<br />

Sportarten, als auch <strong>über</strong>haupt im täglichen Leben wirksam <strong>und</strong> auch dort trainiert<br />

werden kann. Im Sinne von KANO könnte man auch von „Gymnastik-<strong>Judo</strong>“, „Ernäh-<br />

rungs-<strong>Judo</strong>“ usw. sprechen.<br />

KANO gab seinem System daher den Namen "Kodokan-<strong>Judo</strong>", als einem <strong>Judo</strong>, <strong>das</strong><br />

mit den im Kodokan ausgeführten Techniken angewandt wird.<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz "<strong>Judo</strong>" wird also hier beim Ausüben der Kodokan-Techniken ange-<br />

wandt. "Kodokan" bedeutet in der Wortverbindung "Kodokan-<strong>Judo</strong>" die "Kunst", <strong>das</strong><br />

„System der Techniken ," während „<strong>Judo</strong> den Weg oder Gr<strong>und</strong>satz derselben" be-<br />

deutet.<br />

Bezogen auf <strong>das</strong> "<strong>Judo</strong>" ist <strong>das</strong> wirkliche "Kodokan-<strong>Judo</strong>" etwas mehr, nämlich nicht<br />

nur der Gr<strong>und</strong>satz, sondern auch die wirkliche Bewegung, die Bewegungskunst, ge-<br />

nau so, wie KANO sagt: "Aber genau gesprochen, <strong>das</strong> wirkliche Jiu-Jitsu ist etwas<br />

mehr" als <strong>das</strong> <strong>Judo</strong>, <strong>das</strong> "nur" Weg oder Gr<strong>und</strong>satz "des wirksamen Gebrauchs von<br />

Geist <strong>und</strong> Körper" bezeichnet.<br />

Kodokan-<strong>Judo</strong> ist eine von vielen Möglichkeiten der "Anwendung dieses alldurch-<br />

dringenden Gr<strong>und</strong>satzes anzugreifen <strong>und</strong> zu verteidigen".<br />

Wenn die Sportart "<strong>Judo</strong>" nach diesem Prinzip betrieben wird, dann ist sie daher<br />

auch eine Übung für <strong>das</strong> praktische Leben.


„Wird sie aber bei uns auch nach diesem Prinzip geübt?“<br />

6<br />

Diese Frage stellt sich heute nicht nur an <strong>das</strong> im Westen betriebene <strong>Judo</strong>, sondern<br />

auch an <strong>das</strong>, was heute in Japan „trainiert“ wird.<br />

Hierzu einige Zitate aus dem Buch:<br />

GORGES OHSAWA<br />

„Das Buch vom <strong>Judo</strong>“<br />

MAHAJIVA VERLAG, WOLFGANG CHRISTALLE<br />

D-4419 Holthausen/ü. Münster<br />

ISBN 3-924845-12-3<br />

GEORGES OHSAWA (NYOITI SAKURAZAWA) schreibt in einem 1952 in Paris erschienenen<br />

Buch <strong>über</strong> KANO 1 :<br />

„Meister KANO wurde in MIKAGE nahe KOBE am 28. Oktober 1860 in einer<br />

sehr traditionellen, aber nicht sehr reichen Familie geboren (er lebte bis<br />

1938).<br />

In seiner Kindheit war er klein <strong>und</strong> recht anfällig.<br />

Er war der dritte Sohn. 1881 beendete er sein Studium an der UNIVERSITÄT<br />

TOKIO <strong>und</strong> gründete im Jahre 1882 <strong>das</strong> Kodokan (Haus für die Erforschung<br />

des ‚Tao’ oder ‚Do’).<br />

Bereits während seiner Studentenzeit suchte er nach der Kunst, nicht besiegt<br />

zu werden von jemandem, der größer <strong>und</strong> stärker als er selbst war.<br />

KANO wurde mitten in ein vollständig erschüttertes JAPAN hineingeboren;<br />

eine solche Unordnung gab es zum ersten Mal in der Geschichte JAPANS;<br />

es glich ein wenig dem Frankreich des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts. Es war nur acht<br />

Monate nach der Ermordung von KAMON-LI, dem Regierungschef von<br />

TOKUGAWA, der die Tore JAPANS öffnete, die der SHOGUN VON TOKUGAWA<br />

300 Jahre zuvor verschlossen hatte.<br />

KAMON-LI hatte alle Schwierigkeiten <strong>und</strong> alle Widersacher <strong>über</strong>w<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> hernach alle jungen ideologischen, kaisertreuen ‚Leaders’ getötet, die<br />

sich der Regierung von TOKUGAWA widersetzt hatten.<br />

KANO war sieben Jahre alt, als die große MEIJI-REFORM unter dem Druck<br />

der fremden Mächte, nämlich ENGLANDS, FRANKREICHS, RUSSLANDS, der<br />

USA u.a., die in Konkurrenz bei der Kolonisierung der pazifischen Region<br />

standen, vollendet war.<br />

Im Jahre 1871 (KANO war zehn Jahre alt) wurden alle Daimyo <strong>und</strong> ihre<br />

Territorien abgeschafft.<br />

Die Samurai wurden alle ihrer Herren beraubt.<br />

Alle Samurai einschließlich aller Meister der <strong>Judo</strong>-Schulen mussten nach<br />

neuen Betätigungsfeldern suchen; viele gingen in den Freitod, mehr als<br />

h<strong>und</strong>ert Schulen des <strong>Judo</strong> in TOKIO wurden geschlossen.<br />

KANO durchlebte nun die ganze Katastrophe einer Zivilisation, die so friedliebend<br />

<strong>und</strong> so feinfühlig gewesen war.<br />

Er wollte <strong>das</strong> <strong>Judo</strong> retten, durch welches er sich stark zu machen trachtete.<br />

1 GEORGES OHSAWA: „Das Buch vom <strong>Judo</strong>“ Holthausen/ü. Münster 1988. VERLAG<br />

MAHAJIVA. ISBN 3-924845-12-3. Die am Ende der Zitate in Klammer gesetzten Zahlen<br />

geben die Seiten in diesem Buch an, denen <strong>das</strong> Zitat entnommen ist.


7<br />

Er suchte <strong>über</strong>all nach Meistern des <strong>Judo</strong>, die im Begriff zu verschwinden<br />

waren... .<br />

Er studierte alle Schulen des <strong>Judo</strong>, die er fand.<br />

Endlich gründete er die erste einigende Schule des <strong>Judo</strong> - mit einem einzigen<br />

Schüler, TOMITA, damals 17 Jahre alt (1882), der später den 10.<br />

Grad erreichte.<br />

Im ersten Anlauf konnte er keine zahlenden Anwärter finden.<br />

Es war KANO, der sämtliche Kosten des Dojo bestritt:<br />

Er setzte sein ganzes Gehalt ein, <strong>das</strong> er als Professor an der UNIVERSITÄT<br />

TOKIO <strong>und</strong> an der Schule für Adlige erhalten hatte, <strong>und</strong> es war TOMITA, der<br />

jahrelang die Wäsche der <strong>Judo</strong>-Schüler wusch.<br />

Das reichte jedoch nicht aus.<br />

KANO musste <strong>das</strong> Geld durch Übersetzung von Büchern <strong>und</strong> Dokumenten<br />

für den Erziehungsminister verdienen.<br />

Eine neue Schule aufzubauen war nicht leicht.<br />

Doch glücklicherweise besiegte JAPAN 1895 CHINA, zu dem Zeitpunkt, als<br />

LAFCADIO HEARN in BOSTON ein Buch veröffentlichte, in dem er <strong>Judo</strong> erstmalig<br />

im Abendland bekannt machte.<br />

Seitdem verbreitete sich der Begriff <strong>Judo</strong> in der ganzen Welt.<br />

Im Jahre 1901 kamen mehrere bedeutende, englische Besucher <strong>und</strong><br />

sechzig Angehörige der englischen Marine zum KODOKAN.<br />

1902 schickte KANO einen seiner jungen Schüler namens YAMASITA in die<br />

VEREINIGTEN STAATEN, der dort durch PRÄSIDENT T. ROOSEVELT viel Unterstützung<br />

erfuhr.<br />

Danach fand der russisch-japanische Krieg statt, in dem alle diejenigen,<br />

die <strong>Judo</strong> beherrschten, eine außerordentlich wichtige Rolle spielten.<br />

Der siegreiche Ausgang des Krieges (dank der finanziellen Unterstützung<br />

von JACOB SCHIFF) verdoppelte den Ruhm vom <strong>Judo</strong>.<br />

Der Weg des Meisters des KODOKAN ist von Anfang an ganz geradlinig<br />

gewesen, bis hin zu seinem Tode auf dem Pazifischen Ozean am 4. Mai<br />

1938, auf dem Rückweg von KAIRO (Konferenz <strong>über</strong> die OLYMPISCHEN<br />

SPIELE) in die VEREINIGTEN STAATEN, im Alter von 78 Jahren.<br />

Es ist selten, <strong>das</strong>s ein Pionier wie er ein so langes <strong>und</strong> glückliches Leben<br />

führt.<br />

Die Devise seiner Schule lautet:<br />

Die beste Ausnutzung der physischen <strong>und</strong> geistigen Kräfte.<br />

Hier die fünf Punkte KANOs für den idealen Menschen:<br />

1. Der Mensch mit guter Ges<strong>und</strong>heit.<br />

2. Der gerechte Mensch.<br />

3. Der für die Gesellschaft nützliche Mensch.<br />

4. Der Mensch des Willens <strong>und</strong> der Tapferkeit.<br />

5. Der fleißig arbeitende <strong>und</strong> studierende Mensch.<br />

Der wichtigste Punkt, worauf er den größten Wert legte, war die spirituelle<br />

(geistige) Kultur.<br />

Er sah im <strong>Judo</strong> ein Mittel, diese spirituelle Kultur zu erreichen.<br />

Hier liegt der größte Unterschied zwischen <strong>Judo</strong> <strong>und</strong> den anderen gymnastischen<br />

<strong>und</strong> körperlichen Sportarten.“ ( 41-42)<br />

„Das Ziel des <strong>Judo</strong> <strong>und</strong> der Strategie ist es nicht, den Feind durch Gewalt<br />

zu töten, zu vernichten oder auszurotten.


8<br />

Es geht vielmehr darum, den Feind aufzulösen <strong>und</strong> wiederaufzubauen, indem<br />

man ihm alles gibt, was er verstehen will, <strong>und</strong> ihn danach <strong>und</strong> für<br />

immer zu einem guten Fre<strong>und</strong> zu machen, durch eine geeignete Kunst,<br />

einen physiologischen <strong>und</strong> philosophischen Vorgang im Menschen.<br />

Zum ersten Mal in der Geschichte JAPANS verkündete um <strong>das</strong> Jahr 1642<br />

eine <strong>Judo</strong>-Schule ihre Eröffnung.<br />

Ein Samurai namens JUSIN SEKIGUTI begründete diese Schule.<br />

Er selbst war ein Schüler des YAGYU, eines großen Meisters der Fechtkunst,<br />

<strong>und</strong> des TAKUAN, eines buddhistischen Philosophen.<br />

Korrekt ausgedrückt, es handelte sich um Jiu-Jitsu, eine Kunst, die sich in<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten entwickelte.<br />

Gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts stand diese Kunst in voller Blüte.<br />

Es gab H<strong>und</strong>erte von Jiu-Jitsu-Schulen.<br />

Dann kam die MEIJI-REFORM:<br />

Das Ende der Feudalherrschaft, alle Institutionen wurden völlig umgekrempelt.<br />

Alle Samurai wurden aus ihrer Position verdrängt <strong>und</strong> verloren ihre<br />

Lehnsherren.<br />

Die althergebrachten Waffen wurden durch neue, abendländische ersetzt,<br />

<strong>und</strong> zwar durch Feuerwaffen, die alle Samurai zutiefst verachteten.<br />

Alle Meister des <strong>Judo</strong> <strong>und</strong> der Fechtkunst waren ihre Schüler los.<br />

Es war im Jahre 1882, da gründete KANO, damals Professor für ethische<br />

<strong>und</strong> politische Philosophie an der UNIVERSITÄT TOKIO, wieder die erste <strong>Judo</strong>-Schule:<br />

Kodokan (die Schule des Tao oder des Prinzips der Philosophie <strong>und</strong> der<br />

Wissenschaft des Fernen Ostens), indem er alle sterbenden oder toten<br />

<strong>Judo</strong>-Schulen einigte <strong>und</strong> alle bedeutenden Meister um sich sammelte.<br />

Im Alter von 70 Jahren entdeckte KANO eine ganz <strong>und</strong> gar unbekannte<br />

Schule: Die Schule des <strong>Judo</strong>-Aiki, die von dem großen Meister UESIBA begründet<br />

worden war.<br />

<strong>Judo</strong>-Aiki war <strong>das</strong> am meisten perfektionierte <strong>Judo</strong>. <strong>Kano</strong> wollte es auf der<br />

Stelle lernen. Doch er war zu alt <strong>und</strong> zu sehr belastet mit schweren Aufgaben.<br />

Deshalb schickte er einen seiner besten Schüler, MINOL MOTIDUKI,<br />

in die Schule von Meister UESIBA. Dieser blieb dort 20 Jahre <strong>und</strong> wurde zu<br />

einem der zwei besten Schüler des Meisters - er errang den 8. Grad.<br />

Neben Jiu-Jitsu gibt es noch eine weitere Schule: Nin-Jitsu (die Kunst, alle<br />

Schmerzen zu ertragen), deren Anfänge ebenso weit zurückliegen wie die<br />

des Jiu-Jitsu.<br />

Es ist eine Kunst, eine 100% passive Kunst, alle Arten von Schmerz <strong>und</strong><br />

jegliche Schwierigkeiten zu erdulden.<br />

Es ist eine Kunst, zu 100% Freiheit zu bewahren.<br />

Es ist ein Ultra-Gandhismus.<br />

Fasten, den Schmerz der Peitsche ertragen, von h<strong>und</strong>ert 20 Zentimeter<br />

langen Nadeln durchstochen werden<br />

... . Es erinnert sehr an die Schule der indischen Yogis.<br />

Hier liegt <strong>das</strong>selbe Prinzip wie beim <strong>Judo</strong> zugr<strong>und</strong>e, vom physiologischen<br />

<strong>und</strong> philosophischen Aspekt aus betrachtet.<br />

Doch dies ist nicht der Ort, <strong>das</strong> zu vertiefen.


9<br />

Meine Geschichte vom <strong>Judo</strong> ist vor allem philosophisch, physiologisch<br />

<strong>und</strong> biologisch.<br />

Resümee:<br />

<strong>Judo</strong> hat denselben Ursprung wie alle anderen Künste des Kampfes <strong>und</strong><br />

der Verteidigung in der ganzen Welt.<br />

<strong>Judo</strong> entwickelte sich den langen Weg von der Gerechtigkeit hin zum<br />

Frieden für immer 2 . ....<br />

<strong>Judo</strong> ist noch viel mehr als eine Kunst.<br />

Es ist auch eine Medizin; es ist eine gymnastische <strong>und</strong> philosophische Religion.<br />

Oder ein religiöser Sport.<br />

Es ist eine praktische Philosophie, eine praktische Dialektik.<br />

Es ist eine körperliche Wiedergabe des Einzigen Prinzips 3 des Fernen Ostens,<br />

der Ordnung des Universums.<br />

Davon können Sie sich bei jedem großen Meister des <strong>Judo</strong> ebenso wie<br />

bei allen großen Meistern aller Schulen des "Do" <strong>über</strong>zeugen.“ (36-38)<br />

„<strong>Judo</strong>, <strong>das</strong> ist keineswegs ein Kampfsport, auch nicht eine Kunst des Angreifens<br />

oder der Verteidigung; ferner dient es nicht dazu, jemanden mit<br />

Gewalt zu bezwingen oder zu töten wie beim Box- oder Ringkampf oder<br />

der Kunst, sich mit Hilfe von Waffen zu verteidigen oder anzugreifen.<br />

Es ist auch kein Sport, der auf der Überlegenheit der Muskeln, des Körpergewichtes<br />

oder Geschicklichkeiten - wie Schwimmen, Tauchen oder<br />

Skilaufen - beruht.<br />

Es ist die Überlegenheit eines Fisches oder Vogels. <strong>Judo</strong>, <strong>das</strong> ist eine Methode<br />

zur Vervollkommnung der freien <strong>und</strong> glücklichen Persönlichkeit eines<br />

jeden Menschen. <strong>Judo</strong> lehrt uns die rechte Art zu leben:<br />

(1) Achtung haben vor jedermann, insbesondere vor denjenigen, die<br />

uns mit Gewalt oder anderen Mitteln angreifen; diese nämlich erteilen<br />

uns die praktischen Lektionen <strong>und</strong> lassen uns unsere Fehler<br />

<strong>und</strong> unsere Mängel erkennen.<br />

(2) Die Überlegenheit von Sanftmütigkeit <strong>und</strong> Stille verwirklichen, die<br />

beide die tiefe Festigkeit von Konstitution <strong>und</strong> Persönlichkeit bedecken.<br />

(3) Anpassungsfähigkeit, Intuition, Instinkt <strong>und</strong> Willen entwickeln<br />

lassen, mittels rascher, zweckdienlicher Bewegungen,<br />

die Urteilsvermögen, Vernunft <strong>und</strong> umgehendes Handeln<br />

notwendig machen.<br />

(4) Schließlich <strong>das</strong> Verständnis der Welt <strong>und</strong> des Universums, der<br />

Ordnung des Universums sowie der dialektischen Struktur des<br />

Universums entwickeln <strong>und</strong> vertiefen - die Basis für die Strategie<br />

des Friedens mit dem Ziel, die Gesellschaft eines freien Volkes zu<br />

begründen.<br />

2 Vgl. GEORGES OHSAWA (NYOITI SAKURAZAWA) „Die fernöstliche Philosophie im nuklearen<br />

Zeitalter Hat die Menschheit eine Chance?“ Hamburg 1962, VERLAG FRANZ<br />

THIELE.<br />

3 Vgl. GEORGES OHSAWA „Das Einzige Prinzip der Philosophie <strong>und</strong> der Wissenschaft<br />

des Fernen Ostens.“ Holthausen/ü. Münster 1990. VERLAG MAHAJIVA. ISBN 3-<br />

924845-23-9.


10<br />

<strong>Judo</strong>, <strong>das</strong> ist eine Methode, die ganze Welt zu lehren, wie sie ohne jede<br />

Furcht <strong>und</strong> ohne jeden Kampf ein äußerst glückliches Leben für immer<br />

führen kann.<br />

Furcht ist die Mentalität des bereits Besiegten.<br />

Kampf ist die Verkörperung des Nichtwissens vom Glück.<br />

Deshalb folgt auf den Sieg unweigerlich die Niederlage (Palindrom).<br />

Auf diesem Planeten ist der Sieg stets der Beginn der Niederlage.<br />

<strong>Judo</strong> Kodokan ist ein prachtvoller Aufbau, wohingegen <strong>Judo</strong> Aiki, von dem<br />

ich ebenfalls in diesem Buch spreche, der Unterbau des <strong>Judo</strong> – ‚Do’ -, ist.<br />

<strong>Judo</strong> Aiki ist eine Brücke zwischen <strong>Judo</strong> <strong>und</strong> ‚Do’.<br />

Als einfacher Arbeiter im unteren Terrain bin ich keinesfalls ein Meister<br />

des sportlichen bzw. körperlichen <strong>Judo</strong>.<br />

Ich habe mich vielmehr auf <strong>das</strong> Studium des physiologischen, psychologischen<br />

<strong>und</strong> ideologischen <strong>Judo</strong> spezialisiert.<br />

Ein jeder in seinem Metier, selbst ein zehnter Dan des KODOKAN oder ein<br />

Meister KANO kann <strong>das</strong> ‚Do’ nicht notwendigerweise kommentieren.<br />

Jesus ist ein Meister des spirituellen <strong>Judo</strong>, des ‚Do’, gewesen. (<strong>Judo</strong> heißt<br />

‚Do des Jiu-Jitsu’).<br />

Das ‚Do’ ist viel gr<strong>und</strong>legender <strong>und</strong> brauchbarer im praktischen, täglichen<br />

Leben als <strong>das</strong> ‚Ju’ (Jiu-Jitsu).<br />

Können Sie keinen höheren Grad erreichen, oder haben Sie infolge von<br />

Krankheit oder Alter Schwierigkeiten in der Ausübung, so begreifen, studieren<br />

<strong>und</strong> praktizieren Sie vor allem ‚Do’, welches so vorteilhaft ist, um<br />

Ihre Konstitution physiologisch wie ideologisch zu stabilisieren <strong>und</strong> die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für eine Weltregierung zu schaffen:<br />

Die individuelle Einheit des Friedens <strong>und</strong> der Freiheit.<br />

Das Verstehen einer Konzeption durch die Konzeption selbst von ihrem<br />

Prinzip her ist direkt, augenblicklich <strong>und</strong> unmittelbar, <strong>und</strong> die Verwirklichung<br />

einer Konzeption durch eine angewandte Technik ist lang <strong>und</strong><br />

mühsam.“ ( 4-6)<br />

„<strong>Judo</strong> ist eine Kunst.<br />

Es ist genaugenommen kein Sport.<br />

Es ist eine angewandte Kunst, eine ästhetische, physikalische <strong>und</strong> physiologische<br />

Kunst.<br />

Es ist die Kunst, sich zu verteidigen, oder vielmehr eine besondere Art von<br />

Anpassungsfähigkeit, eine der Aktivitäten des Instinktes.<br />

Die Anpassungsfähigkeit des Menschen ist bew<strong>und</strong>ernswert.<br />

Sie entwickelt <strong>und</strong> differenziert sich auf tausendfache Weise:<br />

Die wahre Medizin, die wahre Politik, die wahre Ökonomie, die wahre Erziehung<br />

oder die wahre Ethik sind wie <strong>das</strong> wahre <strong>Judo</strong> bzw. <strong>Judo</strong> Aiki<br />

nichts anderes als Varianten der Anpassungsfähigkeit, die ihrerseits nichts<br />

anderes ist als ein Charakteristikum des Instinktes.<br />

Wenn Anpassungsfähigkeit ein Charakteristikum des Instinktes ist, muss<br />

man vor allem wissen, was <strong>das</strong> eigentlich ist, der Instinkt, um seine Anpassungsfähigkeit<br />

entwickeln zu können.<br />

Aber es gibt nicht eine Wissenschaft, die es erklären kann, weder den<br />

Mechanismus noch die Gesetze des Instinktes.<br />

Denn es gibt keine Medizin, keine Politik, keine Ökonomie <strong>und</strong> keine Erziehung,<br />

die ‚wahr’ ist, d.h. einzigartig <strong>und</strong> ewig.<br />

Sie alle sind relativ, begrenzt, vor<strong>über</strong>gehend, sehr veränderbar <strong>und</strong> sogar


11<br />

oft dem Untergang geweiht.<br />

Wenn eine Religion oder eine Medizin die anderen <strong>über</strong>dauert, geschieht<br />

<strong>das</strong> deswegen, weil sie auf einer prof<strong>und</strong>eren Kenntnis vom Instinkt beruht.<br />

Das Christentum ist ein fossilies Beispiel dafür, ebenso der Buddhismus.<br />

Die Medizin des Fernen Ostens - im Abendland nahezu unbekannt - hat<br />

<strong>über</strong>lebt <strong>und</strong> ist nach wie vor lebendig <strong>und</strong> wird immer noch von <strong>über</strong> 400<br />

Millionen Einwohnern CHINAs <strong>und</strong> sogar von der Mehrzahl der Bewohner<br />

der japanischen Inseln hoch geschätzt, obwohl die JAPANER am meisten<br />

verwestlicht sind im Fernen Osten <strong>und</strong> ihre Regierung vor etwa achtzig<br />

Jahren alle Mediziner, die sie praktizierten, getötet hat.<br />

Diejenigen, die sie heute noch ausüben, sind nur Amateure, <strong>und</strong> auch den<br />

Apothekern ist die wahre Medizin vollkommen fremd - sie behelfen sich<br />

lediglich mit alten Büchern, denn offiziell existiert diese Medizin nicht<br />

mehr.<br />

Auch <strong>das</strong> wahre <strong>Judo</strong> konnte nicht <strong>über</strong>leben, seit dem Tage, an dem die<br />

abendländische Zivilisation eingeführt wurde, die dieses so friedfertige<br />

Land, wie es die Holzschnitte von HIROSHIGE <strong>und</strong> UTAMARO darstellen,<br />

vollkommen in Unordnung gebracht hat.<br />

(Man bekommt ein Bild vom Japan jener Epoche, wenn man sich die Geschichte<br />

von dem armen Raben vor Augen führt, der sich Hals <strong>über</strong> Kopf<br />

alle seine Federn ausrupfte, weil er glaubte, sich mit den Federn eines<br />

Pfaues sodann schmücken zu können.)<br />

Man nahm an, <strong>das</strong>s die Feuerwaffen <strong>Judo</strong> <strong>und</strong> Kendo (Fechten) ersetzen<br />

könnten.<br />

Das ergab sich von selbst, da man schon zu dieser Zeit <strong>Judo</strong> nur noch in<br />

der Form einer Kunst der Verteidigung oder schlicht von Kampf kannte.<br />

Aber <strong>Judo</strong> ist ganz im Gegenteil eine Schule für Moral <strong>und</strong> Körper, d.h. eine<br />

philosophische <strong>und</strong> physiologische Schule, die den Mechanismus <strong>und</strong><br />

die Gesetze der Anpassungsfähigkeit lehrt, <strong>und</strong> wie man den Instinkt <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong> Bewusstsein um 100% stärkt, <strong>und</strong> zwar durch Praxis anstelle von<br />

Theorie, ohne dem Instinkt die künstlichen Daumenschrauben des Wissens<br />

mit Namen Wissenschaft anzulegen.<br />

Wie auch alle anderen Schulen des Fernen Ostens ist die Schule des <strong>Judo</strong><br />

oder des Kendo eine Einrichtung, wo gelehrt wird, wie man den Instinkt<br />

(die Mutter unserer Aufnahmefähigkeit, unserer Kritik <strong>und</strong> unseres Wollens)<br />

direkt <strong>und</strong> praktisch stärkt, ohne jegliches Hilfsmittel geschweige<br />

denn eine Interpretation.<br />

Das ist ein wahres Manövergelände, wo die Kämpfer sich gegenseitig, einer<br />

den anderen, unter den Augen eines Meisters, der sie beurteilt, für die<br />

moralischen, physiologischen <strong>und</strong> biologischen Gefechte stärken, die eines<br />

nach dem anderen ohne Ende auf sie zukommen werden.<br />

Es gibt viele Schulen <strong>und</strong> Meister, die zu ihrer Erhaltung bezahlt werden<br />

bzw. sich kaufen lassen.<br />

Ein wahrer Meister jedoch ist selten.<br />

G. KANO ist ein wahrer Meister gewesen.<br />

Er hat sich nicht verkauft.<br />

Er reformierte <strong>und</strong> vereinigte die ganz <strong>und</strong> gar degenerierten Schulen des<br />

<strong>Judo</strong>.<br />

Die Moralität vom <strong>Judo</strong> verlor alle Augenblicke an Wert, da:<br />

1) diejenigen, die <strong>Judo</strong> erlernen wollten, unglücklicherweise auch dieje-


12<br />

nigen waren, die nach Macht strebten. Sie wollten die Welt der ‚Sinnesdaten’<br />

erobern, <strong>das</strong> Gegenteil von Moral <strong>und</strong> Geist;<br />

2) Es braucht eine lange Zeit, <strong>das</strong> einzige dauerhafte Prinzip zu entdecken<br />

<strong>und</strong> zu beherrschen, den Kompass des Lebens, den einzigen<br />

Weg hin zum ‚himmlischen Königreich’, einzig durch praktisches Üben<br />

<strong>und</strong> ohne irgendeine erklärende, erzieherische Methode, geschweige<br />

denn ein Hilfsmittel. Es ist eine stumme Schule.<br />

KANO gelang es jedoch, die neue Schule des <strong>Judo</strong>, KODOKAN, wiederherzustellen.<br />

Dennoch gab es nach seinem Tode niemanden, der ihn ersetzen konnte.<br />

Hier war die Tendenz zum Verfall merklich spürbar in der Schule des <strong>Judo</strong>.<br />

Das macht deutlich, <strong>das</strong>s KANO zu sehr mit Reformation, Wiederaufbau<br />

<strong>und</strong> Propaganda beschäftigt war, so <strong>das</strong>s er keine Zeit fand, seine Kunst<br />

durch <strong>das</strong> Prinzip zu vertiefen <strong>und</strong> zu konsolidieren.<br />

Deshalb schickte er vor etwa zwanzig Jahren MINOL MOTIDUKI, einen seiner<br />

besten Schüler, in die Schule des Aiki zu Meister MORITAKA UESIBA,<br />

der einer der größten, wenn nicht der größte Meister aller wirklichen, traditionellen<br />

Schulen des alten JAPAN ist.<br />

Bedenken Sie sehr, es ist höchst bedeutsam, <strong>das</strong>s ein so großer Meister<br />

wie KANO im Alter von siebzig Jahren den Willen hatte <strong>und</strong> damit begann,<br />

eine Kunst zu erlernen, die er der seinen <strong>über</strong>legen fand.<br />

Diese Flexibilität ist ein Charakteristikum des Prinzips ‚Ju-do’. Das ist der<br />

traditionelle Geist, der alle Schulen des <strong>Judo</strong> im alten Japan der Samurai<br />

vereinte.<br />

UESIBA, <strong>das</strong> ist ein wahrer Mensch, der die bereits erreichten siebzig Jahre<br />

nichts anderes getan hat <strong>und</strong> auch den ganzen Rest seines Lebens<br />

nichts anderes tun wird als <strong>das</strong>, was ihm gefällt <strong>und</strong> was er gern tut, <strong>und</strong><br />

der alles verwirklicht, was er will, soviel er will, für immer ohne jegliches<br />

Hilfsmittel:<br />

Der freie Mensch, der Mensch, der sich nicht fürchtet, der Mensch ohne<br />

irgendwelche Waffen oder Hilfsmittel, der Mensch, der seinen Gegner<br />

nicht durch Gewalt ruhigstellt sondern durch Liebe, der seinen Feind wie<br />

von selbst entschärft <strong>und</strong> einen guten Fre<strong>und</strong> aus ihm macht.<br />

MOTIDUKI studierte <strong>das</strong> Aiki, <strong>das</strong> <strong>Judo</strong> des Meisters UESIBA, mehrere Jahre<br />

an der Schule UESIBAS.<br />

Schließlich wurde er einer der besten Schüler UESIBAS <strong>und</strong> erwarb den 8.<br />

Grad.<br />

Das ist gleichzeitig der 6. Dan des KODOKAN.<br />

Am 2. Februar 1951 fuhr er mit seinen drei neuen Schülern auf dem Ozeandampfer<br />

‚La Marseillaise’ nach Paris, als offizieller Repräsentant der<br />

Schule des <strong>Judo</strong> Aiki <strong>und</strong> gleichzeitig für die ‚Neue Kultur Japans’ sowie<br />

den ‚Föderalistenverband für den Weltb<strong>und</strong>’, Sektion JAPAN.<br />

Er wollte demonstrieren, <strong>das</strong>s <strong>Judo</strong> Aiki nichts anderes ist als eine moralische,<br />

physische <strong>und</strong> physiologische Anwendung des Einzigen Prinzips<br />

der Philosophie <strong>und</strong> der Wissenschaft des Fernen Ostens, der Mutter der<br />

drei großen Religionen der Menschheit, der drei Schulen für die Strategie<br />

des Friedens.<br />

Er wird Ihnen <strong>das</strong> zeigen, was <strong>Judo</strong> Aiki bzw. <strong>das</strong> vervollkommnete oder<br />

entwickelte <strong>Judo</strong> - oder die Seele des <strong>Judo</strong> - ist, <strong>das</strong>s es wie die Mutter


13<br />

der drei großen Religionen der Menschheit, wie die Strategie für den Frieden<br />

oder wie der Schlüssel zum ‚himmlischen Königreich’ ist, also <strong>das</strong><br />

Prinzip für ein weltweites Instrument:<br />

Einen universellen B<strong>und</strong>; <strong>und</strong> zwar in der Praxis, in seinem Verhalten, wie<br />

ein einfacher Arbeiter beim Turmbau zu Babel im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert. Ferner,<br />

<strong>das</strong>s es wie eine Technik der Anpassungsfähigkeit ist, die <strong>das</strong> Einzige<br />

Prinzip der Philosophie <strong>und</strong> der Wissenschaft des Fernen Ostens ausdrückt,<br />

dessen Erklärung Ihnen zu geben ich riskiere (denn MINOL spricht<br />

nicht dar<strong>über</strong>, genauso wie sein Meister), eine physiologische, philosophische<br />

<strong>und</strong> wissenschaftliche Erklärung, in diesem kleinen Buch, in einer<br />

primitiven Sprache aufgr<strong>und</strong> meiner dürftigen Sprachkenntnisse.<br />

Ich bin dennoch sehr glücklich <strong>und</strong> benütze diese Gelegenheit dafür, eine<br />

Erklärung der ganz <strong>und</strong> gar unbegreiflichen Mentalität der Primitiven zu<br />

geben, zu der ich mich vor etwa 20 Jahren gegen<strong>über</strong> Professor LEVY-<br />

BRUHL verpflichtet habe.<br />

Die Mühe lohnt sich, da bin ich sicher, um eine tiefere Übereinkunft zwischen<br />

dem Osten <strong>und</strong> dem Westen zu schaffen.“ (7-10)<br />

„<strong>Judo</strong> ist, wie ich wiederholt ausgeführt habe, eine Kunst der Anpassungsfähigkeit<br />

des allein durch die Praxis verfeinerten Instinktes.<br />

Die Anpassungsfähigkeit ist, ich wiederhole es noch einmal, ein von der<br />

Natur ausgestellter Reisepass oder ein von der Natur gebautes Schiff, im<br />

vorhinein für denjenigen, der den Ozean des Lebens durchquert, durch<br />

welche Stürme <strong>und</strong> Schwierigkeiten auch immer.<br />

Die Religion ist eine philosophische bzw. spirituelle Technologie, die lehrt,<br />

wie diese Anpassungsfähigkeit zu entwickeln ist, wohingegen <strong>Judo</strong> eine<br />

physikalische bzw. gymnastische Technologie ist, die lehrt, wie der Instinkt<br />

- <strong>das</strong> ist der wichtigste Pilot in unserem Leben, vom ersten Tag der<br />

embryonalen Empfängnis an bis hin zum Ende des Lebens - zu entwickeln<br />

<strong>und</strong> in dringenden Fällen anzuwenden ist.<br />

MUSASI MIYAMOTO, ein großer Meister des Kendo (Fechtkunst), ist ein gutes<br />

Beispiel für einen Samurai des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts, denn er entwickelte<br />

seine Anpassungsfähigkeit in der Praxis, ohne zur Schule zu gehen, <strong>und</strong><br />

durch <strong>das</strong> Einzige Prinzip, <strong>das</strong> er ganz allein mitbekommen hatte, durch<br />

mehr als fünfzig Säbelkämpfe <strong>und</strong> -duelle hindurch; dabei ist er ein Philosoph<br />

geworden <strong>und</strong> gleichzeitig Meisterbildhauer, Meister der Schreibkunst,<br />

Meister der Malerei, Meister in der Errichtung von Häusern, Schlössern<br />

<strong>und</strong> Brücken, Meister der Poesie <strong>und</strong> Schriftsteller.<br />

Mit allen Meistern der Schulen des ‚Do’ verhält es sich ganz genauso.<br />

MUSASI sagte: ‚Das tägliche Savoir-vivre eines Samurai ist die Strategie;<br />

<strong>und</strong> die Strategie ist <strong>das</strong> tägliche Savoir-vivre.’<br />

Sie sehen, <strong>das</strong>s der große Meisterphilosoph auf der Wichtigkeit der Anpassungsfähigkeit<br />

beharrte.“ (78-79)<br />

„Wahres <strong>Judo</strong> bzw. Aiki dient dazu, zu lernen, wie. man in Ausübung des<br />

dialektischen Prinzips der Ordnung des Universums auch in den gefährlichsten<br />

Situationen ein glückliches <strong>und</strong> freies Leben führen kann.<br />

Das will sagen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> wahre <strong>Judo</strong> bzw. <strong>das</strong> Aiki eine praktische Demonstration<br />

der Dialektik ist, welche die einzige konkrete Gr<strong>und</strong>lage für<br />

den Aufbau der weltweiten Konförderation ist.


14<br />

Vor einigen Jahren kam ein amerikanischer Ringkämpfer, damals Weltchampion,<br />

nach JAPAN, um <strong>Judo</strong> zu erlernen.<br />

Doch er konnte nicht einen <strong>Judo</strong>meister finden, der ihn hätte bezwingen<br />

können.<br />

Eines Tages gelangte er schließlich zum Dojo Meister UESIBAS, der ihn mit<br />

Leichtigkeit bezwang.<br />

Während seinem ganzen, 40tägigen Aufenthalt kam er dann immer ins<br />

Dojo.<br />

Er war in einem erstklassigen Hotel, dem ‚Imperial’, abgestiegen.<br />

Diesem Ringkämpfer erschien <strong>das</strong> Dojo Meister UESIBAs wie eine armselige<br />

Hütte.<br />

So sagte er eines Tages zum Meister:<br />

‚Meister, kommen Sie in die VEREINIGTEN STAATEN, dort werden Sie Millionär<br />

werden. Sie haben es nicht nötig, ein Haus wie dieses zu bewohnen<br />

... .’<br />

Doch der Meister hörte <strong>über</strong>haupt nicht zu.<br />

Er lebt in Frieden <strong>und</strong> Freiheit.<br />

Oder Friede <strong>und</strong> Freiheit leben in ihm.<br />

Er will nichts weiter.<br />

Der Ringkämpfer reiste ab, ohne die Mentalität des Meisters verstanden<br />

zu haben, <strong>und</strong> schon gar nicht <strong>das</strong> Prinzip, trotz 40 Tagen verzweifelter<br />

Übung.<br />

Die Ideologie einer Schule des ‚Do’ ist zu sehr fremd für einen Ringkämpfer,<br />

der stets mit Gewalt kämpft.<br />

Ich habe viel <strong>und</strong> zu lange geredet.<br />

Ich bitte um Entschuldigung.<br />

Jetzt brauchen Sie es nur noch zu praktizieren, <strong>das</strong> wahre <strong>Judo</strong>, den<br />

Geist einer Schule des ‚Do’ oder ‚Tao’, <strong>und</strong> zwar direkt nach dem Vorbild<br />

Meister UESIBAs oder seines besten Schülers MOTIDUKI.<br />

Im Gegensatz zu allen anderen modernen bzw. abendländischen Künsten<br />

setzt <strong>das</strong> Aiki nur wenig Kraft ein.<br />

Es ist eine Kunst der Verteidigung ohne jegliches Hilfsmittel <strong>und</strong> verwendet<br />

<strong>das</strong> Geringstmögliche an Kraft, weniger als <strong>Judo</strong>.<br />

Einige <strong>Judo</strong>meister sind schwer.<br />

Sie werden schwer in dem Maße, wie sie <strong>Judo</strong> ausüben.<br />

Doch alle Aikimeister sind eher leicht <strong>und</strong> klein.<br />

Aiki ist eine eher weibliche Kunst.<br />

Es ist in erster Linie für Frauen <strong>und</strong> für alte <strong>und</strong> schwache Menschen.<br />

Man kann damit selbst noch im Alter von sechzig Jahren oder mehr beginnen.<br />

Das also ist <strong>das</strong> Prinzip vom <strong>Judo</strong> <strong>und</strong> vom Aiki.<br />

Man kann die Kunst des <strong>Judo</strong> bzw. des Aiki nicht mit Worten, die sehr begrenzt<br />

in Zeit <strong>und</strong> Raum sind, erklären, auch nicht mit Fotos, selbst nicht<br />

mit einem Tonfilm, sondern allein durch die Praxis.“ 103-104)<br />

„<strong>Judo</strong> ist kein Sport.<br />

Aber man kann es dazu machen.<br />

Trotzdem, <strong>Judo</strong>-Aiki ist absolut kein Sport, ohne Wenn <strong>und</strong> Aber.<br />

Meister UESIBA schätzt es gar nicht, ein Spektakel daraus zu machen.<br />

<strong>Judo</strong> ist eine praktische Ästhetik, die es nicht erlaubt, wie eine Kunst oder<br />

eine Theorie eingestuft zu werden.


15<br />

Es ist kein gymnastisches Spiel.<br />

Man kann es nicht in Massen lernen.<br />

Um es zu lernen, braucht man stets einen Meister bzw. jemanden, der<br />

schon weiter ist.<br />

Sonst bricht man sich Arme oder Beine.<br />

Die Schüler gleichen Grades können zwar die Bewegungen ausüben,<br />

doch nur zur Vervollkommnung der Ästhetik.<br />

Anfängern ist es verboten, miteinander zu üben.<br />

Als LAFCADIO HEARN die Schüler Meister UESIBAs sah, war er bass erstaunt.<br />

Das <strong>Judo</strong>-Aiki-Training ist so ästhetisch, so angenehm anzusehen. während<br />

man in den <strong>Judo</strong>-Dojos nur erbittertes Ringen sieht.“ (57)<br />

„Am bedauerlichsten ist: ‚KO-DO-KANN’, <strong>das</strong> Wort für Wort ‚<strong>das</strong> Haus, wo<br />

man <strong>über</strong> <strong>das</strong> Do (Tao), die Einzige Philosophie bzw. <strong>das</strong> Einzige Prinzip,<br />

die Ordnung des unendlichen, absoluten Universums, spricht <strong>und</strong> es erlernt’<br />

bedeutet, man spricht nicht mehr davon, <strong>und</strong> man erlernt es erst<br />

recht nicht mehr.<br />

Es ist nur noch ein sportliches Zentrum.<br />

Hier haben wir sie, die dialektische Zwangsläufigkeit... ... „ (51)<br />

HORST TIWALD<br />

www.horst-tiwald.de

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