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Lösung zu Fall 1 - Prof. Dr. Christian Waldhoff

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unwirksam ist (vgl. die Schilderung im Sachverhalt: „völlig unerwartet“; Hinweis auf die<br />

Parteilosigkeit des Y).<br />

Muss der vorgeschlagene Kandidat Mitglied einer Fraktion (und damit auch des Parlaments)<br />

sein oder – noch enger – derjenige, für den die Mehrheit des Bundestages „vorgegeben“, d.h.<br />

durch das mögliche oder wahrscheinliche Wahlergebnis vorgezeichnet ist? Diese Frage ist in<br />

der Literatur strittig. Rechtsprechung oder Staatspraxis hat sich insoweit noch nicht ausbilden<br />

können.<br />

Erste Meinung: Wenn im Bundestag eine Mehrheit für einen bestimmten Kandidaten<br />

„vorgegeben“ ist, soll der Bundespräsident verpflichtet sein, diesen vor<strong>zu</strong>schlagen<br />

(vgl. W.-R. Schenke, in: Dolzer/Kahl/<strong>Waldhoff</strong>/Graßhof [Hrsg.], Bonner Kommentar<br />

<strong>zu</strong>m Grundgesetz, Art. 63, Rdnr. 44 ff.).<br />

Dafür könnte die bisherige Staatspraxis in der Bundesrepublik sprechen. Dies würde<br />

jedoch voraussetzen, dass die Staatspraxis in die Interpretation der Normen des GG<br />

ein<strong>zu</strong>beziehen ist. Kritisch – in anderem Zusammenhang – insoweit das<br />

Bundesverfassungsgericht: „Die Staatspraxis ist Gegenstand, nicht Maßstab<br />

verfassungsrechtlicher Beurteilung von Akten der öffentlichen Gewalt“. Entscheidend<br />

gegen diese Ansicht spricht auch die Unsicherheit, wann eine Mehrheit „vorgegeben“<br />

ist. Zudem kann eine politisch steuernde Aktivität des Bundespräsidenten<br />

wünschenswert sein (vgl. auch G. Hermes, in: <strong>Dr</strong>eier [Hrsg.], Grundgesetz-<br />

Kommentar, Bd. 2, 2. Auflage 2006, Art. 63, Rdnr. 21).<br />

Zweite Meinung: Der Vorgeschlagene muss Mitglied einer Fraktion des Bundestages<br />

sein.<br />

Dagegen spricht wiederum, dass das Vorschlagsrecht beim Bundespräsidenten liegt,<br />

nicht bei den im Grundgesetz nicht näher geregelten Fraktionen. Dem<strong>zu</strong>folge verlangt<br />

die herrschende Meinung nicht, dass der Vorgeschlagene Mitglied einer Fraktion des<br />

Bundestages sein muss. Unstrittig ist demgegenüber, dass keine Partei<strong>zu</strong>gehörigkeit<br />

notwendig ist (vgl. im Sachverhalt. „parteilos“). Zwar gewährt das GG den politischen<br />

Parteien einen herausgehobenen Status im Bereich der politischen Willensbildung<br />

(Art. 21 Abs. 1 GG), die Partei<strong>zu</strong>gehörigkeit ist jedoch, wie in etwas anderem<br />

Zusammenhang auch Art. 33 Abs. 2 GG andeutet, kein sachliches Kriterium <strong>zu</strong>r<br />

Bestimmung der Eignung für ein Amt.<br />

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