SCHMUCKSTÜCK AM FUßE DER ALB - blaetterwerk ...
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<strong>SCHMUCKSTÜCK</strong><br />
<strong>AM</strong> <strong>FUßE</strong> <strong>DER</strong> <strong>ALB</strong><br />
Zwei Abende der ganz besonderen Art erlebten insgesamt über 70<br />
Mitglieder des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau<br />
Baden-Württemberg im Juli in Dettingen bei Rottenburg. Professor<br />
Doschka führte aufgrund der großen Nachfrage gleich zwei Mal<br />
durch seinen privaten, vier Hektar großen Garten, den man ohne zu<br />
übertreiben als gärtnerisches Kunstwerk bezeichnen kann.<br />
Inspirationen für die Gestaltung dieses Gartens<br />
lieferten dem Romanistik-Professor bedeutende<br />
Künstler der „klassischen Moderne“, wie<br />
Claude Monet, Marc Chagall, Joan Miro, Paul<br />
Klee und Pablo Picasso. Aber auch das besondere<br />
Licht der Provence, die oberitalienischen Gärten<br />
und die Natur der Schwäbischen Alb leisteten<br />
ihren Beitrag. Bereits 1980 begann Roland<br />
Doschka zusammen mit seiner Frau Gabi mit<br />
der Anlage des französischen Gartenteils. „Ich<br />
weiß nicht, was zuerst in mir entstand, die Liebe<br />
zur Kunst oder die Liebe zur Natur“, schreibt<br />
Doschka in seinem Buch „Ein Spaziergang<br />
durch unseren Garten“. Die Kunst kann laut<br />
Doschka nur das spiegeln, was die Natur vorlebt<br />
und diese Wechselbeziehung übte schon<br />
immer eine Faszination auf den langjährigen<br />
Hochschullehrer für Romanistik aus. Auch<br />
GESTALTEN MIT PFLANZEN<br />
Der Blick von oben<br />
auf das „Auge von<br />
Monet“.<br />
Die Tongefäße<br />
stammen von<br />
einem Antikmarkt<br />
in Paris.<br />
06.12<br />
D Garten<br />
esign<br />
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Roland Doschka,<br />
Gartenbesitzer<br />
und Kurator.<br />
D Garten<br />
esign<br />
06.12<br />
Claude Monet gärtnerte aus dem Bauch heraus,<br />
so stellt es zumindest Claire Toulgouat, eine<br />
Angehörige der Familie (DW-TV, Youtube), in<br />
einem Interview dar. Laut Toulgouat hatte Monet<br />
nie ein Design für seinen Garten in Giverny<br />
entworfen oder gar berühmte Landschaftsarchitekten<br />
beschäftigt. Der Maler war der Meinung,<br />
dass er das Gefühl für seinen Garten<br />
dann bekommt, wenn er ihn begeht. Hier<br />
scheint es konkrete Parallelen zu Roland Doschka<br />
zu geben, denn auch er plante und konzipierte<br />
die 14 verschiedenen Gartenszenen bislang<br />
selbst. „Fachliche Hilfe habe ich mir lediglich<br />
bei den klassisch englischen Staudenrabatten<br />
geholt. Die hat Dr. Isabelle Van Groeningen für<br />
mich geplant“, erklärt er.<br />
<strong>DER</strong> FRANZÖSISCHE TEIL: Mittlerweile umfasst<br />
dieser Landschaftsgarten am Fuße der Schwäbischen<br />
Alb rund vier Hektar. Der französische<br />
Teil gliedert sich in drei Ebenen. Nach dem Zugang<br />
über eine Natursteintreppe, die durch<br />
mehrere Podeste angenehm gegliedert ist und<br />
von Farnen, Efeu sowie immergrünen Gehölzen<br />
eingerahmt wird, befindet man sich in dem<br />
Gartenteil, der dem Maler und Gartenliebhaber<br />
Claude Monet gewidmet ist. „Als ich 1992<br />
die erste Monet-Ausstellung für Balingen organisierte,<br />
habe ich mich intensiv mit seinem Garten<br />
und historischen Staudenfeldern in den Pariser<br />
Archiven beschäftigt“, erzählt der Kunstexperte.<br />
Für das Staudenbeet am Hang reiste<br />
Doschka sehr weit, um die Original-Staudensorten<br />
zu erwerben, wie beispielsweise zu einer<br />
96-jährigen Dame in der französischen Provinz<br />
Anjou, die als Letzte eine von Monets verwendeten<br />
Iris-Sorten kultivierte. Das impressionistische<br />
Auge des Künstlers symbolisiert<br />
ein flacher Teich. Die Wasserpflanzen, ausgebracht<br />
in Irisform, bilden dabei das Zentrum.<br />
Der Staudenhang ist eine Hommage an die Farben<br />
Frankreichs. „Dass die Steppenkerzen gelb<br />
und nicht himalayablau blühen, muss wohl ein<br />
Versehen des holländischen Lieferanten sein“,<br />
schmunzelt der 1991 vom damaligen badenwürttembergischen<br />
Ministerpräsident Erwin<br />
Teufel zum Professor ernannte Wissenschaftler.<br />
In diesem geschützten Bereich konnte sich<br />
eine 1990 gepflanzte kalifornische Magnolie<br />
etablieren, eine Seltenheit in Deutschland und<br />
für Doschka nur dadurch zu erklären, dass sein<br />
Garten durch das angrenzende Waldgebiet<br />
sehr gut vor Ost- und Westwinden geschützt<br />
ist. Die liegende Frau aus schwarzem Carrara-<br />
Marmor stammt von einem unbekannten<br />
Künstler aus dem Jahr 1930. Die riesigen Tongefäße<br />
dienten dem Einlagern von Oliven –<br />
Doschka entdeckte sie auf einem Antikmarkt in<br />
Paris.<br />
KEIN ENGLISCHES GEHEIMNIS MEHR: Ein hundertjähriger<br />
Ilex-Großbonsai aus Japan, ein Maulbeerbaum,<br />
der schon den spanischen Pavillon<br />
auf der Stuttgarter IGA zierte sowie eine Pinus<br />
parasol – auf botanisch Pinus pinea und bei uns<br />
als Schirmkiefer bekannt – sind die Hauptdarsteller<br />
des nächsten Gartenraums. Das Atrium<br />
20 Lavendelsorten<br />
präsentieren sich<br />
hier in schwungvoll<br />
verlaufenden<br />
Linien.
Für die auserlesene<br />
Kunst ist der<br />
Garten die<br />
perfekte Bühne.<br />
Der im<br />
Renaissance-Stil<br />
gehaltene letzte<br />
Gartenraum geht<br />
direkt über in das<br />
Landschaftsschutz-<br />
gebiet.<br />
aus Elbsandstein verdankt seine Existenz, wie<br />
könnte es auch anders sein, der Picasso-Ausstellung<br />
im Jahr 2002 in den Neuen Bundesländern.<br />
Kunstliebhaber Doschka kaufte die von<br />
Steinmetzen per Hand bearbeiteten Steine eines<br />
auf der Anreise beobachteten Brückenabrisses<br />
und ließ sie zum Atrium formen. Perfekter<br />
englischer Rasen begrüßt die Gäste auf der<br />
dritten Ebene. Auf Nachfrage der Landschaftsgärtner<br />
gibt Doschka das Geheimnis des satten<br />
Grüns freigiebig preis. Selbst fasziniert von den<br />
Eigenschaften des Inselrasens, kämpfte er sich<br />
bei einem Besuch in Sissinghurst Castle bis zum<br />
Obergärtner durch und dieser verriet ihm folgendes<br />
Rezept: Man nehme zwei Teile Quarzsand<br />
und einen Teil keimfreien Humus, vermenge<br />
diese und trage das Gemisch drei Zentimeter<br />
dick auf den tief zurückgeschnittenen,<br />
vertikutierten und gedüngten Rasen im März<br />
auf. „Das praktiziere ich nun seit mehreren Jahren<br />
mit gutem Erfolg. Der Regen wäscht zuerst<br />
den Quarzsand nach unten und sorgt so für eine<br />
gute Belüftung. Danach gelangt der Humus<br />
an die Wurzeln und sorgt für kraftvolles Wachstum“,<br />
erklärt Doschka.<br />
PROMINENTER BUCHSBAUM: Neben Zauneidechse<br />
und Grasfrosch fühlt sich im weißen Garten,<br />
welcher dem bekannten Vorbild von Sissinghurst<br />
nachempfunden ist, auch ein circa hundertjähriger<br />
Buchs von der Halbinsel Krim sehr<br />
wohl, der, ausgegraben während der Auflösung<br />
der Sowjetunion, zusammen mit weiteren 19<br />
Exemplaren seinen Weg nach Deutschland<br />
fand. „An diesem Buchs, der am Boulevard zur<br />
Staatsresidenz stand, sind schon viele Staatsmänner<br />
dieser Welt vorbeigegangen“, ist sich<br />
Doschka sicher. Der auf den Wegen häufig verwendete<br />
helle Splitt dient als „Schnecken-<br />
Schreck“, erklärt der findige Gärtner. Nach Regengüssen<br />
trocknet er relativ schnell ab und ist<br />
zudem aufgrund seiner Scharfkantigkeit für die<br />
Schnecken nur schwer zu überwinden – eine<br />
optisch schöne Barriere. Über eine ausgedehnte<br />
Rasenfläche, bestückt mit einzelnen Skulpturen,<br />
einer weidenblättrigen Birne sowie<br />
schönen Sitzgelegenheiten, gelangt man über<br />
ein Lavendelfeld, bestehend aus 20 verschiedenen<br />
Sorten, in den seit Ende 2010 fertiggestellten<br />
englischen Teil dieses Paradieses.<br />
GESTALTEN MIT PFLANZEN<br />
Ein Brückenabriss in den neuen Bundesländern animierte Doschka zum<br />
Kauf dieser handbearbeiteten Stein, welche er zum Atrium formen ließ.<br />
Trockenbeete und zypressenförmige Thuja ’Smaragd’ finden sich im englischen<br />
Teil, im Hintergrund das neue lichtdurchflutete Gebäude mit Sonnenterrasse.<br />
Für die englischen Staudenrabatten holte sich Doschka Unterstützung von<br />
Isabelle Van Groeningen.<br />
Immer wieder stößt man in diesem Landschaftsgarten auf großzügige Rasenflächen.<br />
06.12<br />
D Garten<br />
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35
36 GESTALTEN MIT PFLANZEN<br />
Krönender<br />
Abschluss der<br />
Buchsallee ist ein<br />
kugelförmiger<br />
Taxus.<br />
Fotos: Reidel<br />
D Garten<br />
esign<br />
06.12<br />
<strong>DER</strong> NEUE ENGLISCHE GARTENTEIL: Drei Jahre Planung<br />
und zwei Jahre Bauzeit stecken in diesem<br />
Garten. Eine Allee aus Buchskugeln, an einer<br />
Seite flankiert von trapezförmig geschnittenen<br />
Hainbuchen, führt direkt auf einen runden kleinen<br />
Platz, mit einer riesigen, kugelförmigen Eibe<br />
im Mittelpunkt. Die halbkreisförmigen<br />
Hainbuchenhecken im Hintergrund lüften<br />
das Geheimnis des folgenden Gartens erst<br />
beim Durchschreiten: eine ovale Rasenfläche<br />
wird hier von mediterranen Trockenbeeten, in<br />
welchen Iris- und Allium-Sorten, Lavendel und<br />
Duftstauden in weißem Splitt gedeihen, eingefasst.<br />
Die in Zypressenform geschnittenen,<br />
eingestreuten Thuja ’Smaragd’ stammen von<br />
der Baumschule Bruns aus Westerstede.<br />
Doschka entdeckte die schönen Exemplare<br />
auf der Chelsea Flower Show in London und<br />
orderte sie sofort. Zwischen diesem und dem<br />
hintersten Gartenteil dieser angelsächsischen<br />
Anlage steht ein modernes, rechteckiges und<br />
lichtdurchflutetes Gebäude, in welchem die<br />
Gartenbibliothek des Professors ihren Platz finden<br />
wird. Nebenbei lässt sich hier von der Terrasse<br />
aus ein wunderschöner Blick auf den im<br />
Renaissance-Stil gehaltenen letzten Gartenraum<br />
mit Springbrunnen im Zentrum genießen.<br />
Die beiden Remakes englischer Pavillons<br />
passen perfekt zwischen die üppigen Staudenbeete,<br />
die alle zwei Monate ihr „Gesicht“ im<br />
Rhythmus der Jahreszeiten ändern. Im Frühling<br />
strecken hier beispielsweise 4.000 Zwiebel-<br />
pflanzen ihre vorwiegend weißen und weinrot<br />
bis purpurfarbenen Blüten der Sonne entgegen.<br />
„Die Umsetzung dieser Planung war alles<br />
andere als einfach“, schildert Doschka den interessierten<br />
Landschaftsgärtnern auf der sonnenbeschienenen<br />
Terrasse, seinem Lieblingsplatz<br />
im neuen Teil. Eine große Hilfe war ihm<br />
dabei auch das Büro frei raum concept in Rottenburg.<br />
Die Landschaftsarchitektin Annette<br />
Sinz-Beerstecher übernahm bei diesem Projekt<br />
die komplette technische Planung und überwachte<br />
den Bau. Da es sich hier um ein Landschaftsschutzgebiet<br />
handelt, wurde der Gartenliebhaber<br />
mit vielen Auflagen, wie beispielsweise<br />
Ausgleichsflächen und Vorabzahlungen<br />
für die Bewirtschaftung dieser Magerwiesen,<br />
von der Gemeinde Rottenburg konfrontiert.<br />
Der englische Garten ist über eine<br />
große Zisterne, die von einer Quelle gespeist<br />
wird, automatisch bewässert. Abends und<br />
nachts beleuchten rund 360 Beleuchtungskörper<br />
den Garten. „Das weckt bei mir Erinnerungen<br />
an die schön beleuchtete Côte d’Azur“,<br />
schwärmt Doschka, der zurzeit Präsident des<br />
Europäischen Kulturforums Mainau ist und die<br />
sonnigen Abende hier am liebsten mit einem<br />
schweren Bordeaux ausklingen lässt. Der Abschied<br />
aus diesem Paradies fällt den wirklich<br />
beeindruckten Fachmännern- und -frauen<br />
sichtlich schwer.<br />
Petra Reidel | Grafenau