ungeschichtlichen Jahre - Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft
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Zu Beginn dieses <strong>Jahre</strong>s hielt <strong>Jahn</strong> vor einem großen Zuhörerkreis in Berlin seine Vorträge<br />
über Deutsches Volksthum, in denen er unverblümt und in drastischer Sprache die Forderung<br />
nach Einführung einer Verfassung in Preußen und nach Herstellung eines deutschen<br />
Nationalstaates erhob, und<br />
die Wartburgfeier als Erinnerungsfest an die Reformation 300 <strong>Jahre</strong> zuvor und die<br />
Völkerschlacht bei Leipzig 1813.<br />
Die Verhaftung 1819 – der Beginn des „<strong>ungeschichtlichen</strong> Teils“ in <strong>Jahn</strong>s Leben<br />
Der österreichische Staatskanzler Metternich hatte auf dem im Herbst 1818 von den Allianzmächten<br />
Österreich, Preußen, Rußland und England abgehaltenen Aachener Kongreß die Turngemeinden als<br />
einen „in der nächsten Beziehung mit dem Universitätswesen“ stehenden „Unfug“ abqualifiziert und<br />
als „eigentliche Vorbereitungsschule zu dem Universitätsunfug“ eingestuft. Das Attentat des<br />
Burschen-Turners Carl Sand auf Kotzebue am 23. März 1819 bewirkte, daß noch vor der Karlbader<br />
Konferenz (6. – 31. August) der Leiter der Turnbewegung wegen „demagogischer Umtriebe“ in der<br />
Nacht vom 13. zum 14. Juli verhaftet wurde. Bei der Festnahme verhielt sich <strong>Jahn</strong> völlig ruhig. Dem<br />
Polizeiinspektor sagte er: „Es ist mir lieb, daß die ganze Sache zu ernstlicher Untersuchung<br />
gekommen ist; es muß sich dadurch ganz bestimmt meine Unschuld ermitteln lassen“. (3)<br />
Nun beginnt der „ungeschichtliche Teil“ in <strong>Jahn</strong>s Leben, der in einigen Biographien nicht mehr<br />
erwähnt wird. Der Brockhaus brachte in seiner Ausgabe von 1819 mehr als sechs Seiten über das<br />
Turnen, in der von 1834 kein Wort mehr.<br />
Nach der Verhaftung wurde <strong>Jahn</strong> in Hand- und Fußketten nach Spandau gebracht und am 21. Juli<br />
nach Küstrin weiter befördert; dabei brach die Achse des Wagens, so daß er den Rest des Wegs zu<br />
Fuß zurücklegen mußte. Hier erfuhr <strong>Jahn</strong>, daß Regierungsrat Dr. Johannes Janke aus Magdeburg<br />
Staatskanzler Hardenberg eidlich versichert habe, <strong>Jahn</strong> sei Mitglied und Mitgründer einer geheimen<br />
Verbindung mit hochverräterischen Absichten. Janke war zehn <strong>Jahre</strong> vorher eines der schneidigsten<br />
Mitglieder des Deutschen Bundes, trat für die Ermordung Napoleons ein und hatte <strong>Jahn</strong> die<br />
Ausführung dieser Tat nahegelegt. Er war auch für die Beseitigung des preußischen Königs gewesen.<br />
Sein wahres Gesicht hatte Janke dadurch gezeigt, indem er eine Schmähschrift unter dem Titel Der<br />
neuen Helden Konstitutionsgeschrei erscheinen ließ, die begreiflicherweise auf dem Wartenberg mit<br />
verbrannt worden war. (4)<br />
Am 14. September 1819 wurde <strong>Jahn</strong> ein zweites Mal vernommen und am 26. Oktober in die<br />
Stadtvogtei in Berlin gebracht, wo am Tage darauf die förmliche Kriminaluntersuchung stattfand, die<br />
sich für die Freilassung <strong>Jahn</strong>s aussprach. Diese erfolgte am 106. Tag nach seiner Verhaftung. Zwei<br />
seiner drei Kinder starben im Laufe dieser und seiner weiteren Haft.<br />
In einem Schreiben <strong>Jahn</strong>s an Wittgenstein vom 9. August 1819 heißt es: „In dieser Gefangenschaft<br />
habe ich sehr viel erlitten. Mein häuslich Glück ist zerstört, mein guter Name untergraben, meine<br />
Gesundheit geschwächt. Dafür gibt es auf Erden keinen Schadenersatz. Mehr noch schmerzt, daß<br />
mein guter Wille für das Vaterland so verkannt worden ist“. Über die Untersuchungskommission urteilt<br />
er treffend: „Sie untersucht nicht, sie sucht. Ist der Täter gefaßt, läßt sich die Tat schon finden“. (5)<br />
Selbst Goethe erklärte, daß das Turnen eine nötige Ergänzung des jugendlichen Lebens bilden sollte,<br />
da die freie Bewegung allenthalben durch die Polizeiordnung eingeschränkt wäre: Alles ziele nur<br />
darauf hin, die Jugend frühzeitig zahm zu machen und mit der Wildheit alle Natur und Originalität<br />
auszutreiben. Die Verbindung des Turnwesens mit politischen Ideen bedauerte auch er; durch das<br />
Verbot sei aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden. (6)<br />
<strong>Jahn</strong>s später verfaßten Verteidigungsschrift ist zu entnehmen, daß er in Spandau unzulänglich<br />
untergebracht, die Verhältnisse in Küstrin nicht viel besser waren. Er durfte nur in Gegenwart des<br />
Wächters essen, konnte zwar schreiben, aber alle Aufzeichnungen wurden ihm sofort abgenommen.<br />
Seine Post wurde wochenlang zurückgehalten. Noch schlechter traf es <strong>Jahn</strong> in der Berliner<br />
Hausvogtei, in der die Zellen verwanzt waren. Hier genoß er aber den Besuch seiner Angehörigen<br />
und seiner Freunde, die ihm Bücher verschafften: er konnte wieder arbeiten. Eiselen besorgte ihm<br />
Hanteln und setzte durch, daß im Hof der Anstalt ein Barren aufgestellt wurde.<br />
Als eine Untersuchung über die Gründe der Verhaftung trotz aller Eingaben <strong>Jahn</strong>s an König, Minister<br />
und Ämter ausblieb, verfaßte Frau <strong>Jahn</strong> eine Bittschrift an das Kammergericht, das unter Vorsitz von<br />
E. T. A. Hoffmann einen Untersuchungsausschuß bildete. Dieser beantragte <strong>Jahn</strong>s Freilassung, weil