ungeschichtlichen Jahre - Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft
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ihm nichts Unrechtes nachzuweisen sei. Der Berliner Polizeidirektor von Kamptz ließ <strong>Jahn</strong> natürlich<br />
nicht frei. Um ein Urteil zu verhindern, ließ er die Akten verschwinden. (7) Auch von v. Kamptz war auf<br />
dem Wartenberg ein Buch verbrannt worden, außerdem wurde aus den beschlagnahmten<br />
Aufzeichnungen Fr. Liebers herausinterpretiert, <strong>Jahn</strong> hätte diesen zum Mord an v. Kamptz<br />
aufgefordert.<br />
Am 18. Februar 1820 sprach sich der Untersuchungsausschuß für <strong>Jahn</strong>s Entlassung aus. Die aus<br />
diesem Anlaß gebildete Ministerialkommission ordnete am 8. April 1820 die Fortdauer der Haft an, bis<br />
über eine doch mögliche Straffälligkeit rechtskräftig entschieden sei. Am 15. April, am 3. und am 18.<br />
Mai forderte Hoffmann nochmals <strong>Jahn</strong>s Entlassung (und drohte mit Rücktritt). Am 31. Mai wurde<br />
endlich durch höchste Kabinettsorder befohlen, daß <strong>Jahn</strong> nach Kolberg zu verbringen sei, wo er sich<br />
aber nur in Begleitung und unter Einhaltung enger Grenzen bewegen durfte. Der Stadtkommandant<br />
von Kolberg erhielt Befehl, <strong>Jahn</strong> strengstens zu überwachen, ihm jeglichen Verkehr mit jungen<br />
Menschen unmöglich zu machen und ihn bei Überschreitung dieser Vorschrift sofort in Festungshaft<br />
zu nehmen.<br />
Die Kolberger <strong>Jahre</strong>: 1820 bis 1825<br />
Am 12. Juni 1820 kam <strong>Jahn</strong> nach Kolberg. Die Polizeiaufsicht und Briefzensur wurden streng<br />
durchgeführt. Erleichterung gewann er dadurch, daß er Frau und Kind nachkommen lassen durfte.<br />
Von Kamptz gab die Verfolgung noch nicht auf. Durch Verbreitung häßlicher Gerüchte verstand er es,<br />
vor allem <strong>Jahn</strong>s Frau zu ängstigen: sein Ehrensold werde demnächst gestrichen, daß <strong>Jahn</strong> ein<br />
Familientyrann sei, der seine Frau quäle usw. Am 8. September 1823 starb <strong>Jahn</strong>s Gattin. Als sie in<br />
Berlin begraben wurde, durfte er den Sarg nicht begleiten.<br />
Die Akten des Falles <strong>Jahn</strong> wurden am 14. August 1821 an das dafür zuständige Königliche Ober- und<br />
Landesgericht in Breslau gesandt. Dort blieben sie allerdings bis zum 1. Mai 1822 unbearbeitet liegen.<br />
Erst nach viereinhalb <strong>Jahre</strong>n, am 13. Januar 1824, erging das Urteil. <strong>Jahn</strong>, der sich die Zeit mit<br />
Lektüre über die vorchristliche Germanenzeit und den Dreißigjährigen Krieg, mit Neugriechisch,<br />
Taubenzucht, Schachspiel und Tabakschnupfen vertrieben hatte, wurde mit zweijährigem<br />
Festungsarrest belegt. Begründung: „wiederholte, freche Äußerungen gegen Staat und Verfassung“.<br />
Der erlittene Arrest in Spandau, Küstrin, Berlin und Kolberg wurde nicht angerechnet. Man bedenke;<br />
wegen ’frecher Äußerungen’. Alle anderen Vorwürfe waren fallengelassen worden. <strong>Jahn</strong> legte<br />
Berufung ein, verfaßte eine Selbstverteidigung, in der er nachweist, daß und warum von Kamptz der<br />
Urheber dieses Unrechts und ’sein Feind’ sei. Bei der Abfassung erteilte ihm der Stadtsyndikus in<br />
Kolberg juristische Ratschläge. Die Selbstverteidigung ist erst nach seinem Tode in einem Leipziger<br />
Verlag im Druck erschienen (1863). Sie ist eine der besten Schriften <strong>Jahn</strong>s, und einige<br />
Gedankengänge seien wegen ihrer Aktualität zitiert:<br />
„Staaten sind zufällige Erscheinungen, die in einem Menschenleben gar oft entstehen und vergehen. Ein<br />
Volk kann in mehrere abgesonderte Staaten zerfallen, die ebenso leicht wieder zu einem einzigen<br />
Reiche zusammenfallen. Dabei bleibt das Volk eins. Will aber ein jähling aufgeschossener Dunkelstaat<br />
seine dermalige Staatigkeit als Volkstum geltend machen und an die Stelle des Volkes die<br />
Staatshörigkeit setzen, so macht er aus sich eine Gaukel- und Gaunerhölle“. (8)<br />
<strong>Jahn</strong> beschließt seine Verteidigungsschrift mit den Sätzen:<br />
„<strong>Jahn</strong> bittet nicht um Recht und bettelt nicht um Gerechtigkeit: das hieße seine und des Vaterlandes<br />
Sache schmähen und verkleinern. Die Nachwelt setzt jeden in sein Ehrenrecht; denn der Weltgeschichte<br />
Endurteil verjährt nicht und brachte noch allemal für verfolgte Unschuld, wenn auch verspätet, den<br />
Freispruch.“ (Ebd.)<br />
Die juristische Unwiderlegbarkeit der Darlegungen brachte <strong>Jahn</strong> am 15. März 1825 den Freispruch.<br />
Die ersten Freyburger <strong>Jahre</strong>: 1825 bis 1828<br />
<strong>Jahn</strong> wurden 1.000 Thaler Ehrengehalt zugesprochen. Sie sollten ihm aber nur ausgezahlt werden,<br />
wenn er Berlin und 10 Meilen in dessen Umkreis und jede Hochschul- und Gymnasialstadt als<br />
künftigen Aufenthaltsort mied. Außerdem blieb er unter Polizeiaufsicht, und das Eiserne Kreuz wurde<br />
ihm weiterhin vorenthalten. „Wo soll ich hinziehen?“ schreibt er am 2. April 1825 an seinen Lützow-<br />
Kameraden Mützell,