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münchen - Münchner Stadtmuseum

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<strong>münchen</strong><br />

2012 | Heft 22<br />

Neuer Deutscher Film<br />

Die rote Traumfabrik<br />

Jiři Trnka<br />

NS-Filmpropaganda<br />

Stimmen der Roma<br />

Tony Gatlif<br />

Dieter Wieland<br />

Hong Sangsoo<br />

Rudolf Thome<br />

Film und Psychoanalyse<br />

Fassbinders München<br />

Der Untergang der Titanic<br />

Architekturfilmtage<br />

Italienischer Neorealismus<br />

Wim Wenders<br />

Kölner Gruppe<br />

Lars von Trier<br />

Das Kino träumt<br />

Marilyn Monroe


Eintrittspreise<br />

4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Film länge<br />

oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Mi nu ten, mit<br />

Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag.<br />

Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt<br />

30 Minuten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen<br />

öffentlichen Ver anstal tungen bleibt ein Karten kon tin -<br />

gent für den freien Ver kauf an der Abendkasse reserviert.<br />

Restkarten von nicht abgeholten Reservierungen<br />

werden spätestens ab 20 Minuten vor Vorstellungs -<br />

beginn in den freien Verkauf gegeben.<br />

Kartenreservierung<br />

Kartenreservierungen sind ab vier Wochen im voraus<br />

möglich und können unter der Telefonnummer 089/<br />

233 96450 auf Band gesprochen werden. Persönliche<br />

Beratung am Telefon steht Ihnen während der Kas sen -<br />

öffnungszeiten nach Vorstellungsbeginn zur Verfügung.<br />

Vor be stellte Karten müssen bis 20 Minuten vor Vor -<br />

stellungs beginn an der Kasse abgeholt worden sein,<br />

ansonsten verfällt die Reservierung.<br />

Kartenvorverkauf<br />

Kartenvorverkauf ist ab vier Wochen im voraus möglich.<br />

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unmittelbar vor<br />

Vorstellungsbeginn bei starkem Besucherandrang kein<br />

Kartenvorverkauf möglich ist. Vorverkaufte Karten be -<br />

hal ten ihre Gültigkeit nur bis Vorstellungsbeginn. An der<br />

Abend kasse können vorverkaufte Karten bis 20 Mi -<br />

nuten vor Vorstellungsbeginn gegen Kosten erstattung<br />

wieder zurückgegeben werden.<br />

Saalmikrofon<br />

Das Kino ist mit einem Saalmikrofon zur Kontrolle des<br />

Kinotons durch die Filmvorführer ausgestattet.<br />

Mitgliedschaft<br />

Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert,<br />

kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums<br />

München, dem <strong>Münchner</strong> Filmzentrum e.V. (MFZ) werden.<br />

Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt<br />

zum ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur Teil -<br />

nahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ, in<br />

denen die Programmplanungen des Filmmuseums diskutiert<br />

und Projekte entwickelt werden. Mitglieds an -<br />

träge sind an der Kinokasse erhältlich. Die Termine der<br />

nächsten Mitgliederversammlungen des MFZ stehen in<br />

der Kalenderübersicht. Weitere In for mationen unter<br />

0176/50472957 oder www.filmzentrum-muenchen.de<br />

oder kontakt@muenchner-filmzentrum.de.<br />

Programmabonnement<br />

Das Kinoprogramm und aktuelle Newsletter können Sie<br />

im Internet unter www.filmmuseum-muenchen.de<br />

kostenlos abonnieren. Das Programmheft wird an Mit -<br />

glieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt. An -<br />

sonsten bitten wir um die Zusendung eines mit 1,45 €<br />

frankierten und adressierten DIN A5-Briefumschlages<br />

an die Adresse des Filmmuseums.<br />

Rollstuhlfahrer / Hörgeschädigte<br />

Der Kinosaal im Untergeschoss ist über einen Aufzug<br />

für Rollstuhlfahrer zugänglich. Die Behindertentoilette<br />

be findet sich im Untergeschoss neben dem Kino ein -<br />

gang. Das Kino ist mit einer Induktionsschleife für Hör -<br />

geräte besitzer ausgestattet.<br />

Verkehrsverbindung<br />

Sie erreichen das Filmmuseum in 3 Gehminuten vom<br />

U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 5 Gehminuten vom<br />

U-Bahnhof und der Tramhaltestelle Sendlinger Tor.<br />

»Open Scene« am Donnerstag<br />

Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Sonderveranstaltungen reserviert. Das Programm wird<br />

spätestens acht Tage vorher festgelegt und in den Schaukästen an der Kinokasse, im E-Mail-Newsletter, auf der<br />

Website www.filmmuseum-muenchen.de, auf Facebook und durch Ankündigungen in der Tagespresse bekannt -<br />

gegeben.<br />

Ausstellungen im Kinofoyer<br />

In den Schaukästen im Kinofoyer sind kleinere Fotoausstellungen zu sehen, die die Filmreihen und Kino ver -<br />

anstaltungen des Filmmuseums begleiten.<br />

Impressum<br />

Landeshauptstadt München. Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong>, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München,<br />

089/233 20538, filmmuseum@muenchen.de · Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Christoph Michel,<br />

Klaus Volkmer · Gestaltung: Heiner Gassen, München · Druck: Mediengruppe Universal, Allach


Kinoschließungen, Titanic, Oberhausen, NS-Filme<br />

Das Jahr 2012 begann mit der Nachricht, dass in München wieder zwei<br />

Kinos ihren Spielbetrieb einstellen werden: Das Atlantis, das Cineasten zu<br />

schätzen wussten, weil es untertitelte Originalfassungen der aktuellen Arthousefilme<br />

zeigt, wird Ende März seine Pforten schließen. Das Areal wird<br />

umgebaut und anschließend lukrativer genutzt werden. Die Schließung von<br />

Kinos in der <strong>Münchner</strong> Innenstadt ist eine traurige Entwicklung, die ständig<br />

voranschreitet: Türkendolch, Filmcasino, Tivoli. Es trifft einen Typ von Kino,<br />

dessen große Zeit in den 1960er und 1970er Jahren gelegen hat: Das sorgfältig<br />

geführte Haus mit ausgesuchten Filmen, das ein individuell gestaltetes,<br />

exklusives Programm anbot.<br />

In Zeiten beschleunigter Filmauswertung können Kinos heute kaum noch ein<br />

individuelles Profil entwickeln, attraktive Filme »exklusiv« anbieten oder auf<br />

ein treues Stammpublikum bauen. Das Feld, das dem Filmmuseum überlassen<br />

wird, wächst deshalb beständig: Es ist nicht nur ein Ort für große Retrospektiven<br />

und die Aufarbeitung von Filmgeschichte, sondern immer mehr<br />

auch ein Forum für die ganze Breite aktueller filmischer Entwicklungen.<br />

Gleichzeitig wird die Programmgestaltung immer schwieriger, da viele<br />

Rechtsinhaber keine spielbaren Filmkopien mehr zur Verfügung stellen, aber<br />

horrende Lizenzpreise für einzelne Aufführungen verlangen.<br />

Trotz allem zelebrieren aktuelle Filme nostalgisch die Kinogeschichte, von<br />

denen wir einige Beispiele unter dem Titel »Das Kino träumt« im Juni vorstellen.<br />

Dabei bietet das neue Programm immer wieder interessante Querbezügen<br />

und Verknüpfungen: Der in dieser Reihe gezeigte Film MY WEEK<br />

WITH MARILYN verweist direkt auf die Monroe-Retrospektive, die im Juli anlässlich<br />

ihres 50. Todestages stattfindet. Der Monroe-Klassiker SOME LIKE IT<br />

HOT findet sich auch in der Reihe »Film & Psychoanalyse«, die sich der Filmkomödie<br />

widmet. Das Programm zum 100-jährigen Untergang der Titanic<br />

war längst geplant, als plötzlich die Katastrophe um die Costa Concordia die<br />

Schlagzeilen füllte. Alexander Kluge hat dies zum Anlass genommen, zusammen<br />

mit Helge Schneider einen aktuellen Beitrag zum Thema zu drehen, der<br />

am 14. April im Filmmuseum seine Premiere haben wird.<br />

Kluge ist auch einer der 26 Unterzeichner des Oberhausener Manifests, das<br />

den Anfang des Neuen Deutschen Films prägte und am 26. Februar in einer<br />

Festveranstaltung im Filmmuseum gefeiert wird. Die jungen Filmemacher<br />

grenzten sich damals ganz vehement gegen »Opas Kino« ab, das vom Kino<br />

der NS-Zeit geprägt war. Über den Umgang mit den NS-Propagandafilmen<br />

wird vom 16. bis 18. März in einem Symposium diskutiert, dem sich eine<br />

Reihe mit »Vorbehaltsfilmen« anschließt, die nur mit Einschränkungen zugänglich<br />

sind.<br />

Rudolf Thome wird seinen neuen Film INS BLAUE als Vorpremiere anlässlich<br />

einer Retrospektive der Filme von Hong Sangsoo vorstellen, den er sehr<br />

schätzt.<br />

Es gibt noch einiges mehr im Programm zu entdecken. Wir danken allen Filmemachern,<br />

Produzenten, Archiven, Autoren, Zuschauern und Unterstützern,<br />

die dies ermöglicht haben. Und wir wünschen allen Besuchern viele spannende<br />

und informative Kinoerlebnisse.<br />

Ihr Filmmuseum<br />

3 Neuer Deutscher Film . . . .<br />

8 Die rote Traumfabrik . . . .<br />

13 Jiří Trnka . . . .<br />

16 NS-Filmpropaganda . . . .<br />

24 Stimmen der Roma . . . .<br />

24 Tony Gatlif . . . .<br />

28 Dieter Wieland . . . .<br />

32 Hong Sangsoo . . . .<br />

36 Rudolf Thome . . . .<br />

39 Film und Psychoanalyse . . . .<br />

41 Fassbinders München . . . .<br />

46 Der Untergang der Titanic . . . .<br />

49 Architekturfilmtage . . . .<br />

55 Italienischer Neorealismus . . . .<br />

63 Wim Wenders . . . .<br />

64 Kölner Gruppe . . . .<br />

68 Lars von Trier . . . .<br />

75 Das Kino träumt . . . .<br />

77 Zuschauerkino . . . .<br />

78 Marilyn Monroe . . . .<br />

86 Kalenderübersicht . . . .<br />

R = Regie · B = Drehbuch · K = Kamera<br />

· M = Musik · S = Schnitt ·<br />

D = Darsteller · P = Produktion ·<br />

OmU = Originalfassung mit deutschen<br />

Untertiteln · OmeU = Originalfassung<br />

mit englischen Untertiteln ·<br />

OmfU = Originalfassung mit französischen<br />

Untertiteln · OmÜ = Origi -<br />

nalfassung mit deutscher Über -<br />

setzung · dtF = deutsche Synchronfassung<br />

· UT = Untertitel · B/s = Bilder<br />

pro Sekunde · © = Copyright


Rückblick<br />

13. September 2011: Slavoj Zizek spricht über »Hollywood as an<br />

ideological State Apparatus« und führt in den Film eAgle eye –<br />

AUSSeR KOnTROlle (2008) von Daniel John caruso ein.<br />

14. Oktober 2011: cristi puiu und die moderatorin irene Rudolf<br />

nach der vorführung von puius Film AURORA, der das Festival<br />

»neue Filme aus Rumänien« eröffnete.<br />

14. Dezember 2011: Ulli lommel unterhält sich mit Stefan Drößler<br />

über die produktion seines Spielfilms ADOlF UnD mARlene mit<br />

Rainer Werner Fassbinder in einer der Hauptrollen.<br />

16. Dezember 2011: Takashi Koizumi berichtet nach der Aufführung<br />

seines Films Ame AgARU – nAcH Dem Regen (1999)<br />

von seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Akira Kurosawa.<br />

12. Januar 2012: margarethe von Trotta stellt sich anlässlich der<br />

Retrospektive ihrer Filme im ausverkauften Filmmuseum den Fragen<br />

des publikums zu ihrem Film Die bleieRne ZeiT (1981).<br />

18. Januar 2012: Olivier Assayas begleitet die Retrospektive seiner<br />

Filme und stellt im Filmmuseum iRmA vep (1996), seine Hommage<br />

an das Stummfilmserial leS vAmpiReS, persönlich vor.


1962: Anfänge des Neuen Deutschen Films<br />

Am 28. Februar 1962 wurde in einer Pressekonferenz<br />

der 8. Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen ein<br />

Manifest verlesen, das eine unerwartet große Presse -<br />

resonanz auslöste und heute als Anfang des Neuen<br />

Deutschen Films gilt:<br />

Der Zusammenbruch des konventionellen deutschen<br />

Films entzieht einer von uns abgelehnten Geisteshaltung<br />

endlich den wirtschaftlichen Boden. Dadurch hat<br />

der neue Film die Chance, lebendig zu werden.<br />

Deutsche Kurzfilme von jungen Autoren, Regisseuren<br />

und Produzenten erhielten in den letzten Jahren eine<br />

große Zahl von Preisen auf internationalen Festivals<br />

und fanden Anerkennung der internationalen Kritik.<br />

Diese Arbeiten und ihre Erfolge zeigen, dass die Zukunft<br />

des deutschen Films bei denen liegt, die bewiesen<br />

haben, dass sie eine neue Sprache des Films sprechen.<br />

Wie in anderen Ländern, so ist auch in Deutschland der<br />

Kurzfilm Schule und Experimentierfeld des Spielfilms<br />

geworden.<br />

Wir erklären unseren Anspruch, den neuen deutschen<br />

Spielfilm zu schaffen.<br />

Dieser neue Film braucht neue Freiheiten. Freiheit von<br />

den branchenüblichen Konventionen. Freiheit von der<br />

Beeinflussung durch kommerzielle Partner. Freiheit von<br />

der Bevormundung durch Interessengruppen.<br />

Wir haben von der Produktion des neuen deutschen<br />

Films konkrete geistige, formale und wirtschaftliche<br />

Vorstellungen. Wir sind gemeinsam bereit, wirtschaftliche<br />

Risiken zu tragen.<br />

Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.<br />

Bodo Blüthner (8), Boris von Borresholm (2),<br />

Christian Doermer, Bernhard Dörries (1), Heinz<br />

Furchner, Rob Houwer (19), Ferdinand Khittl (15),<br />

Alexander Kluge (5), Pitt Koch, Walter Krüttner (7),<br />

Dieter Lemmel (17), Hans Loeper (6), Ronald<br />

Martini, Hansjürgen Pohland, Raimund Ruehl (10),<br />

Edgar Reitz (3), Peter Schamoni (13), Detten<br />

Schleiermacher (16), Fritz Schwennicke (12),<br />

Haro Senft (4), Franz-Josef Spieker (18), Hans<br />

Rolf Strobel (14), Heinz Tichawsky (9), Wolfgang<br />

Urchs (11), Herbert Vesely, Wolf Wirth (20)<br />

13<br />

12<br />

9<br />

14<br />

10<br />

8<br />

7<br />

11<br />

6<br />

5<br />

18<br />

15 16<br />

17<br />

Unterzeichnet war das Dokument von 26 Filmemachern,<br />

Kameramännern, Filmkomponisten, Produzenten<br />

und einem Schauspieler, die alle bis auf eine Ausnahme<br />

(Hansjürgen Pohland) aus München stammten.<br />

Der Text war denn auch fünf Tage vorher in München<br />

aufgesetzt worden, wo sich die meisten der Unterzeichner<br />

regelmäßig im China-Restaurat Hongkong in der<br />

Tengstraße trafen. Die Forderungen nach einem<br />

»neuen Film«, nach »künstlerischer Freiheit« und »wirtschaftlicher<br />

Unabhängigkeit« der Filmemacher und der<br />

Einrichtung eines Kuratoriums wurden erstmals 1957<br />

von Herbert Vesely, Haro Senft und Heiner Braun auf -<br />

gestellt, die die offene Handelsgesellschaft Filmform<br />

gründeten. 1959 wurden diese Forderungen von Filmemachern<br />

aufgegriffen und in regelmäßigen Treffen weiterdiskutiert,<br />

die zur Gründung des gemeinnützigen Vereins<br />

DOC 59 – Gruppe für Filmgestaltung führten.<br />

Neben vielen der späteren Unterzeichnern des Oberhausener<br />

Manifests gehörte zu den Gründungsmitgliedern<br />

auch der Filmkritiker und spätere Leiter des Filmmuseums<br />

München, Enno Patalas.<br />

Dass 1962 die Oberhausener Kurzfilmtage als Plattform<br />

für die Verlesung des Manifests gewählt wurde,<br />

war nicht zufällig: In einer von der Altbranche kontrollierten<br />

deutschen Filmwirtschaft und Kinolandschaft<br />

gab es keine andere Möglichkeiten für junge Filme -<br />

macher, jenseits des kommerziellen Mainstreams hergestellte<br />

Filme zu sehen. Das von der SPD regierte<br />

4<br />

19<br />

20<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Neuer Deutscher Film<br />

3


Neuer Deutscher Film<br />

4<br />

»rote Oberhausen« stellte das Festival unter das Motto<br />

»Weg zum Nachbarn« und bot mitten im restaurativen<br />

Klima des Wirtschaftswunders und des Kalten Krieges<br />

ein Forum der Diskussion, das künstlerische Aspekte,<br />

ästhetische Diskussionen und politisches Engagement<br />

in den Vordergrund stellte.<br />

In Zeiten von PCs, Internet und Handys mit eingebauten<br />

Kameras ist es nur noch schwer vorstellbar, wie mühsam<br />

und schwierig es war, in den 1950er und 1960er<br />

Jahren einen Film zu drehen: Es gab nur wenige Filmkameras,<br />

das Filmmaterial war teuer, man benötigte<br />

Schneidetische, um die separat aufgenommenen Bilder<br />

und Töne zusammenzubringen, der Zugang zu Filmkopierwerken<br />

blieb versperrt, wenn man keine finanziellen<br />

Sicherheiten bieten konnte. Filme konnten ausschließlich<br />

in Filmclubs oder Kinos vorgeführt werden,<br />

wobei letztere ausschließlich auf Umsatz ausgerichtet<br />

waren. Nur wenn ein fertig produzierter Kurzfilm ein<br />

Prädikat bekam, hatte er die Chance, von einem Filmverleih<br />

angekauft und als Vorfilm in die Kinos gebracht<br />

zu werden: Als Vorfilm eines nicht prädikatisierten<br />

Hauptfilms ermöglichte er den Kinobesitzern, in den Genuss<br />

von Vergnügungssteuer-Ermäßigungen zu kommen.<br />

Erhielt ein Film kein Prädikat, war ihm der Weg<br />

ins Kino versperrt, und er konnte seine Produktions -<br />

kosten nicht einspielen. Radikale inhaltliche oder formale<br />

Experimente waren kaum möglich.<br />

Das Oberhausener Manifest fand zwar Beachtung in<br />

den Medien, doch wurden die Unterzeichner von der<br />

Filmbranche nicht sonderlich ernst genommen, sondern<br />

eher belächelt und als »Obermünchhausener«<br />

verspottet. Es dauerte einige Jahre bis neue Filmför -<br />

derungsbedingungen durchgesetzt waren und 1966<br />

die ersten Langfilme mit internationalen Preisen aus -<br />

gezeichnet wurden. Nicht alle Unterzeichner des Oberhausener<br />

Manifests konnten später eigene abendfüllende<br />

Spielfilme drehen, einige blieben beim Kurzfilm,<br />

andere verstarben früh. Es war vor allem eine neue<br />

Generation von Filmemachern, die von den Grundlagen<br />

profitierte, die die »Oberhausener« schufen: Vlado<br />

Kristl, Werner Herzog, Volker Schlöndorff, Ulrich Schamoni,<br />

Rainer Werner Fassbinder, Peter Fleischmann,<br />

Wim Wenders, Werner Schroeter, Rudolf Thome, Klaus<br />

Lemke. Der Neue Deutsche Film wurde Ende der<br />

1960er Jahre zu einem Markenzeichen, das weltweit<br />

beachtet wurde.<br />

Heute leben noch zehn der Pioniere, und einige wie Alexander<br />

Kluge, Edgar Reitz, Rob Houwer, Hansjürgen<br />

Pohland und Christian Doermer sind noch ungebrochen<br />

aktiv. Wir freuen uns, dass fast alle zugesagt<br />

haben, ins Filmmuseum zu kommen, zumal das Filmmuseum<br />

die Entwicklung des Neuen Deutschen Films<br />

immer kritisch begleitet und viele wichtige Werke in<br />

seine Sammlung aufgenommen hat. Die Filmreihe »Die<br />

Anfänge des Neuen Deutschen Films« beschränkt sich<br />

nicht nur auf Filme der Unterzeichner des Oberhausener<br />

Manifests, sondern zeigt auch Filme, die im Umfeld<br />

entstanden sind. Selbst ein »Altproduzent« wie Arthur<br />

Brauner ließ sich offenbar von der Aufbruchsstimmung<br />

beeinflussen und ermöglichte 1961 den verblüffenden<br />

Ausnahmefilm ZU JUNG FÜR DIE LIEBE?!, bei dem zum<br />

ersten Mal im Nachkriegsdeutschland eine Frau für die<br />

Regie verantwortlich zeichnen durfte. Viele der Filme<br />

des Programms wurden 2007 »wiederentdeckt«, als<br />

das Filmmuseum sie für seine wegweisende Retrospektive<br />

»Deutsche Filmavantgarde nach 1945« erstmals<br />

wieder öffentlich präsentierte.<br />

Das Festival von Oberhausen verlor schon sehr bald<br />

nach 1962 seine Funktion als das zentrale Forum für<br />

den Filmnachwuchs, andere Festivals wie die Hamburger<br />

Filmschau und die Mannheimer Filmwoche übernahmen<br />

diese Funktion. Die etablierten »Jungfilmer«<br />

reichten ihre Filme auf den »großen« Filmfestivals in<br />

Cannes, Berlin und Venedig ein oder gingen zum Fernsehen.<br />

Unbestrittenes Zentrum des Neuen Deutschen<br />

Films in den 1960er Jahren aber war München, das bis<br />

heute Standort der meisten deutschen Filmproduktionsfirmen<br />

geblieben ist.<br />

Stefan Drößler<br />

MÜNCHEN EHRT DIE UNTERZEICHNER DES OBER-<br />

HAUSENER MANIFESTS – Am 28. Februar 1962 verkündeten<br />

26 Jung filmer, die sich in München als<br />

Gruppe zusammengeschlossen hatten, auf dem Kurzfilmfestival<br />

in Oberhausen: »Papas Kino ist tot, wir<br />

machen den Neuen Deutschen Film!« Ihre folgenreiche,<br />

revolutionäre Erneuerungsbewegung ist einzigartig in<br />

der Filmgeschichte Deutschlands und jährt sich jetzt<br />

zum 50. Mal. Aus diesem Anlass lädt der Oberbürgermeister<br />

der Stadt München zu einem Festakt mit<br />

anschließendem Empfang ein, zu dem Bernhard<br />

Dörries, Rob Houwer, Alexander Kluge, Dieter Lemmel,<br />

Ronald Martini, Hansjürgen Pohland, Edgar Reitz und<br />

Wolfgang Urchs erwartet werden. Ausschnitte aus Fernsehberichten<br />

und Wochenschauen zeigen die Ereignisse<br />

von Anfang der 1960er Jahre, Ausschnitte aus<br />

den Filmen der Unterzeichner des Oberhausener Manifests<br />

werden vorgestellt und von den Filme machern<br />

kommentiert, die Ansprache hält Oberbürgermeister<br />

Dr. Christian Ude.<br />

▶ Sonntag, 26. Februar 2012, 11.00 Uhr (für geladene<br />

Gäste, Restkarten nur an der Tageskasse)


WAS DU ERERBT VON DEINEN VÄTERN – BRD 1957<br />

– R+B: Hansjürgen Pohland – K: Joachim Onnasch,<br />

Otto Trippel – M: Richard Stauch – D: Werner Finck –<br />

9 min – MAYA. EIN FILM VOM DEUTSCHEN FILM-<br />

NACHWUCHS – BRD 1958 – R+B: Hans C. Opfermann,<br />

Walter Koch – K: Fritz Schwennicke – M: Marc<br />

Roland – D: Werner Finck, Iga Caine, Klaus Kindler,<br />

Klaus Havenstein, Sylvia Bossert – 106 min – Drei<br />

junge Leute in München, Regisseur Stefan, Kameramann<br />

Klaus und Schauspielerin Maya drehen einen<br />

Film. Dabei entzweien sich Stefan und Maya, die eigentlich<br />

ineinander verliebt sind. Auf der Suche nach<br />

Maya gelangt Stefan in Studios, Büros, Ateliers, ein Museum<br />

und einen Jazzkeller, wodurch sich die Gelegenheit<br />

bietet, von Werner Finck anmoderierte »Avantgardefilme«<br />

des »deutschen Film-Nachwuchses« vorzustellen:<br />

DIE GEBURT DES LICHTS – R+B+K: Franz<br />

Schömbs – M: Marc Roland – BRUDER TIMOFEI –<br />

R+B+K: Wolf Schneider – DIE BRÜCKE – BRD 1958 –<br />

R+B: Haro Senft – K: Wolf Schneider – M: Siegfried<br />

Franz – D: Maya Maisch – PRELUDE – R+B: Herbert<br />

Vesely – K: Herbert List, Hugo Jehle – M: Hans-Martin<br />

Majewski – D: Wiet Polar, Heino Hallhuber, Cora Montez<br />

– FILMETUDE – R+B: Hans C. Opfermann – M: Peter<br />

Tschaikowsky – SPIELZEUGTRAUM – R+B+K: Walter<br />

Koch – M: Theta Wolfram – Die letzte Episode des<br />

Films wurde im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> gedreht.<br />

▶ Mittwoch, 29. Februar 2012, 21.00 Uhr<br />

SCHICKSAL EINER OPER – BRD 1958 – R+B+K:<br />

Bernhard Dörries, Edgar Reitz, Stefan Meuschel – 11<br />

min – EINE STADT FEIERT GEBURTSTAG – BRD 1958<br />

– R: Ferdinand Khittl – B: Ferdinand Khittl, Enno Patalas<br />

– K: Fritz Schwennicke – M: Hans Posegga – 15 min –<br />

MENSCHEN IM ESPRESSO – BRD 1958 – R: Herbert<br />

Vesely – B: Wilfried Berghahn – K: Wolf Wirth – 17 min<br />

– DAS BEGRÄBNIS – BRD 1960 – R+B+K: Rob Houwer<br />

– M: Hans Loeper – D: Hans Loeper, Ludwig Pieger,<br />

Richard Grabmeier – 10 min – GESICHT VON DER<br />

STANGE? – BRD 1961 – R: Raimond Ruehl – B: Raimond<br />

Ruehl, Detten Schleiermacher – K: Pitt Koch –<br />

M: Hans Posegga – D: Monika Feldenau – 13 min –<br />

MADELEINE, MADELEINE – BRD 1963 – R+B: Vlado<br />

Kristl – K: Wolf Wirth – M: Erich Ferstl – D: Madeleine<br />

Sommer, Elisabeth Holzner, Rolf Huber, Marika Silbernagl<br />

– 13 min – … UND DANN BYE BYE … – BRD<br />

1965 – R+B: Marran Gosov – K: Christian Schwarzwald<br />

– D: Stanislaw Ledinek, Nora Minor – 12 min –<br />

Geschichten von Kindern und Jugendlichen. Spiele und<br />

Träume, Anpassung an den Ernst des Lebens. – DER<br />

STADTSTREICHER – BRD 1966 – R+B: Rainer Werner<br />

Fassbinder – K: Josef Jung – D: Christoph Roser, Susanne<br />

Schimkus, Michael Fengler, Irm Hermann, Rainer<br />

Werner Fassbinder – 10 min – Geschichten aus München:<br />

Die Kriegsschäden, die Feierlichkeiten zum<br />

800. Geburtstag der Stadt, das Oktoberfest, Beobachtungen<br />

in einem Künstlertreff an der Leopoldstraße,<br />

Erlebnisse junger Leute in den Straßen der Stadt und<br />

im Englischen Garten.<br />

▶ Freitag, 2. März 2012, 21.00 Uhr<br />

BRUTALITÄT IN STEIN – BRD 1961 – R+B: Alexander<br />

Kluge, Peter Schamoni – K: Wolf Wirth – M: Hans Posegga<br />

– 11 min – DIE GARTENZWERGE – BRD 1961<br />

– R: Wolfgang Urchs – B: Boris von Borresholm, Peter<br />

Schamoni – K: Wolfgang Urchs – M: Hans Posegga –<br />

10 min – NOTIZEN AUS DEM ALTMÜHLTAL – BRD<br />

1961 – R+B+K: Hans Rolf Strobel, Heinrich Tichawsky<br />

– 18 min – MACHORKA-MUFF – BRD 1962 – R+B:<br />

Jean-Marie Straub, Danièle Huillet nach der Erzählung<br />

»Hauptstädtisches Journal« von Heinrich Böll – K: Wendelin<br />

Sachtler – D: Erich Kuby, Renate Lang, Rolf Thiede<br />

– 17 min – ES MUSS EIN STÜCK VOM HITLER SEIN –<br />

BRD 1963 – R+B: Walter Krüttner – K: Fritz Schwennicke<br />

– M: Erich Ferstl – 12 min – DIE WECHSLER IM<br />

TEMPEL – BRD 1965 – R: Horst Manfred Adloff – B:<br />

Horst Manfred Adloff, Franz-Josef Spieker – 15 min –<br />

WAHLKAMPF – MADE IN GERMANY – BRD 1966 – R:<br />

Hansjürgen Hilgert – B: Hans-Hermann Köper – K: Bert<br />

Meister – 12 min – Erste Versuche der Auseinandersetzung<br />

mit der NS-Vergangenheit: Suche nach Spuren<br />

und Aufdeckung von Kontinuitäten, aufklärerische Kommentare,<br />

Satire, Ironie und Spott. Kritische Blicke auf<br />

die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft, in der das<br />

»Wirtschaftswunder« gefeiert wird und alte Strukturen<br />

wieder aufgebaut werden. Der Film DIE WECHSLER IM<br />

TEMPEL wurde wegen »Beleidigung religiöser Gefühle«<br />

von der FSK für öffentliche Vorführungen nicht zugelassen.<br />

▶ Samstag, 3. März 2012, 21.00 Uhr<br />

SONNABEND 17 UHR – BRD 1966 – R: Ula Stöckl – K:<br />

Alfred Tichawsky – 17 min – Die erste Filmemacherin<br />

aus dem Umfeld der »Jungfilmer« war Ula Stöckl. In<br />

SONNABEND 17 UHR geben Abiturientinnen in Schwabing<br />

Auskunft, wie sie das Wochenende verbringen und<br />

wie ihr »Lebensglück« aussieht. – ZU JUNG FÜR DIE<br />

LIEBE?! – BRD 1961 – R: Erica Balqué – B: Eberhard<br />

Keindorff, Johanna Sibelius, Helmut Käutner, nach<br />

einer Erzählung von Helga von Wangenheim – K: Igor<br />

Oberberg – M: Ernst Simon – D: Loni von Friedel, Heinz<br />

Blau, Wolfgang Reichmann, Adelheid Seeck, Helmut<br />

Neuer Deutscher Film<br />

5


Neuer Deutscher Film<br />

6<br />

Käutner, Berta Drews – 93 min – Das völlig unbeachtet<br />

gebliebene Regiedebüt von Erica Balqué ist der erste<br />

Film im westdeutschen Nachkriegskino, bei dem eine<br />

Frau Regie führte. Es ist ein erfrischendes Drama mit<br />

pointierten Dialogen um ein minderjähriges Paar, das<br />

ein Kind erwartet und deshalb unbedingt heiraten<br />

möchte – und gegen vorurteilsbeladene Erwachsene<br />

und die staatliche Gesetzgebung zu kämpfen hat. »Im<br />

Prinzip bin ich der Meinung, dass Filmregie eine Männersache<br />

ist. Die erforderliche Geistesgegenwart, die<br />

Verantwortung für das Geld, für den reibungslosen Ablauf<br />

der Dreharbeiten – das erfordert schon eine männliche<br />

Hand. Dennoch bin ich nicht der Ansicht, dass<br />

eine Frau das nicht auch kann; es kommt freilich wohl<br />

letzten Endes immer auf den Charakter des jeweiligen<br />

Filmstoffes an.« (Erica Balqué)<br />

▶ Sonntag, 4. März 2012, 21.00 Uhr<br />

PRESSEKONFERENZ IN CANNES – BRD 1962 – mit<br />

Christian Doermer, Herbert Vesely, Hansjürgen Pohland<br />

– 11 min – DAS BROT DER FRÜHEN JAHRE – BRD<br />

1962 – R: Herbert Vesely – B: Herbert Vesely, Leo Ti,<br />

nach dem Roman von Heinrich Böll – K: Wolf Wirth –<br />

M: Attila Zoller, Joachim Ernst Behrendt – D: Christian<br />

Doermer, Karen Blanguernon, Vera Tschechowa, Elke<br />

Siegel, Gerry Bretscher – 89 min – Der erste offizielle<br />

»Junge Deutsche Film« erlebte seine Uraufführung bei<br />

den Filmfestspielen in Cannes. Vesely orientierte sich<br />

an den Stilmitteln der Nouvelle Vague. Er übertrug Bölls<br />

Geschichte vom Waschmaschinen-Monteur, der eines<br />

Tages aus seinem geregelten Alltag und der Ehe mit<br />

seiner Frau Ulla ausbricht, von der unmittelbaren Nachkriegszeit<br />

in die Gegenwart der Bundesrepublik Anfang<br />

der 1960er Jahre. »Böll schrieb Dialoge und Sprachtexte<br />

für den Film, wobei er darauf achtete, daß nie Partei<br />

ergriffen wird. Selbst Ulla, die fest in der Präsenta -<br />

tions- und Konsumgesellschaft steht, wird nicht angeklagt.<br />

Herbert Vesely arbeitet die Gedanken, Gefühle<br />

und Positionen der Charaktere vor allem mit voice-over<br />

heraus, dabei kommen alle Positionen zu Wort. Zu den<br />

narrativen Neuerungen im Film zählen besonders das<br />

unchronologische Erzählen, was keine Schwierigkeiten<br />

beim Zuschauen bereitet, aber dennoch zu unkonventionellem<br />

Sehen zwingt: neu Sehen lernen, neu Hören<br />

lernen, neu Verstehen lernen.« (Jennifer Borrmann)<br />

▶ Dienstag, 6. März 2012, 21.00 Uhr<br />

»… GEIST UND EIN WENIG GLÜCK« – BRD 1965 –<br />

R+B: Ulrich Schamoni – K: Petrus Schloemp – mit<br />

Peter Bamberger, Arthur Brauner, Rudolf Noelte, Ferdinand<br />

Khittl, Carl Lamb, Luise Albertz, Hilmar Hoffmann,<br />

Haro Senft, Alexander Kluge, Anton Kochs, Norbert<br />

Kückelmann, Walter Schmieding, Bert Haanstra, Jerzy<br />

Bossak, Jacov Lindt, Franz Josef Spieker, Vlado Kristl,<br />

Peter Schamoni, Enno Patalas, Uwe Nettelbeck, Ulrich<br />

Gregor, Günter Seuren, Klaus Lemke, Rudolf Thome –<br />

30 min – NEUER DEUTSCHER FILM REPORT – BRD<br />

1967 – R+B: Ferry Radax – K: Peter Scheiblin – mit<br />

Vlado Kristl, Peter Genée, Haro Senft, Werner Herzog,<br />

Volker Schlöndorff, Peter Schamoni, Horst Manfred<br />

Adloff, Hansjürgen Pohland, George Moorse – 21 min –<br />

DIE ERBEN VON PAPAS KINO – BRD 1968 – R+B: Wilhelm<br />

Roth – K: Peter Kodera – mit Rob Houwer, Hans<br />

Rolf Strobel, Peter Schamoni, Norbert Kückelmann,<br />

Hans Toussaint, Alexander Kluge, Werner Herzog, Marran<br />

Gosov, Fred Hoffmann, Edgar Reitz – 28 min –<br />

BESONDERS WERTVOLL – BRD 1968 – R+B+K: Hellmuth<br />

Costard – mit Hellmuth Costard, Edda Costard,<br />

Hans Toussaint – 11 min – VERRÄTER DES JUNGEN<br />

DEUTSCHEN FILMS SCHLAFEN NICHT – BRD 1982 –<br />

R+B+K: Vlado Kristl – 7 min – Fernseh berichte, die<br />

mal ironisch, mal nüchtern die Situation der »Jung -<br />

filmer« beleuchten: Bilder vom Festival von Oberhausen<br />

und von der Mannheimer Filmwoche, Interviews mit<br />

Filmemachern und filmische Polemiken gegen die Filmförderungsbürokratie.<br />

Hellmuth Costards Pamphlet<br />

BESONDERS WERTVOLL wird beim Oberhausener<br />

Filmfestival nicht zugelassen und verursacht einen<br />

Skandal.<br />

▶ Mittwoch, 7. März 2012, 21.00 Uhr


GESCHWINDIGKEIT – BRD 1963 – R+B: Edgar Reitz –<br />

K: Edgar Reitz, Thomas Mauch – M: Josef Anton Riedl –<br />

13 min – »Wenn wir die uns umgebende Wirklichkeit<br />

im Film abbilden, beziehen wir Stellung zu ihr. So betrachtet<br />

verändert die Welt ihr Aussehen auf überraschende<br />

Weise. Geschwindigkeit ist eine neue Realität.<br />

Sie mußte in der Sprache des Films formuliert werden.<br />

Im Bereich der Geschwindigkeit finden wir eine unseren<br />

Vorstellungen gemäße Ansicht der Erdoberfläche.<br />

Die Sinnwidrigkeit von provinziellen Begrenzungen wird<br />

offensichtlich.« (Edgar Reitz) – ABSCHIED VON GES-<br />

TERN – BRD 1966 – R+B: Alexander Kluge, nach seiner<br />

Erzählung »Anita G.« – K: Thomas Mauch, Edgar<br />

Reitz – D: Alexandra Kluge, Hans Korte, Edith Kuntze-<br />

Paleggio, Josef Kreindl, Eva Maria Meineke, Alfred Edel<br />

– 88 min – »Ein junges Mädchen, Anita G. Ihre Eltern<br />

wurden im ›Dritten Reich‹ eines Morgens abgeholt. Sie<br />

kommt aus dem Osten. Jetzt friert sie sich durch den<br />

Westen. Dreierlei Deutschland.« (Alexander Kluge)<br />

»ABSCHIED VON GESTERN ist der Film von jemandem,<br />

der das Kino gerade entdeckt hat und mit aller Unbefangenheit<br />

das macht, was andere nur unter großen<br />

Anstrengungen im Kampf mit dem vergangenen Kino<br />

fertig bringen: neue Ausdrucksmittel finden. Das macht<br />

sie barbarisch neu. In gewisser Weise ist Kluges Verhältnis<br />

zur Kinogeschichte ein ähnliches wie das seiner<br />

Anita G. zur deutschen Geschichte.« (Frieda Grafe)<br />

▶ Dienstag, 13. März 2012, 21.00 Uhr<br />

KLEINE FRONT – BRD 1965 – R: Klaus Lemke – B:<br />

Klaus Lemke, Max Zihlmann – K: Hubs Hagen – D: Werner<br />

Enke, Horst Söhnlein, Heinz Klopp, Uta Pausch –<br />

17 min – »Mein erster Film. Und gleich sofort drei<br />

Jungs zwischen Größenwahn und scheinbar falsch verstandenem<br />

amerikanischen Kino. Werner Enke als Belmondo.«<br />

(Klaus Lemke) – DIE TOTE VON BEVERLY<br />

HILLS – BRD 1964 – R: Michael Pfleghar – B: Peter Laregh,<br />

Hansjürgen Pohland, Michael Pfleghar, nach der<br />

Novelle von Curt Goetz – K: Ernst Wild – M: Heinz Kiessling<br />

– D: Heidelinde Weiss, Klausjürgen Wussow, Horst<br />

Frank, Wolfgang Neuss, Ernst Fritz Fürbringer –<br />

109 min – »Der brillanteste deutsche Debütfilm der frühen<br />

1960er Jahre. Keinem Vorbild verpflichtet und nur<br />

auf den Strategien seiner frühen Fernseh-Shows aufbauend,<br />

verwandelt Michael Pfleghar die Realität so,<br />

dass sie der auf schwindelerregende Gipfel getriebene<br />

Vorstellungswelt seiner Figuren und Kinoerfahrung seiner<br />

Zuschauer sowie ihrem eigenen, verborgenen Sinn -<br />

gehalt entspricht. Alles ist so, wie es sein könnte, sein<br />

sollte, sein müßte; und diese Phantasie-Ebenen der<br />

Realität werden mit völlig realistischen Mitteln dar -<br />

gestellt. Und dabei schafft es Pfleghar mit traumwandlerischer<br />

Sicherheit, die pikante Sinnlichkeit der Lolita-<br />

Geschichte, den Thrill der Krimi-Story und den Witz der<br />

Satire zu einem Ganzen zu integrieren; die Spannung<br />

hat Komik, und das Komische bringt das Sinnliche nie<br />

um seine Wirkung.« (Joe Hembus)<br />

▶ Dienstag, 20. März 2012, 21.00 Uhr<br />

DAS MAGISCHE BAND – BRD 1959 – R: Ferdinand<br />

Khittl – B: Bodo Blüthner, Ferdinand Khittl, Ernst von<br />

Khuon – K: Ronald Martini – M: Oscar Sala – D: Margot<br />

Trooger, Ferdinand Khittl – 21 min – DIE PARALLEL-<br />

STRASSE – BRD 1962 – R: Ferdinand Khittl – B: Bodo<br />

Blüthner – K: Ronald Martini – M: Hans Posegga – D:<br />

Friedrich Joloff, Ernst Marbeck, Wilfried Schröpfer,<br />

Henry van Lyck, Werner Uschkurat, Herbert Thiede –<br />

83 min – Der Industrie- und Kulturfilm bot jungen Filmemachern<br />

die Möglichkeit, innerhalb gewisser Grenzen<br />

mit dem Medium zu experimentieren. Der von der<br />

Gesellschaft für Bildende Filme für BASF produzierte<br />

Kurzfilm DAS MAGISCHE BAND stellt die Möglichkeiten<br />

des Magnetbands vor und strotzt vor kühner Einfälle<br />

visueller und akustischer Art. Ermuntert vom Erfolg<br />

solcher Kurzfilme entstand der abendfüllende Film DIE<br />

PARALLELSTRASSE, der in Deutschland kaum gezeigt<br />

wurde, im Ausland jedoch enthusiastische Kritiken erhielt.<br />

»Hier wurde mit unerwarteter Vitalität eine Tür aufgestoßen,<br />

und die kühnsten Perspektiven kamen zum<br />

Vorschein. Der Filmschöpfer, der seine Vision der Welt<br />

im Film abbilden will, wurde von dem Zwang befreit,<br />

fiktive Geschichten zu erzählen. Der Dokumentarfilm<br />

wurde von der Auflage erlöst, geographische, soziologische<br />

und andere Erläuterungen geben zu müssen. Es<br />

werden Dokumente aus Zeit und Welt vorgeführt, und<br />

an diesen Dokumenten entzündet sich eine Philosophie:<br />

eine Meditation über Dokumente.« (Joe Hembus)<br />

▶ Dienstag, 27. März 2012, 21.00 Uhr<br />

Neuer Deutscher Film<br />

7


Die rote Traumfabrik<br />

Die rote Traumfabrik<br />

8<br />

AeliTA<br />

Meschrabpom-Film und Prometheus<br />

Die Gründung der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH,<br />

russisch: Meschrabpom), die der junge kommunistische<br />

Funktionär Willi Münzenberg von Berlin aus leitete,<br />

markierte im Jahr 1921 den Beginn einer einzigartigen<br />

Phase der deutsch-russischen Filmbeziehungen:<br />

Im Zuge der Hungerhilfe für die Wolgagebiete und<br />

der politischen Arbeit der IAH wurden russische und<br />

deutsche Filme produziert, und ein reger Export und Import<br />

von und nach Russland begann. 1924 gründeten<br />

IAH und das Moskauer Filmstudio Rus die gemeinsame<br />

Firma Meschrabpom-Rus (später Meschrabpom-Film),<br />

zu der ein Jahr später die deutsche Verleih- und Produktions<br />

gesellschaft Prometheus hinzukam. Bis zur gewaltsamen<br />

Schließung 1933 durch die Nationalsozialisten<br />

in Berlin und 1936 in Moskau in Stalins Auftrag entstanden<br />

fast 600 Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilme,<br />

darunter viele Klassiker des sowjetischen Films<br />

und des proletarischen Kinos in Deutschland. Wichtige<br />

Regisseure waren Boris Barnet, Wsewolod Pudowkin,<br />

Jakow Protasanow, Lew Kuleschow und Phil Jutzi. Hierzulande<br />

weniger bekannte Regisseure wie Aleksandr<br />

Andrijewski, Margarita Barskaja, Sergej Komarow oder<br />

Wladimir Schnejderow sind jedoch in dieser kleinen<br />

Werkschau ebenso zu entdecken wie einige der interessantesten<br />

Dokumentarfilme und Trickfilme der Filmfabrik.<br />

Kommerz und Gesinnung<br />

Willi Münzenberg brachte die ersten russischen Filme<br />

nach Krieg und Revolution nach Deutschland und be -<br />

lieferte zugleich die russischen Kinos mit deutscher<br />

Unterhaltungsware. Mit der Gründung der ersten<br />

deutsch-russischen Filmfirma als gemischte internationale<br />

Aktiengesellschaft, zusammen mit Moisej Alejnikow,<br />

einem Profi des vorrevolutionären Films, entstand<br />

eine einzigartige und besonders erfolgreiche Konstruktion:<br />

Ein Studio, das sich der staatlichen Kontrolle in der<br />

Sowjetunion rund ein Jahrzehnt lang weitgehend entziehen<br />

konnte und dessen zahlreiche Kassenschlager<br />

für die russischen Kinos ebenso in Deutschland und<br />

weiter in aller Welt verbreitet wurden. Es prägte die<br />

Filmsprache des europäischen Kinos mit. Meschrabpom-Film<br />

und seinen deutschen Tochterfirmen Prometheus-Film<br />

und Film-Kartell Weltfilm gelang es, einen<br />

dritten Weg zwischen der Dominanz Hollywoods und<br />

der Ufa sowie den staatlich-ideologisierten Sowkinound<br />

Goskino-Produktionen zu gehen.


Dazu baute die Filmfabrik systematisch auf bestimmte<br />

Genres, wie die ersten sowjetischen Komödien, Abenteuerfilme,<br />

populärwissenschaftliche Dokumentationen,<br />

Expeditionsfilme zu den weißen Flecken der Landkarte<br />

oder frühe Animationsfilme in einem ganz eigenen russischen<br />

Stil. Zudem schuf sie die ersten sowjetischen<br />

Tonfilme (1931) und Farbfilme (1936) und setzte auf<br />

aktuelle Themen wie Roboter in der Arbeitswelt, den<br />

Kampf gegen den Nationalsozialismus oder auf die<br />

weltweiten Massenbewegungen gegen Ungerechtigkeit,<br />

Unterdrückung, Arbeitslosigkeit und das Elend der<br />

unteren Schichten. In Deutschland förderte sie nach<br />

Kräften die linke Filmszene und den sozial engagierten<br />

Film, mit Filmemachern wie Phil Jutzi, Albrecht V. Blum,<br />

Leo Mittler oder Slatan Dudow. Der gemeinsame Nenner<br />

des Erfolgs war, was zugleich die stärkste Wirkung<br />

im internationalen Film entfaltete: die Mischung von<br />

Kunst und Kommerz, Massenattraktivität und Gesinnung,<br />

neuer Filmsprache und moderner Methoden ih -<br />

rer Verbreitung.<br />

Filmgeschichte als Ausgrabung<br />

Der Chef der Internationalen Arbeiterhilfe und damit<br />

auch oberste Studioleiter Willi Münzenberg bezichtigte<br />

Stalin nach dem Pakt mit Hitler offen des Verrats; er<br />

galt danach als Renegat und fiel kurz darauf wahrscheinlich<br />

dem NKWD zum Opfer. Zudem war die mit<br />

Meschrabpom in enger Verbindung stehende Kommunistische<br />

Internationale von Stalin »abgewickelt« worden.<br />

So wirkte dieses Tabu auch auf die Erforschung<br />

der Studiogeschichte in der Sowjetunion lange Zeit<br />

nach. Und in Deutschland galten die Unterlagen und<br />

Filme der Filmfabrik lange Zeit als verloren. Im Zuge<br />

der Vorbereitung der großen Retrospektive zur »Roten<br />

Traumfabrik« für die Berlinale 2012 haben viele Recherchereisen<br />

in die Moskauer Archive Kopien und<br />

Akten in Fülle zu Tage gefördert.<br />

Das <strong>Münchner</strong> Filmmuseum hat nicht nur die Retrospektive<br />

der Deutschen Kinemathek mit Film kopien,<br />

Rat und Tat unterstützt, sondern es dankenswerterweise<br />

ermöglicht, eine Werkschau des Studios auch in<br />

München anzubieten. Eingeführt wird das Programm<br />

mit einer Dokumentation, die erstmals mit vielen Filmbeispielen<br />

einen Überblick über das Studio und seine<br />

zentralen Figuren geben wird. Mit den hier vorgestellten<br />

Filmen von Meschrabpom-Film und Prometheus<br />

schließt sich ein Kreis, der vor fast 20 Jahren mit dem<br />

Russenfilmklub des <strong>Münchner</strong> Filmzentrums begonnen<br />

und über die Jahre mit vielen Programmen, vor allem<br />

zum russischen und sowjetischen Stummfilm, vom<br />

Filmmuseum weitergeführt werden konnte. Zahlreiche<br />

dieser Filme, die eben aus dieser zweitgrößten, aber<br />

nicht-staatlichen sowjetischen Filmfabrik stammten,<br />

lassen sich nun besser in ihren Kontext von Geschichte,<br />

Filmsprache und Produktion einordnen.<br />

Alexander Schwarz<br />

DIE ROTE TRAUMFABRIK – Deutschland 2012 – R+B:<br />

Alexander Schwarz – K: Andrej Pitinow – M: Bernd<br />

Schultheis – 56 min – Dokumentation über die Hintergründe<br />

und das Filmschaffen des deutsch-russischen<br />

Studios Meschrabpom-Film, mit Ausflügen in die heutige<br />

Filmszene Moskaus. – WOS STA NIJE RYBAKOW<br />

(AUFSTAND DER FISCHER) – UdSSR 1935 – R: Erwin<br />

Piscator, Michail Doller – B: Georgi Grebner, nach der<br />

Erzählung »Der Aufstand der Fischer von St. Barbara«<br />

von Anna Seghers – K: Pjotr Jermolow, Michail Kirillow<br />

– D: Aleksej Diki, Dmitri Konsowski, Nikolai Gladkow,<br />

Nikolai Iswolski, Wera Janukowa – 70 min, OmU – Die<br />

Fischer von St. Barbara tragen einen erbitterten Arbeitskampf<br />

gegen den Reeder aus. Sie haben nur die<br />

Wahl zwischen Verhungern und Hungerlohn. Ein Revolutionär<br />

versucht die wenigen Aufrechten unter den<br />

Fischern zu unterstützen. Auf Moskaus Einladung hin<br />

verfilmte der berühmte Theateravantgardist Erwin Piscator<br />

Anna Seghers’ Erzählung in der Sowjetunion.<br />

Große Hoffnungen ruhten auf dem aufwändigen Projekt,<br />

das eine Volksfront gegen die Nationalsozialisten<br />

propagieren sollte. Stalin ließ die experimentelle Tonfassung<br />

1934 jedoch schnell wieder absetzen, nur eine<br />

verstümmelte Exportfassung blieb erhalten. Piscator<br />

hatte für das »flache Land« aber noch eine kürzlich wiederentdeckte<br />

stumme Fassung hergestellt. Sie ist kürzer,<br />

aber dramaturgisch klarer und wirft ein neues Licht<br />

auf den Klassiker.<br />

▶ Dienstag, 28. Februar 2012, 19.00 Uhr (Am Flügel:<br />

Richard Siedhoff. Einführung: Ale xander Schwarz)<br />

Die rote Traumfabrik<br />

9


Die rote Traumfabrik<br />

10<br />

SCHACHMATNAJA GORJATSCHKA (SCHACHFIEBER)<br />

– UdSSR 1925 – R: Wsewolod Pudowkin, Nikolai Schpikowski<br />

– B: Nikolai Schpikowski – K: Anatoli Golownja –<br />

D: Wladimir Fogel, Anna Semzowa, José Raul Capa -<br />

blanca – 27 min, OmU – Als 1925 internationale Stars<br />

zu Schachmeisterschaften nach Moskau kommen, wird<br />

gleich eine amüsante Komödie dazu gedreht: Was,<br />

wenn der schachbegeisterte Moskauer darüber sogar<br />

seinen Hochzeitstermin vergisst? – AELITA (DER FLUG<br />

ZUM MARS) – UdSSR 1924 – R: Jakow Protasanow –<br />

B: Fjodor Ozep, Aleksej Tolstoj, nach dem Roman von A.<br />

Tolstoj – K: Juri Scheljabuschski, Emil Schünemann –<br />

D: Julija Solnzewa, Nikolai Zereteli, Walentina Kuindschi,<br />

Nikolai Batalow, Wera Orlowa – 99 min, OmU –<br />

»Anta odeli uta …«: Geheimnisvolle Nachrichten werden<br />

in Sowjetrussland aufgefangen, eine Expedition<br />

folgt ihren Spuren bis zum Mars, zur Herrscherin Aelita.<br />

Bald lösen die Gäste eine Revolution auf dem Nachbarplaneten<br />

aus. Abenteuer, Science Fiction, Liebesmelodram<br />

und realistische Darstellung der Nachbürgerkriegsgesellschaft<br />

in Moskau, kombiniert mit phantastisch-konstruktivistischen<br />

Bauten und Exter-Kostümen,<br />

bescherten der frühen Meschrabpom-Produktion großen<br />

Erfolg in beiden Ländern. Altmeister Protasanow<br />

und junge Schauspieltalente wie Solnzewa, Batalow<br />

und Iljinski begannen damit große Karrieren.<br />

▶ Mittwoch, 29. Februar 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel:<br />

Richard Siedhoff)<br />

ODNA IS MNOGICH (EINE VON VIELEN) – UdSSR<br />

1927 – R+B: Nikolai Chodatajew – K: Pawel Merschin<br />

– A: Walentina u. Sinaida Brumberg, Olga Chodatajewa<br />

– D: Aleksandra Kudrjawzewa – 16 min, OmU – Zeichentrickfilm<br />

mit Realaufnahmen: Ein Augenzwinkern<br />

der echten Mary Pickford reicht, und die junge Filmverrückte<br />

träumt sich schon nach<br />

Hollywood. – POZELUI MERI<br />

PIKFORD (DER KUSS DER<br />

MARY PICKFORD) – UdSSR<br />

1927 – R: Sergej Komarow – B:<br />

Sergej Komarow, Wadim Scherschenewitsch<br />

– K: Jewgeni Aleksejew<br />

– D: Igor Iljinski, Anel Sudakewitsch,<br />

M. Rosenschtejn,<br />

Mary Pickford, Douglas Fairbanks<br />

– 79 min, OmU – Alles<br />

dreht sich nur um Filmstars:<br />

Dusja will ihren Verehrer Goga<br />

nur erhören, wenn er so berühmt<br />

wird wie die amerikanischen Kinohelden.<br />

Nach einem wahren<br />

Crashkurs zum Stuntman platzt<br />

just in seinen ersten Dreh die Sensation: Mary Pickford<br />

und Douglas Fairbanks kommen – als erste Weltstars<br />

des Kinos – zu Besuch ins sowjetische Moskau. Goga<br />

erhält beim improvisierten Dreh von Mary einen Kuss.<br />

Jetzt sind alle Frauen hinter ihm her. Eine temporeiche<br />

Farce über den Starkult. Igor Iljnski und Anel Sudakewitsch<br />

avancierten damit selbst zu sowjetischen Filmstars,<br />

das Studio landete erneut einen Kassenschlager.<br />

▶ Freitag, 2. März 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel: Joachim<br />

Bärenz)<br />

MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK – Deutschland<br />

1929 – R+K: Phil Jutzi – B: Willy Döll, Jan Fethke<br />

– D: Alexandra Schmitt, Holmes Zimmermann, Ilse<br />

Trautschold, Gerhard Bienert, Vera Sacharowa –<br />

119 min – Mitten in der Weltwirtschaftskrise: Die Arbeiter<br />

leben im Elend und kämpfen um ein kleines bisschen<br />

Glück und warmes Essen. Mutter Krause samt<br />

zwei erwachsenen Kindern, dazu ein windiger »Schlafbursche«<br />

und seine Geliebte, die Prostituierte ist und<br />

ein Kind hat – sie alle leben auf ein paar Quadrat -<br />

metern beisammen. Schnell kommt es zu Spannungen,<br />

bald ist auch Kriminalität im Spiel. Mutter Krausens<br />

mühsam aufrechterhaltene Ordnung bricht zusammen.<br />

Das Projekt entstand zu Ehren des kurz zuvor verstorbenen<br />

Heinrich Zille. Der hatte sein »Milljöh« genau beschrieben<br />

– es fehlte nur noch der Film. Phil Jutzi<br />

drehte ihn, beraten von Käthe Kollwitz, im Stil und in<br />

der Gesinnung der sowjetrussischen Filme, die die Produktionsfirma<br />

Prometheus importierte und verlieh. Statt<br />

auf platte Unterhaltung oder kommerziellen Erfolg<br />

setzte Jutzi auf die Kraft der Erkenntnis.<br />

▶ Samstag, 3. März 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel: Joachim<br />

Bärenz)


ÜBERFLÜSSIGE MENSCHEN – Deutschland 1926 –<br />

R+B: Aleksandr Rasumny, nach Motiven von Anton<br />

Tschechow – K: Otto Kantureck, Carl Attenberger – M:<br />

Edmund Meisel – D: Eugen Klöpfer, Camilla von Hallay,<br />

Heinrich George, Albert Steinrück, Werner Krauss –<br />

105 min – Das kleine Glück und die großen Nöte in<br />

einem Schtetl, irgendwo im »Inneren Russlands«. Trunkenheit,<br />

Zauberkünstler, Rivalitäten, Verzweiflung, ein<br />

Großbrand, eine Verlobung, Badefreuden, Bubenstreiche<br />

und ein Dorforchester, in dem alle irgendwie mitspielen.<br />

Prometheus-Film war gerade zum Vertrieb<br />

neuer russischer Filmkunst gegründet worden, da versuchte<br />

man sich an ersten zaghaften deutschen Produktionen,<br />

mit einem Tschechow-Melodram, deutschrussischem<br />

Stab und Starbesetzung. Ein wenig bekanntes<br />

Werk, mit dem Komponist Edmund Meisel<br />

nach PANZERKREUZER POTEMKIN im Filmgeschäft<br />

weiter Fuß fassen konnte. Zur Aufführung gelangt eine<br />

1979 vom ZDF ausgestrahlte Rekonstruktion des Films,<br />

die im Bonner Metropol-Kino mit Live-Orchestermusik<br />

aufgezeichnet wurde.<br />

▶ Sonntag, 4. März 2012, 18.30 Uhr<br />

PUTJOWKA W SCHISN (DER WEG INS LEBEN) –<br />

UdSSR 1931 – R: Nikolai Ekk – B: Nikolai Ekk, Regina<br />

Januschkewitsch, Aleksandr Stolper – K: Wasili Pronin<br />

– M: Jakow Stolljar – D: Nikolai Batalow, Iwan Kyrlja,<br />

Michail Dschagofarow, Wladimir Wesnowski, Regina<br />

Januschkewitsch – 112 min, OmU – Nach Revolution<br />

und Bürgerkrieg machen kriminelle Banden obdach -<br />

loser Jugendlicher die Straßen unsicher; sie werden<br />

eingefangen, reißen aber meistens wieder aus. Ein (real<br />

von Anton Makarenko durchgeführtes) Reformprojekt<br />

soll die Jugendlichen in Arbeitskommunen resozialisieren.<br />

Lange Zeit steht das Projekt immer wieder auf der<br />

Kippe: Mangelnde Disziplin, fehlende Materialien, Rückfälle.<br />

Doch mit der Eröffnung der selbst gebauten<br />

Eisenb ahn strecke soll der Erfolg gekrönt werden. Da<br />

kommt es zu einem Zwischenfall … Der erste abendfüllende<br />

sowjetische Tonfilm, die realistische, noch<br />

nicht vollkommen stalinistisch überhöhte Darstellung<br />

und das universelle Thema vom Herausarbeiten des<br />

Guten aus allen Menschen ließen den Film zum großen<br />

Triumph des Studios werden, sogar weltweit.<br />

▶ Dienstag, 6. März 2012, 18.30 Uhr<br />

OKRAINA (VORSTADT) – UdSSR 1933 – R: Boris Barnet<br />

– B: Konstantin Finn, Boris Barnet, nach der Erzählung<br />

von Konstantin Finn – K: Michail Kirillow, A. Spiridonow<br />

– M: Sergej Wasilenko – D: Sergej Komarow, Jelena<br />

Kusmina, Robert Erdman, Aleksandr Tschistjakow,<br />

Hans Klering – 96 min, OmU – Krieg und Poesie,<br />

Schusternägel und Revolution: Die Katastrophe des Ersten<br />

Weltkrieges bricht über ein verschlafenes russisches<br />

Provinznest herein. In diesem »Krähwinkel« gab<br />

bislang die Schusterwerkstatt Arbeit, die Damen flanierten<br />

sonntags am Dorfteich, Russen und auch Deutsche<br />

lebten friedlich Tür an Tür. Jetzt müssen die Schustersöhne<br />

an die Front, und der alte Deutsche muss sein<br />

Haus verlassen. Bald treffen die ersten Kriegsgefangenen<br />

ein. Die Schusterstochter lässt sich mit einem ein;<br />

Russen prügeln ihn dafür halb tot. Aber der Vater kann<br />

ihn brauchen: »Das ist kein Deutscher, sondern ein<br />

Schuster!« Der revolutionäre Funke springt in die Heimat<br />

über. Mit Augenzwinkern, Melancholie und verhaltenem<br />

revolutionären Pathos konnte Barnet als großer<br />

Utopist 1933 nur Verrisse ernten. Heute begeistern<br />

nicht nur sein komödiantisches Talent und die souveräne<br />

»poetische Montage«; auch die pazifistisch-internationalisti<br />

sche Sicht auf Weltkrieg und Revolution<br />

kann erst jetzt ihre Wirkung entfalten.<br />

▶ Mittwoch, 7. März 2012, 18.30 Uhr<br />

SOROK SERDEZ (VIERZIG HERZEN) – UdSSR 1931 –<br />

R: Lew Kuleschow – B: Aleksandr Andrijewski – K: Konstantin<br />

Kusnezow – A: Iwan Iwanow-Wano – 49 min,<br />

OmU – Wie Herzen schlagen die neuen Kraftwerke im<br />

Die rote Traumfabrik<br />

11


Die rote Traumfabrik<br />

12<br />

Puls der Modernisierung. Eilig und mit gigantischem<br />

Aufwand wird die Sowjetunion industrialisiert. Kuleschows<br />

wiederentdeckter Lehrfilm ist zugleich ein Hohelied<br />

auf die Wunderkraft des elektrischen Stroms. –<br />

TRI PESNI O LENINE (DREI LIEDER ÜBER LENIN) –<br />

UdSSR 1934 – R+B: Dsiga Wertow – K: Dmitri Surenski,<br />

Mark Magidson, Boris Monastyrski – M: Juri<br />

Schaporin – 62 min, OmU – Von der Leninschen<br />

Lampe in der usbekischen Hütte bis zum gigantischen<br />

Moskau-Wolga-Kanal: Kontinente umspannend preist<br />

das sowjetische Volk den geliebten Vater und herzlichen<br />

Freund. Lenin ist auch zehn Jahre nach seinem<br />

Tod noch allgegenwärtig, in der Trauer und im Fortschrittsglauben:<br />

Revolution ist ansteckend, bewegend,<br />

aktuell. Wertow montiert aus Wochenschaumaterial<br />

und neuen Bildern eine ergreifende Montage-Hymne.<br />

▶ Freitag, 9. März 2012, 18.30 Uhr<br />

RWANYJE BASCHMAKI (ZERRISSENE STIEFEL-<br />

CHEN) – UdSSR 1933 – R+B: Margarita Barskaja – K:<br />

Georgi Bobrow, Sarkis Geworkian – M: Wissarion Schebalin<br />

– D: Michail Klimow, Iwan Nowoselzew, Anna<br />

Tschekulajewa, Wera Alechina, Klawdija Polowikowa –<br />

84 min, OmU – Deutschland, kurz vor der endgültigen<br />

Machtübernahme der Nationalsozialisten. Auch das<br />

Arbeiterviertel und die Schulklasse sind gespalten: Hitlerjungen<br />

balgen sich mit den Söhnen der streikenden<br />

Arbeiter, die trotzig ihr »Rotfront« skandieren. Die anrührende<br />

Geschichte von Bubi und seinen Freunden lag<br />

für das deutsch-russische Studio nahe. Margarita Barskaja,<br />

Schauspielerin und eine der wenigen Regisseurinnen<br />

des sowjetischen Films, inszenier te sie mit großem<br />

Gespür für den Umgang mit Kindern vor der Kamera.<br />

Der Film konnte in Deutschland nicht mehr gezeigt werden,<br />

da die SA das Arbeiterhilfe- und Prometheus-Büro<br />

in Berlin schon gestürmt und das NS-Regime alle russischen<br />

Filme verboten hatten.<br />

▶ Samstag, 10. März 2012, 18.30 Uhr<br />

GIBEL SENSAZII (UNTERGANG DER SENSATION) –<br />

UdSSR 1935 – R: Aleksandr Andrijewski – B: Georgi<br />

Grebner – K: Mark Magidson – M: Sergej Wasilenko –<br />

D: Sergej Wetscheslow, Wladimir Gardin, Marija Wolgina,<br />

Anna Tschekulajewa, Wasili Orlow – 87 min,<br />

OmeU – Halb science fiction, halb Klassenkampf – Maschinen(alb)träume<br />

auf russisch. Vorsichtshalber wurde<br />

die brisante Handlung ins »Ausland« verlegt. Der Ingenieur<br />

Jim Ripple erfindet durch Saxophon und Funk<br />

ferngesteuerte Roboter. Die Kapitalisten denken gleich<br />

an ein Heer emotionsloser Kampfmaschinen. Jims Bruder<br />

Jack ist Arbeiterführer und organisiert Streiks<br />

gegen die Roboter, die nur Arbeitslosigkeit produzieren<br />

würden. Es kommt zur Schlacht … Ein paar Jahre nach<br />

dem Maschinenmenschen Maria in METROPOLIS und<br />

noch bevor Hollywood Weltvernichtungsroboter aufmarschieren<br />

ließ, zeigte Meschrabpom 1935 die bedroh -<br />

liche Maschinenarmee zwischen den Fronten des Klassenkampfes.<br />

Mit in der Sowjetunion nie dagewesenem<br />

Aufwand und modernster Technik inszenierte Aleksandr<br />

Andrijewski das immer wieder aktuelle Thema.<br />

Die gewaltsame Schließung der Moskauer Filmfabrik<br />

verhinderte eine größere Verbreitung des Meisterwerks.<br />

▶ Sonntag, 11. März 2012, 18.30 Uhr<br />

SOLOTOJE OSERO (DER GOLDENE SEE) – UdSSR<br />

1935 – R: Wladimir Schnejderow – B: Aleksandr Peregudow,<br />

Wladimir Schnejderow – K: Aleksandr Schelenkow<br />

– M: Sergej Wasilenko – D: Iwan Nowoselzew,<br />

W. Tolstowa, Andrej Fait, M. Grodski, I. Michailow –<br />

78 min, OmeU – Banditen, ein Schamane und junge<br />

sowjetische Geologen – alle sind hinter dem sibirischen<br />

Gold her, das schon der Name des »Goldenen Sees«<br />

verspricht. Ein Attentat, ein wahrhaftiger cliffhanger, ein<br />

Waldbrand und die beeindruckende Landschaft im »Wil -<br />

den Osten« treiben die Handlung voran. Expeditionsund<br />

Abenteuerspezialist Wladimir Schnejderow hatte<br />

schon spektakuläre Dokumentarfilme im Pamir, im Eismeer<br />

und im Jemen gemacht. Hier versuchte er sich<br />

erstmals und mit Erfolg mit einem Abenteuerspielfilm.<br />

▶ Dienstag, 13. März 2012, 18.30 Uhr<br />

SLUTSCHAINAJA WSTRETSCHA (ZUFÄLLIGE BEGEG-<br />

NUNG) – UdSSR 1936 – R+B: Igor Sawtschenko – K:<br />

Juli Fogelman – M: Sergej Potozki – D: Jewgeni Samoilow,<br />

Galina Paschkowa, Walentina Iwaschjowa, Pjotr<br />

Sawin – 63 min, OmeU – Das Spielwarenkombinat<br />

Dscherschinski präsentiert sich von seiner besten<br />

Seite, als Paradies der Arbeiter. Gearbeitet wird kaum,<br />

aber viel Sport getrieben. Alle haben Spaß und immer<br />

ein Lied auf den Lippen. Der beliebten blonden Vor -<br />

arbeiterin gelingt einfach alles, bis sie sich in den Sporttrainer<br />

verliebt. Ein sozialistisch-realistisches Spätwerk<br />

des Meschrabpom-Studios – dessen Ende bahnt sich<br />

schon an. Der junge Regisseur Igor Sawtschenko war<br />

Spezialist für Musikfilm und Melodramen und damit<br />

eigentlich ganz auf Stalins Linie. Dem Studio war jedoch<br />

selbst in diesen dramatischen Jahren des beginnenden<br />

Terrors filmische Qualität wichtiger als die Ideologie.<br />

So musste der Film nach »Formalismus«-Vor -<br />

würfen umgearbeitet werden. Bald nach dem Kinostart<br />

1936 wurde er ganz aus dem Verleih genommen.<br />

▶ Mittwoch, 14. März 2012, 18.30 Uhr


Zum 100. Geburtstag von Jiří Trnka<br />

ein SOmmeRnAcHTSTRAUm<br />

Jiří Trnka<br />

13<br />

Jiří Trnka – Im Dienste der Phantasie<br />

Jiří Trnka war nicht nur eine der Schlüsselfiguren der<br />

tschechischen Schule des Animationsfilms, sondern zugleich<br />

auch Illustrator, Maler, Puppenspieler, Bildhauer<br />

und Bühnenbildner sowie ein bedeutender Vertreter der<br />

modernen Kunst und der tschechischen visuellen<br />

Szene in den 30er bis 60er Jahren des 20. Jahrhunderts,<br />

dessen Werk die folgende Künstlergeneration beeinflusst<br />

hat. Am bekanntesten sind seine Filme und Illustrationen,<br />

auf welche Künstler bis heute Bezug nehmen.<br />

Die Inhalte seiner Filme wählte Trnka sorgfältig<br />

aus, manche Themen griff er mehrmals in seinen Illustrationen<br />

und Grafiken sowie im Film auf (z. B. beim<br />

SOMMERNACHTSTRAUM). Inspiration schöpfte er aus<br />

der Volkskultur und der Weltliteratur sowie aus der bildenden<br />

Kunst. In einer Zeit, in der Walt Disney den Zeichentrickfilm<br />

weltweit dominierte, ging Trnka seinen<br />

eigenen Weg und bewies, dass die Möglichkeiten des<br />

Animationsfilmes noch wesentlich vielfältiger sind.<br />

Manchmal war er seiner Zeit voraus, einige seiner<br />

Filme wie DAS GESCHENK (1946) stießen zu ihrer Entstehungszeit<br />

auf Unverständnis und wurden erst später<br />

»wiederentdeckt« und hochgeschätzt. Andere wie der<br />

Pantomimefilm EIN SOMMERNACHTSTRAUM (1959)<br />

rufen bis heute unverminderte Bewunderung beim Publikum<br />

hervor.<br />

Bahnbrechend ist vor allem Trnkas Art, Atmosphäre zu<br />

erzeugen. Jedes Handlungsmotiv wird in Bilder zerlegt,<br />

die im Endeffekt verschmelzen und somit einen breiten<br />

Raum für eine reichhaltige Palette an Gefühlen und<br />

Stimmungen entstehen lassen. Dramatische Handlungen<br />

und eine poetische Atmosphäre erzeugt Trnka<br />

nicht nur mit den zur Verfügung stehenden filmischen<br />

Mitteln (Beleuchtung, Kamerawinkel, Animation, Schnitt<br />

und Ton), sondern auch durch das Zusammenspiel der<br />

Figuren mit den Requisiten. Mit jeder Aufnahme<br />

brachte Jiří Trnka die technologische und künstlerische<br />

Entwicklung des Animationsfilmes voran. Niemals<br />

wiederholte er sich, weder in der künstlerischen Aus -<br />

gestaltung noch in der Verwendung von Anima tions -<br />

techniken.<br />

Jiří Trnka wurde am 24. Februar 1912 in Pilsen geboren,<br />

einer südböhmischen Stadt, die berühmt für ihre<br />

Puppenspieltradition ist. Er starb am 30. Dezember<br />

1969 in Prag. Schicksalhaft war für Trnka die Begegnung<br />

mit Josef Skupa, seinem Zeichenlehrer an der<br />

Mittelschule, der zu dieser Zeit bereits ein berühmter<br />

Puppenspieler war. Skupa erkannte Trnkas außerordentliches<br />

Talent, weckte sein Interesse an Puppen und<br />

Puppentheater und unterstützte seine künstlerische<br />

Entwicklung auch nach der Zeit seines Studiums an der<br />

Kunstgewerbeschule in Prag. Für Skupas Puppentheater<br />

entwarf Trnka Dekorationen und Puppen sowie die<br />

Werbematerialien, in deren Mittelpunkt das Paar Spejbl<br />

und Hurvínek stand. Nach Beendigung seines Studiums<br />

im Jahre 1936 gründete und betrieb Trnka für


Jiří Trnka<br />

14<br />

kurze Zeit eine eigene Puppenbühne, das Hölzerne<br />

Theater, der jedoch kein großer Erfolg bei Publikum und<br />

Kritik beschieden war. Die künstlerische Qualität der<br />

Inszenierungen wurde zwar gepriesen, jedoch die Auswahl<br />

der Stoffe kritisiert.<br />

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 übernahm<br />

Trnka die künstlerische Leitung des verstaatlichten<br />

Prager Zeichenfilmstudios, das von einer Gruppe<br />

junger Animatoren betrieben wurde, die sich Bratři v<br />

triku (Brüder im Trick/Trikot) nannten. Noch vor Ablauf<br />

des Jahres 1945 wurde unter Trnkas künstlerischer<br />

Leitung der erste Zeichenfilm GROSSVATER PFLANZT<br />

EINE RÜBE fertiggestellt. Im nachfolgenden Jahr entstehen<br />

drei weitere Filme: Das Kindermärchen DIE BRE-<br />

MER STADTMUSIKANTEN, inspiriert von einer Episode<br />

aus einem Ballett von Oskar Nedbal, die Gesellschaftssatire<br />

DAS GESCHENK, in der Realaufnahmen mit Zeichentrick<br />

kombiniert wurden, und die politische Farce<br />

DER FEDERMANN UND DIE SS. Diese Filme unterscheiden<br />

sich nicht nur thematisch voneinander, sondern<br />

auch in ihrer Zeichentricktechnik. Als die Kurzfilme<br />

1946 auf dem ersten Nachkriegsfilmfestival in Cannes<br />

gezeigt wurden, wurden sie von den Zuschauern und<br />

vom Fachpublikum begeistert aufgenommen.<br />

1946 widmete sich Trnka wieder seinen Marionetten<br />

und wandte sich dem Puppentrickfilm zu. DIE WEIH-<br />

NACHTSKRIPPE (1947) erweckte die magische Atmosphäre<br />

tschechischer Weihnachten auf der Leinwand<br />

zum Leben. Dem Kurzfilm folgten fünf weitere Episoden,<br />

welche die Volksbräuche auf dem tschechischen<br />

Land während eines ganzen Jahres zeigten und zusammen<br />

den Langfilm DAS TSCHECHISCHE JAHR bildeten.<br />

Die einzelnen Episoden wie auch der ganze Film<br />

eröffneten dem Puppenfilm neue Horizonte und gewannen<br />

in den folgenden Jahren auf internationalen Festivals<br />

eine Reihe von Preisen. Der nächste abendfüllende<br />

Puppenfilm war die Verfilmung eines Märchens von<br />

Hans Christian Andersen: DER KAISER UND DIE NACH-<br />

TIGALL (1948). Ein kranker Junge erlebt in einem<br />

Fiebertraum die Geschichte des chinesischen Kaisers<br />

aus dem Märchen, die Menschen und Gegenstände<br />

aus seiner Umgebung werden zu Figuren in der Geschichte.<br />

Vor dem nächsten Langfilm, der Märchenverfilmung<br />

PRINZ BAJAJA (1950), drehte Trnka drei kurze Puppentrickfilme:<br />

die Adaption von Tschechows Märchen<br />

ROMAN MIT DEM KONTRABASS (1949), die Western-<br />

Parodie DAS LIED DER PRÄRIE (1949) und das Märchen<br />

DIE TEUFELSMÜHLE (1951), in denen er den Puppentrick<br />

weiterentwickelte und mit dem Ton experimentierte:<br />

Hatte er in seinen Filmen bisher nur Musik eingesetzt,<br />

so arbeitete er hier mit einem Kommentar, Sologesang<br />

und Geräuscheffekten als dramaturgischen<br />

Ausdrucksmitteln.<br />

Für den gelungenen Papierschnittfilm DER LUSTIGE<br />

ZIRKUS (1951) zog Trnka die bildenden Künstler František<br />

Tichý, Zdeněk Seydl und Kamil Lhoták hinzu. Die<br />

Adaption von ALTE BÖHMISCHE SAGEN (1953) war<br />

Trnkas nächster Langfilm. Er wählte aus der gleich -<br />

namigen literarischen Vorlage von Alois Jirásek Erzählungen<br />

aus der Geschichte des tschechischen Volkes<br />

aus, die in den ersten Kapiteln des Buches vorkommen.<br />

In sechs Episoden wird von der Ankunft des Urvaters<br />

Čech mit seinem Volk bis hin zum Krieg von Lucko erzählt,<br />

in dem die Armee des böhmischen Fürsten in der<br />

Schlacht auf den Stamm der benachbarten Lutschanen<br />

traf. Mit Hilfe der Puppen gelang es Trnka, die böhmischen<br />

Volksmythen und -legenden mit einem sicheren<br />

Sinn für Monumentalität, aber ohne unnötigen Pathos<br />

darzustellen. Die allegorischen und märchenhaften Szenen<br />

wechseln mit dramatischen Handlungen. Dabei<br />

zeichnet der Film auch psychologische Porträts der Helden<br />

nach. Etwas unausgewogener geriet der nächste<br />

Langfilm DIE ABENTEUER DES BRAVEN SOLDATEN<br />

SCHWEJK (1954) nach dem populären humoristischen<br />

Roman von Jaroslav Hašek. Trnka versuchte, sowohl<br />

den Geist der literarischen Vorlage wie auch den Stil<br />

der Illustrationen von Josef Lada zu bewahren.<br />

EIN SOMMERNACHTSTRAUM (1959) ist der letzte<br />

lange Film von Jiří Trnka, sein Meisterwerk, das die Ausdrucksmöglichkeiten<br />

des Puppentrickfilms und die Erfahrungen<br />

aus den vorhergehenden Filmen zusammenfasst.<br />

Trnka gelang es, mit filmischen Mitteln William<br />

Shakespeares Dichtung in eine eigene Poetik zu verwandeln.<br />

Die Animation der Puppen ist so perfekt, dass<br />

man fast den Eindruck hat, die souveräne Regie würde<br />

sie zu schauspielerischen Höchstleistungen bringen.<br />

Jeden Moment des Films zeichnet eine einzigartige<br />

Jiří Trnka


Stimmung aus. Die verschiedenen Welten – ein prunkvoller<br />

herrschaftlicher Hof, das Milieu der einfachen<br />

Handwerker und ein verzauberter Wald mit Elfen, Waldfeen<br />

und Kobolden – heben sich voneinander durch die<br />

künstlerische Gestaltung ab, die die Bewegungen der<br />

Figuren und die Atmosphäre der Hintergründe prägt.<br />

Der Science-Fiction-Puppentrickfilm DIE KYBERNETI-<br />

SCHE GROSSMUTTER (1962) nach einer Vorlage von<br />

Ivan Klíma beschreibt die Versklavung des Menschen<br />

durch die Verlockungen der Technik. ERZENGEL GA-<br />

BRIEL UND FRAU GANS (1964) ist inspiriert von Boccaccios<br />

»Decamerone« und erzählt eine Geschichte<br />

aus dem Venedig der Renaissance. Die Puppenallegorie<br />

DIE HAND (1965) schließt das filmische Schaffen<br />

von Jiří Trnka ab. Die Geschichte des Pierrots, der<br />

gegen eine despotische Hand ankämpft, lässt sich als<br />

Trnkas persönliche künstlerische Aussage und filmisches<br />

Vermächtnis verstehen. DIE HAND wurde wegen<br />

seiner unverhohlenen Botschaft gegen den Mechanismus<br />

von Terror und Unterdrückung in der CSSR für<br />

mehr als 20 Jahre verboten. Das zeitlose und immer<br />

noch aktuelle Thema sowie die unstrittige künstlerische<br />

Qualität des Films stellen DIE HAND in eine Reihe mit<br />

den bis heute am höchsten geschätzten Meisterwerken<br />

der internationalen Filmgeschichte.<br />

Michaela Mertová, Nationales Filmarchiv Prag<br />

ZASADIL DEDEK REPU (GROSSVATER PFLANZT<br />

EINE RÜBE) – CSSR 1945 – R: Jiří Trnka – B: Eduard<br />

Hofman – M: Václav Trojan – 10 min, ohne Dialog –<br />

Eine Geschichte von einer großen Rübe und davon,<br />

dass auch die Hilfe der kleinen Maus nicht zu verachten<br />

ist. – PERAK A SS (DER FEDERMANN UND DIE<br />

SS) – CSSR 1946 – R: Jiří Trnka, Jiří Brdečka – B: Jiří<br />

Brdečka, Eduard Hofman, Jiří Trnka – M: Jan Rychlík –<br />

13 min, OmU – In Prag erschreckt ein Schornsteinfeger<br />

die deutschen Besatzer, indem er auf elastischen Federn<br />

von einem Haus zum anderen springt. – ROMAN<br />

S BASOU (ROMAN MIT DEM KONTRABASS) – CSSR<br />

1949 – R+B: Jiří Trnka, nach der Kurzgeschichte von<br />

Anton Tschechow – M: Václav Trojan – 13 min, OmU –<br />

Ein Mann mit Kontrabass trifft beim Baden auf eine<br />

schöne Fischerin, die ihn um den Verstand bringt. – VE-<br />

SELY CIRKUS (DER LUSTIGE ZIRKUS) – CSSR 1951 –<br />

R+B: Jiří Trnka – K: Emanuel Franek – M: Jan Rychlík,<br />

Václav Trojan – 12 min, ohne Dialoge – Zirkuskünstler<br />

und -tiere führen ihre Kunststücke in der Manege vor. –<br />

KYBERNETICKA BABICKA (DIE KYBERNETISCHE<br />

GROSSMUTTER) – CSSR 1962 – R+B: Jiří Trnka – K:<br />

Jiří Šafář – M: Jan Novák – 29 min, OmU – Eine beunruhigende<br />

Vision von dem wissenschaftlich-technischen<br />

Fortschritt, die Elemente des psychologischen<br />

Films sowie Elemente von Horror und Science Fiction<br />

kombiniert. – ARCHANDEL GABRIEL A PANI HUSA<br />

(ERZENGEL GABRIEL UND FRAU GANS) – CSSR<br />

1964 – R+B: Jiří Trnka, nach »Decameron« von Giovanni<br />

Boccaccio – K: Jiří Šafář – M: Jan Novák –<br />

29 min, OmU – Im Venedig der Renaissance-Zeit verliebt<br />

sich eine hübsche, reiche, aber dumme Frau in<br />

den Erzengel Gabriel.<br />

▶ Freitag, 9. März 2012, 21.00 Uhr<br />

LOUTKY JIRIHO TRNKY (JIRI TRNKAS MARIONET-<br />

TEN) – CSSR 1955 – R+B: Bruno Šefranka – K: Jiři<br />

Kolín – M: Lubos Sluka – 25 min, OmU – Dokumentarfilm,<br />

der Jiří Trnka in seinem Studio bei der Arbeit an<br />

seinen Filmen zeigt. – STARE POVESTI CESKE (ALTE<br />

BÖHMISCHE SAGEN) – CSSR 1953 – R: Jiří Trnka – B:<br />

Jiří Brdečka, Jiří Trnka, nach der literarischen Vorlage<br />

von Alois Jirásek – K: Emanuel Franek, Ludvík Hájek –<br />

M: Václav Trojan – 91 min, OmU – Die Helden der<br />

tschechischen Mythologie werden in diesem Puppentrickfilm<br />

zu neuem Leben erweckt. »Von Anfang an<br />

habe ich mich stets darum bemüht, eine zu große Ähnlichkeit<br />

der Puppen mit Menschen zu vermeiden. Diese<br />

sollten vielmehr lediglich belebte Konventionen des<br />

Menschen sein.« (Trnka)<br />

▶ Samstag, 10. März 2012, 21.00 Uhr<br />

RUKA (DIE HAND) – CSSR 1966 – R+B: Jiří Trnka – K:<br />

Jiří Šafář – M: Václav Trojan – 18 min, ohne Dialog –<br />

Die traurige Geschichte über einen hilflosen Harlekin<br />

und eine allmächtige Hand als Parabel für die Ohnmacht<br />

der tschechischen Künstler jener Zeit. – SEN<br />

NO CI SVATOJANSKE (EIN SOMMERNACHTSTRAUM)<br />

– CSSR 1959 – R: Jiří Trnka – B: Jiří Brdečka, Josef Kainar,<br />

Jiří Trnka, nach dem Stück von William Shakespeare<br />

– K: Jiří Vojta – M: Václav Trojan – 76 min, OmeU<br />

– Puppentrickfilm über ein unglücklich verliebtes Paar<br />

während einer Nacht in einem Wald bei Athen. »Durch<br />

die filmischen Mittel der verschiedenartigsten Blenden,<br />

des Tricks und der nuancierten Farbgebung und der Beleuchtung<br />

entsteht hier ein märchenhaft schönes Bild,<br />

auf dem sich, von meisterlicher Hand geführt, Puppen<br />

und Tiere schwebend bewegen. Kobolde, Elfen, Geister,<br />

›Menschen‹ und phantastische Landschaften ziehen<br />

vorüber, und nur zu gern lässt man sich von dieser<br />

Scheinwelt gefangennehmen.« (Steffen Wolf)<br />

▶ Sonntag, 11. März 2012, 21.00 Uhr<br />

Im Tschechischen Zentrum ist vom 21.2. bis 11.3.2012 die<br />

Ausstellung »Jiří Trnka – Im Dienste der Phantasie« zu sehen.<br />

Jiří Trnka<br />

15


NS-Filmpropaganda<br />

Nur unter Vorbehalt: NS-Filmpropaganda<br />

16<br />

In der Zeit des »Dritten Reichs« von 1933 bis 1945<br />

wurden über 1.200 Spielfilme hergestellt. Selbst heute,<br />

teilweise mehr als 70 Jahre nach ihrer Entstehung,<br />

sind davon noch über 40 unter Verschluss. Sie werden<br />

mit der Wortschöpfung »Vorbehaltsfilme« bezeichnet.<br />

Da eine Filmzensur laut Grundgesetz nicht stattfinden<br />

darf, wird zur Verhinderung der Verbreitung meist das<br />

Urheberrecht herangezogen.<br />

Keiner dieser »in ideologischer Absicht hergestellten«<br />

Filme wie etwa JUD SÜSS, DER HERRSCHER oder DIE<br />

ROTHSCHILDS darf auf DVD erscheinen, eine TV-Ausstrahlung<br />

ist nicht möglich, es gibt keine Zulassung<br />

durch die FSK, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft.<br />

Die »Vorbehaltsfilme« dürfen nur in Veranstaltungen<br />

mit fachkundiger Einführung und Diskussion<br />

gezeigt werden. In Einzelfällen ist die nicht genehmigte<br />

Vorführung sogar strafrechtlich relevant. Als Rechte -<br />

inhaber wacht die in Wiesbaden ansässige Friedrich-<br />

Wilhelm-Murnau-Stiftung (bei den NS-»Dokumentarfilmen«<br />

das Bundesarchiv) über diese weggesperrten<br />

Nazi-Produktionen; sie wertet – letztlich in der Rechtsnachfolge<br />

des Deutschen Reichs – die von dem verstaatlichten<br />

Filmproduktionskonzern Universum Film<br />

AG (Ufa) her gestellten Filme über die bundeseigene<br />

GmbH Transit Film aus. Außerhalb Deutschlands<br />

gelangt die Handhabung der NS-Filme sogar auf die<br />

Ebene von Politik und Diplomatie: Werden die Filme im<br />

Ausland gezeigt, soll das Auswärtige Amt durch seine<br />

Botschaften und Konsulate dafür sorgen, dass die Vorführbedingungen<br />

eingehalten werden.<br />

Begründet wird das Wegschließen der NS-Filme mit<br />

den propagandistischen, rassistischen, antisemitischen<br />

und hetzerischen Inhalten. Die Basis dieser Entscheidungen<br />

stammt teilweise noch aus der alliierten Besatzungszeit<br />

im Nachkriegsdeutschland. In der DDR wurden<br />

alle diese Filme aus der NS-Zeit aus dem Verkehr<br />

gezogen, nur ausgewählte Berechtigte konnten sie im<br />

Filmarchiv der DDR ansehen; eine Auseinandersetzung<br />

damit fand nicht statt.<br />

Welches sind die Kriterien, nach denen festgelegt ist,<br />

welche Filme im einzelnen nicht gezeigt werden dürfen?<br />

Die Begründungen sind vielfältig und lauten u. a.:<br />

»antirussisch«, »antidemokratisch«, »verfälschende<br />

Wertevermittlung bzgl. Vaterlandsliebe«. Völlig schlüs-


sig und transparent ist das nicht, denn es gibt z.B.<br />

ziemlich propagandistische NS-Filme, die nicht betroffen<br />

sind und durchaus kommerziell ausgewertet werden,<br />

wie BISMARCK oder DIE ENTLASSUNG, oder auch<br />

der im Friedrich-Jahr 2012 wieder gefragte Veit Harlan-<br />

Film DER GROSSE KÖNIG, in dem Friedrich der Große<br />

allegorisch als Vorläufer Hitlers auftritt.<br />

Manche Nazi-Filme, so z. B. der bekannte Titel … REI-<br />

TET FÜR DEUTSCHLAND, wurden auch mit nur kleinen<br />

Schnittauflagen von der FSK freigegeben; oftmals<br />

reich te die Entfernung vordergründiger Symbole und<br />

Embleme wie eines Hakenkreuzes oder einer Fahne,<br />

und der Film konnte auf DVD erscheinen. Diese formalen<br />

»Säuberungen« sind höchst umstritten. Sie schließen<br />

an die schöne Tradition an, bei deutschen Sprachfassungen<br />

ausländischer Filme Nazi-Bezüge zu tilgen:<br />

CASABLANCA, STALAG 17, NOTORIOUS, TO CATCH A<br />

THIEF sind Beispiele dafür, wie in der deutschen Synchronfassung<br />

unliebsame NS-Bezüge einfach bereinigt<br />

wurden.<br />

Regelmäßig gibt es einzelne Initiativen, dieses Thema<br />

des Umgangs mit dem schwierigen Erbe des NS-Kinos<br />

auf die Tagesordnung zu setzen. Bisher sind es Ver -<br />

suche, die nur alle paar Jahrzehnte zu Ergebnissen<br />

führen. 1974 wurde beispielsweise Leni Riefenstahls<br />

TRIUMPH DES WILLENS im Dritten Programm aus -<br />

gestrahlt. Nach einigem Hin und Her konnte das Durchhalte-Epos<br />

KOLBERG 1994 einmalig beim Kultursender<br />

Arte laufen, der anti-sowjetische Agentenkrimi DIE<br />

GOL DENE SPINNE (1943) bei Vox.<br />

Die Praxis des »Vorbehalts« scheint zu einem Dilemma<br />

zu führen: Einerseits werden Mythos, Kultstatus und<br />

Neugier durch das faktische »Verbot« nur verstärkt; die<br />

Verbreitung zu verhindern wird zur Symbolpolitik angesichts<br />

von Youtube und Raubkopien von Grauanbietern<br />

in allerdings teilweise unsäglicher Qualität. Andererseits<br />

soll, auch mit Blick auf die Außenwirkung, nicht<br />

das falsche Signal gesetzt werden, dass etwa nationalsozialistische<br />

Propaganda als unbedenklich oder harmlos<br />

angesehen würde. Ähnliches gilt ja auch für die Auseinandersetzung<br />

um die Publikation von Hitlers »Mein<br />

Kampf«.<br />

Die »Vorbehaltsfilme« sind keinesfalls ein Querschnitt<br />

durch das NS-Kino: Die großen Melodramen und Unterhaltungsfilme<br />

mit ihren subtileren ideologischen Botschaften,<br />

die heute gar nicht mehr so leicht zu identifizieren<br />

sind, aber damals häufig noch viel wirkungsvoller<br />

waren, sind nicht als VB-Filme eingestuft. Im Fokus<br />

steht eher die plakative Propaganda.<br />

An der Spitze der indizierten Werke rangieren die Filme<br />

des Regisseurs Karl Ritter: Sein Markenzeichen waren<br />

Brachialpatriotismus und Verherrlichung der Wehrmacht<br />

und einzelner Waffengattungen. Zackig, nassforsch,<br />

heroisch meistern die deutschen Soldaten in<br />

STUKAS (1941) oder … ÜBER ALLES IN DER WELT<br />

(1941) den Krieg, in dem Opfer- und Heldentod fast<br />

mehr bedeuten als der Sieg. Französische Soldaten<br />

sind darin meist Schwarze und Nordafrikaner. »Der<br />

Weg des deutschen Films wird kompromisslos dahin<br />

führen müssen, dass jeder Film im Dienst der Gemeinschaft,<br />

der Nation und unseres Führers stehen muss«<br />

(Karl Ritter). Rassistischer Höhepunkt seines Werks ist<br />

GPU (1942), in dem die kommunistische Bedrohung<br />

weniger ideologisch als physiognomisch in Gestalt kahlköpfiger<br />

Mongolen erscheint.<br />

Für Ritter und andere Regisseure ist häufig die Weimarer<br />

Republik Ziel der Diffamierungen, mit immer den<br />

gleichen filmischen Stereotypen: schriller Jazz, Varieté-<br />

Tänzer in Affenkostümen, schwarze Kellner in den Bars<br />

im verruchten Berlin. Jüdische Politiker regieren, verschlagene<br />

KPD-ler beherrschen die Straße, die tapferen<br />

Frontkämpfer des ersten Weltkriegs fühlen sich<br />

fremd im eigenen Land und hingezogen zur noch kleinen<br />

NSDAP, wie in BLUTSBRÜDERSCHAFT (1940). Bis<br />

zuletzt hielt der NS-Film die Erinnerung an die »Systemzeit«<br />

wach, so sicher waren sich die Nazis, dass die<br />

Deutschen selbst angesichts von Krieg und Zerstörung<br />

nicht in die Zeit vor dem »Dritten Reich« zurück wollten.<br />

Häufig ist in diesen Filmen die dramaturgische Figur<br />

des noch nicht Überzeugten anzutreffen: England-<br />

Freunde, Demokraten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter,<br />

moralische Bedenkenträger – alle werden im<br />

Laufe der Handlung im NS-Sinne geläutert und in die<br />

Volksgemeinschaft integriert. Demokratie und Parlamentarismus<br />

zu delegitimieren, dieses Ziel verfolgt<br />

auch Veit Harlans Komödie MEIN SOHN, DER HERR MI-<br />

NISTER (1937), ein Reigen zynischer und korrupter Politiker<br />

mit Parolen, die selbst heute noch in der Debatte<br />

um Politikverdrossenheit anzutreffen sind.<br />

Auch VENUS VOR GERICHT (1941) propagiert Nazi-<br />

Ideologie in komödienhafter Form, indem moderne<br />

Kunst ins Lächerliche gezogen wird. NS-Kino mit einer<br />

archäologischen Dimension: Die im Film in einer jüdischen<br />

Kunsthandlung ausgestellten, von den Nazis als<br />

»entartet« bezeichneten Skulpturen galten als verschollen<br />

und wurden erst im Jahr 2010 bei U-Bahnbauarbeiten<br />

nahe dem Roten Rathaus in Berlin wieder aufgefunden.<br />

Der Thesenfilm ICH KLAGE AN (1941) sollte Widerstände<br />

in der Bevölkerung, besonders in konfessionellen<br />

Kreisen, gegen die NS-»Euthanasie«-Morde aufweichen,<br />

zu einem Zeitpunkt als Zehntausende psychisch<br />

NS-Filmpropaganda<br />

17


NS-Filmpropaganda<br />

18<br />

kranke und behinderte Menschen in den Tötungs -<br />

anstalten bereits umgebracht worden waren. Unter der<br />

Regie von Wolfgang Liebeneiner zeigt sich die NS-Ideologie<br />

zurückgestuft auf feine Andeutungen: der Tod<br />

auf Verlangen als vom Staat verwehrte Erlösung von<br />

Leiden und unheilbarer Krankheit. 15 Millionen Deutsche<br />

wollten im Kino sehen, wie die beliebte Heide -<br />

marie Hatheyer (DIE GEIERWALLY) um den Gnadentod<br />

bittet. Schon damals löste der Tobis-Film heftigste Debatten<br />

aus. Und er bleibt von großer Aktualität, siehe<br />

die Debatte um die NS-»Euthanasie« im Zusammenhang<br />

mit dem neuen »Aktion T 4«-Denkmal in Berlin,<br />

die jüngsten Leichenfunde in der Nähe von Hospitälern<br />

oder das kürzlich erfolgte Schuldbekenntnis des deutschen<br />

Psychiaterverbandes. Ein Film, der zur direkten<br />

Mordlegitimierung 1942 herauskam, der aber ganz<br />

ohne diesen Kontext heute fast harmlos wirkt.<br />

Fand bei ICH KLAGE AN das Morden parallel zum Kinoeinsatz<br />

statt, konnte Veit Harlan später anführen, als er<br />

1939 mit der Regie zu dem antisemitischen Historiendrama<br />

JUD SÜSS (1940) beauftragt worden war, sei<br />

der Holocaust noch nicht vorauszusehen gewesen. JUD<br />

SÜSS wird allgemein als der mit Abstand wirkungsmächtigste<br />

Teil der antisemitischen Filmpropaganda<br />

angesehen, die insgesamt im Spielfilm des »Dritten<br />

Reichs« weniger vertreten war, als man heute annehmen<br />

würde. Thomas Harlan bezeichnete JUD SÜSS als<br />

ein Mordinstrument, Alexander Kluge findet ihn weitgehend<br />

wirkungslos, Wilm Hosenfeld, Vorbild für Roman<br />

Polanskis »guten« Nazi-Offizier in DER PIANIST, lehnte<br />

ihn als zu dick aufgetragen ab (er bevorzugte DIE<br />

ROTHSCHILDS), und Propagandaminister Goebbels sah<br />

darin das Idealbeispiel verfilmter NS-Ideologie. In einigen<br />

Konzentrationslagern soll der Film jedenfalls – ausweislich<br />

der Aussagen im Prozess gegen Veit Harlan –<br />

zu zusätzlicher Misshandlung der Insassen durch das<br />

Wachpersonal geführt haben. Einsam steht JUD SÜSS<br />

heute an der Spitze der nachgefragten Vorbehaltsfilme;<br />

zu den über 20 Millionen Zuschauern im Deutschen<br />

Reich sind also nach 1945 noch zahlreiche hinzugekommen.<br />

Häufig anzutreffen in den VB-Filmen sind Herrscherfiguren,<br />

Führernaturen, Kunsttitanen – Substitute Hitlers,<br />

der im Gegensatz zu Stalin nicht direkt als Filmfigur auftreten<br />

wollte. Emil Jannings verkörperte eine solche<br />

Figur. Der Spitzenverdiener unter den Stars des »Dritten<br />

Reichs« sollte mit dem antibritischen Werk OHM KRÜ-<br />

GER (1941) über den Burenkrieg in Südafrika, eine Art<br />

PANZERKREUZER POTEMKIN für den NS-Gebrauch,<br />

»einen Film zum Rasendwerden« (Goebbels) liefern. Der<br />

längste und – nach KOLBERG – teuerste Propagandaspielfilm<br />

des »Dritten Reichs« verschliss unter der<br />

»künstlerischen Oberleitung« von Jannings drei Regisseure.


leni Riefenstahl bei den Dreharbeiten zu TRiUmpH DeS WillenS<br />

Leni Riefenstahls Œuvre entfaltet nach wie vor die filmästhetisch<br />

stärkste Nachwirkung des gesamten NS-<br />

Kinos. Das gilt heute noch genauso wie zu Zeiten ihrer<br />

größten Renaissance in den 1970er und 1990er Jahren.<br />

Die Regisseurin und ehemalige Tänzerin Riefenstahl<br />

– die »biegsame Gazelle« (Goebbels) – tanzte<br />

auch privat für Hitler an dem Tag, als er das erste Mal<br />

mit Hindenburg über Wege zur Macht konferierte. Wie<br />

Leni Riefenstahl seit den 1970er Jahren wieder eine<br />

fast vollständige Kontrolle über die Verwertungs- und<br />

Aufführungsrechte von TRIUMPH DES WILLENS (1934)<br />

erlangte und Spitzel in die eingeführten Vorstellungen<br />

entsandte, ist ein anderes Kapitel.<br />

Ein besonders hasserfüllter NS-Spielfilm gehört nicht<br />

zum Rechtebestand der Murnau-Stiftung. In HEIMKEHR<br />

(1941) unter der Regie von Gustav Ucicky, dem unehelichen<br />

Sohn des Malers Gustav Klimt, mit Carl Raddatz<br />

und Paula Wessely, Mutter der Schauspielerin Christiane<br />

Hörbiger, geht es, genau wie in FEINDE (1940),<br />

um die Rechtfertigung des deutschen Überfalls auf<br />

Polen. Polnische »Untermenschen« drangsalieren und<br />

ermorden Angehörige der deutschen Minderheit im polnisch-ukrainischen<br />

Grenzland, bis deutsche Flieger<br />

dem ein Ende bereiten. HEIMKEHR enthält auch Paula<br />

Wesselys berühmt-berüchtigten »Gefängnis-Monolog«:<br />

»Denkt doch bloß einmal, wie das sein wird, wenn um<br />

uns herum nur Deutsche sein werden. Wenn du in<br />

einen Laden reinkommst und da nicht einer jiddisch<br />

redet oder polnisch. Und nicht nur das ganze Dorf wird<br />

deutsch sein, sondern ringsum wird alles deutsch sein.«<br />

Goebbels bezeichnete die Gefängnisszene als »das<br />

Beste, was jemals im Film gedreht worden ist.«<br />

Gegen das Genre der Parteifilme hatte Goebbels einiges<br />

einzuwenden: »Unsere SA soll auf der Straße marschieren,<br />

nicht über die Leinwand.« Frühe filmische<br />

Versuche wie SA-MANN BRAND (1933), noch vor der<br />

NS-Machtübernahme in vorauseilender Gefälligkeit von<br />

Franz Seitz sen. für die Bavaria Film hergestellt, missfielen<br />

dem Propagandaminister. Manche der Produktionen<br />

verschwanden zeitweise aus den Kinos, so auch<br />

HANS WESTMAR (1933), der die Parteilegende Horst<br />

Wessel glorifiziert und der heute bei den neuen Nazis<br />

sehr beliebt ist. Filme über die Jugendformationen der<br />

Partei wie JUNGENS (1941) oder KOPF HOCH, JOHAN-<br />

NES! (1941) erfüllten dagegen wichtige Aufgaben und<br />

sollten Gemeinschaftsgefühl und frühestmögliche<br />

Wehr tüchtigkeit stärken. Der »Klassiker« HITLERJUNGE<br />

QUEX (1933) war nicht nur für Hunderttausende Angehörige<br />

von Hitlerjugend und BDM ein nachhaltig aufwühlender<br />

und prägender Film, er wurde auch gegen<br />

Ende des Krieges, ebenso wie KOLBERG (1945), noch<br />

zur Fanatisierung der an der Front verheizten Kinder<br />

eingesetzt.<br />

Ein interessanter Fall von nachträglicher »Entschärfung«<br />

ist DIE GOLDENE STADT (1942). Veit Harlans Melodram<br />

ist in einer von der FSK gekürzten Fassung zugelassen,<br />

so vehement forderte das Publikum in den<br />

1950er Jahren das Wiedersehen mit dem großen Kinoerlebnis.<br />

In der geschnittenen Nachkriegsfassung blieb<br />

das subtil rassistische Bild tschechischer Städter und<br />

die Kontrastierung der Reinheit des Landes mit der verdorbenen<br />

Großstadt jedoch erhalten. Entfernt wurden<br />

Szenen, die einen jüdischen Dieb und einen heruntergekommenen<br />

tschechischen Onkel zeigen. Ohne diese<br />

Kürzungen stünde Harlans Film heute also »unter Vorbehalt«.<br />

Die erste Zensur kam jedoch von Goebbels<br />

selbst: Er ordnete persönlich den Neudreh des Schlusses<br />

an, der nun Kristina Söderbaum als Konsequenz<br />

von »Rassenschande« in den Freitod schickt. Nicht zuletzt<br />

die damals visuell überwältigende Farbgebung in<br />

Agfacolor führte zu einem durchschlagenden Erfolg an<br />

der Kinokasse (31 Millionen Zuschauer im Deutschen<br />

Reich, im Ausland der erfolgreichste deutsche Film<br />

aller Zeiten, allein in Holland 1,7 Millionen Besucher),<br />

mit enormer (Erziehungs-)Wirkung auf das Publikum in<br />

Kriegszeiten.<br />

Felix Moeller<br />

Die Filmreihe findet in Zusammenarbeit mit der Friedrich-<br />

Wilhelm-Murnau-Stiftung und dem Bundesarchiv statt.<br />

NS-Filmpropaganda<br />

19


NS-Filmpropaganda<br />

20<br />

Freitag, 16. März 2012 Tageskarten 7 €, mitglieder des mFZ 5 €<br />

18.30 Uhr: Film: TRIUMPH DES WILLENS – Deutschland 1935 – R+B: Leni Riefenstahl – M: Herbert Windt –<br />

114 min – Der offizielle Film über den VI. Parteitag der NSDAP vom 4. bis 10. September 1934 in Nürnberg.<br />

Goebbels notierte am 26.3.1935 in seinem Tagebuch: »Eine grandiose Schau. Nur im letzten Teil etwas langatmig.<br />

Sonst aber erschütternd in der Darstellung. Lenis Meisterwerk.« Einführung: Karl Griep<br />

21.00 Uhr: Film: INNENANSICHTEN – DEUTSCHLAND 1937 – Deutsch land 2012 – R+B: Michael Kloft – 59 min<br />

– Im Sommer 1937 erhielt der amerikanische Dokumentarfilmer Julien Bryan überraschend eine Sondergenehmigung,<br />

Nazideutschland zu bereisen und dort Filmaufnahmen zu machen. Michael Kloft hat die einzigartigen Originalaufnahmen<br />

zu einem ungewöhnlichen Dokumentarfilm über das »Dritte Reich« verarbeitet. Anschließend Diskussion<br />

mit Michael Kloft (Spiegel TV), Karl Griep (Bundesarchiv) und Christian Lüffe (Goethe- Institut).<br />

Samstag, 17. März 2012 Tageskarten 7 €, mitglieder des mFZ 5 €<br />

17.00 Uhr: Vortrag: »UNSER HAUS HALTEN WIR SELBER SAUBER« – ZUR GESCHICHTE DER FSK – 1949 einigten<br />

sich die Kultusminister und die deutsche Filmwirtschaft auf eine gemeinsame Selbstkontrolleinrichtung, an<br />

der auch die Kirchen mitwirkten. Damit sollte ein behördliches Eingreifen und die Errichtung einer staatlichen Filmzensur<br />

vermieden werden. Seitdem wurden über 170.000 Filme auf Jugendschutz geprüft und – mit einigen Ausnahmen<br />

– nach Altersgruppen freigegeben. Die Geschichte der FSK dokumentiert auch die Veränderung der moralischen<br />

und sittlichen Grundwerte der Gesellschaft. Referentin: Christiane von Wahlert (Geschäftsführerin FSK)<br />

18.30 Uhr: Film: … REITET FÜR DEUTSCHLAND – Deutschland 1941 – R: Arthur Maria Rabenalt – B: Fritz Reck-<br />

Malleczewen, Richard Riede, Josef Maria Frank – K: Werner Krien – M: Alois Melichar – D: Willy Birgel, Gertrud<br />

Eysoldt, Gerhild Weber, Willi Rose, Rudolf Schündler – 92 min – Ein Sportlerdrama über die wiedererlangte Weltgeltung<br />

Deutschlands nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Die düsteren Episoden über die Weimarer Republik<br />

mit starken antisemitischen Karikaturen wurden nach 1945 gekürzt, damit der überaus populäre Film in den bundesrepublikanischen<br />

Kinos wieder gezeigt werden konnte. Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Uhr: Diskussion: VOM UMGANG MIT »VORBEHALTSFILMEN« – Nach dem Krieg wurden zunächst alle<br />

deutschen NS-Propagandafilme verboten. In der Bundesrepublik wurden viele sukzessive wieder freigegeben,<br />

meist in geschnittenen Fassungen. Was macht einen Propagandafilm aus? Kann man ihn »bereinigen« durch Kürzungen<br />

und Bearbeitungen? Wer entscheidet über den Umgang mit den Filmen? Diskussionsrunde mit Ernst Szebedits<br />

(Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung), Christiane von Wahlert (FSK), Hans Schmid (Filmhistoriker) und<br />

Markus Zimmer (Filmproduzent). Einführung: Hans Schmid<br />

Sonntag, 18. März 2012 Tageskarten 7 €, mitglieder des mFZ 5 €<br />

17.00 Uhr: Vortrag: GESCHICHTE UND STRUKTUR DER FRIEDRICH-WILHELM-MURNAU-STIFTUNG – 45 Minuten<br />

– 1966 wurde auf Initiative der Bundesregierung von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) die<br />

Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung gegründet, um den Verkauf des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens ins<br />

Ausland zu verhindern. Sie verfügt über die Rechte an rund 3.000 deutschen Spiel- und Kulturfilmen, meist aus der<br />

Zeit zwischen 1895 und 1945. Parallel wurde die Transit Film gegründet, die treuhänderisch für die Murnau-Stiftung<br />

und die Bundesrepublik Deutschland Filme auswertet. Referent: Ernst Szebedits (Vorstand Murnau-Stiftung)<br />

18.30 Uhr: Vortrag: RIEFENSTAHL UND DIE FOLGEN – Mit ihren filmischen Massenchoreographien und hymnischen<br />

Körperinszenierungen in TRIUMPH DES WILLENS und in den beiden Olympiafilmen hat Leni Riefenstahl<br />

Schule gemacht – weniger im propagandistischen Umfeld ihrer Entstehungszeit als seit den 1970er Jahren in den<br />

Bilderwelten des Hollywoodkinos, in der Werbefotographie, in Werbespots und in Videoclips. Die Spurensuche soll<br />

zeigen, wie sehr der von ihr maßgeblich geprägte visuelle Triumphalismus und Kult der makellosen Körper zum<br />

Muster suggestiver Bildsprache geworden sind. Referent: Ernst Schreckenberg<br />

21.00 Uhr: Film: HITLERS HITPARADE – Deutschland 2004 – R+B: Oliver Axer, Susanne Benze – 75 min – Eine<br />

ungewöhnliche, heftig umstrittene Collage, die in historischen Filmdokumenten die Schrecken der Naziherrschaft<br />

zeigt. Dieses Archivmaterial wird gemischt mit Ausschnitten aus Spiel-, Trick-, Lehr- und Werbefilmen und unterlegt<br />

mit zeitgenössischer Tanz- und Unterhaltungsmusik. Einführung: C. Cay Wesnigk (Produzent)


HITLERJUNGE QUEX – Deutschland 1933 – R: Hans<br />

Steinhoff – B: Karl Aloys Schenzinger, Bobby E. Lüthge<br />

– K: Konstantin Tschet – M: Hans-Otto Borgmann – D:<br />

Jürgen Ohlsen, Heinrich George, Berta Drews, Claus<br />

Clausen, Hermann Speelmans – 95 min – Die Geschichte<br />

von Heini Völker, einem Jungen aus kommunistischem<br />

Haus, der gegen den Willen seines Vaters<br />

bei der Hitlerjugend mitmachen will. Der populärste<br />

Jugendfilm des NS-Kinos wurde noch viele Jahre nach<br />

seiner Entstehung in den Kinos und »Jugendstunden«<br />

des »Dritten Reichs« gezeigt. Goebbels notierte nach<br />

der Premiere: »Das Publikum ist ganz hingerissen.«<br />

▶ Dienstag, 20. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

KOPF HOCH, JOHANNES! – Deutschland 1941 – R:<br />

Viktor de Kowa – B: Toni Huppertz, Wilhelm Krug, Felix<br />

von Eckardt – K: Friedl Behn-Grund – M: Harald Böhmelt<br />

– D: Klaus Detlef Sierck, Albrecht Schönhals, Leo<br />

Peukert, Gunnar Möller, Karl Dannemann – 78 min –<br />

Ein in Argentinien aufgewachsener Vierzehnjähriger<br />

kommt nach dem Tod seiner Mutter in Deutschland in<br />

eine »Nationalsozialistische Erziehungsanstalt« (Napola)<br />

und findet einen Platz in der Gemeinschaft des Internats<br />

sowie ein neues Verhältnis zu seinem Vater. Ein<br />

Werbefilm für die NS-Erziehungsanstalten, die den<br />

»neuen Menschen« formen sollten. »Zu laut und in der<br />

Regie nicht ganz gekonnt, im Thema dagegen gut.«<br />

(Goebbels)<br />

▶ Mittwoch, 21. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

JUD SÜSS – Deutschland 1940 – R: Veit Harlan – B:<br />

Veit Harlan, Eberhard Wolfgang Möller, Ludwig Metzger<br />

– K: Bruno Mondi – M: Wolfgang Zeller – D: Ferdinand<br />

Marian, Kristina Söderbaum, Heinrich George, Werner<br />

Krauß, Eugen Klöpfer, Malte Jäger – 96 min – Joseph<br />

Süß-Oppenheimer zieht als Geheimer Finanzrat des<br />

verschwenderisch lebenden Herzogs Karl Alexander<br />

von Württemberg den Zorn der Bevölkerung auf sich<br />

und wird als »Staatsverbrecher« 1738 gehenkt. »Ein<br />

ganz großer genialer Wurf. Ein antisemitischer Film, wie<br />

wir ihn uns nur wünschen können.« (Goebbels) Veit<br />

Harlan wurde als Regisseur dieses Films nach dem<br />

Krieg wegen »Verbrechens gegen die Menschlichkeit«<br />

vor Gericht gestellt.<br />

▶ Dienstag, 27. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

NS-Filmpropaganda<br />

21<br />

JUD SüSS


NS-Filmpropaganda<br />

22<br />

ROBERT UND BERTRAM – Deutschland 1939 – R+B:<br />

Hans H. Zerlett, nach der Posse von Gustav Raeder – K:<br />

Friedl Behn-Grund – M: Leo Leux – D: Rudi Godden,<br />

Kurt Seifert, Alfred Maack, Carla Rust, Fritz Kampers,<br />

Heinz Schorlemmer – 93 min – Musikalische Posse<br />

aus der Biedermeierzeit: Zwei Vagabunden entlarven<br />

einen jüdischen Kommerzienrat, um die Heirat zwischen<br />

einer Wirtstochter und einem jungen Rekruten<br />

zu ermöglichen. Antisemitische Propaganda in einem<br />

scheinbar harmlosen Unterhaltungsfilm. »Zu viel Klamauk<br />

und fast gar keine Kunst. Dabei das Judenproblem<br />

ganz äußerlich und ohne jede tiefere Einfühlung<br />

angefasst.« (Goebbels)<br />

▶ Mittwoch, 28. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

OHM KRÜGER – Deutschland 1941 – R: Hans Steinhoff<br />

– B: Harald Bratt, Kurt Heuser – K: Fritz Arno<br />

Wagner – M: Theo Mackeben – D: Emil Jannings, Lucie<br />

Höflich, Werner Hinz, Eduard von Winterstein, Elisabeth<br />

Flickenschildt, Gustaf Gründgens – 124 min – Aufwändiger<br />

Historienfilm unter der künstlerischen Oberleitung<br />

von Emil Jannings: Der Kampf der Buren gegen die<br />

Engländer in Südafrika. Die Grausamkeit und Hinterlist<br />

der britischen Armee werden angeprangert, Konzentrationslager<br />

als Erfindung der Briten vorgeführt. »Ein ganz<br />

großes, hinreißendes Kunstwerk. Spitzenleistung des<br />

ganzen Krieges. Das ist ein Film zum Rasendwerden.<br />

Ein Anti-England-Film, wie man ihn sich nur wünschen<br />

kann.« (Goebbels)<br />

▶ Dienstag, 3. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

STUKAS – Deutschland 1941 – R: Karl Ritter – B: Karl<br />

Ritter, Felix Lützkendorf – K: Walter Meyer, Walter Roßkopf,<br />

Hugo von Kaweczenski, Heinz Ritter – M: Herbert<br />

Windt – D: Carl Raddatz, Hanne Stelzer, Ernst von Klipstein,<br />

Albert Hehn, O.E. Hasse – 101 min – Ein Heldenlied<br />

auf die deutsche Luftwaffe. Ein verwundeter und<br />

unter Depressionen leidender Oberleutnant wird zur<br />

seelischen Genesung zu den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen<br />

geschickt und fasst dort neuen Lebensmut.<br />

»Man denkt nicht mehr daran, dass die Kameraden<br />

gefallen sind, sondern nur noch, wofür sie gefallen<br />

sind.« Goebbels über Karl Ritter: »Ritter sagt nationale<br />

Dinge mit einer Ungehemmtheit, dass ein anderer erröten<br />

würde.«<br />

▶ Mittwoch, 4. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

HEIMKEHR – Deutschland 1941 – R: Gustav Ucicky –<br />

B: Gerhard Menzel – K: Günther Anders – M: Willy<br />

Schmidt-Gentner – D: Paula Wessely, Peter Petersen,<br />

Attila Hörbiger, Ruth Hellberg, Berta Drews, Carl Raddatz<br />

– 96 min – 1939 in Polen: Vergeblich kämpfen<br />

eine Lehrerin, ihr Vater und ihr Verlobter für die Rechte<br />

der »Volksdeutschen«. Der Einmarsch der deutschen<br />

Truppen rettet ihr Leben. »Der Film ist erschütternd und<br />

ergreifend zugleich. Er stellt eine erzieherische Erinnerung<br />

für das ganze deutsche Volk dar. Eine Szene in<br />

einem polnischen Gefängnis stellt überhaupt für meinen<br />

Begriff das Beste dar, was je im Film gedreht worden<br />

ist.« (Goebbels)<br />

▶ Dienstag, 10. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

FRONTTHEATER – Deutschland 1942 – R: Arthur<br />

Maria Rabenalt – B: Georg Hurdalek, Hans Fritz Köllner,<br />

Werner Plücker – K: Oskar Schnirch – M: Werner Bochmann,<br />

Hans-Martin Majewski – D: Heli Finkenzeller,<br />

René Deltgen, Lothar Firmans, Hedi und Margot Höpfner,<br />

Heinz Rühmann – 95 min – Lena, die ihrem Mann<br />

zuliebe ihre Schauspielkarriere aufgegeben hat, springt<br />

als Hauptdarstellerin bei einer Fronttheater-Tournee<br />

ein. Goebbels mochte den Film nicht sonderlich (»Die<br />

Charaktere sind schlecht gezeichnet, der Konflikt an<br />

den Haaren herbeigezogen und die Durchführung der<br />

Handlung ganz äußerlich und konventionell gemacht«),<br />

doch beim Publikum war er ein großer Erfolg.<br />

▶ Mittwoch, 11. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

GPU – Deutschland 1942 – R: Karl Ritter – B: Karl Ritter,<br />

Felix Lützkendorf, Andrews Engelmann – K: Igor<br />

Oberberg – M: Herbert Windt – D: Olga Solari, Andrews<br />

Engelmann, Marina von Ditmar, Will Quadflieg, Lale<br />

Andersen, Albert Lippert – 99 min – Antisowjetischer<br />

Propagandafilm über die Aktivitäten der sowjetischen


Geheimpolizei GPU in Westeuropa 1939/40. Eine Geigenvirtuosin<br />

erkennt den Mörder, der in den Wirren der<br />

russischen Revolution für den Tod ihrer Familie verantwortlich<br />

war und denunziert ihn. Goebbels war von Ritters<br />

Thriller nicht begeistert und notierte am 3.7.1942<br />

in seinem Tagebuch: »Abends sehe ich den neuen Karl-<br />

Ritter-Film GPU. Er ist in vielen seiner Teile ein dilettantisches<br />

Machwerk.«<br />

▶ Dienstag, 17. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

MEIN SOHN, DER HERR MINISTER – Deutschland<br />

1937 – R: Veit Harlan – B: Karl Georg Külb, Edgar Kahn,<br />

nach dem Stück »Fistons« von André Birabeau – K:<br />

Günther Anders – M: Leo Leux – D: Heli Finkenzeller,<br />

Hans Brausewetter, Hans Moser, Hilde Körber, Paul<br />

Dahlke, Françoise Rosay – 81 min – Eine französische<br />

Boulevardkomödie umfunktioniert in eine durchaus<br />

sehr unterhaltsame, aber böse politische Satire: Erotische<br />

und politische Verwicklungen in der Regierung der<br />

französischen Republik führen dazu, dass am Ende<br />

zwei Minister a.D. mit sattem Ruhegehalt an der Seine<br />

sitzen. »Eine geistvolle Verhöhnung des Parlamentarismus,<br />

politisch sehr reizvoll.« (Goebbels)<br />

▶ Mittwoch, 18. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />

Drößler)<br />

BLUTSBRÜDERSCHAFT – Deutschland 1940 – R: Philipp<br />

Lothar Mayring – B: Harald G. Petersson, Philipp<br />

Lothar Mayring – K: Ekkehard Kray – M: Michael Jary –<br />

D: Hans Söhnker, Ernst von Klipstein, Anneliese Uhlig,<br />

Paul Westermeier, Rudolf Platte, Axel Monté – 104 min<br />

– Die Freundschaft zwischen einem Oberleutnant und<br />

einem Fliegerleutnant, die sich im Ersten Weltkrieg kennenlernen<br />

und 1939 wieder gemeinsam in den Krieg<br />

ziehen können, gibt Gelegenheit, »die Entstehung des<br />

nationalsozialistischen Gedankens« aufzuzeigen und<br />

die Weimarer Republik zu diskreditieren.<br />

▶ Dienstag, 24. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Felix<br />

Moeller)<br />

VENUS VOR GERICHT – Deutschland 1941 – R+B:<br />

Hans H. Zerlett – K: Oskar Schnirch – M: Leo Leux – D:<br />

Hansi Knoteck, Hannes Stelzer, Paul Dahlke, Siegfried<br />

Breuer, Charlott Daudert, Ernst Fritz Fürbringer –<br />

88 min – Zeitsatirische Komödie um einen vom Nationalsozialismus<br />

überzeugten Bildhauer, der eine Venus-<br />

Statue im Stile der griechischen Antike schafft und in<br />

Beweisnot gerät, dass sie wirklich von ihm ist. Die Weimarer<br />

Republik wird diesmal als Brutstätte »entarteter«<br />

Kunst dargestellt, in der »krankhaft veranlagte Jünglinge«<br />

und »Nichtskönner« sich in geradezu »verrückten«<br />

und »unverfrorenen Machwerken« austobten.<br />

▶ Mittwoch, 25. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung:<br />

Felix Moeller)<br />

ICH KLAGE AN – Deutschland 1941 – R: Wolfgang Liebeneiner<br />

– B: Eberhard Frowein, Wolfgang Liebeneiner<br />

– K: Friedl Behn-Grund – M: Norbert Schultze – D: Paul<br />

Hartmann, Heidemarie Hatheyer, Mathias Wieman, Margarete<br />

Haagen, Harald Paulsen, Hans Nielsen –<br />

125 min – Ein Arzt verabreicht seiner unheilbar erkrankten<br />

Ehefrau die erlösenden Arsentropfen und wird<br />

deswegen vor Gericht gestellt. »Neuer Liebeneiner-Film<br />

ICH KLAGE AN. Für die Euthanasie. Ein richtiger Diskussionsfilm.<br />

Großartig gemacht und ganz nationalsozialistisch.«<br />

(Goebbels) Nach 1945 wurde der Film zeitweise<br />

wieder freigegeben, dann aber wieder auf die<br />

Liste der »Vorbehaltsfilme« gesetzt.<br />

▶ Dienstag, 1. Mai 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Felix<br />

Moeller)<br />

DIE GOLDENE STADT – Deutschland 1942 – R: Veit<br />

Harlan – B: Veit Harlan, Alfred Braun – K: Bruno Mondi<br />

– M: Hans-Otto Borgmann – D: Kristina Söderbaum,<br />

Paul Klinger, Kurt Meisel, Annie Rosar, Rudolf Prack,<br />

Eugen Klöpfer, Dagny Servaes – 104 min – Der zweite<br />

deutsche Agfacolor-Spielfilm war ein Welterfolg. Es funkeln<br />

in Blau und Gold nicht nur die Augen und das Haar<br />

von Kristina Söderbaum, sondern auch die Moldau und<br />

die Dächer von Prag. Das Blut-und-Boden-Melodram<br />

über ein Bauernmädchen, das den heimatlichen Hof<br />

verlässt und den Verlockungen der Großstadt erliegt,<br />

besitzt unübersehbare rassistische Untertöne gegen<br />

die Slawen, wurde aber nach dem Krieg schon bald<br />

wieder für Aufführungen freigegeben.<br />

▶ Mittwoch, 2. Mai 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Felix<br />

Moeller)<br />

NS-Filmpropaganda<br />

23


Stimmen der Roma<br />

Die Stimmen der Roma<br />

24<br />

KORKORO<br />

Die Geschichte der Bilder, die sich die Gesellschaft von<br />

»den Zigeunern« machte, ist eine fortlaufende Geschichte<br />

von Vorurteilen und Zuschreibungen jenseits<br />

aller historischen Wahrheit. Die Roma, ihrer Rechte beraubt,<br />

blieben in diesem Prozess lange Zeit ohne<br />

Stimme.<br />

Im heutigen von Identitätskrisen gebeutelten Europa<br />

wird die Verachtung der Mehrheitsgesellschaften den<br />

Roma gegenüber wieder sichtbar. Auf diese Entwicklung<br />

antworten Roma-Künstler, wie die Filmemacherin<br />

Laura Halilovic oder die junge bulgarische Romni Ludmila<br />

Zhivkova. In ihnen offenbart sich ein neues Selbstbewusstsein<br />

vor allem der jüngeren Generation von<br />

Roma-Künstlern und -Aktivisten, die sich mit einem eigenen<br />

zeitgemäßen Ausdruck für ihre Kultur zu Wort<br />

melden.<br />

Das kulturelle Selbstbewusstsein steht im Zentrum des<br />

spartenübergreifenden Programms »Die Stimmen der<br />

Roma«, in dem kulturelle, politische und historische<br />

Aspekte zur Situation der Roma in Europa aufgegriffen<br />

werden. In einem stadtweiten Veranstaltungsprogramm<br />

wird im April und Mai ein breites Spektrum aus dem<br />

zeitgenössischen Kunstschaffen von Roma-KünstlerInnen<br />

im Rahmen von Diskussionen, Vorträgen, Lesungen,<br />

Ausstellungen, Konzerten, Stadtführungen und<br />

Filmreihen präsentiert.<br />

Klaus Blanc<br />

Retrospektive Tony Gatlif<br />

Im Oktober 2011 fand in Paris ein Kolloquium zur Thematik<br />

»›Tsiganes‹, ›Nomades‹: un malentendu européen«<br />

(»Zigeuner«, »Nomaden«: ein europäisches Missverständnis)<br />

statt, bei dem in einer Filmreihe Tony Gatlifs<br />

LATCHO DROM von 1992 gezeigt wurde. Der Film<br />

beginnt mit Bildern wie aus 1001 Nacht: Eine Karawane<br />

macht Halt, und bei heraufkommender Nacht<br />

beginnen die Tänze und der Gesang aller. Vom indischen<br />

Rajasthan geht Gatlif auf Spurensuche der einstmals<br />

geheimnisvollen Fahrenden, ihrer Musik, ihrer Kultur,<br />

ihrer Geschichte und ihrer heutigen, miserablen<br />

Lage. Es ist ein langer Weg durch Ägypten, Rumänien,<br />

Ungarn, Frankreich und Andalusien. Der Film macht<br />

deutlich, mit welcher Intensität sich die Reisenden mit<br />

der Kultur des jeweiligen Landes auseinandersetzten,<br />

es mit ihrem Können bereicherten und sich bereichern<br />

ließen, er zeigt uns eine ganz andere Art des Tanzes,<br />

eine andere Art von Bauchtanz in Nordafrika, eine andere<br />

Art von Flamenco im täglichen Leben der spanischen<br />

Manouches, er zeigt Musiker der elsässischen<br />

Sinti, und er eröffnet uns so ein Universum von bisher<br />

Verstecktem und Verkanntem.<br />

Vor vollbesetzem Kino erzählt der Filmemacher Gatlif,<br />

wie er sich mit einem winzigen Team und kleinstem


Budget ein Jahr lang auf Spurensuche begeben hat,<br />

wie er sich auf filmisches Vagabundentum eingelassen<br />

hat und welche Reichtümer er dabei entdeckte. Provokant<br />

behauptet ein Kinobesucher, dieses Bild der<br />

»Gitanes« in LATCHO DROM entspräche nicht mehr der<br />

Realität: Heute seien die Roma fast alle durch ihre<br />

Armut verwahrlost und dreckig. Tony Gatlif erwidert vehement,<br />

die armseligen Hütten der rumänischen Roma<br />

seien noch viel sauberer und schöner als er sie habe<br />

zeigen können. Er habe Roma, die hungerten, denen<br />

die Kinder weggenommen worden waren, denen ver -<br />

boten worden war, ihre Sprache zu sprechen, in ihrer<br />

Würde erleben können. Er erlebe bei den Tsiganes<br />

mehr Menschlichkeit und Lebensfreude als bei jedem<br />

anderen Volk, und bei keinem so viel Streben nach Unabhängigkeit<br />

und Freiheit.<br />

Tony Gatlifs Filme rühren an Dinge, die keiner hören<br />

oder sehen will. Und sie beziehen sich alle auf die<br />

Frage von Glück und Herrschaftslosigkeit. In ihnen spiegeln<br />

sich viele autobiografische Erfahrungen. Gatlif<br />

wurde 1948 in Algier geboren, sein Vater ist Araber,<br />

seine Mutter kommt aus einer Familie andalusischer<br />

Gitanos. Sein Weg stand, wie er sagt, unter einem<br />

guten Stern. Einem Lehrer gelingt es, ihn von der<br />

Straße zu holen und sein Interesse für Film zu wecken.<br />

Als Schuljunge bekommt er 16mm-Kopien der Filme<br />

von Jean Vigo, Jean Renoir, John Ford und Charlie Chaplin<br />

zu sehen, die seine kinematografische Erziehung<br />

sind. Um einer Zwangsheirat zu entgehen, verlässt er<br />

dann doch seine Familie und landet in Marseille, bis<br />

sein Leben als Straßenjunge in einem Erziehungsheim<br />

in der Nähe von Paris endet. Von da an ergreift er jede<br />

Chance, die sich ihm bietet: Mit Hilfe von Michel Simon<br />

bewirbt er sich an einer Theaterakademie, lernt Texte<br />

nach Gehör, weil er kaum lesen und schreiben kann,<br />

und arbeitet als Schauspieler mit Gérard Depardieu. In<br />

den 1970er Jahren beginnt er, Drehbücher zu verfassen<br />

und Kurzfilme zu drehen. Er sagt: »Ich bin Gitano,<br />

trotz aller Verfolgung, trotz Zurückweisung. Ich existiere.«<br />

1983 dreht Gatlif seinen ersten eigenen Spielfilm LES<br />

PRINCES. In einem Vorort von Paris, einem grauen, fast<br />

verfallenen »sozialen Brennpunkt« leben sesshaft gemachte<br />

Manouches in großer Armut von Tricksereien<br />

und Ladendiebstählen. Da entscheidet sich der Vater,<br />

mit Tochter und Großmutter wieder auf die Reise zu<br />

gehen. Es gibt im Film Szenen, in denen uns Gatlif den<br />

Spiegel vorhält: Eine Journalistin fragt flirtend nach der<br />

geheimnisvollen Herkunft der Manouches und bekommt<br />

zur Antwort, dies sei ein Pariser Slum. Ein Pärchen<br />

mit Auto und Wohnwagen lichtet die hungernd<br />

und frierend am Straßenrand sitzenden Exoten nach<br />

dem Motto »Elend ist fotogen« ab, so wie die unzäh -<br />

ligen Touristen in Saintes-Maries-de-la-Mer, die die<br />

Wallfahrten der Sinti und Manouches fotografieren, sie<br />

aber nicht als Nachbarn haben wollen. Gatlif gelingt es,<br />

mit LES PRINCES einen Film gegen den Strich zu machen:<br />

Es ist der erste Film nach dem Krieg, wahrscheinlich<br />

der erste Film überhaupt, der konsequent<br />

die Perspektive der Manouches einnimmt. Es ist kein<br />

Film für besserwisserische Sozialarbeiter, für Politiker,<br />

für manche Romafreunde, die mit staatlicher Hilfe von<br />

»Assimilation und Integration« schwafeln.<br />

Noch weitaus radikaler ist GADJO DILO (1997), ein Film<br />

über Roma in der Walachei, dem Norden Rumäniens.<br />

Die Dorfbevölkerung zerstört die Hütten der Großfamilie<br />

und setzt sie in Brand, wohl eine Anspielung auf das<br />

Pogrom von Hadareni im Jahr 1993 in der Provinz<br />

Targu. Der persönliche Konflikt zweier Männer eskalierte,<br />

bis die Dorfbevölkerung zur Lynchjustiz überging,<br />

die Häuser der Roma in Brand setzte und ein Mann den<br />

Tod fand. Ein Gadjo Dilo, ein verrückter Fremder, ist auf<br />

der Suche nach einer mysteriösen Sängerin, deren Lied<br />

er den vielen Musikern, die er aufsucht, auf seinem<br />

Kassettenrecorder vorspielt. Langsam beginnt der<br />

Fremde, sich den rumänischen Roma und ihrer Lebensweise<br />

zu nähern. Wir werden zu Zeugen realer Begebenheiten:<br />

der Hochzeit einer reichen Familie mit<br />

einer Braut, geschmückt mit schweren Goldmünzen,<br />

der musikalischen Virtuosität zahlreicher Roma und der<br />

Totenklage von Sängern und Musikern um einen alten<br />

Freund. Der verrückte Fremde erlebt das Unrecht, das<br />

der Romagemeinschaft widerfährt. Am Ende empfindet<br />

er seine Tonbandaufnahmen als Diebstahl an deren<br />

Kultur und vernichtet sie.<br />

Im Jahr 2000 dreht Gatlif mit andalusischen Gitanos<br />

VENGO, ein Familiendrama, eine Innenansicht der Welt,<br />

aus der seine Mutter stammt. Gatlif betont, es sei kein<br />

Film über Flamenco, sondern ein Flamencofilm. Auch<br />

SWING (2002) ist ein Musikfilm, mit dem großen Sintimusiker<br />

Tchavolo Schmitt, mit nordafrikanischen und<br />

jüdischen Musikern, mit Profis und mit Laien. Wie der<br />

von Moholy-Nagy 1930 aufgenommene Film von Sinti<br />

in der Berliner Müllerstraße zeigt auch VENGO Tanzende<br />

und Singende. Aber es ist nicht der Blick von<br />

außen auf das Fremde. Gatlif öffnet uns die Augen, gewährt<br />

uns einen Zugang zu einer anderen Welt, zu<br />

einer anderen Kultur. Der brennende Wohnwagen eines<br />

verstorbenen Sintimusikers hat eine andere Bedeutung<br />

als ein von der Dorfbevölkerung angezündeter.<br />

Gatlifs letzter Film zur Thematik des Roma-Volkes ist<br />

KORKORO (2009). Er schildert das Schicksal einer Fa-<br />

Tony Gatlif<br />

25


LES PRINCES (TOD IM REGEN) – Frankreich 1983 –<br />

R+B+M: Tony Gatlif – K: Jacques Loiseleux – D: Gérard<br />

Darmon, Muse Dalbray, Céline Militon, Concha Tavora,<br />

Tony Librizzi, Tony Gatlif – 100 min, OmeU – Ein Zigeuner<br />

in einer heruntergekommenen französischen Wohnsiedlung<br />

versucht sich gegen Vorurteile und eigene Rollenklischees<br />

zu behaupten. »Gatlif inszeniert dies nicht<br />

als realistische Sozialstudie, sondern als Groteske voller<br />

absurder Typen und Situationen, die gegen Schluss<br />

des Films immer tragischer werden.« (Krischan Koch)<br />

▶ Mittwoch, 14. März 2012, 21.00 Uhr<br />

Tony Gatlif<br />

26<br />

Tony gatlif<br />

milie von Tsiganes, die während der deutschen Besatzung<br />

nur bis zur belgischen Grenze gelangen und so<br />

ihrer Deportation nach Auschwitz nicht entkommen. Als<br />

Darsteller hat Gatlif, wie er sagt, wieder mit »echten Tsiganes«<br />

gearbeitet, die er in verschiedenen europäischen<br />

Ländern gefunden und um Mitarbeit gebeten hat.<br />

Alle Filme Tony Gatlifs zeichnen sich durch ungebrochene<br />

Parteilichkeit aus, sie sind radikal aus der Sicht<br />

der Tsiganes, Manouches, »Bohemiens«, der Roma und<br />

Sinti erzählt. Seit Jahrhunderten, nicht nur während der<br />

spanischen Inquisition oder in der Zeit des National -<br />

sozialismus, ist der Zigeunertod der Tod, den es nicht<br />

gegeben hat. Noch heute gibt es Versuche von Zwangsansiedlungen,<br />

gibt es eine »Question Rom«, eine »Zigeunerfrage«<br />

– Reisefreiheit gilt nur für Sesshafte. Polizei,<br />

Wissenschaftler, Politiker am rechten Rand und<br />

viele Europapolitiker erlauben sich, gegen den »asozialen<br />

Abschaum« zu wettern und die Integrationsunwilligkeit<br />

dieser »mobilen ethnischen Minderheit« zu beklagen.<br />

Tony Gatlif gehört zu diesem »Abschaum«, er tritt<br />

wie ein Prinz aus ihm hervor und spuckt den Lügnern<br />

die Lüge zurück ins Gesicht. Er nimmt den Faden der<br />

falsch erzählten Geschichte auf und fängt in seinen Filmen<br />

mit dem richtigen Erzählen an. Er hat bis heute<br />

nicht damit aufgehört: Sein neuer Film INDIGNADOS,<br />

der Im Frühjahr 2012 Premiere hat, handelt von einer illegalen<br />

Einwanderin.<br />

Katrin Seybold<br />

Katrin Seybold hat vier Filme über die Diskriminierung und Verfolgung<br />

von Sinti gedreht, u. a. DAS FALSCHE WORT (1987), in<br />

Zusammenarbeit mit der Sinteza Melanie Spitta.<br />

Retrospektive Tony Gatlif<br />

LATCHO DROM (GUTE REISE) – Frankreich 1993 –<br />

R+B: Tony Gatlif – K: Eric Guichard – 103 min, OF –<br />

Eine Reise von Indien bis Spanien auf den Spuren des<br />

nomadisierenden Volks der Roma, die ganz ohne Kommentar<br />

auskommt und nur von der Musik und vom<br />

Tanz lebt. »Ein hervorragender Film mit viel Herz, der<br />

von der Lebenslust und von den Lebensrechten eines<br />

vielfach geschmähten und unterdrückten Volkes erzählt.«<br />

(Lexikon des Internationalen Films)<br />

▶ Mittwoch, 21. März 2012, 21.00 Uhr<br />

GADJO DILO (GELIEBTER FREMDER) – Frankreich<br />

1997 – R+B: Tony Gatlif – K: Eric Guichard – M: Tony<br />

Gatlif, Rona Hartner – D: Romain Duris, Rona Hartner,<br />

Izidor Serban, Ovidiu Balan, Angela Serban, Aurica<br />

Ursan – 102 min, OmU – Ein junger Franzose reist<br />

nach Rumänien auf der Suche nach einer Sängerin,<br />

deren Zigeunerlied sein verstorbener Vater liebte.<br />

»Authentisch durch Laiendarsteller in den Nebenrollen<br />

und trotz schmerzlicher Augenblicke ein anarchischer<br />

und höchst sinnlicher Film über die Begegnung zweier<br />

grundverschiedener Welten.« (Iris Depping)<br />

▶ Mittwoch, 28. März 2012, 21.00 Uhr<br />

VENGO – Spanien/Frankreich 2000 – R+M: Tony Gatlif<br />

– B: Tony Gatlif, David Trueba – K: Thierry Pouget – D:<br />

Antonio Canales, Orestes Villasan Rodríguez, Antonio<br />

Dechent, Bobote, Juan Luis Corrientes, Fernando Guerrero<br />

Rebollo, Francisco Chavero Rios – 90 min, OmU –<br />

In einem andalusischen Dorf ertränkt ein Zigeuner den<br />

Schmerz über den Tod seiner kleinen Tochter in Musik<br />

und Tanz. »Hier lädt nicht der Flamenco die Rachegeschichte<br />

mit Pathos und Lebenswut auf. Hier färbt die<br />

Blutrache den Flamenco in der Opfersteinfarbe eines<br />

grausamen Rituals.« (Thomas Klingenmaier)<br />

▶ Mittwoch, 4. April 2012, 21.00 Uhr<br />

SWING – Frankreich 2002 – R+B: Tony Gatlif – K:<br />

Claude Garnier – M: Abdellatif Chaarani, Tony Gatlif,<br />

Mandino Reinhardt, Tchavolo Schmitt, Hélène Mershstein<br />

– D: Tchavolo Schmitt, Oscar Copp , Lou Rech,<br />

Ben Zimet, Mandino Reinhardt, Abdellatif Chaarani –<br />

90 min, OmU – Der zehnjährige Max aus dem Villenviertel<br />

von Strasbourg lernt durch ein Mädchen und


einen Gitarrenvirtuosen die Welt der Sinti kennen. »Zuweilen<br />

lässt Gatlif die Kamera einfach fliegen, dann<br />

wird SWING zu dem, was der Titel verheißt: eine leichte,<br />

freie Bewegung.« (Bert Rebhandl)<br />

▶ Mittwoch, 11. April 2012, 21.00 Uhr<br />

EXILS (EXIL) – Frankreich 2004 – R+B: Tony Gatlif – K:<br />

Céline Bozon – M: Tony Gatlif, Delphine Mantoulet – D:<br />

Romain Duris, Lubna Azabal, Zouhir Gacem, Leila<br />

Makhlouf, Habib Cheik, Latifa Ahrar – 104 min, OmU –<br />

Die Sehnsucht nach Musik, Heimat und irgendeiner Art<br />

von Sinn treibt ein Pärchen Richtung Algerien. »Tony<br />

Gatlif setzt auf die Momentaufnahme, die Beobachtung<br />

von Situationen, die sich schließlich collageartig zu<br />

einem Reisefilm zusammenfügen, dessen Landschaftsveränderungen<br />

sich auch musikalisch kartografieren<br />

lassen.« (Marguerite Seidel)<br />

▶ Mittwoch, 18. April 2012, 21.00 Uhr<br />

TRANSYLVANIA – Frankreich 2006 – R+B: Tony Gatlif<br />

– K: Céline Bozon – M: Tony Gatlif, Delphine Mantoulet<br />

– D: Asia Argento, Amira Casar, Birol Ünel, Alexandra<br />

Beaujard – 103 min, OmU – Zingarina ist schwanger<br />

und sucht den Vater. »TRANSYLVANIA hat hypnotische<br />

Wirkung, und das ist vor allem Asia Argento zu verdanken.<br />

Ihre Zingarina ist schön und zugleich vom Leben<br />

gezeichnet, madonnengleich und doch wie eine Furie,<br />

zärtlich und anstrengend, zerbrechlich und furchterregend.<br />

Transsilvanien ist eine Hexe, Asia Argento seine<br />

Göttin und Tony Gatlif sein Prophet.« (Delphine Valloire)<br />

▶ Mittwoch, 25. April 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Tony<br />

Gatlif)<br />

KORKORO (FREIHEIT) – Frankreich 2009 – R+B: Tony<br />

Gatlif – K: Julien Hirsch – M: Delphine Mantoulet – D:<br />

Marc Lavoine, Marie-Josée Croze, James Thiérrée,<br />

Arben Bajraktaraj, Mathias Laliberté, Rufus – 111 min,<br />

OmeU – Eine Zigeunerfamilie reist 1943 während der<br />

deutschen Besatzung durch Frankreich, um auf Weingütern<br />

zu arbeiten. Ihr droht Internierung und Deportation.<br />

»Gatlif will mit seinem sehenswerten Film, der<br />

ebenso lebensbejahend ist wie traurig, aufklären. KOR-<br />

KORO verdient es, ein möglichst großes Publikum zu erreichen.«<br />

(Nora Lee Mandel)<br />

▶ Donnerstag, 26. April 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast: Tony<br />

Gatlif)<br />

Stimmen der Roma<br />

CIGAN (ZIGEUNER) – Slowakei 2011 – R: Martin Šulík<br />

– B: Marek Lescák, Martin Šulík – K: Martin Sec – M:<br />

Vladimír Godár – D: Miroslav Gulyas, Martina Kotlarova,<br />

Jan Mizigar, Attila Mokos – 107 min, OmU – Adam ist<br />

ein 14jähriger Rom. Der Tod seines Vaters bringt die Familie<br />

in Not, und Adam wird gegen seinen Willen zum<br />

Dieb. Dann willigt auch noch seine Freundin ein, gegen<br />

ein hohes Brautgeld mit einem Tschechen verheiratet<br />

zu werden. Martin Šulík drehte in einer Roma siedlung<br />

im Osten der Slowakei und erhielt die Unterstützung<br />

der ganzen Gemeinde. Ihre Lebensumstände werden<br />

nicht geschönt, und sie sprechen in Romanes.<br />

▶ Freitag, 27. April 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Martin<br />

Šulík)<br />

A GYPSY IN THE CENTRAL COMMITTEE OF THE BUL-<br />

GARIAN COMMUNIST PARTY (EIN ZIGEUNER IM<br />

ZENTRALKOMMITTEE DER BULGARISCHEN KOM-<br />

MUNISTISCHEN PARTEI) – Bulgarien 2008 – R+B:<br />

Ludmila Zhivkova – 19 min, OmeU – Der Rom Nikolaj<br />

Kolew hatte von 1958 bis 1990 einen Sitz im ZK der<br />

bulgarischen KP inne. Er fungierte als »Roma-Feigenblatt«,<br />

während die Roma per Dekret zur Sesshaftigkeit<br />

gezwungen wurden und eine kleine gebildete Roma-<br />

Elite entstand. – IO, LA MIA FAMIGLIA ROM E WOODY<br />

ALLEN (ICH, MEINE ZIGEUNER-FAMILIE UND<br />

WOODY ALLEN) – Italien 2009 – R+K: Laura Halilovic<br />

– B: Laura Halilovic, Nicola Rondolino, Davide Tosco –<br />

50 min, OmeU – Ein ganz persönliches, ironisches<br />

Selbstporträt einer Roma-Familie: Die Familie Halilovic<br />

kam Ende der 1960er Jahre aus Bosnien-Herzegowina<br />

nach Italien, 1996 zwang man sie in ein Flüchtlingslager.<br />

Tochter Laura ist jetzt 19 Jahre alt und soll heiraten,<br />

sie will aber lieber ihre Träume verwirklichen und<br />

Woody Allen treffen.<br />

▶ Samstag, 28. April 2012, 21.00 Uhr<br />

OUR SCHOOL (UNSERE SCHULE) – Rumänien 2011 –<br />

R: Mona Nicoara, Miruna Coca-Cozma – K: Ovidiu Marginean<br />

– M: Sasha Gordon – D: Alin Moldovan, Beniamin<br />

Lingurar, Dana Varga, Dan Boga – 93 min, OmeU –<br />

Drei Romakinder aus einem Dorf in Transsilvanien (Siebenbürgen),<br />

die bisher von den anderen Kindern getrennt<br />

unterrichtet wurden, dürfen am Projekt einer integrierten<br />

Schule teilnehmen, deren Einrichtung aufgrund<br />

einer EU-Förderung Pflicht wird. Doch immer<br />

wieder gerät das Projekt mit tiefsitzenden ethnischen<br />

Vorurteilen in Konflikt. Über vier Jahre hinweg folgt der<br />

Dokumentarfilm den Mühen, Frustrationen und Hoffnungen<br />

der Kinder bis zum unerwarteten Schlusspunkt.<br />

OUR SCHOOL ist fesselnd, aufwühlend und schonungslos<br />

aufrichtig.<br />

▶ Sonntag, 29. April 2012, 21.00 Uhr<br />

Tony Gatlif<br />

27


Dieter Wieland<br />

Der Dokumentarfilmer Dieter Wieland<br />

28<br />

Dieter Wieland (rechts) bei Dreharbeiten<br />

Prophetischer Zorn und trockener Witz<br />

Eine »flurbereinigte« Landschaft: keine Hecken, keine<br />

Flussbiegung, keine Bäume. Vom Hubschrauber aus<br />

gesehen. Dazu der Kommentar, wie in allen seinen Filmen<br />

von Dieter Wieland selbst gesprochen: »Ein Kahlschlag<br />

geht durchs Land. Begradigung. Bereinigung.<br />

Erschließung. Beschleunigung. Kanalisierung. Neuordnung.<br />

Verordnung. Verödung. Das Land wird hergerichtet,<br />

abgerichtet, hingerichtet. Am Ende bleibt nur das<br />

Korsett des öden Rasters … Serienlandschaft … eine<br />

ausgeräumte nackte Maschinensteppe!«.<br />

Dann die Suche nach Gegenbildern: »Man muss weite<br />

Strecken reisen, um eine Landschaft zu finden, die<br />

noch so aussieht, wie ich es aus meiner Kindheit<br />

kenne. Und das ist noch nicht so lange her. Im Innviertel,<br />

in Oberösterreich, gibt es noch solche baumbestandenen<br />

Felder mit Laubwaldhainen, dazwischen Wild<br />

und Vögel, voller Fruchtbarkeit und Geborgenheit. So<br />

hat Niederbayern einmal ausgesehen.« Eine Passage<br />

aus GRÜN KAPUTT (1983). Unbeschreiblich die elektrisierende<br />

Wirkung, die dieser Film auf uns hatte – und<br />

er hat sie heute noch. Wir waren Studenten, hatten von<br />

Dieter Wieland noch nichts gesehen oder gehört, sahen<br />

GRÜN KAPUTT im Beiprogramm der gleichnamigen<br />

Ausstellung des <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong>s, waren hell<br />

begeistert. Schon diese Stimme: eine sonore, melodiös<br />

schwingende Stimme, in der untergründig eine Erregung<br />

vibriert. Erregung des Zorns, aber auch der Bewunderung,<br />

wenn von den Schönheiten erzählt wird.<br />

Dieser typische Wieland-Tonfall: ein unnachahmlicher<br />

Mix aus prophetischem Zorn und trockenem Witz, aus<br />

Wahrnehmungspräzision und Poesie.<br />

Augenöffnender Zauber. GRÜN KAPUTT traf auch den<br />

Nerv des damals aufkeimenden Bewusstseins, dass es<br />

nicht mehr so weitergehen darf mit Plünderung und<br />

Verhunzung von Natur und Umwelt. Wir fragten sogleich<br />

nach, wer dieser Dieter Wieland sei, lasen die<br />

biographischen Stichpunkte: 1937 in Berlin-Dahlem<br />

geboren, aufgewachsen in Landshut. Studium der Geschichte<br />

und Kunstgeschichte in München. Von 1964<br />

an freier Autor, Regisseur und Dokumentarfilmer beim<br />

Bayerischen Rundfunk (BR). Wir erfuhren, dass Wieland<br />

zehn Jahre zuvor, 1973, einen Film über die Altstadtzerstörung<br />

in Landshut gedreht hatte, der mäch-


tige Wellen der Empörung bei den Verantwortlichen<br />

auslöste. Es kam zu einer nachfolgenden Diskussionssendung,<br />

einer »Sternstunde des Fernsehens«. Es gab<br />

damals im BR-Rundfunkrat Versuche Wieland »abzuschießen«,<br />

aber der BR hielt zu seinem Autor. Wir erfuhren<br />

auch, dass er schon längst jede Menge Bewunderer<br />

hatte. Vielen erging es mit seinen Filmen gerade<br />

so wie uns mit GRÜN KAPUTT. Als 2011 der Oberbayerische<br />

Kulturpreis an Wieland verliehen wurde, erinnerte<br />

sich Laudator Hans Well (Biermösl Blosn) an die<br />

erste Begegnung mit seinen Sendungen: »Es fiel einem<br />

wie Schuppen von den Augen. Seine Gegenüberstellung<br />

von Bildern stimmiger Häuser mit verhunzten Altoder<br />

Neubauten, unterlegt mit Sätzen von präziser<br />

Wucht, schlugen ein!«<br />

Fortan suchten wir im BR-Programm nach seinen<br />

neuen Arbeiten. Sie wurden meist im Vorabendprogramm,<br />

das eigentlich nicht im Fokus unserer Fernsehgewohnheiten<br />

stand, ausgestrahlt. Freuten uns naturgemäß<br />

über Filmanfänge wie diesen: »Kennen S’ das<br />

neue Bayern? Bayern im Landhausstil. Oberbayern,<br />

Hochglanzbayern, Superbayern. Super Weiß-und-Blau.<br />

Das klassische Ensemble: Rundbogen, Schmiedeeisen,<br />

Wognradl, Blaufichte, Jägerzaun … Bayern grüabig,<br />

mit viel Schmalz, rustikal. Die Häuser in der Lederhosn.<br />

Bayern im Jodlerstil«. (DER JODLERSTIL, 1984)<br />

Über 200 Titel verzeichnet die Filmographie Dieter<br />

Wielands, der dieses Jahr am 16. März seinen 75. Geburtstag<br />

feiert. Was macht seine Filme so besonders?<br />

Von Stimme und Tonfall war schon die Rede. Seine Bilder<br />

sind ruhig, klar, kommen ohne Schnickschnack aus,<br />

es gibt sanfte Schwenks, Zooms, Fahrten, der Blick<br />

kann wandern, Räume und das präzise Detail erfassen.<br />

Bild und Kommentar sind natürlich aufeinander be -<br />

zogen, aber nicht in der Art simpler Illustration. Man<br />

kann sich parallel in Wort und Bild einschwingen. Wenn<br />

Wieland Interviewstücke einfügt, dann sind sie nicht<br />

hergerichtet und protzig ausgeleuchtet wie bei den üblichen<br />

Statements in TV-Features. Es ist eher so, wie<br />

wenn ein guter Nachbar Gespräche am Gartenzaun<br />

führt.<br />

Seine Filme sind Einladungen, zusammen eine Reise zu<br />

unternehmen, gewinnen ihre Überzeugungskraft aus<br />

der Evidenz des treffenden Beispiels, aus der augenöffnenden<br />

Gegenüberstellung. Sie fächern sich in größte<br />

Themenvielfalt auf, durchwandern ländliche und urbane<br />

Räume, nehmen Details in den Blick (Dächer,<br />

Zäune, Gärten), erzählen von herrlichen Parkanlagen,<br />

großen Architekten, prangern an (UNSER DORF SOLL<br />

HÄSSLICH WERDEN, 1975), decken die Verheerungen<br />

der Flurbereinigung auf, berichten vom Verfall und der<br />

möglichen Rettung von Dorfkirchen in Mecklenburg,<br />

oder demonstrieren beispielhaft gelungene Architektur<br />

(DIE GROSSE KUNST, EIN KLEINES HAUS ZU BAUEN,<br />

1988).<br />

Im Kern umkreisen sie alle eine zentrale Erfahrung,<br />

eine Schock-Erfahrung, die jeder kennt. Der Philosoph<br />

Heinrich Rombach hat diese Erfahrung einmal, als er<br />

Gebirgsdörfer der Alpen durchwanderte, so beschrieben:<br />

»Mit Entzücken nimmt man die alte Architektur<br />

wahr, wird immer neu überrascht vom Einfallsreichtum<br />

der Erbauer, von der fehlerlosen Harmonie der Formen<br />

und der Kraft der Gestaltungen. Gut, diese Erfahrung ist<br />

jedem Touristen bekannt. Dann aber bricht jäh das ästhetische<br />

Paradies ab. Man befindet sich an der Grenze<br />

zum Neubaugebiet. Was da an Geradlinigkeit, Einfallslosigkeit<br />

und Hässlichkeit in Beton und Eternit aufgeboten<br />

ist, übertrifft alles Vorstellbare. Warum dies? Woher<br />

dieser Abbruch? Was ist da geschehen? Diese Frage ist<br />

die Wesensfrage der Moderne!«<br />

Wielands Filme zelebrieren weder Nostalgie noch umweltschützerische<br />

Rhetorik, sie umkreisen die Wesensfrage<br />

der Moderne. Es gibt keinen anderen deutschen<br />

Filmemacher, der sich dieser Frage mit einer solchen<br />

Konzentration, Konsequenz und Hingabe gewidmet hat.<br />

In diesem Sinne ist Wieland der sprichwörtliche einsame<br />

Rufer in der Wüste. Zahlreiche Auszeichnungen<br />

(darunter der Bayerische Verdienstorden) hat er wohl<br />

erhalten, aber es gibt merkwürdigerweise noch keine<br />

umfassende Würdigung aus cineastischer Perspektive.<br />

Seine Filme rangieren eben als Fernsehsendungen,<br />

tauchen nicht bei Filmfestivals oder in Kinos auf. Dabei<br />

ist sein Œuvre unbedingt gleichrangig mit dem großer<br />

Dokumentaristen-Essayisten wie Chris Marker oder Volker<br />

Koepp.<br />

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass<br />

Dieter Wielands Filme mit ihrer unvergleichlichen<br />

Schule der Wahrnehmung bald selbstverständlichen<br />

Eingang in Lehrpläne finden werden, an Grundschulen,<br />

Gymnasien, vor allem natürlich bei der Ausbildung von<br />

Architekten und Städteplanern. Die Frage ist nur,<br />

warum das nicht schon längst geschehen ist.<br />

Rainer Gansera<br />

DIE GROSSMARKTHALLE: MAGEN DER GROSS-<br />

STADT – BRD 1971 – R+B: Dieter Wieland – K: Willy<br />

Dobos – 16 min – Ein Einblick in den Kosmos der<br />

<strong>Münchner</strong> Großmarkthalle mit seinen Menschen – viele<br />

von ihnen »Gastarbeiter« –, den täglich frischen Waren<br />

und dem Anliefer- und Verkaufsbetrieb. – VORSTADT<br />

GIESING – BRD 1975 – R+B: Dieter Wieland – K: Hermann<br />

Reichmann – 25 min – Ein genauer Blick auf die<br />

Dieter Wieland<br />

29


Dieter Wieland<br />

30<br />

gRün KApUTT<br />

Architektur und Besonderheiten des <strong>Münchner</strong> Stadtteils<br />

Giesing und auf die Gefahren der Bauspekulation.<br />

– DER HAUSBAUM – BRD 1983 – R+B: Dieter Wieland<br />

– K: Hermann Reichmann – 24 min – Ein Plädoyer<br />

für den hochstämmigen Apfelbaum, die Bedeutung der<br />

Einheit von Haus und Baum und dafür, warum Traditionen<br />

ihren guten Grund haben. – GRÜN KAPUTT –<br />

LANDSCHAFT UND GÄRTEN DER DEUTSCHEN –<br />

BRD 1983 – R+B: Dieter Wieland – K: Hermann Reichmann<br />

– 44 min – Wielands berühmtester und legendärster<br />

Film: »Wir treten ein ins Wirtschaftswunder-Koniferenland,<br />

gewagt, gespreizt und aufgedonnert …<br />

und am Samstag robbt der Hausherr mit der Schere<br />

hinter dem letzten aufsässigen Grashalm her …«.<br />

▶ Donnerstag, 22. März 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast: Dieter<br />

Wieland)<br />

UNSER DORF SOLL HÄSSLICH WERDEN – BRD 1975<br />

– R+B: Dieter Wieland – K: Lutz Kamrath – 28 min –<br />

Ein Beitrag zum Europäischen Denkmalsschutztag:<br />

»Hier das alte Bauernhaus. Wieviel Würde es hat. Wieviel<br />

handwerkliches Können. Wieviel Gespür für Form,<br />

Masse, Proportion! Daneben die trübsinnige Kiste des<br />

Neubaus. Keine Anpassung, Rücksichtnahme, Einfügung.<br />

Solche Baugesinnung ist nur noch als brutaler<br />

Vandalismus zu bezeichnen!« – DAS DACH – BRD<br />

1980 – R+B: Dieter Wieland – K: Georg Lotter, Hermann<br />

Reichmann – 31 min – Jedem Haus sein Dach.<br />

Über die Kunst der bewussten Wahl von dessen Form,<br />

Farbe und Material. – DER FERNPASS – Deutschland<br />

1975 – R+B: Dieter Wieland – K: Hermann Reichmann<br />

– 44 min – Suche nach den Spuren der berühmten »Via<br />

Claudia Augusta« von Rom nach Augsburg in ihrem Tiroler<br />

Abschnitt. »Hier kamen Nachrichten vorbei. Neue<br />

Gesichter, Moden, Märchen, Heiligenlegenden, Kunststile.<br />

Hier mussten sie alle durch: die Landsknechte,<br />

Krämer und Kaiser. Mönche, Pilger und Künstler. Freche<br />

Gaukler, Quacksalber und das Heer der zerlumpten<br />

Bettler.«<br />

▶ Freitag, 23. März 2012, 18.30 Uhr<br />

LANDSHUT ODER HAT DIE SCHÖNHEIT EINE<br />

CHANCE? – BRD 1973 – R+B: Dieter Wieland – K:<br />

Hermann Reichmann, Ernst Hess – 44 min – Wie eine<br />

Stadt ihre grandiose, historische Altstadt ruiniert, den<br />

Blechlawinen des Verkehrs und den Begehrlichkeiten<br />

der Kaufhauskonzerne und Banken preisgibt: »In diesem<br />

Jahr 1973 wurden in Landshut mehr historische


Häuser zerstört als durch die Luftangriffe während des<br />

Krieges«. – LANDSHUT. GESPRÄCH ÜBER DIE PRO-<br />

BLEME EINER SCHÖNEN ALTEN STADT – BRD 1973<br />

– R: Heinz Böhmler – 44 min – Nach der Ausstrahlung<br />

des Landshut-Films gab es große Empörung bei den<br />

Verantwortlichen der Stadt. Sie wurden zu einer Fernsehdiskussion<br />

mit dem Filmemacher und Städtebau -<br />

experten eingeladen. Teilnehmer waren Landshuts<br />

Oberbürgermeister Josef Deimer, der Redakteur der<br />

Zeitschrift Baumeister Paulhans Peters, die Architekten<br />

Roland Rai ner und Ernst Maria Lang, der Stadtbaumeister<br />

Herrsch mann sowie Dieter Wieland.<br />

▶ Samstag, 24. März 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Dieter<br />

Wieland)<br />

FLURBEREINIGUNG ODER DIE MASCHINENGE-<br />

RECHTE LANDSCHAFT – BRD 1974 – R+B: Dieter<br />

Wieland – K: Hermann Reichmann – 26 min – Wieland<br />

begibt sich in die Oberpfalz, redet mit den Bauern vor<br />

Ort und kommentiert das, was er sieht: » Landschaft<br />

nach Großstädterart zubereitet. Landschaft nach Plan,<br />

Landschaft nach Vorschrift. War das die Ordnung, die<br />

wir immer wollten?« – DIE FARBE – BRD 1982 – R+B:<br />

Dieter Wieland – K: Horst Lermer – 26 min – »Keiner<br />

baut für sich allein«: über die passenden Farben bei<br />

Wind und Wetter, Kalk und Dispersionsfarbe. Dieter<br />

Wieland ist im Bild zu sehen. – DER GARTEN – BRD<br />

1981 – R+B: Dieter Wieland – K: Rudolf Kleinjung,<br />

Horst Lermer – 44 min – Mit poetischen Kommentaren<br />

zeigt Wieland dreizehn Möglichkeiten auf, Gartenparadiese<br />

zu schaffen und kontrastiert sie mit sterilen »Plastikgärten«,<br />

die in ihrer Einfallslosigkeit ein modernes<br />

Standardsortiment aus dem Baumarkt<br />

beziehen.<br />

▶ Freitag, 30. März 2012, 18.30 Uhr<br />

DIE GROSSE KUNST, EIN KLEI-<br />

NES HAUS ZU BAUEN – BRD<br />

1988 – R+B: Dieter Wieland – 21<br />

min – Größe ist nicht alles. Wie mit<br />

einer durchdachten Planung in<br />

einem kleinen Haus erstaunlich<br />

viel Raum gewonnen werden kann.<br />

– DER ZAUN – Deutschland 1995<br />

– R+B: Dieter Wieland – K: Horst<br />

Lermer – 31 min – »Was der Baustoffindustrie<br />

eingefallen ist, um<br />

die Zäune nur ja recht aufgeregt<br />

und aufdringlich zu machen: verkorkste,<br />

hektische Maschinenschnörksel,<br />

die aussehen wie gefrorene<br />

Regenwürmer, Spritz gebäck vom Betonkonditor,<br />

pompös verrenkt. Die meisten Zäune sagen es uns<br />

sehr brutal und hart, mit Ellbogen und mit geballter<br />

Faust: Halt, das gehört jetzt mir, weg da!« – DORFER-<br />

NEUERUNG – Deutschland 1990 – R+B: Dieter Wieland<br />

– K: Hermann Reichmann – 44 min – Ein Dorf in<br />

der Oberpfalz, wo in Zusammenarbeit mit einer norddeutschen<br />

Architektin keine Maskerade stattfinden soll,<br />

kein »Operettendorf, keine Lebkuchenbushäuschen«<br />

entstehen sollen. Wieland: »Wir lösen nicht die Probleme,<br />

wir dekorieren sie nur zu.«<br />

▶ Samstag, 31. März 2012, 18.30 Uhr<br />

FRIEDRICH VON GÄRTNER – DER BAUMEISTER LUD-<br />

WIGS I – Deutschland 1992 – R+B: Dieter Wieland –<br />

K: Hermann Reichmann – 44 min – Das Porträt über<br />

den Leo von Klenze-Rivalen Friedrich von Gärtner,<br />

einem der bedeutendsten Architekten im Königreich<br />

Bayern, der Münchens Stadtbild wesentlich geprägt hat<br />

– auch durch Rundbögen. – DER JODLERSTIL –<br />

Deutschland 1984 – R+B: Dieter Wieland – K: Rudolf<br />

Kleinjung, Hermann Reichmann – 44 min – Fröhlichste<br />

und ätzendste Abrechnungen mit dem neuen Dahoamis-Dahoam-Landhausstil<br />

in Bayern, mit den »Gamsbart-<br />

Burgen, Wurznsepp- und Almdudlerhütten«. Was Wieland<br />

ganz selten tut, Dialekt sprechen und Musik<br />

verwenden: Hier spielt er Musikantenstadl-Dudelmusik<br />

in satirischer Absicht ein und macht deutlich, dass dieser<br />

»Oktoberfest-Dirndl-Look«-Baustil tatsächlich das<br />

genaue Äquivalent zur musikalischen Retorten-Jodelei<br />

ist.«<br />

▶ Sonntag, 1. April 2012, 18.30 Uhr<br />

Dieter Wieland<br />

31<br />

gRün KApUTT


Hong Sangsoo<br />

Retrospektive Hong Sangsoo<br />

32<br />

Als Vorwurf gegen den koreanischen Regisseur Hong<br />

Sangsoo liest man oft: Er wiederhole sich. Ein Film gleiche<br />

dem anderen, kenne man einen, kenne man alle.<br />

Hinter diesem Vorwurf steckt eine ästhetische Ideologie:<br />

Der Künstler habe originell zu sein, in jedem seiner<br />

Werke soll ihm darum etwas anderes einfallen. Und in<br />

dieser Ideologie steckt ein Paradox: Es muss schließlich<br />

seine eigene Originalität sein, die er da haben soll. Und<br />

dass sie seine eigene ist, merkt man daran, dass man<br />

die Handschrift des Meisters in jedem Film wiedererkennt.<br />

Die klügeren unter den Künstlern, also auch den Filmregisseuren,<br />

bearbeiten in der Folge ihrer Filme immer<br />

auch diese ästhetische Ideologie. Am einen Ende des<br />

Spektrums tut das jemand wie Lars von Trier, der sich<br />

ständig neue Aufgaben stellt und dieses Aufgabenstellen<br />

als Differenzproduktion von einem starken Autor-Ich<br />

aus gerne thematisiert. Am anderen Ende stehen<br />

Künstler wie Giorgio Morandi, der immergleiche Ensembles<br />

von Vasen, Schüsseln, Gefäßen auf immer<br />

etwas andere Art malte.<br />

Oder eben Hong Sangsoo, in dessen Filmen sich zentrale<br />

Elemente stets gleichen. Die erbärmlichen Männer<br />

als Helden, die sich mit Lügen und schwächlichen<br />

Worten in romantische Verhältnisse verstricken. Alle<br />

sind sie Literaten, Professoren, Schauspieler, Filmregisseure<br />

oder Drehbuchautoren, oder alles zusammen<br />

oder nichts davon richtig, gewesene oder aktive, in der<br />

Regel nicht oder nicht mehr sehr erfolgreich. Einander<br />

ähneln auch die Frauen, die sich auf diese Männer einlassen,<br />

die enttäuscht werden und/oder betrogen, die<br />

so in unerquickliche Dreier- und Viererkonstellationen<br />

geraten und nicht mehr so ohne weiteres heraus.<br />

Mal spielt das in der Großstadt, mal in der Provinz, die<br />

Bewegung zwischen beiden ist ein zentrales Motiv, Erlösung<br />

oder Rettung bringen jedoch weder Stadtflucht<br />

noch Landflucht. Mal ist einer in der Stadt oder auf<br />

dem Land zuhause, mal auch zu Gast. Man kommt an,<br />

erinnert sich an frühere Zeiten. Viel wird in Kneipen und<br />

Restaurants und Imbissen an Tischen gesessen, viel<br />

wird geredet, mehr wird getrunken. Ein Ex, ein anderer<br />

Mann, zwei Frauen, Dreiecksgeschichten. Der eine beleidigt<br />

den anderen, oft aus heiterem Himmel. Alles<br />

wird im Trinken, Reden, Lieben, also im Zwischenmenschlichen,<br />

irgendwann heillos; und im Heillosen erweist<br />

es sich oft als so erbärmlich wie komisch, und<br />

zwar so, dass man wirklich das eine vom anderen<br />

kaum unterscheiden kann. Auf dieser Ebene funktionieren<br />

die Filme als zwar sehr ausschnitthaftes Gesellschaftsporträt<br />

und werden in Südkorea als solche beim


vergleichsweise kleinen Publikum, das sie haben, mit<br />

viel Gelächter quittiert.<br />

Die Männer bei Hong kommen einem oft wie Zwangshandelnde<br />

vor. Zwischen dem, was sie sagen und dem,<br />

was sie tun, liegt eine Kluft. Sie versprechen das Blaue<br />

vom Himmel, die Liebe, manchmal für ewig, und brechen<br />

das Versprechen im nächsten Moment. Sie sind<br />

weder Herr ihrer Worte noch ihrer Taten; ihre Worte<br />

sind ohne Kraft, aus ihren Taten folgt wenig, sie sind in<br />

Wort und Tat gefangen in Wiederholungsstrukturen:<br />

Derselbe Fehler wird immer wieder gemacht. Dies ist<br />

die psychostrukturelle Gender-These zur Wiederholung:<br />

Ein Hong-Mann tut, was ein Hong-Mann tun muss, und<br />

es ist eigentlich immer das Falsche. Erlösung ist nicht<br />

vorgesehen, vielmehr: Erlöst werden nur die Frauen,<br />

und zwar dadurch, dass sie den Hong-Männern entkommen,<br />

wenn auch zu spät, immer zu spät.<br />

Hongs Filme haben Komik, aber keinen Humor. Die Beschreibung<br />

der erbärmlichen Männer ist und bleibt gnadenlos,<br />

ohne deshalb aber einerseits denunziatorisch<br />

oder andererseits versöhnlich zu sein. Komik entsteht<br />

hier aus dem Widerspruch von Worten und Taten, der<br />

Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und distanzierterem<br />

Blick, dem Missverhältnis von Ambition und<br />

Erreichtem. Weit gesteckt sind die Ziele, banal die<br />

Gründe fürs Scheitern. Humor wäre Auflösung oder jedenfalls<br />

Abdämpfung des Widerspruchs durch ein Verhältnis<br />

des Abstands: Humor ist, wenn es eine Instanz<br />

gibt, und sei sie noch so implizit, die die Handelnden<br />

frei spricht oder mindestens das problematische Tun<br />

durch Einrichtung eines anderen Standpunkts relativiert;<br />

eine solche Instanz gibt es bei Hong nicht.<br />

Auch nicht in den kommentierenden Voiceover-Stimmen,<br />

die es in diesen Filmen nicht selten gibt. Es sind<br />

aber stets die Stimmen von im Geschehen immer<br />

schon implizierten Figuren. Es ist diesen Stimmen mithin<br />

niemals zu trauen, so wenig jedenfalls wie allen<br />

Stimmen, die sonst noch so sprechen, laut und entschieden,<br />

gekränkt und verletzend oder auch ver -<br />

nuschelt und lallend. Abstände werden behauptet, man<br />

begreift aber schnell, dass jede auf Abstand zielende<br />

Geste ins Leere geht; gerade die überheblichsten der<br />

Figuren sind im nächsten Augenblick in Widersprüchlichkeiten<br />

verstrickt, werden vor unseren Augen von<br />

ihrem Nichtwissen eingeholt. Man könnte diese Filme<br />

allesamt als Tragikomödien des Nichtwissens bezeichnen.<br />

Die Form dafür, in der sich das Tragische und das Komische<br />

untrennbar ineinander verschränken, ist die<br />

dramatische Ironie. Im Erzählen entstehen Wissensvorsprünge,<br />

der Zuschauer weiß mehr als die Figur. Der<br />

Film, der diese fortwährende Implikation ins eigene<br />

Nichtwissen am virtuosesten inszeniert, stellt in den<br />

Titel direkt schon ein Lachen: HAHAHA. Zwei Männer<br />

erzählen einander, sich dabei wie in einem Hong-Film<br />

ganz üblich, betrinkend, jeweils eine Geschichte und<br />

der einzige, der nach und nach begreift, dass es dieselbe<br />

Geschichte ist, die zur selben Zeit am selben Ort<br />

mit denselben Figuren spielt, ist der Betrachter. Je<br />

mehr sich die beiden Männer über das Erzählte erheben,<br />

desto lächerlicher werden sie selbst.<br />

Solche Gefälle, und es sind fast immer Gefälle der dramatischen<br />

Ironie, erzeugt Hong durch Spiegelungsund<br />

Wiederholungsstrukturen. Die Figuren wissen<br />

nichts von der Form der Erzählung. Im Blick des Zuschauers,<br />

der eine andere Begegnung schon kennt,<br />

werden Begegnungen zu Wiederbegegnungen, von<br />

denen die Figuren nichts ahnen. Viele der Filme haben<br />

zwei Hälften und so interessiert nicht nur, was jeweils<br />

geschieht, sondern auch, wie sich das Geschehen der<br />

einen Hälfte auf das der anderen bezieht: als Spiegelung,<br />

Verschiebung, Wiederholung oder Variation. Alle<br />

Stufen dazwischen sind denkbar. Einzelne, oft genug<br />

unauffällige Objekte, tauchen am einen Ende des Films<br />

auf und am anderen wieder. Man hat sie nicht symbolisch<br />

zu nehmen. Das Wichtige an ihnen ist gerade ihre<br />

Funktionslosigkeit. Fische, ein Schwein, eine angezündete<br />

Zigarette, Spatzen: Blindstellen, an denen sich ein<br />

Erzählzusammenhang auf seine reine Struktur reduziert:<br />

Da sind nun die zuvor im Aquarium gesehenen<br />

Fische und werden auf einem Waldweg begraben. Hier<br />

dieses Schwein vor dem Fenster, das vor allem eines<br />

markiert: Schweine sind möglich, auch wenn die Erzählung<br />

sie nicht fordert oder erklärt.<br />

Hong Sangsoo hat nicht Film studiert, sondern Kunst.<br />

Und zwar am Art Institute of Chicago, an derselben<br />

Kunsthochschule wie Apichatpong Weerasethakul.<br />

Zum Kino kam er erst vergleichsweise spät, er drehte<br />

1996 mit 36 seinen ersten Film. Als größtes Vorbild<br />

nennt er keinen Regisseur, sondern den Maler Paul<br />

Cézanne, also einen Künstler, der den Beginn der Moderne<br />

markiert. Hong bewundert Cézanne, weil dessen<br />

Werk an genau jenem Kreuzungspunkt zwischen Abstraktion<br />

und Konkretion steht, den auch er für sich<br />

sucht. Einerseits ist in der Welt, die Hong zeigt, alles<br />

konkret: jeder Gegenstand, jedes Wort, jede Straße,<br />

jeder Schnaps, jede Ankunft, jedes Moment der süd -<br />

koreanischen Gegenwart. Andererseits sind da die oft<br />

untermarkierten Wiederholungsstrukturen, an denen<br />

die Erzählung aufsplittert und den Blick auf das Wiederholen<br />

selbst lenkt. Man kann, ja muss diese Filme<br />

immer auch als Konzeptkunst betrachten. Das, was das<br />

Hong Sangsoo<br />

33


Hong Sangsoo<br />

34<br />

gewöhnliche Erzählkino ausmacht – Männer und<br />

Frauen, die kleinen und großen Dramen der Liebe, die<br />

Ambition, der Verrat, die enttäuschte Hoffnung, Beziehungsgeschichten<br />

– ist hier Spielmaterial. Was nicht<br />

heißt, dass Hong das alles nicht ernst meint.<br />

Zusammengesetzt ist jeder Film aus zunächst unverbundenen<br />

Fragmenten. Einzigartig im Gegenwartskino<br />

ist Hongs im Lauf der Jahre radikalisierter Herstellungsprozess.<br />

Plötzliche, von Eingebungen gesteuerte Verfertigung<br />

des Films jeden Morgen am Drehort. Hong<br />

schreibt kein Drehbuch, bevor er zu drehen beginnt, er<br />

entwirft nur im vorhinein grobe Linien. Die Dialoge<br />

entstehen Morgen für Morgen vor Drehbeginn, inspiriert<br />

durch den Ort, die Stimmung (Hongs Stimmung,<br />

die Stimmung des Orts). Im Interview hat er es so beschrieben:<br />

»Die Einflüsse und Ideen kommen von überall.<br />

Ich bin beeinflusst von dem Material, das wir schon<br />

gedreht haben, ich spreche kurz mit den Schauspielern,<br />

ich konzentriere mich und bin dann so etwas wie ein<br />

Magnet, der Ideen, Einfälle, Motive anzieht. Natürlich<br />

mache ich mir in der Nacht davor auch schon Gedanken,<br />

entwerfe Pläne, aber dann lasse ich los und ver -<br />

suche einfach anzunehmen, was mir zufällt. Vielleicht<br />

Gesprächsfetzen, an die ich mich erinnere, vielleicht<br />

etwas aus einem Buch … Das ist etwas, das ich sehr<br />

genieße: Ich warte einfach auf das Unerwartete.«<br />

Die Ordnungen, in die diese Fragmente als Filme ge -<br />

raten, sind nicht die Ordnungen linearen Erzählens und<br />

der Abfolgen von plot points. Es geht aber auch nicht<br />

um Improvisationen im traditionellen Sinn. Die Dialoge<br />

entstehen spontan, stehen dann aber fest. Was sich<br />

aus dieser Arbeitsweise ergibt, sind Motivstreuungen,<br />

ist das unvorhersehbare Auftauchen, Verschwinden<br />

und Wiederauftauchen des Dagewesenen; ein Kino, in<br />

dem kein Abschluss erreicht wird, in dem alles sich potenziell<br />

auf alles bezieht. Das ergibt zwar immer wieder<br />

Rätselstrukturen, nur gibt es darin keine Rätsel zu<br />

lösen. Das Kino von Hong Sangsoo ist ein figuratives<br />

Kino, das ebenso sehr wie es auf eine Welt referiert,<br />

keinen Hehl daraus macht, dass es seine eigene Ordnung<br />

als Reaktion auf die Zufälle, wörtlich: auf das Zugefallene<br />

des Moments generiert. Die Offenheit für alle<br />

Fragmente der Wirklichkeit und die oft zwanghaft<br />

anmutenden Wiederholungen stehen nicht im Widerspruch<br />

zueinander: Nur so figurieren sich Hongs Filme<br />

als Welten in Welten.<br />

Ekkehard Knörer<br />

BOOK-CHON BANG-HYANG (THE DAY HE ARRIVES) –<br />

Südkorea 2011 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Hyungkoo<br />

– M: Jeong Yong-jin – D: Yu Jun-sang, Kim Sangjoong,<br />

Song Sun-mi, Kim Bok-yung – 79 min, OmeU –<br />

Der Titel nennt bereits ein wiederkehrendes Motiv in<br />

den Filmen von Hong Sangsoo: Ein Mann kommt irgendwo<br />

an. Der Mann ist – wie so oft in Hongs Filmen


– ein Filmregisseur. Der Ort seiner Ankunft ist ein Vorort<br />

von Seoul. Er möchte jemanden treffen und macht<br />

stattdessen eine Zufallsbegegnung auf der Straße. Zentraler<br />

Handlungsort ist ein Lokal, in dem sich auf merkwürdige<br />

Weise dieselben Abläufe mehrmals, aber auf<br />

leicht verschobene Weise, ereignen. Der Protagonist<br />

Sung-joon scheint gefangen in einer Wiederholungsschleife.<br />

Im Film selbst wird in einem der vielen Gespräche<br />

eine Theorie der Zufallsbegegnung entwickelt.<br />

Sie ist nicht der Schlüssel zum Film, denn um das Aufschließen<br />

geht es in diesem Werk nicht.<br />

▶ Freitag, 23. März 2012, 21.00 Uhr<br />

DAIJIGA UMULE PAJINNAL (THE DAY A PIG FELL<br />

INTO THE WELL) – Südkorea 1996 – R: Hong Sangsoo<br />

– B: Jeong Dae-seong, Yeo Hye-yeong, Kim Al-a, Seo<br />

Shin-hye – K: Jo Dong-gwan – M: Ok Gil-seong – D:<br />

Kim Ui-seong, Park Jin-seong, Cho Eun-suk, Lee Eunggyeong<br />

– 114 min, OmeU – Kein Schwein und kein<br />

Brunnen zu sehen in Hongs Debüt. Ein Autor namens<br />

Hyo-sub ist der Protagonist dieses Porträts großstädtischer<br />

Entfremdung und möchtegernkünstlerischer Verzweiflung.<br />

Der Sex, den Hyo-sub hat, ist verlässlich<br />

freudlos. Nicht besser ergeht es einem anderen Mann,<br />

dem Vertreter Dong-woo, mit dessen Frau Hyo-sub ein<br />

Verhältnis hat. Die Charakterzeichnung, die Themen,<br />

die Konstellationen, die Hongs folgende Filme kennzeichnen<br />

werden, sind alle präsent, bis hin zum immer<br />

wiederkehrenden Essen und Trinken an Restauranttischen<br />

vor Fenstern zur Straße. Ein Erzählexperiment:<br />

Hong hat vier zunächst getrennt und von unterschiedlichen<br />

Autoren (Filmstudenten) geschriebene Episoden<br />

zusammengeführt.<br />

▶ Samstag, 24. März 2012, 21.00 Uhr<br />

KANGWON-DO UI HIM (THE POWER OF KANGWON<br />

PROVINCE) – Südkorea 1998 – R+B: Hong Sangsoo –<br />

K: Kim Yeong-cheol – M: Won II, Kim Jeong-huit – D:<br />

Baek Jong-hak, Oh Yun-hong, Kim Yu-Seok, Jeon Jaehyeon<br />

– 108 min, OmeU – Von jetzt an schreibt Hong<br />

seine Drehbücher selber. In einem Film, der in zwei<br />

Hälften geteilt ist, erzählt er vom Ende einer Affäre: Die<br />

Studentin Ji-sook reist ab aus Kangwon, sie hat sich<br />

von ihrem verheirateten Liebhaber Sang-kwon, ihrem<br />

Professor, getrennt. Beide jedoch kommen über die<br />

Trennung so ohne weiteres nicht hinweg. Sie tröstet<br />

sich mit einem Polizisten, er mit einer Prostituierten,<br />

nur ist Trost das ganz falsche Wort. Die zweite Hälfte<br />

setzt die erste in ein anderes Licht, weniger im Großen<br />

und Ganzen als in vielen Details. Man muss eigentlich<br />

auf jede Kleinigkeit achten, weil den Personen und Worten<br />

beim ersten Auftreten nicht anzumerken ist, wie<br />

wichtig oder unwichtig sie gewesen sein werden.<br />

▶ Sonntag, 25. März 2012, 21.00 Uhr<br />

O! SOO-JUNG (VIRGIN STRIPPED BARE BY HER BA-<br />

CHELORS) – Südkorea 2000 – R+B: Hong Sangsoo –<br />

K: Choi Young-taek – M: Ok Gil-seong – D: Lee Eun-ju,<br />

Jung Bo-seok, Moon Sung-keun, Kim Yeong-dae –<br />

115 min, OmeU – Der englische Titel zitiert ohne direkten<br />

Bezug zum betreffenden Werk Marcel Duchamp,<br />

der Originaltitel lautet wie so oft aber ganz anders: O!<br />

SOO-JUNG. Die (originalkoreanische) Titelheldin Soojung,<br />

Drehbuchautorin fürs Fernsehen, sieht sich von<br />

zwei Männern bedrängt, die ihr gegenüber Entjung -<br />

ferungspläne hegen. Erzählt wird das abwechselnd aus<br />

zwei Perspektiven, die dieselben Ereignisse in teils<br />

recht unterschiedlichen Versionen darstellen. Dies ist,<br />

in exquisitem Schwarz-Weiß, der wohl bestaussehende<br />

Film in Hong Sangsoos Werk. Ob das Gutaussehen für<br />

einen Hong-Film die richtige ästhetische Wahl ist, bleibt<br />

aber die Frage.<br />

▶ Freitag, 30. März 2012, 21.00 Uhr<br />

SAENGHWALUI BALGYEON (TURNING GATE) – Südkorea<br />

2002 – R+B: Hong Sangsoo – K: Choi Youngtaek<br />

– M: Won II, Arvo Pärt – D: Kim Sang-kyung, Yea<br />

Ji-won, Choo Sang-mee, Kim Hak-seon – 115 min,<br />

OmeU – Ein Mann verwandelt sich, von einer Prinzessin<br />

zurückgewiesen, in eine Schlange, windet sich um<br />

ihren Körper und droht sie zu ersticken. Die Prinzessin<br />

geht in ein Kloster und weist die Schlange an, vor dem<br />

Tor zu warten. Die Schlange wartet, die Prinzessin kehrt<br />

nie zurück – und also wendet die Schlange sich ab.<br />

Das ist die Legende vom Wendetor, die ein Freund dem<br />

anderen auf dem Weg zu diesem Wendetor erzählt, das<br />

sie aber gar nicht erreichen, weil sie kurz davor selbst<br />

wenden. Später wird der Freund, dem die Geschichte<br />

erzählt wird – der glücklose Schauspieler Gyeong-su –<br />

Hong Sangsoo<br />

35


Zu Gast: Rudolf Thome<br />

Rudolf Thome<br />

36<br />

»Wenn ich Anfang zwanzig wäre, würde ich nach Südkorea<br />

gehen und versuchen, Hong Sangsoos Regieassistent<br />

zu werden, um von ihm etwas zu lernen. Wenn<br />

ich steinreich wäre, würde ich auch hinfahren und ihm<br />

seinen nächsten Film finanzieren. Oder mehrere. Solche<br />

Gedanken haben nur Leute, die verliebt sind. Das<br />

bin ich wohl.« (Rudolf Thome – www.moana.de<br />

27.1.2011) – Rudolf Thome ist zweifellos einer der entschiedensten<br />

Fans der Filme von Hong Sangsoo. Wir<br />

freuen uns, dass er zu unserer Retrospektive an einem<br />

Wochenende nach München kommt, um dem Publikum<br />

seine Begeisterung zu einigen Hong-Filmen zu<br />

vermitteln. Zudem zeigen wir zwei seiner Filme, den<br />

neuesten – INS BLAUE – als <strong>Münchner</strong> Vorpremiere.<br />

DAS ROTE ZIMMER – Deutschland 2010 – R+B: Rudolf<br />

Thome – K: Ute Freund – D: Katharina Lorenz, Seyneb<br />

Saleh, Peter Knaack – 101 min – Fred verliebt sich<br />

in Luzie und Sibil und beide lieben ihn. Können sie die<br />

Liebe neu erfinden? »Thome ist ein gewitzter Geschichtenerzähler,<br />

ein Erfinder von Versuchsanordnungen und<br />

Liebeskonstellationen. Sein eigentliches Interesse gilt<br />

aber nicht den von ihm gesponnenen Netzen, sondern<br />

den Fliegen und anderen Tieren, die sich darin verfangen.<br />

Bei Thome wird das Eigene der Darsteller in aller<br />

Selbstverständlichkeit als das Eigentliche der Erzählung<br />

sichtbar. Nichts geht darum je ganz auf in den Geschichten,<br />

nie wird man zu eindeutigen Gefühlen erpresst.«<br />

(Ekkehard Knörer) »Pretty damn fantastic. Think<br />

Hong Sangsoo steeped in stoicism.« (Andrew Grant)<br />

▶ Freitag, 6. April 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />

8. April 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Rudolf Thome)<br />

INS BLAUE – Deutschland 2012 – R+B: Rudolf Thome<br />

– K: Bernadette Paassen – D: Vadim Glowna, Alice<br />

Dwyer, Esther Zimmering, Janina Rudenska – 105 min<br />

– Nike dreht ihren Debütfilm INS BLAUE. Ihr Vater Abraham,<br />

ein alter Hase der Branche, ist der Produzent.<br />

Doch er hält sich weitestgehend zurück: Nike ist der<br />

Boss. Als Nike gezwungenermaßen ihren Vater für den<br />

Film besetzt, vermischen sich Realität und Fiktion. –<br />

Vadim Glowna spielte hier seine letzte Hauptrolle. Er<br />

starb am 24. Januar 2012. »Als Vadim Glowna mein<br />

Drehbuch gelesen hatte, sagte er seiner Agentur: Sofort<br />

zusagen! Hat er da schon gewusst, dass Abraham<br />

die Rolle seines Lebens werden würde? Warum um<br />

alles in der Welt habe ich Nikes Vater diesen biblischen<br />

Namen gegeben! Er ist bestimmt nicht in die Hölle, sondern<br />

in den Himmel gekommen, trotz all seiner Sünden<br />

(die ich aus seiner Autobiografie kennenlernen durfte).<br />

Während der gesamten Drehzeit in Italien war er nicht<br />

wie ein normaler Schauspieler, sondern eher wie ein<br />

Heiliger: sanft, geduldig, über den Dingen schwebend.«<br />

(www.moana.de 27.1.2012) »Die Rolle, die Glowna<br />

spielt, ist nicht zuletzt ein (bewusst verzerrtes) Selbstporträt<br />

Rudolf Thomes, dessen Tochter auch Filme<br />

dreht. Daraus resultiert ein höchst intrikates Spiel des<br />

Ziehens von Fäden: Thome erfindet einen Regisseur,<br />

der ihm in mancher Hinsicht ähnelt und zeigt, wie dieser<br />

die eigene Tochter hintergeht. Und die übliche<br />

Thome-Konstellation (der Regisseur sieht Frauen zu bei<br />

dem, was sie tun) wird umgedreht: Der Regisseur<br />

Thome zeigt eine Regisseurin, die ihren Vater in eine<br />

pervertierte Urszene nackt vor die eigene Kamera<br />

drängt. Neben dem Film im Film und dem Film, der<br />

vom Drehen erzählt, gibt es also diesen weiteren Rahmen:<br />

Thomes bei allen sich ereignenden Heiterkeiten<br />

eher grimmiges Porträt einer Vater-Tochter-Beziehung,<br />

und zugleich seines Metiers.« (Ekkehard Knörer)<br />

▶ Samstag, 7. April 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Rudolf<br />

Thome) ▶▶ Montag, 9. April 2012, 18.30 (Zu Gast:<br />

Rudolf Thome)


vor einem Tor auf die Frau warten, in die er sich verliebt<br />

hat. Die grafische Darstellung von unglücklichem Sex<br />

erreicht in diesem Film ihren Höhepunkt. Fortan interessieren<br />

Hong andere Dinge.<br />

▶ Samstag, 31. März 2012, 21.00 Uhr<br />

YEOJANEUN NAMJAUI MIRAEDA (WOMAN IS THE<br />

FUTURE OF MAN) – Südkorea 2004 – R+B: Hong<br />

Sangsoo – K: Kim Hyung-koo – M: Jeong Yong-jin – D:<br />

Yoo Ji-tae, Kim Tae-woo, Sung Hyun-ah – 87 min,<br />

OmeU – Rein äußerlich ein Durchbruch für Hong: Dieser<br />

Film lief als erster in einem großen A-Festival-Wettbewerb,<br />

in Cannes. Einen Preis gewann er nicht, da<br />

musste er warten, bis HAHAHA dann bei Un certain regard<br />

prämiert wurde. Nach Jahren begegnen sich zwei<br />

Freunde, Mun-ho, der Künstler werden wollte und jetzt<br />

Kunst lehrt, und Hyeon-gon, der nach Amerika ging, um<br />

Filme zu drehen und nun als Gescheiterter in die Heimat<br />

zurückkehrt. Sie erinnern sich an eine Frau und suchen<br />

sie dann in der Gegenwart auf. Gut geht das nicht.<br />

Alles weitere ist von Peinlichkeiten, Alkohol, schlechtem<br />

Sex und Spannung durchsetzt.<br />

▶ Sonntag, 1. April 2012, 21.00 Uhr<br />

KEUK JANG JEON (TALE OF CINEMA) – Südkorea<br />

2005 – R+B: Hong Sangsoo – K: Lim Oh-jeong – M:<br />

Jeong Yong-jin – D: Kim Sang-kyung, Uhm Ji-won, Lee<br />

Ki-woo, Lee Seung-a – 90 min, OmeU – Menschen<br />

wollen sich umbringen, ein Regisseur liegt im Sterben.<br />

Das alles aber nur im Film, der im Film TALE OF CI-<br />

NEMA zu sehen ist. Man begreift diese Verschachtelungsstruktur<br />

nicht sofort, damit treibt Hong erst einmal<br />

sein Spiel. Man weiß auch gar nicht zu sagen, ob der<br />

Film-im-Film eigentlich auch ein Hong-Film ist – oder<br />

ob Hong da den Film eines anderen gedreht und in<br />

einen Hong-Film geschmuggelt hat. Die aufdringlichen<br />

Zooms jedenfalls gibt es hier wie da. Sie dringen hier<br />

ein ins Kino von Hong, fast etwas wie Messerattacken<br />

gegen die bislang so nüchtern in Plansequenzen hingestellten<br />

Bilder. Wie die beiden Filme zusammengehören?<br />

Schwer zu sagen, aber stärker als zuvor werden<br />

die Wiederholungen und Verschiebungen ausdrücklich<br />

markiert.<br />

▶ Freitag, 6. April 2012, 21.00 Uhr<br />

HAEBYUNEUI YOEIN (WOMAN ON THE BEACH) –<br />

Südkorea 2006 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Hyungkoo<br />

– M: Jeong Yong-jin – D: Kim Seung-woo, Ko Hyunjung,<br />

Kim Tae-woo, Song Sun-mi – 127 min, OmeU –<br />

Der Regisseur Kim und sein Drehbuchautor Jung-rae<br />

fahren in einen Badeort, um dort gemeinsam an einem<br />

neuen Film zu arbeiten. Jung-rae nimmt seine Freundin<br />

Moon-sook mit. Ein Sturm ist angekündigt, der Ort ist<br />

ziemlich verlassen, der Sturm bleibt aber aus. Äußerlich<br />

jedenfalls, denn zwischen den Beteiligten entwickelt<br />

sich eine verquere Dreiecksgeschichte, in der große<br />

Worte in den Wind gerufen werden und nichts, was<br />

einer dem anderen sagt, irgendwas gilt. Kim philosophiert<br />

über seine Obsession mit einem Bild in seinem<br />

Kopf und entwickelt eine grafische Theorie, wie man so<br />

ein Bild wieder los wird. »Ich mag keine Wiederholungen«,<br />

sagt Moon-sook gegen Ende am Telefon. Wenn<br />

es je ein Erlösungswort gab in Hongs Filmen, dann ist<br />

es dies.<br />

▶ Samstag, 7. April 2012, 21.00 Uhr (Einführung: Rudolf<br />

Thome)<br />

BAM GUA NAT (NIGHT AND DAY) – Südkorea/Frankreich<br />

2008 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Hoonkwang<br />

– M: Jeong Yong-jin – D: Kim Young-ho, Park<br />

Eun-hye, Hwang Su-jung, Kee Joo-bong – 145 min,<br />

OmU – Ein Südkoreaner in Paris, ein Film, der ursprünglich<br />

vom Musée d’Orsay finanziert werden sollte.<br />

Das scheiterte, aber Hong drehte seinen französischen<br />

Film, in dem Paris aber genauso in Szene gesetzt wird<br />

wie eine koreanische Stadt, trotzdem. Im Zentrum der<br />

Maler Seong-nam, der aus Angst vor einer Verhaftung<br />

wegen Marihuanakonsums nach Paris flieht und dort<br />

Hong Sangsoo<br />

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Hong Sangsoo<br />

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Frauen, die er kannte und kennt (oder sechsmal<br />

schwängerte und trotzdem nicht wiedererkennt), der er<br />

(wieder)begegnet, während er – es ist Nacht in Paris<br />

und Tag in Korea – mit seiner in Seoul gebliebenen<br />

Frau telefoniert. Erzählt ist das als Tagebuch Seongnams.<br />

Koreanische Künstler verhalten sich in einem<br />

Hong-Film nicht anders, nur weil er in Paris spielt.<br />

▶ Sonntag, 8. April 2012, 21.00 Uhr (Einführung: Rudolf<br />

Thome)<br />

JAL ALJIDO MOTHAMYEONSEO (LIKE YOU KNOW IT<br />

ALL) – Südkorea 2009 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim<br />

Hoon-kwang – M: Jeong Yong-jin – D: Kim Tae-woo, Ko<br />

Hyun-jung, Uhm Ji-won, Yu Jun-sang – 126 min,<br />

OmeU – Wieder ein Film, der ausdrücklich in zwei Hälften<br />

geteilt ist. Der erste Teil: Ku, ein Filmregisseur, nicht<br />

unbekannt, aber kommerziell nicht erfolgreich, ist als<br />

Mitglied der Jury auf einem Filmfestival. Die Erfahrungen,<br />

die er da macht, etwa mit Jurykollegen, sind ernüchternd,<br />

er wird sich als typischer Hong-Held betrinken.<br />

Im zweiten Teil, zwölf Tage später, besucht Ku<br />

einen alten Freund an der Universität und spricht mit<br />

dessen Studenten über seine eigenen Filme. Frauen -<br />

geschichten bleiben nicht aus. Szenen im ersten und<br />

zweiten Teil sind sich sehr ähnlich, das erzeugt wie gewohnt<br />

und wie immer subtil anders als sonst Spiegelund<br />

Verzerrungseffekte. Mehr noch als ohnehin in allen<br />

Filmen seit TALE OF CINEMA sind Zooms und Kamerabewegungen<br />

das dominierende formale Element.<br />

▶ Montag, 9. April 2012, 21.00 Uhr (Einführung: Rudolf<br />

Thome)<br />

VISITORS – Südkorea/Japan/Philippinen 2009 – OmeU<br />

– Episoden: CHEOB CHEOB SANJOONG (LOST IN THE<br />

MOUNTAINS) – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Kwangho<br />

– M: Jeong Yong-jin – D: Jung Yu-mi, Moon Sungkeun,<br />

Lee Sun-kyun – 30 min – KOMA – R+B: Naomi<br />

Kawase – K: Yutaka Yamazaki – 35 min – BUTTER-<br />

FLIES HAVE NO MEMORY – R+B+K: Lav Diaz –<br />

40 min – Ein Kurzfilm als Teil der vom Festival in Jeonju<br />

regelmäßig finanzierten Auftragswerke. Eine Frau<br />

kommt in Jeonju an, gerät mit einer Freundin in Streit,<br />

trifft ihren deutlich älteren Exlover. Ein vertrauter Reigen<br />

der Disharmonie mit lakonisch eingestreuten Stadtbildern,<br />

diesmal allerdings vorwiegend aus der Perspektive<br />

einer weiblichen Heldin erzählt, die im Erzählkommentar<br />

zur objektiven Betrachtung der Vorgänge wenig<br />

Erhellendes beiträgt. In Inhalt und Form gibt es zu den<br />

anderen Filmen des Triptychons, wie bei den Jeonju<br />

Digital Projects üblich, keinen Zusammenhang.<br />

▶ Freitag, 13. April 2012, 21.00 Uhr<br />

HAHAHA – Südkorea 2010 – R+B: Hong Sangsoo – K:<br />

Park Hong-yeol – M: Jeong Yong-jin – D: Kim Sangkyung,<br />

Yu Jun-sang, Moon So-ri, Kim Kang-woo –<br />

116 min, OmeU – Es beginnt wie ein Witz. Treffen sich<br />

zwei Männer. Der eine der beiden, Filmregisseur ohne<br />

Film, Professor ohne Professur, ist auf dem Sprung<br />

nach Kanada. Man erzählt sich, was zuletzt so geschah.<br />

Diese Erzählung gibt dem Film einen Rahmen, Novellentechnik.<br />

Man sieht diese Männer nicht, vielmehr: nur<br />

als Fotos, schwarzweiß. Sie lachen über die Geschichten,<br />

die sie erzählen, begreifen jedoch nicht, was man<br />

als Zuschauer schnell begreift: Der jeweils andere ist<br />

Teil der jeweils erzählten Geschichte und sieht darin<br />

keinesfalls so gut aus wie aus der eigenen Perspektive.<br />

Ein Abgrund an dramatischer Ironie, ein Film, in dem so<br />

schnell keiner zuletzt lacht.<br />

▶ Samstag, 14. April 2012, 21.00 Uhr<br />

OKI-EUI YONG-HWA (OKI’S MOVIE) – Südkorea 2010<br />

– R+B: Hong Sangsoo – K: Park Hong-yeol, Jee Yunejeong<br />

– M: Edward Elgar, We Zong-yun – D: Lee Sunkyun,<br />

Jung Yu-mi, Moon Sung-keun – 80 min, OmeU –<br />

Hongs zweiter Film des Jahrgangs 2010 ist seine bislang<br />

wohl kühnste Experimentalanordnung. Ein Film<br />

aus vier Filmen, deren Verhältnis zueinander in Frage<br />

steht. In einer Serie von Verschiebungen folgen wir<br />

einem Trio – Song als Filmprofessor, Jingu und Oki als<br />

Studenten – in wechselnder Konfiguration durch das<br />

Grenzgebiet von Fiktion und Metafiktion. Jeder der vier<br />

Filme hat Vorspann und Abspann in verwischt-ver -<br />

wackelter weißer Schrift auf blauem Grund. Dazwischen<br />

sorgt das Pathos von Edward Elgars »Pomp and<br />

Circumstance« durch Fallhöhe zum Gezeigten für tendenziell<br />

komischen Kontrast. Es gibt keine Hierarchie<br />

und keine stabilisierbare Beziehung zwischen Realem<br />

und Fiktion, die vier Filme nebeneinander ergeben<br />

weder ein geschlossenes Bild noch verständigen sie<br />

sich in eindeutiger Weise über das Verhältnis, in das sie<br />

untereinander treten.<br />

▶ Sonntag, 15. April 2012, 21.00 Uhr


Film und Psychoanalyse – Lustspiele<br />

Psychoanalyse der Filmkomödie – ist das nicht ein tristes<br />

Unterfangen? Soll man Witze erklären? Dass man<br />

das durchaus vergnüglich tun kann, zeigte schon Sigmund<br />

Freud 1905 mit seinem Buch »Der Witz und<br />

seine Beziehung zum Unbewußten«. Die Komödie<br />

stand dabei freilich nicht im Mittelpunkt, und das Kino<br />

schon gar nicht. Das hat er bekanntlich verabscheut:<br />

Selbst wenn es, meinte er noch 1927, so modern sei<br />

wie der Bubikopf, so werde er sich doch keinen schneiden<br />

lassen.<br />

Inzwischen hat der Film den Bubikopf ebenso wie die<br />

Psychoanalyse gefeiert, veräppelt und weiterentwickelt,<br />

wie auch unser psycho-analytisches Wissen. Für die<br />

zeitgenössische Film-Psychoanalyse ist die Komödie<br />

das beste Beispiel dafür, dass die entscheidende »Zündung«<br />

des Kunstwerks im Kinosaal selbst erfolgt, und<br />

zwar in jedem Subjekt selbst, wenn auch nicht »rein<br />

subjektiv«.<br />

Wenn Psychoanalytiker sich heute mit der Komödie befassen,<br />

geht es längst nicht mehr allein um die Entbindung<br />

verdrängter Triebregungen, sondern auch um das<br />

Timing von Pointen, die subversive Kraft des Humors<br />

und das Janusgesicht des Lachens, das Abwehr und<br />

Aufdeckung zugleich umfasst. Die Reihe wird im Herbst<br />

fortgesetzt. (www.psychoanalyse-film.eu)<br />

Andreas Hamburger<br />

FREUDS WITZ UND DIE PSYCHOANALYSE DER FILM-<br />

KOMIK – Vortrag mit Filmbeispielen von Andreas Hamburger<br />

– 60 min – DUCK SOUP (DIE MARX BRO -<br />

THERS IM KRIEG) – USA 1933 – R: Leo McCarey – B:<br />

Bert Kalmar, Harry Ruby – K: Henry Sharp – M: John<br />

Leipold – D: Groucho Marx, Harpo Marx, Chico Marx,<br />

Zeppo Marx, Margaret Dumont, Louis Calhern –<br />

68 min, OmU – Die Marx-Brothers bemächtigen sich<br />

eines fiktiven Operettenstaates mit seinen Militärs, Politikern<br />

und Oberschichtparvenüs und zerlegen Kabinettssitzungen,<br />

Cocktailparties und Rituale zwischenstaatlicher<br />

Beziehungen nach allen Regeln der Kunst.<br />

Groucho als zynisch-wortgewandter Hochstapler, Chico<br />

als herrlich Italianità simulierender Underdog und<br />

Harpo als sexwütig-stummer Anarchist entlarven politisches<br />

Pathos, narzisstische Selbstüberhöhung und<br />

Hohlformen bürgerlichen Wohlverhaltens hemmungs-<br />

DUcK SOUp<br />

Film und Psychoanalyse<br />

39


Film und Psychoanalyse<br />

40<br />

los als Posen. In Wortspielen und raschen Dialogen, die<br />

auf der Tradition der spontanen Wortgefechte der<br />

stand-up-comedians beruhen sowie in virtuos-stummen<br />

Eskalationen der gegenseitigen Schmerzzufügung,<br />

die auf die nur knapp zurückliegende Stummfilmära<br />

von Buster Keaton und Laurel & Hardy verweisen, bringen<br />

die Marx Brothers ihre ganz eigene Mischung von<br />

Sprach- und Bewegungswitz furios zum Einsatz.<br />

▶ Sonntag, 25. März 2012, 17.30 Uhr (Vortrag: Andreas<br />

Hamburger. Einführung: Mathias Lohmer, Salek Kutschinski)<br />

TO BE OR NOT TO BE (SEIN ODER NICHTSEIN) – USA<br />

1942 – R: Ernst Lubitsch – B: Edwin Justus Mayer – K:<br />

Rudolph Maté – M: Werner Richard Heymann – D:<br />

Carole Lombard, Jack Benny, Robert Stack, Stanley Ridges,<br />

Felix Bressart – 99 min, OmU – Im August 1939,<br />

kurz vor dem Einmarsch der Nazis, probt eine Warschauer<br />

Theatertruppe ein Anti-Hitler-Stück, zu dessen<br />

Uraufführung es nicht mehr kommen wird. Überrollt<br />

von den historischen Ereignissen stürzen sich die<br />

Schauspieler, eben noch mit Eitelkeiten, Liebeleien und<br />

Eifersüchteleien beschäftigt, in den realen Widerstand<br />

gegen die Besatzer, in dem ihr ganzer Mut, Einfallsreichtum,<br />

Witz und nicht zuletzt ihre schauspielerischen<br />

Fähigkeiten bald von lebensrettender Bedeutung sein<br />

werden. In dieser genialen Satire, gedreht im Dezember<br />

1941, also unmittelbar vor der Wannsee-Konferenz,<br />

handhabt Lubitsch virtuos seine Neigung zum Spiel mit<br />

den Genres und zum Stilbruch, changierend zwischen<br />

Liebeskomödie, Verwirrspiel zwischen Theater und<br />

Leben, dokumentarischen Wochenschau-Elementen<br />

und schließlich grimmiger Farce. Die prekäre Spirale<br />

von wachsender Gefahr, in der es tatsächlich um »Sein<br />

oder Nichtsein« geht und der Frage, ob man über das<br />

Grauen lachen darf, hält Lubitsch bis zum Schluss<br />

durch – und gewinnt.<br />

▶ Sonntag, 29. April 2012, 17.30 Uhr (Einführung: Ka -<br />

tha rina Leube, Irmgard Nagel)<br />

THE KING OF COMEDY – USA 1983 – R: Martin Scorsese<br />

– B: Paul D. Zimmerman – K: Fred Schuler – M:<br />

Harold Arlen – D: Robert De Niro, Jerry Lewis, Diahnne<br />

Abbott, Sandra Bernhard, Shelley Hack – 104 min, OF –<br />

Rupert Pupkin ist, wie so viele Scorcese-Protagonisten,<br />

ein Niemand, der ein Jemand werden will, und zwar unbedingt<br />

als Komiker – wie sein Idol und Gegenspieler,<br />

der berühmte Showmaster und Comedian Jerry Langford.<br />

Da es Pupkin in zahllosen Anläufen nicht gelingt,<br />

den unnahbaren Star zu überreden, ihn in seiner Show<br />

auftreten zu lassen, entführt er ihn schließlich, assistiert<br />

von der liebestollen Langford-Stalkerin Masha. Die<br />

Komik dieser Konstellation entfaltet sich am Negativen,<br />

nämlich an der Abwesenheit des Sinnlich-Lustigen,<br />

was beiden Antipoden vollkommen fehlt. Die beiden<br />

sind sich dadurch ähnlicher, als ihnen lieb sein kann:<br />

Langford und Pupkin sind füreinander Zerrspiegel. Wir<br />

Zuschauer betreten also ein sarkastisches Spiegelkabinett,<br />

in dem sich nicht nur die amerikanische Medienwirklichkeit<br />

abbildet, sondern die Erfolgsideologie der<br />

amerikanischen Identität insgesamt.<br />

▶ Sonntag, 20. Mai 2012, 17.30 Uhr (Einführung: Matthias<br />

Baumgart, Corinna Wernz)<br />

SOME LIKE IT HOT (MANCHE MÖGEN’S HEISS) –<br />

USA 1959 – R: Billy Wilder – B: Billy Wilder, A. L. Diamond<br />

– K: Charles Lang jr. – M: Adolph Deutsch –<br />

D: Marilyn Monroe, Tony Curtis, Jack Lemmon, George<br />

Raft, Pat O’Brien – 120 min, OmU – Zwei Musiker kommen<br />

zufällig der Mafia in die Quere und suchen Zuflucht<br />

in einem Damenorchester. Schon mit diesem<br />

ersten Akt der Travestie wird das unterschwellige<br />

Thema des Films angedeutet: Angst vor (und Lust an)<br />

Sexualität und sexueller Identität. Spannend wird es,<br />

als die beiden verkleideten Helden die schöne Sugar<br />

kennenlernen. Tony Curtis verkleidet sich nun erneut,<br />

diesmal als angeblich impotenter Millionär, und bringt<br />

Sugar in die Situation der Therapeutin. Währenddessen<br />

wird immer wieder auf den zweiten Helden geschnitten,<br />

der als Mädchen verkleidet mit einem alten Playboy<br />

Tango tanzt. Die berühmte Schlusspointe des Films<br />

fasst die Problematik der gender identity zusammen.<br />

Mit seinem »Nobody is perfect« hat Billy Wilder 1959<br />

die ganze Welt beruhigt. Die Mischung von Gangsterfilm-Parodie<br />

und romantischer Verwechslungskomödie<br />

versetzt die Zuschauer in diverse Rollen, identifiziert sie<br />

mit wechselnden Geschlechtern – ein Spiel, das jeder<br />

aus seiner Kindheit kennt. Am Ende können wir über<br />

uns selbst lachen und verdanken Billy Wilder eine gute<br />

analytische (Doppel-)Sitzung.<br />

▶ Sonntag, 24. Juni 2012, 17.30 Uhr (Einführung: Ka -<br />

tharina Leube, Vivian Pramataroff)


Rainer Werner Fassbinders München<br />

Es muss vor rund 35 Jahren gewesen sein. Rainer Werner<br />

Fassbinder saß bei mir im Auto und »diktierte« die<br />

Route von der Innenstadt zu den Bavaria Filmstudios.<br />

Sicher war es nicht die kürzeste Strecke, vermutlich<br />

war sie nur unwesentlich langsamer, auf jeden Fall<br />

aber lotste er mich durch Straßen, die ich ewig nicht<br />

mehr gesehen hatte: backroads, könnte man sagen,<br />

mit vielen eher ärmeren Altbauten, dazwischen immer<br />

noch einige Lücken, teilweise aufgefüllt mit gesichtslosen<br />

neuen Häusern. Auf den ersten Blick Szenerien<br />

ohne echte Fixpunkte und ohne Wiedererkennungswert.<br />

Fassbinder erklärte, dies sei seine Lieblingsstrecke<br />

nach Grünwald. Die Attraktionen eines Stadtführers<br />

haben ihn nie interessiert, auch nicht in seinen Filmen;<br />

als Schauplätze bevorzugte er Gegenden, in denen<br />

seine bürgerlichen und erst recht seine kleinbürgerlichen<br />

Figuren wohnen und leben konnten – oder mussten.<br />

Undenkbar, dass er, wie fast eine ganze Generation<br />

der einstigen »Jungfilmer«, die Leopoldstraße zu einer<br />

Art »Wahrzeichen« verklärt hätte. Wenn er in Schwabing<br />

gedreht hat, kann das der Zuschauer meist nur<br />

dann wahrnehmen, wenn er die entsprechende Szenerie<br />

zufällig genau kennt – wie zum Beispiel die ineinander<br />

übergehenden Hinterhöfe in HÄNDLER DER VIER<br />

JAHRESZEITEN. Wichtiger als die Leopoldstraße war<br />

Fassbinder zum Beispiel die Landsberger Straße mit<br />

ihrem Straßenstrich – wenngleich er die lange nächtliche<br />

Kamerafahrt in LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD<br />

von Jean-Marie Straub übernommen hat.<br />

Fassbinders München ist zunächst einmal eine Stadt<br />

ohne Wahrzeichen. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen,<br />

wie den Löwenbräukeller in GÖTTER DER<br />

PEST, den Alten Peter in FAUSTRECHT DER FREIHEIT,<br />

oder auch Hitlers einstiges Lieblingsrestaurant, die<br />

Osteria in der Schellingstraße (ANGST ESSEN SEELE<br />

AUF). Irgendetwas wie »Großstadtflair« wird man in<br />

Fassbinders Filmen vergeblich suchen. Am Anfang von<br />

DER AMERIKANISCHE SOLDAT signalisiert ein Insert<br />

den Ort: »München«, als hätte der Filmemacher befürchtet,<br />

der Ort des Geschehens würde sonst nicht zu<br />

identifizieren sein. Darin erweist er sich als das Gegenteil<br />

von Kollegen wie Herbert Achternbusch, der mit den<br />

Tourismus-Attraktionen der Stadt und ihrer Umgebung<br />

immer wieder sein listiges Spiel trieb. Auch Wim Wenders’<br />

Berlin-Filme suchen immer wieder prominente<br />

Schauplätze und bauen auf ihren Wiedererkennungswert.<br />

Fassbinders München hingegen läuft Gefahr, in<br />

der Anonymität zu versinken, gegen die vor allem die<br />

Helden seiner frühen Gangsterfilme ankämpfen. Selbst<br />

wenn dort die Kleinkriminellen ins Polizeipräsidium<br />

gehen oder es verlassen, bleibt die Kamera so dicht an<br />

den Figuren, dass der Ort kaum zu identifizieren ist.<br />

Vielleicht hat es mit seinen frühen Theaterarbeiten zu<br />

tun, vielleicht auch mit dem Glück, dass er nie durch<br />

liebe iST KälTeR AlS DeR TOD<br />

Fassbinders München<br />

41


Fassbinders München<br />

42<br />

FAUSTRecHT DeR FReiHeiT AngST eSSen Seele AUF RiO DAS mORTeS KATZelmAcHeR<br />

die filmischen Grammatikregeln einer Filmschule verdorben<br />

wurde: Fassbinder verzichtet in seinen Filmen<br />

weitgehend auf establishing shots; da gibt es so gut<br />

wie keine Totalen, mit denen er erst einmal einen Überblick<br />

oder eine Orientierung zu geben versucht. Er war<br />

wohl generell kein großer Freund von Außenaufnahmen.<br />

Die meisten seiner Filme beginnen innen, dicht<br />

bei den Darstellern. Immer wirken sie eingeengt, von<br />

Mauern, Türen, Rahmen aller Art, bis hin zu den vielen<br />

Spiegeln. Und diese Enge, die oft das Gefühl von Klaustrophobie<br />

evoziert, setzt sich draußen auf den Straßen<br />

fort, als wären die Außenaufnahmen – viele sind bei<br />

Nacht gedreht, die Hintergründe verschwinden im Dunkel<br />

– nur die Fortsetzung von Innenaufnahmen mit<br />

leicht veränderten Mitteln. Wenn Fassbinders Figuren<br />

ins Wirtshaus gehen, fehlt häufig der Blick auf die Fassade,<br />

die Sequenzen beginnen gleich innen. Oder die<br />

Kamera im Freien ist so dicht auf den Schauspielern,<br />

dass Straßenschilder, Wirtshausnamen und andere Fixpunkte<br />

nicht mehr im Bild sind.<br />

Wie sehr Fassbinder auch im Freien auf visuelle Begrenzungen<br />

setzt, zeigt eine wunderbare kleine Sequenz<br />

in ICH WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT:<br />

Peter überquert die Isar auf einer Fußgängerbrücke<br />

nördlich vom Deutschen Museum. Ausnahmsweise<br />

bleibt der Schauplatz mühelos identifizierbar. Aber ge -<br />

nau darum ging es eben nicht – sondern um eine zwei -<br />

te Brücke in der Nähe. Auf ihr fährt die Kamera, parallel<br />

zu dem jungen Mann auf der anderen Brücke. Langsam<br />

sinkt die fahrende Kamera nach unten, bis unter<br />

die steinerne Begrenzung. Auf der Leinwand sieht das<br />

nun aus, als würde Peter von einer Mauer verschluckt.<br />

Der Zuschauer kann ahnen oder fühlen, was kommen<br />

wird. Es ging also nicht um die Szenerie selbst, sondern<br />

um die Möglichkeit, die sie der Kamera bot.<br />

Enge, immer wieder Enge. Fassbinder drehte gern in<br />

bürgerlichen, kleinbürgerlichen oder auch spießbürgerlichen<br />

Wohnungen. Ein Kreuz im »Herrgottswinkel«<br />

einer Wohnung war signifikanter als der Blick auf prominente<br />

Kirchtürme. Treppenhäuser mochte er, Stufen,<br />

die nach oben oder unten führen. Und vor allem Hinterhöfe,<br />

in denen sich die Figuren bewegen, als wären<br />

ihnen ihre Wohnungen zu eng geworden. Wenn Adressen<br />

angegeben werden, sind sie oft der pure Fake. In<br />

der Tizianstraße (HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN),<br />

in die ein Notarzt gerufen wird, stehen keine Mietshäuser,<br />

wie sie hier im Bild sind (aber Fassbinder hat dort<br />

einmal gewohnt!). Die Gabrielstraße (DIE SEHNSUCHT<br />

DER VERONIKA VOSS) gibt es nicht. Und das einst berüchtigte<br />

Wirtshaus Zum Schwan (HÄNDLER DER VIER<br />

JAHRESZEITEN) gab es 1971 nicht mehr.


Fassbinders München schimmert an vielen Stellen<br />

durch, aber es liegt nicht an der Oberfläche. Zum Beispiel<br />

mit der Stimme des legendären Sportreporters<br />

Sammy Drechsel und einem Spiel von 1860 München,<br />

oder mit dem Sound des alten AFN (DIE SEHNSUCHT<br />

DER VERONIKA VOSS). Mit der kleinen Nutte, die sich<br />

»Marile Kosemund« nennt, hat Fassbinder in HÄNDLER<br />

DER VIER JAHRESZEITEN dem Autor Sigi Sommer<br />

seine Referenz erwiesen. In RIO DAS MORTES referiert<br />

der wunderbare Carl Amery spontan über die katholische<br />

Kirche in Lateinamerika. In den Gangsterfilmen<br />

tauchen Yaak Karsunke oder Peter Hamm als Kriminalbeamte<br />

auf. Hans, der Obsthändler (HÄNDLER DER<br />

VIER JAHRESZEITEN) heißt mit Familiennamen Epp,<br />

so hieß einst auch ein berühmter Nazi in der Stadt;<br />

Hans’ Frau will über eine Kanzlei »Schirach« ihre Scheidung<br />

in die Wege leiten. Die Geschichte der Stadt hat<br />

Fassbinder dann interessiert, wenn sie als unmittelbares<br />

Echo noch präsent ist. Aber die neuen Errungenschaften,<br />

das Olympiastadion zum Beispiel? Fehl -<br />

anzeige! Und wenn seine Figuren mit dem Zug ankommen,<br />

dann niemals am Hauptbahnhof, sondern am<br />

Starnberger Bahnhof, der wie eine kleinere Provinzstation<br />

aussieht.<br />

Lediglich in die Unterwelt der U-Bahn, wieder ein Ort<br />

der Klaustrophobie, tauchen die Figuren immer wieder<br />

ein, bis hin zum tödlichen Finale von FAUSTRECHT DER<br />

FREIHEIT; freilich muss man schon genau hinsehen,<br />

um die Haltestelle Marienplatz erkennen zu können.<br />

Wenn Fassbinders Kamera eine U-Bahn-Station identifiziert,<br />

dann hat er einen speziellen Grund dafür: Das<br />

Schild »Nordfriedhof« über dem Kopf von Peter (ICH<br />

WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT) verheißt<br />

nichts gutes für den Ausgang der Geschichte.<br />

Falls Fassbinder in München ein Heimatgefühl entwickelt<br />

hat, so muss es ein sehr ambivalentes gewesen<br />

sein – nicht nur, weil er keine Probleme hatte, wenn er<br />

die Stadt für Aufgaben in Bochum, Frankfurt oder Köln<br />

verlassen musste. »Ich mag das auf die Dauer hier<br />

nicht!«, lässt er seinen Kollegen Daniel Schmid in<br />

HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN erklären. Karlheinz<br />

Böhm fragt ihn in FAUSTRECHT DER FREIHEIT: »Bist du<br />

<strong>Münchner</strong>?« Fassbinders Antwort: »So ziemlich!« Die<br />

Einschränkung kann nicht nur daran liegen, dass er in<br />

Bad Wörishofen geboren wurde.<br />

München ereignet sich in Fassbinders Filmen eher unauffällig<br />

und am Rande. In GÖTTER DER PEST hat<br />

Harry Baer eine Frisur wie König Ludwig II., und für Zuschauer,<br />

denen das nicht auffällt, darf er auch noch ein<br />

Poster des Bayern-Königs kaufen. Einmal legt er eine<br />

Schallplatte auf, man erwartet eine rockige Schnulze,<br />

doch es erklingt Karl Valentin mit seiner »Vogelhochzeit«.<br />

Eine weitere Hommage an den großen Valentin:<br />

Kurt Raab, der in WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? eine<br />

Schlagerplatte kaufen will, weder Text noch Titel weiß,<br />

die Melodie nur in Bruchstücken andeuten kann und<br />

doch zum Ziel kommt. Der Dichter Kranz, der sich in<br />

SATANSBRATEN in die Identität von Stefan George mogelt,<br />

legt sich eine Perücke zu – die weniger an George<br />

erinnert als – zumindest aus heutiger Sicht – an den<br />

<strong>Münchner</strong> Exzentriker Rudolph Moshammer. Und es ist<br />

die Sprache, mit der Fassbinder München definiert: das<br />

spitze und schnippische Bairisch von Walter Sedlmayr,<br />

der verlangsamte, mitunter maulfaule Dialekt von Harry<br />

Baer, die schrillen Sätze von Irm Hermann, die manchmal<br />

wilden, manchmal melancholischen Texte, die sich<br />

Fassbinder auf den Leib geschrieben hat. Oder auch<br />

die Musik von Per Raaben, der zu seinen Ahnherrn<br />

auch Orlando di Lasso gezählt hat.<br />

Wer ehrlich ist, wie Hans (HÄNDLER DER VIER JAHRES-<br />

ZEITEN) oder der Bauarbeiter Peter (ICH WILL DOCH<br />

NUR, DASS IHR MICH LIEBT), oder Franz, der vom Zirkus<br />

kommt (FAUSTRECHT DER FREIHEIT), scheitert hier<br />

– besonders dann, wenn er sich ein anderes, besseres<br />

Leben erträumt. Aber es scheitern auch die vielen kleinen<br />

Ganoven und Gauner, die so tun, als wären sie<br />

große Gangster. In Fassbinders München triumphieren<br />

am ehesten noch die Halbseidenen, Opportunisten, Verräter<br />

und Ausbeuter. Doch wenn Fassbinders Figuren<br />

einmal die Stadt verlassen, dann fahren sie meist über<br />

öde Ausfallstraßen oder bewegen sich in einem gesichtslosen<br />

Brachland. Die Ausnahmen bleiben rar:<br />

eine Exkursion ins Voralpenland (GÖTTER DER PEST),<br />

mit einigen der ganz seltenen Totalen Fassbinders, die<br />

eine Ahnung von Glück und Freiheit suggerieren. Doch<br />

die Helden kehren nur zurück, um in München den Tod<br />

zu finden. Nur in RIO DAS MORTES, dem heitersten<br />

Film, den Fassbinder je gedreht hat, entkommen die<br />

Protagonisten ihrer Enge in Richtung Peru – auch weil<br />

Hanna Schygulla, die am Flughafen München Riem im<br />

Freien und in Schussweite nahe des Flugzeugs (das<br />

war damals noch möglich), die angelegte Waffe wieder<br />

sinken läßt. Mit dieser gelungenen Flucht hat Fassbinder<br />

auch sein einziges Happy End inszeniert. Die Stadt<br />

aber gibt so gut wie keinen Anlass zur Hoffnung.<br />

Hans Günther Pflaum<br />

LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD – BRD 1969 – R+B:<br />

Rainer Werner Fassbinder – K: Dietrich Lohmann – M:<br />

Peer Raben – D: Ulli Lommel, Hanna Schygulla, Rainer<br />

Werner Fassbinder, Hans Hirschmüller, Katrin Schaake,<br />

Peter Berling – 88 min – Fassbinders erster Spielfilm,<br />

Fassbinders München<br />

43


Fassbinders München<br />

44<br />

ein Gangsterfilm: Er spielt Franz, den Zuhälter, der sich<br />

einem Syndikat widersetzt, Bruno liebt und von Johanna<br />

verraten wird. »Was übrig bleibt: dass hier arme<br />

Leute waren, die nichts mit sich anfangen konnten, die<br />

einfach so hingesetzt wurden wie sie sind und denen<br />

keine Möglichkeiten gegeben wurde – die schlichtweg<br />

keine Möglichkeit haben.« (Fassbinder)<br />

▶ Dienstag, 3. April 2012, 21.00 Uhr<br />

KATZELMACHER – BRD 1969 – R+B: Rainer Werner<br />

Fassbinder, nach seinem Theaterstück – K: Dietrich<br />

Lohmann – M: Peer Raben – D: Rainer Werner Fassbinder,<br />

Hanna Schygulla, Lilith Ungerer, Irm Hermann,<br />

Rudolf Waldemar Brem, Harry Baer – 88 min – Ein Film<br />

voller Wut, nach Fassbinders eigenem Bühnenstück:<br />

Vier Paare in einem tristen <strong>Münchner</strong> Viertel, ihre Beziehungen<br />

halten bestenfalls an der Oberfläche, darunter<br />

toben Frust und Stillstand – erst in der Gewalt<br />

gegen einen Ausländer kommt das Leben in Bewegung.<br />

▶ Dienstag, 10. April 2012, 21.00 Uhr<br />

GÖTTER DER PEST – BRD 1970 – R+B: Rainer Werner<br />

Fassbinder – K: Dietrich Lohmann – M: Peer Raben<br />

– D: Harry Baer, Hanna Schygulla, Günther Kaufmann,<br />

Magarethe von Trotta, Carla Aulaulu, Ingrid Caven –<br />

91 min – Ein komplizierter kleiner film noir, über mittelmäßige<br />

Gangster, Liebe und Tod und Verrat – für den<br />

wie meist bei Fassbinder liebende Frauen verantwortlich<br />

sind. Im Finale nimmt Fassbinder seine eigene Beerdigung<br />

vorweg. »GÖTTER DER PEST ist ein ziemlich<br />

genauer Film über so ein Zeitgefühl, das es damals<br />

wirklich gegeben hat.« (Fassbinder)<br />

▶ Dienstag, 17. April 2012, 21.00 Uhr<br />

WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? – BRD 1970 – R+B:<br />

Rainer Werner Fassbinder, Michael Fengler – K: Dietrich<br />

Lohmann – M: Peer Raben – D: Kurt Raab, Lilith<br />

Ungerer, Amadeus Fenger, Franz Maron, Harry Baer,<br />

Hanna Schygulla – 88 min – Der brave Spießer<br />

schlechthin, ein technischer Zeichner mit vergeblichen<br />

Hoffnungen, die zu Mord und Totschlag und Selbstmord<br />

führen. Fassbinders einziger wirklich naturalistischer<br />

Film. »Ich glaube, das geht wirklich, dass man durch<br />

stilistische Mittel die Distanz schafft, die nötig ist für<br />

solche Filme.« (Fassbinder)<br />

Dienstag, 24. April 2012, 21.00 Uhr<br />

DER AMERIKANISCHE SOLDAT – BRD 1970 – R+B:<br />

Rainer Werner Fassbinder – K: Dietrich Lohmann –<br />

M: Peer Raben – D: Karl Scheydt, Elga Sorbas, Jan<br />

George, Hark Bohm, Margarethe von Trotta, Ulli Lommel,<br />

Rainer Werner Fassbinder – 80 min – Als ginge es<br />

um den Verfassungsschutz: Drei <strong>Münchner</strong> Polizisten<br />

beauftragen einen Killer, die Leute umzulegen, an die<br />

sie nicht rankommen. Fünf Jahre nach seinem Debüt<br />

versteht es Fassbinder nun souverän mit den amerikanischen<br />

Vorbildern des film noir zu spielen.<br />

▶ Dienstag, 1. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />

RIO DAS MORTES – BRD 1971 – R+B: Rainer Werner<br />

Fassbinder – K: Dietrich Lohmann – M: Peer Raben –<br />

D: Michael König, Günther Kaufmann, Hanna Schygulla,<br />

Katrin Schaake, Harry Baer, Ulli Lommel – 84 min –<br />

Zwei Freunde träumen von der Schatzsuche und brechen<br />

am Ende auf nach Peru. Fassbinders einzige wirkliche<br />

Komödie und sein einziges Happy End, weil Hanna<br />

Schygulla den gezogenen Revolver sinken lässt. »Wenn<br />

es ein Film wäre wie die anderen, die ich gemacht<br />

habe, würde sie schießen!« (Fassbinder)<br />

▶ Dienstag, 15. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />

HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN – BRD 1972 –<br />

R+B: Rainer Werner Fassbinder – K: Dietrich Lohmann<br />

– D: Hans Hirschmüller, Irm Hermann, Hanna Schygulla,<br />

Klaus Löwitsch, Karl Scheydt, Ingrid Caven – 88 min –<br />

Hans Epp, aus der Fremdenlegion zurückgekehrt,<br />

schiebt seinen Obstkarren durch die Hinterhöfe, leidet<br />

an seiner lieblosen Frau und an seiner großen Liebe:<br />

sie mag ihn im Bett, aber heiraten kommt nicht in<br />

Frage. Die tödliche Tragödie eines kleinen Mannes mit<br />

unerfüllbarer Sehnsucht. »Fassbinder siegt über die Klischees,<br />

indem er die Emotionen wahr macht, die sie<br />

tragen.« (Urs Jenny)<br />

▶ Dienstag, 22. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />

ANGST ESSEN SEELE AUF – BRD 1974 – R+B: Rainer<br />

Werner Fassbinder – K: Jürgen Jürges – D: Brigitte<br />

Mira, El Hedi Ben Salem, Barbara Valentin, Irm Hermann,<br />

Walter Sedlmayr, Rainer Werner Fassbinder –<br />

93 min – Ein berührendes Amour-fou-Melodram, die<br />

Liebesgeschichte einer älteren deutschen Putzfrau und<br />

eines jungen Gastarbeiters aus Marokko. Wenn es ein<br />

Happy End gäbe, dann nur auf der Basis der Verwertbarkeit<br />

von Außenseitern – also endet die Geschichte<br />

offen und skeptisch. Fassbinders Film ist eine Antwort<br />

auf den von ihm verehrten Douglas Sirk und dessen<br />

Melo ALL THAT HEAVEN ALLOWS.<br />

▶ Dienstag, 29. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />

FAUSTRECHT DER FREIHEIT – BRD 1975 – R+B: Rainer<br />

Werner Fassbinder – K: Michael Ballhaus – M: Peer<br />

Raben – D: Rainer Werner Fassbinder, Peter Chatel,


Karlheinz Böhm, Harry Baer, Adrian Hoven, Ulla Jacobsson<br />

– 123 min – Fassbinder gewinnt, als arbeitsloser<br />

Zirkusartist (ratlos), eine halbe Million im Lotto. Mit dieser<br />

Summe ist er auch für noblere Leute von Interesse.<br />

Ein Film über Klassenschranken und Liebe als System<br />

der Ausbeutung, bei Schwulen nicht anders als bei Heteros.<br />

»Mir scheint, Fassbinder wollte hier verfremdet<br />

seinen Weg durch das Kulturleben der Bundesrepublik<br />

beschreiben.« (Wilhelm Roth)<br />

▶ Dienstag, 5. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

ICH WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT – BRD<br />

1976 – R+B: Rainer Werner Fassbinder, nach einer Geschichte<br />

aus dem Buch »Lebenslänglich« von Klaus<br />

Antes und Christiane Ehrhardt – K: Michael Ballhaus –<br />

M: Peer Raben – D: Vitus Zeplichal, Elke Aberle, Alexander<br />

Allerson, Johanna Hofer, Katharina Buchhammer,<br />

Armin Meier – 104 min – Von einem der glaubt, er<br />

müsse sich die Liebe der anderen ständig erkaufen;<br />

dieser Irrtum endet mit Mord und Knast. Fassbinder<br />

selbst ist oft mißverstanden und auf den Titel dieses<br />

Films reduziert worden. Ein Irrtum: Er selbst hat sich zu<br />

wehren gewußt, und die Gefälligkeit seines Helden<br />

hatte er nie. Andernfalls könnte man sein Werk heute<br />

vergessen.<br />

▶ Dienstag, 12. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

SATANSBRATEN – BRD 1976 – R+B: Rainer Werner<br />

Fassbinder – K: Jürgen Jürges, Michael Ballhaus – M:<br />

Peer Raben – D: Kurt Raab, Helen Vita, Volker Spengler,<br />

Margit Carstensen, Ingrid Caven, Ulli Lommel –<br />

116 min – Ein Film aus der Zeit von Fassbinders angeblichen<br />

Krise: Ein Dichter verliert seine Identität, die<br />

eh nicht viel wert war. »Was den Film faszinierend<br />

macht, ist der Grundton tiefer Verzweiflung, fast des<br />

Menschenhasses, der sich hier, alle Grenzen von Geschmack<br />

und Erzählkultur einreißend, gewaltsam Bahn<br />

bricht.« (Wilfried Wiegand)<br />

▶ Dienstag, 19. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS – BRD 1982<br />

– R: Rainer Werner Fassbinder – B: Peter Märthesheimer,<br />

Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder – K: Xaver<br />

Schwarzenberger – M: Peer Raben – D: Rosel Zech,<br />

Hilmar Thate, Cornelia Froboess, Annemarie Düringer,<br />

Doris Schade, Erik Schumann, Armin Mueller-Stahl,<br />

Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder – 104 min –<br />

Fünfziger Jahre: Ein ehemaliger Ufa-Star träumt von<br />

der Vergangenheit und verkennt die Gegenwart. Die<br />

Schlüsselbegriffe: Ufa und Treblinka. In der ersten Einstellung:<br />

Fassbinder im Kino – sein letzter Auftritt in<br />

einem eigenen Film.<br />

▶ Dienstag, 26. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

Zum 30. Todestag von Rainer Werner Fassbinder am 10. Juni<br />

1982 präsentiert das Residenztheater im Marstall im März das<br />

Festival »Postparadise Fassbinder Now«, am 25. Mai wird eine<br />

Ausstellung im Deutschen Theatermuseum eröffnet.<br />

Fassbinders München<br />

45<br />

Die SeHnSUcHT DeR veROniKA vOSS


»… und immer wieder geht sie unter!«<br />

Der Untergang der Titanic<br />

46<br />

Der Untergang der »Titanic« im Kino<br />

Als vor 100 Jahren, in den frühen Nachtstunden des<br />

15. April 1912, der Luxusliner Titanic nach einer Kollision<br />

mit einem Eisberg im spiegelglatten Wasser des<br />

Nordatlantik versank und mehr als 1.500 Menschen<br />

mit in die Tiefe nahm, war ein Schiff untergangen und<br />

ein Mythos des 20. Jahrhunderts geboren. Seitdem<br />

spukt die Titanic durchs kollektive Bewusstsein und befeuert<br />

das Vorstellungsvermögen, die Phantasien von<br />

Journalisten, Sachbuchautoren, Romanciers, Ausstellungsmachern<br />

und Filmproduzenten. Wie wirkungsmächtig<br />

der Mythos immer noch ist, machte schlag -<br />

artig die Havarie des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia<br />

im Januar dieses Jahres vor der toskanischen<br />

Küste deutlich: Nicht nur, dass weltweit in der Presse<br />

getitelt wurde »Wie auf der Titanic«, sondern auch,<br />

dass die geretteten Passagiere selbst sofort diesen<br />

Vergleich zogen. So gab eine gerettete Passagierin an,<br />

sie habe viele Male den Film von James Cameron gesehen<br />

und deshalb den Ratschlag beherzigt, nicht die<br />

Aufzüge zu benutzen (FAS 22.1.2012). Und zu verführerisch<br />

waren ja auch die Parallelen: Der jähe Ruck<br />

beim Abendessen, der lange Riss im Rumpf, das baldige<br />

Kentern – alles unverzichtbare Bestandteile des<br />

Titanic-Mythos.<br />

Dieser Mythos gipfelt in einem zur Ikone gewordenen<br />

Bild, auf das keine Illustration, kaum eine Verfilmung<br />

verzichtet: Der diagonal aus dem Wasser ragende<br />

Rumpf des schon halb gesunkenen Schiffes, immer<br />

noch die Decks in voller Festbeleuchtung, die Lichter<br />

sich spiegelnd in der glatten See. Und davor die Über -<br />

lebenden in den Rettungsbooten, auf die das Geschehen<br />

einen theaterhaften Eindruck machte, wie viele der<br />

Geretteten als Augenzeugen berichtet haben. Ein er -<br />

habenes Schauspiel, eine fast theaterhafte Inszenierung,<br />

die sich im Kino natürlich besonders effektvoll in<br />

Szene setzen lässt: Nur wenige Monate nach der Katastrophe,<br />

die ein bisher nie gekanntes weltweites<br />

Medien echo auslöste, hatte mit IN NACHT UND EIS die<br />

erste Verfilmung des Untergangs in Berlin Premiere.<br />

Gegenüber der Costa Concordia wirkt die für damalige<br />

Verhältnisse imposante Titanic heute nicht mehr ganz<br />

so beeindruckend: Mit 269 Metern war sie elf Meter<br />

kürzer und auf maximal 2.600 Passagiere angelegt, gegenüber<br />

3.800 Passagieren auf dem italienischen<br />

Kreuzfahrtschiff. Ganz zu schweigen von der Oasis of<br />

the Seas, dem derzeit (noch) größten schwimmenden<br />

Vergnügungsdampfer mit 360 m Länge und fast 6.300<br />

Passagieren. Doch Größenverhältnisse und Zahlen sind<br />

für die Mythenbildung unerheblich, denn es ist gerade<br />

die untergegangene Titanic, die immer noch die Herzen<br />

bewegt – ein Traumschiff tief auf dem Boden des Meeresgrunds,<br />

versunken wie das sagenumwobene Atlantis.<br />

Damals galt sie als das »unsinkbare Schiff«, und<br />

umso stärker erschütterte dann ihr jähes Ende auf der<br />

Jungfernfahrt von Southampton nach New York weltweit<br />

die Gemüter. Die zeitgenössischen Reaktionen lassen<br />

einen sofort den Vergleich zu einer anderen Katastrophe<br />

fast 90 Jahre später ziehen, zu den kollabierenden<br />

Türmen des World Trade Center. Ging da damals<br />

symbolhaft ein Zeitalter unter, das fortschrittsgläubige<br />

19. Jahrhundert? War das ein Menetekel? Zwei<br />

Jahre später begann mit dem Ersten Weltkrieg eine Ka-


tastrophe ganz anderen Ausmaßes. Die 1915 vor der<br />

Südküste Irlands untergegangene Lusitania, ein noch<br />

größeres und moderneres Schiff als die Titanic, kollidierte<br />

eben nicht mit einem Eisberg oder einem Riff,<br />

sondern wurde von einem deutschen U-Boot versenkt.<br />

Im Kino hat sich ein eigenes Genre der Schiffsuntergangsfilme<br />

gebildet. Egal ob es ein Eisberg, ein feindliches<br />

U-Boot oder ein Fliegerangriff ist, der die Katastrophe<br />

auslöst: Immer wird die Tragik des Geschehens<br />

dramaturgisch verstärkt durch die Schilderung der unglücklichen<br />

Kette von Zufällen, die erst die undenkbare<br />

Katastrophe ermöglichten. Und jedes Mal wird durch<br />

Einzelschicksale ein Mikrokosmos der Gesellschaft geschildert,<br />

in dem Klassenzugehörigkeit und ethnische<br />

oder nationale Stereotypen eine wichtige Rolle spielen.<br />

Im Mittelpunkt des Interesses stehen aber auch die aufwändigen<br />

Spezialeffekte, die sich im Laufe der Filmgeschichte<br />

von klassischen Modellbauten bis zu komplexen<br />

digitalen Effekten entwickelt haben.<br />

Ernst Schreckenberg<br />

»… UND IMMER WIEDER GEHT SIE UNTER!« – Vortrag<br />

mit Filmausschnitten von Ernst Schreckenberg –<br />

90 min – Vom Untergang der Titanic, in der Nacht vom<br />

14. auf den 15. April 1912, gibt es keine Filmaufnahmen<br />

oder Fotos. Dennoch bedarf es keiner großen<br />

Phantasie, um sich ein Bild des Geschehens zu machen:<br />

Das Kino und auch das Fernsehen haben in<br />

immer neuen Inszenierungen der Katastrophe dafür gesorgt,<br />

dass der Untergang der Titanic im kollektiven Gedächtnis<br />

bis heute präsent ist. Ernst Schreckenberg<br />

wird in seinem Vortrag auf die wichtigsten Titanic-Filme<br />

eingehen. Natürlich dürfen auch nicht die vielen kleinen<br />

Spuren fehlen, die die Titanic in der Filmgeschichte hinterlassen<br />

hat, wie etwa in den TIME BANDITS der<br />

Monty Pythons Terry Gilliam und Michael Palin. – TIME<br />

TUNNEL: RENDEZVOUS WITH YESTERDAY (WIEDER-<br />

SEHEN MIT DER VERGANGENHEIT) – USA 1966 – R:<br />

Irwin Allen – B: Harold Jack Bloom, Shimon Wincelberg<br />

– K: Winton Hoch – M: John Williams – D: James Darren,<br />

Robert Colbert, Michael Rennie, Susan Hampshire,<br />

Gary Merrill, Lee Meriwether – 47 min, OF – Erste<br />

Folge einer Science-Fiction-Fernsehserie: Im Auftrag<br />

der Regierung arbeitet ein Team von Wissenschaftlern<br />

an einem geheimen Projekt, mit dem man Zeitreisen<br />

unternehmen kann. Als die Finanzierung des Projekts<br />

vor der endgültigen Fertigstellung eingestellt werden<br />

soll, betritt Dr. Newman als freiwilliges Versuchskaninchen<br />

den Zeittunnel und findet sich ausgerechnet auf<br />

der Titanic wieder.<br />

▶ Donnerstag, 12. April 2012, 19.00 Uhr<br />

ATLANTIS – Dänemark 1913 – R: August Blom – B:<br />

Axel Garde, Karl-Ludwig Schröder, nach dem Roman<br />

von Gerhart Hauptmann – K: Johan Ankerstjerne – D:<br />

Olaf Fönss, Ida Orloff, Ebba Thomsen, Carl Lauritzen,<br />

Frederik Jacobsen, Charles Unthan, Michael Curtiz –<br />

121 min, viragiert, OmeU – Einer der ersten abendfüllenden<br />

Spielfilme der Filmgeschichte basiert auf einem<br />

Roman von Gerhart Hauptmann, der kurz vor der Titanic-Katastrophe<br />

erschienen war und in dem ebenfalls<br />

ein großer Ozeanliner im Atlantik versinkt. Erzählt wird<br />

die Geschichte eines Chirurgen, der seine Frau verlässt,<br />

um zusammen mit einer erotischen Tänzerin nach Amerika<br />

auszuwandern. Die vom Danske Filminstitut restaurierte<br />

Fassung des Films weist auch ein alternatives<br />

Ende auf, das extra für den russischen Markt gedreht<br />

wurde.<br />

▶ Freitag, 13. April 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel und an<br />

der Violine: Günter A. Buchwald)<br />

TITANIC – IN NACHT UND EIS – Deutschland 1912 –<br />

R+B: Mime Misu – B: Jitsuzo Ikeda – K: Willy Hameister,<br />

Emil Schünemann, Viktor Zimmermann – D: Mime<br />

Misu, Otto Rippert, Ernst Rückert, Waldemar Hecker –<br />

35 min – Keine zwei Wochen nach dem Untergang der<br />

Titanic verkündete die deutsche Continental-Filmgesellschaft<br />

ein »Seedrama« an, das »umfassend die ganze<br />

Der Untergang der Titanic<br />

47


Der Untergang der Titanic<br />

48<br />

Katastrophe, einschl. des Zusammenstoßes mit dem<br />

Eisberge und schwer dramatischer Szenen an Bord«<br />

darstelle. Gefilmt wurde schließlich im Mai 1912 in<br />

Hamburg und Cuxhaven »mit einem wirklichen Schiff<br />

und der gütigen Mitwirkung des ganz wirklichen Meeres«,<br />

während der Untergang auf dem Grüpelsee bei<br />

Berlin mit einem acht Meter langen Schiffsmodell nachgestellt<br />

wurde. – THE SINKING OF THE LUSITANIA<br />

(DER UNTERGANG DER LUSITANIA) – USA 1918 –<br />

R+B: Winsor McCay – 12 min, OF – Die Versenkung<br />

des Passagierschiffs Lusitania am 7. Mai 1915 durch<br />

ein deutsches U-Boot spielte bei der Entscheidung der<br />

Amerikaner, in den Ersten Weltkrieg einzutreten, eine<br />

wichtige Rolle. Da es von dem Ereignis keine Bilder<br />

gab, stellte Winsor McCay einen Zeichentrickfilm her,<br />

der zu Propagandazwecken eingesetzt werden sollte,<br />

aber wegen seiner langwierigen Herstellung erst gegen<br />

Ende des Krieges fertiggestellt war. – DER UNTER-<br />

GANG DER TITANIC – Deutschland 2003 – R+B: Alexander<br />

Kluge, unter Verwendung von Texten von Hans<br />

Magnus Enzensberger – 15 min – Nachträglich erscheint<br />

der Untergang der Titanic »wie eine Chiffre, die<br />

auf die späteren Katastrophen des 20. Jahrhunderts<br />

hinweist. In einem Epos in 33 Gesängen hat Hans Magnus<br />

Enzensberger dazu unvergessliche Metaphern entwickelt.«<br />

(Alexander Kluge) – DAMPFER KAPUTT! –<br />

Deutschland 2012 – R+B: Alexander Kluge – D: Helge<br />

Schneider – 24 min – Premiere eines neuen Films von<br />

Alexander Kluge, inspiriert vom Untergang der Costa<br />

Concordia. Helge Schneider in vier Rollen als Schiffs -<br />

kapitän, Marineschriftsteller, Marinerichter und Höhlentaucher.<br />

▶ Samstag, 14. April 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel und an<br />

der Violine: Günter A. Buchwald)<br />

A NIGHT TO REMEMBER (DIE LETZTE NACHT DER<br />

TITANIC) – GB 1958 – R: Roy Ward Baker – B: Eric<br />

Ambler, nach dem Buch von Walter Lord – K: Geoffrey<br />

Unsworth – D: Kenneth More, Ronald Allen, Robert<br />

Ayres, Honor Blackman, Anthony Bushell, John Cairney,<br />

Jill Dixon, James Dyrenforth – 123 min, OF – »Vielen<br />

gilt diese 1958 in den Pinewood Studios gedrehte britische<br />

Version des Titanic-Desasters als die definitive<br />

Ver filmung des Stoffes. Sie basiert auf der bis heute unübertroffenen<br />

dokumentarischen Darstellung von Walter<br />

Lord und ist programmatisch um Authentizität<br />

bemüht. Fast könnte man von ei nem Doku-Drama sprechen,<br />

mit einprägsamen Charakterisierungen vieler<br />

Figuren durch den Drehbuchautor Eric Ambler. Einiges<br />

davon kommt einem bekannt vor, wenn man zuerst den<br />

Film von James Cameron gesehen hat, der viele kleine<br />

Situationen in seinen Film übernommen hat. Dennoch<br />

könnten die Filme verschiedener<br />

nicht sein: Wo Cameron das<br />

große Melodram inszeniert,<br />

zeigt Roy Ward Baker, wie es gewesen<br />

sein könnte. Bewusst in<br />

schwarz-weiß gedreht, um historisches<br />

Filmmaterial integrieren<br />

zu können, unterläuft er jede mythologische<br />

Symbolik des Schiffes<br />

zugunsten eines dramaturgisch<br />

verdichteten Ablaufs einer<br />

Schiffskatastrophe, die die Welt<br />

erschütterte. Die unprätentiöse<br />

Machart, die so manchen emotionalen<br />

Schwulst der anderen<br />

Verfilmungen vermeidet, ist allerdings<br />

in ein Loblied britischer<br />

Tugend und Tapferkeit eingebunden,<br />

wie sie der heimliche Held<br />

von A NIGHT TO REMEMBER verkörpert,<br />

der von Kenneth More<br />

gespielte Zweite Offizier Lightoller.«<br />

(Ernst Schreckenberg)<br />

▶ Sonntag, 15. April 2012, 18.30<br />

Uhr


Architektur | Reflexion | Transparenz<br />

cHlOe<br />

Toronto ist eine Hure, sagt der Filmemacher Atom<br />

Egoyan von seiner Heimatstadt. Sie travestiert sich, gibt<br />

sich hin für Geld. Gibt vor, New York zu sein oder Chicago<br />

oder San Francisco, für amerikanische Produktionen,<br />

die in Toronto eine Menge Produktionskosten sparen<br />

können. In Egoyans Film CHLOE ist die Stadt Toronto<br />

eine Mitspielerin geworden, sie darf zeigen, wie<br />

sie ist, und manchmal ist es, als würden ihre Straßen<br />

und Cafés, ihre Hotels und Treibhäuser, nicht die Menschen,<br />

das Geschehen bestimmen. Im Zentrum der Geschichte<br />

– die von einer Midlife-Crisis handelt, einer<br />

Frau und ihren Abnutzungsängsten – steht ein Haus<br />

aus Glas, an einem baumbestückten Hang, erbaut vom<br />

Architekten Drew Mandel.<br />

Auf den Leib gebaut<br />

Architektur und Prostitution, Architektur und Verführung,<br />

Architektur und Obsession. Das Programm der<br />

12. Architekturfilmtage zeigt, stärker noch als in den vorigen<br />

Jahren, die andere Seite der Architektur, jenseits<br />

von Konzeption und Konstruktion, das Leben, das einzieht<br />

in die Gebäude. Living [In] Houses. Wie Leben eingebaut<br />

ist in den Häusern, wie das Leben der Bauten<br />

ist. Wie im Alltag sich die neuen Perspektiven verifizieren,<br />

ein anderes Sehen erprobt wird. Das Haus Tugendhat<br />

in Brno von Mies van der Rohe und sein Farnsworth<br />

House in Plano, Illinois und das Haus, das Philip Johnson<br />

sich schuf in New Canaan, New York – sie sind den<br />

Menschen auf den Leib gebaut, die darin wohnen, sie<br />

sollen das Leben prägen, das dort geführt wird, aber<br />

sie werden auch ein Abdruck sein davon.<br />

Gebaute Anthropologie – das hat angefangen zu Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts, als die Psychoanalyse dreigeschossig<br />

ihre Hierarchie von Es und Ich und Über-Ich<br />

entwarf. In dem Fortschritt und Zivilisation und Rationalität<br />

fusionierten und die Strukturen eines Herrschaftssystems<br />

ergaben. Das Neue baut auf dem Alten auf<br />

und versucht es zu dominieren – dass dies nicht unabwendbar<br />

war, wollte Norman Foster demonstrieren, als<br />

er auf das alte Fundament des Hearst Tower in New<br />

York sein neues Konstrukt aus Glas und Stahl setzte.<br />

Der Film von Sabine Pollmeier und Joachim Haupt über<br />

den Tower ist am lebendigsten, wenn er sich in der<br />

Übergangszone tummelt, wo das Alte hinüberwechselt<br />

in das Neue.<br />

Wie die Natur menschlichem Bauen zusetzt, darum<br />

geht es in dem spanischen Film AITA, Verwitterung, Vernachlässigung<br />

und Zerfall; und was, schlimmer noch,<br />

die Geschichte den Bauten antut – Krieg, Okkupation,<br />

Enteignung, Unrecht – erfährt man, wenn Dieter Reifarth<br />

Auszüge aus seinem Film (der noch in Arbeit ist)<br />

zum Haus Tugendhat vorstellt. Er erzählt vom wechselvollen<br />

Schicksal des Hauses in Brno, von stählernen<br />

Korsetts, Glas, Ohnmacht und Zeit. Work in progress,<br />

Architektur als Progress.<br />

Interaktion von Bau und Bewohnern erlebt man in dem<br />

Film von Pierre Maillard über den Bau des Rolex Center,<br />

der neuen Bibliothek der École Polytechnique Fédérale<br />

Architekturfilmtage<br />

49


Architekturfilmtage<br />

pOinTS On A line © Sarah morris<br />

50<br />

de Lausanne, entworfen von Kazuyo Sejima und Ryue<br />

Nishizawa vom japanischen Architekturbüro SANAA.<br />

Am Ende wird, nach der Einweihung des Baus, von den<br />

ersten Tagen der Nutzung erzählt, die verantwortliche<br />

Projektleiterin nimmt Stichproben des Materials, und<br />

neben der Bau- wird auch die Substanz des Lebens<br />

und Arbeitens in der Bibliothek getestet. Wie der<br />

Mensch sich nun hier zurechtfindet, wo er aneckt und<br />

sich verweigert, und ob der Bau seinen Bedürfnissen<br />

konform ist. Aber auch: wie weit das nicht auch umgekehrt<br />

sein kann, wie Bedürfnisse entstehen und sich<br />

verändern können und ob nicht auch eine Differenz<br />

bleiben darf zwischen Bau und Wirklichkeit. Eine Differenz,<br />

die gesellschaftliche Progression ergibt, das utopische<br />

Element der Architektur.<br />

Ein Paffillon<br />

Über einen beispielhaften Bau-Utopisten handelt Michael<br />

Blackwoods Film über Mies van der Rohe. Er<br />

lässt Mies selbst erzählen, von Momenten des Aufbruchs<br />

und den Prinzipien, die darin getestet wurden,<br />

in seinem eigenen erratischen Stil. Wie die Regierung<br />

an ihn herantrat für den deutschen Pavillon auf der<br />

Weltausstellung in Barcelona 1929: »We need a paffillon<br />

… What do you mean by a paffillon? … I dont<br />

know, we have so much money for it, build it. But<br />

please not too much glass!« »No bearing walls. A new<br />

space idea, the floating space.« Kein Glas, sondern<br />

eine neue gebaute Transparenz. Das Wort »paffillon«<br />

schnalzt Mies so knallhart hervor, dass man gleich eine<br />

Vorstellung kriegt von dem irrealen, unbeschreiblichen,<br />

mythischen Ort, den er kreieren wird. Leben im floating<br />

space. Revolution der Architektur. Das neue Bauen ist<br />

fluid, und es zieht sich auf einem Level hin, keine Geschosse,<br />

keine geschlossenen Räume, keine fixierten<br />

Orte, kein Oben und Unten. Statt dessen Übergänge<br />

und Passagen, Durchlässigkeit und Transparenz. Migrantes<br />

Hausen. Innere Landschaften.<br />

Durchgängig offen<br />

Elegant und beschwingt ist das Rolex Center von Sejima<br />

& Nishizawa geworden. Ihr Entwurf, erklärt David<br />

Aymonin, der Direktor, habe am besten realisiert,<br />

worum es hier ging, die Idee von Hybridität und Zirkulation,<br />

einer Fruchtbarkeit zwischen den verschiedenen<br />

Räumen, Bibliothek, Leseabteilung, Kantine … Alles in<br />

einem, nicht durch Wände, nur durch die Distanzen und<br />

die Differenzen im Niveau, durch das Licht und die<br />

Landschaften unterschieden. In einem Raum voller Widersprüche,<br />

der wie eine Welle konzipiert ist, nicht vertikal,<br />

sondern in den Raum hinein, weshalb Wim Wenders,<br />

als er einen Film über das Center machte, IF BUIL-<br />

DINGS COULD TALK, ihn in 3D filmen musste. Mit seiner<br />

Offenheit soll der Bau den Studenten helfen, die<br />

dort arbeiten, sagt David Aymonin, therapeutisch, bei<br />

ihren Problemen, geschiedene Eltern, Schwierigkeiten<br />

bei der Finanzierung des Studiums, Zukunftsängsten.<br />

Orte im Nirgendwo<br />

Wie utopisch Bauen sein kann, wird hier durchgespielt,<br />

wie die Produktionsverhältnisse sind, die diese Bauten<br />

hervorbringen, und welche Produktivkräfte sich darin


entwickeln. Die Dialektik von Aufbau und Niedergang.<br />

Mies’ Bauten in Barcelona und Brno, der Pavillon und<br />

das Haus Tugendhat zeigen den Wandel der Utopien,<br />

sie sind eher in der Zeit zu lokalisieren als im Raum. In<br />

den Spuren ihrer Zerstörung wird die Horizontale der<br />

Geschichte aufgelöst, werden palimpsesthaft Epochen<br />

aufeinander geblendet. »Fascination of Decay« heißt<br />

eins der Bücher in der Bibliothek des Glass House von<br />

Philip Johnson, die Sarah Morris in ihrem Film POINTS<br />

ON A LINE zeigt, der das Johnson-Haus mit Mies’<br />

Farnsworth House konfrontiert. Der Pavillon in Barcelona<br />

wurde nach Ende der Ausstellung abgebaut, verpackt<br />

und nach Deutschland verschickt, aber er kam<br />

dort nie an.<br />

Das Haus als Familiengrab<br />

Es gibt keinen festen Blickpunkt in der Architektur,<br />

immer schon steckt ein Element der Zersetzung darin.<br />

»In der baskischen Mythologie«, sagt der Regisseur<br />

José María de Orbe zu AITA, »ist das Haus ein geheiligtes<br />

Areal, wo die Lebenden und die Toten sich treffen,<br />

zu gleichen Bedingungen. Vor dem Eintreffen des Christentums<br />

wurde das baskische Haus als Familiengrab<br />

benutzt. Die Figuren, die häusliche Verehrung genießen,<br />

sind die Seelen ihrer Vorfahren, erfahren als Lichtblitze,<br />

Windböen oder Schatten.«<br />

AITA zeigt die Geburt der Architektur aus dem Geiste<br />

des Totenkults, und plötzlich wirkt die Architektur dem<br />

Kino ganz eng verwandt und seinem Kult der Schatten<br />

und Phantome. AITA zeigt die Produktivkräfte des Verfalls,<br />

in dem alten Haus auf dem Lande beleben sich<br />

spukhaft die Wände mit alten Bildern, man denkt an<br />

Dreyers VAMPYR und frühe Stummfilme aus der Vergangenheit,<br />

die sich bereits zersetzen, aber diese Zersetzung<br />

generiert schon wieder neue phantastische<br />

Formen.<br />

Im Haus Tugendhat hat es wirklich Kino gegeben, aktives<br />

Kino, Mitspielkino, jeder war involviert, nolens volens,<br />

wie die Tochter Daniela erzählt. Family plots:<br />

»Mein Vater war Amateurfilmer. Im Keller war eine Dunkelkammer,<br />

in der er seine Fotos und Filme entwickelte.<br />

In einem kleinen Raum neben dem Wohnraum stand<br />

die ›Lokomotive‹, der 16mm-Filmprojektor. Eine riesige<br />

Leinwand wurde vor die Glasfront gehängt, und der<br />

Kinosaal war perfekt. Einmal fanden die Gäste den Zugang<br />

zum Wohnraum durch ein Seil versperrt. Mit versteckter<br />

Kamera filmte mein Vater die perplexen Reaktionen<br />

der Besucher, entwickelte im Laufe des Abends<br />

den Film, um ihn den erstaunten Gästen am Ende des<br />

Abends vorzuspielen.«<br />

Als Mies und seine Partnerin Lilly Reich das Haus Tugendhat<br />

ausstatteten, haben sie an L’INHUMAINE von<br />

Marcel L’Herbier mit den Dekors von Fernand Léger<br />

und Robert Mallet-Stevens gedacht und an Man Rays<br />

LES MYSTÈRES DU CHATEAU DU DÉ – in den Zwanzigern<br />

hat das Kino vorgemacht, wie man feste Räume in<br />

Bewegung versetzt und die Oberflächen zum Schwingen<br />

bringt. »Die Flächen des Hauses Tugendhat«,<br />

schreibt Irene Nierhaus, »werden so nicht nur als definierte,<br />

sondern als potenzielle Bildflächen entwickelt …<br />

Die Potenzialität des Erscheinens und Schwindens von<br />

Figuren ist mit dem Lichtbild in Fotografie und Film ein<br />

Architekturfilmtage<br />

51<br />

AiTA


Architekturfilmtage<br />

52<br />

Thema geworden.« Mies und Reich haben jede Wand<br />

in ihrer Materialität exakt gestaltet, jeden Abstand, jede<br />

Oberfläche, all die Lichtreflexe, »um die Raumgeometrie<br />

mit einem Unschärfeeffekt zu überlagern«.<br />

Funktion und Flexibilität<br />

Mies wirkt im Interview ein wenig so wie Hitchcock<br />

oder Fritz Lang, er ballt eine Faust, in der anderen Hand<br />

hält er die lange Zigarre. Es stolpert beim Sprechen,<br />

egal ob amerikanisch oder deutsch, und wie die beiden<br />

Filmemacher markiert er seine Argumentationspunkte,<br />

damit man dann umso heftiger überwältigt ist von der<br />

Kraft des Untergründigen, das zwischen ihnen pulsiert.<br />

Einer der berühmtesten Sätze der Architekturgeschich -<br />

te, von Louis Sullivan, war: »Form follows function«.<br />

Aber heute, sagt Mies, wechseln die Funktionen so<br />

schnell, dass man mit ihnen nicht mehr operieren kann,<br />

man braucht statt dessen eine neue Flexibilität. »Die<br />

Flexibilität ist eigentlich das Wichtige und Charaktervolle<br />

an unseren Bauten, nicht mehr der Ausdruck der<br />

Funktion.«<br />

Als Jean Cocteau in der Sommerzeit regelmäßig in der<br />

Villa seiner Freundin Francine Weisweiller lebte, machten<br />

die weißen Wände, im Licht der Côte d’Azur, ihn verrückt,<br />

also bemalte er sie schließlich in starken bunten<br />

Farben und drehte einen Film darüber, LA VILLA SANTO<br />

SOSPIR, der eine nicht endenwollende Be wegung, eine<br />

einzige Überblendung scheint. »Nicht das Malerische<br />

war es, was mich interessierte«, notierte er in seinem<br />

Tagebuch, »sondern die Proportionen«. »Proportions<br />

was the only thing he ever worried about«, sagt Philip<br />

Johnson listig über Mies.<br />

Wie in der Villa Santo Sospir sind im Haus Tugendhat<br />

die Wände in Bewegung gebracht. Es ist ein Familienhaus,<br />

aber eins, das die Basis der Familie angreift und<br />

die Hierarchie der Gesellschaft, ihre Rituale und Arbeiten,<br />

Sehnsüchte und Pflichten in ein Spiel der Reflexe<br />

überführt – der Glamour einer heiteren, unentfremdeten<br />

Existenz, den die Gesellschaft für verrückt erklären<br />

muss. Ja, gesteht Atom Egoyan, auch sein Film CHLOE<br />

folge irgendwie der Hollywood-Prämisse, dass in den<br />

modernen und postmodernen Häusern psychisch Gestörte<br />

leben.<br />

In einem Glashaus leben, davon kann man sich immer<br />

noch keine wirkliche Vorstellung machen, dabei könnte<br />

es das Natürlichste von der Welt sein. Glashäuser sind<br />

eine amerikanische Erfindung, man kriegt sie nicht zusammen<br />

mit der europäischen Geschichte, all den<br />

Jahrzehnten von Absonderung, Einschließung, Festhalten<br />

an der Identität. Im alten Haus in AITA wird Kindern<br />

ein Fenster gezeigt, das ist ganz schmal und scheint<br />

sich eher abzuschließen als zu öffnen, es ist nicht zum<br />

Schauen gedacht, sondern eine Schießscharte, um<br />

sich zu verteidigen. Befestigtes Haus!<br />

Power Stations<br />

Amerika hat eine Tradition des Angeschautseins, die es<br />

in Europa nie geben wird. Europäisches Leben ist Tableau,<br />

amerikanisches ist Performance. Der Unterschied<br />

von Bühne und Atelier, von Theater und Kino.<br />

Den europäischen Architekten in den Zwanzigern und<br />

Dreißigern war das ziemlich klar, sie waren in ihrem<br />

Bauen immer schon im amerikanischen Exil.<br />

Vielleicht muss man Architekturfilme als Märchenfilme<br />

sehen, sie haben ihr eigenes »Es war einmal …« »Verstehen<br />

Sie mich nicht falsch«, schreibt Wenders zu seinem<br />

Rolex-Center-Film: »Dies ist keine Metapher. Gebäude<br />

sprechen in der Tat zu uns! Sie tragen Botschaften.<br />

Einige streben einen fortwährenden Dialog mit uns<br />

an. Andere hören erst einmal aufmerksam zu. Und Sie<br />

haben vermutlich schon bemerkt: Einige mögen uns<br />

sehr, andere weniger, wieder andere gar nicht.«<br />

Die Glashäuser, die Sarah Morris filmt in POINTS ON A<br />

LINE, haben ihre eigene Energie, sie strahlen aus sich<br />

selbst. Power Stations, wie die gefährlichen glühenden<br />

Urankästen in den Thrillern der Fünfziger.<br />

Wenn man Philip Johnson sieht, in Momenten seiner<br />

selbstgefälligen, selbstinszenierten Versonnenheit,<br />

dann hat er etwas von einem Rumpelstilzchen, aber<br />

auch von einem Schneewittchen, einem subversiven.<br />

Und sein Haus wäre wie ein gläserner Sarg, in den er<br />

sich zur Erlösung von der Gesellschaft zurückzieht.<br />

CHLOE ist ein vertrackter moderner Schneewittchenfilm,<br />

mit Julianne Moore als böser Schwiegermutter,<br />

die sich in das Schneewittchen Amanda Seyfried verguckt.<br />

Zur einen Frau gehören die Fenster und das<br />

Glas, zur anderen die Spiegel, und das dritte Glass<br />

House, von Drew Mandel, macht die Verunsicherung<br />

vollkommen, was nun durchsichtiger ist, die Gläser<br />

oder die Spiegel. CHLOE ist ein Film über eine Frau, die<br />

Angst hat, frigide geworden zu sein, ihren Mann zu verlieren<br />

und ihren Sohn, unattraktiv zu sein, keinen Kontakt<br />

mehr aufrechterhalten zu können, allein bleiben zu<br />

müssen, keine Liebe mehr zu kriegen, keinen Sex.<br />

Glassarg, Glashaus, Horrorhaus. Häuser, die sich emanzipieren,<br />

zum Gegenspieler werden, das ist ein kleines<br />

Subgenre in Hollywood. Das Haus, in dem Julianne<br />

Moore wohnt und das für schönste Offenheit gebaut<br />

scheint, beginnt sich plötzlich zu verschließen. Man ist<br />

nicht mehr bei sich. Fremde tauchen in den Gängen<br />

auf, wie in AITA.<br />

Aus den antiken Mythen sind die Figuren, wie oft bei


Cocteau, in der Villa Santo Sospir geholt. »Picasso hat<br />

die Türen in der Villa auf- und zugemacht, ich musste<br />

sie nur noch bemalen«, heißt es im Kommentar. Schon<br />

sieht man die Türen in Bewegung, auf und zu, Figuren<br />

und Gesichter, die geheimnisvoll sich zu- und wieder<br />

wegwenden. Es ist einer der Momente, wo Gebautes<br />

und Projiziertes, Materielles und Imaginäres, Architektur<br />

und Kino sich aufs Phantastischste verbunden<br />

haben.<br />

Am Ende von POINTS ON A LINE gibt es eine lichte<br />

Küche, in Ocker und Weiß, und dann geht die Kamera<br />

in ein paar Einstellungen allmählich nach draußen, und<br />

da ist das Ocker/Weiß gleich wieder, ein Schmetterling<br />

am Fenster, vor einem weißen Vorhang. Danach sieht<br />

man eine ganze Menge Schmetterlinge flattern vor grünen<br />

Bäumen, es sieht aus wie eine Animationssequenz,<br />

und der Film ist aus.<br />

Fritz Göttler<br />

Ein Programm der Bayerischen Architektenkammer in Zusammenarbeit<br />

mit dem Filmmuseum München.<br />

MIES – USA 1985 – R+B: Michael Blackwood – K:<br />

Mead Hunt – 58 min, OF – Eine kurze Geschichte des<br />

Schaffens von Mies van der Rohe: Interviews mit Mies,<br />

Kommentare von Kollegen (Peter Eisenman, Robert<br />

Venturi, Philip Johnson, John Hejduk u. a.), ehemaligen<br />

Studenten und Architekturhistorikern. – HEARST<br />

TOWER, NEW YORK / TORRE AGBAR, BARCELONA –<br />

Deutschland 2008 – R+B: Sabine Pollmeier, Joachim<br />

Haupt – K: Björn Kurt, Sorin Dragoi, Jean-Marc Selva –<br />

52 min – In New York: das Medienzentrum des Zeitungsmagnaten<br />

William Randolph Hearst. Von den zu<br />

fiebrigen Zeiten phantasierten Tagträumen ist als Andenken<br />

die Sandsteinfassade zurückgeblieben, aus der<br />

heraus Sir Norman Foster 46 Stockwerke aus Glas und<br />

Stahl aufsteigen lässt – ein Prototyp für den »ökologischen«<br />

Hochhausbau der Zukunft. In Barcelona: der<br />

erste Wolkenkratzer von Jean Nouvel. Ein erstaunlicher,<br />

phallischer Geysir, ein Traum aus Glas, Beton und Stahl,<br />

in Rot und Blau – kinematographisch konzipiert.<br />

▶ Freitag, 20. April 2012, 18.30 Uhr<br />

LES MYSTERES DU CHATEAU DU DE (DIE GEHEIM-<br />

NISSE DES WÜRFELSCHLOSSES) – Frankreich 1928<br />

– R+B: Man Ray – K: Jacques-André Boiffard, Man Ray<br />

– 20 min, OmU – Spielerisch-surrealistisches Portrait<br />

der Villa Noailles in Hyères (erbaut 1923/32 von Robert<br />

Mallet-Stevens) und ihrer Bewohner. – HAUS TUGEND-<br />

HAT – Deutschland 2012 – R+B: Dieter Reifarth – K:<br />

Rainer Komers u.a. – 60 min (Auszug) – Das Haus Tugendhat<br />

(1928/30) von Mies van der Rohe gehört zu<br />

den wichtigsten Bauten der europäischen Moderne.<br />

»Der Film erzählt die facettenreiche Geschichte des<br />

Hauses als Architektur-, Sozial- und Familienchronik,<br />

erinnert an zahlreiche Kontroversen und Verwerfungen,<br />

von der Frage ›Kann man im Haus Tugendhat wohnen?‹<br />

bis zum Abschluss der Restaurierung 2012. Die Kamera<br />

visualisiert das Prinzip der ›fließenden Räume‹,<br />

das Zusammenspiel zwischen Innen und Außen, von<br />

Musikalität und Rhythmus der Architektur in ihrem ästhetischen<br />

und sozialen Anspruch.« (Dieter Reifarth)<br />

▶ Freitag, 20. April 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Dieter Reifarth.<br />

Einführung: Jörg Dünne)<br />

CHLOE – USA 2009 – R: Atom Egoyan – B: Erin Cressida<br />

Wilson – K: Paul Sarossy – M: Mychael Danna – D:<br />

Julianne Moore, Liam Neeson, Amanda Seyfried, Max<br />

Thieriot – 96 min, OmU – Eine eifersüchtige Ehefrau<br />

engagiert ein Callgirl, um die Treue ihres Ehemanns zu<br />

testen, verfällt dann aber selbst den Reizen der Kindfrau.<br />

Atom Egoyan spielt mit seinen Lieblingsthemen:<br />

Identitätsbildung, mediale Vexierspiele, die Wahrheit<br />

von Erzählungen. »Wir waren besessen von der Idee<br />

von Glas, Spiegeln und Reflexionen. Wir wollten Filter<br />

und Barrieren, Fenster und Spiegel haben. Die Menschen<br />

schauen hindurch, heraus oder herein: das beschützt<br />

und distanziert sie gleichermaßen, und diese<br />

Empfindung der schützenden Distanz ist erotisch aufgeladen.«<br />

(Atom Egoyan)<br />

▶ Samstag, 21. April 2012, 18.30 Uhr<br />

POINTS ON A LINE – USA 2010 – R+B: Sarah Morris –<br />

K: David Daniel, Lukasz Pruchnik – M: Liam Gillick –<br />

36 min – Portraits der zwei ikonischen Glashäuser der<br />

Architekturgeschichte – das Glass House (1947/49)<br />

von Philip Johnson und das Farnsworth House<br />

(1945/51) von Mies van der Rohe. Beide waren das Ergebnis<br />

geteilter Ideen und kollektiver Leidenschaft. Sie<br />

verkomplizieren die Begriffe von Kopie und Original und<br />

von den Chronologien der Moderne. Durch die Doku-<br />

Haus Tugendhat (1931) © Rudolf de Sandalo<br />

Architekturfilmtage<br />

53


Architekturfilmtage<br />

54<br />

mentation der täglichen Instandhaltung,<br />

durch Verweilen<br />

an den Strukturen im<br />

Raum sehen wir Orte, die<br />

über ihre ursprüngliche Nutzung<br />

hinausgewachsen und<br />

zu Schnittstellen eines Dialogs<br />

geworden sind, der gleichermaßen<br />

persönlich und<br />

professionell war. Morris hat<br />

noch andere Gebäude von<br />

Mies gefilmt: das Seagram<br />

Building in New York mit dem<br />

Restaurant The Four Seasons<br />

und den Lake Shore Drive in<br />

Chicago. The Four Seasons,<br />

das Johnson als persönliches<br />

Büro nutzte, ist der Schnittpunkt<br />

für beide Architekten. –<br />

PHILIP JOHNSON – DIARY OF AN ECCENTRIC AR-<br />

CHITECT – USA 1996 – R+B: Barbara Wolf – K: Gordy<br />

Waterman – M: Hayes Greenfield – 54 min, OF – Philip<br />

Johnson führt uns über sein Anwesen in New Canaan –<br />

ein Spielplatz, ein Labor der experimentellen Architektur.<br />

Lauter Follies hat er hier gebaut – das Glass House<br />

ist am berühmtesten, aber die anderen Bauten sind<br />

nicht weniger erstaunlich, extrem und schön.<br />

▶ Samstag, 21. April 2012, 21.00 Uhr<br />

LA VILLA SANTO SOSPIR – Frankreich 1952 – R+B:<br />

Jean Cocteau – K: W. Iwanow – M: Johann Sebastian<br />

Bach, Antonio Vivaldi – 33 min, OmeU – »Das Schweigen<br />

der Wände der Villa war furchtbar und sie schrien<br />

gar ihr Schweigen aus vollem Halse heraus. Ich begann,<br />

mit Kohle auf den weißen Flächen zu zeichnen.<br />

Es ging nicht darum, die Wände zu verkleiden, ich<br />

musste auf ihrer Haut zeichnen, deshalb behandelte<br />

ich die Fresken linear mit den wenigen Farben, die Tätowierungen<br />

hervorheben. Santo Sospir ist eine tätowierte<br />

Villa.« (Jean Cocteau). – AITA (VATER) – Spanien<br />

2010 – R+B: José María de Orbe – K: Jimmy Gimferrer<br />

– D: Luis Pescador, Mikel Goenaga – 85 min,<br />

OmeU – Ein Film zwischen Dokument und Fiktion: Ein<br />

altes, leeres Haus im Baskenland. Der Hausmeister.<br />

Der Priester des Ortes. Räume, Klänge, Lichter und<br />

Schatten. Die Zeit vergeht, und die Erinnerungen werden<br />

auf den Wänden und in den verstecktesten Ecken<br />

sichtbar. Eine gleichermaßen intime wie kollektive Geschichte<br />

enthüllt sich. Das Kino tritt als ein zusätzliches<br />

Phantom in die Fiktion des Films ein.<br />

▶ Sonntag, 22. April 2012, 18.30 Uhr<br />

IF BUILDINGS COULD TALK – Deutschland 2010 –<br />

R+B: Wim Wenders – K: Jörg Widmer – Stereographie:<br />

Alain Derobe – M: Thom Hanreich – 12 min, OF, 3D –<br />

»Ein Film über dieses phantastische Haus schien mir<br />

unmöglich ohne die Konzentration auf die Dimension<br />

des Raumes. Wenn irgendein Gebäude den Raum erkundet,<br />

dann ist es das Rolex Center. Und so musste<br />

ich es in 3D filmen. Wir bewegen uns durch das Gebäude,<br />

auf und ab, drunter und drüber. Als ich den Film<br />

in 2D schnitt, merkte ich, dass da wirklich etwas Essentielles<br />

fehlte. In 2D ist es schwierig, den Raum zu füh -<br />

len und zu begreifen, dass das Haus Wellen, Hügel und<br />

Abhänge hat.« (Wim Wenders) – LE PAYSAGE INTE-<br />

RIEUR (DIE INNERE LANDSCHAFT) – Schweiz 2010 –<br />

R+B: Pierre Maillard – K: Philippe Cordey, Séverine<br />

Barde – M: Michel Wintsch – 80 min, OmU – Der Film<br />

folgt Schritt für Schritt dem Abenteuer des Baues des<br />

Rolex Centers, der »futuristischen Bibliothek« in Lausanne.<br />

Das Gebäude in Form einer gigantischen Welle<br />

entsprang den Visionen der Architekten Sejima & Nishizawa.<br />

Für die komplexe Realisierung waren dann zahlreiche<br />

Architekten, Ingenieure und Bauarbeiter gefordert<br />

– nicht zu vergessen die Professoren, Forscher,<br />

Bibliothekare und Studenten: alle diejenigen, die zunächst<br />

Mühe hatten sich vorzustellen, in einem offenen<br />

Raum, einer »inneren Landschaft« zu arbeiten. Ein »demokratischer«<br />

Architekturfilm – alle ha ben ihren Platz<br />

in der Langzeitbeobachtung. Und auch in 2D findet der<br />

Film phantastische Bilder und macht den Raum fühlbar.<br />

▶ Sonntag, 22. April 2012, 21.00 Uhr<br />

Foto: Skizze von Wim Wenders zu iF bUilDingS cOUlD TAlK


Rückblickend auf den Neorealismus<br />

Durch Retrospektiven wie diese kommt noch ein zweites,<br />

neues Element von Schönheit in die Filme hinein,<br />

da durch den Rückblick auf sie jene große Dimension<br />

der Zeit fühlbar wird, in der das Leben sich realisiert.<br />

Bis auf den heutigen Tag werden wir – zuletzt in Aki<br />

Kaurismäkis LE HAVRE, einem Film, der eng mit MIRA-<br />

COLO A MILANO (1951) verwandt ist – der italienischen<br />

Schule gewahr, und beim Wiedersehen von<br />

ROMA, CITTA APERTA (1945) fielen mir Dinge auf, die<br />

in engem Kontakt zu den Filmen von Straub/Huillet stehen.<br />

Auch bei Jürgen Böttcher machen wir die bereichernde<br />

Erfahrung, wie eine hinter der Aktualität liegende<br />

Zeitentiefe beständig mit leiser Geisterstimme in<br />

seine Filme hineinspricht.<br />

Sie sind geprägt von dem tiefen Eindruck, den Filme<br />

Viscontis, De Sicas auf ihn in frühen Jahren gemacht<br />

haben, vom Zauber und der Wahrhaftigkeit des Alltags<br />

und der kleinen Leute im Neorealismus. De Sicas<br />

LADRI DI BICICLETTE (1948), ein Film, in dem die Zeit<br />

ruhig dahinfließt, die leeren Augenblicke bei Antonioni:<br />

diese Bereitschaft, den Zufälligkeiten des Lebens sich<br />

zu öffnen, anstatt sie durch die Dichte eines Sinnzusammenhangs<br />

auszutreiben, macht auch die Tiefe<br />

eines Films wie Böttchers JAHRGANG 45 (1966) aus.<br />

Das ist der Impuls, aus dem sich der Begriff des modernen<br />

Films eigentlich gebildet hat.<br />

Für André Bazin ist es das Verdienst der italienischen<br />

Schule, noch einmal daran erinnert zu haben, dass es<br />

keinen Realismus in der Kunst geben kann, der nicht<br />

zuallererst und zutiefst ästhetisch ist. Richtet man einmal<br />

die Aufmerksamkeit statt auf die Gegenstände dieser<br />

Filme auf die Art und Weise, wie die äußere Welt<br />

wiedergegeben wird, so sublimiert sich sogleich ihr<br />

stoffliches Moment in etwas rein Malerisches, Augenblickliches,<br />

wobei das Bild der Welt sich subjektiviert.<br />

*<br />

In die Ränder einer sonnig sich erstreckenden städtischen<br />

Straße schneiden die Schatten der Häuserwände.<br />

Nachts sind die Straßen in ein feines, gleich -<br />

mäßiges Grau getaucht, in dem Lichter vereinzelt<br />

schwimmen. Ein alter Mann, Umberto D., geht unentschlossen<br />

mit seinem kleinen Hund an einem sonnigen<br />

Nachmittag durch den Blätterschatten einer belebten<br />

vorstädtischen Promenade. Er steht vor einer schweren<br />

55<br />

lADRi Di bicicleTTe<br />

Italienischer Neorealismus


Italienischer Neorealismus<br />

56<br />

Entscheidung, es geht für ihn um Tod oder Leben. Hinter<br />

der Tiefe eines Zimmers, in dem eine Szene spielt,<br />

steht noch weitere Tiefe des Raums: ein Flur, an dessen<br />

hinterstem Ende ein Mann aus einem anderen Zimmer<br />

kommt.<br />

Damals hatten der Schwarzweißfilm, die Tiefenschärfe<br />

ihre Vollkommenheit erreicht. Bei den Außenaufnahmen<br />

spürt man, wie das Sonnenlicht die Luft bald mild<br />

und milchig erfüllt oder, dann und wann durchbrechend,<br />

durch eine Straße strömt, deren Gebäude hart,<br />

konturiert dastehen. Ein Geöffnetsein allen Umkreises<br />

ist in der gewaltigen Stille dieser Aufnahmen, sie bilden<br />

einen offenen Raum der Erwartung. Die Vorstadtlandschaften,<br />

Flüsse mit Eisenbahnbrücken, die Straßenbahnendstation<br />

hauchen jene Art von Romantik, die gerade<br />

von den Gegenden, in denen die Störung der<br />

Natur am sichtbarsten ist, ausgeht.<br />

Eine zarte Empfindlichkeit für das Leiden von Mensch<br />

und Tier macht sich geltend. Darstellung dieses Leidens,<br />

aber auch des moralischen Widerstands dagegen.<br />

Seine eigene schlimme Lage scheint Umberto D.<br />

weniger zu beängstigen als die Frage, was aus seinem<br />

Hündchen wird, wenn er nicht mehr für es da ist. Wenn<br />

er sich überwindet und die Hand zum Betteln ausstreckt,<br />

ist sein Gesicht klagend, aber nicht fordernd,<br />

seine Augen sind nach der höheren Hilfe gewandt. Gerade<br />

deshalb steckt ein Passant seinen Geldschein,<br />

den er zu geben bereit war, wieder in die eigene Tasche.<br />

Wie in einem Punkt ist der Streit zwischen<br />

Schmerz und Widerstand in der Gestalt dieses störrischen,<br />

aufbegehrenden Greises vereinigt.<br />

*<br />

1948 konstatierte André Bazin, ein Chronist der ersten<br />

Stunde des Neorealismus, dass es falsch sei anzunehmen,<br />

diese Bewegung wäre einem Bienenschwarm<br />

gleich aus den verfaulten Kadavern des Faschismus<br />

und des Krieges spontan aufgestiegen. Er wies dann<br />

auf die Vorläufer hin, die schon unter Mussolini das<br />

Feld vorbereiteten. Zu ihnen gehörte Alessandro Blasetti.<br />

Wir haben das Glück, dass Gunter Groll dessen<br />

QUATTRO PASSI FRA LE NUVOLE (1942) besprochen<br />

hat, in der SZ, und dass die Besprechung nachgedruckt<br />

wurde in seinem Sammelband »Magie des Films«,<br />

1953. Sehr schön leitet Groll aus diesem Film heraus<br />

den Weg der italienischen Filmkunst hin zu einem poetischen<br />

Realismus ab.<br />

Das Drehbuch stammte von Cesare Zavattini, der zu<br />

einer zentralen Figur des Neorealismus werden sollte<br />

und vor allem mit De Sica eng zusammenarbeiten wird.<br />

Wie in MIRACOLO A MILANO, der nach einem Roman<br />

von ihm entstand, sieht er die Wirklichkeit in den QUAT-<br />

TRO PASSI mit einem lachenden und einem weinenden<br />

Auge, die Wirklichkeit eines kleinen Handelsreisenden,<br />

mit den Nächten in Wartesälen, den Stunden in überfüllten<br />

Zügen und Omnibussen, den Querelen zu Hause.<br />

SCIUSCIA (1946) ist dagegen von zornigem Grundton,<br />

die Verstrickungen zweier Schuhputzerjungen erreichen<br />

kein Ende. Dabei hat De Sica jedoch das Imaginäre,<br />

wie in der berühmten Todesszene am Ende, mit<br />

den subtilsten Fingerspitzen bewahrt, jede Identifikation<br />

der Vorgänge mit alltäglichen verhindert. Aus der<br />

ländlichen Szenerie dieses Finales ist aller gewohnte<br />

Ausdruck und Charakter gewichen, sie wird ganz und<br />

gar zu einem seelischen Innenraum. Wie auch die<br />

große Halle im Jugendknast, mit der zierlich gewundenen<br />

Treppe im Hintergrund, einem Geisterraum gleicht,<br />

der eine objektive Gegebenheit (es wurde in einem Gefängnis<br />

in Rom gedreht) in eine subjektive auflöst.<br />

*<br />

Auf ihrem höchsten Gipfel lag die Poesie des Neorealismus<br />

ganz im Äußerlichen. Viele der Regisseure begannen<br />

mit Dokumentarfilmen, so Antonioni, der 1943-47<br />

GENTE DEL PO drehte, über die zum Teil in elenden<br />

Stroh- und Schlammhütten hausenden Po-Anwohner.<br />

In seinem Spielfilm IL GRIDO (1957) treffen wir diese<br />

Gegenden wieder an. Düster glänzen die abgezehrten<br />

Pappeln, die sich auf den schlammigen Flussufern<br />

gegen einen neblig zerfließenden Hintergrund abzeichnen.<br />

Nichts als Regen und Nebel. Die Stimmungen dieses<br />

Films, mit ihrem fahlen Gefühl von Resignation, fühlen<br />

sich an, als ob man von innen berührt würde.<br />

Nur einmal scheint kurz die Sonne, auch für Aldo, den<br />

aus seiner Bahn geworfenen Helden des Films. Das ist<br />

in der Tankstellen-Episode, deren weißes Licht mit den<br />

harten Schatten mich an amerikanische Gangsterfilme<br />

erinnerte, zumal Steve Cochran, der die Hauptrolle<br />

spielt, mir von daher, aus den Vorstadt- und Bahnhofskinos,<br />

vertraut war. Doch dann verliert sich sein Leben<br />

in der Schwärze der Nacht. In der tiefen und klaren<br />

Reinheit der Schwarzweißbilder dieses Films drückt<br />

sich die Einsamkeit Aldos aus, und aus diesem dunklen<br />

emotionalen Grunde speist sich der Antonioni-Touch.<br />

Dazu kommt, dass auch die Musik zu IL GRIDO in einer<br />

avancierten Sphäre angesiedelt ist: punktuell eingesetzte<br />

kleinste Klavierstücke, nichts sonst, von paradoxer<br />

Statik, das Verschwinden und die Vergänglichkeit<br />

akzentuierend, um die es in diesem Film geht.<br />

Bis heute zeigt sich an einem Film wie IL GRIDO, dass<br />

Eigentümlichkeit des Ausdrucks Anfang und Ende aller<br />

Kunst ist. Als der Film 1960 in unsere Kinos kam, war<br />

Fellini mit einem Schlag out. Jeder der etwas auf sich<br />

hielt, sprach nur noch von Antonioni.


vittorio De Sica, Roberto Rossellini und Federico Fellini<br />

*<br />

I VITELLONI (Federico Fellini, 1953) – von »vitello«, das<br />

Kalb – ist ein Wort, das erst durch diesen Film allgemein<br />

bekannt wurde. Es bezeichnet jene Gammler um<br />

die dreißig herum, die ihren Eltern oder Geschwistern<br />

auf der Tasche liegen und ihr Leben in Lokalen, mit<br />

Bummeln und auf Festen verbringen. Sie sind große<br />

Kinder: Erwachsen, was ihre Begierden und Ansprüche<br />

betrifft, haben sie sich das Wunschdenken der Kindheit<br />

bewahrt. Für sie ist das Leben ein Traum, in dem alles<br />

von den privaten Intentionen des Individuums bestimmt<br />

wird. Sobald sie sich dem wirklichen Leben stellen<br />

müssen, erleiden sie ein grausames Erwachen (nach<br />

Theodor Kotulla, Filmkritik 12/1960).<br />

Der Film zeichnet Stimmungen und kleine Begebenheiten<br />

des Rimini anno ’38 auf, aber nicht in historisierender<br />

Art, sondern so, als ob die Handlung 1953 spielte.<br />

Fellini selbst hätte in seiner Jugend gern zur Gruppe<br />

der Vitelloni gehört, diesen jungen Männern mit<br />

Schnurrbart und gepflegtem Haarschnitt, die acht oder<br />

zehn Jahre älter als er waren und weite Mäntel, Hüte<br />

und breite Schals trugen. Aber sie hätten es halbwüchsigen<br />

Gymnasiasten, wie Fellini damals einer war, niemals<br />

gestattet, sich ihnen anzuschließen.<br />

I VITELLONI: Der Spaziergang am Strand. Vom Landungssteg<br />

aus blicken die Müßiggänger auf das winterliche<br />

Meer: eine in Traurigkeit gehüllte Welt, stillstehende<br />

Zeit. Zwischen dem Besäufnis und der Liebelei,<br />

zwischen dem Flirt und der Wette beim Pferderennen<br />

werden diese großen Kinder älter, ohne erwachsen zu<br />

werden. Ihre Geschichte in diesem Film erstreckt sich<br />

vom Ende der einen Badesaison bis zum Beginn der folgenden.<br />

»Die Abende wurden jetzt milder«, sagt die Erzählerstimme,<br />

»man spürte schon den Frühling«.<br />

*<br />

Im gleichen Jahr wie I VITELLONI, 1953, entstand der<br />

Episodenfilm L’AMORE IN CITTA, der einige Stücke und<br />

Momente enthält, die von höchster, sublimster Schönheit<br />

sind. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in<br />

Rom und Umgebung, deren Fluidum das Lebenselement<br />

aller Beiträge ist. (Der Film erschien als Nummer<br />

Eins einer »Lo Spettatore« genannten »gefilmten Zeitschrift«,<br />

die von Zavattini ins Leben gerufen wurde.)<br />

Carlo Lizzanis »Liebe, die sich verkauft« macht den Anfang:<br />

das nächtliche Rom mit den abrupt tief erscheinenden<br />

dunklen Räumen abseits des aufgleißenden<br />

Betriebs der Straßen mit ihren flammenden Leuchtreklamen.<br />

Es folgt Antonioni, in dessen Reportage (»Selbstmordversuch«)<br />

Frauen befragt werden, die sich das Leben<br />

nehmen wollten und gerettet wurden. An den Stellen<br />

des Films, wo die Frauen am Ort ihrer Verzweiflungstat<br />

den genauen Vorgang rekonstruieren, fühlt man den<br />

Puls des Neorealismus: sie teilen etwas mit und führen<br />

etwas vor; sie zeigen etwas, auch das Zeigen. – Fellinis<br />

»Heiratsvermittlung« erzählt dagegen eine wunderliche<br />

Geschichte, wobei dieser anmutig durchtriebene Regisseur<br />

die Heiterkeit der Kunst in ihrem Wesen als Spiel<br />

zu erkennen gibt, nicht in dem, was sein Film an Geistigem<br />

ausspricht. Darin ist er sehr ernst.<br />

»Paradies für drei Stunden« führt uns in ein populäres<br />

Vorstadtlokal, wo die Leute hinkommen, um zu tanzen.<br />

Nur zwei sitzen am Rand und wechseln schüchterne<br />

Blicke. Wir entzücken uns am Gewühl der Tanzenden,<br />

an ihren Verrenkungen, den jungen Umarmungen, an<br />

der Musik von damals; an einem Schönling, wenn er<br />

seinen Auftritt im Paradies inszeniert, das Dino Risi mit<br />

Liebe, heiter-versöhnlichem Witz und ein bisschen Melancholie<br />

betrachtet.<br />

Alberto Lattuadas »Die Italiener drehen sich um«<br />

schließlich ist eine Liebeserklärung, nicht nur an die<br />

Schönen des Tages auf den Straßen und Plätzen Roms,<br />

sondern auch an die Ewige Stadt.<br />

*<br />

Die Fähigkeit Zavattinis, auf geradezu ethnographische<br />

Weise damalige gesellschaftliche Zustände zu registrieren,<br />

ist sehr gut an seiner mit Francesco Maselli zusammen<br />

realisierten Episode »Geschichte der Caterina«<br />

zu studieren. Man weiß, dass er diese halbe<br />

Stunde Film für die fortgeschrittenste Äußerung des<br />

Neorealismus überhaupt hielt. Die Sequenz, in der<br />

Italienischer Neorealismus<br />

57


Italienischer Neorealismus<br />

58<br />

diese Caterina, von ihr selbst gespielt, an einem schönen<br />

Sommertag mit ihrem kleinen Jungen zu dem öffentlichen<br />

Park geht, wo sie das Kind aussetzen wird,<br />

umfaßt die ganze tragische Weite ihres von Kälte und<br />

Demütigung heimgesuchten Daseins.<br />

Ich denke zurück an andere Zavattini-Filme: an UM-<br />

BERTO D., SCIUSCIA, LADRI DI BICICLETTE, MIRACOLO<br />

A MILANO, bei denen De Sica Regie führte. Beide hatten<br />

sie etwas, Zavattini und er, das sie weit aus ihrer<br />

Zeit herausstellte. In unvergleichlicher Weise, ohne auf<br />

die Tränendrüse zu drücken, pochten sie an unser Gefühl.<br />

Noch in Ermanno Olmis IL POSTO (1961) fühle ich<br />

mich auf ähnliche Weise angesprochen, wenn die<br />

Handlung verlangsamt wird, wenn die Blicke des 15jährigen<br />

Laiendarstellers das Entscheidende sagen und<br />

eine Stille eintritt, die spürbar macht, wie die Zeit verrinnt.<br />

Der Neorealismus – Teil einer sozialen Bewegung, die<br />

noch keine politisch-ideologische Verfestigung aufwies<br />

– war ein Anfang. Er hatte den großen Atem. Das Leben<br />

selbst begann wieder, sich auf die Leinwände zu ergießen,<br />

das Leben einer Straße, eines Hauses. In ROMA,<br />

CITTA APERTA wirkt die Stimmung eines Tages, einer<br />

Umgebung unmittelbar auf die Zuschauer. Obwohl der<br />

Film eine Geschichte erzählt, steht jede Einstellung<br />

auch für sich. Alles ist so hart, bestimmt und abgesetzt<br />

wie möglich. Das, was man sieht und hört, und dessen<br />

Bedeutung für die Handlung ist nicht verschmolzen,<br />

sondern klafft auseinander, und aus dem Abgrund dazwischen<br />

blendet der grelle Strahl der Faszination.<br />

Peter Nau<br />

4 PASSI FRA LE NUVOLE (LÜGE EINER SOMMER-<br />

NACHT) – Italien 1942 – R: Alessandro Blasetti – B:<br />

Giuseppe Amato, Aldo De Benedetti, Cesare Zavattini,<br />

Piero Tellini – K: Václav Vich – M: Alessandro Cigognini<br />

– D: Adriana Benetti, Gino Cervi, Aldo Silvani, Giacinto<br />

Molteni, Carlo Romano – 95 min, OmeU – In realistischer<br />

Manier erzählt Blasetti eine recht gewöhnliche,<br />

jedoch anrührende Geschichte aus der Gegenwart, in<br />

deren Mittelpunkt Paolo steht, ein verheirateter, unauffälliger<br />

Handlungsreisender, der durch seine Hilfsbereitschaft<br />

gegenüber einem verlassenen Mädchen in ein<br />

moralisches Dilemma gerät. Da sie ein Kind erwartet<br />

und sich nicht mehr nach Hause traut, stellt er sich vorübergehend<br />

als Ehemann zur Verfügung. Paolos Umfeld<br />

und sein gleichförmiger Alltag werden präzise geschildert.<br />

Der Film folgt zunächst noch konventionellen<br />

Erzählstrukturen, nähert sich dann in der zweiten Hälfte<br />

dem Tonfall des Neorealismus an.<br />

▶ Freitag, 27. April 2012, 18.30 Uhr<br />

I BAMBINI CI GUARDANO (DIE KINDER SEHEN UNS<br />

AN) – Italien 1944 – R: Vittorio De Sica – B: Vittorio De<br />

Sica, Cesare Zavattini, Cesare Giulio Viola, nach seinem<br />

Roman – K: Giuseppe Caracciolo, Romolo Garonni – M:<br />

Renzo Rossellini – D: Emilio Cigoli, Luciano De Ambrosis,<br />

Isa Pola, Adriano Rimoldi, Giovanna Cigoli – 84 min,<br />

OmeU – »DIE KINDER SEHEN UNS AN gehörte zu jenen<br />

Filmen, die, noch vor 1945 produziert, den Neorealismus<br />

der Nachkriegszeit vorwegnahmen und einen<br />

neuen Ton in das damals vorherrschende Evasionskino<br />

der »Weißen Telephone« und des Kalligraphismus<br />

brachten: die mit emotionaler Anteilnahme erzählte Geschichte<br />

eines kleinen Jungen, der das Opfer einer<br />

scheiternden Ehe wird und den seine Eltern schließlich<br />

in ein alptraumhaft wirkendes Waisenhaus abschieben.«<br />

(Ulrich Gregor). Regisseur De Sica ist in der Rolle<br />

eines Arztes auch als Schauspieler zu sehen.<br />

▶ Samstag, 28. April 2012, 18.30 Uhr<br />

ROMA, CITTA APERTA (ROM, OFFENE STADT) – Italien<br />

1945 – R: Roberto Rossellini – B: Federico Fellini,<br />

Sergio Amidei, nach seiner Erzählung – K: Ubaldo Arata<br />

– M: Renzo Rossellini – D: Anna Magnani, Aldo Fabrizi,<br />

Marcello Pagliero, Maria Michi, Francesco Grandjacquet<br />

– 100 min, OmeU – ROM, OFFENE STADT<br />

schildert die Aktivitäten, die Verfolgung und das grausame<br />

Ende einer italienischen Widerstandsgruppe zur<br />

Zeit der deutschen Besatzung Roms (1944). Im Mittelpunkt<br />

stehen die Schicksale eines in einer illegalen Druckerei<br />

beschäftigten Arbeiters und eines Priesters, der<br />

ihm und anderen Verfolgten Schutz gewährt. Rossellinis<br />

Inszenierung wirkt dokumentarisch und fast frei von<br />

dramaturgischer Gestaltung. ROM, OFFENE STADT<br />

wurde zu einem Zeugnis der Zeitgeschichte und einem<br />

Meilenstein der Filmgeschichte, der den italienischen<br />

Neorealismus weltweit berühmt machte.<br />

▶ Mittwoch, 2. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

11. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

SCIUSCIA (SCHUHPUTZER) – Italien 1946 – R: Vittorio<br />

De Sica – B: Sergio Amidei, Adolfo Franci, Cesare Zavattini,<br />

Cesare Giulio Viola – K: Anchise Brizzi, Elio Paccara<br />

– M: Alessandro Cicognini – D: Franco Interlenghi,<br />

Rinaldo Smordoni, Emilio Cigoli, Aniello Mele, Anna Pedoni<br />

– 93 min, OmeU – Zwei Schuhputzerjungen versuchen,<br />

sich mit kleinen Gaunereien und Geschäften<br />

auf dem Schwarzmarkt über Wasser zu halten und ihre<br />

Träume zu verwirklichen. »Ein Schlüsselwerk des italienischen<br />

Neorealismus, das seine zornige Anklage<br />

gegen Eifersucht und Brutalität der Erwachsenenwelt<br />

mit einem Plädoyer für Menschlichkeit und Hoffnung


verbindet. Außergewöhnlich dicht in der Beschreibung<br />

von Milieu, Charakteren und Nachkriegsatmosphäre<br />

und wegen seiner realistischen Zeichnung in der humanen<br />

Haltung ergreifend.« (Lexikon des Internationalen<br />

Films)<br />

▶ Samstag, 12. Mai 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />

16. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />

LADRI DI BICICLETTE (FAHRRADDIEBE) – Italien<br />

1948 – R: Vittorio De Sica – B: Cesare Zavattini – K:<br />

Carlo Montuori – M: Alessandro Cicognini – D: Lamberto<br />

Maggiorani, Enzo Staiola, Lionella Carell, Elena<br />

Altieri, Sergio Leone – 88 min, OmeU – Der arbeitslose<br />

Ricci findet endlich einen Job als Plakatkleber, doch als<br />

ihm sein Fahrrad gestohlen wird, verliert er sein wichtigstes<br />

Arbeitswerkzeug. Der Film beschreibt seine<br />

Odyssee gemeinsam mit seinem Sohn quer durch Rom,<br />

auf der Suche nach dem Fahrrad. »Erst das Kind gibt<br />

dem Abenteuer des Arbeiters seine ethische Dimension<br />

und verleiht dem Drama, das auch nur ein gesellschaftliches<br />

sein könnte, eine individuelle moralische Perspektive.<br />

Faktisch beschränkt sich der Junge darauf,<br />

dem Vater zu folgen und neben ihm herzutrippeln. Doch<br />

er ist der intime Zeuge, der private Chor der Tragödie.«<br />

(André Bazin)<br />

▶ Sonntag, 13. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

RISO AMARO (BITTERER REIS) – Italien 1949 – R:<br />

Giuseppe de Santis – B: Carlo Lizzani, Carlo Musso, Gianni<br />

Puccini, Corrado Alvaro, Ivo Perilli, Giuseppe de<br />

Santis – K: Otello Martelli – M: Goffredo Petrassi – D:<br />

Silvana Mangano, Vittorio Gassmann, Doris Dowling,<br />

Raf Vallone, Checco Russone – 108 min, OmeU – Um<br />

unterzutauchen begibt sich Francesca, die Geliebte des<br />

Ganoven Walter, mit Hunderten von Saisonarbeiterinnen<br />

zur Reispflanzung in die Poebene. »Für De Santis<br />

war dies ein Drama der Leidenschaften im privaten und<br />

sozialen Bereich. Realistisch schildert er die harte Arbeit<br />

und die schlechten Lebensbedingungen der ›Mondine‹.<br />

Seinen großen Publikumserfolg verdankte der<br />

Film indessen eher Äußerlichkeiten – den leichtgeschürzten<br />

Arbeiterinnen, der erotischen Ausstrahlung<br />

seiner Hauptdarstellerin. So geriet er in den Ruch des<br />

Spektakels, was trotz mancher Kolportage-Elemente im<br />

Ansatz ein realistisches Stück Sozialkritik war.« (Dieter<br />

Krusche)<br />

▶ Dienstag, 15. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

NAPOLI MILLIONARIA (MILLIONENSTADT NEAPEL) –<br />

Italien 1950 – R: Eduardo De Filippo – B: Piero Tellini,<br />

Eduardo De Filippo – K: Aldo Tonti – M: Nino Rota – D:<br />

Eduardo De Filippo, Totò, Mario Soldati, Carlo Ninchi,<br />

Leda Gloria – 84 min, OmU – Die Geschichte und das<br />

Alltagsleben der kleinen Leute Neapels zwischen 1940<br />

und 1950, die zunächst mit den Faschisten, den Nazis<br />

und dann mit den Alliierten leben müssen. Im Mittelpunkt<br />

stehen die beiden Freunde Gennaro und Pasquale,<br />

die sich in ihrem Leben nicht mehr zurechtfinden.<br />

Wie in einem Tagebuch erfahren wir vom täglichen<br />

Leben der Bewohner in den engen Seitenstraßen. Die<br />

Häuser, die Straßen, die zwischen den Fenstern aufgehängte<br />

Wäsche, das Geschrei und Spiel der Kinder<br />

spiegeln eine dokumentarische Realität. Die Innenaufnahmen<br />

wurden im Atelier gedreht.<br />

▶ Freitag, 18. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

IL CAMMINO DELLA SPERANZA (WEG DER HOFF-<br />

NUNG) – Italien 1950 – R: Pietro Germi – B: Tullio Pinelli,<br />

Federico Fellini, Pietro Germi – K: Leonida Barboni<br />

– M: Carlo Rustichelli – D: Raf Vallone, Elena Varzi, Saro<br />

Urzi, Franco Navarra, Saro Arcidiacono – 96 min, OmeU<br />

– Der Leidensweg einer Gruppe sizilianischer Arbeiter,<br />

die eine neue Heimat suchen. Nach der Stilllegung<br />

einer Schwefelgrube werden sie von einem betrügerischen<br />

Arbeitsvermittler dazu überredet, mit ihren Familien<br />

nach Frankreich auszuwandern. »IL CAMMINO<br />

DELLA SPERANZA ist das Werk, das in der Klage ausklingt,<br />

dass Humanität nur in Widerspruch und Widersetzlichkeit<br />

gegen die gesetzliche Ordnung der Gesellschaft<br />

sich verwirklichen lasse. Nicht, ob das Ziel erreicht<br />

wird, hat Gewicht in diesem gewaltigen, in der<br />

Konzeption seiner Handlung erschütternden Epos. Einzig<br />

der Weg zählt.« (Martin Schlappner)<br />

▶ Samstag, 19. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

BELLISSIMA – Italien 1951 – R: Luchino Visconti – B:<br />

Suso Cecchi d’Amico, Francesco Rosi, Luchino Visconti<br />

– K: Piero Portalupi, Paul Ronald – M: Franco Mannino<br />

Italienischer Neorealismus<br />

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Italienischer Neorealismus<br />

60<br />

– D: Anna Magnani, Tina Apicella, Walter Chiari, Alessandro<br />

Blasetti, Gastone Renzelli – 115 min, OmeU –<br />

Böse Satire auf die italienische Filmindustrie, gedreht<br />

nach einer Idee von Cesare Zavattini an den Originalschauplätzen<br />

in Cinecittà: Eine ehrgeizige Mutter will<br />

ihre unscheinbare siebenjährige Tochter unbedingt<br />

beim Film unterbringen, um die Familie aus dem sozialen<br />

Elend zu holen. »Der verlogenen Welt der Traumfabrik<br />

steht die echte des römischen Proletariats gegenüber,<br />

die Mietskaserne, die ständig vom Lärm der<br />

nahen Straße erfüllt ist, das Gartenrestaurant am Tiberufer,<br />

das Freilichtkino, das Filme mit John Wayne und<br />

Burt Lancaster zeigt. Visconti zeigt diese Welt ohne den<br />

Hang zur Sentimentalisierung anderer Milieufilme.«<br />

(Enno Patalas)<br />

▶ Mittwoch, 23. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

25. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

MIRACOLO A MILANO (DAS WUNDER VON MAI-<br />

LAND) – Italien 1951 – R: Vittorio De Sica – B: Cesare<br />

Zavattini, Vittorio De Sica, Suso Cecchi d’Amico, M.<br />

Chiari, Adolfo Franci, nach dem Roman »Totò il Buono«<br />

von Cesare Zavattini – K: Aldo Graziati – M: Alessandro<br />

Cicognini – D: Emma Gramatica, Francesco Golisano,<br />

Paolo Stoppa, Brunella Bovo, Anna Carena – 95 min,<br />

OmeU – Das anspruchsvoll surrealistische Märchen<br />

vom guten Totò, der den Armen am Stadtrand von Mailand<br />

ein fröhliches Budendorf baut, bis die Besitzgier<br />

der Reichen sie das Land suchen lässt, wo »Guten Tag«<br />

wirklich »Guten Tag« bedeutet. Mit diesem Film gelang<br />

De Sica ein Kunstwerk, das Witz und Satire mit märchenhafter<br />

Poesie und lebenswahrem Realismus verbindet.<br />

Der Film spielt in zwei Bildebenen: der der Realität,<br />

der harten Wirklichkeit der Bretterbuden und<br />

Blechhütten, und der des Irrealen, des Märchens.<br />

▶ Samstag, 26. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

UMBERTO D. – Italien 1951 – R: Vittorio De Sica – B:<br />

Cesare Zavattini, Vittorio De Sica – K: G.R. Aldo – M:<br />

Alessandro Cicognini – D: Carlo Battisti, Maria Pia Casilio,<br />

Lina Gennari, Elena Rea, Riccardo Ferri – 90 min,<br />

OmU – Das bittere Schicksal eines alten Pensionärs,<br />

der niemandem mehr etwas nützt, der mit seinem Geld<br />

nicht mehr auskommt und deshalb Selbstmord begehen<br />

will, ist ein erschütternder Vorwurf gegen die<br />

menschliche Lieblosigkeit. »UMBERTO D. gibt einem an<br />

mehreren Stellen eine Ahnung davon, wie ein Film aussehen<br />

könnte, der in Bezug auf die Zeit tatsächlich realistisch<br />

ist. Ein Kino der ›Dauer‹. Die Qualitäten und<br />

selbst die Fehler des Films liegen weit jenseits von moralischen<br />

oder politischen Kategorien. Ich zögere nicht<br />

zu behaupten, dass das Kino uns selten zuvor so klar<br />

vor Augen geführt hat, was es bedeutet, ein Mensch zu<br />

sein. (Übrigens auch, was es heißt, ein Hund zu sein.)«<br />

(André Bazin)<br />

▶ Sonntag, 27. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

I VITELLONI (DIE MÜSSIGGÄNGER) – Italien 1953 –<br />

R: Federico Fellini – B: Federico Fellini, Ennio Flaiano –<br />

K: Luciano Trasatti, Carlo Carlini, Otello Martelli – D:<br />

Franco Fabrizi, Alberto Sordi, Franco Interlenghi, Leopoldo<br />

Trieste, Riccardo Fellini – 102 min, OmU – Eine<br />

von Fellinis eigenen Jugenderinnerungen geprägte<br />

Kleinstadtsatire. Fünf herumbummelnde Nichtstuer<br />

(der Frauenheld Fausto, der intellektuelle Leopoldo, der<br />

kindliche Alberto, der erwachsene Moraldo und der zurückhaltende<br />

Riccardo) verbummeln in einer italienischen<br />

Kleinstadt an der Adria die Tage und schlagen<br />

sich die Nächte um die Ohren. »Leeres Agieren, das Gegenteil<br />

eines Handelns: stumpfsinniges Schlendern am<br />

Strand, albernes Herumspazieren, lächerliche Angebereien.<br />

Doch gerade durch diese in gewisser Weise nebensächlichen<br />

Aktivitäten, die in den meisten Filmen<br />

weggelassen werden, offenbaren die Personen sich in<br />

ihrem geheimsten Wesen.« (André Bazin)<br />

▶ Freitag, 1. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

L’AMORE IN CITTA (LIEBE IN DER STADT) – Italien<br />

1953 – R: Michelangelo Antonioni, Federico Fellini, Alberto<br />

Lattuada, Carlo Lizzani, Dino Risi, Cesare Zavattini<br />

& Francesco Maselli – B: Michelangelo Antonioni,<br />

Aldo Buzzi, Luigi Chiarini, Federico Fellini, Marco Ferreri,<br />

Alberto Lattuada, Luigi Malerba, Tullio Pinelli, Dino<br />

Risi, Luigi Vanzi, Vittorio Veltroni, Cesare Zavattini – K:<br />

Gianni Di Venanzo – M: Mario Nascimbene – 109 min,<br />

OmU – Das Projekt des Kino-Journals »Lo Spettatore«<br />

(Der Zuschauer), »gemacht mit Film und einer Kamera,<br />

und nicht mit Papier und Tinte«, war von Cesare Zavat-


tini initiiert. Die filmische Adaption einer Zeitung funktionierte<br />

jedoch nicht richtig – nach dieser ersten Ausgabe<br />

gab es keine Fortsetzungen. Lizzanis Episode<br />

wurde aus dem Film entfernt, bevor er für außeritalienische<br />

Vorführungen freigegeben wurde, weil die Behörden<br />

Einspruch wegen der Darstellung römischer Prostitution<br />

erhoben.<br />

▶ Samstag, 2. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

CRONACHE DI POVERI AMANTI (CHRONIK ARMER<br />

LIEBESLEUTE) – Italien 1953 – R: Carlo Lizzani –<br />

B: Carlo Lizzani, Sergio Amidei, Giuseppe Dagnino,<br />

Massimo Mida, nach dem Roman von Vasco Pratolini –<br />

K: Gianni Di Venanzo – M: Mario Zafred – D: Anna<br />

Maria Ferrero, Cosetta Greco, Antonella Lualdi, Marcello<br />

Mastroianni, Irene Cefaro – 115 min, OmeU –<br />

»Schauplatz und ›Hauptperson‹ des Films, ist eine<br />

Straße in Florenz, 1925. In Simultantechnik beschreibt<br />

Lizzani eine große Zahl von Personen, deren Beziehungen<br />

die politischen Kämpfe der Zeit spiegeln: Im Verlauf<br />

der Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und<br />

Sozialisten schälen sich die ›Klassenfronten‹ der Gesellschaft<br />

heraus. Lizzani zeichnet keine schematisierten<br />

Menschen porträts, sondern belässt seinen Personen<br />

eine Vieldeutigkeit der Physiognomie.« (Ulrich Gregor<br />

/ Enno Patalas)<br />

▶ Mittwoch, 6. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

8. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

VIAGGIO IN ITALIA (LIEBE IST STÄRKER) – Italien<br />

1954 – R: Roberto Rossellini – B: Roberto Rossellini, Vitaliano<br />

Brancati – K: Enzo Serafin – M: Renzo Rossellini<br />

– D: Ingrid Bergman, George Sanders, Paul Muller,<br />

Maria Mauban, Anna Proclemer – 86 min, engl. OF –<br />

»Der magischste und lässigste aller Rossellini-Bergman-Filme.<br />

Ingrid Bergman und George Sanders als<br />

britisches Ehepaar, das in Neapel durch eine Krise taumelt:<br />

Entfremdung, Trennung, Versöhnung. Rossellini:<br />

›Das ist ein Film, den ich sehr liebe. Es war für mich<br />

wichtig, Italien zu zeigen, Neapel, diese merkwürdige<br />

Atmosphäre, der sich ein sehr reales, tiefes Gefühl beimischt:<br />

das Gefühl des ewigen Lebens.‹ Als ein in<br />

Luxus und Langeweile eingepacktes Ehepaar erscheinen<br />

Bergman/Sanders zuerst. Sie besucht Museen, er<br />

flirtet auf Parties. Jeder geht eigene Wege, bis das brodelnde<br />

Leben der Stadt seine Magie entfaltet und neue<br />

Leidenschaft entfacht.« (Rainer Gansera)<br />

▶ Samstag, 9. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

IL GRIDO (DER SCHREI) – Italien 1957 – R: Michel -<br />

angelo Antonioni – B: Michelangelo Antonioni, Elio<br />

Bartolini, Ennio De Concini – K: Gianni Di Venanzo – M:<br />

Giovanni Fusco – D: Steve Cochran, Alida Valli, Mirna<br />

Girardi, Dorian Gray, Betsy Blair – 104 min, OmeU –<br />

Aldo, Arbeiter in einer Zuckerfabrik, geht mit seiner kleinen<br />

Tochter auf eine lange Wanderschaft durch die Po-<br />

Ebene, nachdem er von der Frau, die er liebt, zurück -<br />

gewiesen wird. In den grauen, trostlosen Schauplätzen<br />

des Films teilt sich die innere Verfassung des Helden<br />

mit. Ohne viele Worte, aber reich an sprechenden Details<br />

entsteht das Bild einer Grenzsituation. Das Finale<br />

weist die vorherige Bewegung als verzweifelten, horizontalen<br />

Aufschub eines unaufhaltsamen Sturzes aus.<br />

IL GRIDO ist von seinem Ansatz her eine Art Vorläufer<br />

des road movie, das später im New Hollywood und bei<br />

Wim Wenders weitergeführt wird.<br />

▶ Sonntag, 10. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

BANDITI A ORGOSOLO (DIE BANDITEN VON ORGO-<br />

SOLO) – Italien 1961 – R: Vittorio De Seta – B: Vittorio<br />

De Seta, Vera Gherarducci – K: Vittorio De Seta, Luciano<br />

Tovoli – M: Valentino Bucchi – D: Vittorina Pisano,<br />

Michele Cossu, Peppeddu Cuccu – 98 min, OmeU –<br />

»Ein Hirte in den Bergen Sardiniens, der seinen ganzen<br />

Besitz in eine Schafherde investiert hat, wird von den<br />

Behörden fälschlicherweise bezichtigt, mit Schweinedieben<br />

im Bunde zu sein; vor der Verfolgung durch die<br />

Polizei zieht er sich in die Berge zurück, verliert seine<br />

Schafe und wird zum Outlaw. De Seta arbeitete ausschließlich<br />

mit Laiendarstellern. Ohne die geringste dramaturgische<br />

Anstrengung, scheinbar nur aus der Registrierung<br />

von Fakten entwickelt der Film eine scharfe<br />

und kritische Analyse der Daseinsbedingungen jener<br />

Unterpriviligierten der italienischen Provinz, für die ›der<br />

Staat nur in den Carabinieri und im Kerker gegenwärtig<br />

ist‹, wie der Kommentar des Films einmal sagt.« (Ulrich<br />

Gregor)<br />

▶ Freitag, 15. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

Italienischer Neorealismus<br />

61


Italienischer Neorealismus<br />

62<br />

ACCATTONE (ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT<br />

MIT TRÄNEN ASS) – Italien 1961 – R+B: Pier Paolo<br />

Pasolini, nach seiner Novelle – K: Tonino Delli Colli – M:<br />

Johann Sebastian Bach – D: Franco Citti, Silvana Corsini,<br />

Franca Pasut, Paolo Guidi, Luciano Conti –<br />

120 min, OmeU – Pasolinis erster Spielfilm, der mit Laiendarstellern<br />

besetzt ist, erzählt die Geschichte von Vittorio,<br />

genannt Accattone, der sich in einer römischen<br />

Trabantenstadt als Zuhälter betätigt, zum Dieb wird und<br />

bei der Verfolgung durch die Polizei verunglückt. Die naturalistischen<br />

Bilder aus der Welt des Subproletariats<br />

sind nicht nur eine präzise Milieustudie, sondern fügen<br />

sich darüber hinaus zu einer modernen Passionsgeschichte.<br />

»Eine Tragödie ohne Hoffnung, weshalb ich<br />

mir wünsche, dass es einige Zuschauer geben wird, die<br />

im Kreuzeszeichen, mit dem der Film schließt, eine Bedeutung<br />

von Hoffnung sehen werden.« (Pier Paolo Pasolini)<br />

▶ Samstag, 16. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />

20. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

ROCCO E I SUOI FRATELLI (ROCCO UND SEINE BRÜ-<br />

DER) – Italien 1960 – R: Luchino Visconti – B: Luchino<br />

Visconi, Suso Cecchi d’Amico, Pasquale Festa Campanile,<br />

Massimo Franciosa, Enrico Medioli – K: Giuseppe<br />

Rotunno – M: Nino Rota – D: Annie Girardot, Alain<br />

Delon, Renato Salvatori, Katina Paxinou, Alessandra<br />

Panao – 174 min, OmeU – Die Witwe Rosaria Parondi<br />

zieht mit ihren vier Söhnen aus der armen süditalienischen<br />

Region Basilicata ins reiche Mailand, wo bereits<br />

ihr ältester Sohn Vincenzo lebt. Doch der Traum von der<br />

Großstadt wird bald zum Albtraum: Die fünf Brüder<br />

gehen unterschiedliche Wege, einer von ihnen wird<br />

zum Gewalttäter und treibt auch den idealistischen ältesten<br />

Bruder in den Untergang. Viscontis tragisches<br />

Sozialdrama ist zwischen dem Neorealismus seiner<br />

Frühwerke und den ausladenden Epen seiner späteren<br />

Familienporträts angesiedelt.<br />

▶ Sonntag, 17. Juni 2012, 17.30 Uhr<br />

IL POSTO (DER JOB) – Italien 1961 – R: Ermanno Olmi<br />

– B: Ettore Lombardo, Ermanno Olmi – K: Roberto Barbieri<br />

– M: Pier Emilio Bassi – D: Alessandro Panzeri, Loredana<br />

Detto – 93 min, OmeU – »IL POSTO berichtet,<br />

wie Domenico, ein schüchterner Junge, aus einem Vorort<br />

nach Mailand kommt, um sich bei einem Mammutkonzern<br />

um eine Stellung zu bewerben. Er muss das Ritual<br />

psychologischer Eignungstests über sich ergehen<br />

lassen; am Ende offeriert ihm die Firma eine subalterne<br />

Stellung als Bürobote. Am Rande steht die Geschichte<br />

eines jungen Mädchens, das ebenfalls in die Firma eintritt<br />

und dem der junge Mann einige Male begegnet.<br />

Obwohl in einem durchgehend dokumentarischen Stil<br />

gedreht, der sich scheinbar auf reine Beobachtung beschränkt,<br />

ist IL POSTO doch fast eine Satire à la Gogol.«<br />

(Ulrich Gregor)<br />

▶ Freitag, 22. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Mittwoch.<br />

27. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

SALVATORE GIULIANO (WER ERSCHOSS SALVATORE<br />

G.?) – Italien 1962 – R: Francesco Rosi – B: Francesco<br />

Rosi, Suso Cecchi d’Amico, Franco Solinas, Enzo Provenzale<br />

– K: Gianni Di Venanzo – M: Piero Piccioni – D:<br />

Pietro Cammarata, Salvo Randone, Frank Wolff, Sennuccio<br />

Benelli – 120 min, OmeU – Eine Chronik vom<br />

Wirken und Wüten des sizilianischen Banditen Salvatore<br />

Giuliano, der zwischen 1943 und 1950 der Schrecken<br />

seines Landes war und am 5. Juli 1950 von<br />

einem Unbekannten erschossen wurde. Im Stil eines<br />

Dokumentarfilms, unter Verwendung von Zeitungsberichten,<br />

Interviews und Zeugenaussagen, rekonstruierte<br />

Rosi die Biografie des vermeintlichen Volkshelden<br />

und trug dazu bei, das komplizierte Geflecht der Beziehungen<br />

zwischen dem Banditen, der Mafia und ihren<br />

Hintermännern zu entwirren. Gedreht wurde an Originalschauplätzen<br />

und mit Laiendarstellern, die Giuliano<br />

noch persönlich kannten.<br />

▶ Samstag, 23. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

I BASILISCHI (DIE BASILISKEN) – Italien 1963 – R+B:<br />

Lina Wertmüller – K: Gianni Di Venanzo – M: Ennio Morricone<br />

– D: Toni Petruzzi, Stefano Satta Flores, Sergio<br />

Ferranino, Luigi Barbieri, Enrica Chiaromonte – 85 min,<br />

OmeU – Das Leben in einer süditalienischen Kleinstadt<br />

der armen Provinz Basilicata, die Jugendlichen unter<br />

den Dorfbewohnern, die in der wärmenden Sonne dem<br />

Nichtstun nachgehen und über das Leben und ihre<br />

Träume reden, anstatt sie tatsächlich anzupacken. In<br />

semidokumentarischem Stil und in sachlich-ironischem<br />

Ton zeigt Lina Wertmüller Menschen, denen es<br />

nicht gelingt, ihr eigenes Leben oder die Ungerechtigkeiten<br />

in ihrer Umgebung zu verändern. Fellinis I VITEL-<br />

LONI als Inspiration für diesen Film ist unverkennbar,<br />

doch Wertmüllers exzentrischer visueller Gestaltungswille<br />

blitzt ebenso schon auf wie eine vorsichtige Kritik<br />

am italienischen Männlichkeitskult.<br />

▶ Freitag, 29. Juni 2012, 18.30 Uhr


DOK.fest-Retrospektive: Wim Wenders<br />

Wim Wenders bei den Dreharbeiten zu pinA. Foto: Donata Wenders<br />

Mit seinem kongenial choreographierten 3D-Tanzfilm<br />

PINA im vergangenen Jahr und der Hommage BUENA<br />

VISTA SOCIAL CLUB Ende der 1990er Jahre feierte<br />

Wim Wenders weltweit große Erfolge – beides sind Dokumentarfilme.<br />

Sie krönen die jüngste Dekade des Werkes<br />

von Wim Wenders.<br />

Was macht den Erfolg der Dokumentarfilme von Wim<br />

Wenders aus? Es ist sein Gespür für besondere Sujets<br />

und das Vertrauen in die ureigene Kraft filmischer Bilder.<br />

Die reine Funktion der Dramaturgie ist Wenders<br />

ebenso fremd wie populistische Kinostoffe. Das dokumentarische<br />

Arbeiten kommt seinem klassischen Verständnis<br />

der Kinematographie entgegen. Nicht jedes<br />

Bild ist im Moment der Aufnahme schon determiniert<br />

im Fluss einer Erzählung. Jede Szene kann ihre Poesie<br />

aus einem filmischen Moment frei entfalten.<br />

Parallel zu seinen fiktionalen Filmen hat Wim Wenders<br />

schon früh damit begonnen, dokumentarisch zur arbeiten.<br />

Mit dem unverstellten Blick eines staunenden Beobachters,<br />

der der Wirklichkeit ein eigenes Bild abgewinnt.<br />

Den Tod seines engen Freundes, des amerikanischen<br />

Regisseurs Nicholas Ray, verarbeitete er in dem<br />

Film LIGHTNING OVER WATER (1979) auf sehr persönliche<br />

und berührende Weise. Das Interesse Wenders’ an<br />

dem Phänomen der Laufbildmedien führte ihn bereits<br />

Ende der 1980er Jahre nach Japan. Der Film TOKYO-<br />

GA (1985) ist ein erstes Zeugnis einer durch die Bildmedien<br />

aus den Fugen geratenen Kultur. Mit dieser Arbeit<br />

hatte Wenders ein großes Interesse an der japanischen<br />

Kultur gefunden. Sein Film AUFZEICHNUNGEN<br />

ZU KLEIDERN UND STÄDTEN (1989) verbindet die Philosophie<br />

des berühmten Modemachers Yohji Yamamoto<br />

mit der Architektur der Megacity Tokyo.<br />

Das DOK.fest München freut sich, dem Münchener<br />

Publikum diese und weitere Filme aus dem dokumentarischen<br />

Werk Wim Wenders’ in Zusammenarbeit mit<br />

dem Filmmuseum München endlich wieder einmal auf<br />

der Leinwand vorstellen zu können. Wim Wenders wird<br />

zu Gast sein und auch bisher weitgehend unbekannte<br />

Kurzfilme mitbringen: INVISIBLE CRIMES (2007), WAR<br />

IN PEACE (2007) und TO SEE OR NOT TO SEE (2012).<br />

Daniel Sponsel<br />

▶ Donnerstag, 3. Mai 2012, bis Mittwoch, 9. Mai 2012<br />

Wim Wenders<br />

63


Neues von der »Kölner Gruppe«<br />

Kölner Gruppe<br />

64<br />

WellenReiTeR: markus mischkowski und Kai maria Steinkühler. Foto: Anna c. Wagner<br />

Cine-Desperados vom Rhein –<br />

Die Kölner Gruppe und ihr gelebtes Kino<br />

Seit beinahe 25 Jahren gibt es in Köln eine Filmszene,<br />

die zu den schönsten und vitalsten in Deutschland<br />

zählt. In dieser Szene, die sich hauptsächlich um den<br />

schon legendären Filmclub 813 gebildet hat, aber auch<br />

schon manchen Studenten der Kunsthochschule für<br />

Medien beeinflusst hat, durchdringen sich wie einst bei<br />

der Nouvelle Vague alle Aspekte des Cineastentums.<br />

Man führt im Filmclub Filme vor, alte und neue. Man<br />

macht Entdeckungen in der Filmgeschichte, man redet<br />

und schreibt leidenschaftlich über Filme, früher in den<br />

Magazinen Gdinetmao und Nachtblende, heute im<br />

<strong>Münchner</strong> Sigi Götz Entertainment oder in den Club-<br />

Programmheften. Man dreht schließlich selbst Filme,<br />

kurze und lange voller Charme, Feeling und Lust am<br />

Kino. Die Mitglieder dieser lockeren Kölner Gruppe<br />

haben auch ganz eigene Vorbilder im deutschen Kino<br />

ausfindig gemacht: Klaus Lemke, Werner Enke, May<br />

Spils, Zbynek Brynych, Roger Fritz, die Schamonis, Marran<br />

Gosov, aber auch so unterschiedliche Filmemacher<br />

wie Frank Wisbar, Harun Farocki oder Siggi Götz ge -<br />

hören zu den Favoriten, die für ein anderes und oft unterschlagenes<br />

Kino stehen, für ein Kino auch der vertanen<br />

Chancen. Wie wäre es gewesen, wenn Edgar Reitz<br />

zusammen mit Alfred Vohrer einen Film gemacht hätte?<br />

Die Kölner Gruppe ist jedoch niemals ein Fanclub von<br />

Trashfilm-Liebhabern. Man ist ernsthaft – bei aller Spielerei.<br />

Zum harten Kern der Kölner Gruppe gehören seit langer<br />

Zeit vor allem drei Leute: Rainer Knepperges, Bernhard<br />

Marsch und Markus Mischkowski. Wäre die Kölner<br />

Gruppe eine Rockband, dann würde gewiss Knepperges<br />

der furiose, manchmal an sich zweifelnde Gitarrist<br />

sein, während Marsch den Keyboards mit ganzem<br />

Körpereinsatz unerhörte Töne entlocken würde. Zusammen<br />

würden Knepperges und Marsch die Songs schreiben<br />

und sich dabei natürlich oft streiten. Am Schlagzeug<br />

wäre dagegen mit stoischer Ruhe Mischkowski<br />

tätig – wie alle guten Drummer ein rätselhafter Individualist.<br />

Am Bass schließlich würden sich unterschiedliche<br />

Typen ablösen: der coole Kai Maria Steinkühler<br />

oder der zurückhaltende, aber enorm talentierte Christian<br />

Mrasek.<br />

Der Filmkritiker, Autor, Darsteller und Regisseur Rainer<br />

Knepperges, der zusammen mit Christian Mrasek bereits<br />

den Langfilm DIE QUEREINSTEIGERINNEN realisiert<br />

hat, in dem er auch neben Nina Proll die Hauptrolle<br />

spielt, hat der Ironie im Kino eine zweite Chance<br />

gegeben – einer Ironie, die sowohl auf befreiender


Albernheit wie auf tiefer Schmerzlichkeit beruht, die<br />

zwischen Reflexion und Mythos changiert. In diesem<br />

Programm des Filmmuseums ist Knepperges diesmal<br />

weniger vertreten, aber seine unglaubliche Kino-Präsenz<br />

ist beispielsweise in WELLENREITER oder<br />

8 ESSEN III, einem All-Star-Film der Kölner Gruppe, zu<br />

bewundern.<br />

Einen eigenen, besonderen Kino-Mikrokosmos bildet<br />

das weitverzweigte Werk von Bernhard Marsch, eines<br />

total filmmaker par excellence. Man muss es aussprechen:<br />

Bei seinen Kinominiaturen geht dem Zuschauer<br />

das Herz auf. Vielleicht liegt es an der Mischung aus<br />

Nostalgie und Aufbruch, die seine Filme kennzeichnet,<br />

sicherlich an der Poesie und dem Drive, der seine<br />

Werke durchzieht. Dazu kommt der genaue und liebevolle<br />

Blick auf das scheinbar Nebensächliche. Mit seinen<br />

Kurzfilmen schreibt Marsch gewissermaßen eine<br />

kleine Geschichte Deutschlands vom Rande her, eine<br />

Trash-Historie, eine Ramsch-Geschichte (»Ramsch« ist<br />

der Name von Marschs Filmproduktion). Man muss<br />

sich nur einen Musikclip wie MAUERBLÜMCHEN anschauen,<br />

ein Mini-Melo über die Ex-DDR und die große<br />

Sehnsucht an der Ostsee, dann ist man verzaubert von<br />

hingetupften Bildern, von Landschaften und Geschichten.<br />

Zweifellos, Marsch ist ein Impressionist deutscher<br />

Befindlichkeiten, ein Ethnograph der Abfallprodukte von<br />

Liebe und Leben. Sein erster filmischer Versuch<br />

65<br />

stammt von 1986: KÖLNER BEWEGUNGEN ist so etwas<br />

wie die Kölner Mini-Version von BERLIN. DIE SINFONIE<br />

DER GROSSSTADT. In Erinnerung bleibt vor allem das<br />

Neonschild »Köln – 4711«, das durch die Nacht blitzt<br />

und den Film zu einem Cologne Noir macht. Marsch<br />

und seine Kollegen haben ein Gefühl für die Aura von<br />

Zeichen. In MARSCH UND KNEPPERGES ZEIGEN von<br />

1987 ist oft die Anzeigentafel des Kölner Kinos Film -<br />

palette zu sehen. Darauf ist zu lesen: »Nonstop Filmprogramm«.<br />

Das klingt poetisch-rebellisch im Kontext des<br />

Films, der die letzte Vorstellung in der Filmpalette dokumentiert.<br />

Als last picture show läuft Edgar G. Ulmers<br />

DETOUR. Die jungen Kinobesucher, unter ihnen Marsch<br />

und Knepperges, trinken Bier, quatschen, befragen den<br />

alten Kinobesitzer. Alles ist gelebter B-Film, alles ist<br />

detour.<br />

Einige Marsch-Filme sind Ensemble-Filme, Jungens-<br />

Filme in der Tradition der <strong>Münchner</strong> Schule der 1960er<br />

(Lemke, Thome, Gosov). In 8 ESSEN III von 1996 unterhalten<br />

sich in der Kölner Zentral-Mensa ewige Studenten<br />

über Frauen, das Ost-West-Verhältnis und den Lauf<br />

der Zeit. In JUNGE HUNDE von 1992 oder dem Liebesthriller<br />

NACKT AM SEE von 2010 frönt Marsch seiner<br />

Vorliebe für Schwimmbäder und Badeseen, die für ihn<br />

Alltagsoasen darstellen wie Kinos oder Mischkowskis<br />

Kioske, an denen alles und nichts passieren kann. HAL-<br />

LELUJA von 1995 ist ein ungemein komisches Roadbernhard<br />

marsch. Foto: imke Staats<br />

Kölner Gruppe


Kölner Gruppe<br />

WellenReiTeR Foto: Anna c. Wagner<br />

66<br />

movie, das Anfang der 1980er auf den Straßen zwischen<br />

Köln und Hennef spielt. Ein bekifftes Bhagwan-<br />

Pärchen fährt im Käfer eines Burschen mit, den Marsch<br />

selbst spielt. Die zwei Hippies haben es auf den alten<br />

VW angesehen, sie halten den Fahrer für ein Greenhorn.<br />

Dabei handelt es sich bei ihm um einen aus -<br />

gebufften Desperado. Einmal fährt er durch seine Heimatstadt<br />

Hennef. In einem Kino dort läuft gerade<br />

SUMMER NIGHT FEVER, ein Trashfilm von Siggi Götz,<br />

das ist ein Pseudonym für Siggi Rothemund, das er für<br />

seine zahlreichen Sex- und Discofilme verwendet hat.<br />

Seit dieser Erwähnung in HALLELUJA hat sich zwischen<br />

Köln und München ein kleiner Kult um Siggi Götz<br />

und alle psy chede lischen Momente des deutschen<br />

Kinos entwickelt.<br />

Marschs bisher vielleicht bester Film ist WOHNHAFT<br />

von 2004 (der Titel ist im doppelten Sinn zu verstehen,<br />

die Kölner lieben Wortspiele). Inspiriert von Ulrich Schamonis<br />

CHAPEAU CLAQUE führt Marsch durch seine eigene<br />

kleine, mit Platten, Büchern, Zeitungen und allerlei<br />

Erinnerungen vollgestopften Wohnung in Köln-<br />

Ehrenfeld, die einer grandiosen Raum-Installation<br />

gleicht und auch eine Rebellion darstellt gegen jegliches<br />

»Schöner Wohnen«. Während die Kamera ethnografisch<br />

forschend durch dieses Labyrinth des Sammelns<br />

gleitet, hört man aus dem Off, wie sich Marsch<br />

und sein Idol Werner Enke über Räume und das Räumen<br />

unterhalten – ein wunderbares Zwiegespräch<br />

über Kino und Leben, Geschichte und Geschichten.<br />

Westendfilme heißt die Produktionsfirma von Markus<br />

Mischkowski und Kai Maria Steinkühler. Westend, dort<br />

wo die Sonne untergeht, dort wo der Westen endet.<br />

Endzeit und Neubeginn: Wie den meisten Filmen der<br />

Kölner Gruppe gelingt es besonders auch den Filmen<br />

von Mischkowski und Steinkühler, Kinotraditionen, die<br />

vom Slapstick über den Italowestern bis zu Kaurismäki<br />

reichen, im deutschen Alltag wiederzufinden.<br />

WESTEND, der Kurzfilm von 1997, WAS TUN von 1998,<br />

WESTEND, der lange Film von 2001, WOLGA von 2003,<br />

WALD MEISTER von 2007 und WELLENREITER von<br />

2010: Alle diese Filme, die mit »W« beginnen und in<br />

einem glorreichen Schwarzweiß gedreht sind, handeln<br />

von den beiden arbeitslosen Kumpeln Mike und Alfred,<br />

die von den beiden Filmemachern selbst gespielt als<br />

beautiful losers im grandiosen Outfit zwischen Geschmackslosigkeit<br />

und verwegenem Schick für immer<br />

auf Godot warten. Die zwei, die in der Nachfolge der<br />

großen Komiker-Duos und Western-Buddies stehen,<br />

scheinen auf ewig in diesem großartigen, absurd komischen<br />

und todtraurigen Filmzyklus gegen die Windmühlen<br />

des Kapitalismus zu kämpfen. Aber diese melancholischen,<br />

abstrakt-schönen Westendfilme sind nie<br />

bloß Satire, sie sind vielmehr tragikomische Filmpoeme<br />

über die condition humaine in den trostlosen Zeiten von


hohler Kommunikation, überbewerteter Transparenz<br />

und totaler Verfügbarkeit. Sie lassen aber hoffen, dass<br />

die alten Mythen und Werte von Freundschaft, Liebe,<br />

Handwerk und Wagemut im wasteland des Kölner<br />

Stadtrands überleben.<br />

Das schwarzweiße wasteland des Westend-Zyklus ist<br />

freilich gar nichts im Vergleich zu dem farbigen Fragment<br />

eines Großraumbüros in WARTESCHLEIFEN, dem<br />

neuen Film von Mischkowski/Steinkühler. Dieses Bürofragment<br />

ist das Fegefeuer auf Erden, aus ihm heraus<br />

sprechen sechs Mitarbeiter eines Callcenters direkt zu<br />

uns. Einer von ihnen wird von Christos Dassios gespielt,<br />

einem tollen Typen, der aus einem Melville-Film zu<br />

kommen scheint und mit seinem Kurzfilm UNDER-<br />

GROUND ODYSSEY als neuer Star der Kölner Gruppe<br />

gilt. Die Berichte, Bekenntnisse und Beichten der Callcenter-Malocher,<br />

gefilmt in einem Mix aus Dokumentation,<br />

Theater-Workshop und Videoinstallation bilden ein<br />

Mosaik aus Horror, Comedy und Melo. In der Hölle unserer<br />

Arbeitswelten finden Mischkowski und Steinkühler<br />

die Reste von Geschichten, den Ramsch, der das<br />

Leben ausmacht.<br />

Hans Schifferle<br />

WOHNHAFT – Deutschland 2004 – R+B: Bernhard<br />

Marsch – K: Volker Gerling – M: Rainer Kirchmann –<br />

Kommentar: Werner Enke, Bernhard Marsch – 8 min –<br />

WALDMEISTER – Deutschland 2007 – R+B: Markus<br />

Mischkowski, Kai Maria Steinkühler – K: KaPe Schmidt<br />

– M: Robert Nacken – D: Markus Mischkowski, Kai<br />

Maria Steinkühler, Jürgen Rißmann, Claudia Basrawi,<br />

Piet Fuchs – 9 min – NACKT AM SEE – Deutschland<br />

2010 – R: Bernhard Marsch – B: Bernhard Marsch,<br />

Ricarda Sponagel – K: Dejan Rakas – D: Susanne<br />

Menner, Bernhard Marsch – 10 min – INSIDE LEMKE<br />

– Deutschland 2007 – R+K: Markus Mischkowski –<br />

Klaus Lemke, Bernhard Marsch, Rainer Knepperges –<br />

9 min – UNDERGROUND ODYSSEY – Deutschland<br />

2010 – R: Christos Dassios, Uli Grohs, Robert Nacken –<br />

B: Christos Dassios – K: Uli Grohs – M: Robert Nacken<br />

– D: Christos Dassios, Robert Nacken, Ines Szcerbinski<br />

– 6 min – WELLENREITER – Deutschland 2010 –<br />

R+B: Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler – K:<br />

KaPe Schmidt – D: Markus Mischkowski, Kai Maria<br />

Steinkühler, Jens Claßen, Rainer Knepperges, Harry<br />

Weiß – 10 min – CAFE KONTAKT – Deutschland 2012<br />

– R+B: Bernhard Marsch – K: Kawe Vakil – D: Christos<br />

Dassios, Susanne Menner, Jana Rath, Peter Simon,<br />

Bernhard Marsch – 10 min<br />

▶ Freitag, 11. Mai 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Bernhard<br />

Marsch, Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler,<br />

Christos Dassios, Robert Nacken)<br />

WARTESCHLEIFEN – KOLPORTAGEN AUS DEM CALL -<br />

CENTER – Deutschland 2010 – R+B: Markus Mischkowski,<br />

Kai Maria Steinkühler – K: KaPe Schmidt – mit<br />

Piet Fuchs, Claudia Basrawi, Christos Dassios, Minerva<br />

Fois, Jürgen Rißmann, Dada Stievermann – 79 min –<br />

Sie hören zu, reden, beschwichtigen, beraten, verkaufen<br />

– Das Call-Center ist ein Mikrokosmos der ganz besonderen<br />

Art: Potenzierte Kundenorientierung auf der<br />

einen, menschliche Entfremdung auf der anderen Seite.<br />

Gefragt ist hier die perfekte Rollenerfüllung, nicht die<br />

Persönlichkeit. Von ihrer Erfahrung in diesem Metier,<br />

das viele nur als temporären Nebenberuf ausüben, den<br />

dort herrschenden Hierarchien und Machtstrukturen,<br />

dem Mit-, Neben- und Gegeneinander der Kollegen –<br />

davon berichten sechs Call-Center-Agenten<br />

▶ Samstag, 12. Mai 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Markus<br />

Mischkowski, Kai Maria Steinkühler, Christos Dassios)<br />

AMIGO A GOGO – Deutschland 2009 – R+B: Bernhard<br />

Marsch – K: Tobias Schmücking – M: Rainer Kirchmann<br />

– D: Gregor Overzier, Jana Rath – 5 min –<br />

MAUERBLÜMCHEN – Deutschland 2001 – R+B+K:<br />

Bernhard Marsch – M: Rainer Kirchmann – 5 min –<br />

BAZOOKA CAIN – Deutschland 2003 – R+B: Bernhard<br />

Marsch – K: Kawe Vakil – D: Marcel Vega, Matthias<br />

Pacht, Max Knoth, Henry Grant, Thomas Salzmann –<br />

5 min – KÖLNER BEWEGUNGEN – BRD 1986 – R, B,<br />

K: Bernhard Marsch – M: Korneffel & Debschütz –<br />

5 min – MARSCH & KNEPPERGES ZEIGEN – Deutschland<br />

1991 – R+B: Bernhard Marsch, Rainer Knepperges<br />

– K: Gunter König – 10 min – 8 ESSEN III –<br />

Deutschland 1996 – R, B, D: Bernhard Marsch, Markus<br />

Mischkowski, Rainer Knepperges – K: Kawe Vakil –<br />

8 min – JUNGE HUNDE – Deutschland 1993 – R+B:<br />

Bernhard Marsch – K: Andreas Wunderlich – D: Jakob<br />

Hüfner, Achim Bitzer, Joachim Kühn, Jo Zimmermann,<br />

Bernhard Marsch – 7 min – HALLELUJA – Deutschland<br />

1995 – R+B: Bernhard Marsch – K: Richard Eckes<br />

– D: Stefanie Herrmann, Markus Mischkowski, Bernhard<br />

Marsch – 11 min – VERLANGEN – Deutschland<br />

2005 – R+B: Bernhard Marsch – K: Volker Gerling – M:<br />

Marcel Vega – 4 min – LIEBE IST GESCHMACKS -<br />

SACHE – Deutschland 1997 – R+B: Bernhard Marsch,<br />

Piet Fuchs – K: Kawe Vakil – D: Kai Maria Steinkühler,<br />

Karen Oldenburg, Erik Goertz, Jürgen Nau, Julia Hornisch<br />

– 8 min – WOHNHAFT (EXTENDED VERSION) –<br />

Deutschland 2005 – R+B: Bernhard Marsch – K:<br />

Volker Gerling – M: Rainer Kirchmann – Kommentar:<br />

Werner Enke, Bernhard Marsch – 10 min<br />

▶ Sonntag, 13. Mai 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Bernhard<br />

Marsch, Kai Maria Steinkühler)<br />

Kölner Gruppe<br />

67


Retrospektive Lars von Trier<br />

Lars von Trier<br />

68<br />

Die große und die kleine Welt<br />

Im Vergleich zu seinen skandinavischen Nachbarn ist<br />

Dänemark (nach der Bevölkerungszahl) kein kleines<br />

Land. Dennoch scheint es seinen berühmtesten Filmemachern<br />

nicht zu genügen. Lars von Triers Filme spielen<br />

erstaunlich selten dort. Früh hat sein filmischer<br />

Blick schon ganz Europa ins Auge gefasst, sodann eine<br />

schottische Insel, später hat er eine amerikanische Trilogie<br />

gedreht. Der notorisch reiseunlustige Regisseur<br />

hat sie allerdings kaum je an den Realschauplätzen gedreht.<br />

Seine Filme sind vielmehr immer auch als ein<br />

Spiegel seiner Heimat zu betrachten.<br />

Das war schon bei seinem Vorbild Carl Theodor Dreyer<br />

so, der in diversen Nachbarländern drehte sowie lange<br />

Zeit in Frankreich und Deutschland. Im Falle Dreyers<br />

war diese kulturübergreifende Offenheit allerdings<br />

auch ökonomischen Wechselfällen geschuldet: Er<br />

wurde jeweils von Misserfolgen zeitweilig ins Exil getrieben.<br />

Bei von Trier hingegen ist die geographische<br />

Entgrenzung ein Willensakt, ein Bekenntnis. Das erste<br />

Bild, das ich von ihm erinnere, zeigt ihn in einem Schottenrock,<br />

über dem er eine verwegene Lederjacke trägt.<br />

Es entstand als Publicitygag während der Produktion<br />

von BREAKING THE WAVES. Das stolze Lächeln, mit<br />

dem von Trier diese Tracht trägt, demonstriert seine Zuversicht,<br />

die eigenen filmischen Visionen überall heimisch<br />

machen zu können. (Es verrät allerdings auch<br />

seine unbändige Lust am Gag, keineswegs nur in der<br />

komischen Variante gemeint, die ihm fortan bei Pressekonferenzen<br />

zum Verhängnis werden sollte.)<br />

Die Quellen seiner Inspiration findet er in ganz Europa.<br />

Seine Suche nach erzählerischen Wurzeln ist beinahe<br />

weltumspannend. Oft arbeitet er mit anglo-amerikanischen<br />

Schauspielern zusammen. Die schelmisch entlarvende<br />

Ironie der Erzählkommentare aus dem Off in<br />

DOGVILLE und MANDERLAY erinnert an Charles Dickens<br />

und Henry Fielding. MELANCHOLIA geht eigentlich<br />

auf ein Projekt zurück, Jean Genets Drama »Die<br />

Zofen« mit Penelope Cruz zu verfilmen. Der Vorname<br />

der von Charlotte Gainsbourg gespielten Schwester,<br />

Claire, verweist noch auf diese Abkunft. Die von Kirsten<br />

Dunst gespielte Schwester wiederum heißt Justine, wie<br />

die Titelheldin des Romans von Marquis de Sade, den<br />

von Trier gern fürs Kino adaptiert hätte. Das »Liebestod«-Thema<br />

aus Richard Wagners »Tristan und Isolde«<br />

dient in MELANCHOLIA nicht nur als Leitmotiv, der gesamte<br />

Film ist wie eine Oper strukturiert, mit einer Ouvertüre,<br />

zwei Akten und einem Finale. Überdies zitiert<br />

von Trier in ihm Bilder von Bosch, Breughel, Caravaggio<br />

und Millais.<br />

Der planvolle Lauf der Welt<br />

Es ging bei ihm schon immer ums Ganze. Nicht erst in<br />

MELANCHOLIA steht das Schicksal der Welt auf dem<br />

Spiel. Deren Zerstörung ist die größte denkbare Herausforderung<br />

für einen, der gern von der eigenen<br />

Angst vor dem Verlust der Kontrolle erlöst werden<br />

würde. Schon als Kind, das vertraute er seinem Freund<br />

Christian Braad Thomsen einmal in einem Interview<br />

zum Start von BREAKING THE WAVES an, hegte er globale<br />

Rettungsphantasien. Er entwickelte ein Pensum<br />

von Ritualen, das er an jedem Abend vor Einschlafen<br />

absolvierte – in der Hoffnung, damit die Erde vor der<br />

atomaren Auslöschung zu bewahren.<br />

Darin sah er selbst den Ursprung seines späteren Entschlusses,<br />

zum Katholizismus zu konvertieren. Der<br />

kindliche Glaube an die eigene magische Kraft war<br />

auch ein Ausdruck der Rebellion. Dieser Widerspruchsgeist<br />

wurde geboren in einen Haushalt, in dem man<br />

den Atheismus mit gewissermaßen religiöser Inbrunst<br />

pflegte. Seinen Hang zum Melodram darf man auch als<br />

späte Rache lesen für eine Kindheit, in der die Sentimentalität<br />

keinen Platz haben durfte. Wen wundert es<br />

da, dass BREAKING THE WAVES seine Familie nachhaltig<br />

schockierte? Das Metaphysische gewinnt in seinen<br />

Filmen eine beispiellose, wenn auch im Kino nicht prä-


zedenzlose Unmittelbarkeit. Während ORDET vorführt,<br />

dass sein Vorbild Dreyer fest an Wunder glaubte, merkt<br />

man von Triers Filmen allerdings die Anstrengung an,<br />

die ein solcher Glaube kostet.<br />

Gleichwohl ist sein Werk seit seinen Anfängen von<br />

religiöser Metaphorik durchdrungen. Von BEFRIELSES<br />

BILLEDER an, der in den letzten Tagen der deutschen<br />

Besatzung Dänemarks spielt, wird es bevölkert von Er -<br />

lösern und Märtyrern – in diesem halblangen Kino -<br />

debüt lässt er gar einen Nazi-Offizier diese Rolle übernehmen.<br />

Vorzugsweise trägt er das Mandat, den Lauf<br />

der Welt zu beeinflussen und es vor dem Chaos zu beschützen,<br />

Frauen an. Er setzt sein ganzes Vertrauen in<br />

deren hartnäckige Unschuld, in ihr reines Herz. Auf<br />

ihren Opfergängen bleiben sie, wie de Sades Justine,<br />

unberührt von allem Schrecklichen, das ihnen widerfährt.<br />

So erscheint es als kluge (wenn auch nicht ganz<br />

freiwillig getroffene) Entscheidung, die Rolle der in<br />

DOGVILLE von Nicole Kidman gespielten Grace, in der<br />

Fortsetzung MANDERLAY mit einer anderen Darstellerin,<br />

Bryce Dallas Howard, zu ersetzen. Die Naivität, mit<br />

der sich die zweite Grace ihrem neuen Mandat stellen<br />

muss, wird durch deren argloses Gesicht hinreichend<br />

beglaubigt.<br />

Nach dem Blutbad, das ihre Vorgängerin am Ende des<br />

ersten Films unter den korrupten Einwohnern von Dogville<br />

anrichtete, hätte man Nicole Kidman die wiedergewonnene<br />

Reinheit schwerlich abgenommen. Dieses<br />

Massaker ist freilich in vielerlei Hinsicht eine Katharsis.<br />

Das kardinale Ärgernis der vorangegangenen Filme<br />

Lars von Triers scheint damit überwunden: jene anmaßend<br />

manipulative Erzählhaltung, die es ihm gestattete,<br />

sich selbst offenen Auges auf Widersprüche und Provokationen<br />

seiner Stoffe einzulassen und dabei seine Heldinnen<br />

so ahnungs- wie widerstandlos in ihre Opferrolle<br />

zu schicken. Die Resolutheit, mit der Grace Vergeltung<br />

übt für Demütigung und Unterdrückung, stellt mithin<br />

auch einen unwiderruflichen Wendepunkt in von<br />

Triers Weltsicht dar.<br />

Die Welt als Laboratorium<br />

An Dreyer bewundert von Trier die Reinheit des Stils.<br />

Bei allem weltstürzenden Bombast lassen sich seine<br />

ästhetischen Konzepte auf dieses Prinzip zurückführen;<br />

nicht zuletzt die Idee des »Dogmas«, die er später zwar<br />

für »idiotisch« hielt und gegen die er nachdrücklich<br />

(gleichsam als Widerspruchsgeist in eigener Sache) rebellierte,<br />

die ihm im Fall von IDIOTEN in der Beschränkung<br />

jedoch einen großen Freiraum eröffnete. Er will<br />

sich in seinen Filmen Rechenschaft ablegen über das<br />

Ethos des Erzählens. In seinem Frühwerk EPIDEMIC<br />

filmt er sich selbst und seinen Drehbuchautor dabei,<br />

wie sie über die Strukturierung der Handlung diskutieren.<br />

In THE FIVE OBSTRUCTIONS fordert er seinen Lehrmeister,<br />

den Dichter und Dokumentarfilmer Jørgen<br />

Leth, auf, fünf Remakes seines Kurzfilms THE PERFECT<br />

HUMAN zu drehen, für deren Realisierung er ihm jedesmal<br />

ein neues Hindernis auferlegt.<br />

Dieses Streben nach Reinheit bringt ihn vor allem dazu,<br />

regelmäßig Weltenvisionen an abgelegenen Orten zu<br />

entwerfen: auf einer schottischen Insel, in einer amerikanischen<br />

Kleinstadt, einer Baumwollplantage, einem<br />

Haus in der Wildnis oder einem Luxushotel. Das Intime<br />

und das Universelle finden in diesen erzählerischen Laborversuchen<br />

zusammen. Wiederum spielt er mit der<br />

Entgrenzung. In DOGVILLE und MANDERLAY sind sämtliche<br />

Interieurs Außenszenen. Die Räume sind nur mehr<br />

Grundrisse, Wände und Mauern existieren nicht. Die<br />

verschmitzte Aussparung beinahe jeglicher Architektur<br />

soll man nicht als Leerstelle empfinden, sondern als<br />

Lars von Trier<br />

69<br />

AnTicHRiST


Lars von Trier<br />

70<br />

Sprungbrett der Phantasie. Es fällt nicht schwer, darin<br />

eine strenge Variation der Dogma-Ideen zu lesen: eine<br />

Wette, wie weit man gehen kann mit der Beschränkung<br />

der filmischen Mittel.<br />

Gerhard Midding<br />

NYHTERINO (NOCTURNE) – Dänemark 1980 – R:<br />

Lars von Trier – B: Lars von Trier, Tom Elling – D: Yvette,<br />

Solbjørg Højfeldt, Anne-Lise Gabold – 7 min, OmeU –<br />

Ein Albtraum und ein Telefongespräch. Eine Frau, die<br />

kein Licht vertragen kann, steht vor der Entscheidung,<br />

ob sie am Morgen nach Buenos Aires fliegen soll.<br />

NOCTURNE, entstanden an Den Danske Filmskole,<br />

gewann beim Internationalen Festival der Filmhochschulen<br />

in München 1981 den Preis für den besten<br />

Film. – FORBRYDELSENS ELEMENT (THE ELEMENT<br />

OF CRIME) – Dänemark 1983 – R: Lars von Trier – B:<br />

Lars von Trier, Niels Vørsel – K: Tom Elling – M: Bo Holten<br />

– D: Michael Elphick, Me Me Lei, Esmond Knight,<br />

Jerold Wells, Preben Lerdorff Rye, Astrid Henning-Jensen<br />

– 103 min, OmU – Der Kriminalbeamte Fisher<br />

kehrt erstmals nach 13 Jahren aus Kairo nach Europa<br />

zurück und lässt sich mit Hilfe von Hypnose in die Vergangenheit<br />

nach Europa zurückversetzen, um eine<br />

Mordserie aufzuklären. »Gemeinsam mit Kameramann<br />

Tom Elling schuf Trier eine monochrom gelb bis rotbraun<br />

gefärbte, ebenso klaustrophobisch beklemmende<br />

wie hypnotisch-faszinierende Kinowelt, in der<br />

sich die Kamera mit äußerster Präzision in atemberaubenden,<br />

noch nie gesehenen Perspektiven durch den<br />

Raum bewegte.« (Achim Forst) »Wir wollten keinen<br />

Kunstfilm machen. Wir wollten zeigen, dass man ein<br />

bestimmtes Genre, zum Beispiel den Kriminalfilm, auf<br />

eine andere Weise benutzen kann, als man es gewohnt<br />

ist.« (Lars von Trier)<br />

▶ Mittwoch, 16. Mai 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

18. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />

EPIDEMIC – Dänemark 1987 – R: Lars von Trier – B:<br />

Lars von Trier, Niels Vørsel – K: Henning Bendtsen, Lars<br />

von Trier, Niels Vørsel – M: Peter Bach – D: Lars von<br />

Trier, Niels Vørsel, Udo Kier, Susanne Ottesen, Svend Ali<br />

Hamann, Gitte Lind – 106 min, OmU – Zwei Drehbuchautoren,<br />

Trier und Vørsel, müssen innerhalb von fünf<br />

Tagen das Manuskript für einen Film erarbeiten, in dem<br />

die Bevölkerung Europas von einer geheimnisvollen<br />

Seuche dahingerafft wird. Während ihrer Recherchen<br />

bemerken sie jedoch nicht, dass ihre Filmidee längst<br />

von der Realität eingeholt wurde. EPIDEMIC wird so<br />

neben dem Spiel zwischen den Welten auch zum Spiel<br />

mit den Genres. Vom Horror wird in den Autorenfilm gesprungen,<br />

vom visuell Künstlerischen kippt es zur reinen<br />

Splatterästhetik. Der Film-im-Film ist genauso experimentell<br />

wie schizophren.<br />

▶ Samstag, 19. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />

22. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

MEDEA – Dänemark 1988 – R: Lars von Trier – B: Preben<br />

Thomsen, Lars von Trier, nach dem Bühnenstück<br />

von Euripides – K: Sejr Brockmann – M: Joakim Holbek<br />

– D: Udo Kier, Kirsten Olesen, Henning Jensen, Solbjørg<br />

Højfeldt, Preben Lerdorff Rye – 77 min, OmeU – Lars<br />

von Trier bearbeitete für diese Fernsehproduktion ein<br />

Drehbuch von Carl Theodor Dreyer, der die finstere Tragödie<br />

von Euripides an den Nordseemarschen angesiedelt<br />

hat. Die Natur des Nordens wirkt dabei wie die eigentliche<br />

Protagonistin des Films: Seelenlandschaften<br />

der Einsamkeit, der Düsternis und Verzweiflung. Medea,<br />

die Zaubererin, schenkt Jason ihre bedingungslose<br />

Liebe und tötet sogar den eigenen Bruder, um den sie<br />

verfolgenden Vater aufzuhalten. Doch Jason verlässt<br />

Medea wegen einer anderen Frau. Aus Schmerz über<br />

seinen Verrat an ihrer Liebe vergiftet sie nicht nur ihre<br />

Rivalin, sondern tötet auch die beiden gemeinsamen<br />

Kinder. Die Geschichte der Medea hat Lars von Trier in<br />

silbergraues Licht getaucht, das an expressionistische<br />

Stummfilme erinnert.<br />

▶ Sonntag, 20. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />

23. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

THE MAKING OF LARS VON TRIER – Vortrag mit Filmbeispielen<br />

von Peter Schepelern in englischer Sprache<br />

mit vielen Filmbeispielen – 90 min – Peter Schepelern<br />

war in den 1970er Jahren Lars von Triers Dozent an<br />

der Kopenhagener Universität und verfolgte dessen<br />

Filmschaffen von Beginn an. Er präsentiert die un -<br />

bekanntere Seite des Regisseurs – die Filme, die er in<br />

seiner Kindheit gedreht hat, von Triers Studentenfilme,<br />

Werbefilme und Musikvideos. Darüberhinaus spricht er


über Lars von Trier als einen der bekanntesten und originellsten<br />

gegenwärtigen Autorenfilmer. – BEFRIEL-<br />

SES BILLEDER (BILDER DER BEFREIUNG) – Dänemark<br />

1982 – R: Lars von Trier – B: Lars von Trier, Tom<br />

Elling – K: Tom Elling – M: Ars Nova, Bo Holten – D: Edward<br />

Flemming, Kirsten Olesen – 57 min, OmeU – Lars<br />

von Triers Abschlussfilm an der Dänischen Filmschule,<br />

eine eigenwillige Montage aus altem, dokumentarischem<br />

Material und nachgedrehten fiktiven Szenen.<br />

Kopenhagen im Mai 1945: Ein Wehrmachtsoffizier<br />

flieht aus dem Internierungslager, um seine dänische<br />

Freundin wiederzusehen. Die aber hat sich inzwischen<br />

einer Widerstandsgruppe angeschlossen und feiert mit<br />

ihnen die Kapitulation der Deutschen.<br />

▶ Freitag, 25. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />

EUROPA – Dänemark 1990 – R: Lars von Trier – B:<br />

Niels Vørsel, Lars von Trier – K: Henning Bendtsen,<br />

Jean-Paul Meurisse, Edward Klosinski – M: Joakim Holbek<br />

– D: Jean-Marc Barr, Barbara Sukowa, Udo Kier,<br />

Ernst-Hugo Järegard, Eddie Constantine – 112 min,<br />

OmU – Leopold, ein Amerikaner deutscher Abstammung,<br />

arbeitet als Schlafwagenschaffner im Deutschland<br />

unmittelbar nach 1945. Draußen herrscht Finsternis,<br />

und in ihr treiben Werwölfe ihr Unwesen, die den<br />

Krieg noch immer nicht verloren geben wollen. Lars<br />

von Trier arbeitet mit Doppel- und Mehrfachbelichtungen,<br />

schwarz-weißen Bildern, in die wie ein Schock die<br />

Farbe eindringt, und mit farbigen Großaufnahmen von<br />

Gesichtern, in deren Hintergrund der weitere Handlungsablauf<br />

schwarz-weiß projiziert wird. Von Trier begreift<br />

Kino als gigantische Hypnose-Maschine und versucht,<br />

durch einen Erzähler aus dem Off den Zuschauer<br />

in die Geschichte einzubeziehen.<br />

▶ Samstag, 26. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />

29. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />

BREAKING THE WAVES – Dänemark 1996 – R+B:<br />

Lars von Trier – K: Robby Müller – M: Joakim Holbek –<br />

D: Emily Watson, Stellan Skarsgård, Katrin Cartlidge,<br />

Jean-Marc Barr, Udo Kier – 159 min, OmU – In einem<br />

abgelegenen Dorf auf den Äußeren Hebriden heiraten<br />

in den 1970er Jahren die strenggläubige, unerfahrene<br />

Bess und der charismatische Bohrinselarbeiter Jan,<br />

den sie abgöttisch liebt. Als er zurück auf die Bohrinsel<br />

muss, scheint sie an dem Abschied zu zerbrechen. Ihr<br />

Gebet für seine baldige Rückkehr wird in tragischer<br />

Konsequenz erhört: Ein Unfall hat den Geliebten lebensgefährlich<br />

verletzt, Jan ist gelähmt, die hochemotionale<br />

Bess gibt sich die Schuld dafür. Nachdem seine bisherigen<br />

Filme von der Existenz des Bösen erzählt hätten,<br />

habe er einen Film machen wollen, in dem »alle treibenden<br />

Kräfte ›gut‹« seien, so von Trier; aber »weil ›das<br />

Gute‹ oft missverstanden wird, weil wir ihm so selten<br />

begegnen, entstehen Spannungen«. »BREAKING THE<br />

WAVES ist in jeder Hinsicht ein Film über Entgrenzung.«<br />

(Antje Flemming)<br />

▶ Sonntag, 27. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />

30. Mai 2012, 19.00 Uhr<br />

RIGET (HOSPITAL DER GEISTER) – Dänemark 1994 –<br />

R: Lars von Trier – B: Lars von Trier, Niels Vørsel, Tomas<br />

Gislason – K: Eric Kress – M: Joakim Holbek – D: Ernst-<br />

Hugo Järegard, Kirsten Rolffes, Ghita Nørby, Søren Pilmark,<br />

Annevigg Schelde Ebbe, Udo Kier, Otto Brandenburg<br />

– 278 min, OmU – »Wenn die Welt traurig ist,<br />

dann weinen die Kinder. Wenn die Welt schrecklich ist,<br />

dann weinen die Erwachsenen. Aber was ist mit der<br />

Welt, wenn sogar die Häuser anfangen zu weinen?« Im<br />

Reichskrankenhaus von Kopenhagen findet der Geist<br />

des 1919 ermordeten Mädchens Mary erst seine Ruhe,<br />

als sich eine simulierende Patientin, Sigrid Drusse, seiner<br />

annimmt. Doch damit ist das Böse noch längst<br />

nicht aus der Welt verbannt. Lars von Triers zeigt in dieser<br />

Fernsehserie intelligentes, atmosphärisch dichtes,<br />

unheimliches Kino, das eine spirituelle Welt gegen die<br />

der wissenschaftlichen Erklärungen abgrenzt. Absurde<br />

Experimen te und geheime Bruderschaften werden aufgedeckt,<br />

der schwedische Arzt gibt seiner Verachtung<br />

für alles Dänische freien Lauf. Nur das mongoloide<br />

Paar, das in der Küche Teller wäscht, spürt und sieht<br />

mehr als andere und kommentiert die Handlung wie ein<br />

antiker Chor.<br />

▶ Montag, 28. Mai 2012, 18.00 Uhr<br />

RIGET II (HOSPITAL DER GEISTER 2) – Dänemark<br />

1997 – R: Lars von Trier, Morten Arnfred – B: Lars von<br />

Trier, Niels Vørsel, Morten Arnfred – K: Eric Kress – M:<br />

Joakim Holbek – D: Ernst-Hugo Järegard, Kirsten Rolf-<br />

Lars von Trier<br />

71


Lars von Trier<br />

72<br />

DAnceR in THe DARK<br />

fes, Ghita Nørby, Søren Pilmark, Holger Juul Hansen,<br />

Brigitte Raaberg, Baard Owe – 286 min, OmU – Die<br />

zweite Staffel von Lars von Triers eigenwilliger Krankenhausserie,<br />

die nach und nach ihre satirischen Bezüge<br />

verliert und sich mehr dem Schrecken und dem Horror<br />

widmet. »In dieser Nachfolgestaffel fährt von Trier inhaltlich<br />

und inszenatorisch schwerere Geschütze auf.<br />

Seine neuerliche Auseinandersetzung mit der von der<br />

Wissenschaftlichkeit verdrängten spirituellen Welt, in<br />

der durch Überheblichkeit ›Dampf und Kälte zurückgekehrt‹<br />

sind, zeigt den Kampf des Bösen um die Vorherrschaft<br />

und dessen enormen Sog, der alles und jeden<br />

mitzureißen imstande ist.« (Hans Messias) Am Ende<br />

jeder Episode tritt von Trier persönlich auf, fragt den Zuschauer<br />

ebenso süffisant wie provozierend, ob er weiter<br />

bei der Stange bleibt: »Sollten Sie sich wider Erwarten<br />

dazu entschließen, ein wenig Zeit mit uns zu verbringen,<br />

dann sollten sie alles so nehmen, wie es<br />

kommt, das Gute wie das Böse.«<br />

▶ Sonntag, 3. Juni 2012, 18.00 Uhr<br />

IDIOTERNE (IDIOTEN) – Dänemark 1998 – R+B+K:<br />

Lars von Trier – D: Bodil Jørgensen, Jens Albinus, Anne<br />

Louise Hassing, Troels Lyby, Nicolaj Le Kaas – 114 min,<br />

OmU – Die Geschichte einer Mittelklasse-Clique, die<br />

nichts so sehr verabscheut wie ihre Herkunft. Abgeschottet<br />

in einer feudalen Villa, unternehmen die jungen<br />

Leute Feldzüge gegen das Gutbürgerliche, gebaren<br />

sich in der Öffentlichkeit als lallende und sabbernde<br />

Irre, bringen jede Gesellschaft zum Platzen und zwingen<br />

den Mitbürgern Peinlichkeiten ohne Ende auf. In<br />

diesen Kreis gerät die in sich gekehrte Karen. »Abgründe<br />

der Ausbeutung tun sich auch in dieser stressfreien<br />

Gemeinschaft auf. Vom sanften Psychoterror bis<br />

zum erzwungenen Gruppensex reichen die Maßnahmen,<br />

die den vermeintlich paradiesischen Zustand aufrecht<br />

erhalten sollen, im Grunde aber Szenen aus der<br />

Hölle sind.« (Hans Messias)<br />

▶ Freitag, 1. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag, 5. Juni<br />

2012, 18.30 Uhr<br />

DANCER IN THE DARK – Dänemark 2000 – R+B: Lars<br />

von Trier – K: Robby Müller – M: Björk – D: Björk, Catherine<br />

Deneuve, David Morse, Peter Stormare, Joel<br />

Grey, Udo Kier – 140 min, OmU – Anfang der 1960er<br />

Jahre lebt die alleinerziehende Mutter Selma in einem<br />

Wohnwagen in Washington State und arbeitet in einer<br />

Fabrik. Aufgrund einer Erbkrankheit verliert sie rapide<br />

ihr Sehvermögen. Um ihrem Sohn Gene dieses Schicksal<br />

zu ersparen, spart sie jeden Cent für die rettende<br />

Operation. »Die Filmmusik wurde von der isländischen<br />

Sängerin und Performerin Björk komponiert und interpretiert.<br />

Insofern ist das Musical das Ergebnis eines Zusammentreffens<br />

zwischen dem tiefsinnigen Provokateur<br />

von Trier hinter der Kamera und der waghalsigen<br />

Interpretin Björk vor der Kamera. In einer Kollision der<br />

Gegensätze haben die beiden sowohl beeindruckende<br />

Kinomomente als auch abgrundtiefe Irritation geschaffen:<br />

Die Kraft der Stimme, die die Welt verändern kann,<br />

ist auch die Kraft der Verstörung.« (Charles Martig)<br />

▶ Samstag, 2. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />

6. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

DOGVILLE – Dänemark 2003 – R+B: Lars von Trier –<br />

K: Anthony Dod Mantle – D: Nicole Kidman, Harriet Andersson,<br />

Lauren Bacall, Jean-Marc Barr, James Caan,<br />

Ben Gazzara – 178 min, OmU – Eine Passionsgeschichte<br />

im Stil einer Theateraufführung, die ausschließlich<br />

im Studio mit einem auf dem Boden markierten<br />

Stadtplan sowie echten Kulissen und Geräuschen<br />

gedreht wurde. Ort der Handlung ist das abgelegene<br />

Dorf Dogville, irgendwo in den Rocky Mountains,


dessen Einwohner ein bescheidenes und gleichförmiges,<br />

aber glückliches Leben führen. Hier taucht eines<br />

Tages Grace auf, die auf der Flucht vor Gangstern ist.<br />

Da Grace als Verbrecherin gesucht wird und von den<br />

Dorfbewohnern abhängig ist, wird Grace immer gnadenloser<br />

ausgebeutet, erniedrigt, beleidigt und ver -<br />

gewaltigt. »Lars von Trier erzählt eine ganz einfache Geschichte,<br />

und zugleich gelingt es ihm einmal mehr, das<br />

Kino zum Raum religiös-ethischer Reflexionen über Erlösung<br />

und Vergebung, aber auch soziologischer Reflexionen<br />

über Schein und Sein zu machen.« (Ulrich Kriest)<br />

▶ Mittwoch, 13. Juni 2012, 19.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

15. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

DOGVILLE CONFESSIONS – Dänemark 2003 –<br />

R+B+K: Sami Saif – 53 min, OmeU – Sami Saif hat die<br />

Dreharbeiten zu Lars von Triers Film DOGVILLE beobachtet<br />

und eine sogenannte »confession box« aufgestellt<br />

– ein kleines Beichthaus mit Kamera, der sich<br />

Lars von Trier und seine Stars Nicole Kidman, Stellan<br />

Skarsgård, Lauren Bacall, James Caan und andere<br />

während der Dreharbeiten anvertrauten. – A CONVER-<br />

SATION WITH LARS VON TRIER – Kanada 2005 –<br />

R+B+K: Eva Ziemsen – M: Peter Aalbaek Jensen –<br />

15 min, engl.OF – Die Filmemacherin Eva Ziemsen war<br />

entschlossen, ihr Vorbild Lars von Trier zu interviewen,<br />

auch wenn es bedeutete, dem Regisseur nackt gegenüber<br />

zu sitzen … – DIMENSION 1991-2024 – Dänemark<br />

2010 – R: Lars von Trier – B: Lars von Trier, Niels<br />

Vørsel – D: Jean-Marc Barr, Katrin Cartlidge, Eddie Constantine,<br />

Udo Kier, Stellan Skarsgård – 27 min, engl.OF<br />

– Ein abgebrochenes Projekt von Lars von Trier, bei dem<br />

er jedes Jahr drei Minuten Film ohne Drehbuch herstellen<br />

wollte, 33 Jahre lang.<br />

▶ Samstag, 16. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

DE FEM BENSPAEND (THE FIVE OBSTRUCTIONS –<br />

DIE FÜNF HINDERNISSE) – Dänemark 2004 – R: Jørgen<br />

Leth, Lars von Trier – K: Dan Holmberg – M: Henning<br />

Christiansen, Fridolin Nordsø, Kristian Leth – D:<br />

Jørgen Leth, Lars von Trier, Jacqueline Arenal, Daniel<br />

Hernández Rodriguez, Patrick Bauchau – 90 min, OmU<br />

– Lars von Triers Hommage an den Regisseur des Kurzfilms<br />

THE PERFECT HUMAN (1967), Jørgen Leth. Gemeinsam<br />

entwickeln sie ein System, nach dem Leth<br />

seinen eigenen Klassiker fünf Mal nacheinander adaptieren<br />

soll: mit Kuba als Drehort und mit nur zwölf Bildern<br />

pro Einstellung, in einem Armenviertel in Bombay<br />

spielend, mit völlig frei entschiedenen formalen und inhaltlichen<br />

Vorgaben, als Animationsfilm. »THE FIVE OB-<br />

STRUCTIONS offenbart sich primär als filmische Liebeserklärung:<br />

an einen Menschen und dessen Arbeit<br />

sowie an das Kino schlechthin.« (Claus Löser)<br />

▶ Sonntag, 17. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

OCCUPATIONS – Dänemark 2007 – R+B+K: Lars von<br />

Trier – D: Lars von Trier, Jacques Frantz – 3 min, OmU<br />

– Lars von Trier wird von einem penetranten Geschäftsmann<br />

belästigt, der während der Vorstellung von MAN-<br />

DERLAY neben ihm im Kino sitzt. – MANDERLAY – Dänemark<br />

2005 – R+B: Lars von Trier – K: Anthony Dod<br />

Mantle – D: Bryce Dallas Howard, Willem Dafoe, Isaach<br />

de Bankolé, Danny Glover, Lauren Bacall – 139 min,<br />

OmU – Bühnenartige Sets wie in DOGVILLE, diesmal allerdings<br />

spielt Bryce Dallas Howard die Gangstertochter<br />

Grace. Diese hat es an die Tore einer Baumwollplantage<br />

verschlagen, in der im Jahr 1933 noch immer das<br />

Gesetz der Sklaverei herrscht, was Grace nicht akzeptieren<br />

will. Sie trotzt ihrem Vater einen Teil seiner Bande<br />

ab und entlässt die Sklaven unter ihrer Aufsicht in die<br />

Freiheit – mit der diese nicht viel anzufangen wissen.<br />

Lars von Trier<br />

73<br />

mAnDeRlAy


Lars von Trier<br />

74<br />

Lars von Trier: »Was Grace fehlt, ist politischer Pragmatismus:<br />

sie ist halt zu dumm und zu idealistisch. Und<br />

viel zu emotional. So sollte man in der Politik nicht sein,<br />

weil man so nichts erreicht.«<br />

▶ Dienstag, 19. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

22. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

DIREKTØREN FOR DET HELE (THE BOSS OF IT ALL) –<br />

Dänemark 2006 – R+B: Lars von Trier – K: Claus Rosenløv<br />

Jensen – D: Jens Albinus, Peter Gantzler, Benedikt<br />

Erlingsson, Iben Hjelje, Fridrik Thór Fridriksson –<br />

99 min, OmU – Eine Bürokomödie über die Mechanismen<br />

des globalisierten Kapitalismus. In einer IT-Firma<br />

müssen unangenehme Entscheidungen getroffen werden.<br />

Ravn, dem harmoniesüchtigen Chef, behagen die<br />

Konsequenzen seiner Führungsrolle jedoch gar nicht,<br />

weshalb er einen Vorgesetzten in den USA erfindet. In<br />

seiner Not engagiert er den erfolglosen Schauspieler<br />

Christoffer, der diese Rolle improvisierend spielen<br />

muss. Lars von Trier hat für diesen Film ein formales<br />

Verfahren entwickelt, das die Improvisation der Schauspieler<br />

bestens unterstützt: Mit der Aufnahmetechnik<br />

Automavision wird ein vorher exakt festgelegter Bildausschnitt<br />

durch einen Computer mit Zufallsgenerator<br />

neu definiert und die ursprüngliche Harmonie zerstört.<br />

▶ Mittwoch, 20. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Samstag,<br />

23. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

ANTICHRIST – Dänemark 2009 – R+B: Lars von Trier<br />

– K: Anthony Dod Mantle – D: Willem Dafoe, Charlotte<br />

Gainsbourg – 109 min, OmU – In drei Kapiteln, gerahmt<br />

von Prolog und Epilog, entfaltet sich die Geschichte<br />

eines namenlosen Ehepaars, das eingangs<br />

seinen kleinen Sohn verliert und schwer an diesem Verlust<br />

zu tragen hat. Um die Agonie seiner Frau zu kurieren,<br />

nimmt ihr Mann, ein Therapeut, die Behandlung in<br />

die eigenen Hände. Dabei wird deutlich, dass über den<br />

Verlust des Kindes hinaus schwer benennbare Ängste<br />

die Frau erdrücken. »Ein verstörender, mit apokalyptischen<br />

Bildern aufgeladener Horrortrip in menschliche<br />

Abgründe, dessen barock wucherndes Zeichenarsenal<br />

eine Vielzahl an Deutungen von psychologischen Lesarten<br />

bis mythologischen Versuchen ermöglicht. Wollte<br />

man es begrifflich auf Schlagwörter bringen, dann handelt<br />

ANTICHRIST von Sex und Schuld, Misogynie und<br />

Rationalität, Herrschaft und Hexerei, Paradies und<br />

Hölle.« (Josef Lederle)<br />

▶ Sonntag, 24. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />

26. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

MELANCHOLIA – Dänemark 2011 – R+B: Lars von<br />

Trier – K: Manuel Alberto Claro – D: Kirsten Dunst,<br />

Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, Jesper Christensen,<br />

Charlotte Rampling, John Hurt, Udo Kier –<br />

135 min, OmU – Das erste Kapitel widmet sich Justine,<br />

der ihre Schwester Claire eine glamouröse und perfekt<br />

organisierte Hochzeit auf dem Landsitz ihres Mannes<br />

ausrichtet. Doch Justines Depression lässt sich immer<br />

weniger unterdrücken. Der zweite Teil des Films trägt<br />

Claires Namen. Er ist von der Nachricht geprägt, dass<br />

ein Planet, Melancholia, an den nächsten Tagen knapp<br />

an der Erde vorbeirasen soll. »Leben gibt es nur auf der<br />

Erde – und nicht für lange Zeit: Vielleicht ist diese im<br />

Film formulierte Einsicht, die tatsächlich Grund zur Melancholie<br />

geben kann, die tiefere Motivation für diesen<br />

Film. Je näher dieses Ende rückt, umso zärtlicher erscheint<br />

nun auch der Blick des Regisseurs auf seine Figuren.«<br />

(Rüdiger Suchsland)<br />

▶ Mittwoch, 27. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

29. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

melAncHOliA


Das Kino träumt<br />

HUgO<br />

Drei Filme, die im letzten Jahr Premiere hatten, Anfang<br />

2012 in den deutschen Kinos anliefen und bei der<br />

Oscar-Verleihung 2012 als Favoriten gelten, beschäftigen<br />

sich mit der Filmgeschichte: Martin Scorseses<br />

HUGO setzt dem Filmpionier Georges Méliès ein Denkmal,<br />

Michel Hazanavicius’ THE ARTIST widmet sich<br />

dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, Simon Curtis’<br />

MY WEEK WITH MARILYN zeigt die Ereignisse während<br />

der Dreharbeiten zu THE PRINCE AND THE SHOWGIRL<br />

von Laurence Olivier (der im Filmmuseum am 26. Juli<br />

zu sehen ist). In Zeiten, in denen das Filmmaterial zugunster<br />

digitaler Daten verschwindet und die letzten<br />

klassischen Einzelkinos schließen, üben sich die Filme<br />

in Nostalgie und beschwören die große Kinozeit in aufwändigen<br />

Filmproduktionen.<br />

THE ARTIST erzählt seine Geschichte in Schwarzweiß<br />

und als Stummfilm, wobei ihm das Kunststück gelingt,<br />

nicht bloß Stummfilmklischees nachzuahmen, sondern<br />

einen ganz eigenen Charme und Stil zu entwickeln. MY<br />

WEEK WITH MARILYN beschwört die 1950er standesgemäß<br />

in CinemaScope und Farbe und zeigt eine umwerfende<br />

Michelle Williams. Martin Scorsese rekonstruiert<br />

akribisch genau das Glashaus-Studio von Georges<br />

Méliès und lässt Ben Kingsley in der Rolle des vereinsamten<br />

Méliès brillieren, der mit seiner eigenen Vergangenheit<br />

bereits abgeschlossen hat. Am Ende von<br />

HUGO werden die alten Filme von Méliès plötzlich auch<br />

dreidimensional – womit Scorsese vorausgreift, was<br />

Regisseure wie George Lucas und James Cameron im<br />

Frühjahr 2012 mit der Wiederaufführung ihrer Filme<br />

STAR WARS und TITANIC versuchen: Die 3D-Technik<br />

soll die alten Filme »zeitgemäß« erneuern. Ob solche<br />

technischen Eingriffe Klassiker wirklich »verbessern«,<br />

sei dahingestellt – die Einspielergebnisse werden die<br />

Entscheidung beeinflussen, ob noch weitere große<br />

Klassiker kostenträchtig in 3D konvertiert werden. Angeblich<br />

wird dies mit einigen Chaplin-Filmen schon versucht<br />

…<br />

Dass der Traum des Kinos, die dritte Dimension erfahrbar<br />

zu machen, nicht neu ist und seit Beginn der Filmgeschichte<br />

immer präsent war, zeigt der Vortrag »Geschichte<br />

des 3D-Films«. Er präsentiert 3D-Filmbeispie -<br />

le von 1900 bis heute, darunter Filme von Georges<br />

Méliès, die dieser mit einer synchronisierten Doppel -<br />

kamera gedreht hat und die man heute tatsächlich<br />

ohne nachträgliche Konvertierung in 3D vorführen<br />

kann. Der Vortrag zeigt aber auch, dass die 3D-Wellen<br />

im Kino immer wieder verebbt sind und eine völlige Umstellung<br />

der Filmproduktion auf 3D wohl noch einige<br />

Zeit ein Traum bleiben wird. Stefan Drößler<br />

Das Kino träumt<br />

75


Das Kino träumt<br />

76<br />

GESCHICHTE DES 3D-FILMS – Vortrag mit Filmbeispielen<br />

von Stefan Drößler – 121 min – Mit seltenem<br />

historischem Bildmaterial, 3D-Filmausschnitten und<br />

der Erläuterung der verschiedenen technischen Systeme<br />

unternimmt Stefan Drößler einen Streifzug durch<br />

eine parallele Filmgeschichte. Verblüffenderweise ha -<br />

ben bereits die Pioniere des Films, Max Skladanowski,<br />

Louis Lumière und Georges Méliès, bewusst oder unbewusst<br />

mit stereoskopischen Aufnahmeverfahren experimentiert.<br />

Während der Olympischen Spiele 1936<br />

wurden in Deutschland die ersten 3D-Filme hergestellt,<br />

1945 entstand in der Sowjetunion der erste abendfüllende<br />

3D-Spielfilm der Filmgeschichte. Erfolgreiche<br />

Versuche in Ungarn und Großbritannien läuteten dann<br />

1953 die erste große 3D-Welle in Hollywood ein, die<br />

nächste bezog Anfang der 1980er Jahre auch Europa<br />

und Asien mit ein. Das digitale Kino ermöglicht nun seit<br />

einigen Jahren eine noch weiter verbesserte 3D-Projektion,<br />

doch es stellt sich die Frage: Braucht das Kino<br />

das 3D wirklich? Wird das Interesse nicht wie in der<br />

Vergangenheit nach kurzer Zeit schon nachlassen?<br />

▶ Donnerstag, 7. Juni 2012, 19.00 Uhr<br />

HUGO (HUGO CABRET) – USA 2011 – R: Martin Scorsese<br />

– B: John Logan, nach dem Roman von Brian<br />

Selznick – K: Robert Richardson – M: Howard Shore –<br />

D: Asa Butterfield, Chloe Grace Moretz, Ben Kingsley,<br />

Sacha Baron Cohen, Christopher Lee, Jude Law –<br />

126 min, OF, 3D – »Erst als sich das Geheimnis um Méliès<br />

lüftet, zieht uns HUGO in seinen Bann. In Rückblenden<br />

sieht man den Visionär das erste Filmstudio der<br />

Welt bauen und liebevoll special effects kreieren. Originalclips<br />

der ersten Werke der Lumière-Brüder und von<br />

Méliès lassen das Herz von Film-Aficionados höherschlagen.<br />

Von da an packt uns HUGO emotional am<br />

Kragen, und lässt uns nicht mehr los. Die Faszination<br />

des bewegten Bilds, die Tragik des vergessenen Genies,<br />

die Generationen-übergreifende Sehnsucht nach<br />

Magie im Alltag, das alles transportiert Scorsese meisterhaft<br />

in ein bewegendes Finale.« (Catharina Steiner)<br />

▶ Freitag, 8. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />

THE ARTIST – Frankreich 2011 – R+B: Michel Hazanavicius<br />

– K: Guillaume Schiffman – M: Ludovic Bource<br />

– D: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, John Goodman,<br />

James Cromwell, Penelope Ann Miller – 100 min, engl.<br />

OF – »Für einen Stummfilm-Star bedeutet die Umstellung<br />

der Hollywood-Industrie auf die Talkies Ende der<br />

1920er Jahre das Ende seiner Karriere und ein persönliches<br />

Desaster. Ein Starlet, das ihn liebt und das mit<br />

der Veränderung des Mediums groß herauskommt, versucht,<br />

ihn zu retten. Als Hommage auf die Erzählkunst<br />

des frühen Kinos verzichtet der Film auf Farbe, Geräusche<br />

und Sprache und zündet ein Feuerwerk an Inszenierungseinfällen,<br />

um die ureigensten Ausdrucksmittel<br />

des filmischen Mediums hochleben zu lassen. Eine genussvolle,<br />

elegante Beschwörung der Zeitlosigkeit und<br />

Magie des Kinos.« (Felicitas Kleiner)<br />

▶ Samstag, 9. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />

12. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />

MY WEEK WITH MARILYN (MEINE WOCHE MIT MA-<br />

RILYN) – GB 2011 – R: Simon Curtis – B: Adrien Hodges,<br />

nach dem Buch von Colin Clark – K: Ben Smithard<br />

– M: Conrad Pope – D: Michelle Williams, Eddie Redmayne,<br />

Julia Ormond, Kenneth Branagh, Dougray Scott,<br />

Judi Dench – 99 min, OmU – Eine Woche bei den Dreharbeiten<br />

zu THE PRINCE AND THE SHOWGIRL mit Marilyn<br />

Monroe, Laurence Olivier und, als dritter Assistent,<br />

Colin Clark. »Der Film stellt recht genau die damaligen<br />

Dreharbeiten in den Pinewood Studios nach. Doch das<br />

interessiert kaum, ebensowenig wie das, was in dieser<br />

berühmten Woche passiert sein soll. Was zählt ist die<br />

Performance von Michelle Williams. Sie zeigt so viele<br />

Facetten Marilyns, die öffentliche und die private, die<br />

echte und die gespielte. Wir haben Monroe nicht näher<br />

gekannt, aber wir glauben, dass sie so oder so ähnlich<br />

gewesen sein muss.« (Roger Ebert)<br />

▶ Sonntag, 10. Juni 2012, 21.00 Uhr


Zuschauerkino<br />

?<br />

Zweimal im Jahr bietet das Zuschauerkino des <strong>Münchner</strong><br />

Filmzentrums (MFZ) allen, die Filme machen, die<br />

Gelegenheit, ihre Filme auf der Leinwand des Filmmuseums<br />

zu sehen und andere Filmemacher zu treffen.<br />

Filme einreichen können alle, die einen Kurzfilm gedreht<br />

haben, egal ob Profi oder Amateur, unabhängig<br />

vom Inhalt oder Format des Films, ob Spielfilm oder Dokumentation,<br />

Real- oder Animationsfilm. Es können nur<br />

Filme gezeigt werden, die persönlich von Beteiligten<br />

vorgestellt werden. Im Anschluss an die Vorführung bietet<br />

das MFZ eine Begegnungsmöglichkeit, damit Teilnehmer<br />

und Zuschauer noch leichter miteinander ins<br />

Gespräch kommen können (für Erfrischungen ist gesorgt).<br />

Dies sind die Spielregeln: Die Filme müssen bis zum<br />

14. Juni 2012 im Filmmuseum eingereicht werden.<br />

Möglich sind die Formate 35mm, 16mm, DigiBeta,<br />

BetaSP, VHS, MiniDV, DVD und Blu-ray (keine Down -<br />

load-Links). Zugelassen werden nur Filme bis zu 15 Minuten<br />

Länge und maximal zwei Filme desselben Filmemachers.<br />

MFZ und Filmmuseum behalten sich vor,<br />

Filme nicht zuzulassen, wenn sie als für die Veranstaltung<br />

ungeeignet eingestuft werden. Sollten mehr Filme<br />

angemeldet werden als Vorführzeit zur Verfügung steht,<br />

werden die Veranstalter eine Auswahl treffen, wobei die<br />

Reihenfolge der Anmeldungen berücksichtigt wird. Alle<br />

Filmemacher, deren Filme im Programm gezeigt werden,<br />

können an der Kasse bis zu fünf Freikarten für den<br />

Zuschauerkino-Filmabend erhalten. Darüber hinaus bestehen<br />

keine weiteren Verpflichtungen des Filmmuseums.<br />

Es wird vorausgesetzt, dass die Filmemacher<br />

über die Rechte an den von ihnen eingereichten Filmen<br />

verfügen und diese am Abend vor der Projektion kurz<br />

vorstellen.<br />

Kontakt: E-Mail (zuschauerkino@yahoo.de), Telefon<br />

(089-233 20538), Fax (089-233 23931) oder Post<br />

(Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1, 80331<br />

München).<br />

▶ Donnerstag, 28. Juni 2012, 19.00 Uhr (Die Filme -<br />

macher sind anwesend)<br />

Zuschauerkino<br />

77


Zum 50. Todestag von Marilyn Monroe<br />

Marilyn Monroe<br />

78<br />

THe Seven yeAR iTcH<br />

Marilyn Monroe –<br />

Ich möchte geliebt werden<br />

Über Marilyn ist alles gesagt, geschrieben und spekuliert<br />

worden. Hunderte Annäherungen. Hunderte Versionen<br />

ihrer Herkunft, ihrer Karriere und ihres Todes. In<br />

meinem Film habe ich versucht, möglichst nur Menschen<br />

vor die Kamera zu holen, die sie nachweislich gekannt<br />

haben. Die meisten von ihnen leben heute nicht<br />

mehr. Meine Überlegungen zu Marilyn sind das Ergebnis<br />

dessen, was meine Gesprächspartner mir On- und<br />

Off-Kamera erzählt haben.<br />

Über ihren Tod<br />

Für mich besteht kein Zweifel, dass Marilyn ermordet<br />

worden ist. Über einen überdosierten Einlauf, den ihr<br />

ihre Haushälterin, eine ausgebildete Krankenschwester,<br />

verabreicht hat. Die entsprechenden Ergebnisse der<br />

Autopsie verschwanden, wie mir der bei der Autopsie<br />

anwesende Staatsanwalt erzählt hat. Vermutlich haben<br />

Robert Kennedy und der Polizeichef von Los Angeles<br />

dann dafür gesorgt, dass Marilyns Tod als »vermutlich<br />

Selbstmord« dargestellt wurde.<br />

Robert Kennedy, einer der letzten Lover und Besucher<br />

Marilyns, hatte starkes Interesse, ihren Tod als Selbstmord<br />

darzustellen. Weil sie sich von den Kennedys abgeschoben<br />

fühlte, hatte Marilyn damit gedroht, ihre Affäre<br />

mit den Kennedy-Brothers publik zu machen, was<br />

vernichtend für deren Reputation gewesen wäre. Und<br />

eine Untersuchung in Sachen Mord hätte die Beziehung<br />

zu den Kennedys offenbart. Und genau das war<br />

offenbar der Grund für Marilyns Ermordung – ihr Tod<br />

sollte die Kennedys vorführen und politisch vernichten.<br />

Es scheint heute immer wahrscheinlicher, dass Marilyns<br />

Haushälterin im Auftrag der Mafia handelte. Die<br />

Mafia hatte JFK geholfen, Präsident der USA zu werden.<br />

Teil des Deals war es offenbar, dass die Kennedys<br />

im Gegenzug die Mafia in Ruhe operieren lassen sollten.<br />

Als Robert Kennedy dann begann, gegen die Mafia<br />

vorzugehen, wurde das als Bruch der Absprache empfunden.<br />

Als der Mafia-Plot über die Ermordung Marilyns<br />

nicht funktionierte, die Kennedys zu beschädigen<br />

und zu warnen, nahm das organisierte Verbrechen JFK<br />

und Robert Kennedy selbst ins Visier. Erfolgreich, wie<br />

man weiß.


Was über ihre Karriere zu sagen ist<br />

Marilyn hat ein Leben lang andere ausgebeutet – und<br />

ist ein Leben lang von anderen ausgebeutet worden.<br />

Als sie ganz am Anfang in einer internen Studio-Revue<br />

auftreten sollte, bootete sie ihre beste Freundin durch<br />

eine Intrige aus. Ihre erste bemerkenswerte Filmrolle<br />

bekam sie, weil sie mit einem dreimal so alten Agenten<br />

eine Affäre begann. Marilyn war alles andere als das<br />

naive Blondchen. Sie war smart, immer auf ihren Vorteil<br />

bedacht und sie konnte über Leichen gehen, um ihre<br />

Ziele zu erreichen.<br />

Und sie begriff als einer der ersten Stars die Macht der<br />

Medien. Sie spielte genial auf der Medien-Klaviatur. Marilyn<br />

war, lange bevor sie eine Filmkamera sah, das am<br />

meisten photographierte Mädchen Amerikas: Tausende<br />

Titelbilder irgendwelcher Magazine, Millionen Fotos.<br />

Mit den meisten Photographen fing sie eine Affäre an –<br />

und wenn einer einmal nicht wollte, verfiel sie in Depression.<br />

Sie wollte geliebt werden. Immer. Ähnlich wie<br />

James Dean hat sie die Photographie bis zum Ende<br />

ihres Lebens ganz bewusst und brillant zur Selbst-Promotion<br />

eingesetzt.<br />

Sie hat mit bemerkenswerten Regisseuren gearbeitet,<br />

aber seltsamerweise waren ihre Filme nur selten so gut<br />

wie sie in ihnen war. Sie glaubte, schauspielerisch dazulernen<br />

zu müssen, begab sich in die Gewalt einer<br />

Acting-Trainerin, die alle Regisseure und Produzenten<br />

zur Verzweiflung trieb, und lieferte sich dann den Ausbeutungs-Mechanismen<br />

des Actors-Studio aus, weil<br />

sie hoffte, so zur Popularität auch noch das Prestige geliefert<br />

zu bekommen. Nicht nur in diesem Fall steckte<br />

Marilyn einmal mehr in einer Give-and-Take-Situation.<br />

Meine Marilyn-Vision artikuliert sich übrigens am<br />

schönsten in Filmen wie NIAGARA, GENTLEMEN PRE-<br />

FER BLONDES, BUS STOP, RIVER OF NO RETURN und<br />

SOME LIKE IT HOT. Egal unter welchen Qualen bei allen<br />

Beteiligten Filme wie diese entstanden – für mich sind<br />

diese Filme »ihre« Filme, wenn ich an Marilyn denke.<br />

Und was ihre Herkunft angeht<br />

Es gibt die süße Geschichte, dass das Waisenkind Marilyn<br />

im Bettchen lag, durch das Fenster den Wasserturm<br />

des Filmstudios sah und davon träumte, dort in<br />

diesem Studio ein Star zu werden. Dann gibt es die Geschichte<br />

von der angeblich geistesgestörten Mutter, die<br />

Klein-Marilyn abgeschoben hat und von den mal guten,<br />

mal bösen Pflegeeltern. Und dann die Geschichte vom<br />

Vater, der sich abgesetzt hat und den Marilyn nur einmal<br />

am Telefon gesprochen hat, woraufhin Dad erklärte,<br />

nicht mehr belästigt werden zu wollen. Alles Geschichten,<br />

die uns einfach zwingen, dieses vom Leben<br />

gezeichnete und missbrauchte Mädchen zu lieben, das<br />

dann in einer Fallschirm-Fabrik schuftete bis Ronald<br />

Reagans Propaganda-Mannen ihr Gesicht und wahrscheinlich<br />

nicht nur die Ausstrahlung ihres Gesichts<br />

entdeckten.<br />

Was da geboren wurde und was bis heute bleibt ist das<br />

Phänomen Marilyn Monroe:<br />

Es gibt zahllose Theorien, warum Marilyn Monroe zum<br />

Star der Stars wurde. Sicher spielt ihre Verletzlichkeit<br />

eine große Rolle, wobei sich die Frage stellt, ob wir da<br />

nicht ganz brav ihre private Problematik auf ihre Leinwand-Präsenz<br />

projizieren.<br />

Sicher spielt eine dominierende Rolle ihre Ausstrahlung<br />

auf den Photos und vor der Kamera. Die Kamera hat sie<br />

geliebt wie selten jemanden zuvor. Alles andere zählt<br />

vielleicht nicht.<br />

Kluge Analytiker haben festgestellt, dass das Phänomen<br />

Marilyn auch eine Kombination diverser Mythen<br />

ist: Sie ist einerseits der verführerische Vamp, auf den<br />

Marilyn Monroe<br />

79


Marilyn Monroe<br />

die Männer heftig reagieren. Und sie ist andererseits<br />

die fast hilflose, naive Unschuld, die bei den Frauen im<br />

Publikum den Beschützer-Instinkt weckt. Der Effekt ist<br />

jedenfalls, dass die Frauen den Vamp Marilyn nicht als<br />

Bedrohung empfinden.<br />

Legendär sind die Anekdoten von Marilyn als Set-Phänomen:<br />

Sie tauchte nie pünktlich auf, weil sie sich stundenlang<br />

in ihrer Garderobe verschanzte. Und sie konnte<br />

sich keinen Dialog merken. Sie stand mit ihren Problemen<br />

immer im Zentrum des Geschehens, was ihre<br />

Partner oft zu Wutausbrüchen hinriss, denn immer<br />

wenn Marilyn endlich einmal eine Einstellung gelang,<br />

wurde diese genommen, egal wie gut oder schlecht<br />

ihre Partner sein mochten.<br />

Marilyn schaffte es auch da immer, »geliebt« zu werden,<br />

alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber es ist<br />

ja auch, wie einer ihrer Freunde einmal sagte: Gleichgültig,<br />

wie nervtötend es war mit ihr zu arbeiten, wenn<br />

man dann die Muster sah, war alles vergessen …<br />

Und die private Marilyn?<br />

Ich glaube, eine private Marilyn existierte nicht. Sie inszenierte<br />

ihr Leben wie einen Film. Sie nahm sich gezielt<br />

die Männer, von denen sie sich etwas versprach –<br />

eine Hollywood-Karriere, zusätzliche Popularität bei den<br />

Sport-Fans oder zusätzliche Anerkennung bei der Intelligenz.<br />

Ich würde nicht sagen, dass alles an und um Marilyn<br />

nur Berechnung war, aber sie führte als einer der ersten<br />

Stars eine Art öffentlicher Existenz. Und ob sie wirklich<br />

eine Familie gründen und unbedingt ein Kind<br />

haben wollte, ist vielleicht auch nur wieder eine dieser<br />

herzzerreißenden Marilyn-Geschichten, die uns zwingen<br />

sollen, sie zu lieben.<br />

Schon klar, dass Marilyn in manchen Momenten sicher<br />

wusste, wer sie wirklich war und darüber mit viel Alkohol<br />

und anderen Drogen hinweg kommen wollte und<br />

musste. Ohne Skandale und Schwächen – auch das<br />

hat Marilyn sehr früh begriffen, spätestens als sie »aus<br />

Not« Nacktfotos machte – gibt es keine nachhaltige<br />

Karriere. Das war schon eine Lektion der Stummfilm-<br />

Stars.<br />

Und Marilyn Monroe unterhält und fasziniert uns auch<br />

heute immer noch mit ihren Inszenierungen vor und<br />

hinter der Kamera.<br />

Sie ist in der Götterwelt Hollywoods Aphrodite und Apoll,<br />

Artemis und eben auch Zeus. Forever.<br />

Eckhart Schmidt<br />

80<br />

RiveR OF nO ReTURn


MARILYN MONROE – MIT IHREN EIGENEN WORTEN<br />

– Deutschland 2007 – R+B: Eckhart Schmidt – K:<br />

Steve Etkins – M: Toti Basso – 30 min – »Der Film ist<br />

faszinierend, weil er Marilyns Standpunkte aus Print-Interviews<br />

zu allen Fragen von Ehe, Beruf, Sex, Karriere,<br />

Hollywood wiedergibt. Und er funktioniert wie ein Trailer<br />

zu meinem eigentlichen Marilyn-Film.« (Eckhart<br />

Schmidt) – MARILYN MONROE – ICH MÖCHTE GE-<br />

LIEBT WERDEN – Deutschland 2011 – R+B: Eckhart<br />

Schmidt – K: Steve Etkins, Hans Albrecht Lusznat, Thomas<br />

Rist, Jens Thiele, Mark Molesworth – M: Toti<br />

Basso – Mit Mickey Rooney, Tony Curtis, Jane Russell,<br />

Don Murray, John Gilmore, George Barris, Arnold<br />

Newman, Douglas Kirkland, Diane Herbert, Lawrence<br />

Schiller, Bob Willoughby, Murray Garrett, Peter Bogdanovich,<br />

Steven Gaydos, Milton Weiss, John W.Miner –<br />

90 min – Eckhart Schmidt lässt vor allem Zeugen zu<br />

Wort kommen, die Marilyn Monroe wirklich gekannt<br />

haben, die mit ihr befreundet waren und mit ihr gearbeitet<br />

haben. Der Film konzentriert sich auf die Kindheit,<br />

die Karriere, die Männer-Geschichten und die<br />

Träume und Traumata von Marilyn, und macht schließlich<br />

die Ereignisse nachvollziehbar, die zu ihrem Tod geführt<br />

haben.<br />

▶ Sonntag, 8. Juli 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Eckhart<br />

Schmidt)<br />

THE ASPHALT JUNGLE (ASPHALT-DSCHUNGEL) –<br />

USA 1950 – R: John Huston – B: Ben Maddow, John<br />

Huston, nach einem Roman von W. R. Burnett – K:<br />

Harold Rosson – M: Miklós Rózsa – D: Sterling Hayden,<br />

Louis Calhern, Sam Jaffe, Jean Hagen, James<br />

Whitmore, John McIntire, Marc Lawrence, Marilyn<br />

Monroe, Barry Kelley – 112 min, OF – Gerade aus der<br />

Haft entlassen, plant Dix Handley ein letztes ganz<br />

großes Ding. Er stellt ein ideales Team zusammen,<br />

nichts wird dem Zufall überlassen, der Raub soll wie<br />

ein Uhrwerk ablaufen, und dann raus aus dem Asphaltdschungel<br />

der Stadt, aufs Land, ins Grüne. Ein Pferdehof<br />

wäre sein Traum. THE ASPHALT JUNGLE war der<br />

erste Kriminalfilm, der aus der Perspektive der Täter<br />

erzählte. Keine Figur spielt mit offenen Karten, alle bemühen<br />

sich ihre Emotionen zu verbergen, doch was im<br />

Inneren geschieht, verrät uns Miklós Rózsas Musik voll<br />

irrationaler romantischer Sehnsucht. Marilyn spielt die<br />

Geliebte eines korrupten Rechtsanwalts, die dieser als<br />

seine Nichte vorstellt. »Crime is a left-handed form of<br />

human endeavour.« (Sam Jaffe als Doc Erwin Riedenschneider)<br />

▶ Dienstag, 10. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

13. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

ALL ABOUT EVE (ALLES ÜBER EVA) – USA 1950 –<br />

R+B: Joseph L. Mankiewicz – K: Milton Krasner – M:<br />

Alfred Newman – D: Bette Davis, George Sanders,<br />

Anne Baxter, Celeste Holm, Hugh Marlowe, Gregory Ratoff,<br />

Marilyn Monroe – 138 min, OmU – Ein alternder<br />

Broadwaystar (Davis) gerät unter den Einfluss einer jungen<br />

Schauspielerin (Baxter), hinter deren Bewunderung<br />

sich ganz eigene Pläne verbergen. Marilyn Monroes<br />

kleine Rolle erregte großes Aufsehen, ihre beiden Szenen<br />

leiten jeweils entscheidende Wendepunkte ein.<br />

Man findet darin schon viele der Charakteristika, auf<br />

die sie später festgelegt wurde und gegen die sie oft<br />

erfolglos aufbegehrte. Die Starbesetzung jagte ihr<br />

schreckliche Angst ein, doch Regisseur Mankiewicz<br />

gab ihr die nötige Lockerheit. Der Kollege Gregory Ratoff<br />

prophezeite am Set »That girl ees goink to be a<br />

beeg star!«<br />

▶ Mittwoch, 11. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag,<br />

14. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

LOVE NEST – USA 1951 – R: Joseph M. Newman – B:<br />

I.A.L. Diamond, nach einem Roman von Scott Corbett –<br />

K: Lloyd Ahern – M: Cyril Mockridge – D: June Haver,<br />

William Lundigan, Frank Fay, Marilyn Monroe, Jack<br />

Paar, Leatrice Joy – 84 min, OF – Ein Schriftsteller und<br />

seine Frau investieren in ein Mietshaus, doch anstatt<br />

endlich Zeit fürs Schreiben zu haben, beanspruchen<br />

die Aufregungen rund um die Mieter ihre ganze Aufmerksamkeit.<br />

Eine witzige und abwechslungsreiche<br />

Komödie der Irrungen, unkonventionell besetzt und mit<br />

einer nicht klischierten Rolle für Marilyn Monroe als<br />

ehemaliges Mitglied des militärischen Frauenkorps.<br />

Das temporeiche und pointierte Drehbuch von I.A.L.<br />

Diamond (der regelmäßig mit Billy Wilder arbeitete)<br />

führt souverän durch die Verwicklungen der Handlung.<br />

▶ Donnerstag, 12. Juli 2012, 20.00 Uhr<br />

CLASH BY NIGHT (VOR DEM NEUEN TAG) – USA<br />

1952 – R: Fritz Lang – B: Alfred Hayes, nach einem<br />

Stück von Clifford Odets – K: Nicholas Musuraca – M:<br />

Roy Webb – D: Barbara Stanwyck, Paul Douglas, Robert<br />

Ryan, Marilyn Monroe, Keith Andes, J. Carroll<br />

Naish – 105 min, OF – Desillusioniert und hart geworden,<br />

kehrt ein Frau aus der Großstadt in den kleinen<br />

Fischerort ihrer Jugend zurück. Aus Sehnsucht nach<br />

Geborgenheit gibt sie dem Werben eines Fischers nach,<br />

doch sie hat sehr viel Seelengepäck mitgebracht. Parallel<br />

dazu wird die Geschichte eines jungen Paares im<br />

Ort erzählt. »Mehr als Barbara Stanwyck in der Hauptrolle<br />

überzeugt dabei Marilyn Monroe, die man bislang<br />

wohl noch nie so nett und natürlich und so angenehm<br />

Marilyn Monroe<br />

81


Marilyn Monroe<br />

82<br />

ihrer koketten Unarten entkleidet sah.« (Franziska Violet)<br />

Stilistisch ist CLASH BY NIGHT weniger Melodram<br />

als film noir, und der Beginn gleicht gar einem kompakten<br />

Dokumentarfilm: Die Dreharbeiten begannen mit<br />

Verzögerung, und so hatten Fritz Lang und sein Team<br />

Gelegenheit, die Arbeit der Fischer zu begleiten.<br />

▶ Freitag, 13. Juli 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />

15. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

WE’RE NOT MARRIED! (WIR SIND GAR NCHT VER-<br />

HEIRATET) – USA 1952 – R: Edmund Goulding – B:<br />

Nunnally Johnson – K: Leo Tover – M: Cyril Mockridge –<br />

D: Ginger Rogers, Fred Allen, Victor Moore, Marilyn<br />

Monroe, David Wayne, Eve Arden, Paul Douglas, Louis<br />

Calhern, Zsa Zsa Gabor, Mitzi Gaynor, Eddie Bracken,<br />

James Gleason, Jane Darwell – 86 min, OF – Alles auf<br />

Anfang: Fünf Paare müssen feststellen, dass ihre Ehen<br />

nicht gültig sind. Die einzelnen Sketche hätten sehr<br />

leicht zu einer öden Aufzählung verkommen können,<br />

doch die brillant besetzte Komödie bleibt abwechslungsreich<br />

und gleitet dabei nie in die Putzigkeit ab. In<br />

der stärksten Episode ist Marilyn Monroe eine Schönheitskönigin,<br />

James Gleason ihr gerissener Manager<br />

und David Wayne ihr Ehemann, der verlangt, dass seine<br />

Frau an den häuslichen Herd zurückkehre.<br />

▶ Samstag, 14. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />

DON’T BOTHER TO KNOCK (VERSUCHUNG AUF 809)<br />

– USA 1952 – R: Roy Ward Baker – B: Daniel Taradash,<br />

nach einem Roman von Charlotte Armstrong – K: Lucien<br />

Ballard – M: Lionel Newman – D: Marilyn Monroe,<br />

Richard Widmark, Anne Bancroft, Donna Corcoran,<br />

Jeanne Cagney – 76 min, OF – Ein Pilot, dessen Freundin<br />

ihm gerade den Laufpass gegeben hat, sucht Anschluss<br />

bei einer jungen Frau, die in seinem Hotel als<br />

Babysitterin arbeitet. Als er erkennt, dass die seelisch<br />

kranke Frau auf eine Krise zusteuert, gerät das Leben<br />

des ihr anvertrauten Kindes in Gefahr. Der packende,<br />

verstörende Thriller des Briten Roy Ward Baker bot Marilyn<br />

Monroe ihre bis dahin größte und schwierigste<br />

Rolle. Drehbuch und Regie steigern gnadenlos die<br />

Spannung, und die komplexen Figuren sind angenehm<br />

frei von Stereotypen.<br />

▶ Sonntag, 15. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />

MONKEY BUSINESS (LIEBLING, ICH WERDE JÜN-<br />

GER) – USA 1952 – R: Howard Hawks – B: Ben Hecht,<br />

Charles Lederer, I.A.L. Diamond – K: Milton Krasner –<br />

M: Leigh Harline – D: Cary Grant, Ginger Rogers, Charles<br />

Coburn, Marilyn Monroe, Hugh Marlowe – 97 min,<br />

OF – Einem Versuchsaffen gelingt, woran die Wissenschaftler<br />

scheitern: Er mixt unbemerkt ein höchst wirksames<br />

Verjüngungsmittel, bringt es in die Wasserversorgung<br />

des Labors ein und eröffnet allen Beteiligten<br />

durch die Droge neue, enthemmte Handlungsoptionen.<br />

Marilyn Monroe spielt eine Sekretärin, die sich nicht<br />

durch berufliche Qualifikationen oder Intelligenz auszeichnet.<br />

Die Screwball Comedy war als Starvehikel für<br />

Cary Grant und Ginger Rogers geplant, doch die aufstrebende<br />

Marilyn Monroe, die eigentlich nur eine<br />

Nebenrolle spielte, zog alle Aufmerksamkeit auf sich.<br />

Howard Hawks beschrieb Marilyn als »the most frightened<br />

little girl on that movie, who had no confidence in<br />

her ability. A very strange girl. But when she got out in<br />

front of the camera, the camera liked her. Suddenly,<br />

she was a great sex symbol. Cary was a lot of help with<br />

her in MONKEY BUSINESS. She listened to him.«<br />

▶ Dienstag, 17. Juli 2012, 20.00 Uhr<br />

NIAGARA – USA 1953 – R: Henry Hathaway – B: Charles<br />

Brackett, Walter Reisch, Richard Breen – K: Joe<br />

MacDonald – M: Sol Kaplan – D: Joseph Cotten, Marilyn<br />

Monroe, Jean Peters, Don Wilson, Casey Adams –<br />

92 min, OF – Ist George Loomis krankhaft eifersüchtig<br />

und schwer paranoid, oder ist es wahr, dass seine Frau<br />

vorhat, ihn loszuwerden? Hathaway hatte für die Figur<br />

eigentlich James Mason im Sinn, doch dessen Tochter<br />

wollte ihren Papa nicht in dieser Rolle sehen. »Excellent


suspenser with breathtaking locations; in the best Hitch -<br />

cock class« (Leslie Halliwell). Die aufgeladene, gespann -<br />

te Atmosphäre wird in dramatische Bildkompositionen<br />

mit umwerfenden Technicolor-Akzenten umgesetzt, Sol<br />

Kaplans Musik verleiht den Bildern zusätzliche Wucht,<br />

der Campingplatz an den Niagarafällen wird zu einem<br />

fast mythischen Zwischenreich zwischen Leben und<br />

Tod, und Marilyn Monroe singt zu einer Schallplatte Lionel<br />

Newmans Hit »Kiss«. »The only movie that explored<br />

the mean, unsavoury potential of Marilyn Monroe’s<br />

cuddly, infantile perversity« (Pauline Kael)<br />

▶ Mittwoch, 18. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />

20. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

GENTLEMEN PREFER BLONDES (BLONDINEN BE-<br />

VORZUGT) – USA 1953 – Howard Hawks – B: Charles<br />

Lederer, nach einem Roman von Anita Loos – K: Harry<br />

J. Wild – Choreographie: Jack Cole – M: Jule Styne &<br />

Leo Robin, Hoagy Carmichael & Harold Adamson – D:<br />

Jane Russell, Marilyn Monroe, Charles Coburn, Tommy<br />

Noonan, George Winslow – 91 min, OF – Zwei Tänzerinnen<br />

aus Little Rock reisen nach Paris, die eine sucht<br />

Liebe, die andere eine gute Partie. Vielleicht finden sie<br />

ja schon auf dem Dampfer Kandidaten? GENTLEMEN<br />

PREFER BLONDES beruht auf einem Stoff aus den<br />

1920er Jahren, er wurde einer der beliebtesten Filme<br />

mit Marilyn Monroe (mit den berühmten Nummern<br />

»Diamonds Are a Girl’s Best Friend« und »Anyone Here<br />

for Love?«) und blieb ihre einzige Zusammenarbeit mit<br />

Jane Russell. »It was a complete caricature, a travesty<br />

on sex. It didn’t have normal sex. Jane Russell was supposed<br />

to represent sanity.« (Howard Hawks)<br />

▶ Donnerstag, 19. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag,<br />

21. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

HOW TO MARRY A MILLIONAIRE (WIE ANGELT MAN<br />

SICH EINEN MILLIONÄR?) – USA 1953 – R: Jean Negulesco<br />

– B: Nunnally Johnson – K: Joe MacDonald –<br />

M: Cyril Mockridge – D: Lauren Bacall, Marilyn Monroe,<br />

Betty Grable, William Powell, Cameron Mitchell, David<br />

Wayne, Rory Calhoun – 96 min, OF – Drei New Yorker<br />

Models kratzen ihr letztes Geld zusammen, mieten ein<br />

teures Appartement und schwören einander, nicht<br />

mehr ihrem Herzen zu folgen, sondern Millionäre zum<br />

Heiraten zu finden. Es kommt, wie es kommen muss.<br />

Jean Negulescos eleganter und großzügig ausgestatteter<br />

Film war eine der ersten Komödien in CinemaScope<br />

und bietet eine Fülle von Schauwerten (in den Studiowie<br />

in den Außenaufnahmen). Besonders ungewöhnlich<br />

ist ein ausführliches Orchestervorspiel vor den Titeln,<br />

das nicht als Ouvertüre im Dunklen läuft, sondern<br />

die Musiker in Farbe und Breitwand präsentiert.<br />

▶ Freitag, 20. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />

RIVER OF NO RETURN (FLUSS OHNE WIEDERKEHR)<br />

– USA 1954 – R: Otto Preminger – B: Frank Fenton –<br />

K: Joseph La Shelle – M: Cyril Mockridge – D: Robert<br />

Mitchum, Marilyn Monroe, Tommy Rettig, Rory Calhoun,<br />

Murvyn Vye – 91 min, OF – Ein verwitweter Farmer, der<br />

gerade eine Haftstrafe verbüßt hat, holt seinen kleinen<br />

Sohn zu sich und lernt so die Saloonsängerin kennen,<br />

die sich um den Jungen kümmerte. Sie begegnen ein -<br />

ander wieder, als die Sängerin mit ihrem Begleiter auf<br />

dem Weg in die Goldfelder ist. Als ein Angriff feindlicher<br />

Indianer droht, macht sich der Begleiter davon. Der Farmer,<br />

sein Sohn und die Sängerin fliehen auf einem Floß<br />

flußabwärts. RIVER OF NO RETURN ist voller starker<br />

Symbole und nutzt das CinemaScope-Format ausgesprochen<br />

innovativ. Bald bietet er einen weiten Ausblick,<br />

der einen regelrechten Sog entwickelt, bald ist<br />

die Leinwand bis zum Rand mit kleinen Ereignissen gefüllt,<br />

bald können Bildinhalte neben dem eigentlichen<br />

Geschehen unaufdringlich dargeboten werden, die im<br />

Normalformat durch einen Schnitt mit Bedeutsamkeit<br />

aufgeladen würden.<br />

▶ Samstag, 21. Juli 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />

22. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

Marilyn Monroe<br />

83


THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOW BUSINESS<br />

(RHYTHMUS IM BLUT) – USA 1954 – R: Walter Lang –<br />

B: Phoebe & Henry Ephron – K: Leon Shamroy – M: Lionel<br />

Newman, Alfred Newman, Irving Berlin – D: Ethel<br />

Merman, Dan Dailey, Marilyn Monroe, Donald O’Connor,<br />

Mitzi Gaynor – 117 min, OF – Eine Familiengeschichte<br />

auf den Vaudeville-Bühnen und im Leben. Irving Berlins<br />

Melodien und die mit großem Aufwand und viel Liebe<br />

zum Detail betriebene Beschwörung einer untergegangenen<br />

Bühnenwelt ergeben eine einmalige Kombination.<br />

Walter Lang gelingt das Kunststück, Irving Berlins<br />

Klassiker »Heat Wave« und »After You Get What You<br />

Want You Don’t Want It« als große Marilyn-Bühnennummern<br />

zu inszenieren und diese organisch in den Fluss<br />

des Films und den Handlungsablauf einzufügen.<br />

▶ Sonntag, 22. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />

THE SEVEN YEAR ITCH (DAS VERFLIXTE 7. JAHR) –<br />

USA 1955 – R: Billy Wilder – B: Billy Wilder, George<br />

Axelrod, nach dem Bühnenstück von George Axelrod –<br />

K: Milton Krasner – M: Alfred Newman – D: Marilyn<br />

Monroe, Tom Ewell, Evelyn Keyes, Robert Strauss,<br />

Sonny Tufts, Oskar Homolka, Marguerite Chapman –<br />

105 min, OF – Wer kann, verlässt während der mörderisch<br />

heißen Hochsommertage New York. Der daheimgebliebene<br />

Strohwitwer (Tommy Ewell) spinnt derweil<br />

Fantasien über seine Nachbarin (Marilyn Monroe). »Sex<br />

im Konjunktiv: Jeder Satz des Trostes und der Ermunterung,<br />

jeder Augenaufschlag, jede aufreizende Geste<br />

von Marilyn sind auch an uns Zuschauer gerichtet. Insofern<br />

ist THE SEVEN YEAR ITCH sehr viel erotischer als<br />

etwa harte Sex-Filme oder gar Pornos. Denn so ungeniert<br />

werden die Lüste des Zuschauers sonst selten angesprochen.«<br />

(Claudius Seidl)<br />

▶ Dienstag, 24. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag,<br />

28. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

Marilyn Monroe, hat es schwer damit, sich so ungelenk<br />

und untalentiert anzustellen, wie sie es in BUS STOP<br />

tut, wenn sie Arlen-Mercers That Old Black Magic massakriert.<br />

Cheries anrührende Unfähigkeit ist Monroes<br />

große Kunst, frei von jeder Eitelkeit.<br />

▶ Mittwoch, 25. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />

29. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />

THE PRINCE AND THE SHOWGIRL (DER PRINZ UND<br />

DIE TÄNZERIN) – GB 1957 – R: Laurence Olivier – B:<br />

Terence Rattigan, nach seinem Stück »The Sleeping<br />

Prince« – K: Jack Cardiff – M: Richard Addinsell – D:<br />

Laurence Olivier, Marilyn Monroe, Sybil Thorndike, Richard<br />

Wattis, Jeremy Spenser – 115 min, OF – Die Liebesgeschichte<br />

zwischen einem ausländischen Großherzog,<br />

der 1911 als Gast zur Krönungsfeier von George I.<br />

in London geladen ist, und einer amerikanischen Tänzerin.<br />

Zunächst sucht er lediglich ein Abenteuer und sie<br />

will ihn abblitzen lassen, doch als sie seine politischen<br />

Marilyn Monroe<br />

84<br />

BUS STOP – USA 1956 – R: Joshua Logan – B: George<br />

Axelrod, nach einem Stück von William Inge – K:<br />

Milton Krasner – M: Alfred Newman, Cyril Mockridge –<br />

D: Marilyn Monroe, Don Murray, Betty Field, Arthur<br />

O’Connell, Eileen Heckart, Hans Conried – 96 min, OF –<br />

Cherie singt in einem miesen kleinen Café. Als Bo sie<br />

dort sieht, ist es um ihn geschehen. Wie soll das gut -<br />

gehen? Auf ihrer Bühne ist sie zurechtgemacht wie ein<br />

Spielzeug. »Bei jeder anderen wäre das unerträglich gewesen,<br />

billig und ohne Schönheit. Bei Marilyn sieht es<br />

aus, als würde dies alles von einem wirklichen wahrhaftigen<br />

Engel getan, den kein Schmutz dieser Welt beschmutzen<br />

kann.« (Helma Sanders-Brahms) Wer singen<br />

kann und sich auf der Bühne zu bewegen weiß wie


Ränkespiele sieht, ergreift sie die Initiative. Die Konstellation<br />

auf der Leinwand und hinter der Kamera (Monroe<br />

und Olivier produzierten den Film auch) beförderte Vermutungen,<br />

hier ahme die Kunst das Leben nach: Der<br />

große Schauspieler Olivier habe davon geträumt, ein<br />

Weltstar zu sein, und der Weltstar Marilyn Monroe<br />

davon, eine große Schauspielerin zu sein. Von den<br />

Dreharbeiten zu THE PRINCE AND THE SHOWGIRL handelt<br />

der Spielfilm MY WEEK WITH MARILYN, den das<br />

Filmmuseum am 10. Juni 2012 zeigt.<br />

▶ Donnerstag, 26. Juli 2012, 20.00 Uhr<br />

SOME LIKE IT HOT (MANCHE MÖGEN’S HEISS) –<br />

USA 1959 – R: Billy Wilder – B: Billy Wilder, I.A.L. Diamond<br />

– K: Charles Lang Jr. – M: Adolph Deutsch – D:<br />

Marilyn Monroe, Tony Curtis, Jack Lemmon, George<br />

Raft, Joe E. Brown – 121 min, OmU – Chicago 1929.<br />

Zwei Musiker werden Zeugen des Valentinstag-Massakers<br />

und müssen untertauchen. Als Frauen verkleidet,<br />

schließen sie sich einer Damenkapelle an, die nach Florida<br />

unterwegs ist. Doch wie wollen sie in Marilyn Monroes<br />

Gegenwart an ihrem Versteckspiel festhalten?<br />

Immer dann, wenn die Grundkonstellation dieser Komödie<br />

ausgereizt erscheint, nimmt die Geschichte eine unerwartete<br />

Wendung. Das Drehbuch strotzt vor geschliffenen<br />

Dialogen und ausgesuchten Bosheiten. Und<br />

wenn Tony Curtis den einzigartigen Tonfall Cary Grants<br />

exakt trifft, erntet er nur ein lapidares »nobody talks like<br />

that«.<br />

▶ Freitag, 27. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />

LET’S MAKE LOVE (MACHEN WIR’S IN LIEBE) – USA<br />

1960 – R: George Cukor – B: Norman Krasna – K: Daniel<br />

L. Fapp – M: Lionel Newman, Earl H. Hagen, songs<br />

Sammy Cahn, Jimmy Van Heusen – D: Yves Montand,<br />

Marilyn Monroe, Tony Randall, Wilfrid Hyde-White, Frankie<br />

Vaughan – 119 min, OF – Als ein Milliardär erfährt,<br />

dass sich eine Broadwayshow über ihn lustig machen<br />

will, bewirbt er sich dort als Darsteller seiner selbst. So<br />

hofft er, der Sängerin Amanda näher zu kommen. LET’S<br />

MAKE LOVE entwickelt seine Komik mehr aus seinen<br />

Charakteren als aus der Grundsituation, und der Milliardär<br />

stemmt sich vehement gegen die Vorstellung vom<br />

»Charakter als Schicksal«. Besonders schön ist das zu<br />

sehen, wenn der steife Bürohengst die besten Trainer<br />

engagiert, um bühnentauglich zu werden: Bing Crosby,<br />

Gene Kelly und Milton Berle eilen zu Hilfe!<br />

▶ Samstag, 28. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />

THE MISFITS (NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG) – USA<br />

1961 – R: John Huston – B: Arthur Miller – K: Russell<br />

Metty – M: Alex North – D: Clark Gable, Marilyn Monroe,<br />

Montgomery Clift, Eli Wallach, Thelma Ritter –<br />

124 min, OmU – In Reno begegnen sich einige ziellose<br />

Gestalten: Ein alternder Cowboy, eine frisch geschiedene<br />

Nachtklubtänzerin, ein ehemaliger Bomberpilot,<br />

ein abgetakelter Rodeoreiter. Sie alle sind psychisch<br />

verletzt, sie alle fragen sich, ob sie gescheitert sind.<br />

Aus ihrer Begegnung gehen sie alle verändert hervor.<br />

Keiner offenbart sich ganz; den emotionalen Kern artikuliert<br />

Alex Norths bewegende Musik. Arthur Miller<br />

schrieb das Drehbuch für seine Frau Marilyn Monroe.<br />

John Huston: »She went right down into her own personal<br />

experience for everything, reached down and pulled<br />

something out of herself that was unique and extraordinary.«<br />

Clark Gable spielte in THE MISFITS seine letzte<br />

Rolle; auch Marilyn Monroe stellte keinen weiteren Film<br />

mehr fertig.<br />

▶ Freitag, 27. Juli 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />

29. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />

Marilyn Monroe<br />

85


<strong>münchen</strong><br />

Kalenderübersicht<br />

86<br />

So, 26.2. 11.00 Neuer Deutscher Film München ehrt die Unterzeichner des Seite 4<br />

»Oberhausener Manifests«<br />

Ansprache: Christian Ude. Zu Gast: Bernhard Dörries, Rob<br />

Houwer, Alexander Kluge, Dieter Lemmel, Ronald Martini,<br />

Hansjürgen Pohland, Edgar Reitz, Wolfgang Urchs<br />

17.30 Film & Psychoanalyse EDIPO RE – BETT DER GEWALT (1967)<br />

Einführung: Salek Kutschinski, Heidi Spanl<br />

21.00 Margarethe von Trotta LA FUGA DI TERESA – TERESAS FLUCHT (2011)<br />

Zu Gast: Margarethe von Trotta<br />

Mo, 27.2. Keine Vorstellung<br />

Di, 28.2. 19.00 Die rote Traumfabrik DIE ROTE TRAUMFABRIK (2012) / WOSSTANIJE 9<br />

RYBAKOW – AUFSTAND DER FISCHER (1935)<br />

Am Flügel: Richard Siedhoff<br />

Einführung: Alexander Schwarz<br />

Mi, 29.2. 18.30 Die rote Traumfabrik SCHACHMATNAJA GORJATSCHKA – SCHACHFIEBER 10<br />

(1925) / AELITA – DER FLUG ZUM MARS (1927)<br />

Am Flügel: Richard Siedhoff<br />

21.00 Neuer Deutscher Film WAS DU ERERBT VON DEINEN VÄTERN (1957) / MAYA. 5<br />

EIN FILM VOM DEUTSCHEN FILMNACHWUCHS (1958)<br />

Do, 1.3. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 2.3. 18.30 Die rote Traumfabrik ODNA IS MNOGICH – EINE VON VIELEN (1927) / 10<br />

POZELUI MERI PIKFORD – DER KUSS DER MARY<br />

PICKFORD (1927)<br />

Am Flügel: Joachim Bärenz<br />

21.00 Neuer Deutscher Film SCHICKSAL EINER OPER (1958) / EINE STADT FEIERT 5<br />

GEBURTSTAG (1958) / MENSCHEN IM ESPRESSO (1958)<br />

/ DAS BEGRÄBNIS (1960) / GESICHT VON DER STANGE?<br />

(1961) / MADELEINE, MADELEINE (1963) / … UND DANN<br />

BYE-BYE (1965) / DER STADTSTREICHER (1966)<br />

Sa, 3.3. 18.30 Die rote Traumfabrik MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK (1929) 10<br />

Am Flügel: Joachim Bärenz<br />

21.00 Neuer Deutscher Film BRUTALITÄT IN STEIN (1961) / DIE GARTENZWERGE 5<br />

(1961) / NOTIZEN AUS DEM ALTMÜHLTAL (1961) /<br />

MACHORKA-MUFF (1962) / ES MUSS EIN STÜCK VOM<br />

HITLER SEIN (1963) / DIE WECHSLER IM TEMPEL (1965) /<br />

WAHLKAMPF – MADE IN GERMANY (1966)<br />

So, 4.3. 18.30 Die rote Traumfabrik ÜBERFLÜSSIGE MENSCHEN (1926) 11<br />

Mo, 5.3.<br />

21.00 Neuer Deutscher Film SONNABEND, 17 UHR (1966) / ZU JUNG FÜR DIE 5<br />

LIEBE?! (1961)<br />

Keine Vorstellung<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Di, 6.3. 18.30 Die rote Traumfabrik PUTJOWKA W SCHISN – DER WEG INS LEBEN (1931) 11<br />

21.00 Neuer Deutscher Film PRESSEKONFERENZ IN CANNES (1962) / DAS BROT 6<br />

DER FRÜHEN JAHRE (1962)<br />

Mi, 7.3. 18.30 Die rote Traumfabrik OKRAINA – VORSTADT (1933) 11<br />

21.00 Neuer Deutscher Film »… GEIST UND EIN WENIG GLÜCK« (1965) / NEUER 6<br />

DEUTSCHER FILM REPORT (1967) / DIE ERBEN VON PAPAS<br />

KINO (1968) / BESONDERS WERTVOLL (1968) / VERRÄTER<br />

DES JUNGEN DEUTSCHEN FILMS SCHLAFEN NICHT (1982)<br />

Do, 8.3. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 9.3. 18.30 Die rote Traumfabrik SOROK SERDEZ – VIERZIG HERZEN (1931) / TRI PESNI 11<br />

O LENINE – DREI LIEDER ÜBER LENIN (1934)<br />

21.00 Jiř í Trnka ZASADIL DEDEK REPU – GROSSVATER PFLANZT EINE 15<br />

RÜBE (1945) / PERAK A SS – DER FEDERMANN UND DIE<br />

SS (1946) / ROMAN S BASOU – ROMAN MIT DEM KON-<br />

TRABASS (1949) / VESELY CIRKUS – DER LUSTIGE ZIRKUS<br />

(1951) / KYBERNETICKA BABICKA – DIE KYBERNETISCHE<br />

GROSSMUTTER (1961) / ARCHANDEL GABRIEL A PANI<br />

HUSA – ERZENGEL GABRIEL UND FRAU GANS (1964)<br />

Sa, 10.3. 18.30 Die rote Traumfabrik RWANYJE BASCHMAKI – ZERRISSENE STIEFELCHEN 12<br />

(1933)<br />

21.00 Jiř í Trnka LOUTKY JIRIHO TRNKY – JIRI TRNKAS MARIONETTEN 15<br />

(1969) / STARE POVESTI CESKE – ALTE BÖHMISCHE<br />

SAGEN (1953)<br />

So, 11.3. 18.30 Die rote Traumfabrik GIBEL SENSAZII – UNTERGANG DER SENSATION (1935) 12<br />

21.00 Jiř í Trnka RUKA – DIE HAND (1965) / SEN NOCI SVATOJANSKE – 15<br />

EIN SOMMERNACHTSTRAUM (1959)<br />

Mo, 12.3. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />

Di, 13.3. 18.30 Die rote Traumfabrik SOLOTOJE OSERO – DER GOLDENE SEE (1935) 12<br />

21.00 Neuer Deutscher Film GESCHWINDIGKEIT (1963) / ABSCHIED VON GESTERN 7<br />

(1966)<br />

Mi, 14.3. 18.30 Die rote Traumfabrik SLUTSCHAINAJA WSTRETSCHA – ZUFÄLLIGE BEGEG- 12<br />

NUNG (1936)<br />

21.00 Tony Gatlif LES PRINCES – TOD IM REGEN (1983) 26<br />

Do, 15.3. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 16.3 18.30 NS-Filmpropaganda TRIUMPH DES WILLENS (1935) 20<br />

Einführung: Karl Griep<br />

21.00 NS-Filmpropaganda INNENANSICHTEN. DEUTSCHLAND 1937 (2012) 20<br />

Einführung: Michael Kloft. Anschließend Diskussion mit<br />

Michael Kloft, Karl Griep und Christian Lüffe.<br />

Kalenderübersicht<br />

87<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Kalenderübersicht<br />

88<br />

Sa, 17.3. 17.00 NS-Filmpropaganda »Unser Haus halten wir selber sauber« – Seite 20<br />

Zur Geschichte der FSK<br />

Vortrag von Christiane von Wahlert<br />

18.30 NS-Filmpropaganda … REITET FÜR DEUTSCHLAND (1941) 20<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 NS-Filmpropaganda Vom Umgang mit »Vorbehaltsfilmen« 20<br />

Diskussion mit Ernst Szebedits, Christiane von Wahlert, Hans<br />

Schmid und Markus Zimmer. Einführung: Hans Schmid<br />

So, 18.3. 17.00 NS-Filmpropaganda Geschichte und Struktur der 20<br />

Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung<br />

Vortrag von Ernst Szebedits<br />

18.30 NS-Filmpropaganda Riefenstahl und die Folgen 20<br />

Vortrag mit Filmbeispielen von Ernst Schreckenberg<br />

21.00 NS-Filmpropaganda HITLERS HITPARADE (2004) 20<br />

Einführung: C. Cay Wessnigk<br />

Mo, 19.3. 19.00 Keine Vorstellung<br />

Di, 20.3. 18.30 NS-Filmpropaganda HITLERJUNGE QUEX (1933) 21<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Neuer Deutscher Film KLEINE FRONT (1965) / DIE TOTE VON BEVERLY HILLS 7<br />

(1964)<br />

Mi, 21.3. 18.30 NS-Filmpropaganda KOPF HOCH, JOHANNES! (1941) 21<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Tony Gatlif LATCHO DROM – GUTE REISE (1993) 26<br />

Do, 22.3. 19.00 Dieter Wieland DIE GROSSMARKTHALLE: MAGEN DER GROSSSTADT 29<br />

(1971) / VORSTADT GIESING (1975) / DER HAUSBAUM<br />

(1983) / GRÜN KAPUTT – LANDSCHAFT UND GÄRTEN DER<br />

DEUTSCHEN (1983) Zu Gast: Dieter Wieland<br />

Fr, 23.3. 18.30 Dieter Wieland UNSER DORF SOLL HÄSSLICH WERDEN (1975) / DAS 30<br />

DACH (1980) / DER FERNPASS (1975)<br />

21.00 Hong Sangsoo BOOK-CHON BANG-HYANG – THE DAY HE ARRIVES 34<br />

(2011)<br />

Sa, 24.3. 18.30 Dieter Wieland LANDSHUT ODER HAT DIE SCHÖNHEIT EINE CHANCE? 30<br />

(1973) / LANDSHUT. GESPRÄCH ÜBER DIE PROBLEME EINER<br />

SCHÖNEN ALTEN STADT (1973) Zu Gast: Dieter Wieland<br />

21.00 Hong Sangsoo DAIJIGA UMULE PAJINNAL – THE DAY A PIG FELL 35<br />

INTO THE WELL (1996)<br />

So, 25.3. 17.30 Film & Psychoanalyse Freuds Witz und die Psychoanalyse der Filmkomik 39<br />

Vortrag von Andreas Hamburger<br />

DUCK SOUP – DIE MARX BROTHERS IM KRIEG (1933)<br />

Einführung: Salek Kutschinski, Mathias Lohmer<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

So, 25.3. 21.00 Hong Sangsoo KANGWON-DO UI HIM – THE POWER OF Seite 35<br />

KANGWON PROVINCE (1998)<br />

Mo, 26.3. Keine Vorstellung<br />

Di, 27.3. 18.30 NS-Filmpropaganda JUD SÜSS (1940) 21<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Neuer Deutscher Film DAS MAGISCHE BAND (1959) / DIE PARALLELSTRASSE 7<br />

(1962)<br />

Mi, 28.3. 18.30 NS-Filmpropaganda ROBERT UND BERTRAM (1939) 22<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Tony Gatlif GADJO DILO – GELIEBTER FREMDER (1997) 26<br />

Do, 29.3. 19.00 Open Scene Filme (2002–2010) von Wilhelm Sasnal<br />

Einführung: Ulrich Wilmes (Haus der Kunst)<br />

Fr, 30.3. 18.30 Dieter Wieland FLURBEREINIGUNG ODER DIE MASCHINENGERECHTE 31<br />

LANDSCHAFT (1974) / DIE FARBE (1982) / DER GARTEN (1981)<br />

21.00 Hong Sangsoo O! SOO-JUNG – VIRGIN STRIPPED BARE BY HER 35<br />

BACHELORS (2000)<br />

Sa, 31.3. 18.30 Dieter Wieland DIE GROSSE KUNST, EIN KLEINES HAUS ZU BAUEN 31<br />

(1988) / DER ZAUN (1995) / DORFERNEUERUNG (1990)<br />

21.00 Hong Sangsoo SAENGHWALUI BALGYEON – TURNING GATE (2002) 35<br />

So, 1.4. 18.30 Dieter Wieland FRIEDRICH VON GÄRTNER. DER BAUMEISTER 31<br />

LUDWIGS I (1992) / DER JODLERSTIL (1984)<br />

21.00 Hong Sangsoo YEOJANEUN NAMJAUI MIRAEDA – WOMAN IS THE 37<br />

FUTURE OF MAN (2004)<br />

Mo, 2.4. Keine Vorstellung<br />

Di, 3.4. 18.30 NS-Filmpropaganda OHM KRÜGER (1941) 22<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Fassbinders München LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (1969) 43<br />

Mi, 4.4. 18.30 NS-Filmpropaganda STUKAS (1941) 22<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Tony Gatlif VENGO (2000) 26<br />

Do, 5.4. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 6.4. 18.30 Rudolf Thome DAS ROTE ZIMMER (2010) 36<br />

21.00 Hong Sangsoo KEUK JANG JEON – TALE OF CINEMA (2005) 37<br />

Sa, 7.4. 18.30 Rudolf Thome INS BLAUE (2012) 36<br />

Zu Gast: Rudolf Thome<br />

21.00 Hong Sangsoo HAEBYUNEUI YOEIN – WOMAN ON THE BEACH (2006) 37<br />

Einführung: Rudolf Thome<br />

Kalenderübersicht<br />

89<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Kalenderübersicht<br />

90<br />

So, 8.4. 18.30 Rudolf Thome DAS ROTE ZIMMER (2010) Seite 36<br />

Zu Gast: Rudolf Thome<br />

21.00 Hong Sangsoo BAM GUA NAT – NIGHT AND DAY (2008) 37<br />

Einführung: Rudolf Thome<br />

Mo, 9.4. 18.30 Rudolf Thome INS BLAUE (2012) 36<br />

Zu Gast: Rudolf Thome<br />

21.00 Hong Sangsoo JAL ALJIDO MOTHAMYEONSEO – LIKE YOU KNOW IT 38<br />

ALL (2009)<br />

Einführung: Rudolf Thome<br />

Di, 10.4. 18.30 NS-Filmpropaganda HEIMKEHR (1941) 22<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Fassbinders München KATZELMACHER (1969) 44<br />

Mi, 11.4. 18.30 NS-Filmpropaganda FRONTTHEATER (1942) 22<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Tony Gatlif SWING (2002) 26<br />

Do, 12.4. 19.00 Untergang der Titanic »… und immer wieder geht sie unter!« 47<br />

Vortrag mit Filmbeispielen von Ernst Schreckenberg<br />

TIME TUNNEL: RENDEZVOUS WITH YESTERDAY –<br />

WIEDERSEHEN MIT DER VERGANGENHEIT (1966)<br />

Fr, 13.4. 18.30 Untergang der Titanic ATLANTIS (1913) 47<br />

Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald<br />

21.00 Hong Sangsoo VISITORS (2009) 38<br />

Sa, 14.4. 18.30 Untergang der Titanic TITANIC. IN NACHT UND EIS (1912) / THE SINKING OF 47<br />

THE LUSITANIA (1918) / DER UNTERGANG DER TITANIC<br />

(2003) / DAMPFER KAPUTT! (2012)<br />

Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald<br />

21.00 Hong Sangsoo HAHAHA (2010) 38<br />

So, 15.4. 18.30 Untergang der Titanic A NIGHT TO REMEMBER – DIE LETZTE NACHT DER 48<br />

TITANIC (1958)<br />

21.00 Hong Sangsoo OKI-EUI YONG-HWA – OKI’S MOVIE (2010) 38<br />

Mo, 16.4. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />

Di, 17.4. 18.30 NS-Filmpropaganda GPU (1942) 22<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Fassbinders München GÖTTER DER PEST (1970) 44<br />

Mi, 18.4. 18.30 NS-Filmpropaganda MEIN SOHN, DER HERR MINISTER (1937) 23<br />

Einführung: Stefan Drößler<br />

21.00 Tony Gatlif EXILS – EXIL (2004) 27<br />

Do, 19.4. 19.00 Open Scene<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Fr, 20.4. 18.30 Architekturfilmtage MIES (1986) / HEARST TOWER, NEW YORK & Seite 53<br />

TORRE AGBAR, BARCELONA (2009)<br />

21.00 Architekturfilmtage LES MYSTERES DU CHATAU DU DE – DIE GEHEIM- 53<br />

NISSE DES WÜRFELSCHLOSSES (1928) / HAUS<br />

TUGENDHAT (2012)<br />

Zu Gast: Dieter Reifarth. Einführung: Jörg Dünne<br />

Sa, 21.4. 18.30 Architekturfilmtage CHLOE (2009) 53<br />

21.00 Architekturfilmtage POINTS ON A LINE (2010) / PHILIP JOHNSON: DIARY 53<br />

OF AN ECCENTRIC ARCHITECT (1996)<br />

So, 22.4. 18.30 Architekturfilmtage LA VILLA SANTO SOSPIR (1952) / AITA – VATER (2010) 54<br />

21.00 Architekturfilmtage IF BUILDINGS COULD TALK (2011) / LE PAYSAGE 54<br />

INTERIEUR – DIE INNERE LANDSCHAFT (2010)<br />

Mo, 23.4. Keine Vorstellung<br />

Di, 24.4. 18.30 NS-Filmpropaganda BLUTSBRÜDERSCHAFT (1940) 23<br />

Einführung: Felix Moeller<br />

21.00 Fassbinders München WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? (1970) 44<br />

Mi, 25.4. 18.30 NS-Filmpropaganda VENUS VOR GERICHT (1941) 23<br />

Einführung: Felix Moeller<br />

21.00 Tony Gatlif TRANSYLVANIA (2006) 27<br />

Zu Gast: Tony Gatlif<br />

Do, 26.4. 19.00 Tony Gatlif KORKORO – FREIHEIT (2009) 27<br />

Zu Gast: Tony Gatlif<br />

Fr, 27.4. 18.30 Neorealismus 4 PASSI FRA LE NUVOLE – LÜGE EINER SOMMER- 58<br />

NACHT (1942)<br />

21.00 Stimmen der Roma CIGAN – ZIGEUNER (2011) 27<br />

Zu Gast: Martin Šulík<br />

Sa, 28.4. 18.30 Neorealismus I BAMBINI CI GUARDANO – DIE KINDER SEHEN UNS 58<br />

AN (1944)<br />

21.00 Stimmen der Roma A GYPSY IN THE CENTRAL COMMITTEE OF THE 27<br />

BUL GARIAN COMMUNIST PARTY – EIN ZIGEUNER IM<br />

ZENTRALKOMITEE DER BULGARISCHEN KOMMUNISTI-<br />

SCHEN PARTEI (2008) / IO, LA MIA FAMIGLIA ROM E<br />

WOODY ALLEN – ICH, MEINE ROMA-FAMILIE UND<br />

WOODY ALLEN (2009)<br />

So, 29.4. 17.30 Film & Psychoanalyse TO BE OR NOT TO BE – SEIN ODER NICHTSEIN (1942) 40<br />

Einführung: Katharina Leube, Irmgard Nagel<br />

21.00 Stimmen der Roma OUR SCHOOL – UNSERE SCHULE (2011) 27<br />

Mo, 30.4.<br />

Keine Vorstellung<br />

Kalenderübersicht<br />

91<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Kalenderübersicht<br />

92<br />

Di, 1.5. 18.30 NS-Filmpropaganda ICH KLAGE AN (1941) Seite 23<br />

Einführung: Felix Moeller<br />

21.00 Fassbinders München DER AMERIKANISCHE SOLDAT (1970) 44<br />

Mi, 2.5. 18.30 NS-Filmpropaganda DIE GOLDENE STADT (1942) 23<br />

Einführung: Felix Moeller<br />

21.00 Neorealismus ROMA, CITTA APERTA – ROM, OFFENE STADT (1945) 58<br />

Do, 3.5. bis Mi, 9.5.2012 DOK.fest München 63<br />

Do, 10.5. 19.00 Open Scene SOMMERVÖGEL (2010)<br />

Zu Gast: Paul Riniker<br />

Fr, 11.5. 18.30 Neorealismus ROMA, CITTA APERTA – ROM, OFFENE STADT (1945) 58<br />

21.00 Kölner Gruppe WOHNHAFT (2004) / WALDMEISTER (2007) / NACKT 67<br />

AM SEE (2009) / INSIDE LEMKE (2007) / UNDERGROUND<br />

ODYSSEY (2010) / WELLENREITER (2010) / CAFE KONTAKT<br />

(2012) Zu Gast: Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler,<br />

Bernhard Marsch, Christos Dassios, Robert Nacken<br />

Sa, 12.5. 18.30 Neorealismus SCIUSCIA – SCHUHPUTZER (1946) 58<br />

21.00 Kölner Gruppe WARTESCHLEIFEN. KOLPORTAGEN AUS DEM 67<br />

CALLCENTER (2010) Zu Gast: Markus Mischkowski,<br />

Kai Maria Steinkühler, Christos Dassios<br />

So, 13.5. 18.30 Neorealismus LADRI DI BICICLETTE – FAHRRADDIEBE (1948) 59<br />

21.00 Kölner Gruppe AMIGO A GOGO (2008) / MAUERBLÜMCHEN (2001) / 67<br />

BAZOOKA CAIN (1998) / KÖLNER BEWEGUNGEN (1986)<br />

/ MARSCH & KNEPPERGES ZEIGEN (1987) / 8 ESSEN III<br />

(1996) / JUNGE HUNDE (1993) / HALLELUJA (1995) / VER-<br />

LANGEN (1996) / LIEBE IST GESCHMACKSSACHE (1997)<br />

/ WOHNHAFT (2005) Zu Gast: Bernhard Marsch, Kai Maria<br />

Steinkühler, Christos Dassios<br />

Mo, 14.5. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />

Di, 15.5. 18.30 Neorealismus RISO AMARO – BITTERER REIS (1949) 59<br />

21.00 Fassbinders München RIO DAS MORTES (1971) 44<br />

Mi, 16.5. 18.30 Lars von Trier NYHTERINO – NOCTURNE (1980) / FORBRYDELSENS 70<br />

ELEMENT – THE ELEMENT OF CRIME (1984)<br />

21.00 Neorealismus SCIUSCIA – SCHUHPUTZER (1946 ) 58<br />

Do, 17.5. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 18.5. 18.30 Neorealismus NAPOLI MILIONARIA – MILLIONENSTADT NEAPEL 59<br />

(1950)<br />

21.00 Lars von Trier NYHTERINO – NOCTURNE (1980) / FORBRYDELSENS 70<br />

ELEMENT – THE ELEMENT OF CRIME (1984)<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Sa, 19.5. 18.30 Neorealismus IL CAMMINO DELLA SPERANZA – WEG DER Seite 59<br />

HOFFNUNG (1951)<br />

21.00 Lars von Trier EPIDEMIC (1987) 70<br />

So, 20.5. 17.30 Film & Psychoanalyse THE KING OF COMEDY (1983) 40<br />

Einführung: Matthias Baumgart, Corinna Wernz<br />

21.00 Lars von Trier MEDEA (1988) 70<br />

Mo, 21.5. Keine Vorstellung<br />

Di, 22.5. 18.30 Lars von Trier EPIDEMIC (1987) 70<br />

21.00 Fassbinders München HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN (1972) 44<br />

Mi, 23.5. 18.30 Lars von Trier MEDEA (1988) 70<br />

21.00 Neorealismus BELLISSIMA (1951) 59<br />

Do, 24.5. 19.00 Open Scene Underdox-Halbzeit<br />

Fr, 25.5. 18.30 Neorealismus BELLISSIMA (1951) 59<br />

21.00 Lars von Trier The Making of Lars von Trier 70<br />

Vortrag mit Filmbeispielen von Peter Schepelern<br />

BEFRIELSES BILLEDER – BILDER DER BEFREIUNG (1982)<br />

Sa, 26.5. 18.30 Neorealismus MIRACOLO A MILANO – DAS WUNDER VON MAILAND 60<br />

(1951)<br />

21.00 Lars von Trier EUROPA (1990) 71<br />

So, 27.5. 18.30 Neorealismus UMBERTO D. (1952) 60<br />

21.00 Lars von Trier BREAKING THE WAVES (1996) 71<br />

Mo, 28.5. 18.00 Lars von Trier RIGET – HOSPITAL DER GEISTER (1994) 71<br />

Di, 29.5. 18.30 Lars von Trier EUROPA (1991) 71<br />

21.00 Fassbinders München ANGST ESSEN SEELE AUF (1974) 44<br />

Mi, 30.5. 19.00 Lars von Trier BREAKING THE WAVES (1996) 71<br />

Do, 31.5. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 1.6. 18.30 Neorealismus I VITELLONI – DIE MÜSSIGGÄNGER (1953) 60<br />

21.00 Lars von Trier IDIOTERNE – IDIOTEN (1998) 72<br />

Sa, 2.6. 18.30 Neorealismus L’AMORE IN CITTA – LIEBE IN DER STADT (1953) 60<br />

21.00 Lars von Trier DANCER IN THE DARK (2000) 72<br />

So, 3.6. 18.00 Lars von Trier RIGET II – HOSPITAL DER GEISTER 2 (1997) 71<br />

Mo, 4.6. Keine Vorstellung<br />

Di, 5.6. 18.30 Lars von Trier IDIOTERNE – IDIOTEN (1998) 72<br />

21.00 Fassbinders München FAUSTRECHT DER FREIHEIT (1975) 44<br />

Kalenderübersicht<br />

93<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Kalenderübersicht<br />

94<br />

Mi, 6.6. 18.30 Lars von Trier DANCER IN THE DARK (2000) Seite 72<br />

21.00 Neorealismus CRONACHE DI POVERI AMANTI – CHRONIK ARMER 61<br />

LIEBESLEUTE (1953)<br />

Do, 7.6. 19.00 Das Kino träumt Geschichte des 3D-Films 76<br />

Vortrag mit Filmbeispielen von Stefan Drößler<br />

Fr, 8.6. 18.30 Neorealismus CRONACHE DI POVERI AMANTI – CHRONIK ARMER 61<br />

LIEBESLEUTE (1953)<br />

21.00 Das Kino träumt HUGO CABRET (2011) 76<br />

Sa, 9.6. 18.30 Neorealismus VIAGGIO IN ITALIA – LIEBE IST STÄRKER (1954) 61<br />

21.00 Das Kino träumt THE ARTIST (2011) 76<br />

So, 10.6. 18.30 Neorealismus IL GRIDO – DER SCHREI (1957) 61<br />

21.00 Das Kino träumt MY WEEK WITH MARILYN – MEINE WOCHE MIT 76<br />

MARILYN (2011)<br />

Mo, 11.6. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />

Di, 12.6. 18.30 Das Kino träumt THE ARTIST (2011) 76<br />

21.00 Fassbinders München ICH WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT (1976) 45<br />

Mi, 13.6. 19.00 Lars von Trier DOGVILLE (2003) 72<br />

Do, 14.6. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 15.6. 18.30 Neorealismus BANDITI A ORGOSOLO – DIE BANDITEN VON 61<br />

ORGOSOLO (1961)<br />

21.00 Lars von Trier DOGVILLE (2003) 72<br />

Sa, 16.6. 18.30 Neorealismus ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN ASS 62<br />

(1961)<br />

21.00 Lars von Trier DOGVILLE CONFESSIONS (2003) / A CONVERSATION 73<br />

WITH LARS VON TRIER (2005) / DIMENSION VIDEO<br />

1991–2024 (2010)<br />

So, 17.6. 17.30 Neorealismus ROCCO E I SUOI FRATELLI – ROCCO UND SEINE 62<br />

BRÜDER (1960)<br />

21.00 Lars von Trier DE FEM BENSPAEND – THE FIVE OBSTRUCTIONS (2003) 73<br />

Mo, 18.6. Keine Vorstellung<br />

Di, 19.6. 18.30 Lars von Trier OCCUPATIONS (2007) / MANDERLAY (2005) 73<br />

21.00 Fassbinders München SATANSBRATEN (1976) 45<br />

Mi, 20.6. 18.30 Lars von Trier DIREKTØREN FOR DET HELE – THE BOSS OF IT ALL 74<br />

(2006)<br />

21.00 Neorealismus ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN ASS 62<br />

(1961)<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


<strong>münchen</strong><br />

Do, 21.6. 19.00 Open Scene<br />

Fr, 22.6. 18.30 Neorealismus IL POSTO – DER JOB (1961) Seite 62<br />

21.00 Lars von Trier OCCUPATIONS (2007) / MANDERLAY (2005) 73<br />

Sa, 23.6. 18.30 Neorealismus SALVATORE GIULIANO – WER ERSCHOSS SALVA- 62<br />

TORE G.? (1962)<br />

21.00 Lars von Trier DIREKTØREN FOR DET HELE – THE BOSS OF IT ALL 74<br />

(2006)<br />

So, 24.6. 17.30 Film & Psychoanalyse SOME LIKE IT HOT – MANCHE MÖGEN’S HEISS (1959) 40<br />

Einführung: Katharina Leube, Vivian Pramataroff<br />

21.00 Lars von Trier ANTICHRIST (2009) 74<br />

Mo, 25.6. Keine Vorstellung<br />

Di, 26.6. 18.30 Lars von Trier ANTICHRIST (2009) 74<br />

21.00 Fassbinders München DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS (1982) 45<br />

Mi, 27.6. 18.30 Lars von Trier MELANCHOLIA (2011) 74<br />

21.00 Neorealismus IL POSTO – DER JOB (1961) 62<br />

Do, 28.6. 19.00 Open Scene Zuschauerkino 77<br />

Fr, 29.6. 18.30 Neorealismus I BASILISCHI – DIE BASILISKEN (1963) 62<br />

21.00 Lars von Trier MELANCHOLIA (2011) 74<br />

Sa, 30.6. bis Sa, 7.7.2012<br />

Filmfest München<br />

So, 8.7. 18.30 Marilyn Monroe MARILYN MONROE: MIT IHREN EIGENEN WORTEN 81<br />

(2007) / MARILYN MONROE: ICH MÖCHTE GELIEBT<br />

WERDEN (2011)<br />

Zu Gast: Eckhart Schmidt<br />

Mo, 9.7. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />

Di, 10.7. 20.00 Marilyn Monroe THE ASPHALT JUNGLE – ASPHALT-DSCHUNGEL (1950) 81<br />

Mi, 11.7. 20.00 Marilyn Monroe ALL ABOUT EVE – ALLES ÜBER EVA (1950) 81<br />

Do, 12.7. 20.00 Marilyn Monroe LOVE NEST (1951) 81<br />

Fr, 13.7. 18.30 Marilyn Monroe THE ASPHALT JUNGLE – ASPHALT-DSCHUNGEL (1950) 81<br />

21.00 Marilyn Monroe CLASH BY NIGHT – VOR DEM NEUEN TAG (1952) 81<br />

Sa, 14.7. 18.30 Marilyn Monroe ALL ABOUT EVE – ALLES ÜBER EVA (1950) 81<br />

21.00 Marilyn Monroe WE’RE NOT MARRIED! – WIR SIND GAR NICHT VER- 82<br />

HEIRATET (1952)<br />

So, 15.7. 18.30 Marilyn Monroe CLASH BY NIGHT – VOR DEM NEUEN TAG (1952) 81<br />

21.00 Marilyn Monroe DON’T BOTHER TO KNOCK – VERSUCHUNG AUF 809 82<br />

(1952)<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450<br />

Kalenderübersicht<br />

95


<strong>münchen</strong><br />

Kalenderübersicht<br />

Mo, 16.7. Keine Vorstellung<br />

Di, 17.7. 20.00 Marilyn Monroe MONKEY BUSINESS – LIEBLING, ICH WERDE Seite 82<br />

JÜNGER (1952)<br />

Mi, 18.7. 20.00 Marilyn Monroe NIAGARA (1953) 82<br />

Do, 19.7. 20.00 Marilyn Monroe GENTLEMEN PREFER BLONDES – BLONDINEN 83<br />

BEVORZUGT (1953)<br />

Fr, 20.7. 18.30 Marilyn Monroe NIAGARA (1953) 82<br />

21.00 Marilyn Monroe HOW TO MARRY A MILLIONAIRE – WIE ANGELT MAN 83<br />

SICH EINEN MILLIONÄR? (1953)<br />

Sa, 21.7. 18.30 Marilyn Monroe GENTLEMEN PREFER BLONDES – BLONDINEN 83<br />

BEVORZUGT (1953)<br />

21.00 Marilyn Monroe RIVER OF NO RETURN – FLUSS OHNE WIEDERKEHR 83<br />

(1954)<br />

So, 22.7. 18.30 Marilyn Monroe RIVER OF NO RETURN – FLUSS OHNE WIEDERKEHR 83<br />

(1954)<br />

21.00 Marilyn Monroe THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOW BUSINESS – 84<br />

RHYTHMUS IM BLUT (1954)<br />

Mo, 23.7. Keine Vorstellung<br />

Di, 24.7. 20.00 Marilyn Monroe THE SEVEN YEAR ITCH – DAS VERFLIXTE 7. JAHR 84<br />

(1955)<br />

Mi, 25.7. 20.00 Marilyn Monroe BUS STOP (1956) 84<br />

Do, 26.7. 20.00 Marilyn Monroe THE PRINCE AND THE SHOWGIRL – DER PRINZ UND 84<br />

DIE TÄNZERIN (1957)<br />

Fr, 27.7. 18.30 Marilyn Monroe THE MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG (1961) 85<br />

21.00 Marilyn Monroe SOME LIKE IT HOT – MANCHE MÖGEN’S HEISS (1959) 85<br />

Sa, 28.7. 18.30 Marilyn Monroe THE SEVEN YEAR ITCH – DAS VERFLIXTE 7. JAHR 84<br />

(1955)<br />

21.00 Marilyn Monroe LET’S MAKE LOVE – MACHEN WIR’S IN LIEBE (1960) 85<br />

So, 29.7. 18.30 Marilyn Monroe BUS STOP (1956) 84<br />

21.00 Marilyn Monroe THE MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG (1961) 85<br />

Mo, 30.7. bis Mi, 29.8.2012<br />

Sommerpause<br />

96<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450


Für Unterstützung und Kooperation bei der Realisierung unseres Programms danken wir:<br />

Neuer Deutscher Film · Bonner Kinemathek (Bernhard<br />

Gugsch, Sigrid Limprecht) · Deutsche Kinemathek, Berlin (Anke<br />

Hahn) · Filmkundliches Archiv, Köln (Leo Schönecker) ·<br />

Film&Kunst, München (Gunter Bittmann, Ernst Schillert, Ana<br />

Radica) · Filmmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf (Andreas<br />

Thein) · Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Gu-<br />

drun Weiss) · Kulturreferat der Landeshauptstadt München<br />

(Hans-Georg Küppers, Marc Gegenfurtner, Christoph Schwarz) ·<br />

Landesmediendienste Bayern, München · Christian Doermer,<br />

Samerberg · Ralph Eue, Berlin · Rob Houwer, München/ Amster -<br />

dam · Christian Ketels, München · Alexander Kluge, München ·<br />

Ferdinand Martini, Murnau · Hansjürgen Pohland, Berlin · Edgar<br />

Reitz, München · Haro Senft, München<br />

Die rote Traumfabrik · Deutsche Kinemathek, Berlin (Ralf<br />

Dittrich, Dirk Förstner) · Gosfilmofond, Moskau (Valerij Bosenko)<br />

· Österreichisches Filmmuseum, Wien (Regina Schlagnitweit,<br />

Alexander Horwath) · Tolle Idee! Agentur, München (Alexander<br />

Schwarz) · ZDF/Arte, Mainz (Nina Goslar)<br />

Jiří Trnka · Tschechisches Zentrum, München (Zuzana<br />

Jürgens, Annett Bowarzik) · Národní Filmový Archiv, Prag (Karel<br />

Zima)<br />

NS-Filmpropaganda · Bundesarchiv, Berlin (Karl Griep) ·<br />

Blueprint Film, München (Felix Moeller) · Freiwiliige Selbst -<br />

kontrolle der Filmwirtschaft, Wiesbaden (Christiane von Wahlert)<br />

· Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Ernst Szebe -<br />

dits, Gudrun Weiss) · Goethe-Institut, München (Christian Lüffe)<br />

· Spiegel TV, Hamburg (Michael Kloft) · Michael Farin, München<br />

· Felix Moeller, München · Hans Schmid, München · Markus<br />

Zimmer, München<br />

Stimmen der Roma · Offene Akademie der <strong>Münchner</strong><br />

Volkshochschule (Klaus Blanc) · Kulturreferat der Landes haupt -<br />

stadt München (Christoph Schwarz) · Princes Production, Paris<br />

(Delphine Mantoulet) · Tschechisches Zentrum, München<br />

(Zuzana Jürgens, Annett Bowarzik) · Katrin Seybold, München<br />

Dieter Wieland · Bayerische Architektenkammer, München<br />

(Sabine Picklapp) · Bayerischer Rundfunk, München (Johannes<br />

Pechtold, Eva Maria Steimle, Sabine Scharnagl) · Rainer<br />

Gansera, München · Dieter und Heidi Wieland, Uffing<br />

Hong Sangsoo | Rudolf Thome · Korean Film Council<br />

(KOFIC), Seoul (Jeon Yoonhyung, Kim Uhseok) · Sungji Oh, Seoul<br />

· Ekkehard Knörer, Berlin · Rudolf Thome, Berlin<br />

Film und Psychoanalyse · Akademie für Psychoanalyse und<br />

Psychotherapie, München (Matthias Baumgart, Eva Friedrich,<br />

Andreas Hamburger, Katharina Leube-Sonnleitner, Mathias<br />

Lohmer, Irmgard Nagel, Vivian Pramataroff-Hamburger, Heidi<br />

Spanl, Corinna Wernz) · Cinémathèque de la Ville de Luxem -<br />

bourg (Claude Bertemes)<br />

Der Untergang der Titanic · Det Danske Filminstitut, Kopen -<br />

hagen (Thomas Christensen) · Deutsche Kinemathek, Berlin<br />

(Anke Hahn) · Alexander Kluge, München<br />

Architekturfilmtage · Bayerische Architektenkammer,<br />

München (Präsident Lutz Heese, Sabine Picklapp) · Film Sharks,<br />

Buenos Aires (Guido Rud, Valeria Fanego) · Fondation Pierre<br />

Bergé – Yves Saint Laurent, Paris (Jérôme Piodi) · Galerie<br />

Capitain Petzel, Berlin (Svenja Schuhbauer) · Neue Road<br />

Movies, Berlin (Wim Wenders, Stephanie Röders, Francesca<br />

Hecht) · Parallax Corporation, New York (Mackenzie Schneider)<br />

· Jörg Dünne, München · Fritz Göttler, München · Stephanie<br />

Hausmann, München · Dieter Reifarth, Frankfurt · Wolf<br />

Tegethoff, München<br />

Italienischer Neorealismus · Cinecittà Luce, Rom (Rosaria<br />

Folcarelli) · Istituto Italiano di Cultura, München (Giovanna<br />

Gruber) · Margarethe von Trotta, München<br />

Lars von Trier · Babylon Kino, Berlin (Fernando Huerta) · Den<br />

Danske Filmskolen, Kopenhagen · Det Danske Filminstitut,<br />

Kopen hagen (Thomas Christensen, Jesper Andersen) ·<br />

Königlich Dänische Botschaft, Berlin (Per Erik Veng) · Zentropa<br />

Film, Kopenhagen (Emilie Spliid)<br />

Marilyn Monroe · Cinémathèque de la Ville de Luxembourg<br />

(Marc Scheffen) · Cinémathèque Française, Paris (Emilie<br />

Cauquy) · Warner Bros., Hamburg (Richard Flynn) · Eckhart<br />

Schmidt, München<br />

Fotos · Bayerischer Rundfunk, München · Cinémathèque Suisse, Lausanne (Thomas Bissegger) · Det Danske Filminstitut,<br />

Kopenhagen (Henrik Fuglsang) · Filmmuseum München (Oleksandr Osherov, Gerhard Ullmann) · Neue Road Movies, Berlin (Fran -<br />

cesca Hecht) · Parallax Corporation, New York (Mackenzie Schneider) · Ramsch Köln (Bernhard Marsch) · Westendfilme, Köln (Michael<br />

Mischkowski) · Internationale Filmfestspiele Berlin · Alexander Schwarz, München · Haro Senft, München · Dieter Wieland, Uffing


Das Kino der Stadt<br />

Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München<br />

Tel 089/233 96450 · Fax 089/233 23931 · http://www.filmmuseum-muenchen.de

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