münchen - Münchner Stadtmuseum
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<strong>münchen</strong><br />
2012 | Heft 22<br />
Neuer Deutscher Film<br />
Die rote Traumfabrik<br />
Jiři Trnka<br />
NS-Filmpropaganda<br />
Stimmen der Roma<br />
Tony Gatlif<br />
Dieter Wieland<br />
Hong Sangsoo<br />
Rudolf Thome<br />
Film und Psychoanalyse<br />
Fassbinders München<br />
Der Untergang der Titanic<br />
Architekturfilmtage<br />
Italienischer Neorealismus<br />
Wim Wenders<br />
Kölner Gruppe<br />
Lars von Trier<br />
Das Kino träumt<br />
Marilyn Monroe
Eintrittspreise<br />
4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Film länge<br />
oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Mi nu ten, mit<br />
Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag.<br />
Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt<br />
30 Minuten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen<br />
öffentlichen Ver anstal tungen bleibt ein Karten kon tin -<br />
gent für den freien Ver kauf an der Abendkasse reserviert.<br />
Restkarten von nicht abgeholten Reservierungen<br />
werden spätestens ab 20 Minuten vor Vorstellungs -<br />
beginn in den freien Verkauf gegeben.<br />
Kartenreservierung<br />
Kartenreservierungen sind ab vier Wochen im voraus<br />
möglich und können unter der Telefonnummer 089/<br />
233 96450 auf Band gesprochen werden. Persönliche<br />
Beratung am Telefon steht Ihnen während der Kas sen -<br />
öffnungszeiten nach Vorstellungsbeginn zur Verfügung.<br />
Vor be stellte Karten müssen bis 20 Minuten vor Vor -<br />
stellungs beginn an der Kasse abgeholt worden sein,<br />
ansonsten verfällt die Reservierung.<br />
Kartenvorverkauf<br />
Kartenvorverkauf ist ab vier Wochen im voraus möglich.<br />
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unmittelbar vor<br />
Vorstellungsbeginn bei starkem Besucherandrang kein<br />
Kartenvorverkauf möglich ist. Vorverkaufte Karten be -<br />
hal ten ihre Gültigkeit nur bis Vorstellungsbeginn. An der<br />
Abend kasse können vorverkaufte Karten bis 20 Mi -<br />
nuten vor Vorstellungsbeginn gegen Kosten erstattung<br />
wieder zurückgegeben werden.<br />
Saalmikrofon<br />
Das Kino ist mit einem Saalmikrofon zur Kontrolle des<br />
Kinotons durch die Filmvorführer ausgestattet.<br />
Mitgliedschaft<br />
Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert,<br />
kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums<br />
München, dem <strong>Münchner</strong> Filmzentrum e.V. (MFZ) werden.<br />
Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt<br />
zum ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur Teil -<br />
nahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ, in<br />
denen die Programmplanungen des Filmmuseums diskutiert<br />
und Projekte entwickelt werden. Mitglieds an -<br />
träge sind an der Kinokasse erhältlich. Die Termine der<br />
nächsten Mitgliederversammlungen des MFZ stehen in<br />
der Kalenderübersicht. Weitere In for mationen unter<br />
0176/50472957 oder www.filmzentrum-muenchen.de<br />
oder kontakt@muenchner-filmzentrum.de.<br />
Programmabonnement<br />
Das Kinoprogramm und aktuelle Newsletter können Sie<br />
im Internet unter www.filmmuseum-muenchen.de<br />
kostenlos abonnieren. Das Programmheft wird an Mit -<br />
glieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt. An -<br />
sonsten bitten wir um die Zusendung eines mit 1,45 €<br />
frankierten und adressierten DIN A5-Briefumschlages<br />
an die Adresse des Filmmuseums.<br />
Rollstuhlfahrer / Hörgeschädigte<br />
Der Kinosaal im Untergeschoss ist über einen Aufzug<br />
für Rollstuhlfahrer zugänglich. Die Behindertentoilette<br />
be findet sich im Untergeschoss neben dem Kino ein -<br />
gang. Das Kino ist mit einer Induktionsschleife für Hör -<br />
geräte besitzer ausgestattet.<br />
Verkehrsverbindung<br />
Sie erreichen das Filmmuseum in 3 Gehminuten vom<br />
U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 5 Gehminuten vom<br />
U-Bahnhof und der Tramhaltestelle Sendlinger Tor.<br />
»Open Scene« am Donnerstag<br />
Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Sonderveranstaltungen reserviert. Das Programm wird<br />
spätestens acht Tage vorher festgelegt und in den Schaukästen an der Kinokasse, im E-Mail-Newsletter, auf der<br />
Website www.filmmuseum-muenchen.de, auf Facebook und durch Ankündigungen in der Tagespresse bekannt -<br />
gegeben.<br />
Ausstellungen im Kinofoyer<br />
In den Schaukästen im Kinofoyer sind kleinere Fotoausstellungen zu sehen, die die Filmreihen und Kino ver -<br />
anstaltungen des Filmmuseums begleiten.<br />
Impressum<br />
Landeshauptstadt München. Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong>, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München,<br />
089/233 20538, filmmuseum@muenchen.de · Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Christoph Michel,<br />
Klaus Volkmer · Gestaltung: Heiner Gassen, München · Druck: Mediengruppe Universal, Allach
Kinoschließungen, Titanic, Oberhausen, NS-Filme<br />
Das Jahr 2012 begann mit der Nachricht, dass in München wieder zwei<br />
Kinos ihren Spielbetrieb einstellen werden: Das Atlantis, das Cineasten zu<br />
schätzen wussten, weil es untertitelte Originalfassungen der aktuellen Arthousefilme<br />
zeigt, wird Ende März seine Pforten schließen. Das Areal wird<br />
umgebaut und anschließend lukrativer genutzt werden. Die Schließung von<br />
Kinos in der <strong>Münchner</strong> Innenstadt ist eine traurige Entwicklung, die ständig<br />
voranschreitet: Türkendolch, Filmcasino, Tivoli. Es trifft einen Typ von Kino,<br />
dessen große Zeit in den 1960er und 1970er Jahren gelegen hat: Das sorgfältig<br />
geführte Haus mit ausgesuchten Filmen, das ein individuell gestaltetes,<br />
exklusives Programm anbot.<br />
In Zeiten beschleunigter Filmauswertung können Kinos heute kaum noch ein<br />
individuelles Profil entwickeln, attraktive Filme »exklusiv« anbieten oder auf<br />
ein treues Stammpublikum bauen. Das Feld, das dem Filmmuseum überlassen<br />
wird, wächst deshalb beständig: Es ist nicht nur ein Ort für große Retrospektiven<br />
und die Aufarbeitung von Filmgeschichte, sondern immer mehr<br />
auch ein Forum für die ganze Breite aktueller filmischer Entwicklungen.<br />
Gleichzeitig wird die Programmgestaltung immer schwieriger, da viele<br />
Rechtsinhaber keine spielbaren Filmkopien mehr zur Verfügung stellen, aber<br />
horrende Lizenzpreise für einzelne Aufführungen verlangen.<br />
Trotz allem zelebrieren aktuelle Filme nostalgisch die Kinogeschichte, von<br />
denen wir einige Beispiele unter dem Titel »Das Kino träumt« im Juni vorstellen.<br />
Dabei bietet das neue Programm immer wieder interessante Querbezügen<br />
und Verknüpfungen: Der in dieser Reihe gezeigte Film MY WEEK<br />
WITH MARILYN verweist direkt auf die Monroe-Retrospektive, die im Juli anlässlich<br />
ihres 50. Todestages stattfindet. Der Monroe-Klassiker SOME LIKE IT<br />
HOT findet sich auch in der Reihe »Film & Psychoanalyse«, die sich der Filmkomödie<br />
widmet. Das Programm zum 100-jährigen Untergang der Titanic<br />
war längst geplant, als plötzlich die Katastrophe um die Costa Concordia die<br />
Schlagzeilen füllte. Alexander Kluge hat dies zum Anlass genommen, zusammen<br />
mit Helge Schneider einen aktuellen Beitrag zum Thema zu drehen, der<br />
am 14. April im Filmmuseum seine Premiere haben wird.<br />
Kluge ist auch einer der 26 Unterzeichner des Oberhausener Manifests, das<br />
den Anfang des Neuen Deutschen Films prägte und am 26. Februar in einer<br />
Festveranstaltung im Filmmuseum gefeiert wird. Die jungen Filmemacher<br />
grenzten sich damals ganz vehement gegen »Opas Kino« ab, das vom Kino<br />
der NS-Zeit geprägt war. Über den Umgang mit den NS-Propagandafilmen<br />
wird vom 16. bis 18. März in einem Symposium diskutiert, dem sich eine<br />
Reihe mit »Vorbehaltsfilmen« anschließt, die nur mit Einschränkungen zugänglich<br />
sind.<br />
Rudolf Thome wird seinen neuen Film INS BLAUE als Vorpremiere anlässlich<br />
einer Retrospektive der Filme von Hong Sangsoo vorstellen, den er sehr<br />
schätzt.<br />
Es gibt noch einiges mehr im Programm zu entdecken. Wir danken allen Filmemachern,<br />
Produzenten, Archiven, Autoren, Zuschauern und Unterstützern,<br />
die dies ermöglicht haben. Und wir wünschen allen Besuchern viele spannende<br />
und informative Kinoerlebnisse.<br />
Ihr Filmmuseum<br />
3 Neuer Deutscher Film . . . .<br />
8 Die rote Traumfabrik . . . .<br />
13 Jiří Trnka . . . .<br />
16 NS-Filmpropaganda . . . .<br />
24 Stimmen der Roma . . . .<br />
24 Tony Gatlif . . . .<br />
28 Dieter Wieland . . . .<br />
32 Hong Sangsoo . . . .<br />
36 Rudolf Thome . . . .<br />
39 Film und Psychoanalyse . . . .<br />
41 Fassbinders München . . . .<br />
46 Der Untergang der Titanic . . . .<br />
49 Architekturfilmtage . . . .<br />
55 Italienischer Neorealismus . . . .<br />
63 Wim Wenders . . . .<br />
64 Kölner Gruppe . . . .<br />
68 Lars von Trier . . . .<br />
75 Das Kino träumt . . . .<br />
77 Zuschauerkino . . . .<br />
78 Marilyn Monroe . . . .<br />
86 Kalenderübersicht . . . .<br />
R = Regie · B = Drehbuch · K = Kamera<br />
· M = Musik · S = Schnitt ·<br />
D = Darsteller · P = Produktion ·<br />
OmU = Originalfassung mit deutschen<br />
Untertiteln · OmeU = Originalfassung<br />
mit englischen Untertiteln ·<br />
OmfU = Originalfassung mit französischen<br />
Untertiteln · OmÜ = Origi -<br />
nalfassung mit deutscher Über -<br />
setzung · dtF = deutsche Synchronfassung<br />
· UT = Untertitel · B/s = Bilder<br />
pro Sekunde · © = Copyright
Rückblick<br />
13. September 2011: Slavoj Zizek spricht über »Hollywood as an<br />
ideological State Apparatus« und führt in den Film eAgle eye –<br />
AUSSeR KOnTROlle (2008) von Daniel John caruso ein.<br />
14. Oktober 2011: cristi puiu und die moderatorin irene Rudolf<br />
nach der vorführung von puius Film AURORA, der das Festival<br />
»neue Filme aus Rumänien« eröffnete.<br />
14. Dezember 2011: Ulli lommel unterhält sich mit Stefan Drößler<br />
über die produktion seines Spielfilms ADOlF UnD mARlene mit<br />
Rainer Werner Fassbinder in einer der Hauptrollen.<br />
16. Dezember 2011: Takashi Koizumi berichtet nach der Aufführung<br />
seines Films Ame AgARU – nAcH Dem Regen (1999)<br />
von seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Akira Kurosawa.<br />
12. Januar 2012: margarethe von Trotta stellt sich anlässlich der<br />
Retrospektive ihrer Filme im ausverkauften Filmmuseum den Fragen<br />
des publikums zu ihrem Film Die bleieRne ZeiT (1981).<br />
18. Januar 2012: Olivier Assayas begleitet die Retrospektive seiner<br />
Filme und stellt im Filmmuseum iRmA vep (1996), seine Hommage<br />
an das Stummfilmserial leS vAmpiReS, persönlich vor.
1962: Anfänge des Neuen Deutschen Films<br />
Am 28. Februar 1962 wurde in einer Pressekonferenz<br />
der 8. Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen ein<br />
Manifest verlesen, das eine unerwartet große Presse -<br />
resonanz auslöste und heute als Anfang des Neuen<br />
Deutschen Films gilt:<br />
Der Zusammenbruch des konventionellen deutschen<br />
Films entzieht einer von uns abgelehnten Geisteshaltung<br />
endlich den wirtschaftlichen Boden. Dadurch hat<br />
der neue Film die Chance, lebendig zu werden.<br />
Deutsche Kurzfilme von jungen Autoren, Regisseuren<br />
und Produzenten erhielten in den letzten Jahren eine<br />
große Zahl von Preisen auf internationalen Festivals<br />
und fanden Anerkennung der internationalen Kritik.<br />
Diese Arbeiten und ihre Erfolge zeigen, dass die Zukunft<br />
des deutschen Films bei denen liegt, die bewiesen<br />
haben, dass sie eine neue Sprache des Films sprechen.<br />
Wie in anderen Ländern, so ist auch in Deutschland der<br />
Kurzfilm Schule und Experimentierfeld des Spielfilms<br />
geworden.<br />
Wir erklären unseren Anspruch, den neuen deutschen<br />
Spielfilm zu schaffen.<br />
Dieser neue Film braucht neue Freiheiten. Freiheit von<br />
den branchenüblichen Konventionen. Freiheit von der<br />
Beeinflussung durch kommerzielle Partner. Freiheit von<br />
der Bevormundung durch Interessengruppen.<br />
Wir haben von der Produktion des neuen deutschen<br />
Films konkrete geistige, formale und wirtschaftliche<br />
Vorstellungen. Wir sind gemeinsam bereit, wirtschaftliche<br />
Risiken zu tragen.<br />
Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.<br />
Bodo Blüthner (8), Boris von Borresholm (2),<br />
Christian Doermer, Bernhard Dörries (1), Heinz<br />
Furchner, Rob Houwer (19), Ferdinand Khittl (15),<br />
Alexander Kluge (5), Pitt Koch, Walter Krüttner (7),<br />
Dieter Lemmel (17), Hans Loeper (6), Ronald<br />
Martini, Hansjürgen Pohland, Raimund Ruehl (10),<br />
Edgar Reitz (3), Peter Schamoni (13), Detten<br />
Schleiermacher (16), Fritz Schwennicke (12),<br />
Haro Senft (4), Franz-Josef Spieker (18), Hans<br />
Rolf Strobel (14), Heinz Tichawsky (9), Wolfgang<br />
Urchs (11), Herbert Vesely, Wolf Wirth (20)<br />
13<br />
12<br />
9<br />
14<br />
10<br />
8<br />
7<br />
11<br />
6<br />
5<br />
18<br />
15 16<br />
17<br />
Unterzeichnet war das Dokument von 26 Filmemachern,<br />
Kameramännern, Filmkomponisten, Produzenten<br />
und einem Schauspieler, die alle bis auf eine Ausnahme<br />
(Hansjürgen Pohland) aus München stammten.<br />
Der Text war denn auch fünf Tage vorher in München<br />
aufgesetzt worden, wo sich die meisten der Unterzeichner<br />
regelmäßig im China-Restaurat Hongkong in der<br />
Tengstraße trafen. Die Forderungen nach einem<br />
»neuen Film«, nach »künstlerischer Freiheit« und »wirtschaftlicher<br />
Unabhängigkeit« der Filmemacher und der<br />
Einrichtung eines Kuratoriums wurden erstmals 1957<br />
von Herbert Vesely, Haro Senft und Heiner Braun auf -<br />
gestellt, die die offene Handelsgesellschaft Filmform<br />
gründeten. 1959 wurden diese Forderungen von Filmemachern<br />
aufgegriffen und in regelmäßigen Treffen weiterdiskutiert,<br />
die zur Gründung des gemeinnützigen Vereins<br />
DOC 59 – Gruppe für Filmgestaltung führten.<br />
Neben vielen der späteren Unterzeichnern des Oberhausener<br />
Manifests gehörte zu den Gründungsmitgliedern<br />
auch der Filmkritiker und spätere Leiter des Filmmuseums<br />
München, Enno Patalas.<br />
Dass 1962 die Oberhausener Kurzfilmtage als Plattform<br />
für die Verlesung des Manifests gewählt wurde,<br />
war nicht zufällig: In einer von der Altbranche kontrollierten<br />
deutschen Filmwirtschaft und Kinolandschaft<br />
gab es keine andere Möglichkeiten für junge Filme -<br />
macher, jenseits des kommerziellen Mainstreams hergestellte<br />
Filme zu sehen. Das von der SPD regierte<br />
4<br />
19<br />
20<br />
3<br />
2<br />
1<br />
Neuer Deutscher Film<br />
3
Neuer Deutscher Film<br />
4<br />
»rote Oberhausen« stellte das Festival unter das Motto<br />
»Weg zum Nachbarn« und bot mitten im restaurativen<br />
Klima des Wirtschaftswunders und des Kalten Krieges<br />
ein Forum der Diskussion, das künstlerische Aspekte,<br />
ästhetische Diskussionen und politisches Engagement<br />
in den Vordergrund stellte.<br />
In Zeiten von PCs, Internet und Handys mit eingebauten<br />
Kameras ist es nur noch schwer vorstellbar, wie mühsam<br />
und schwierig es war, in den 1950er und 1960er<br />
Jahren einen Film zu drehen: Es gab nur wenige Filmkameras,<br />
das Filmmaterial war teuer, man benötigte<br />
Schneidetische, um die separat aufgenommenen Bilder<br />
und Töne zusammenzubringen, der Zugang zu Filmkopierwerken<br />
blieb versperrt, wenn man keine finanziellen<br />
Sicherheiten bieten konnte. Filme konnten ausschließlich<br />
in Filmclubs oder Kinos vorgeführt werden,<br />
wobei letztere ausschließlich auf Umsatz ausgerichtet<br />
waren. Nur wenn ein fertig produzierter Kurzfilm ein<br />
Prädikat bekam, hatte er die Chance, von einem Filmverleih<br />
angekauft und als Vorfilm in die Kinos gebracht<br />
zu werden: Als Vorfilm eines nicht prädikatisierten<br />
Hauptfilms ermöglichte er den Kinobesitzern, in den Genuss<br />
von Vergnügungssteuer-Ermäßigungen zu kommen.<br />
Erhielt ein Film kein Prädikat, war ihm der Weg<br />
ins Kino versperrt, und er konnte seine Produktions -<br />
kosten nicht einspielen. Radikale inhaltliche oder formale<br />
Experimente waren kaum möglich.<br />
Das Oberhausener Manifest fand zwar Beachtung in<br />
den Medien, doch wurden die Unterzeichner von der<br />
Filmbranche nicht sonderlich ernst genommen, sondern<br />
eher belächelt und als »Obermünchhausener«<br />
verspottet. Es dauerte einige Jahre bis neue Filmför -<br />
derungsbedingungen durchgesetzt waren und 1966<br />
die ersten Langfilme mit internationalen Preisen aus -<br />
gezeichnet wurden. Nicht alle Unterzeichner des Oberhausener<br />
Manifests konnten später eigene abendfüllende<br />
Spielfilme drehen, einige blieben beim Kurzfilm,<br />
andere verstarben früh. Es war vor allem eine neue<br />
Generation von Filmemachern, die von den Grundlagen<br />
profitierte, die die »Oberhausener« schufen: Vlado<br />
Kristl, Werner Herzog, Volker Schlöndorff, Ulrich Schamoni,<br />
Rainer Werner Fassbinder, Peter Fleischmann,<br />
Wim Wenders, Werner Schroeter, Rudolf Thome, Klaus<br />
Lemke. Der Neue Deutsche Film wurde Ende der<br />
1960er Jahre zu einem Markenzeichen, das weltweit<br />
beachtet wurde.<br />
Heute leben noch zehn der Pioniere, und einige wie Alexander<br />
Kluge, Edgar Reitz, Rob Houwer, Hansjürgen<br />
Pohland und Christian Doermer sind noch ungebrochen<br />
aktiv. Wir freuen uns, dass fast alle zugesagt<br />
haben, ins Filmmuseum zu kommen, zumal das Filmmuseum<br />
die Entwicklung des Neuen Deutschen Films<br />
immer kritisch begleitet und viele wichtige Werke in<br />
seine Sammlung aufgenommen hat. Die Filmreihe »Die<br />
Anfänge des Neuen Deutschen Films« beschränkt sich<br />
nicht nur auf Filme der Unterzeichner des Oberhausener<br />
Manifests, sondern zeigt auch Filme, die im Umfeld<br />
entstanden sind. Selbst ein »Altproduzent« wie Arthur<br />
Brauner ließ sich offenbar von der Aufbruchsstimmung<br />
beeinflussen und ermöglichte 1961 den verblüffenden<br />
Ausnahmefilm ZU JUNG FÜR DIE LIEBE?!, bei dem zum<br />
ersten Mal im Nachkriegsdeutschland eine Frau für die<br />
Regie verantwortlich zeichnen durfte. Viele der Filme<br />
des Programms wurden 2007 »wiederentdeckt«, als<br />
das Filmmuseum sie für seine wegweisende Retrospektive<br />
»Deutsche Filmavantgarde nach 1945« erstmals<br />
wieder öffentlich präsentierte.<br />
Das Festival von Oberhausen verlor schon sehr bald<br />
nach 1962 seine Funktion als das zentrale Forum für<br />
den Filmnachwuchs, andere Festivals wie die Hamburger<br />
Filmschau und die Mannheimer Filmwoche übernahmen<br />
diese Funktion. Die etablierten »Jungfilmer«<br />
reichten ihre Filme auf den »großen« Filmfestivals in<br />
Cannes, Berlin und Venedig ein oder gingen zum Fernsehen.<br />
Unbestrittenes Zentrum des Neuen Deutschen<br />
Films in den 1960er Jahren aber war München, das bis<br />
heute Standort der meisten deutschen Filmproduktionsfirmen<br />
geblieben ist.<br />
Stefan Drößler<br />
MÜNCHEN EHRT DIE UNTERZEICHNER DES OBER-<br />
HAUSENER MANIFESTS – Am 28. Februar 1962 verkündeten<br />
26 Jung filmer, die sich in München als<br />
Gruppe zusammengeschlossen hatten, auf dem Kurzfilmfestival<br />
in Oberhausen: »Papas Kino ist tot, wir<br />
machen den Neuen Deutschen Film!« Ihre folgenreiche,<br />
revolutionäre Erneuerungsbewegung ist einzigartig in<br />
der Filmgeschichte Deutschlands und jährt sich jetzt<br />
zum 50. Mal. Aus diesem Anlass lädt der Oberbürgermeister<br />
der Stadt München zu einem Festakt mit<br />
anschließendem Empfang ein, zu dem Bernhard<br />
Dörries, Rob Houwer, Alexander Kluge, Dieter Lemmel,<br />
Ronald Martini, Hansjürgen Pohland, Edgar Reitz und<br />
Wolfgang Urchs erwartet werden. Ausschnitte aus Fernsehberichten<br />
und Wochenschauen zeigen die Ereignisse<br />
von Anfang der 1960er Jahre, Ausschnitte aus<br />
den Filmen der Unterzeichner des Oberhausener Manifests<br />
werden vorgestellt und von den Filme machern<br />
kommentiert, die Ansprache hält Oberbürgermeister<br />
Dr. Christian Ude.<br />
▶ Sonntag, 26. Februar 2012, 11.00 Uhr (für geladene<br />
Gäste, Restkarten nur an der Tageskasse)
WAS DU ERERBT VON DEINEN VÄTERN – BRD 1957<br />
– R+B: Hansjürgen Pohland – K: Joachim Onnasch,<br />
Otto Trippel – M: Richard Stauch – D: Werner Finck –<br />
9 min – MAYA. EIN FILM VOM DEUTSCHEN FILM-<br />
NACHWUCHS – BRD 1958 – R+B: Hans C. Opfermann,<br />
Walter Koch – K: Fritz Schwennicke – M: Marc<br />
Roland – D: Werner Finck, Iga Caine, Klaus Kindler,<br />
Klaus Havenstein, Sylvia Bossert – 106 min – Drei<br />
junge Leute in München, Regisseur Stefan, Kameramann<br />
Klaus und Schauspielerin Maya drehen einen<br />
Film. Dabei entzweien sich Stefan und Maya, die eigentlich<br />
ineinander verliebt sind. Auf der Suche nach<br />
Maya gelangt Stefan in Studios, Büros, Ateliers, ein Museum<br />
und einen Jazzkeller, wodurch sich die Gelegenheit<br />
bietet, von Werner Finck anmoderierte »Avantgardefilme«<br />
des »deutschen Film-Nachwuchses« vorzustellen:<br />
DIE GEBURT DES LICHTS – R+B+K: Franz<br />
Schömbs – M: Marc Roland – BRUDER TIMOFEI –<br />
R+B+K: Wolf Schneider – DIE BRÜCKE – BRD 1958 –<br />
R+B: Haro Senft – K: Wolf Schneider – M: Siegfried<br />
Franz – D: Maya Maisch – PRELUDE – R+B: Herbert<br />
Vesely – K: Herbert List, Hugo Jehle – M: Hans-Martin<br />
Majewski – D: Wiet Polar, Heino Hallhuber, Cora Montez<br />
– FILMETUDE – R+B: Hans C. Opfermann – M: Peter<br />
Tschaikowsky – SPIELZEUGTRAUM – R+B+K: Walter<br />
Koch – M: Theta Wolfram – Die letzte Episode des<br />
Films wurde im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> gedreht.<br />
▶ Mittwoch, 29. Februar 2012, 21.00 Uhr<br />
SCHICKSAL EINER OPER – BRD 1958 – R+B+K:<br />
Bernhard Dörries, Edgar Reitz, Stefan Meuschel – 11<br />
min – EINE STADT FEIERT GEBURTSTAG – BRD 1958<br />
– R: Ferdinand Khittl – B: Ferdinand Khittl, Enno Patalas<br />
– K: Fritz Schwennicke – M: Hans Posegga – 15 min –<br />
MENSCHEN IM ESPRESSO – BRD 1958 – R: Herbert<br />
Vesely – B: Wilfried Berghahn – K: Wolf Wirth – 17 min<br />
– DAS BEGRÄBNIS – BRD 1960 – R+B+K: Rob Houwer<br />
– M: Hans Loeper – D: Hans Loeper, Ludwig Pieger,<br />
Richard Grabmeier – 10 min – GESICHT VON DER<br />
STANGE? – BRD 1961 – R: Raimond Ruehl – B: Raimond<br />
Ruehl, Detten Schleiermacher – K: Pitt Koch –<br />
M: Hans Posegga – D: Monika Feldenau – 13 min –<br />
MADELEINE, MADELEINE – BRD 1963 – R+B: Vlado<br />
Kristl – K: Wolf Wirth – M: Erich Ferstl – D: Madeleine<br />
Sommer, Elisabeth Holzner, Rolf Huber, Marika Silbernagl<br />
– 13 min – … UND DANN BYE BYE … – BRD<br />
1965 – R+B: Marran Gosov – K: Christian Schwarzwald<br />
– D: Stanislaw Ledinek, Nora Minor – 12 min –<br />
Geschichten von Kindern und Jugendlichen. Spiele und<br />
Träume, Anpassung an den Ernst des Lebens. – DER<br />
STADTSTREICHER – BRD 1966 – R+B: Rainer Werner<br />
Fassbinder – K: Josef Jung – D: Christoph Roser, Susanne<br />
Schimkus, Michael Fengler, Irm Hermann, Rainer<br />
Werner Fassbinder – 10 min – Geschichten aus München:<br />
Die Kriegsschäden, die Feierlichkeiten zum<br />
800. Geburtstag der Stadt, das Oktoberfest, Beobachtungen<br />
in einem Künstlertreff an der Leopoldstraße,<br />
Erlebnisse junger Leute in den Straßen der Stadt und<br />
im Englischen Garten.<br />
▶ Freitag, 2. März 2012, 21.00 Uhr<br />
BRUTALITÄT IN STEIN – BRD 1961 – R+B: Alexander<br />
Kluge, Peter Schamoni – K: Wolf Wirth – M: Hans Posegga<br />
– 11 min – DIE GARTENZWERGE – BRD 1961<br />
– R: Wolfgang Urchs – B: Boris von Borresholm, Peter<br />
Schamoni – K: Wolfgang Urchs – M: Hans Posegga –<br />
10 min – NOTIZEN AUS DEM ALTMÜHLTAL – BRD<br />
1961 – R+B+K: Hans Rolf Strobel, Heinrich Tichawsky<br />
– 18 min – MACHORKA-MUFF – BRD 1962 – R+B:<br />
Jean-Marie Straub, Danièle Huillet nach der Erzählung<br />
»Hauptstädtisches Journal« von Heinrich Böll – K: Wendelin<br />
Sachtler – D: Erich Kuby, Renate Lang, Rolf Thiede<br />
– 17 min – ES MUSS EIN STÜCK VOM HITLER SEIN –<br />
BRD 1963 – R+B: Walter Krüttner – K: Fritz Schwennicke<br />
– M: Erich Ferstl – 12 min – DIE WECHSLER IM<br />
TEMPEL – BRD 1965 – R: Horst Manfred Adloff – B:<br />
Horst Manfred Adloff, Franz-Josef Spieker – 15 min –<br />
WAHLKAMPF – MADE IN GERMANY – BRD 1966 – R:<br />
Hansjürgen Hilgert – B: Hans-Hermann Köper – K: Bert<br />
Meister – 12 min – Erste Versuche der Auseinandersetzung<br />
mit der NS-Vergangenheit: Suche nach Spuren<br />
und Aufdeckung von Kontinuitäten, aufklärerische Kommentare,<br />
Satire, Ironie und Spott. Kritische Blicke auf<br />
die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft, in der das<br />
»Wirtschaftswunder« gefeiert wird und alte Strukturen<br />
wieder aufgebaut werden. Der Film DIE WECHSLER IM<br />
TEMPEL wurde wegen »Beleidigung religiöser Gefühle«<br />
von der FSK für öffentliche Vorführungen nicht zugelassen.<br />
▶ Samstag, 3. März 2012, 21.00 Uhr<br />
SONNABEND 17 UHR – BRD 1966 – R: Ula Stöckl – K:<br />
Alfred Tichawsky – 17 min – Die erste Filmemacherin<br />
aus dem Umfeld der »Jungfilmer« war Ula Stöckl. In<br />
SONNABEND 17 UHR geben Abiturientinnen in Schwabing<br />
Auskunft, wie sie das Wochenende verbringen und<br />
wie ihr »Lebensglück« aussieht. – ZU JUNG FÜR DIE<br />
LIEBE?! – BRD 1961 – R: Erica Balqué – B: Eberhard<br />
Keindorff, Johanna Sibelius, Helmut Käutner, nach<br />
einer Erzählung von Helga von Wangenheim – K: Igor<br />
Oberberg – M: Ernst Simon – D: Loni von Friedel, Heinz<br />
Blau, Wolfgang Reichmann, Adelheid Seeck, Helmut<br />
Neuer Deutscher Film<br />
5
Neuer Deutscher Film<br />
6<br />
Käutner, Berta Drews – 93 min – Das völlig unbeachtet<br />
gebliebene Regiedebüt von Erica Balqué ist der erste<br />
Film im westdeutschen Nachkriegskino, bei dem eine<br />
Frau Regie führte. Es ist ein erfrischendes Drama mit<br />
pointierten Dialogen um ein minderjähriges Paar, das<br />
ein Kind erwartet und deshalb unbedingt heiraten<br />
möchte – und gegen vorurteilsbeladene Erwachsene<br />
und die staatliche Gesetzgebung zu kämpfen hat. »Im<br />
Prinzip bin ich der Meinung, dass Filmregie eine Männersache<br />
ist. Die erforderliche Geistesgegenwart, die<br />
Verantwortung für das Geld, für den reibungslosen Ablauf<br />
der Dreharbeiten – das erfordert schon eine männliche<br />
Hand. Dennoch bin ich nicht der Ansicht, dass<br />
eine Frau das nicht auch kann; es kommt freilich wohl<br />
letzten Endes immer auf den Charakter des jeweiligen<br />
Filmstoffes an.« (Erica Balqué)<br />
▶ Sonntag, 4. März 2012, 21.00 Uhr<br />
PRESSEKONFERENZ IN CANNES – BRD 1962 – mit<br />
Christian Doermer, Herbert Vesely, Hansjürgen Pohland<br />
– 11 min – DAS BROT DER FRÜHEN JAHRE – BRD<br />
1962 – R: Herbert Vesely – B: Herbert Vesely, Leo Ti,<br />
nach dem Roman von Heinrich Böll – K: Wolf Wirth –<br />
M: Attila Zoller, Joachim Ernst Behrendt – D: Christian<br />
Doermer, Karen Blanguernon, Vera Tschechowa, Elke<br />
Siegel, Gerry Bretscher – 89 min – Der erste offizielle<br />
»Junge Deutsche Film« erlebte seine Uraufführung bei<br />
den Filmfestspielen in Cannes. Vesely orientierte sich<br />
an den Stilmitteln der Nouvelle Vague. Er übertrug Bölls<br />
Geschichte vom Waschmaschinen-Monteur, der eines<br />
Tages aus seinem geregelten Alltag und der Ehe mit<br />
seiner Frau Ulla ausbricht, von der unmittelbaren Nachkriegszeit<br />
in die Gegenwart der Bundesrepublik Anfang<br />
der 1960er Jahre. »Böll schrieb Dialoge und Sprachtexte<br />
für den Film, wobei er darauf achtete, daß nie Partei<br />
ergriffen wird. Selbst Ulla, die fest in der Präsenta -<br />
tions- und Konsumgesellschaft steht, wird nicht angeklagt.<br />
Herbert Vesely arbeitet die Gedanken, Gefühle<br />
und Positionen der Charaktere vor allem mit voice-over<br />
heraus, dabei kommen alle Positionen zu Wort. Zu den<br />
narrativen Neuerungen im Film zählen besonders das<br />
unchronologische Erzählen, was keine Schwierigkeiten<br />
beim Zuschauen bereitet, aber dennoch zu unkonventionellem<br />
Sehen zwingt: neu Sehen lernen, neu Hören<br />
lernen, neu Verstehen lernen.« (Jennifer Borrmann)<br />
▶ Dienstag, 6. März 2012, 21.00 Uhr<br />
»… GEIST UND EIN WENIG GLÜCK« – BRD 1965 –<br />
R+B: Ulrich Schamoni – K: Petrus Schloemp – mit<br />
Peter Bamberger, Arthur Brauner, Rudolf Noelte, Ferdinand<br />
Khittl, Carl Lamb, Luise Albertz, Hilmar Hoffmann,<br />
Haro Senft, Alexander Kluge, Anton Kochs, Norbert<br />
Kückelmann, Walter Schmieding, Bert Haanstra, Jerzy<br />
Bossak, Jacov Lindt, Franz Josef Spieker, Vlado Kristl,<br />
Peter Schamoni, Enno Patalas, Uwe Nettelbeck, Ulrich<br />
Gregor, Günter Seuren, Klaus Lemke, Rudolf Thome –<br />
30 min – NEUER DEUTSCHER FILM REPORT – BRD<br />
1967 – R+B: Ferry Radax – K: Peter Scheiblin – mit<br />
Vlado Kristl, Peter Genée, Haro Senft, Werner Herzog,<br />
Volker Schlöndorff, Peter Schamoni, Horst Manfred<br />
Adloff, Hansjürgen Pohland, George Moorse – 21 min –<br />
DIE ERBEN VON PAPAS KINO – BRD 1968 – R+B: Wilhelm<br />
Roth – K: Peter Kodera – mit Rob Houwer, Hans<br />
Rolf Strobel, Peter Schamoni, Norbert Kückelmann,<br />
Hans Toussaint, Alexander Kluge, Werner Herzog, Marran<br />
Gosov, Fred Hoffmann, Edgar Reitz – 28 min –<br />
BESONDERS WERTVOLL – BRD 1968 – R+B+K: Hellmuth<br />
Costard – mit Hellmuth Costard, Edda Costard,<br />
Hans Toussaint – 11 min – VERRÄTER DES JUNGEN<br />
DEUTSCHEN FILMS SCHLAFEN NICHT – BRD 1982 –<br />
R+B+K: Vlado Kristl – 7 min – Fernseh berichte, die<br />
mal ironisch, mal nüchtern die Situation der »Jung -<br />
filmer« beleuchten: Bilder vom Festival von Oberhausen<br />
und von der Mannheimer Filmwoche, Interviews mit<br />
Filmemachern und filmische Polemiken gegen die Filmförderungsbürokratie.<br />
Hellmuth Costards Pamphlet<br />
BESONDERS WERTVOLL wird beim Oberhausener<br />
Filmfestival nicht zugelassen und verursacht einen<br />
Skandal.<br />
▶ Mittwoch, 7. März 2012, 21.00 Uhr
GESCHWINDIGKEIT – BRD 1963 – R+B: Edgar Reitz –<br />
K: Edgar Reitz, Thomas Mauch – M: Josef Anton Riedl –<br />
13 min – »Wenn wir die uns umgebende Wirklichkeit<br />
im Film abbilden, beziehen wir Stellung zu ihr. So betrachtet<br />
verändert die Welt ihr Aussehen auf überraschende<br />
Weise. Geschwindigkeit ist eine neue Realität.<br />
Sie mußte in der Sprache des Films formuliert werden.<br />
Im Bereich der Geschwindigkeit finden wir eine unseren<br />
Vorstellungen gemäße Ansicht der Erdoberfläche.<br />
Die Sinnwidrigkeit von provinziellen Begrenzungen wird<br />
offensichtlich.« (Edgar Reitz) – ABSCHIED VON GES-<br />
TERN – BRD 1966 – R+B: Alexander Kluge, nach seiner<br />
Erzählung »Anita G.« – K: Thomas Mauch, Edgar<br />
Reitz – D: Alexandra Kluge, Hans Korte, Edith Kuntze-<br />
Paleggio, Josef Kreindl, Eva Maria Meineke, Alfred Edel<br />
– 88 min – »Ein junges Mädchen, Anita G. Ihre Eltern<br />
wurden im ›Dritten Reich‹ eines Morgens abgeholt. Sie<br />
kommt aus dem Osten. Jetzt friert sie sich durch den<br />
Westen. Dreierlei Deutschland.« (Alexander Kluge)<br />
»ABSCHIED VON GESTERN ist der Film von jemandem,<br />
der das Kino gerade entdeckt hat und mit aller Unbefangenheit<br />
das macht, was andere nur unter großen<br />
Anstrengungen im Kampf mit dem vergangenen Kino<br />
fertig bringen: neue Ausdrucksmittel finden. Das macht<br />
sie barbarisch neu. In gewisser Weise ist Kluges Verhältnis<br />
zur Kinogeschichte ein ähnliches wie das seiner<br />
Anita G. zur deutschen Geschichte.« (Frieda Grafe)<br />
▶ Dienstag, 13. März 2012, 21.00 Uhr<br />
KLEINE FRONT – BRD 1965 – R: Klaus Lemke – B:<br />
Klaus Lemke, Max Zihlmann – K: Hubs Hagen – D: Werner<br />
Enke, Horst Söhnlein, Heinz Klopp, Uta Pausch –<br />
17 min – »Mein erster Film. Und gleich sofort drei<br />
Jungs zwischen Größenwahn und scheinbar falsch verstandenem<br />
amerikanischen Kino. Werner Enke als Belmondo.«<br />
(Klaus Lemke) – DIE TOTE VON BEVERLY<br />
HILLS – BRD 1964 – R: Michael Pfleghar – B: Peter Laregh,<br />
Hansjürgen Pohland, Michael Pfleghar, nach der<br />
Novelle von Curt Goetz – K: Ernst Wild – M: Heinz Kiessling<br />
– D: Heidelinde Weiss, Klausjürgen Wussow, Horst<br />
Frank, Wolfgang Neuss, Ernst Fritz Fürbringer –<br />
109 min – »Der brillanteste deutsche Debütfilm der frühen<br />
1960er Jahre. Keinem Vorbild verpflichtet und nur<br />
auf den Strategien seiner frühen Fernseh-Shows aufbauend,<br />
verwandelt Michael Pfleghar die Realität so,<br />
dass sie der auf schwindelerregende Gipfel getriebene<br />
Vorstellungswelt seiner Figuren und Kinoerfahrung seiner<br />
Zuschauer sowie ihrem eigenen, verborgenen Sinn -<br />
gehalt entspricht. Alles ist so, wie es sein könnte, sein<br />
sollte, sein müßte; und diese Phantasie-Ebenen der<br />
Realität werden mit völlig realistischen Mitteln dar -<br />
gestellt. Und dabei schafft es Pfleghar mit traumwandlerischer<br />
Sicherheit, die pikante Sinnlichkeit der Lolita-<br />
Geschichte, den Thrill der Krimi-Story und den Witz der<br />
Satire zu einem Ganzen zu integrieren; die Spannung<br />
hat Komik, und das Komische bringt das Sinnliche nie<br />
um seine Wirkung.« (Joe Hembus)<br />
▶ Dienstag, 20. März 2012, 21.00 Uhr<br />
DAS MAGISCHE BAND – BRD 1959 – R: Ferdinand<br />
Khittl – B: Bodo Blüthner, Ferdinand Khittl, Ernst von<br />
Khuon – K: Ronald Martini – M: Oscar Sala – D: Margot<br />
Trooger, Ferdinand Khittl – 21 min – DIE PARALLEL-<br />
STRASSE – BRD 1962 – R: Ferdinand Khittl – B: Bodo<br />
Blüthner – K: Ronald Martini – M: Hans Posegga – D:<br />
Friedrich Joloff, Ernst Marbeck, Wilfried Schröpfer,<br />
Henry van Lyck, Werner Uschkurat, Herbert Thiede –<br />
83 min – Der Industrie- und Kulturfilm bot jungen Filmemachern<br />
die Möglichkeit, innerhalb gewisser Grenzen<br />
mit dem Medium zu experimentieren. Der von der<br />
Gesellschaft für Bildende Filme für BASF produzierte<br />
Kurzfilm DAS MAGISCHE BAND stellt die Möglichkeiten<br />
des Magnetbands vor und strotzt vor kühner Einfälle<br />
visueller und akustischer Art. Ermuntert vom Erfolg<br />
solcher Kurzfilme entstand der abendfüllende Film DIE<br />
PARALLELSTRASSE, der in Deutschland kaum gezeigt<br />
wurde, im Ausland jedoch enthusiastische Kritiken erhielt.<br />
»Hier wurde mit unerwarteter Vitalität eine Tür aufgestoßen,<br />
und die kühnsten Perspektiven kamen zum<br />
Vorschein. Der Filmschöpfer, der seine Vision der Welt<br />
im Film abbilden will, wurde von dem Zwang befreit,<br />
fiktive Geschichten zu erzählen. Der Dokumentarfilm<br />
wurde von der Auflage erlöst, geographische, soziologische<br />
und andere Erläuterungen geben zu müssen. Es<br />
werden Dokumente aus Zeit und Welt vorgeführt, und<br />
an diesen Dokumenten entzündet sich eine Philosophie:<br />
eine Meditation über Dokumente.« (Joe Hembus)<br />
▶ Dienstag, 27. März 2012, 21.00 Uhr<br />
Neuer Deutscher Film<br />
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Die rote Traumfabrik<br />
Die rote Traumfabrik<br />
8<br />
AeliTA<br />
Meschrabpom-Film und Prometheus<br />
Die Gründung der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH,<br />
russisch: Meschrabpom), die der junge kommunistische<br />
Funktionär Willi Münzenberg von Berlin aus leitete,<br />
markierte im Jahr 1921 den Beginn einer einzigartigen<br />
Phase der deutsch-russischen Filmbeziehungen:<br />
Im Zuge der Hungerhilfe für die Wolgagebiete und<br />
der politischen Arbeit der IAH wurden russische und<br />
deutsche Filme produziert, und ein reger Export und Import<br />
von und nach Russland begann. 1924 gründeten<br />
IAH und das Moskauer Filmstudio Rus die gemeinsame<br />
Firma Meschrabpom-Rus (später Meschrabpom-Film),<br />
zu der ein Jahr später die deutsche Verleih- und Produktions<br />
gesellschaft Prometheus hinzukam. Bis zur gewaltsamen<br />
Schließung 1933 durch die Nationalsozialisten<br />
in Berlin und 1936 in Moskau in Stalins Auftrag entstanden<br />
fast 600 Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilme,<br />
darunter viele Klassiker des sowjetischen Films<br />
und des proletarischen Kinos in Deutschland. Wichtige<br />
Regisseure waren Boris Barnet, Wsewolod Pudowkin,<br />
Jakow Protasanow, Lew Kuleschow und Phil Jutzi. Hierzulande<br />
weniger bekannte Regisseure wie Aleksandr<br />
Andrijewski, Margarita Barskaja, Sergej Komarow oder<br />
Wladimir Schnejderow sind jedoch in dieser kleinen<br />
Werkschau ebenso zu entdecken wie einige der interessantesten<br />
Dokumentarfilme und Trickfilme der Filmfabrik.<br />
Kommerz und Gesinnung<br />
Willi Münzenberg brachte die ersten russischen Filme<br />
nach Krieg und Revolution nach Deutschland und be -<br />
lieferte zugleich die russischen Kinos mit deutscher<br />
Unterhaltungsware. Mit der Gründung der ersten<br />
deutsch-russischen Filmfirma als gemischte internationale<br />
Aktiengesellschaft, zusammen mit Moisej Alejnikow,<br />
einem Profi des vorrevolutionären Films, entstand<br />
eine einzigartige und besonders erfolgreiche Konstruktion:<br />
Ein Studio, das sich der staatlichen Kontrolle in der<br />
Sowjetunion rund ein Jahrzehnt lang weitgehend entziehen<br />
konnte und dessen zahlreiche Kassenschlager<br />
für die russischen Kinos ebenso in Deutschland und<br />
weiter in aller Welt verbreitet wurden. Es prägte die<br />
Filmsprache des europäischen Kinos mit. Meschrabpom-Film<br />
und seinen deutschen Tochterfirmen Prometheus-Film<br />
und Film-Kartell Weltfilm gelang es, einen<br />
dritten Weg zwischen der Dominanz Hollywoods und<br />
der Ufa sowie den staatlich-ideologisierten Sowkinound<br />
Goskino-Produktionen zu gehen.
Dazu baute die Filmfabrik systematisch auf bestimmte<br />
Genres, wie die ersten sowjetischen Komödien, Abenteuerfilme,<br />
populärwissenschaftliche Dokumentationen,<br />
Expeditionsfilme zu den weißen Flecken der Landkarte<br />
oder frühe Animationsfilme in einem ganz eigenen russischen<br />
Stil. Zudem schuf sie die ersten sowjetischen<br />
Tonfilme (1931) und Farbfilme (1936) und setzte auf<br />
aktuelle Themen wie Roboter in der Arbeitswelt, den<br />
Kampf gegen den Nationalsozialismus oder auf die<br />
weltweiten Massenbewegungen gegen Ungerechtigkeit,<br />
Unterdrückung, Arbeitslosigkeit und das Elend der<br />
unteren Schichten. In Deutschland förderte sie nach<br />
Kräften die linke Filmszene und den sozial engagierten<br />
Film, mit Filmemachern wie Phil Jutzi, Albrecht V. Blum,<br />
Leo Mittler oder Slatan Dudow. Der gemeinsame Nenner<br />
des Erfolgs war, was zugleich die stärkste Wirkung<br />
im internationalen Film entfaltete: die Mischung von<br />
Kunst und Kommerz, Massenattraktivität und Gesinnung,<br />
neuer Filmsprache und moderner Methoden ih -<br />
rer Verbreitung.<br />
Filmgeschichte als Ausgrabung<br />
Der Chef der Internationalen Arbeiterhilfe und damit<br />
auch oberste Studioleiter Willi Münzenberg bezichtigte<br />
Stalin nach dem Pakt mit Hitler offen des Verrats; er<br />
galt danach als Renegat und fiel kurz darauf wahrscheinlich<br />
dem NKWD zum Opfer. Zudem war die mit<br />
Meschrabpom in enger Verbindung stehende Kommunistische<br />
Internationale von Stalin »abgewickelt« worden.<br />
So wirkte dieses Tabu auch auf die Erforschung<br />
der Studiogeschichte in der Sowjetunion lange Zeit<br />
nach. Und in Deutschland galten die Unterlagen und<br />
Filme der Filmfabrik lange Zeit als verloren. Im Zuge<br />
der Vorbereitung der großen Retrospektive zur »Roten<br />
Traumfabrik« für die Berlinale 2012 haben viele Recherchereisen<br />
in die Moskauer Archive Kopien und<br />
Akten in Fülle zu Tage gefördert.<br />
Das <strong>Münchner</strong> Filmmuseum hat nicht nur die Retrospektive<br />
der Deutschen Kinemathek mit Film kopien,<br />
Rat und Tat unterstützt, sondern es dankenswerterweise<br />
ermöglicht, eine Werkschau des Studios auch in<br />
München anzubieten. Eingeführt wird das Programm<br />
mit einer Dokumentation, die erstmals mit vielen Filmbeispielen<br />
einen Überblick über das Studio und seine<br />
zentralen Figuren geben wird. Mit den hier vorgestellten<br />
Filmen von Meschrabpom-Film und Prometheus<br />
schließt sich ein Kreis, der vor fast 20 Jahren mit dem<br />
Russenfilmklub des <strong>Münchner</strong> Filmzentrums begonnen<br />
und über die Jahre mit vielen Programmen, vor allem<br />
zum russischen und sowjetischen Stummfilm, vom<br />
Filmmuseum weitergeführt werden konnte. Zahlreiche<br />
dieser Filme, die eben aus dieser zweitgrößten, aber<br />
nicht-staatlichen sowjetischen Filmfabrik stammten,<br />
lassen sich nun besser in ihren Kontext von Geschichte,<br />
Filmsprache und Produktion einordnen.<br />
Alexander Schwarz<br />
DIE ROTE TRAUMFABRIK – Deutschland 2012 – R+B:<br />
Alexander Schwarz – K: Andrej Pitinow – M: Bernd<br />
Schultheis – 56 min – Dokumentation über die Hintergründe<br />
und das Filmschaffen des deutsch-russischen<br />
Studios Meschrabpom-Film, mit Ausflügen in die heutige<br />
Filmszene Moskaus. – WOS STA NIJE RYBAKOW<br />
(AUFSTAND DER FISCHER) – UdSSR 1935 – R: Erwin<br />
Piscator, Michail Doller – B: Georgi Grebner, nach der<br />
Erzählung »Der Aufstand der Fischer von St. Barbara«<br />
von Anna Seghers – K: Pjotr Jermolow, Michail Kirillow<br />
– D: Aleksej Diki, Dmitri Konsowski, Nikolai Gladkow,<br />
Nikolai Iswolski, Wera Janukowa – 70 min, OmU – Die<br />
Fischer von St. Barbara tragen einen erbitterten Arbeitskampf<br />
gegen den Reeder aus. Sie haben nur die<br />
Wahl zwischen Verhungern und Hungerlohn. Ein Revolutionär<br />
versucht die wenigen Aufrechten unter den<br />
Fischern zu unterstützen. Auf Moskaus Einladung hin<br />
verfilmte der berühmte Theateravantgardist Erwin Piscator<br />
Anna Seghers’ Erzählung in der Sowjetunion.<br />
Große Hoffnungen ruhten auf dem aufwändigen Projekt,<br />
das eine Volksfront gegen die Nationalsozialisten<br />
propagieren sollte. Stalin ließ die experimentelle Tonfassung<br />
1934 jedoch schnell wieder absetzen, nur eine<br />
verstümmelte Exportfassung blieb erhalten. Piscator<br />
hatte für das »flache Land« aber noch eine kürzlich wiederentdeckte<br />
stumme Fassung hergestellt. Sie ist kürzer,<br />
aber dramaturgisch klarer und wirft ein neues Licht<br />
auf den Klassiker.<br />
▶ Dienstag, 28. Februar 2012, 19.00 Uhr (Am Flügel:<br />
Richard Siedhoff. Einführung: Ale xander Schwarz)<br />
Die rote Traumfabrik<br />
9
Die rote Traumfabrik<br />
10<br />
SCHACHMATNAJA GORJATSCHKA (SCHACHFIEBER)<br />
– UdSSR 1925 – R: Wsewolod Pudowkin, Nikolai Schpikowski<br />
– B: Nikolai Schpikowski – K: Anatoli Golownja –<br />
D: Wladimir Fogel, Anna Semzowa, José Raul Capa -<br />
blanca – 27 min, OmU – Als 1925 internationale Stars<br />
zu Schachmeisterschaften nach Moskau kommen, wird<br />
gleich eine amüsante Komödie dazu gedreht: Was,<br />
wenn der schachbegeisterte Moskauer darüber sogar<br />
seinen Hochzeitstermin vergisst? – AELITA (DER FLUG<br />
ZUM MARS) – UdSSR 1924 – R: Jakow Protasanow –<br />
B: Fjodor Ozep, Aleksej Tolstoj, nach dem Roman von A.<br />
Tolstoj – K: Juri Scheljabuschski, Emil Schünemann –<br />
D: Julija Solnzewa, Nikolai Zereteli, Walentina Kuindschi,<br />
Nikolai Batalow, Wera Orlowa – 99 min, OmU –<br />
»Anta odeli uta …«: Geheimnisvolle Nachrichten werden<br />
in Sowjetrussland aufgefangen, eine Expedition<br />
folgt ihren Spuren bis zum Mars, zur Herrscherin Aelita.<br />
Bald lösen die Gäste eine Revolution auf dem Nachbarplaneten<br />
aus. Abenteuer, Science Fiction, Liebesmelodram<br />
und realistische Darstellung der Nachbürgerkriegsgesellschaft<br />
in Moskau, kombiniert mit phantastisch-konstruktivistischen<br />
Bauten und Exter-Kostümen,<br />
bescherten der frühen Meschrabpom-Produktion großen<br />
Erfolg in beiden Ländern. Altmeister Protasanow<br />
und junge Schauspieltalente wie Solnzewa, Batalow<br />
und Iljinski begannen damit große Karrieren.<br />
▶ Mittwoch, 29. Februar 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel:<br />
Richard Siedhoff)<br />
ODNA IS MNOGICH (EINE VON VIELEN) – UdSSR<br />
1927 – R+B: Nikolai Chodatajew – K: Pawel Merschin<br />
– A: Walentina u. Sinaida Brumberg, Olga Chodatajewa<br />
– D: Aleksandra Kudrjawzewa – 16 min, OmU – Zeichentrickfilm<br />
mit Realaufnahmen: Ein Augenzwinkern<br />
der echten Mary Pickford reicht, und die junge Filmverrückte<br />
träumt sich schon nach<br />
Hollywood. – POZELUI MERI<br />
PIKFORD (DER KUSS DER<br />
MARY PICKFORD) – UdSSR<br />
1927 – R: Sergej Komarow – B:<br />
Sergej Komarow, Wadim Scherschenewitsch<br />
– K: Jewgeni Aleksejew<br />
– D: Igor Iljinski, Anel Sudakewitsch,<br />
M. Rosenschtejn,<br />
Mary Pickford, Douglas Fairbanks<br />
– 79 min, OmU – Alles<br />
dreht sich nur um Filmstars:<br />
Dusja will ihren Verehrer Goga<br />
nur erhören, wenn er so berühmt<br />
wird wie die amerikanischen Kinohelden.<br />
Nach einem wahren<br />
Crashkurs zum Stuntman platzt<br />
just in seinen ersten Dreh die Sensation: Mary Pickford<br />
und Douglas Fairbanks kommen – als erste Weltstars<br />
des Kinos – zu Besuch ins sowjetische Moskau. Goga<br />
erhält beim improvisierten Dreh von Mary einen Kuss.<br />
Jetzt sind alle Frauen hinter ihm her. Eine temporeiche<br />
Farce über den Starkult. Igor Iljnski und Anel Sudakewitsch<br />
avancierten damit selbst zu sowjetischen Filmstars,<br />
das Studio landete erneut einen Kassenschlager.<br />
▶ Freitag, 2. März 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel: Joachim<br />
Bärenz)<br />
MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK – Deutschland<br />
1929 – R+K: Phil Jutzi – B: Willy Döll, Jan Fethke<br />
– D: Alexandra Schmitt, Holmes Zimmermann, Ilse<br />
Trautschold, Gerhard Bienert, Vera Sacharowa –<br />
119 min – Mitten in der Weltwirtschaftskrise: Die Arbeiter<br />
leben im Elend und kämpfen um ein kleines bisschen<br />
Glück und warmes Essen. Mutter Krause samt<br />
zwei erwachsenen Kindern, dazu ein windiger »Schlafbursche«<br />
und seine Geliebte, die Prostituierte ist und<br />
ein Kind hat – sie alle leben auf ein paar Quadrat -<br />
metern beisammen. Schnell kommt es zu Spannungen,<br />
bald ist auch Kriminalität im Spiel. Mutter Krausens<br />
mühsam aufrechterhaltene Ordnung bricht zusammen.<br />
Das Projekt entstand zu Ehren des kurz zuvor verstorbenen<br />
Heinrich Zille. Der hatte sein »Milljöh« genau beschrieben<br />
– es fehlte nur noch der Film. Phil Jutzi<br />
drehte ihn, beraten von Käthe Kollwitz, im Stil und in<br />
der Gesinnung der sowjetrussischen Filme, die die Produktionsfirma<br />
Prometheus importierte und verlieh. Statt<br />
auf platte Unterhaltung oder kommerziellen Erfolg<br />
setzte Jutzi auf die Kraft der Erkenntnis.<br />
▶ Samstag, 3. März 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel: Joachim<br />
Bärenz)
ÜBERFLÜSSIGE MENSCHEN – Deutschland 1926 –<br />
R+B: Aleksandr Rasumny, nach Motiven von Anton<br />
Tschechow – K: Otto Kantureck, Carl Attenberger – M:<br />
Edmund Meisel – D: Eugen Klöpfer, Camilla von Hallay,<br />
Heinrich George, Albert Steinrück, Werner Krauss –<br />
105 min – Das kleine Glück und die großen Nöte in<br />
einem Schtetl, irgendwo im »Inneren Russlands«. Trunkenheit,<br />
Zauberkünstler, Rivalitäten, Verzweiflung, ein<br />
Großbrand, eine Verlobung, Badefreuden, Bubenstreiche<br />
und ein Dorforchester, in dem alle irgendwie mitspielen.<br />
Prometheus-Film war gerade zum Vertrieb<br />
neuer russischer Filmkunst gegründet worden, da versuchte<br />
man sich an ersten zaghaften deutschen Produktionen,<br />
mit einem Tschechow-Melodram, deutschrussischem<br />
Stab und Starbesetzung. Ein wenig bekanntes<br />
Werk, mit dem Komponist Edmund Meisel<br />
nach PANZERKREUZER POTEMKIN im Filmgeschäft<br />
weiter Fuß fassen konnte. Zur Aufführung gelangt eine<br />
1979 vom ZDF ausgestrahlte Rekonstruktion des Films,<br />
die im Bonner Metropol-Kino mit Live-Orchestermusik<br />
aufgezeichnet wurde.<br />
▶ Sonntag, 4. März 2012, 18.30 Uhr<br />
PUTJOWKA W SCHISN (DER WEG INS LEBEN) –<br />
UdSSR 1931 – R: Nikolai Ekk – B: Nikolai Ekk, Regina<br />
Januschkewitsch, Aleksandr Stolper – K: Wasili Pronin<br />
– M: Jakow Stolljar – D: Nikolai Batalow, Iwan Kyrlja,<br />
Michail Dschagofarow, Wladimir Wesnowski, Regina<br />
Januschkewitsch – 112 min, OmU – Nach Revolution<br />
und Bürgerkrieg machen kriminelle Banden obdach -<br />
loser Jugendlicher die Straßen unsicher; sie werden<br />
eingefangen, reißen aber meistens wieder aus. Ein (real<br />
von Anton Makarenko durchgeführtes) Reformprojekt<br />
soll die Jugendlichen in Arbeitskommunen resozialisieren.<br />
Lange Zeit steht das Projekt immer wieder auf der<br />
Kippe: Mangelnde Disziplin, fehlende Materialien, Rückfälle.<br />
Doch mit der Eröffnung der selbst gebauten<br />
Eisenb ahn strecke soll der Erfolg gekrönt werden. Da<br />
kommt es zu einem Zwischenfall … Der erste abendfüllende<br />
sowjetische Tonfilm, die realistische, noch<br />
nicht vollkommen stalinistisch überhöhte Darstellung<br />
und das universelle Thema vom Herausarbeiten des<br />
Guten aus allen Menschen ließen den Film zum großen<br />
Triumph des Studios werden, sogar weltweit.<br />
▶ Dienstag, 6. März 2012, 18.30 Uhr<br />
OKRAINA (VORSTADT) – UdSSR 1933 – R: Boris Barnet<br />
– B: Konstantin Finn, Boris Barnet, nach der Erzählung<br />
von Konstantin Finn – K: Michail Kirillow, A. Spiridonow<br />
– M: Sergej Wasilenko – D: Sergej Komarow, Jelena<br />
Kusmina, Robert Erdman, Aleksandr Tschistjakow,<br />
Hans Klering – 96 min, OmU – Krieg und Poesie,<br />
Schusternägel und Revolution: Die Katastrophe des Ersten<br />
Weltkrieges bricht über ein verschlafenes russisches<br />
Provinznest herein. In diesem »Krähwinkel« gab<br />
bislang die Schusterwerkstatt Arbeit, die Damen flanierten<br />
sonntags am Dorfteich, Russen und auch Deutsche<br />
lebten friedlich Tür an Tür. Jetzt müssen die Schustersöhne<br />
an die Front, und der alte Deutsche muss sein<br />
Haus verlassen. Bald treffen die ersten Kriegsgefangenen<br />
ein. Die Schusterstochter lässt sich mit einem ein;<br />
Russen prügeln ihn dafür halb tot. Aber der Vater kann<br />
ihn brauchen: »Das ist kein Deutscher, sondern ein<br />
Schuster!« Der revolutionäre Funke springt in die Heimat<br />
über. Mit Augenzwinkern, Melancholie und verhaltenem<br />
revolutionären Pathos konnte Barnet als großer<br />
Utopist 1933 nur Verrisse ernten. Heute begeistern<br />
nicht nur sein komödiantisches Talent und die souveräne<br />
»poetische Montage«; auch die pazifistisch-internationalisti<br />
sche Sicht auf Weltkrieg und Revolution<br />
kann erst jetzt ihre Wirkung entfalten.<br />
▶ Mittwoch, 7. März 2012, 18.30 Uhr<br />
SOROK SERDEZ (VIERZIG HERZEN) – UdSSR 1931 –<br />
R: Lew Kuleschow – B: Aleksandr Andrijewski – K: Konstantin<br />
Kusnezow – A: Iwan Iwanow-Wano – 49 min,<br />
OmU – Wie Herzen schlagen die neuen Kraftwerke im<br />
Die rote Traumfabrik<br />
11
Die rote Traumfabrik<br />
12<br />
Puls der Modernisierung. Eilig und mit gigantischem<br />
Aufwand wird die Sowjetunion industrialisiert. Kuleschows<br />
wiederentdeckter Lehrfilm ist zugleich ein Hohelied<br />
auf die Wunderkraft des elektrischen Stroms. –<br />
TRI PESNI O LENINE (DREI LIEDER ÜBER LENIN) –<br />
UdSSR 1934 – R+B: Dsiga Wertow – K: Dmitri Surenski,<br />
Mark Magidson, Boris Monastyrski – M: Juri<br />
Schaporin – 62 min, OmU – Von der Leninschen<br />
Lampe in der usbekischen Hütte bis zum gigantischen<br />
Moskau-Wolga-Kanal: Kontinente umspannend preist<br />
das sowjetische Volk den geliebten Vater und herzlichen<br />
Freund. Lenin ist auch zehn Jahre nach seinem<br />
Tod noch allgegenwärtig, in der Trauer und im Fortschrittsglauben:<br />
Revolution ist ansteckend, bewegend,<br />
aktuell. Wertow montiert aus Wochenschaumaterial<br />
und neuen Bildern eine ergreifende Montage-Hymne.<br />
▶ Freitag, 9. März 2012, 18.30 Uhr<br />
RWANYJE BASCHMAKI (ZERRISSENE STIEFEL-<br />
CHEN) – UdSSR 1933 – R+B: Margarita Barskaja – K:<br />
Georgi Bobrow, Sarkis Geworkian – M: Wissarion Schebalin<br />
– D: Michail Klimow, Iwan Nowoselzew, Anna<br />
Tschekulajewa, Wera Alechina, Klawdija Polowikowa –<br />
84 min, OmU – Deutschland, kurz vor der endgültigen<br />
Machtübernahme der Nationalsozialisten. Auch das<br />
Arbeiterviertel und die Schulklasse sind gespalten: Hitlerjungen<br />
balgen sich mit den Söhnen der streikenden<br />
Arbeiter, die trotzig ihr »Rotfront« skandieren. Die anrührende<br />
Geschichte von Bubi und seinen Freunden lag<br />
für das deutsch-russische Studio nahe. Margarita Barskaja,<br />
Schauspielerin und eine der wenigen Regisseurinnen<br />
des sowjetischen Films, inszenier te sie mit großem<br />
Gespür für den Umgang mit Kindern vor der Kamera.<br />
Der Film konnte in Deutschland nicht mehr gezeigt werden,<br />
da die SA das Arbeiterhilfe- und Prometheus-Büro<br />
in Berlin schon gestürmt und das NS-Regime alle russischen<br />
Filme verboten hatten.<br />
▶ Samstag, 10. März 2012, 18.30 Uhr<br />
GIBEL SENSAZII (UNTERGANG DER SENSATION) –<br />
UdSSR 1935 – R: Aleksandr Andrijewski – B: Georgi<br />
Grebner – K: Mark Magidson – M: Sergej Wasilenko –<br />
D: Sergej Wetscheslow, Wladimir Gardin, Marija Wolgina,<br />
Anna Tschekulajewa, Wasili Orlow – 87 min,<br />
OmeU – Halb science fiction, halb Klassenkampf – Maschinen(alb)träume<br />
auf russisch. Vorsichtshalber wurde<br />
die brisante Handlung ins »Ausland« verlegt. Der Ingenieur<br />
Jim Ripple erfindet durch Saxophon und Funk<br />
ferngesteuerte Roboter. Die Kapitalisten denken gleich<br />
an ein Heer emotionsloser Kampfmaschinen. Jims Bruder<br />
Jack ist Arbeiterführer und organisiert Streiks<br />
gegen die Roboter, die nur Arbeitslosigkeit produzieren<br />
würden. Es kommt zur Schlacht … Ein paar Jahre nach<br />
dem Maschinenmenschen Maria in METROPOLIS und<br />
noch bevor Hollywood Weltvernichtungsroboter aufmarschieren<br />
ließ, zeigte Meschrabpom 1935 die bedroh -<br />
liche Maschinenarmee zwischen den Fronten des Klassenkampfes.<br />
Mit in der Sowjetunion nie dagewesenem<br />
Aufwand und modernster Technik inszenierte Aleksandr<br />
Andrijewski das immer wieder aktuelle Thema.<br />
Die gewaltsame Schließung der Moskauer Filmfabrik<br />
verhinderte eine größere Verbreitung des Meisterwerks.<br />
▶ Sonntag, 11. März 2012, 18.30 Uhr<br />
SOLOTOJE OSERO (DER GOLDENE SEE) – UdSSR<br />
1935 – R: Wladimir Schnejderow – B: Aleksandr Peregudow,<br />
Wladimir Schnejderow – K: Aleksandr Schelenkow<br />
– M: Sergej Wasilenko – D: Iwan Nowoselzew,<br />
W. Tolstowa, Andrej Fait, M. Grodski, I. Michailow –<br />
78 min, OmeU – Banditen, ein Schamane und junge<br />
sowjetische Geologen – alle sind hinter dem sibirischen<br />
Gold her, das schon der Name des »Goldenen Sees«<br />
verspricht. Ein Attentat, ein wahrhaftiger cliffhanger, ein<br />
Waldbrand und die beeindruckende Landschaft im »Wil -<br />
den Osten« treiben die Handlung voran. Expeditionsund<br />
Abenteuerspezialist Wladimir Schnejderow hatte<br />
schon spektakuläre Dokumentarfilme im Pamir, im Eismeer<br />
und im Jemen gemacht. Hier versuchte er sich<br />
erstmals und mit Erfolg mit einem Abenteuerspielfilm.<br />
▶ Dienstag, 13. März 2012, 18.30 Uhr<br />
SLUTSCHAINAJA WSTRETSCHA (ZUFÄLLIGE BEGEG-<br />
NUNG) – UdSSR 1936 – R+B: Igor Sawtschenko – K:<br />
Juli Fogelman – M: Sergej Potozki – D: Jewgeni Samoilow,<br />
Galina Paschkowa, Walentina Iwaschjowa, Pjotr<br />
Sawin – 63 min, OmeU – Das Spielwarenkombinat<br />
Dscherschinski präsentiert sich von seiner besten<br />
Seite, als Paradies der Arbeiter. Gearbeitet wird kaum,<br />
aber viel Sport getrieben. Alle haben Spaß und immer<br />
ein Lied auf den Lippen. Der beliebten blonden Vor -<br />
arbeiterin gelingt einfach alles, bis sie sich in den Sporttrainer<br />
verliebt. Ein sozialistisch-realistisches Spätwerk<br />
des Meschrabpom-Studios – dessen Ende bahnt sich<br />
schon an. Der junge Regisseur Igor Sawtschenko war<br />
Spezialist für Musikfilm und Melodramen und damit<br />
eigentlich ganz auf Stalins Linie. Dem Studio war jedoch<br />
selbst in diesen dramatischen Jahren des beginnenden<br />
Terrors filmische Qualität wichtiger als die Ideologie.<br />
So musste der Film nach »Formalismus«-Vor -<br />
würfen umgearbeitet werden. Bald nach dem Kinostart<br />
1936 wurde er ganz aus dem Verleih genommen.<br />
▶ Mittwoch, 14. März 2012, 18.30 Uhr
Zum 100. Geburtstag von Jiří Trnka<br />
ein SOmmeRnAcHTSTRAUm<br />
Jiří Trnka<br />
13<br />
Jiří Trnka – Im Dienste der Phantasie<br />
Jiří Trnka war nicht nur eine der Schlüsselfiguren der<br />
tschechischen Schule des Animationsfilms, sondern zugleich<br />
auch Illustrator, Maler, Puppenspieler, Bildhauer<br />
und Bühnenbildner sowie ein bedeutender Vertreter der<br />
modernen Kunst und der tschechischen visuellen<br />
Szene in den 30er bis 60er Jahren des 20. Jahrhunderts,<br />
dessen Werk die folgende Künstlergeneration beeinflusst<br />
hat. Am bekanntesten sind seine Filme und Illustrationen,<br />
auf welche Künstler bis heute Bezug nehmen.<br />
Die Inhalte seiner Filme wählte Trnka sorgfältig<br />
aus, manche Themen griff er mehrmals in seinen Illustrationen<br />
und Grafiken sowie im Film auf (z. B. beim<br />
SOMMERNACHTSTRAUM). Inspiration schöpfte er aus<br />
der Volkskultur und der Weltliteratur sowie aus der bildenden<br />
Kunst. In einer Zeit, in der Walt Disney den Zeichentrickfilm<br />
weltweit dominierte, ging Trnka seinen<br />
eigenen Weg und bewies, dass die Möglichkeiten des<br />
Animationsfilmes noch wesentlich vielfältiger sind.<br />
Manchmal war er seiner Zeit voraus, einige seiner<br />
Filme wie DAS GESCHENK (1946) stießen zu ihrer Entstehungszeit<br />
auf Unverständnis und wurden erst später<br />
»wiederentdeckt« und hochgeschätzt. Andere wie der<br />
Pantomimefilm EIN SOMMERNACHTSTRAUM (1959)<br />
rufen bis heute unverminderte Bewunderung beim Publikum<br />
hervor.<br />
Bahnbrechend ist vor allem Trnkas Art, Atmosphäre zu<br />
erzeugen. Jedes Handlungsmotiv wird in Bilder zerlegt,<br />
die im Endeffekt verschmelzen und somit einen breiten<br />
Raum für eine reichhaltige Palette an Gefühlen und<br />
Stimmungen entstehen lassen. Dramatische Handlungen<br />
und eine poetische Atmosphäre erzeugt Trnka<br />
nicht nur mit den zur Verfügung stehenden filmischen<br />
Mitteln (Beleuchtung, Kamerawinkel, Animation, Schnitt<br />
und Ton), sondern auch durch das Zusammenspiel der<br />
Figuren mit den Requisiten. Mit jeder Aufnahme<br />
brachte Jiří Trnka die technologische und künstlerische<br />
Entwicklung des Animationsfilmes voran. Niemals<br />
wiederholte er sich, weder in der künstlerischen Aus -<br />
gestaltung noch in der Verwendung von Anima tions -<br />
techniken.<br />
Jiří Trnka wurde am 24. Februar 1912 in Pilsen geboren,<br />
einer südböhmischen Stadt, die berühmt für ihre<br />
Puppenspieltradition ist. Er starb am 30. Dezember<br />
1969 in Prag. Schicksalhaft war für Trnka die Begegnung<br />
mit Josef Skupa, seinem Zeichenlehrer an der<br />
Mittelschule, der zu dieser Zeit bereits ein berühmter<br />
Puppenspieler war. Skupa erkannte Trnkas außerordentliches<br />
Talent, weckte sein Interesse an Puppen und<br />
Puppentheater und unterstützte seine künstlerische<br />
Entwicklung auch nach der Zeit seines Studiums an der<br />
Kunstgewerbeschule in Prag. Für Skupas Puppentheater<br />
entwarf Trnka Dekorationen und Puppen sowie die<br />
Werbematerialien, in deren Mittelpunkt das Paar Spejbl<br />
und Hurvínek stand. Nach Beendigung seines Studiums<br />
im Jahre 1936 gründete und betrieb Trnka für
Jiří Trnka<br />
14<br />
kurze Zeit eine eigene Puppenbühne, das Hölzerne<br />
Theater, der jedoch kein großer Erfolg bei Publikum und<br />
Kritik beschieden war. Die künstlerische Qualität der<br />
Inszenierungen wurde zwar gepriesen, jedoch die Auswahl<br />
der Stoffe kritisiert.<br />
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 übernahm<br />
Trnka die künstlerische Leitung des verstaatlichten<br />
Prager Zeichenfilmstudios, das von einer Gruppe<br />
junger Animatoren betrieben wurde, die sich Bratři v<br />
triku (Brüder im Trick/Trikot) nannten. Noch vor Ablauf<br />
des Jahres 1945 wurde unter Trnkas künstlerischer<br />
Leitung der erste Zeichenfilm GROSSVATER PFLANZT<br />
EINE RÜBE fertiggestellt. Im nachfolgenden Jahr entstehen<br />
drei weitere Filme: Das Kindermärchen DIE BRE-<br />
MER STADTMUSIKANTEN, inspiriert von einer Episode<br />
aus einem Ballett von Oskar Nedbal, die Gesellschaftssatire<br />
DAS GESCHENK, in der Realaufnahmen mit Zeichentrick<br />
kombiniert wurden, und die politische Farce<br />
DER FEDERMANN UND DIE SS. Diese Filme unterscheiden<br />
sich nicht nur thematisch voneinander, sondern<br />
auch in ihrer Zeichentricktechnik. Als die Kurzfilme<br />
1946 auf dem ersten Nachkriegsfilmfestival in Cannes<br />
gezeigt wurden, wurden sie von den Zuschauern und<br />
vom Fachpublikum begeistert aufgenommen.<br />
1946 widmete sich Trnka wieder seinen Marionetten<br />
und wandte sich dem Puppentrickfilm zu. DIE WEIH-<br />
NACHTSKRIPPE (1947) erweckte die magische Atmosphäre<br />
tschechischer Weihnachten auf der Leinwand<br />
zum Leben. Dem Kurzfilm folgten fünf weitere Episoden,<br />
welche die Volksbräuche auf dem tschechischen<br />
Land während eines ganzen Jahres zeigten und zusammen<br />
den Langfilm DAS TSCHECHISCHE JAHR bildeten.<br />
Die einzelnen Episoden wie auch der ganze Film<br />
eröffneten dem Puppenfilm neue Horizonte und gewannen<br />
in den folgenden Jahren auf internationalen Festivals<br />
eine Reihe von Preisen. Der nächste abendfüllende<br />
Puppenfilm war die Verfilmung eines Märchens von<br />
Hans Christian Andersen: DER KAISER UND DIE NACH-<br />
TIGALL (1948). Ein kranker Junge erlebt in einem<br />
Fiebertraum die Geschichte des chinesischen Kaisers<br />
aus dem Märchen, die Menschen und Gegenstände<br />
aus seiner Umgebung werden zu Figuren in der Geschichte.<br />
Vor dem nächsten Langfilm, der Märchenverfilmung<br />
PRINZ BAJAJA (1950), drehte Trnka drei kurze Puppentrickfilme:<br />
die Adaption von Tschechows Märchen<br />
ROMAN MIT DEM KONTRABASS (1949), die Western-<br />
Parodie DAS LIED DER PRÄRIE (1949) und das Märchen<br />
DIE TEUFELSMÜHLE (1951), in denen er den Puppentrick<br />
weiterentwickelte und mit dem Ton experimentierte:<br />
Hatte er in seinen Filmen bisher nur Musik eingesetzt,<br />
so arbeitete er hier mit einem Kommentar, Sologesang<br />
und Geräuscheffekten als dramaturgischen<br />
Ausdrucksmitteln.<br />
Für den gelungenen Papierschnittfilm DER LUSTIGE<br />
ZIRKUS (1951) zog Trnka die bildenden Künstler František<br />
Tichý, Zdeněk Seydl und Kamil Lhoták hinzu. Die<br />
Adaption von ALTE BÖHMISCHE SAGEN (1953) war<br />
Trnkas nächster Langfilm. Er wählte aus der gleich -<br />
namigen literarischen Vorlage von Alois Jirásek Erzählungen<br />
aus der Geschichte des tschechischen Volkes<br />
aus, die in den ersten Kapiteln des Buches vorkommen.<br />
In sechs Episoden wird von der Ankunft des Urvaters<br />
Čech mit seinem Volk bis hin zum Krieg von Lucko erzählt,<br />
in dem die Armee des böhmischen Fürsten in der<br />
Schlacht auf den Stamm der benachbarten Lutschanen<br />
traf. Mit Hilfe der Puppen gelang es Trnka, die böhmischen<br />
Volksmythen und -legenden mit einem sicheren<br />
Sinn für Monumentalität, aber ohne unnötigen Pathos<br />
darzustellen. Die allegorischen und märchenhaften Szenen<br />
wechseln mit dramatischen Handlungen. Dabei<br />
zeichnet der Film auch psychologische Porträts der Helden<br />
nach. Etwas unausgewogener geriet der nächste<br />
Langfilm DIE ABENTEUER DES BRAVEN SOLDATEN<br />
SCHWEJK (1954) nach dem populären humoristischen<br />
Roman von Jaroslav Hašek. Trnka versuchte, sowohl<br />
den Geist der literarischen Vorlage wie auch den Stil<br />
der Illustrationen von Josef Lada zu bewahren.<br />
EIN SOMMERNACHTSTRAUM (1959) ist der letzte<br />
lange Film von Jiří Trnka, sein Meisterwerk, das die Ausdrucksmöglichkeiten<br />
des Puppentrickfilms und die Erfahrungen<br />
aus den vorhergehenden Filmen zusammenfasst.<br />
Trnka gelang es, mit filmischen Mitteln William<br />
Shakespeares Dichtung in eine eigene Poetik zu verwandeln.<br />
Die Animation der Puppen ist so perfekt, dass<br />
man fast den Eindruck hat, die souveräne Regie würde<br />
sie zu schauspielerischen Höchstleistungen bringen.<br />
Jeden Moment des Films zeichnet eine einzigartige<br />
Jiří Trnka
Stimmung aus. Die verschiedenen Welten – ein prunkvoller<br />
herrschaftlicher Hof, das Milieu der einfachen<br />
Handwerker und ein verzauberter Wald mit Elfen, Waldfeen<br />
und Kobolden – heben sich voneinander durch die<br />
künstlerische Gestaltung ab, die die Bewegungen der<br />
Figuren und die Atmosphäre der Hintergründe prägt.<br />
Der Science-Fiction-Puppentrickfilm DIE KYBERNETI-<br />
SCHE GROSSMUTTER (1962) nach einer Vorlage von<br />
Ivan Klíma beschreibt die Versklavung des Menschen<br />
durch die Verlockungen der Technik. ERZENGEL GA-<br />
BRIEL UND FRAU GANS (1964) ist inspiriert von Boccaccios<br />
»Decamerone« und erzählt eine Geschichte<br />
aus dem Venedig der Renaissance. Die Puppenallegorie<br />
DIE HAND (1965) schließt das filmische Schaffen<br />
von Jiří Trnka ab. Die Geschichte des Pierrots, der<br />
gegen eine despotische Hand ankämpft, lässt sich als<br />
Trnkas persönliche künstlerische Aussage und filmisches<br />
Vermächtnis verstehen. DIE HAND wurde wegen<br />
seiner unverhohlenen Botschaft gegen den Mechanismus<br />
von Terror und Unterdrückung in der CSSR für<br />
mehr als 20 Jahre verboten. Das zeitlose und immer<br />
noch aktuelle Thema sowie die unstrittige künstlerische<br />
Qualität des Films stellen DIE HAND in eine Reihe mit<br />
den bis heute am höchsten geschätzten Meisterwerken<br />
der internationalen Filmgeschichte.<br />
Michaela Mertová, Nationales Filmarchiv Prag<br />
ZASADIL DEDEK REPU (GROSSVATER PFLANZT<br />
EINE RÜBE) – CSSR 1945 – R: Jiří Trnka – B: Eduard<br />
Hofman – M: Václav Trojan – 10 min, ohne Dialog –<br />
Eine Geschichte von einer großen Rübe und davon,<br />
dass auch die Hilfe der kleinen Maus nicht zu verachten<br />
ist. – PERAK A SS (DER FEDERMANN UND DIE<br />
SS) – CSSR 1946 – R: Jiří Trnka, Jiří Brdečka – B: Jiří<br />
Brdečka, Eduard Hofman, Jiří Trnka – M: Jan Rychlík –<br />
13 min, OmU – In Prag erschreckt ein Schornsteinfeger<br />
die deutschen Besatzer, indem er auf elastischen Federn<br />
von einem Haus zum anderen springt. – ROMAN<br />
S BASOU (ROMAN MIT DEM KONTRABASS) – CSSR<br />
1949 – R+B: Jiří Trnka, nach der Kurzgeschichte von<br />
Anton Tschechow – M: Václav Trojan – 13 min, OmU –<br />
Ein Mann mit Kontrabass trifft beim Baden auf eine<br />
schöne Fischerin, die ihn um den Verstand bringt. – VE-<br />
SELY CIRKUS (DER LUSTIGE ZIRKUS) – CSSR 1951 –<br />
R+B: Jiří Trnka – K: Emanuel Franek – M: Jan Rychlík,<br />
Václav Trojan – 12 min, ohne Dialoge – Zirkuskünstler<br />
und -tiere führen ihre Kunststücke in der Manege vor. –<br />
KYBERNETICKA BABICKA (DIE KYBERNETISCHE<br />
GROSSMUTTER) – CSSR 1962 – R+B: Jiří Trnka – K:<br />
Jiří Šafář – M: Jan Novák – 29 min, OmU – Eine beunruhigende<br />
Vision von dem wissenschaftlich-technischen<br />
Fortschritt, die Elemente des psychologischen<br />
Films sowie Elemente von Horror und Science Fiction<br />
kombiniert. – ARCHANDEL GABRIEL A PANI HUSA<br />
(ERZENGEL GABRIEL UND FRAU GANS) – CSSR<br />
1964 – R+B: Jiří Trnka, nach »Decameron« von Giovanni<br />
Boccaccio – K: Jiří Šafář – M: Jan Novák –<br />
29 min, OmU – Im Venedig der Renaissance-Zeit verliebt<br />
sich eine hübsche, reiche, aber dumme Frau in<br />
den Erzengel Gabriel.<br />
▶ Freitag, 9. März 2012, 21.00 Uhr<br />
LOUTKY JIRIHO TRNKY (JIRI TRNKAS MARIONET-<br />
TEN) – CSSR 1955 – R+B: Bruno Šefranka – K: Jiři<br />
Kolín – M: Lubos Sluka – 25 min, OmU – Dokumentarfilm,<br />
der Jiří Trnka in seinem Studio bei der Arbeit an<br />
seinen Filmen zeigt. – STARE POVESTI CESKE (ALTE<br />
BÖHMISCHE SAGEN) – CSSR 1953 – R: Jiří Trnka – B:<br />
Jiří Brdečka, Jiří Trnka, nach der literarischen Vorlage<br />
von Alois Jirásek – K: Emanuel Franek, Ludvík Hájek –<br />
M: Václav Trojan – 91 min, OmU – Die Helden der<br />
tschechischen Mythologie werden in diesem Puppentrickfilm<br />
zu neuem Leben erweckt. »Von Anfang an<br />
habe ich mich stets darum bemüht, eine zu große Ähnlichkeit<br />
der Puppen mit Menschen zu vermeiden. Diese<br />
sollten vielmehr lediglich belebte Konventionen des<br />
Menschen sein.« (Trnka)<br />
▶ Samstag, 10. März 2012, 21.00 Uhr<br />
RUKA (DIE HAND) – CSSR 1966 – R+B: Jiří Trnka – K:<br />
Jiří Šafář – M: Václav Trojan – 18 min, ohne Dialog –<br />
Die traurige Geschichte über einen hilflosen Harlekin<br />
und eine allmächtige Hand als Parabel für die Ohnmacht<br />
der tschechischen Künstler jener Zeit. – SEN<br />
NO CI SVATOJANSKE (EIN SOMMERNACHTSTRAUM)<br />
– CSSR 1959 – R: Jiří Trnka – B: Jiří Brdečka, Josef Kainar,<br />
Jiří Trnka, nach dem Stück von William Shakespeare<br />
– K: Jiří Vojta – M: Václav Trojan – 76 min, OmeU<br />
– Puppentrickfilm über ein unglücklich verliebtes Paar<br />
während einer Nacht in einem Wald bei Athen. »Durch<br />
die filmischen Mittel der verschiedenartigsten Blenden,<br />
des Tricks und der nuancierten Farbgebung und der Beleuchtung<br />
entsteht hier ein märchenhaft schönes Bild,<br />
auf dem sich, von meisterlicher Hand geführt, Puppen<br />
und Tiere schwebend bewegen. Kobolde, Elfen, Geister,<br />
›Menschen‹ und phantastische Landschaften ziehen<br />
vorüber, und nur zu gern lässt man sich von dieser<br />
Scheinwelt gefangennehmen.« (Steffen Wolf)<br />
▶ Sonntag, 11. März 2012, 21.00 Uhr<br />
Im Tschechischen Zentrum ist vom 21.2. bis 11.3.2012 die<br />
Ausstellung »Jiří Trnka – Im Dienste der Phantasie« zu sehen.<br />
Jiří Trnka<br />
15
NS-Filmpropaganda<br />
Nur unter Vorbehalt: NS-Filmpropaganda<br />
16<br />
In der Zeit des »Dritten Reichs« von 1933 bis 1945<br />
wurden über 1.200 Spielfilme hergestellt. Selbst heute,<br />
teilweise mehr als 70 Jahre nach ihrer Entstehung,<br />
sind davon noch über 40 unter Verschluss. Sie werden<br />
mit der Wortschöpfung »Vorbehaltsfilme« bezeichnet.<br />
Da eine Filmzensur laut Grundgesetz nicht stattfinden<br />
darf, wird zur Verhinderung der Verbreitung meist das<br />
Urheberrecht herangezogen.<br />
Keiner dieser »in ideologischer Absicht hergestellten«<br />
Filme wie etwa JUD SÜSS, DER HERRSCHER oder DIE<br />
ROTHSCHILDS darf auf DVD erscheinen, eine TV-Ausstrahlung<br />
ist nicht möglich, es gibt keine Zulassung<br />
durch die FSK, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft.<br />
Die »Vorbehaltsfilme« dürfen nur in Veranstaltungen<br />
mit fachkundiger Einführung und Diskussion<br />
gezeigt werden. In Einzelfällen ist die nicht genehmigte<br />
Vorführung sogar strafrechtlich relevant. Als Rechte -<br />
inhaber wacht die in Wiesbaden ansässige Friedrich-<br />
Wilhelm-Murnau-Stiftung (bei den NS-»Dokumentarfilmen«<br />
das Bundesarchiv) über diese weggesperrten<br />
Nazi-Produktionen; sie wertet – letztlich in der Rechtsnachfolge<br />
des Deutschen Reichs – die von dem verstaatlichten<br />
Filmproduktionskonzern Universum Film<br />
AG (Ufa) her gestellten Filme über die bundeseigene<br />
GmbH Transit Film aus. Außerhalb Deutschlands<br />
gelangt die Handhabung der NS-Filme sogar auf die<br />
Ebene von Politik und Diplomatie: Werden die Filme im<br />
Ausland gezeigt, soll das Auswärtige Amt durch seine<br />
Botschaften und Konsulate dafür sorgen, dass die Vorführbedingungen<br />
eingehalten werden.<br />
Begründet wird das Wegschließen der NS-Filme mit<br />
den propagandistischen, rassistischen, antisemitischen<br />
und hetzerischen Inhalten. Die Basis dieser Entscheidungen<br />
stammt teilweise noch aus der alliierten Besatzungszeit<br />
im Nachkriegsdeutschland. In der DDR wurden<br />
alle diese Filme aus der NS-Zeit aus dem Verkehr<br />
gezogen, nur ausgewählte Berechtigte konnten sie im<br />
Filmarchiv der DDR ansehen; eine Auseinandersetzung<br />
damit fand nicht statt.<br />
Welches sind die Kriterien, nach denen festgelegt ist,<br />
welche Filme im einzelnen nicht gezeigt werden dürfen?<br />
Die Begründungen sind vielfältig und lauten u. a.:<br />
»antirussisch«, »antidemokratisch«, »verfälschende<br />
Wertevermittlung bzgl. Vaterlandsliebe«. Völlig schlüs-
sig und transparent ist das nicht, denn es gibt z.B.<br />
ziemlich propagandistische NS-Filme, die nicht betroffen<br />
sind und durchaus kommerziell ausgewertet werden,<br />
wie BISMARCK oder DIE ENTLASSUNG, oder auch<br />
der im Friedrich-Jahr 2012 wieder gefragte Veit Harlan-<br />
Film DER GROSSE KÖNIG, in dem Friedrich der Große<br />
allegorisch als Vorläufer Hitlers auftritt.<br />
Manche Nazi-Filme, so z. B. der bekannte Titel … REI-<br />
TET FÜR DEUTSCHLAND, wurden auch mit nur kleinen<br />
Schnittauflagen von der FSK freigegeben; oftmals<br />
reich te die Entfernung vordergründiger Symbole und<br />
Embleme wie eines Hakenkreuzes oder einer Fahne,<br />
und der Film konnte auf DVD erscheinen. Diese formalen<br />
»Säuberungen« sind höchst umstritten. Sie schließen<br />
an die schöne Tradition an, bei deutschen Sprachfassungen<br />
ausländischer Filme Nazi-Bezüge zu tilgen:<br />
CASABLANCA, STALAG 17, NOTORIOUS, TO CATCH A<br />
THIEF sind Beispiele dafür, wie in der deutschen Synchronfassung<br />
unliebsame NS-Bezüge einfach bereinigt<br />
wurden.<br />
Regelmäßig gibt es einzelne Initiativen, dieses Thema<br />
des Umgangs mit dem schwierigen Erbe des NS-Kinos<br />
auf die Tagesordnung zu setzen. Bisher sind es Ver -<br />
suche, die nur alle paar Jahrzehnte zu Ergebnissen<br />
führen. 1974 wurde beispielsweise Leni Riefenstahls<br />
TRIUMPH DES WILLENS im Dritten Programm aus -<br />
gestrahlt. Nach einigem Hin und Her konnte das Durchhalte-Epos<br />
KOLBERG 1994 einmalig beim Kultursender<br />
Arte laufen, der anti-sowjetische Agentenkrimi DIE<br />
GOL DENE SPINNE (1943) bei Vox.<br />
Die Praxis des »Vorbehalts« scheint zu einem Dilemma<br />
zu führen: Einerseits werden Mythos, Kultstatus und<br />
Neugier durch das faktische »Verbot« nur verstärkt; die<br />
Verbreitung zu verhindern wird zur Symbolpolitik angesichts<br />
von Youtube und Raubkopien von Grauanbietern<br />
in allerdings teilweise unsäglicher Qualität. Andererseits<br />
soll, auch mit Blick auf die Außenwirkung, nicht<br />
das falsche Signal gesetzt werden, dass etwa nationalsozialistische<br />
Propaganda als unbedenklich oder harmlos<br />
angesehen würde. Ähnliches gilt ja auch für die Auseinandersetzung<br />
um die Publikation von Hitlers »Mein<br />
Kampf«.<br />
Die »Vorbehaltsfilme« sind keinesfalls ein Querschnitt<br />
durch das NS-Kino: Die großen Melodramen und Unterhaltungsfilme<br />
mit ihren subtileren ideologischen Botschaften,<br />
die heute gar nicht mehr so leicht zu identifizieren<br />
sind, aber damals häufig noch viel wirkungsvoller<br />
waren, sind nicht als VB-Filme eingestuft. Im Fokus<br />
steht eher die plakative Propaganda.<br />
An der Spitze der indizierten Werke rangieren die Filme<br />
des Regisseurs Karl Ritter: Sein Markenzeichen waren<br />
Brachialpatriotismus und Verherrlichung der Wehrmacht<br />
und einzelner Waffengattungen. Zackig, nassforsch,<br />
heroisch meistern die deutschen Soldaten in<br />
STUKAS (1941) oder … ÜBER ALLES IN DER WELT<br />
(1941) den Krieg, in dem Opfer- und Heldentod fast<br />
mehr bedeuten als der Sieg. Französische Soldaten<br />
sind darin meist Schwarze und Nordafrikaner. »Der<br />
Weg des deutschen Films wird kompromisslos dahin<br />
führen müssen, dass jeder Film im Dienst der Gemeinschaft,<br />
der Nation und unseres Führers stehen muss«<br />
(Karl Ritter). Rassistischer Höhepunkt seines Werks ist<br />
GPU (1942), in dem die kommunistische Bedrohung<br />
weniger ideologisch als physiognomisch in Gestalt kahlköpfiger<br />
Mongolen erscheint.<br />
Für Ritter und andere Regisseure ist häufig die Weimarer<br />
Republik Ziel der Diffamierungen, mit immer den<br />
gleichen filmischen Stereotypen: schriller Jazz, Varieté-<br />
Tänzer in Affenkostümen, schwarze Kellner in den Bars<br />
im verruchten Berlin. Jüdische Politiker regieren, verschlagene<br />
KPD-ler beherrschen die Straße, die tapferen<br />
Frontkämpfer des ersten Weltkriegs fühlen sich<br />
fremd im eigenen Land und hingezogen zur noch kleinen<br />
NSDAP, wie in BLUTSBRÜDERSCHAFT (1940). Bis<br />
zuletzt hielt der NS-Film die Erinnerung an die »Systemzeit«<br />
wach, so sicher waren sich die Nazis, dass die<br />
Deutschen selbst angesichts von Krieg und Zerstörung<br />
nicht in die Zeit vor dem »Dritten Reich« zurück wollten.<br />
Häufig ist in diesen Filmen die dramaturgische Figur<br />
des noch nicht Überzeugten anzutreffen: England-<br />
Freunde, Demokraten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter,<br />
moralische Bedenkenträger – alle werden im<br />
Laufe der Handlung im NS-Sinne geläutert und in die<br />
Volksgemeinschaft integriert. Demokratie und Parlamentarismus<br />
zu delegitimieren, dieses Ziel verfolgt<br />
auch Veit Harlans Komödie MEIN SOHN, DER HERR MI-<br />
NISTER (1937), ein Reigen zynischer und korrupter Politiker<br />
mit Parolen, die selbst heute noch in der Debatte<br />
um Politikverdrossenheit anzutreffen sind.<br />
Auch VENUS VOR GERICHT (1941) propagiert Nazi-<br />
Ideologie in komödienhafter Form, indem moderne<br />
Kunst ins Lächerliche gezogen wird. NS-Kino mit einer<br />
archäologischen Dimension: Die im Film in einer jüdischen<br />
Kunsthandlung ausgestellten, von den Nazis als<br />
»entartet« bezeichneten Skulpturen galten als verschollen<br />
und wurden erst im Jahr 2010 bei U-Bahnbauarbeiten<br />
nahe dem Roten Rathaus in Berlin wieder aufgefunden.<br />
Der Thesenfilm ICH KLAGE AN (1941) sollte Widerstände<br />
in der Bevölkerung, besonders in konfessionellen<br />
Kreisen, gegen die NS-»Euthanasie«-Morde aufweichen,<br />
zu einem Zeitpunkt als Zehntausende psychisch<br />
NS-Filmpropaganda<br />
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NS-Filmpropaganda<br />
18<br />
kranke und behinderte Menschen in den Tötungs -<br />
anstalten bereits umgebracht worden waren. Unter der<br />
Regie von Wolfgang Liebeneiner zeigt sich die NS-Ideologie<br />
zurückgestuft auf feine Andeutungen: der Tod<br />
auf Verlangen als vom Staat verwehrte Erlösung von<br />
Leiden und unheilbarer Krankheit. 15 Millionen Deutsche<br />
wollten im Kino sehen, wie die beliebte Heide -<br />
marie Hatheyer (DIE GEIERWALLY) um den Gnadentod<br />
bittet. Schon damals löste der Tobis-Film heftigste Debatten<br />
aus. Und er bleibt von großer Aktualität, siehe<br />
die Debatte um die NS-»Euthanasie« im Zusammenhang<br />
mit dem neuen »Aktion T 4«-Denkmal in Berlin,<br />
die jüngsten Leichenfunde in der Nähe von Hospitälern<br />
oder das kürzlich erfolgte Schuldbekenntnis des deutschen<br />
Psychiaterverbandes. Ein Film, der zur direkten<br />
Mordlegitimierung 1942 herauskam, der aber ganz<br />
ohne diesen Kontext heute fast harmlos wirkt.<br />
Fand bei ICH KLAGE AN das Morden parallel zum Kinoeinsatz<br />
statt, konnte Veit Harlan später anführen, als er<br />
1939 mit der Regie zu dem antisemitischen Historiendrama<br />
JUD SÜSS (1940) beauftragt worden war, sei<br />
der Holocaust noch nicht vorauszusehen gewesen. JUD<br />
SÜSS wird allgemein als der mit Abstand wirkungsmächtigste<br />
Teil der antisemitischen Filmpropaganda<br />
angesehen, die insgesamt im Spielfilm des »Dritten<br />
Reichs« weniger vertreten war, als man heute annehmen<br />
würde. Thomas Harlan bezeichnete JUD SÜSS als<br />
ein Mordinstrument, Alexander Kluge findet ihn weitgehend<br />
wirkungslos, Wilm Hosenfeld, Vorbild für Roman<br />
Polanskis »guten« Nazi-Offizier in DER PIANIST, lehnte<br />
ihn als zu dick aufgetragen ab (er bevorzugte DIE<br />
ROTHSCHILDS), und Propagandaminister Goebbels sah<br />
darin das Idealbeispiel verfilmter NS-Ideologie. In einigen<br />
Konzentrationslagern soll der Film jedenfalls – ausweislich<br />
der Aussagen im Prozess gegen Veit Harlan –<br />
zu zusätzlicher Misshandlung der Insassen durch das<br />
Wachpersonal geführt haben. Einsam steht JUD SÜSS<br />
heute an der Spitze der nachgefragten Vorbehaltsfilme;<br />
zu den über 20 Millionen Zuschauern im Deutschen<br />
Reich sind also nach 1945 noch zahlreiche hinzugekommen.<br />
Häufig anzutreffen in den VB-Filmen sind Herrscherfiguren,<br />
Führernaturen, Kunsttitanen – Substitute Hitlers,<br />
der im Gegensatz zu Stalin nicht direkt als Filmfigur auftreten<br />
wollte. Emil Jannings verkörperte eine solche<br />
Figur. Der Spitzenverdiener unter den Stars des »Dritten<br />
Reichs« sollte mit dem antibritischen Werk OHM KRÜ-<br />
GER (1941) über den Burenkrieg in Südafrika, eine Art<br />
PANZERKREUZER POTEMKIN für den NS-Gebrauch,<br />
»einen Film zum Rasendwerden« (Goebbels) liefern. Der<br />
längste und – nach KOLBERG – teuerste Propagandaspielfilm<br />
des »Dritten Reichs« verschliss unter der<br />
»künstlerischen Oberleitung« von Jannings drei Regisseure.
leni Riefenstahl bei den Dreharbeiten zu TRiUmpH DeS WillenS<br />
Leni Riefenstahls Œuvre entfaltet nach wie vor die filmästhetisch<br />
stärkste Nachwirkung des gesamten NS-<br />
Kinos. Das gilt heute noch genauso wie zu Zeiten ihrer<br />
größten Renaissance in den 1970er und 1990er Jahren.<br />
Die Regisseurin und ehemalige Tänzerin Riefenstahl<br />
– die »biegsame Gazelle« (Goebbels) – tanzte<br />
auch privat für Hitler an dem Tag, als er das erste Mal<br />
mit Hindenburg über Wege zur Macht konferierte. Wie<br />
Leni Riefenstahl seit den 1970er Jahren wieder eine<br />
fast vollständige Kontrolle über die Verwertungs- und<br />
Aufführungsrechte von TRIUMPH DES WILLENS (1934)<br />
erlangte und Spitzel in die eingeführten Vorstellungen<br />
entsandte, ist ein anderes Kapitel.<br />
Ein besonders hasserfüllter NS-Spielfilm gehört nicht<br />
zum Rechtebestand der Murnau-Stiftung. In HEIMKEHR<br />
(1941) unter der Regie von Gustav Ucicky, dem unehelichen<br />
Sohn des Malers Gustav Klimt, mit Carl Raddatz<br />
und Paula Wessely, Mutter der Schauspielerin Christiane<br />
Hörbiger, geht es, genau wie in FEINDE (1940),<br />
um die Rechtfertigung des deutschen Überfalls auf<br />
Polen. Polnische »Untermenschen« drangsalieren und<br />
ermorden Angehörige der deutschen Minderheit im polnisch-ukrainischen<br />
Grenzland, bis deutsche Flieger<br />
dem ein Ende bereiten. HEIMKEHR enthält auch Paula<br />
Wesselys berühmt-berüchtigten »Gefängnis-Monolog«:<br />
»Denkt doch bloß einmal, wie das sein wird, wenn um<br />
uns herum nur Deutsche sein werden. Wenn du in<br />
einen Laden reinkommst und da nicht einer jiddisch<br />
redet oder polnisch. Und nicht nur das ganze Dorf wird<br />
deutsch sein, sondern ringsum wird alles deutsch sein.«<br />
Goebbels bezeichnete die Gefängnisszene als »das<br />
Beste, was jemals im Film gedreht worden ist.«<br />
Gegen das Genre der Parteifilme hatte Goebbels einiges<br />
einzuwenden: »Unsere SA soll auf der Straße marschieren,<br />
nicht über die Leinwand.« Frühe filmische<br />
Versuche wie SA-MANN BRAND (1933), noch vor der<br />
NS-Machtübernahme in vorauseilender Gefälligkeit von<br />
Franz Seitz sen. für die Bavaria Film hergestellt, missfielen<br />
dem Propagandaminister. Manche der Produktionen<br />
verschwanden zeitweise aus den Kinos, so auch<br />
HANS WESTMAR (1933), der die Parteilegende Horst<br />
Wessel glorifiziert und der heute bei den neuen Nazis<br />
sehr beliebt ist. Filme über die Jugendformationen der<br />
Partei wie JUNGENS (1941) oder KOPF HOCH, JOHAN-<br />
NES! (1941) erfüllten dagegen wichtige Aufgaben und<br />
sollten Gemeinschaftsgefühl und frühestmögliche<br />
Wehr tüchtigkeit stärken. Der »Klassiker« HITLERJUNGE<br />
QUEX (1933) war nicht nur für Hunderttausende Angehörige<br />
von Hitlerjugend und BDM ein nachhaltig aufwühlender<br />
und prägender Film, er wurde auch gegen<br />
Ende des Krieges, ebenso wie KOLBERG (1945), noch<br />
zur Fanatisierung der an der Front verheizten Kinder<br />
eingesetzt.<br />
Ein interessanter Fall von nachträglicher »Entschärfung«<br />
ist DIE GOLDENE STADT (1942). Veit Harlans Melodram<br />
ist in einer von der FSK gekürzten Fassung zugelassen,<br />
so vehement forderte das Publikum in den<br />
1950er Jahren das Wiedersehen mit dem großen Kinoerlebnis.<br />
In der geschnittenen Nachkriegsfassung blieb<br />
das subtil rassistische Bild tschechischer Städter und<br />
die Kontrastierung der Reinheit des Landes mit der verdorbenen<br />
Großstadt jedoch erhalten. Entfernt wurden<br />
Szenen, die einen jüdischen Dieb und einen heruntergekommenen<br />
tschechischen Onkel zeigen. Ohne diese<br />
Kürzungen stünde Harlans Film heute also »unter Vorbehalt«.<br />
Die erste Zensur kam jedoch von Goebbels<br />
selbst: Er ordnete persönlich den Neudreh des Schlusses<br />
an, der nun Kristina Söderbaum als Konsequenz<br />
von »Rassenschande« in den Freitod schickt. Nicht zuletzt<br />
die damals visuell überwältigende Farbgebung in<br />
Agfacolor führte zu einem durchschlagenden Erfolg an<br />
der Kinokasse (31 Millionen Zuschauer im Deutschen<br />
Reich, im Ausland der erfolgreichste deutsche Film<br />
aller Zeiten, allein in Holland 1,7 Millionen Besucher),<br />
mit enormer (Erziehungs-)Wirkung auf das Publikum in<br />
Kriegszeiten.<br />
Felix Moeller<br />
Die Filmreihe findet in Zusammenarbeit mit der Friedrich-<br />
Wilhelm-Murnau-Stiftung und dem Bundesarchiv statt.<br />
NS-Filmpropaganda<br />
19
NS-Filmpropaganda<br />
20<br />
Freitag, 16. März 2012 Tageskarten 7 €, mitglieder des mFZ 5 €<br />
18.30 Uhr: Film: TRIUMPH DES WILLENS – Deutschland 1935 – R+B: Leni Riefenstahl – M: Herbert Windt –<br />
114 min – Der offizielle Film über den VI. Parteitag der NSDAP vom 4. bis 10. September 1934 in Nürnberg.<br />
Goebbels notierte am 26.3.1935 in seinem Tagebuch: »Eine grandiose Schau. Nur im letzten Teil etwas langatmig.<br />
Sonst aber erschütternd in der Darstellung. Lenis Meisterwerk.« Einführung: Karl Griep<br />
21.00 Uhr: Film: INNENANSICHTEN – DEUTSCHLAND 1937 – Deutsch land 2012 – R+B: Michael Kloft – 59 min<br />
– Im Sommer 1937 erhielt der amerikanische Dokumentarfilmer Julien Bryan überraschend eine Sondergenehmigung,<br />
Nazideutschland zu bereisen und dort Filmaufnahmen zu machen. Michael Kloft hat die einzigartigen Originalaufnahmen<br />
zu einem ungewöhnlichen Dokumentarfilm über das »Dritte Reich« verarbeitet. Anschließend Diskussion<br />
mit Michael Kloft (Spiegel TV), Karl Griep (Bundesarchiv) und Christian Lüffe (Goethe- Institut).<br />
Samstag, 17. März 2012 Tageskarten 7 €, mitglieder des mFZ 5 €<br />
17.00 Uhr: Vortrag: »UNSER HAUS HALTEN WIR SELBER SAUBER« – ZUR GESCHICHTE DER FSK – 1949 einigten<br />
sich die Kultusminister und die deutsche Filmwirtschaft auf eine gemeinsame Selbstkontrolleinrichtung, an<br />
der auch die Kirchen mitwirkten. Damit sollte ein behördliches Eingreifen und die Errichtung einer staatlichen Filmzensur<br />
vermieden werden. Seitdem wurden über 170.000 Filme auf Jugendschutz geprüft und – mit einigen Ausnahmen<br />
– nach Altersgruppen freigegeben. Die Geschichte der FSK dokumentiert auch die Veränderung der moralischen<br />
und sittlichen Grundwerte der Gesellschaft. Referentin: Christiane von Wahlert (Geschäftsführerin FSK)<br />
18.30 Uhr: Film: … REITET FÜR DEUTSCHLAND – Deutschland 1941 – R: Arthur Maria Rabenalt – B: Fritz Reck-<br />
Malleczewen, Richard Riede, Josef Maria Frank – K: Werner Krien – M: Alois Melichar – D: Willy Birgel, Gertrud<br />
Eysoldt, Gerhild Weber, Willi Rose, Rudolf Schündler – 92 min – Ein Sportlerdrama über die wiedererlangte Weltgeltung<br />
Deutschlands nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Die düsteren Episoden über die Weimarer Republik<br />
mit starken antisemitischen Karikaturen wurden nach 1945 gekürzt, damit der überaus populäre Film in den bundesrepublikanischen<br />
Kinos wieder gezeigt werden konnte. Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Uhr: Diskussion: VOM UMGANG MIT »VORBEHALTSFILMEN« – Nach dem Krieg wurden zunächst alle<br />
deutschen NS-Propagandafilme verboten. In der Bundesrepublik wurden viele sukzessive wieder freigegeben,<br />
meist in geschnittenen Fassungen. Was macht einen Propagandafilm aus? Kann man ihn »bereinigen« durch Kürzungen<br />
und Bearbeitungen? Wer entscheidet über den Umgang mit den Filmen? Diskussionsrunde mit Ernst Szebedits<br />
(Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung), Christiane von Wahlert (FSK), Hans Schmid (Filmhistoriker) und<br />
Markus Zimmer (Filmproduzent). Einführung: Hans Schmid<br />
Sonntag, 18. März 2012 Tageskarten 7 €, mitglieder des mFZ 5 €<br />
17.00 Uhr: Vortrag: GESCHICHTE UND STRUKTUR DER FRIEDRICH-WILHELM-MURNAU-STIFTUNG – 45 Minuten<br />
– 1966 wurde auf Initiative der Bundesregierung von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) die<br />
Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung gegründet, um den Verkauf des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens ins<br />
Ausland zu verhindern. Sie verfügt über die Rechte an rund 3.000 deutschen Spiel- und Kulturfilmen, meist aus der<br />
Zeit zwischen 1895 und 1945. Parallel wurde die Transit Film gegründet, die treuhänderisch für die Murnau-Stiftung<br />
und die Bundesrepublik Deutschland Filme auswertet. Referent: Ernst Szebedits (Vorstand Murnau-Stiftung)<br />
18.30 Uhr: Vortrag: RIEFENSTAHL UND DIE FOLGEN – Mit ihren filmischen Massenchoreographien und hymnischen<br />
Körperinszenierungen in TRIUMPH DES WILLENS und in den beiden Olympiafilmen hat Leni Riefenstahl<br />
Schule gemacht – weniger im propagandistischen Umfeld ihrer Entstehungszeit als seit den 1970er Jahren in den<br />
Bilderwelten des Hollywoodkinos, in der Werbefotographie, in Werbespots und in Videoclips. Die Spurensuche soll<br />
zeigen, wie sehr der von ihr maßgeblich geprägte visuelle Triumphalismus und Kult der makellosen Körper zum<br />
Muster suggestiver Bildsprache geworden sind. Referent: Ernst Schreckenberg<br />
21.00 Uhr: Film: HITLERS HITPARADE – Deutschland 2004 – R+B: Oliver Axer, Susanne Benze – 75 min – Eine<br />
ungewöhnliche, heftig umstrittene Collage, die in historischen Filmdokumenten die Schrecken der Naziherrschaft<br />
zeigt. Dieses Archivmaterial wird gemischt mit Ausschnitten aus Spiel-, Trick-, Lehr- und Werbefilmen und unterlegt<br />
mit zeitgenössischer Tanz- und Unterhaltungsmusik. Einführung: C. Cay Wesnigk (Produzent)
HITLERJUNGE QUEX – Deutschland 1933 – R: Hans<br />
Steinhoff – B: Karl Aloys Schenzinger, Bobby E. Lüthge<br />
– K: Konstantin Tschet – M: Hans-Otto Borgmann – D:<br />
Jürgen Ohlsen, Heinrich George, Berta Drews, Claus<br />
Clausen, Hermann Speelmans – 95 min – Die Geschichte<br />
von Heini Völker, einem Jungen aus kommunistischem<br />
Haus, der gegen den Willen seines Vaters<br />
bei der Hitlerjugend mitmachen will. Der populärste<br />
Jugendfilm des NS-Kinos wurde noch viele Jahre nach<br />
seiner Entstehung in den Kinos und »Jugendstunden«<br />
des »Dritten Reichs« gezeigt. Goebbels notierte nach<br />
der Premiere: »Das Publikum ist ganz hingerissen.«<br />
▶ Dienstag, 20. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
KOPF HOCH, JOHANNES! – Deutschland 1941 – R:<br />
Viktor de Kowa – B: Toni Huppertz, Wilhelm Krug, Felix<br />
von Eckardt – K: Friedl Behn-Grund – M: Harald Böhmelt<br />
– D: Klaus Detlef Sierck, Albrecht Schönhals, Leo<br />
Peukert, Gunnar Möller, Karl Dannemann – 78 min –<br />
Ein in Argentinien aufgewachsener Vierzehnjähriger<br />
kommt nach dem Tod seiner Mutter in Deutschland in<br />
eine »Nationalsozialistische Erziehungsanstalt« (Napola)<br />
und findet einen Platz in der Gemeinschaft des Internats<br />
sowie ein neues Verhältnis zu seinem Vater. Ein<br />
Werbefilm für die NS-Erziehungsanstalten, die den<br />
»neuen Menschen« formen sollten. »Zu laut und in der<br />
Regie nicht ganz gekonnt, im Thema dagegen gut.«<br />
(Goebbels)<br />
▶ Mittwoch, 21. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
JUD SÜSS – Deutschland 1940 – R: Veit Harlan – B:<br />
Veit Harlan, Eberhard Wolfgang Möller, Ludwig Metzger<br />
– K: Bruno Mondi – M: Wolfgang Zeller – D: Ferdinand<br />
Marian, Kristina Söderbaum, Heinrich George, Werner<br />
Krauß, Eugen Klöpfer, Malte Jäger – 96 min – Joseph<br />
Süß-Oppenheimer zieht als Geheimer Finanzrat des<br />
verschwenderisch lebenden Herzogs Karl Alexander<br />
von Württemberg den Zorn der Bevölkerung auf sich<br />
und wird als »Staatsverbrecher« 1738 gehenkt. »Ein<br />
ganz großer genialer Wurf. Ein antisemitischer Film, wie<br />
wir ihn uns nur wünschen können.« (Goebbels) Veit<br />
Harlan wurde als Regisseur dieses Films nach dem<br />
Krieg wegen »Verbrechens gegen die Menschlichkeit«<br />
vor Gericht gestellt.<br />
▶ Dienstag, 27. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
NS-Filmpropaganda<br />
21<br />
JUD SüSS
NS-Filmpropaganda<br />
22<br />
ROBERT UND BERTRAM – Deutschland 1939 – R+B:<br />
Hans H. Zerlett, nach der Posse von Gustav Raeder – K:<br />
Friedl Behn-Grund – M: Leo Leux – D: Rudi Godden,<br />
Kurt Seifert, Alfred Maack, Carla Rust, Fritz Kampers,<br />
Heinz Schorlemmer – 93 min – Musikalische Posse<br />
aus der Biedermeierzeit: Zwei Vagabunden entlarven<br />
einen jüdischen Kommerzienrat, um die Heirat zwischen<br />
einer Wirtstochter und einem jungen Rekruten<br />
zu ermöglichen. Antisemitische Propaganda in einem<br />
scheinbar harmlosen Unterhaltungsfilm. »Zu viel Klamauk<br />
und fast gar keine Kunst. Dabei das Judenproblem<br />
ganz äußerlich und ohne jede tiefere Einfühlung<br />
angefasst.« (Goebbels)<br />
▶ Mittwoch, 28. März 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
OHM KRÜGER – Deutschland 1941 – R: Hans Steinhoff<br />
– B: Harald Bratt, Kurt Heuser – K: Fritz Arno<br />
Wagner – M: Theo Mackeben – D: Emil Jannings, Lucie<br />
Höflich, Werner Hinz, Eduard von Winterstein, Elisabeth<br />
Flickenschildt, Gustaf Gründgens – 124 min – Aufwändiger<br />
Historienfilm unter der künstlerischen Oberleitung<br />
von Emil Jannings: Der Kampf der Buren gegen die<br />
Engländer in Südafrika. Die Grausamkeit und Hinterlist<br />
der britischen Armee werden angeprangert, Konzentrationslager<br />
als Erfindung der Briten vorgeführt. »Ein ganz<br />
großes, hinreißendes Kunstwerk. Spitzenleistung des<br />
ganzen Krieges. Das ist ein Film zum Rasendwerden.<br />
Ein Anti-England-Film, wie man ihn sich nur wünschen<br />
kann.« (Goebbels)<br />
▶ Dienstag, 3. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
STUKAS – Deutschland 1941 – R: Karl Ritter – B: Karl<br />
Ritter, Felix Lützkendorf – K: Walter Meyer, Walter Roßkopf,<br />
Hugo von Kaweczenski, Heinz Ritter – M: Herbert<br />
Windt – D: Carl Raddatz, Hanne Stelzer, Ernst von Klipstein,<br />
Albert Hehn, O.E. Hasse – 101 min – Ein Heldenlied<br />
auf die deutsche Luftwaffe. Ein verwundeter und<br />
unter Depressionen leidender Oberleutnant wird zur<br />
seelischen Genesung zu den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen<br />
geschickt und fasst dort neuen Lebensmut.<br />
»Man denkt nicht mehr daran, dass die Kameraden<br />
gefallen sind, sondern nur noch, wofür sie gefallen<br />
sind.« Goebbels über Karl Ritter: »Ritter sagt nationale<br />
Dinge mit einer Ungehemmtheit, dass ein anderer erröten<br />
würde.«<br />
▶ Mittwoch, 4. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
HEIMKEHR – Deutschland 1941 – R: Gustav Ucicky –<br />
B: Gerhard Menzel – K: Günther Anders – M: Willy<br />
Schmidt-Gentner – D: Paula Wessely, Peter Petersen,<br />
Attila Hörbiger, Ruth Hellberg, Berta Drews, Carl Raddatz<br />
– 96 min – 1939 in Polen: Vergeblich kämpfen<br />
eine Lehrerin, ihr Vater und ihr Verlobter für die Rechte<br />
der »Volksdeutschen«. Der Einmarsch der deutschen<br />
Truppen rettet ihr Leben. »Der Film ist erschütternd und<br />
ergreifend zugleich. Er stellt eine erzieherische Erinnerung<br />
für das ganze deutsche Volk dar. Eine Szene in<br />
einem polnischen Gefängnis stellt überhaupt für meinen<br />
Begriff das Beste dar, was je im Film gedreht worden<br />
ist.« (Goebbels)<br />
▶ Dienstag, 10. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
FRONTTHEATER – Deutschland 1942 – R: Arthur<br />
Maria Rabenalt – B: Georg Hurdalek, Hans Fritz Köllner,<br />
Werner Plücker – K: Oskar Schnirch – M: Werner Bochmann,<br />
Hans-Martin Majewski – D: Heli Finkenzeller,<br />
René Deltgen, Lothar Firmans, Hedi und Margot Höpfner,<br />
Heinz Rühmann – 95 min – Lena, die ihrem Mann<br />
zuliebe ihre Schauspielkarriere aufgegeben hat, springt<br />
als Hauptdarstellerin bei einer Fronttheater-Tournee<br />
ein. Goebbels mochte den Film nicht sonderlich (»Die<br />
Charaktere sind schlecht gezeichnet, der Konflikt an<br />
den Haaren herbeigezogen und die Durchführung der<br />
Handlung ganz äußerlich und konventionell gemacht«),<br />
doch beim Publikum war er ein großer Erfolg.<br />
▶ Mittwoch, 11. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
GPU – Deutschland 1942 – R: Karl Ritter – B: Karl Ritter,<br />
Felix Lützkendorf, Andrews Engelmann – K: Igor<br />
Oberberg – M: Herbert Windt – D: Olga Solari, Andrews<br />
Engelmann, Marina von Ditmar, Will Quadflieg, Lale<br />
Andersen, Albert Lippert – 99 min – Antisowjetischer<br />
Propagandafilm über die Aktivitäten der sowjetischen
Geheimpolizei GPU in Westeuropa 1939/40. Eine Geigenvirtuosin<br />
erkennt den Mörder, der in den Wirren der<br />
russischen Revolution für den Tod ihrer Familie verantwortlich<br />
war und denunziert ihn. Goebbels war von Ritters<br />
Thriller nicht begeistert und notierte am 3.7.1942<br />
in seinem Tagebuch: »Abends sehe ich den neuen Karl-<br />
Ritter-Film GPU. Er ist in vielen seiner Teile ein dilettantisches<br />
Machwerk.«<br />
▶ Dienstag, 17. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
MEIN SOHN, DER HERR MINISTER – Deutschland<br />
1937 – R: Veit Harlan – B: Karl Georg Külb, Edgar Kahn,<br />
nach dem Stück »Fistons« von André Birabeau – K:<br />
Günther Anders – M: Leo Leux – D: Heli Finkenzeller,<br />
Hans Brausewetter, Hans Moser, Hilde Körber, Paul<br />
Dahlke, Françoise Rosay – 81 min – Eine französische<br />
Boulevardkomödie umfunktioniert in eine durchaus<br />
sehr unterhaltsame, aber böse politische Satire: Erotische<br />
und politische Verwicklungen in der Regierung der<br />
französischen Republik führen dazu, dass am Ende<br />
zwei Minister a.D. mit sattem Ruhegehalt an der Seine<br />
sitzen. »Eine geistvolle Verhöhnung des Parlamentarismus,<br />
politisch sehr reizvoll.« (Goebbels)<br />
▶ Mittwoch, 18. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Stefan<br />
Drößler)<br />
BLUTSBRÜDERSCHAFT – Deutschland 1940 – R: Philipp<br />
Lothar Mayring – B: Harald G. Petersson, Philipp<br />
Lothar Mayring – K: Ekkehard Kray – M: Michael Jary –<br />
D: Hans Söhnker, Ernst von Klipstein, Anneliese Uhlig,<br />
Paul Westermeier, Rudolf Platte, Axel Monté – 104 min<br />
– Die Freundschaft zwischen einem Oberleutnant und<br />
einem Fliegerleutnant, die sich im Ersten Weltkrieg kennenlernen<br />
und 1939 wieder gemeinsam in den Krieg<br />
ziehen können, gibt Gelegenheit, »die Entstehung des<br />
nationalsozialistischen Gedankens« aufzuzeigen und<br />
die Weimarer Republik zu diskreditieren.<br />
▶ Dienstag, 24. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Felix<br />
Moeller)<br />
VENUS VOR GERICHT – Deutschland 1941 – R+B:<br />
Hans H. Zerlett – K: Oskar Schnirch – M: Leo Leux – D:<br />
Hansi Knoteck, Hannes Stelzer, Paul Dahlke, Siegfried<br />
Breuer, Charlott Daudert, Ernst Fritz Fürbringer –<br />
88 min – Zeitsatirische Komödie um einen vom Nationalsozialismus<br />
überzeugten Bildhauer, der eine Venus-<br />
Statue im Stile der griechischen Antike schafft und in<br />
Beweisnot gerät, dass sie wirklich von ihm ist. Die Weimarer<br />
Republik wird diesmal als Brutstätte »entarteter«<br />
Kunst dargestellt, in der »krankhaft veranlagte Jünglinge«<br />
und »Nichtskönner« sich in geradezu »verrückten«<br />
und »unverfrorenen Machwerken« austobten.<br />
▶ Mittwoch, 25. April 2012, 18.30 Uhr (Einführung:<br />
Felix Moeller)<br />
ICH KLAGE AN – Deutschland 1941 – R: Wolfgang Liebeneiner<br />
– B: Eberhard Frowein, Wolfgang Liebeneiner<br />
– K: Friedl Behn-Grund – M: Norbert Schultze – D: Paul<br />
Hartmann, Heidemarie Hatheyer, Mathias Wieman, Margarete<br />
Haagen, Harald Paulsen, Hans Nielsen –<br />
125 min – Ein Arzt verabreicht seiner unheilbar erkrankten<br />
Ehefrau die erlösenden Arsentropfen und wird<br />
deswegen vor Gericht gestellt. »Neuer Liebeneiner-Film<br />
ICH KLAGE AN. Für die Euthanasie. Ein richtiger Diskussionsfilm.<br />
Großartig gemacht und ganz nationalsozialistisch.«<br />
(Goebbels) Nach 1945 wurde der Film zeitweise<br />
wieder freigegeben, dann aber wieder auf die<br />
Liste der »Vorbehaltsfilme« gesetzt.<br />
▶ Dienstag, 1. Mai 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Felix<br />
Moeller)<br />
DIE GOLDENE STADT – Deutschland 1942 – R: Veit<br />
Harlan – B: Veit Harlan, Alfred Braun – K: Bruno Mondi<br />
– M: Hans-Otto Borgmann – D: Kristina Söderbaum,<br />
Paul Klinger, Kurt Meisel, Annie Rosar, Rudolf Prack,<br />
Eugen Klöpfer, Dagny Servaes – 104 min – Der zweite<br />
deutsche Agfacolor-Spielfilm war ein Welterfolg. Es funkeln<br />
in Blau und Gold nicht nur die Augen und das Haar<br />
von Kristina Söderbaum, sondern auch die Moldau und<br />
die Dächer von Prag. Das Blut-und-Boden-Melodram<br />
über ein Bauernmädchen, das den heimatlichen Hof<br />
verlässt und den Verlockungen der Großstadt erliegt,<br />
besitzt unübersehbare rassistische Untertöne gegen<br />
die Slawen, wurde aber nach dem Krieg schon bald<br />
wieder für Aufführungen freigegeben.<br />
▶ Mittwoch, 2. Mai 2012, 18.30 Uhr (Einführung: Felix<br />
Moeller)<br />
NS-Filmpropaganda<br />
23
Stimmen der Roma<br />
Die Stimmen der Roma<br />
24<br />
KORKORO<br />
Die Geschichte der Bilder, die sich die Gesellschaft von<br />
»den Zigeunern« machte, ist eine fortlaufende Geschichte<br />
von Vorurteilen und Zuschreibungen jenseits<br />
aller historischen Wahrheit. Die Roma, ihrer Rechte beraubt,<br />
blieben in diesem Prozess lange Zeit ohne<br />
Stimme.<br />
Im heutigen von Identitätskrisen gebeutelten Europa<br />
wird die Verachtung der Mehrheitsgesellschaften den<br />
Roma gegenüber wieder sichtbar. Auf diese Entwicklung<br />
antworten Roma-Künstler, wie die Filmemacherin<br />
Laura Halilovic oder die junge bulgarische Romni Ludmila<br />
Zhivkova. In ihnen offenbart sich ein neues Selbstbewusstsein<br />
vor allem der jüngeren Generation von<br />
Roma-Künstlern und -Aktivisten, die sich mit einem eigenen<br />
zeitgemäßen Ausdruck für ihre Kultur zu Wort<br />
melden.<br />
Das kulturelle Selbstbewusstsein steht im Zentrum des<br />
spartenübergreifenden Programms »Die Stimmen der<br />
Roma«, in dem kulturelle, politische und historische<br />
Aspekte zur Situation der Roma in Europa aufgegriffen<br />
werden. In einem stadtweiten Veranstaltungsprogramm<br />
wird im April und Mai ein breites Spektrum aus dem<br />
zeitgenössischen Kunstschaffen von Roma-KünstlerInnen<br />
im Rahmen von Diskussionen, Vorträgen, Lesungen,<br />
Ausstellungen, Konzerten, Stadtführungen und<br />
Filmreihen präsentiert.<br />
Klaus Blanc<br />
Retrospektive Tony Gatlif<br />
Im Oktober 2011 fand in Paris ein Kolloquium zur Thematik<br />
»›Tsiganes‹, ›Nomades‹: un malentendu européen«<br />
(»Zigeuner«, »Nomaden«: ein europäisches Missverständnis)<br />
statt, bei dem in einer Filmreihe Tony Gatlifs<br />
LATCHO DROM von 1992 gezeigt wurde. Der Film<br />
beginnt mit Bildern wie aus 1001 Nacht: Eine Karawane<br />
macht Halt, und bei heraufkommender Nacht<br />
beginnen die Tänze und der Gesang aller. Vom indischen<br />
Rajasthan geht Gatlif auf Spurensuche der einstmals<br />
geheimnisvollen Fahrenden, ihrer Musik, ihrer Kultur,<br />
ihrer Geschichte und ihrer heutigen, miserablen<br />
Lage. Es ist ein langer Weg durch Ägypten, Rumänien,<br />
Ungarn, Frankreich und Andalusien. Der Film macht<br />
deutlich, mit welcher Intensität sich die Reisenden mit<br />
der Kultur des jeweiligen Landes auseinandersetzten,<br />
es mit ihrem Können bereicherten und sich bereichern<br />
ließen, er zeigt uns eine ganz andere Art des Tanzes,<br />
eine andere Art von Bauchtanz in Nordafrika, eine andere<br />
Art von Flamenco im täglichen Leben der spanischen<br />
Manouches, er zeigt Musiker der elsässischen<br />
Sinti, und er eröffnet uns so ein Universum von bisher<br />
Verstecktem und Verkanntem.<br />
Vor vollbesetzem Kino erzählt der Filmemacher Gatlif,<br />
wie er sich mit einem winzigen Team und kleinstem
Budget ein Jahr lang auf Spurensuche begeben hat,<br />
wie er sich auf filmisches Vagabundentum eingelassen<br />
hat und welche Reichtümer er dabei entdeckte. Provokant<br />
behauptet ein Kinobesucher, dieses Bild der<br />
»Gitanes« in LATCHO DROM entspräche nicht mehr der<br />
Realität: Heute seien die Roma fast alle durch ihre<br />
Armut verwahrlost und dreckig. Tony Gatlif erwidert vehement,<br />
die armseligen Hütten der rumänischen Roma<br />
seien noch viel sauberer und schöner als er sie habe<br />
zeigen können. Er habe Roma, die hungerten, denen<br />
die Kinder weggenommen worden waren, denen ver -<br />
boten worden war, ihre Sprache zu sprechen, in ihrer<br />
Würde erleben können. Er erlebe bei den Tsiganes<br />
mehr Menschlichkeit und Lebensfreude als bei jedem<br />
anderen Volk, und bei keinem so viel Streben nach Unabhängigkeit<br />
und Freiheit.<br />
Tony Gatlifs Filme rühren an Dinge, die keiner hören<br />
oder sehen will. Und sie beziehen sich alle auf die<br />
Frage von Glück und Herrschaftslosigkeit. In ihnen spiegeln<br />
sich viele autobiografische Erfahrungen. Gatlif<br />
wurde 1948 in Algier geboren, sein Vater ist Araber,<br />
seine Mutter kommt aus einer Familie andalusischer<br />
Gitanos. Sein Weg stand, wie er sagt, unter einem<br />
guten Stern. Einem Lehrer gelingt es, ihn von der<br />
Straße zu holen und sein Interesse für Film zu wecken.<br />
Als Schuljunge bekommt er 16mm-Kopien der Filme<br />
von Jean Vigo, Jean Renoir, John Ford und Charlie Chaplin<br />
zu sehen, die seine kinematografische Erziehung<br />
sind. Um einer Zwangsheirat zu entgehen, verlässt er<br />
dann doch seine Familie und landet in Marseille, bis<br />
sein Leben als Straßenjunge in einem Erziehungsheim<br />
in der Nähe von Paris endet. Von da an ergreift er jede<br />
Chance, die sich ihm bietet: Mit Hilfe von Michel Simon<br />
bewirbt er sich an einer Theaterakademie, lernt Texte<br />
nach Gehör, weil er kaum lesen und schreiben kann,<br />
und arbeitet als Schauspieler mit Gérard Depardieu. In<br />
den 1970er Jahren beginnt er, Drehbücher zu verfassen<br />
und Kurzfilme zu drehen. Er sagt: »Ich bin Gitano,<br />
trotz aller Verfolgung, trotz Zurückweisung. Ich existiere.«<br />
1983 dreht Gatlif seinen ersten eigenen Spielfilm LES<br />
PRINCES. In einem Vorort von Paris, einem grauen, fast<br />
verfallenen »sozialen Brennpunkt« leben sesshaft gemachte<br />
Manouches in großer Armut von Tricksereien<br />
und Ladendiebstählen. Da entscheidet sich der Vater,<br />
mit Tochter und Großmutter wieder auf die Reise zu<br />
gehen. Es gibt im Film Szenen, in denen uns Gatlif den<br />
Spiegel vorhält: Eine Journalistin fragt flirtend nach der<br />
geheimnisvollen Herkunft der Manouches und bekommt<br />
zur Antwort, dies sei ein Pariser Slum. Ein Pärchen<br />
mit Auto und Wohnwagen lichtet die hungernd<br />
und frierend am Straßenrand sitzenden Exoten nach<br />
dem Motto »Elend ist fotogen« ab, so wie die unzäh -<br />
ligen Touristen in Saintes-Maries-de-la-Mer, die die<br />
Wallfahrten der Sinti und Manouches fotografieren, sie<br />
aber nicht als Nachbarn haben wollen. Gatlif gelingt es,<br />
mit LES PRINCES einen Film gegen den Strich zu machen:<br />
Es ist der erste Film nach dem Krieg, wahrscheinlich<br />
der erste Film überhaupt, der konsequent<br />
die Perspektive der Manouches einnimmt. Es ist kein<br />
Film für besserwisserische Sozialarbeiter, für Politiker,<br />
für manche Romafreunde, die mit staatlicher Hilfe von<br />
»Assimilation und Integration« schwafeln.<br />
Noch weitaus radikaler ist GADJO DILO (1997), ein Film<br />
über Roma in der Walachei, dem Norden Rumäniens.<br />
Die Dorfbevölkerung zerstört die Hütten der Großfamilie<br />
und setzt sie in Brand, wohl eine Anspielung auf das<br />
Pogrom von Hadareni im Jahr 1993 in der Provinz<br />
Targu. Der persönliche Konflikt zweier Männer eskalierte,<br />
bis die Dorfbevölkerung zur Lynchjustiz überging,<br />
die Häuser der Roma in Brand setzte und ein Mann den<br />
Tod fand. Ein Gadjo Dilo, ein verrückter Fremder, ist auf<br />
der Suche nach einer mysteriösen Sängerin, deren Lied<br />
er den vielen Musikern, die er aufsucht, auf seinem<br />
Kassettenrecorder vorspielt. Langsam beginnt der<br />
Fremde, sich den rumänischen Roma und ihrer Lebensweise<br />
zu nähern. Wir werden zu Zeugen realer Begebenheiten:<br />
der Hochzeit einer reichen Familie mit<br />
einer Braut, geschmückt mit schweren Goldmünzen,<br />
der musikalischen Virtuosität zahlreicher Roma und der<br />
Totenklage von Sängern und Musikern um einen alten<br />
Freund. Der verrückte Fremde erlebt das Unrecht, das<br />
der Romagemeinschaft widerfährt. Am Ende empfindet<br />
er seine Tonbandaufnahmen als Diebstahl an deren<br />
Kultur und vernichtet sie.<br />
Im Jahr 2000 dreht Gatlif mit andalusischen Gitanos<br />
VENGO, ein Familiendrama, eine Innenansicht der Welt,<br />
aus der seine Mutter stammt. Gatlif betont, es sei kein<br />
Film über Flamenco, sondern ein Flamencofilm. Auch<br />
SWING (2002) ist ein Musikfilm, mit dem großen Sintimusiker<br />
Tchavolo Schmitt, mit nordafrikanischen und<br />
jüdischen Musikern, mit Profis und mit Laien. Wie der<br />
von Moholy-Nagy 1930 aufgenommene Film von Sinti<br />
in der Berliner Müllerstraße zeigt auch VENGO Tanzende<br />
und Singende. Aber es ist nicht der Blick von<br />
außen auf das Fremde. Gatlif öffnet uns die Augen, gewährt<br />
uns einen Zugang zu einer anderen Welt, zu<br />
einer anderen Kultur. Der brennende Wohnwagen eines<br />
verstorbenen Sintimusikers hat eine andere Bedeutung<br />
als ein von der Dorfbevölkerung angezündeter.<br />
Gatlifs letzter Film zur Thematik des Roma-Volkes ist<br />
KORKORO (2009). Er schildert das Schicksal einer Fa-<br />
Tony Gatlif<br />
25
LES PRINCES (TOD IM REGEN) – Frankreich 1983 –<br />
R+B+M: Tony Gatlif – K: Jacques Loiseleux – D: Gérard<br />
Darmon, Muse Dalbray, Céline Militon, Concha Tavora,<br />
Tony Librizzi, Tony Gatlif – 100 min, OmeU – Ein Zigeuner<br />
in einer heruntergekommenen französischen Wohnsiedlung<br />
versucht sich gegen Vorurteile und eigene Rollenklischees<br />
zu behaupten. »Gatlif inszeniert dies nicht<br />
als realistische Sozialstudie, sondern als Groteske voller<br />
absurder Typen und Situationen, die gegen Schluss<br />
des Films immer tragischer werden.« (Krischan Koch)<br />
▶ Mittwoch, 14. März 2012, 21.00 Uhr<br />
Tony Gatlif<br />
26<br />
Tony gatlif<br />
milie von Tsiganes, die während der deutschen Besatzung<br />
nur bis zur belgischen Grenze gelangen und so<br />
ihrer Deportation nach Auschwitz nicht entkommen. Als<br />
Darsteller hat Gatlif, wie er sagt, wieder mit »echten Tsiganes«<br />
gearbeitet, die er in verschiedenen europäischen<br />
Ländern gefunden und um Mitarbeit gebeten hat.<br />
Alle Filme Tony Gatlifs zeichnen sich durch ungebrochene<br />
Parteilichkeit aus, sie sind radikal aus der Sicht<br />
der Tsiganes, Manouches, »Bohemiens«, der Roma und<br />
Sinti erzählt. Seit Jahrhunderten, nicht nur während der<br />
spanischen Inquisition oder in der Zeit des National -<br />
sozialismus, ist der Zigeunertod der Tod, den es nicht<br />
gegeben hat. Noch heute gibt es Versuche von Zwangsansiedlungen,<br />
gibt es eine »Question Rom«, eine »Zigeunerfrage«<br />
– Reisefreiheit gilt nur für Sesshafte. Polizei,<br />
Wissenschaftler, Politiker am rechten Rand und<br />
viele Europapolitiker erlauben sich, gegen den »asozialen<br />
Abschaum« zu wettern und die Integrationsunwilligkeit<br />
dieser »mobilen ethnischen Minderheit« zu beklagen.<br />
Tony Gatlif gehört zu diesem »Abschaum«, er tritt<br />
wie ein Prinz aus ihm hervor und spuckt den Lügnern<br />
die Lüge zurück ins Gesicht. Er nimmt den Faden der<br />
falsch erzählten Geschichte auf und fängt in seinen Filmen<br />
mit dem richtigen Erzählen an. Er hat bis heute<br />
nicht damit aufgehört: Sein neuer Film INDIGNADOS,<br />
der Im Frühjahr 2012 Premiere hat, handelt von einer illegalen<br />
Einwanderin.<br />
Katrin Seybold<br />
Katrin Seybold hat vier Filme über die Diskriminierung und Verfolgung<br />
von Sinti gedreht, u. a. DAS FALSCHE WORT (1987), in<br />
Zusammenarbeit mit der Sinteza Melanie Spitta.<br />
Retrospektive Tony Gatlif<br />
LATCHO DROM (GUTE REISE) – Frankreich 1993 –<br />
R+B: Tony Gatlif – K: Eric Guichard – 103 min, OF –<br />
Eine Reise von Indien bis Spanien auf den Spuren des<br />
nomadisierenden Volks der Roma, die ganz ohne Kommentar<br />
auskommt und nur von der Musik und vom<br />
Tanz lebt. »Ein hervorragender Film mit viel Herz, der<br />
von der Lebenslust und von den Lebensrechten eines<br />
vielfach geschmähten und unterdrückten Volkes erzählt.«<br />
(Lexikon des Internationalen Films)<br />
▶ Mittwoch, 21. März 2012, 21.00 Uhr<br />
GADJO DILO (GELIEBTER FREMDER) – Frankreich<br />
1997 – R+B: Tony Gatlif – K: Eric Guichard – M: Tony<br />
Gatlif, Rona Hartner – D: Romain Duris, Rona Hartner,<br />
Izidor Serban, Ovidiu Balan, Angela Serban, Aurica<br />
Ursan – 102 min, OmU – Ein junger Franzose reist<br />
nach Rumänien auf der Suche nach einer Sängerin,<br />
deren Zigeunerlied sein verstorbener Vater liebte.<br />
»Authentisch durch Laiendarsteller in den Nebenrollen<br />
und trotz schmerzlicher Augenblicke ein anarchischer<br />
und höchst sinnlicher Film über die Begegnung zweier<br />
grundverschiedener Welten.« (Iris Depping)<br />
▶ Mittwoch, 28. März 2012, 21.00 Uhr<br />
VENGO – Spanien/Frankreich 2000 – R+M: Tony Gatlif<br />
– B: Tony Gatlif, David Trueba – K: Thierry Pouget – D:<br />
Antonio Canales, Orestes Villasan Rodríguez, Antonio<br />
Dechent, Bobote, Juan Luis Corrientes, Fernando Guerrero<br />
Rebollo, Francisco Chavero Rios – 90 min, OmU –<br />
In einem andalusischen Dorf ertränkt ein Zigeuner den<br />
Schmerz über den Tod seiner kleinen Tochter in Musik<br />
und Tanz. »Hier lädt nicht der Flamenco die Rachegeschichte<br />
mit Pathos und Lebenswut auf. Hier färbt die<br />
Blutrache den Flamenco in der Opfersteinfarbe eines<br />
grausamen Rituals.« (Thomas Klingenmaier)<br />
▶ Mittwoch, 4. April 2012, 21.00 Uhr<br />
SWING – Frankreich 2002 – R+B: Tony Gatlif – K:<br />
Claude Garnier – M: Abdellatif Chaarani, Tony Gatlif,<br />
Mandino Reinhardt, Tchavolo Schmitt, Hélène Mershstein<br />
– D: Tchavolo Schmitt, Oscar Copp , Lou Rech,<br />
Ben Zimet, Mandino Reinhardt, Abdellatif Chaarani –<br />
90 min, OmU – Der zehnjährige Max aus dem Villenviertel<br />
von Strasbourg lernt durch ein Mädchen und
einen Gitarrenvirtuosen die Welt der Sinti kennen. »Zuweilen<br />
lässt Gatlif die Kamera einfach fliegen, dann<br />
wird SWING zu dem, was der Titel verheißt: eine leichte,<br />
freie Bewegung.« (Bert Rebhandl)<br />
▶ Mittwoch, 11. April 2012, 21.00 Uhr<br />
EXILS (EXIL) – Frankreich 2004 – R+B: Tony Gatlif – K:<br />
Céline Bozon – M: Tony Gatlif, Delphine Mantoulet – D:<br />
Romain Duris, Lubna Azabal, Zouhir Gacem, Leila<br />
Makhlouf, Habib Cheik, Latifa Ahrar – 104 min, OmU –<br />
Die Sehnsucht nach Musik, Heimat und irgendeiner Art<br />
von Sinn treibt ein Pärchen Richtung Algerien. »Tony<br />
Gatlif setzt auf die Momentaufnahme, die Beobachtung<br />
von Situationen, die sich schließlich collageartig zu<br />
einem Reisefilm zusammenfügen, dessen Landschaftsveränderungen<br />
sich auch musikalisch kartografieren<br />
lassen.« (Marguerite Seidel)<br />
▶ Mittwoch, 18. April 2012, 21.00 Uhr<br />
TRANSYLVANIA – Frankreich 2006 – R+B: Tony Gatlif<br />
– K: Céline Bozon – M: Tony Gatlif, Delphine Mantoulet<br />
– D: Asia Argento, Amira Casar, Birol Ünel, Alexandra<br />
Beaujard – 103 min, OmU – Zingarina ist schwanger<br />
und sucht den Vater. »TRANSYLVANIA hat hypnotische<br />
Wirkung, und das ist vor allem Asia Argento zu verdanken.<br />
Ihre Zingarina ist schön und zugleich vom Leben<br />
gezeichnet, madonnengleich und doch wie eine Furie,<br />
zärtlich und anstrengend, zerbrechlich und furchterregend.<br />
Transsilvanien ist eine Hexe, Asia Argento seine<br />
Göttin und Tony Gatlif sein Prophet.« (Delphine Valloire)<br />
▶ Mittwoch, 25. April 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Tony<br />
Gatlif)<br />
KORKORO (FREIHEIT) – Frankreich 2009 – R+B: Tony<br />
Gatlif – K: Julien Hirsch – M: Delphine Mantoulet – D:<br />
Marc Lavoine, Marie-Josée Croze, James Thiérrée,<br />
Arben Bajraktaraj, Mathias Laliberté, Rufus – 111 min,<br />
OmeU – Eine Zigeunerfamilie reist 1943 während der<br />
deutschen Besatzung durch Frankreich, um auf Weingütern<br />
zu arbeiten. Ihr droht Internierung und Deportation.<br />
»Gatlif will mit seinem sehenswerten Film, der<br />
ebenso lebensbejahend ist wie traurig, aufklären. KOR-<br />
KORO verdient es, ein möglichst großes Publikum zu erreichen.«<br />
(Nora Lee Mandel)<br />
▶ Donnerstag, 26. April 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast: Tony<br />
Gatlif)<br />
Stimmen der Roma<br />
CIGAN (ZIGEUNER) – Slowakei 2011 – R: Martin Šulík<br />
– B: Marek Lescák, Martin Šulík – K: Martin Sec – M:<br />
Vladimír Godár – D: Miroslav Gulyas, Martina Kotlarova,<br />
Jan Mizigar, Attila Mokos – 107 min, OmU – Adam ist<br />
ein 14jähriger Rom. Der Tod seines Vaters bringt die Familie<br />
in Not, und Adam wird gegen seinen Willen zum<br />
Dieb. Dann willigt auch noch seine Freundin ein, gegen<br />
ein hohes Brautgeld mit einem Tschechen verheiratet<br />
zu werden. Martin Šulík drehte in einer Roma siedlung<br />
im Osten der Slowakei und erhielt die Unterstützung<br />
der ganzen Gemeinde. Ihre Lebensumstände werden<br />
nicht geschönt, und sie sprechen in Romanes.<br />
▶ Freitag, 27. April 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Martin<br />
Šulík)<br />
A GYPSY IN THE CENTRAL COMMITTEE OF THE BUL-<br />
GARIAN COMMUNIST PARTY (EIN ZIGEUNER IM<br />
ZENTRALKOMMITTEE DER BULGARISCHEN KOM-<br />
MUNISTISCHEN PARTEI) – Bulgarien 2008 – R+B:<br />
Ludmila Zhivkova – 19 min, OmeU – Der Rom Nikolaj<br />
Kolew hatte von 1958 bis 1990 einen Sitz im ZK der<br />
bulgarischen KP inne. Er fungierte als »Roma-Feigenblatt«,<br />
während die Roma per Dekret zur Sesshaftigkeit<br />
gezwungen wurden und eine kleine gebildete Roma-<br />
Elite entstand. – IO, LA MIA FAMIGLIA ROM E WOODY<br />
ALLEN (ICH, MEINE ZIGEUNER-FAMILIE UND<br />
WOODY ALLEN) – Italien 2009 – R+K: Laura Halilovic<br />
– B: Laura Halilovic, Nicola Rondolino, Davide Tosco –<br />
50 min, OmeU – Ein ganz persönliches, ironisches<br />
Selbstporträt einer Roma-Familie: Die Familie Halilovic<br />
kam Ende der 1960er Jahre aus Bosnien-Herzegowina<br />
nach Italien, 1996 zwang man sie in ein Flüchtlingslager.<br />
Tochter Laura ist jetzt 19 Jahre alt und soll heiraten,<br />
sie will aber lieber ihre Träume verwirklichen und<br />
Woody Allen treffen.<br />
▶ Samstag, 28. April 2012, 21.00 Uhr<br />
OUR SCHOOL (UNSERE SCHULE) – Rumänien 2011 –<br />
R: Mona Nicoara, Miruna Coca-Cozma – K: Ovidiu Marginean<br />
– M: Sasha Gordon – D: Alin Moldovan, Beniamin<br />
Lingurar, Dana Varga, Dan Boga – 93 min, OmeU –<br />
Drei Romakinder aus einem Dorf in Transsilvanien (Siebenbürgen),<br />
die bisher von den anderen Kindern getrennt<br />
unterrichtet wurden, dürfen am Projekt einer integrierten<br />
Schule teilnehmen, deren Einrichtung aufgrund<br />
einer EU-Förderung Pflicht wird. Doch immer<br />
wieder gerät das Projekt mit tiefsitzenden ethnischen<br />
Vorurteilen in Konflikt. Über vier Jahre hinweg folgt der<br />
Dokumentarfilm den Mühen, Frustrationen und Hoffnungen<br />
der Kinder bis zum unerwarteten Schlusspunkt.<br />
OUR SCHOOL ist fesselnd, aufwühlend und schonungslos<br />
aufrichtig.<br />
▶ Sonntag, 29. April 2012, 21.00 Uhr<br />
Tony Gatlif<br />
27
Dieter Wieland<br />
Der Dokumentarfilmer Dieter Wieland<br />
28<br />
Dieter Wieland (rechts) bei Dreharbeiten<br />
Prophetischer Zorn und trockener Witz<br />
Eine »flurbereinigte« Landschaft: keine Hecken, keine<br />
Flussbiegung, keine Bäume. Vom Hubschrauber aus<br />
gesehen. Dazu der Kommentar, wie in allen seinen Filmen<br />
von Dieter Wieland selbst gesprochen: »Ein Kahlschlag<br />
geht durchs Land. Begradigung. Bereinigung.<br />
Erschließung. Beschleunigung. Kanalisierung. Neuordnung.<br />
Verordnung. Verödung. Das Land wird hergerichtet,<br />
abgerichtet, hingerichtet. Am Ende bleibt nur das<br />
Korsett des öden Rasters … Serienlandschaft … eine<br />
ausgeräumte nackte Maschinensteppe!«.<br />
Dann die Suche nach Gegenbildern: »Man muss weite<br />
Strecken reisen, um eine Landschaft zu finden, die<br />
noch so aussieht, wie ich es aus meiner Kindheit<br />
kenne. Und das ist noch nicht so lange her. Im Innviertel,<br />
in Oberösterreich, gibt es noch solche baumbestandenen<br />
Felder mit Laubwaldhainen, dazwischen Wild<br />
und Vögel, voller Fruchtbarkeit und Geborgenheit. So<br />
hat Niederbayern einmal ausgesehen.« Eine Passage<br />
aus GRÜN KAPUTT (1983). Unbeschreiblich die elektrisierende<br />
Wirkung, die dieser Film auf uns hatte – und<br />
er hat sie heute noch. Wir waren Studenten, hatten von<br />
Dieter Wieland noch nichts gesehen oder gehört, sahen<br />
GRÜN KAPUTT im Beiprogramm der gleichnamigen<br />
Ausstellung des <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong>s, waren hell<br />
begeistert. Schon diese Stimme: eine sonore, melodiös<br />
schwingende Stimme, in der untergründig eine Erregung<br />
vibriert. Erregung des Zorns, aber auch der Bewunderung,<br />
wenn von den Schönheiten erzählt wird.<br />
Dieser typische Wieland-Tonfall: ein unnachahmlicher<br />
Mix aus prophetischem Zorn und trockenem Witz, aus<br />
Wahrnehmungspräzision und Poesie.<br />
Augenöffnender Zauber. GRÜN KAPUTT traf auch den<br />
Nerv des damals aufkeimenden Bewusstseins, dass es<br />
nicht mehr so weitergehen darf mit Plünderung und<br />
Verhunzung von Natur und Umwelt. Wir fragten sogleich<br />
nach, wer dieser Dieter Wieland sei, lasen die<br />
biographischen Stichpunkte: 1937 in Berlin-Dahlem<br />
geboren, aufgewachsen in Landshut. Studium der Geschichte<br />
und Kunstgeschichte in München. Von 1964<br />
an freier Autor, Regisseur und Dokumentarfilmer beim<br />
Bayerischen Rundfunk (BR). Wir erfuhren, dass Wieland<br />
zehn Jahre zuvor, 1973, einen Film über die Altstadtzerstörung<br />
in Landshut gedreht hatte, der mäch-
tige Wellen der Empörung bei den Verantwortlichen<br />
auslöste. Es kam zu einer nachfolgenden Diskussionssendung,<br />
einer »Sternstunde des Fernsehens«. Es gab<br />
damals im BR-Rundfunkrat Versuche Wieland »abzuschießen«,<br />
aber der BR hielt zu seinem Autor. Wir erfuhren<br />
auch, dass er schon längst jede Menge Bewunderer<br />
hatte. Vielen erging es mit seinen Filmen gerade<br />
so wie uns mit GRÜN KAPUTT. Als 2011 der Oberbayerische<br />
Kulturpreis an Wieland verliehen wurde, erinnerte<br />
sich Laudator Hans Well (Biermösl Blosn) an die<br />
erste Begegnung mit seinen Sendungen: »Es fiel einem<br />
wie Schuppen von den Augen. Seine Gegenüberstellung<br />
von Bildern stimmiger Häuser mit verhunzten Altoder<br />
Neubauten, unterlegt mit Sätzen von präziser<br />
Wucht, schlugen ein!«<br />
Fortan suchten wir im BR-Programm nach seinen<br />
neuen Arbeiten. Sie wurden meist im Vorabendprogramm,<br />
das eigentlich nicht im Fokus unserer Fernsehgewohnheiten<br />
stand, ausgestrahlt. Freuten uns naturgemäß<br />
über Filmanfänge wie diesen: »Kennen S’ das<br />
neue Bayern? Bayern im Landhausstil. Oberbayern,<br />
Hochglanzbayern, Superbayern. Super Weiß-und-Blau.<br />
Das klassische Ensemble: Rundbogen, Schmiedeeisen,<br />
Wognradl, Blaufichte, Jägerzaun … Bayern grüabig,<br />
mit viel Schmalz, rustikal. Die Häuser in der Lederhosn.<br />
Bayern im Jodlerstil«. (DER JODLERSTIL, 1984)<br />
Über 200 Titel verzeichnet die Filmographie Dieter<br />
Wielands, der dieses Jahr am 16. März seinen 75. Geburtstag<br />
feiert. Was macht seine Filme so besonders?<br />
Von Stimme und Tonfall war schon die Rede. Seine Bilder<br />
sind ruhig, klar, kommen ohne Schnickschnack aus,<br />
es gibt sanfte Schwenks, Zooms, Fahrten, der Blick<br />
kann wandern, Räume und das präzise Detail erfassen.<br />
Bild und Kommentar sind natürlich aufeinander be -<br />
zogen, aber nicht in der Art simpler Illustration. Man<br />
kann sich parallel in Wort und Bild einschwingen. Wenn<br />
Wieland Interviewstücke einfügt, dann sind sie nicht<br />
hergerichtet und protzig ausgeleuchtet wie bei den üblichen<br />
Statements in TV-Features. Es ist eher so, wie<br />
wenn ein guter Nachbar Gespräche am Gartenzaun<br />
führt.<br />
Seine Filme sind Einladungen, zusammen eine Reise zu<br />
unternehmen, gewinnen ihre Überzeugungskraft aus<br />
der Evidenz des treffenden Beispiels, aus der augenöffnenden<br />
Gegenüberstellung. Sie fächern sich in größte<br />
Themenvielfalt auf, durchwandern ländliche und urbane<br />
Räume, nehmen Details in den Blick (Dächer,<br />
Zäune, Gärten), erzählen von herrlichen Parkanlagen,<br />
großen Architekten, prangern an (UNSER DORF SOLL<br />
HÄSSLICH WERDEN, 1975), decken die Verheerungen<br />
der Flurbereinigung auf, berichten vom Verfall und der<br />
möglichen Rettung von Dorfkirchen in Mecklenburg,<br />
oder demonstrieren beispielhaft gelungene Architektur<br />
(DIE GROSSE KUNST, EIN KLEINES HAUS ZU BAUEN,<br />
1988).<br />
Im Kern umkreisen sie alle eine zentrale Erfahrung,<br />
eine Schock-Erfahrung, die jeder kennt. Der Philosoph<br />
Heinrich Rombach hat diese Erfahrung einmal, als er<br />
Gebirgsdörfer der Alpen durchwanderte, so beschrieben:<br />
»Mit Entzücken nimmt man die alte Architektur<br />
wahr, wird immer neu überrascht vom Einfallsreichtum<br />
der Erbauer, von der fehlerlosen Harmonie der Formen<br />
und der Kraft der Gestaltungen. Gut, diese Erfahrung ist<br />
jedem Touristen bekannt. Dann aber bricht jäh das ästhetische<br />
Paradies ab. Man befindet sich an der Grenze<br />
zum Neubaugebiet. Was da an Geradlinigkeit, Einfallslosigkeit<br />
und Hässlichkeit in Beton und Eternit aufgeboten<br />
ist, übertrifft alles Vorstellbare. Warum dies? Woher<br />
dieser Abbruch? Was ist da geschehen? Diese Frage ist<br />
die Wesensfrage der Moderne!«<br />
Wielands Filme zelebrieren weder Nostalgie noch umweltschützerische<br />
Rhetorik, sie umkreisen die Wesensfrage<br />
der Moderne. Es gibt keinen anderen deutschen<br />
Filmemacher, der sich dieser Frage mit einer solchen<br />
Konzentration, Konsequenz und Hingabe gewidmet hat.<br />
In diesem Sinne ist Wieland der sprichwörtliche einsame<br />
Rufer in der Wüste. Zahlreiche Auszeichnungen<br />
(darunter der Bayerische Verdienstorden) hat er wohl<br />
erhalten, aber es gibt merkwürdigerweise noch keine<br />
umfassende Würdigung aus cineastischer Perspektive.<br />
Seine Filme rangieren eben als Fernsehsendungen,<br />
tauchen nicht bei Filmfestivals oder in Kinos auf. Dabei<br />
ist sein Œuvre unbedingt gleichrangig mit dem großer<br />
Dokumentaristen-Essayisten wie Chris Marker oder Volker<br />
Koepp.<br />
Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass<br />
Dieter Wielands Filme mit ihrer unvergleichlichen<br />
Schule der Wahrnehmung bald selbstverständlichen<br />
Eingang in Lehrpläne finden werden, an Grundschulen,<br />
Gymnasien, vor allem natürlich bei der Ausbildung von<br />
Architekten und Städteplanern. Die Frage ist nur,<br />
warum das nicht schon längst geschehen ist.<br />
Rainer Gansera<br />
DIE GROSSMARKTHALLE: MAGEN DER GROSS-<br />
STADT – BRD 1971 – R+B: Dieter Wieland – K: Willy<br />
Dobos – 16 min – Ein Einblick in den Kosmos der<br />
<strong>Münchner</strong> Großmarkthalle mit seinen Menschen – viele<br />
von ihnen »Gastarbeiter« –, den täglich frischen Waren<br />
und dem Anliefer- und Verkaufsbetrieb. – VORSTADT<br />
GIESING – BRD 1975 – R+B: Dieter Wieland – K: Hermann<br />
Reichmann – 25 min – Ein genauer Blick auf die<br />
Dieter Wieland<br />
29
Dieter Wieland<br />
30<br />
gRün KApUTT<br />
Architektur und Besonderheiten des <strong>Münchner</strong> Stadtteils<br />
Giesing und auf die Gefahren der Bauspekulation.<br />
– DER HAUSBAUM – BRD 1983 – R+B: Dieter Wieland<br />
– K: Hermann Reichmann – 24 min – Ein Plädoyer<br />
für den hochstämmigen Apfelbaum, die Bedeutung der<br />
Einheit von Haus und Baum und dafür, warum Traditionen<br />
ihren guten Grund haben. – GRÜN KAPUTT –<br />
LANDSCHAFT UND GÄRTEN DER DEUTSCHEN –<br />
BRD 1983 – R+B: Dieter Wieland – K: Hermann Reichmann<br />
– 44 min – Wielands berühmtester und legendärster<br />
Film: »Wir treten ein ins Wirtschaftswunder-Koniferenland,<br />
gewagt, gespreizt und aufgedonnert …<br />
und am Samstag robbt der Hausherr mit der Schere<br />
hinter dem letzten aufsässigen Grashalm her …«.<br />
▶ Donnerstag, 22. März 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast: Dieter<br />
Wieland)<br />
UNSER DORF SOLL HÄSSLICH WERDEN – BRD 1975<br />
– R+B: Dieter Wieland – K: Lutz Kamrath – 28 min –<br />
Ein Beitrag zum Europäischen Denkmalsschutztag:<br />
»Hier das alte Bauernhaus. Wieviel Würde es hat. Wieviel<br />
handwerkliches Können. Wieviel Gespür für Form,<br />
Masse, Proportion! Daneben die trübsinnige Kiste des<br />
Neubaus. Keine Anpassung, Rücksichtnahme, Einfügung.<br />
Solche Baugesinnung ist nur noch als brutaler<br />
Vandalismus zu bezeichnen!« – DAS DACH – BRD<br />
1980 – R+B: Dieter Wieland – K: Georg Lotter, Hermann<br />
Reichmann – 31 min – Jedem Haus sein Dach.<br />
Über die Kunst der bewussten Wahl von dessen Form,<br />
Farbe und Material. – DER FERNPASS – Deutschland<br />
1975 – R+B: Dieter Wieland – K: Hermann Reichmann<br />
– 44 min – Suche nach den Spuren der berühmten »Via<br />
Claudia Augusta« von Rom nach Augsburg in ihrem Tiroler<br />
Abschnitt. »Hier kamen Nachrichten vorbei. Neue<br />
Gesichter, Moden, Märchen, Heiligenlegenden, Kunststile.<br />
Hier mussten sie alle durch: die Landsknechte,<br />
Krämer und Kaiser. Mönche, Pilger und Künstler. Freche<br />
Gaukler, Quacksalber und das Heer der zerlumpten<br />
Bettler.«<br />
▶ Freitag, 23. März 2012, 18.30 Uhr<br />
LANDSHUT ODER HAT DIE SCHÖNHEIT EINE<br />
CHANCE? – BRD 1973 – R+B: Dieter Wieland – K:<br />
Hermann Reichmann, Ernst Hess – 44 min – Wie eine<br />
Stadt ihre grandiose, historische Altstadt ruiniert, den<br />
Blechlawinen des Verkehrs und den Begehrlichkeiten<br />
der Kaufhauskonzerne und Banken preisgibt: »In diesem<br />
Jahr 1973 wurden in Landshut mehr historische
Häuser zerstört als durch die Luftangriffe während des<br />
Krieges«. – LANDSHUT. GESPRÄCH ÜBER DIE PRO-<br />
BLEME EINER SCHÖNEN ALTEN STADT – BRD 1973<br />
– R: Heinz Böhmler – 44 min – Nach der Ausstrahlung<br />
des Landshut-Films gab es große Empörung bei den<br />
Verantwortlichen der Stadt. Sie wurden zu einer Fernsehdiskussion<br />
mit dem Filmemacher und Städtebau -<br />
experten eingeladen. Teilnehmer waren Landshuts<br />
Oberbürgermeister Josef Deimer, der Redakteur der<br />
Zeitschrift Baumeister Paulhans Peters, die Architekten<br />
Roland Rai ner und Ernst Maria Lang, der Stadtbaumeister<br />
Herrsch mann sowie Dieter Wieland.<br />
▶ Samstag, 24. März 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Dieter<br />
Wieland)<br />
FLURBEREINIGUNG ODER DIE MASCHINENGE-<br />
RECHTE LANDSCHAFT – BRD 1974 – R+B: Dieter<br />
Wieland – K: Hermann Reichmann – 26 min – Wieland<br />
begibt sich in die Oberpfalz, redet mit den Bauern vor<br />
Ort und kommentiert das, was er sieht: » Landschaft<br />
nach Großstädterart zubereitet. Landschaft nach Plan,<br />
Landschaft nach Vorschrift. War das die Ordnung, die<br />
wir immer wollten?« – DIE FARBE – BRD 1982 – R+B:<br />
Dieter Wieland – K: Horst Lermer – 26 min – »Keiner<br />
baut für sich allein«: über die passenden Farben bei<br />
Wind und Wetter, Kalk und Dispersionsfarbe. Dieter<br />
Wieland ist im Bild zu sehen. – DER GARTEN – BRD<br />
1981 – R+B: Dieter Wieland – K: Rudolf Kleinjung,<br />
Horst Lermer – 44 min – Mit poetischen Kommentaren<br />
zeigt Wieland dreizehn Möglichkeiten auf, Gartenparadiese<br />
zu schaffen und kontrastiert sie mit sterilen »Plastikgärten«,<br />
die in ihrer Einfallslosigkeit ein modernes<br />
Standardsortiment aus dem Baumarkt<br />
beziehen.<br />
▶ Freitag, 30. März 2012, 18.30 Uhr<br />
DIE GROSSE KUNST, EIN KLEI-<br />
NES HAUS ZU BAUEN – BRD<br />
1988 – R+B: Dieter Wieland – 21<br />
min – Größe ist nicht alles. Wie mit<br />
einer durchdachten Planung in<br />
einem kleinen Haus erstaunlich<br />
viel Raum gewonnen werden kann.<br />
– DER ZAUN – Deutschland 1995<br />
– R+B: Dieter Wieland – K: Horst<br />
Lermer – 31 min – »Was der Baustoffindustrie<br />
eingefallen ist, um<br />
die Zäune nur ja recht aufgeregt<br />
und aufdringlich zu machen: verkorkste,<br />
hektische Maschinenschnörksel,<br />
die aussehen wie gefrorene<br />
Regenwürmer, Spritz gebäck vom Betonkonditor,<br />
pompös verrenkt. Die meisten Zäune sagen es uns<br />
sehr brutal und hart, mit Ellbogen und mit geballter<br />
Faust: Halt, das gehört jetzt mir, weg da!« – DORFER-<br />
NEUERUNG – Deutschland 1990 – R+B: Dieter Wieland<br />
– K: Hermann Reichmann – 44 min – Ein Dorf in<br />
der Oberpfalz, wo in Zusammenarbeit mit einer norddeutschen<br />
Architektin keine Maskerade stattfinden soll,<br />
kein »Operettendorf, keine Lebkuchenbushäuschen«<br />
entstehen sollen. Wieland: »Wir lösen nicht die Probleme,<br />
wir dekorieren sie nur zu.«<br />
▶ Samstag, 31. März 2012, 18.30 Uhr<br />
FRIEDRICH VON GÄRTNER – DER BAUMEISTER LUD-<br />
WIGS I – Deutschland 1992 – R+B: Dieter Wieland –<br />
K: Hermann Reichmann – 44 min – Das Porträt über<br />
den Leo von Klenze-Rivalen Friedrich von Gärtner,<br />
einem der bedeutendsten Architekten im Königreich<br />
Bayern, der Münchens Stadtbild wesentlich geprägt hat<br />
– auch durch Rundbögen. – DER JODLERSTIL –<br />
Deutschland 1984 – R+B: Dieter Wieland – K: Rudolf<br />
Kleinjung, Hermann Reichmann – 44 min – Fröhlichste<br />
und ätzendste Abrechnungen mit dem neuen Dahoamis-Dahoam-Landhausstil<br />
in Bayern, mit den »Gamsbart-<br />
Burgen, Wurznsepp- und Almdudlerhütten«. Was Wieland<br />
ganz selten tut, Dialekt sprechen und Musik<br />
verwenden: Hier spielt er Musikantenstadl-Dudelmusik<br />
in satirischer Absicht ein und macht deutlich, dass dieser<br />
»Oktoberfest-Dirndl-Look«-Baustil tatsächlich das<br />
genaue Äquivalent zur musikalischen Retorten-Jodelei<br />
ist.«<br />
▶ Sonntag, 1. April 2012, 18.30 Uhr<br />
Dieter Wieland<br />
31<br />
gRün KApUTT
Hong Sangsoo<br />
Retrospektive Hong Sangsoo<br />
32<br />
Als Vorwurf gegen den koreanischen Regisseur Hong<br />
Sangsoo liest man oft: Er wiederhole sich. Ein Film gleiche<br />
dem anderen, kenne man einen, kenne man alle.<br />
Hinter diesem Vorwurf steckt eine ästhetische Ideologie:<br />
Der Künstler habe originell zu sein, in jedem seiner<br />
Werke soll ihm darum etwas anderes einfallen. Und in<br />
dieser Ideologie steckt ein Paradox: Es muss schließlich<br />
seine eigene Originalität sein, die er da haben soll. Und<br />
dass sie seine eigene ist, merkt man daran, dass man<br />
die Handschrift des Meisters in jedem Film wiedererkennt.<br />
Die klügeren unter den Künstlern, also auch den Filmregisseuren,<br />
bearbeiten in der Folge ihrer Filme immer<br />
auch diese ästhetische Ideologie. Am einen Ende des<br />
Spektrums tut das jemand wie Lars von Trier, der sich<br />
ständig neue Aufgaben stellt und dieses Aufgabenstellen<br />
als Differenzproduktion von einem starken Autor-Ich<br />
aus gerne thematisiert. Am anderen Ende stehen<br />
Künstler wie Giorgio Morandi, der immergleiche Ensembles<br />
von Vasen, Schüsseln, Gefäßen auf immer<br />
etwas andere Art malte.<br />
Oder eben Hong Sangsoo, in dessen Filmen sich zentrale<br />
Elemente stets gleichen. Die erbärmlichen Männer<br />
als Helden, die sich mit Lügen und schwächlichen<br />
Worten in romantische Verhältnisse verstricken. Alle<br />
sind sie Literaten, Professoren, Schauspieler, Filmregisseure<br />
oder Drehbuchautoren, oder alles zusammen<br />
oder nichts davon richtig, gewesene oder aktive, in der<br />
Regel nicht oder nicht mehr sehr erfolgreich. Einander<br />
ähneln auch die Frauen, die sich auf diese Männer einlassen,<br />
die enttäuscht werden und/oder betrogen, die<br />
so in unerquickliche Dreier- und Viererkonstellationen<br />
geraten und nicht mehr so ohne weiteres heraus.<br />
Mal spielt das in der Großstadt, mal in der Provinz, die<br />
Bewegung zwischen beiden ist ein zentrales Motiv, Erlösung<br />
oder Rettung bringen jedoch weder Stadtflucht<br />
noch Landflucht. Mal ist einer in der Stadt oder auf<br />
dem Land zuhause, mal auch zu Gast. Man kommt an,<br />
erinnert sich an frühere Zeiten. Viel wird in Kneipen und<br />
Restaurants und Imbissen an Tischen gesessen, viel<br />
wird geredet, mehr wird getrunken. Ein Ex, ein anderer<br />
Mann, zwei Frauen, Dreiecksgeschichten. Der eine beleidigt<br />
den anderen, oft aus heiterem Himmel. Alles<br />
wird im Trinken, Reden, Lieben, also im Zwischenmenschlichen,<br />
irgendwann heillos; und im Heillosen erweist<br />
es sich oft als so erbärmlich wie komisch, und<br />
zwar so, dass man wirklich das eine vom anderen<br />
kaum unterscheiden kann. Auf dieser Ebene funktionieren<br />
die Filme als zwar sehr ausschnitthaftes Gesellschaftsporträt<br />
und werden in Südkorea als solche beim
vergleichsweise kleinen Publikum, das sie haben, mit<br />
viel Gelächter quittiert.<br />
Die Männer bei Hong kommen einem oft wie Zwangshandelnde<br />
vor. Zwischen dem, was sie sagen und dem,<br />
was sie tun, liegt eine Kluft. Sie versprechen das Blaue<br />
vom Himmel, die Liebe, manchmal für ewig, und brechen<br />
das Versprechen im nächsten Moment. Sie sind<br />
weder Herr ihrer Worte noch ihrer Taten; ihre Worte<br />
sind ohne Kraft, aus ihren Taten folgt wenig, sie sind in<br />
Wort und Tat gefangen in Wiederholungsstrukturen:<br />
Derselbe Fehler wird immer wieder gemacht. Dies ist<br />
die psychostrukturelle Gender-These zur Wiederholung:<br />
Ein Hong-Mann tut, was ein Hong-Mann tun muss, und<br />
es ist eigentlich immer das Falsche. Erlösung ist nicht<br />
vorgesehen, vielmehr: Erlöst werden nur die Frauen,<br />
und zwar dadurch, dass sie den Hong-Männern entkommen,<br />
wenn auch zu spät, immer zu spät.<br />
Hongs Filme haben Komik, aber keinen Humor. Die Beschreibung<br />
der erbärmlichen Männer ist und bleibt gnadenlos,<br />
ohne deshalb aber einerseits denunziatorisch<br />
oder andererseits versöhnlich zu sein. Komik entsteht<br />
hier aus dem Widerspruch von Worten und Taten, der<br />
Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und distanzierterem<br />
Blick, dem Missverhältnis von Ambition und<br />
Erreichtem. Weit gesteckt sind die Ziele, banal die<br />
Gründe fürs Scheitern. Humor wäre Auflösung oder jedenfalls<br />
Abdämpfung des Widerspruchs durch ein Verhältnis<br />
des Abstands: Humor ist, wenn es eine Instanz<br />
gibt, und sei sie noch so implizit, die die Handelnden<br />
frei spricht oder mindestens das problematische Tun<br />
durch Einrichtung eines anderen Standpunkts relativiert;<br />
eine solche Instanz gibt es bei Hong nicht.<br />
Auch nicht in den kommentierenden Voiceover-Stimmen,<br />
die es in diesen Filmen nicht selten gibt. Es sind<br />
aber stets die Stimmen von im Geschehen immer<br />
schon implizierten Figuren. Es ist diesen Stimmen mithin<br />
niemals zu trauen, so wenig jedenfalls wie allen<br />
Stimmen, die sonst noch so sprechen, laut und entschieden,<br />
gekränkt und verletzend oder auch ver -<br />
nuschelt und lallend. Abstände werden behauptet, man<br />
begreift aber schnell, dass jede auf Abstand zielende<br />
Geste ins Leere geht; gerade die überheblichsten der<br />
Figuren sind im nächsten Augenblick in Widersprüchlichkeiten<br />
verstrickt, werden vor unseren Augen von<br />
ihrem Nichtwissen eingeholt. Man könnte diese Filme<br />
allesamt als Tragikomödien des Nichtwissens bezeichnen.<br />
Die Form dafür, in der sich das Tragische und das Komische<br />
untrennbar ineinander verschränken, ist die<br />
dramatische Ironie. Im Erzählen entstehen Wissensvorsprünge,<br />
der Zuschauer weiß mehr als die Figur. Der<br />
Film, der diese fortwährende Implikation ins eigene<br />
Nichtwissen am virtuosesten inszeniert, stellt in den<br />
Titel direkt schon ein Lachen: HAHAHA. Zwei Männer<br />
erzählen einander, sich dabei wie in einem Hong-Film<br />
ganz üblich, betrinkend, jeweils eine Geschichte und<br />
der einzige, der nach und nach begreift, dass es dieselbe<br />
Geschichte ist, die zur selben Zeit am selben Ort<br />
mit denselben Figuren spielt, ist der Betrachter. Je<br />
mehr sich die beiden Männer über das Erzählte erheben,<br />
desto lächerlicher werden sie selbst.<br />
Solche Gefälle, und es sind fast immer Gefälle der dramatischen<br />
Ironie, erzeugt Hong durch Spiegelungsund<br />
Wiederholungsstrukturen. Die Figuren wissen<br />
nichts von der Form der Erzählung. Im Blick des Zuschauers,<br />
der eine andere Begegnung schon kennt,<br />
werden Begegnungen zu Wiederbegegnungen, von<br />
denen die Figuren nichts ahnen. Viele der Filme haben<br />
zwei Hälften und so interessiert nicht nur, was jeweils<br />
geschieht, sondern auch, wie sich das Geschehen der<br />
einen Hälfte auf das der anderen bezieht: als Spiegelung,<br />
Verschiebung, Wiederholung oder Variation. Alle<br />
Stufen dazwischen sind denkbar. Einzelne, oft genug<br />
unauffällige Objekte, tauchen am einen Ende des Films<br />
auf und am anderen wieder. Man hat sie nicht symbolisch<br />
zu nehmen. Das Wichtige an ihnen ist gerade ihre<br />
Funktionslosigkeit. Fische, ein Schwein, eine angezündete<br />
Zigarette, Spatzen: Blindstellen, an denen sich ein<br />
Erzählzusammenhang auf seine reine Struktur reduziert:<br />
Da sind nun die zuvor im Aquarium gesehenen<br />
Fische und werden auf einem Waldweg begraben. Hier<br />
dieses Schwein vor dem Fenster, das vor allem eines<br />
markiert: Schweine sind möglich, auch wenn die Erzählung<br />
sie nicht fordert oder erklärt.<br />
Hong Sangsoo hat nicht Film studiert, sondern Kunst.<br />
Und zwar am Art Institute of Chicago, an derselben<br />
Kunsthochschule wie Apichatpong Weerasethakul.<br />
Zum Kino kam er erst vergleichsweise spät, er drehte<br />
1996 mit 36 seinen ersten Film. Als größtes Vorbild<br />
nennt er keinen Regisseur, sondern den Maler Paul<br />
Cézanne, also einen Künstler, der den Beginn der Moderne<br />
markiert. Hong bewundert Cézanne, weil dessen<br />
Werk an genau jenem Kreuzungspunkt zwischen Abstraktion<br />
und Konkretion steht, den auch er für sich<br />
sucht. Einerseits ist in der Welt, die Hong zeigt, alles<br />
konkret: jeder Gegenstand, jedes Wort, jede Straße,<br />
jeder Schnaps, jede Ankunft, jedes Moment der süd -<br />
koreanischen Gegenwart. Andererseits sind da die oft<br />
untermarkierten Wiederholungsstrukturen, an denen<br />
die Erzählung aufsplittert und den Blick auf das Wiederholen<br />
selbst lenkt. Man kann, ja muss diese Filme<br />
immer auch als Konzeptkunst betrachten. Das, was das<br />
Hong Sangsoo<br />
33
Hong Sangsoo<br />
34<br />
gewöhnliche Erzählkino ausmacht – Männer und<br />
Frauen, die kleinen und großen Dramen der Liebe, die<br />
Ambition, der Verrat, die enttäuschte Hoffnung, Beziehungsgeschichten<br />
– ist hier Spielmaterial. Was nicht<br />
heißt, dass Hong das alles nicht ernst meint.<br />
Zusammengesetzt ist jeder Film aus zunächst unverbundenen<br />
Fragmenten. Einzigartig im Gegenwartskino<br />
ist Hongs im Lauf der Jahre radikalisierter Herstellungsprozess.<br />
Plötzliche, von Eingebungen gesteuerte Verfertigung<br />
des Films jeden Morgen am Drehort. Hong<br />
schreibt kein Drehbuch, bevor er zu drehen beginnt, er<br />
entwirft nur im vorhinein grobe Linien. Die Dialoge<br />
entstehen Morgen für Morgen vor Drehbeginn, inspiriert<br />
durch den Ort, die Stimmung (Hongs Stimmung,<br />
die Stimmung des Orts). Im Interview hat er es so beschrieben:<br />
»Die Einflüsse und Ideen kommen von überall.<br />
Ich bin beeinflusst von dem Material, das wir schon<br />
gedreht haben, ich spreche kurz mit den Schauspielern,<br />
ich konzentriere mich und bin dann so etwas wie ein<br />
Magnet, der Ideen, Einfälle, Motive anzieht. Natürlich<br />
mache ich mir in der Nacht davor auch schon Gedanken,<br />
entwerfe Pläne, aber dann lasse ich los und ver -<br />
suche einfach anzunehmen, was mir zufällt. Vielleicht<br />
Gesprächsfetzen, an die ich mich erinnere, vielleicht<br />
etwas aus einem Buch … Das ist etwas, das ich sehr<br />
genieße: Ich warte einfach auf das Unerwartete.«<br />
Die Ordnungen, in die diese Fragmente als Filme ge -<br />
raten, sind nicht die Ordnungen linearen Erzählens und<br />
der Abfolgen von plot points. Es geht aber auch nicht<br />
um Improvisationen im traditionellen Sinn. Die Dialoge<br />
entstehen spontan, stehen dann aber fest. Was sich<br />
aus dieser Arbeitsweise ergibt, sind Motivstreuungen,<br />
ist das unvorhersehbare Auftauchen, Verschwinden<br />
und Wiederauftauchen des Dagewesenen; ein Kino, in<br />
dem kein Abschluss erreicht wird, in dem alles sich potenziell<br />
auf alles bezieht. Das ergibt zwar immer wieder<br />
Rätselstrukturen, nur gibt es darin keine Rätsel zu<br />
lösen. Das Kino von Hong Sangsoo ist ein figuratives<br />
Kino, das ebenso sehr wie es auf eine Welt referiert,<br />
keinen Hehl daraus macht, dass es seine eigene Ordnung<br />
als Reaktion auf die Zufälle, wörtlich: auf das Zugefallene<br />
des Moments generiert. Die Offenheit für alle<br />
Fragmente der Wirklichkeit und die oft zwanghaft<br />
anmutenden Wiederholungen stehen nicht im Widerspruch<br />
zueinander: Nur so figurieren sich Hongs Filme<br />
als Welten in Welten.<br />
Ekkehard Knörer<br />
BOOK-CHON BANG-HYANG (THE DAY HE ARRIVES) –<br />
Südkorea 2011 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Hyungkoo<br />
– M: Jeong Yong-jin – D: Yu Jun-sang, Kim Sangjoong,<br />
Song Sun-mi, Kim Bok-yung – 79 min, OmeU –<br />
Der Titel nennt bereits ein wiederkehrendes Motiv in<br />
den Filmen von Hong Sangsoo: Ein Mann kommt irgendwo<br />
an. Der Mann ist – wie so oft in Hongs Filmen
– ein Filmregisseur. Der Ort seiner Ankunft ist ein Vorort<br />
von Seoul. Er möchte jemanden treffen und macht<br />
stattdessen eine Zufallsbegegnung auf der Straße. Zentraler<br />
Handlungsort ist ein Lokal, in dem sich auf merkwürdige<br />
Weise dieselben Abläufe mehrmals, aber auf<br />
leicht verschobene Weise, ereignen. Der Protagonist<br />
Sung-joon scheint gefangen in einer Wiederholungsschleife.<br />
Im Film selbst wird in einem der vielen Gespräche<br />
eine Theorie der Zufallsbegegnung entwickelt.<br />
Sie ist nicht der Schlüssel zum Film, denn um das Aufschließen<br />
geht es in diesem Werk nicht.<br />
▶ Freitag, 23. März 2012, 21.00 Uhr<br />
DAIJIGA UMULE PAJINNAL (THE DAY A PIG FELL<br />
INTO THE WELL) – Südkorea 1996 – R: Hong Sangsoo<br />
– B: Jeong Dae-seong, Yeo Hye-yeong, Kim Al-a, Seo<br />
Shin-hye – K: Jo Dong-gwan – M: Ok Gil-seong – D:<br />
Kim Ui-seong, Park Jin-seong, Cho Eun-suk, Lee Eunggyeong<br />
– 114 min, OmeU – Kein Schwein und kein<br />
Brunnen zu sehen in Hongs Debüt. Ein Autor namens<br />
Hyo-sub ist der Protagonist dieses Porträts großstädtischer<br />
Entfremdung und möchtegernkünstlerischer Verzweiflung.<br />
Der Sex, den Hyo-sub hat, ist verlässlich<br />
freudlos. Nicht besser ergeht es einem anderen Mann,<br />
dem Vertreter Dong-woo, mit dessen Frau Hyo-sub ein<br />
Verhältnis hat. Die Charakterzeichnung, die Themen,<br />
die Konstellationen, die Hongs folgende Filme kennzeichnen<br />
werden, sind alle präsent, bis hin zum immer<br />
wiederkehrenden Essen und Trinken an Restauranttischen<br />
vor Fenstern zur Straße. Ein Erzählexperiment:<br />
Hong hat vier zunächst getrennt und von unterschiedlichen<br />
Autoren (Filmstudenten) geschriebene Episoden<br />
zusammengeführt.<br />
▶ Samstag, 24. März 2012, 21.00 Uhr<br />
KANGWON-DO UI HIM (THE POWER OF KANGWON<br />
PROVINCE) – Südkorea 1998 – R+B: Hong Sangsoo –<br />
K: Kim Yeong-cheol – M: Won II, Kim Jeong-huit – D:<br />
Baek Jong-hak, Oh Yun-hong, Kim Yu-Seok, Jeon Jaehyeon<br />
– 108 min, OmeU – Von jetzt an schreibt Hong<br />
seine Drehbücher selber. In einem Film, der in zwei<br />
Hälften geteilt ist, erzählt er vom Ende einer Affäre: Die<br />
Studentin Ji-sook reist ab aus Kangwon, sie hat sich<br />
von ihrem verheirateten Liebhaber Sang-kwon, ihrem<br />
Professor, getrennt. Beide jedoch kommen über die<br />
Trennung so ohne weiteres nicht hinweg. Sie tröstet<br />
sich mit einem Polizisten, er mit einer Prostituierten,<br />
nur ist Trost das ganz falsche Wort. Die zweite Hälfte<br />
setzt die erste in ein anderes Licht, weniger im Großen<br />
und Ganzen als in vielen Details. Man muss eigentlich<br />
auf jede Kleinigkeit achten, weil den Personen und Worten<br />
beim ersten Auftreten nicht anzumerken ist, wie<br />
wichtig oder unwichtig sie gewesen sein werden.<br />
▶ Sonntag, 25. März 2012, 21.00 Uhr<br />
O! SOO-JUNG (VIRGIN STRIPPED BARE BY HER BA-<br />
CHELORS) – Südkorea 2000 – R+B: Hong Sangsoo –<br />
K: Choi Young-taek – M: Ok Gil-seong – D: Lee Eun-ju,<br />
Jung Bo-seok, Moon Sung-keun, Kim Yeong-dae –<br />
115 min, OmeU – Der englische Titel zitiert ohne direkten<br />
Bezug zum betreffenden Werk Marcel Duchamp,<br />
der Originaltitel lautet wie so oft aber ganz anders: O!<br />
SOO-JUNG. Die (originalkoreanische) Titelheldin Soojung,<br />
Drehbuchautorin fürs Fernsehen, sieht sich von<br />
zwei Männern bedrängt, die ihr gegenüber Entjung -<br />
ferungspläne hegen. Erzählt wird das abwechselnd aus<br />
zwei Perspektiven, die dieselben Ereignisse in teils<br />
recht unterschiedlichen Versionen darstellen. Dies ist,<br />
in exquisitem Schwarz-Weiß, der wohl bestaussehende<br />
Film in Hong Sangsoos Werk. Ob das Gutaussehen für<br />
einen Hong-Film die richtige ästhetische Wahl ist, bleibt<br />
aber die Frage.<br />
▶ Freitag, 30. März 2012, 21.00 Uhr<br />
SAENGHWALUI BALGYEON (TURNING GATE) – Südkorea<br />
2002 – R+B: Hong Sangsoo – K: Choi Youngtaek<br />
– M: Won II, Arvo Pärt – D: Kim Sang-kyung, Yea<br />
Ji-won, Choo Sang-mee, Kim Hak-seon – 115 min,<br />
OmeU – Ein Mann verwandelt sich, von einer Prinzessin<br />
zurückgewiesen, in eine Schlange, windet sich um<br />
ihren Körper und droht sie zu ersticken. Die Prinzessin<br />
geht in ein Kloster und weist die Schlange an, vor dem<br />
Tor zu warten. Die Schlange wartet, die Prinzessin kehrt<br />
nie zurück – und also wendet die Schlange sich ab.<br />
Das ist die Legende vom Wendetor, die ein Freund dem<br />
anderen auf dem Weg zu diesem Wendetor erzählt, das<br />
sie aber gar nicht erreichen, weil sie kurz davor selbst<br />
wenden. Später wird der Freund, dem die Geschichte<br />
erzählt wird – der glücklose Schauspieler Gyeong-su –<br />
Hong Sangsoo<br />
35
Zu Gast: Rudolf Thome<br />
Rudolf Thome<br />
36<br />
»Wenn ich Anfang zwanzig wäre, würde ich nach Südkorea<br />
gehen und versuchen, Hong Sangsoos Regieassistent<br />
zu werden, um von ihm etwas zu lernen. Wenn<br />
ich steinreich wäre, würde ich auch hinfahren und ihm<br />
seinen nächsten Film finanzieren. Oder mehrere. Solche<br />
Gedanken haben nur Leute, die verliebt sind. Das<br />
bin ich wohl.« (Rudolf Thome – www.moana.de<br />
27.1.2011) – Rudolf Thome ist zweifellos einer der entschiedensten<br />
Fans der Filme von Hong Sangsoo. Wir<br />
freuen uns, dass er zu unserer Retrospektive an einem<br />
Wochenende nach München kommt, um dem Publikum<br />
seine Begeisterung zu einigen Hong-Filmen zu<br />
vermitteln. Zudem zeigen wir zwei seiner Filme, den<br />
neuesten – INS BLAUE – als <strong>Münchner</strong> Vorpremiere.<br />
DAS ROTE ZIMMER – Deutschland 2010 – R+B: Rudolf<br />
Thome – K: Ute Freund – D: Katharina Lorenz, Seyneb<br />
Saleh, Peter Knaack – 101 min – Fred verliebt sich<br />
in Luzie und Sibil und beide lieben ihn. Können sie die<br />
Liebe neu erfinden? »Thome ist ein gewitzter Geschichtenerzähler,<br />
ein Erfinder von Versuchsanordnungen und<br />
Liebeskonstellationen. Sein eigentliches Interesse gilt<br />
aber nicht den von ihm gesponnenen Netzen, sondern<br />
den Fliegen und anderen Tieren, die sich darin verfangen.<br />
Bei Thome wird das Eigene der Darsteller in aller<br />
Selbstverständlichkeit als das Eigentliche der Erzählung<br />
sichtbar. Nichts geht darum je ganz auf in den Geschichten,<br />
nie wird man zu eindeutigen Gefühlen erpresst.«<br />
(Ekkehard Knörer) »Pretty damn fantastic. Think<br />
Hong Sangsoo steeped in stoicism.« (Andrew Grant)<br />
▶ Freitag, 6. April 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />
8. April 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Rudolf Thome)<br />
INS BLAUE – Deutschland 2012 – R+B: Rudolf Thome<br />
– K: Bernadette Paassen – D: Vadim Glowna, Alice<br />
Dwyer, Esther Zimmering, Janina Rudenska – 105 min<br />
– Nike dreht ihren Debütfilm INS BLAUE. Ihr Vater Abraham,<br />
ein alter Hase der Branche, ist der Produzent.<br />
Doch er hält sich weitestgehend zurück: Nike ist der<br />
Boss. Als Nike gezwungenermaßen ihren Vater für den<br />
Film besetzt, vermischen sich Realität und Fiktion. –<br />
Vadim Glowna spielte hier seine letzte Hauptrolle. Er<br />
starb am 24. Januar 2012. »Als Vadim Glowna mein<br />
Drehbuch gelesen hatte, sagte er seiner Agentur: Sofort<br />
zusagen! Hat er da schon gewusst, dass Abraham<br />
die Rolle seines Lebens werden würde? Warum um<br />
alles in der Welt habe ich Nikes Vater diesen biblischen<br />
Namen gegeben! Er ist bestimmt nicht in die Hölle, sondern<br />
in den Himmel gekommen, trotz all seiner Sünden<br />
(die ich aus seiner Autobiografie kennenlernen durfte).<br />
Während der gesamten Drehzeit in Italien war er nicht<br />
wie ein normaler Schauspieler, sondern eher wie ein<br />
Heiliger: sanft, geduldig, über den Dingen schwebend.«<br />
(www.moana.de 27.1.2012) »Die Rolle, die Glowna<br />
spielt, ist nicht zuletzt ein (bewusst verzerrtes) Selbstporträt<br />
Rudolf Thomes, dessen Tochter auch Filme<br />
dreht. Daraus resultiert ein höchst intrikates Spiel des<br />
Ziehens von Fäden: Thome erfindet einen Regisseur,<br />
der ihm in mancher Hinsicht ähnelt und zeigt, wie dieser<br />
die eigene Tochter hintergeht. Und die übliche<br />
Thome-Konstellation (der Regisseur sieht Frauen zu bei<br />
dem, was sie tun) wird umgedreht: Der Regisseur<br />
Thome zeigt eine Regisseurin, die ihren Vater in eine<br />
pervertierte Urszene nackt vor die eigene Kamera<br />
drängt. Neben dem Film im Film und dem Film, der<br />
vom Drehen erzählt, gibt es also diesen weiteren Rahmen:<br />
Thomes bei allen sich ereignenden Heiterkeiten<br />
eher grimmiges Porträt einer Vater-Tochter-Beziehung,<br />
und zugleich seines Metiers.« (Ekkehard Knörer)<br />
▶ Samstag, 7. April 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Rudolf<br />
Thome) ▶▶ Montag, 9. April 2012, 18.30 (Zu Gast:<br />
Rudolf Thome)
vor einem Tor auf die Frau warten, in die er sich verliebt<br />
hat. Die grafische Darstellung von unglücklichem Sex<br />
erreicht in diesem Film ihren Höhepunkt. Fortan interessieren<br />
Hong andere Dinge.<br />
▶ Samstag, 31. März 2012, 21.00 Uhr<br />
YEOJANEUN NAMJAUI MIRAEDA (WOMAN IS THE<br />
FUTURE OF MAN) – Südkorea 2004 – R+B: Hong<br />
Sangsoo – K: Kim Hyung-koo – M: Jeong Yong-jin – D:<br />
Yoo Ji-tae, Kim Tae-woo, Sung Hyun-ah – 87 min,<br />
OmeU – Rein äußerlich ein Durchbruch für Hong: Dieser<br />
Film lief als erster in einem großen A-Festival-Wettbewerb,<br />
in Cannes. Einen Preis gewann er nicht, da<br />
musste er warten, bis HAHAHA dann bei Un certain regard<br />
prämiert wurde. Nach Jahren begegnen sich zwei<br />
Freunde, Mun-ho, der Künstler werden wollte und jetzt<br />
Kunst lehrt, und Hyeon-gon, der nach Amerika ging, um<br />
Filme zu drehen und nun als Gescheiterter in die Heimat<br />
zurückkehrt. Sie erinnern sich an eine Frau und suchen<br />
sie dann in der Gegenwart auf. Gut geht das nicht.<br />
Alles weitere ist von Peinlichkeiten, Alkohol, schlechtem<br />
Sex und Spannung durchsetzt.<br />
▶ Sonntag, 1. April 2012, 21.00 Uhr<br />
KEUK JANG JEON (TALE OF CINEMA) – Südkorea<br />
2005 – R+B: Hong Sangsoo – K: Lim Oh-jeong – M:<br />
Jeong Yong-jin – D: Kim Sang-kyung, Uhm Ji-won, Lee<br />
Ki-woo, Lee Seung-a – 90 min, OmeU – Menschen<br />
wollen sich umbringen, ein Regisseur liegt im Sterben.<br />
Das alles aber nur im Film, der im Film TALE OF CI-<br />
NEMA zu sehen ist. Man begreift diese Verschachtelungsstruktur<br />
nicht sofort, damit treibt Hong erst einmal<br />
sein Spiel. Man weiß auch gar nicht zu sagen, ob der<br />
Film-im-Film eigentlich auch ein Hong-Film ist – oder<br />
ob Hong da den Film eines anderen gedreht und in<br />
einen Hong-Film geschmuggelt hat. Die aufdringlichen<br />
Zooms jedenfalls gibt es hier wie da. Sie dringen hier<br />
ein ins Kino von Hong, fast etwas wie Messerattacken<br />
gegen die bislang so nüchtern in Plansequenzen hingestellten<br />
Bilder. Wie die beiden Filme zusammengehören?<br />
Schwer zu sagen, aber stärker als zuvor werden<br />
die Wiederholungen und Verschiebungen ausdrücklich<br />
markiert.<br />
▶ Freitag, 6. April 2012, 21.00 Uhr<br />
HAEBYUNEUI YOEIN (WOMAN ON THE BEACH) –<br />
Südkorea 2006 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Hyungkoo<br />
– M: Jeong Yong-jin – D: Kim Seung-woo, Ko Hyunjung,<br />
Kim Tae-woo, Song Sun-mi – 127 min, OmeU –<br />
Der Regisseur Kim und sein Drehbuchautor Jung-rae<br />
fahren in einen Badeort, um dort gemeinsam an einem<br />
neuen Film zu arbeiten. Jung-rae nimmt seine Freundin<br />
Moon-sook mit. Ein Sturm ist angekündigt, der Ort ist<br />
ziemlich verlassen, der Sturm bleibt aber aus. Äußerlich<br />
jedenfalls, denn zwischen den Beteiligten entwickelt<br />
sich eine verquere Dreiecksgeschichte, in der große<br />
Worte in den Wind gerufen werden und nichts, was<br />
einer dem anderen sagt, irgendwas gilt. Kim philosophiert<br />
über seine Obsession mit einem Bild in seinem<br />
Kopf und entwickelt eine grafische Theorie, wie man so<br />
ein Bild wieder los wird. »Ich mag keine Wiederholungen«,<br />
sagt Moon-sook gegen Ende am Telefon. Wenn<br />
es je ein Erlösungswort gab in Hongs Filmen, dann ist<br />
es dies.<br />
▶ Samstag, 7. April 2012, 21.00 Uhr (Einführung: Rudolf<br />
Thome)<br />
BAM GUA NAT (NIGHT AND DAY) – Südkorea/Frankreich<br />
2008 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Hoonkwang<br />
– M: Jeong Yong-jin – D: Kim Young-ho, Park<br />
Eun-hye, Hwang Su-jung, Kee Joo-bong – 145 min,<br />
OmU – Ein Südkoreaner in Paris, ein Film, der ursprünglich<br />
vom Musée d’Orsay finanziert werden sollte.<br />
Das scheiterte, aber Hong drehte seinen französischen<br />
Film, in dem Paris aber genauso in Szene gesetzt wird<br />
wie eine koreanische Stadt, trotzdem. Im Zentrum der<br />
Maler Seong-nam, der aus Angst vor einer Verhaftung<br />
wegen Marihuanakonsums nach Paris flieht und dort<br />
Hong Sangsoo<br />
37
Hong Sangsoo<br />
38<br />
Frauen, die er kannte und kennt (oder sechsmal<br />
schwängerte und trotzdem nicht wiedererkennt), der er<br />
(wieder)begegnet, während er – es ist Nacht in Paris<br />
und Tag in Korea – mit seiner in Seoul gebliebenen<br />
Frau telefoniert. Erzählt ist das als Tagebuch Seongnams.<br />
Koreanische Künstler verhalten sich in einem<br />
Hong-Film nicht anders, nur weil er in Paris spielt.<br />
▶ Sonntag, 8. April 2012, 21.00 Uhr (Einführung: Rudolf<br />
Thome)<br />
JAL ALJIDO MOTHAMYEONSEO (LIKE YOU KNOW IT<br />
ALL) – Südkorea 2009 – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim<br />
Hoon-kwang – M: Jeong Yong-jin – D: Kim Tae-woo, Ko<br />
Hyun-jung, Uhm Ji-won, Yu Jun-sang – 126 min,<br />
OmeU – Wieder ein Film, der ausdrücklich in zwei Hälften<br />
geteilt ist. Der erste Teil: Ku, ein Filmregisseur, nicht<br />
unbekannt, aber kommerziell nicht erfolgreich, ist als<br />
Mitglied der Jury auf einem Filmfestival. Die Erfahrungen,<br />
die er da macht, etwa mit Jurykollegen, sind ernüchternd,<br />
er wird sich als typischer Hong-Held betrinken.<br />
Im zweiten Teil, zwölf Tage später, besucht Ku<br />
einen alten Freund an der Universität und spricht mit<br />
dessen Studenten über seine eigenen Filme. Frauen -<br />
geschichten bleiben nicht aus. Szenen im ersten und<br />
zweiten Teil sind sich sehr ähnlich, das erzeugt wie gewohnt<br />
und wie immer subtil anders als sonst Spiegelund<br />
Verzerrungseffekte. Mehr noch als ohnehin in allen<br />
Filmen seit TALE OF CINEMA sind Zooms und Kamerabewegungen<br />
das dominierende formale Element.<br />
▶ Montag, 9. April 2012, 21.00 Uhr (Einführung: Rudolf<br />
Thome)<br />
VISITORS – Südkorea/Japan/Philippinen 2009 – OmeU<br />
– Episoden: CHEOB CHEOB SANJOONG (LOST IN THE<br />
MOUNTAINS) – R+B: Hong Sangsoo – K: Kim Kwangho<br />
– M: Jeong Yong-jin – D: Jung Yu-mi, Moon Sungkeun,<br />
Lee Sun-kyun – 30 min – KOMA – R+B: Naomi<br />
Kawase – K: Yutaka Yamazaki – 35 min – BUTTER-<br />
FLIES HAVE NO MEMORY – R+B+K: Lav Diaz –<br />
40 min – Ein Kurzfilm als Teil der vom Festival in Jeonju<br />
regelmäßig finanzierten Auftragswerke. Eine Frau<br />
kommt in Jeonju an, gerät mit einer Freundin in Streit,<br />
trifft ihren deutlich älteren Exlover. Ein vertrauter Reigen<br />
der Disharmonie mit lakonisch eingestreuten Stadtbildern,<br />
diesmal allerdings vorwiegend aus der Perspektive<br />
einer weiblichen Heldin erzählt, die im Erzählkommentar<br />
zur objektiven Betrachtung der Vorgänge wenig<br />
Erhellendes beiträgt. In Inhalt und Form gibt es zu den<br />
anderen Filmen des Triptychons, wie bei den Jeonju<br />
Digital Projects üblich, keinen Zusammenhang.<br />
▶ Freitag, 13. April 2012, 21.00 Uhr<br />
HAHAHA – Südkorea 2010 – R+B: Hong Sangsoo – K:<br />
Park Hong-yeol – M: Jeong Yong-jin – D: Kim Sangkyung,<br />
Yu Jun-sang, Moon So-ri, Kim Kang-woo –<br />
116 min, OmeU – Es beginnt wie ein Witz. Treffen sich<br />
zwei Männer. Der eine der beiden, Filmregisseur ohne<br />
Film, Professor ohne Professur, ist auf dem Sprung<br />
nach Kanada. Man erzählt sich, was zuletzt so geschah.<br />
Diese Erzählung gibt dem Film einen Rahmen, Novellentechnik.<br />
Man sieht diese Männer nicht, vielmehr: nur<br />
als Fotos, schwarzweiß. Sie lachen über die Geschichten,<br />
die sie erzählen, begreifen jedoch nicht, was man<br />
als Zuschauer schnell begreift: Der jeweils andere ist<br />
Teil der jeweils erzählten Geschichte und sieht darin<br />
keinesfalls so gut aus wie aus der eigenen Perspektive.<br />
Ein Abgrund an dramatischer Ironie, ein Film, in dem so<br />
schnell keiner zuletzt lacht.<br />
▶ Samstag, 14. April 2012, 21.00 Uhr<br />
OKI-EUI YONG-HWA (OKI’S MOVIE) – Südkorea 2010<br />
– R+B: Hong Sangsoo – K: Park Hong-yeol, Jee Yunejeong<br />
– M: Edward Elgar, We Zong-yun – D: Lee Sunkyun,<br />
Jung Yu-mi, Moon Sung-keun – 80 min, OmeU –<br />
Hongs zweiter Film des Jahrgangs 2010 ist seine bislang<br />
wohl kühnste Experimentalanordnung. Ein Film<br />
aus vier Filmen, deren Verhältnis zueinander in Frage<br />
steht. In einer Serie von Verschiebungen folgen wir<br />
einem Trio – Song als Filmprofessor, Jingu und Oki als<br />
Studenten – in wechselnder Konfiguration durch das<br />
Grenzgebiet von Fiktion und Metafiktion. Jeder der vier<br />
Filme hat Vorspann und Abspann in verwischt-ver -<br />
wackelter weißer Schrift auf blauem Grund. Dazwischen<br />
sorgt das Pathos von Edward Elgars »Pomp and<br />
Circumstance« durch Fallhöhe zum Gezeigten für tendenziell<br />
komischen Kontrast. Es gibt keine Hierarchie<br />
und keine stabilisierbare Beziehung zwischen Realem<br />
und Fiktion, die vier Filme nebeneinander ergeben<br />
weder ein geschlossenes Bild noch verständigen sie<br />
sich in eindeutiger Weise über das Verhältnis, in das sie<br />
untereinander treten.<br />
▶ Sonntag, 15. April 2012, 21.00 Uhr
Film und Psychoanalyse – Lustspiele<br />
Psychoanalyse der Filmkomödie – ist das nicht ein tristes<br />
Unterfangen? Soll man Witze erklären? Dass man<br />
das durchaus vergnüglich tun kann, zeigte schon Sigmund<br />
Freud 1905 mit seinem Buch »Der Witz und<br />
seine Beziehung zum Unbewußten«. Die Komödie<br />
stand dabei freilich nicht im Mittelpunkt, und das Kino<br />
schon gar nicht. Das hat er bekanntlich verabscheut:<br />
Selbst wenn es, meinte er noch 1927, so modern sei<br />
wie der Bubikopf, so werde er sich doch keinen schneiden<br />
lassen.<br />
Inzwischen hat der Film den Bubikopf ebenso wie die<br />
Psychoanalyse gefeiert, veräppelt und weiterentwickelt,<br />
wie auch unser psycho-analytisches Wissen. Für die<br />
zeitgenössische Film-Psychoanalyse ist die Komödie<br />
das beste Beispiel dafür, dass die entscheidende »Zündung«<br />
des Kunstwerks im Kinosaal selbst erfolgt, und<br />
zwar in jedem Subjekt selbst, wenn auch nicht »rein<br />
subjektiv«.<br />
Wenn Psychoanalytiker sich heute mit der Komödie befassen,<br />
geht es längst nicht mehr allein um die Entbindung<br />
verdrängter Triebregungen, sondern auch um das<br />
Timing von Pointen, die subversive Kraft des Humors<br />
und das Janusgesicht des Lachens, das Abwehr und<br />
Aufdeckung zugleich umfasst. Die Reihe wird im Herbst<br />
fortgesetzt. (www.psychoanalyse-film.eu)<br />
Andreas Hamburger<br />
FREUDS WITZ UND DIE PSYCHOANALYSE DER FILM-<br />
KOMIK – Vortrag mit Filmbeispielen von Andreas Hamburger<br />
– 60 min – DUCK SOUP (DIE MARX BRO -<br />
THERS IM KRIEG) – USA 1933 – R: Leo McCarey – B:<br />
Bert Kalmar, Harry Ruby – K: Henry Sharp – M: John<br />
Leipold – D: Groucho Marx, Harpo Marx, Chico Marx,<br />
Zeppo Marx, Margaret Dumont, Louis Calhern –<br />
68 min, OmU – Die Marx-Brothers bemächtigen sich<br />
eines fiktiven Operettenstaates mit seinen Militärs, Politikern<br />
und Oberschichtparvenüs und zerlegen Kabinettssitzungen,<br />
Cocktailparties und Rituale zwischenstaatlicher<br />
Beziehungen nach allen Regeln der Kunst.<br />
Groucho als zynisch-wortgewandter Hochstapler, Chico<br />
als herrlich Italianità simulierender Underdog und<br />
Harpo als sexwütig-stummer Anarchist entlarven politisches<br />
Pathos, narzisstische Selbstüberhöhung und<br />
Hohlformen bürgerlichen Wohlverhaltens hemmungs-<br />
DUcK SOUp<br />
Film und Psychoanalyse<br />
39
Film und Psychoanalyse<br />
40<br />
los als Posen. In Wortspielen und raschen Dialogen, die<br />
auf der Tradition der spontanen Wortgefechte der<br />
stand-up-comedians beruhen sowie in virtuos-stummen<br />
Eskalationen der gegenseitigen Schmerzzufügung,<br />
die auf die nur knapp zurückliegende Stummfilmära<br />
von Buster Keaton und Laurel & Hardy verweisen, bringen<br />
die Marx Brothers ihre ganz eigene Mischung von<br />
Sprach- und Bewegungswitz furios zum Einsatz.<br />
▶ Sonntag, 25. März 2012, 17.30 Uhr (Vortrag: Andreas<br />
Hamburger. Einführung: Mathias Lohmer, Salek Kutschinski)<br />
TO BE OR NOT TO BE (SEIN ODER NICHTSEIN) – USA<br />
1942 – R: Ernst Lubitsch – B: Edwin Justus Mayer – K:<br />
Rudolph Maté – M: Werner Richard Heymann – D:<br />
Carole Lombard, Jack Benny, Robert Stack, Stanley Ridges,<br />
Felix Bressart – 99 min, OmU – Im August 1939,<br />
kurz vor dem Einmarsch der Nazis, probt eine Warschauer<br />
Theatertruppe ein Anti-Hitler-Stück, zu dessen<br />
Uraufführung es nicht mehr kommen wird. Überrollt<br />
von den historischen Ereignissen stürzen sich die<br />
Schauspieler, eben noch mit Eitelkeiten, Liebeleien und<br />
Eifersüchteleien beschäftigt, in den realen Widerstand<br />
gegen die Besatzer, in dem ihr ganzer Mut, Einfallsreichtum,<br />
Witz und nicht zuletzt ihre schauspielerischen<br />
Fähigkeiten bald von lebensrettender Bedeutung sein<br />
werden. In dieser genialen Satire, gedreht im Dezember<br />
1941, also unmittelbar vor der Wannsee-Konferenz,<br />
handhabt Lubitsch virtuos seine Neigung zum Spiel mit<br />
den Genres und zum Stilbruch, changierend zwischen<br />
Liebeskomödie, Verwirrspiel zwischen Theater und<br />
Leben, dokumentarischen Wochenschau-Elementen<br />
und schließlich grimmiger Farce. Die prekäre Spirale<br />
von wachsender Gefahr, in der es tatsächlich um »Sein<br />
oder Nichtsein« geht und der Frage, ob man über das<br />
Grauen lachen darf, hält Lubitsch bis zum Schluss<br />
durch – und gewinnt.<br />
▶ Sonntag, 29. April 2012, 17.30 Uhr (Einführung: Ka -<br />
tha rina Leube, Irmgard Nagel)<br />
THE KING OF COMEDY – USA 1983 – R: Martin Scorsese<br />
– B: Paul D. Zimmerman – K: Fred Schuler – M:<br />
Harold Arlen – D: Robert De Niro, Jerry Lewis, Diahnne<br />
Abbott, Sandra Bernhard, Shelley Hack – 104 min, OF –<br />
Rupert Pupkin ist, wie so viele Scorcese-Protagonisten,<br />
ein Niemand, der ein Jemand werden will, und zwar unbedingt<br />
als Komiker – wie sein Idol und Gegenspieler,<br />
der berühmte Showmaster und Comedian Jerry Langford.<br />
Da es Pupkin in zahllosen Anläufen nicht gelingt,<br />
den unnahbaren Star zu überreden, ihn in seiner Show<br />
auftreten zu lassen, entführt er ihn schließlich, assistiert<br />
von der liebestollen Langford-Stalkerin Masha. Die<br />
Komik dieser Konstellation entfaltet sich am Negativen,<br />
nämlich an der Abwesenheit des Sinnlich-Lustigen,<br />
was beiden Antipoden vollkommen fehlt. Die beiden<br />
sind sich dadurch ähnlicher, als ihnen lieb sein kann:<br />
Langford und Pupkin sind füreinander Zerrspiegel. Wir<br />
Zuschauer betreten also ein sarkastisches Spiegelkabinett,<br />
in dem sich nicht nur die amerikanische Medienwirklichkeit<br />
abbildet, sondern die Erfolgsideologie der<br />
amerikanischen Identität insgesamt.<br />
▶ Sonntag, 20. Mai 2012, 17.30 Uhr (Einführung: Matthias<br />
Baumgart, Corinna Wernz)<br />
SOME LIKE IT HOT (MANCHE MÖGEN’S HEISS) –<br />
USA 1959 – R: Billy Wilder – B: Billy Wilder, A. L. Diamond<br />
– K: Charles Lang jr. – M: Adolph Deutsch –<br />
D: Marilyn Monroe, Tony Curtis, Jack Lemmon, George<br />
Raft, Pat O’Brien – 120 min, OmU – Zwei Musiker kommen<br />
zufällig der Mafia in die Quere und suchen Zuflucht<br />
in einem Damenorchester. Schon mit diesem<br />
ersten Akt der Travestie wird das unterschwellige<br />
Thema des Films angedeutet: Angst vor (und Lust an)<br />
Sexualität und sexueller Identität. Spannend wird es,<br />
als die beiden verkleideten Helden die schöne Sugar<br />
kennenlernen. Tony Curtis verkleidet sich nun erneut,<br />
diesmal als angeblich impotenter Millionär, und bringt<br />
Sugar in die Situation der Therapeutin. Währenddessen<br />
wird immer wieder auf den zweiten Helden geschnitten,<br />
der als Mädchen verkleidet mit einem alten Playboy<br />
Tango tanzt. Die berühmte Schlusspointe des Films<br />
fasst die Problematik der gender identity zusammen.<br />
Mit seinem »Nobody is perfect« hat Billy Wilder 1959<br />
die ganze Welt beruhigt. Die Mischung von Gangsterfilm-Parodie<br />
und romantischer Verwechslungskomödie<br />
versetzt die Zuschauer in diverse Rollen, identifiziert sie<br />
mit wechselnden Geschlechtern – ein Spiel, das jeder<br />
aus seiner Kindheit kennt. Am Ende können wir über<br />
uns selbst lachen und verdanken Billy Wilder eine gute<br />
analytische (Doppel-)Sitzung.<br />
▶ Sonntag, 24. Juni 2012, 17.30 Uhr (Einführung: Ka -<br />
tharina Leube, Vivian Pramataroff)
Rainer Werner Fassbinders München<br />
Es muss vor rund 35 Jahren gewesen sein. Rainer Werner<br />
Fassbinder saß bei mir im Auto und »diktierte« die<br />
Route von der Innenstadt zu den Bavaria Filmstudios.<br />
Sicher war es nicht die kürzeste Strecke, vermutlich<br />
war sie nur unwesentlich langsamer, auf jeden Fall<br />
aber lotste er mich durch Straßen, die ich ewig nicht<br />
mehr gesehen hatte: backroads, könnte man sagen,<br />
mit vielen eher ärmeren Altbauten, dazwischen immer<br />
noch einige Lücken, teilweise aufgefüllt mit gesichtslosen<br />
neuen Häusern. Auf den ersten Blick Szenerien<br />
ohne echte Fixpunkte und ohne Wiedererkennungswert.<br />
Fassbinder erklärte, dies sei seine Lieblingsstrecke<br />
nach Grünwald. Die Attraktionen eines Stadtführers<br />
haben ihn nie interessiert, auch nicht in seinen Filmen;<br />
als Schauplätze bevorzugte er Gegenden, in denen<br />
seine bürgerlichen und erst recht seine kleinbürgerlichen<br />
Figuren wohnen und leben konnten – oder mussten.<br />
Undenkbar, dass er, wie fast eine ganze Generation<br />
der einstigen »Jungfilmer«, die Leopoldstraße zu einer<br />
Art »Wahrzeichen« verklärt hätte. Wenn er in Schwabing<br />
gedreht hat, kann das der Zuschauer meist nur<br />
dann wahrnehmen, wenn er die entsprechende Szenerie<br />
zufällig genau kennt – wie zum Beispiel die ineinander<br />
übergehenden Hinterhöfe in HÄNDLER DER VIER<br />
JAHRESZEITEN. Wichtiger als die Leopoldstraße war<br />
Fassbinder zum Beispiel die Landsberger Straße mit<br />
ihrem Straßenstrich – wenngleich er die lange nächtliche<br />
Kamerafahrt in LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD<br />
von Jean-Marie Straub übernommen hat.<br />
Fassbinders München ist zunächst einmal eine Stadt<br />
ohne Wahrzeichen. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen,<br />
wie den Löwenbräukeller in GÖTTER DER<br />
PEST, den Alten Peter in FAUSTRECHT DER FREIHEIT,<br />
oder auch Hitlers einstiges Lieblingsrestaurant, die<br />
Osteria in der Schellingstraße (ANGST ESSEN SEELE<br />
AUF). Irgendetwas wie »Großstadtflair« wird man in<br />
Fassbinders Filmen vergeblich suchen. Am Anfang von<br />
DER AMERIKANISCHE SOLDAT signalisiert ein Insert<br />
den Ort: »München«, als hätte der Filmemacher befürchtet,<br />
der Ort des Geschehens würde sonst nicht zu<br />
identifizieren sein. Darin erweist er sich als das Gegenteil<br />
von Kollegen wie Herbert Achternbusch, der mit den<br />
Tourismus-Attraktionen der Stadt und ihrer Umgebung<br />
immer wieder sein listiges Spiel trieb. Auch Wim Wenders’<br />
Berlin-Filme suchen immer wieder prominente<br />
Schauplätze und bauen auf ihren Wiedererkennungswert.<br />
Fassbinders München hingegen läuft Gefahr, in<br />
der Anonymität zu versinken, gegen die vor allem die<br />
Helden seiner frühen Gangsterfilme ankämpfen. Selbst<br />
wenn dort die Kleinkriminellen ins Polizeipräsidium<br />
gehen oder es verlassen, bleibt die Kamera so dicht an<br />
den Figuren, dass der Ort kaum zu identifizieren ist.<br />
Vielleicht hat es mit seinen frühen Theaterarbeiten zu<br />
tun, vielleicht auch mit dem Glück, dass er nie durch<br />
liebe iST KälTeR AlS DeR TOD<br />
Fassbinders München<br />
41
Fassbinders München<br />
42<br />
FAUSTRecHT DeR FReiHeiT AngST eSSen Seele AUF RiO DAS mORTeS KATZelmAcHeR<br />
die filmischen Grammatikregeln einer Filmschule verdorben<br />
wurde: Fassbinder verzichtet in seinen Filmen<br />
weitgehend auf establishing shots; da gibt es so gut<br />
wie keine Totalen, mit denen er erst einmal einen Überblick<br />
oder eine Orientierung zu geben versucht. Er war<br />
wohl generell kein großer Freund von Außenaufnahmen.<br />
Die meisten seiner Filme beginnen innen, dicht<br />
bei den Darstellern. Immer wirken sie eingeengt, von<br />
Mauern, Türen, Rahmen aller Art, bis hin zu den vielen<br />
Spiegeln. Und diese Enge, die oft das Gefühl von Klaustrophobie<br />
evoziert, setzt sich draußen auf den Straßen<br />
fort, als wären die Außenaufnahmen – viele sind bei<br />
Nacht gedreht, die Hintergründe verschwinden im Dunkel<br />
– nur die Fortsetzung von Innenaufnahmen mit<br />
leicht veränderten Mitteln. Wenn Fassbinders Figuren<br />
ins Wirtshaus gehen, fehlt häufig der Blick auf die Fassade,<br />
die Sequenzen beginnen gleich innen. Oder die<br />
Kamera im Freien ist so dicht auf den Schauspielern,<br />
dass Straßenschilder, Wirtshausnamen und andere Fixpunkte<br />
nicht mehr im Bild sind.<br />
Wie sehr Fassbinder auch im Freien auf visuelle Begrenzungen<br />
setzt, zeigt eine wunderbare kleine Sequenz<br />
in ICH WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT:<br />
Peter überquert die Isar auf einer Fußgängerbrücke<br />
nördlich vom Deutschen Museum. Ausnahmsweise<br />
bleibt der Schauplatz mühelos identifizierbar. Aber ge -<br />
nau darum ging es eben nicht – sondern um eine zwei -<br />
te Brücke in der Nähe. Auf ihr fährt die Kamera, parallel<br />
zu dem jungen Mann auf der anderen Brücke. Langsam<br />
sinkt die fahrende Kamera nach unten, bis unter<br />
die steinerne Begrenzung. Auf der Leinwand sieht das<br />
nun aus, als würde Peter von einer Mauer verschluckt.<br />
Der Zuschauer kann ahnen oder fühlen, was kommen<br />
wird. Es ging also nicht um die Szenerie selbst, sondern<br />
um die Möglichkeit, die sie der Kamera bot.<br />
Enge, immer wieder Enge. Fassbinder drehte gern in<br />
bürgerlichen, kleinbürgerlichen oder auch spießbürgerlichen<br />
Wohnungen. Ein Kreuz im »Herrgottswinkel«<br />
einer Wohnung war signifikanter als der Blick auf prominente<br />
Kirchtürme. Treppenhäuser mochte er, Stufen,<br />
die nach oben oder unten führen. Und vor allem Hinterhöfe,<br />
in denen sich die Figuren bewegen, als wären<br />
ihnen ihre Wohnungen zu eng geworden. Wenn Adressen<br />
angegeben werden, sind sie oft der pure Fake. In<br />
der Tizianstraße (HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN),<br />
in die ein Notarzt gerufen wird, stehen keine Mietshäuser,<br />
wie sie hier im Bild sind (aber Fassbinder hat dort<br />
einmal gewohnt!). Die Gabrielstraße (DIE SEHNSUCHT<br />
DER VERONIKA VOSS) gibt es nicht. Und das einst berüchtigte<br />
Wirtshaus Zum Schwan (HÄNDLER DER VIER<br />
JAHRESZEITEN) gab es 1971 nicht mehr.
Fassbinders München schimmert an vielen Stellen<br />
durch, aber es liegt nicht an der Oberfläche. Zum Beispiel<br />
mit der Stimme des legendären Sportreporters<br />
Sammy Drechsel und einem Spiel von 1860 München,<br />
oder mit dem Sound des alten AFN (DIE SEHNSUCHT<br />
DER VERONIKA VOSS). Mit der kleinen Nutte, die sich<br />
»Marile Kosemund« nennt, hat Fassbinder in HÄNDLER<br />
DER VIER JAHRESZEITEN dem Autor Sigi Sommer<br />
seine Referenz erwiesen. In RIO DAS MORTES referiert<br />
der wunderbare Carl Amery spontan über die katholische<br />
Kirche in Lateinamerika. In den Gangsterfilmen<br />
tauchen Yaak Karsunke oder Peter Hamm als Kriminalbeamte<br />
auf. Hans, der Obsthändler (HÄNDLER DER<br />
VIER JAHRESZEITEN) heißt mit Familiennamen Epp,<br />
so hieß einst auch ein berühmter Nazi in der Stadt;<br />
Hans’ Frau will über eine Kanzlei »Schirach« ihre Scheidung<br />
in die Wege leiten. Die Geschichte der Stadt hat<br />
Fassbinder dann interessiert, wenn sie als unmittelbares<br />
Echo noch präsent ist. Aber die neuen Errungenschaften,<br />
das Olympiastadion zum Beispiel? Fehl -<br />
anzeige! Und wenn seine Figuren mit dem Zug ankommen,<br />
dann niemals am Hauptbahnhof, sondern am<br />
Starnberger Bahnhof, der wie eine kleinere Provinzstation<br />
aussieht.<br />
Lediglich in die Unterwelt der U-Bahn, wieder ein Ort<br />
der Klaustrophobie, tauchen die Figuren immer wieder<br />
ein, bis hin zum tödlichen Finale von FAUSTRECHT DER<br />
FREIHEIT; freilich muss man schon genau hinsehen,<br />
um die Haltestelle Marienplatz erkennen zu können.<br />
Wenn Fassbinders Kamera eine U-Bahn-Station identifiziert,<br />
dann hat er einen speziellen Grund dafür: Das<br />
Schild »Nordfriedhof« über dem Kopf von Peter (ICH<br />
WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT) verheißt<br />
nichts gutes für den Ausgang der Geschichte.<br />
Falls Fassbinder in München ein Heimatgefühl entwickelt<br />
hat, so muss es ein sehr ambivalentes gewesen<br />
sein – nicht nur, weil er keine Probleme hatte, wenn er<br />
die Stadt für Aufgaben in Bochum, Frankfurt oder Köln<br />
verlassen musste. »Ich mag das auf die Dauer hier<br />
nicht!«, lässt er seinen Kollegen Daniel Schmid in<br />
HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN erklären. Karlheinz<br />
Böhm fragt ihn in FAUSTRECHT DER FREIHEIT: »Bist du<br />
<strong>Münchner</strong>?« Fassbinders Antwort: »So ziemlich!« Die<br />
Einschränkung kann nicht nur daran liegen, dass er in<br />
Bad Wörishofen geboren wurde.<br />
München ereignet sich in Fassbinders Filmen eher unauffällig<br />
und am Rande. In GÖTTER DER PEST hat<br />
Harry Baer eine Frisur wie König Ludwig II., und für Zuschauer,<br />
denen das nicht auffällt, darf er auch noch ein<br />
Poster des Bayern-Königs kaufen. Einmal legt er eine<br />
Schallplatte auf, man erwartet eine rockige Schnulze,<br />
doch es erklingt Karl Valentin mit seiner »Vogelhochzeit«.<br />
Eine weitere Hommage an den großen Valentin:<br />
Kurt Raab, der in WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? eine<br />
Schlagerplatte kaufen will, weder Text noch Titel weiß,<br />
die Melodie nur in Bruchstücken andeuten kann und<br />
doch zum Ziel kommt. Der Dichter Kranz, der sich in<br />
SATANSBRATEN in die Identität von Stefan George mogelt,<br />
legt sich eine Perücke zu – die weniger an George<br />
erinnert als – zumindest aus heutiger Sicht – an den<br />
<strong>Münchner</strong> Exzentriker Rudolph Moshammer. Und es ist<br />
die Sprache, mit der Fassbinder München definiert: das<br />
spitze und schnippische Bairisch von Walter Sedlmayr,<br />
der verlangsamte, mitunter maulfaule Dialekt von Harry<br />
Baer, die schrillen Sätze von Irm Hermann, die manchmal<br />
wilden, manchmal melancholischen Texte, die sich<br />
Fassbinder auf den Leib geschrieben hat. Oder auch<br />
die Musik von Per Raaben, der zu seinen Ahnherrn<br />
auch Orlando di Lasso gezählt hat.<br />
Wer ehrlich ist, wie Hans (HÄNDLER DER VIER JAHRES-<br />
ZEITEN) oder der Bauarbeiter Peter (ICH WILL DOCH<br />
NUR, DASS IHR MICH LIEBT), oder Franz, der vom Zirkus<br />
kommt (FAUSTRECHT DER FREIHEIT), scheitert hier<br />
– besonders dann, wenn er sich ein anderes, besseres<br />
Leben erträumt. Aber es scheitern auch die vielen kleinen<br />
Ganoven und Gauner, die so tun, als wären sie<br />
große Gangster. In Fassbinders München triumphieren<br />
am ehesten noch die Halbseidenen, Opportunisten, Verräter<br />
und Ausbeuter. Doch wenn Fassbinders Figuren<br />
einmal die Stadt verlassen, dann fahren sie meist über<br />
öde Ausfallstraßen oder bewegen sich in einem gesichtslosen<br />
Brachland. Die Ausnahmen bleiben rar:<br />
eine Exkursion ins Voralpenland (GÖTTER DER PEST),<br />
mit einigen der ganz seltenen Totalen Fassbinders, die<br />
eine Ahnung von Glück und Freiheit suggerieren. Doch<br />
die Helden kehren nur zurück, um in München den Tod<br />
zu finden. Nur in RIO DAS MORTES, dem heitersten<br />
Film, den Fassbinder je gedreht hat, entkommen die<br />
Protagonisten ihrer Enge in Richtung Peru – auch weil<br />
Hanna Schygulla, die am Flughafen München Riem im<br />
Freien und in Schussweite nahe des Flugzeugs (das<br />
war damals noch möglich), die angelegte Waffe wieder<br />
sinken läßt. Mit dieser gelungenen Flucht hat Fassbinder<br />
auch sein einziges Happy End inszeniert. Die Stadt<br />
aber gibt so gut wie keinen Anlass zur Hoffnung.<br />
Hans Günther Pflaum<br />
LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD – BRD 1969 – R+B:<br />
Rainer Werner Fassbinder – K: Dietrich Lohmann – M:<br />
Peer Raben – D: Ulli Lommel, Hanna Schygulla, Rainer<br />
Werner Fassbinder, Hans Hirschmüller, Katrin Schaake,<br />
Peter Berling – 88 min – Fassbinders erster Spielfilm,<br />
Fassbinders München<br />
43
Fassbinders München<br />
44<br />
ein Gangsterfilm: Er spielt Franz, den Zuhälter, der sich<br />
einem Syndikat widersetzt, Bruno liebt und von Johanna<br />
verraten wird. »Was übrig bleibt: dass hier arme<br />
Leute waren, die nichts mit sich anfangen konnten, die<br />
einfach so hingesetzt wurden wie sie sind und denen<br />
keine Möglichkeiten gegeben wurde – die schlichtweg<br />
keine Möglichkeit haben.« (Fassbinder)<br />
▶ Dienstag, 3. April 2012, 21.00 Uhr<br />
KATZELMACHER – BRD 1969 – R+B: Rainer Werner<br />
Fassbinder, nach seinem Theaterstück – K: Dietrich<br />
Lohmann – M: Peer Raben – D: Rainer Werner Fassbinder,<br />
Hanna Schygulla, Lilith Ungerer, Irm Hermann,<br />
Rudolf Waldemar Brem, Harry Baer – 88 min – Ein Film<br />
voller Wut, nach Fassbinders eigenem Bühnenstück:<br />
Vier Paare in einem tristen <strong>Münchner</strong> Viertel, ihre Beziehungen<br />
halten bestenfalls an der Oberfläche, darunter<br />
toben Frust und Stillstand – erst in der Gewalt<br />
gegen einen Ausländer kommt das Leben in Bewegung.<br />
▶ Dienstag, 10. April 2012, 21.00 Uhr<br />
GÖTTER DER PEST – BRD 1970 – R+B: Rainer Werner<br />
Fassbinder – K: Dietrich Lohmann – M: Peer Raben<br />
– D: Harry Baer, Hanna Schygulla, Günther Kaufmann,<br />
Magarethe von Trotta, Carla Aulaulu, Ingrid Caven –<br />
91 min – Ein komplizierter kleiner film noir, über mittelmäßige<br />
Gangster, Liebe und Tod und Verrat – für den<br />
wie meist bei Fassbinder liebende Frauen verantwortlich<br />
sind. Im Finale nimmt Fassbinder seine eigene Beerdigung<br />
vorweg. »GÖTTER DER PEST ist ein ziemlich<br />
genauer Film über so ein Zeitgefühl, das es damals<br />
wirklich gegeben hat.« (Fassbinder)<br />
▶ Dienstag, 17. April 2012, 21.00 Uhr<br />
WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? – BRD 1970 – R+B:<br />
Rainer Werner Fassbinder, Michael Fengler – K: Dietrich<br />
Lohmann – M: Peer Raben – D: Kurt Raab, Lilith<br />
Ungerer, Amadeus Fenger, Franz Maron, Harry Baer,<br />
Hanna Schygulla – 88 min – Der brave Spießer<br />
schlechthin, ein technischer Zeichner mit vergeblichen<br />
Hoffnungen, die zu Mord und Totschlag und Selbstmord<br />
führen. Fassbinders einziger wirklich naturalistischer<br />
Film. »Ich glaube, das geht wirklich, dass man durch<br />
stilistische Mittel die Distanz schafft, die nötig ist für<br />
solche Filme.« (Fassbinder)<br />
Dienstag, 24. April 2012, 21.00 Uhr<br />
DER AMERIKANISCHE SOLDAT – BRD 1970 – R+B:<br />
Rainer Werner Fassbinder – K: Dietrich Lohmann –<br />
M: Peer Raben – D: Karl Scheydt, Elga Sorbas, Jan<br />
George, Hark Bohm, Margarethe von Trotta, Ulli Lommel,<br />
Rainer Werner Fassbinder – 80 min – Als ginge es<br />
um den Verfassungsschutz: Drei <strong>Münchner</strong> Polizisten<br />
beauftragen einen Killer, die Leute umzulegen, an die<br />
sie nicht rankommen. Fünf Jahre nach seinem Debüt<br />
versteht es Fassbinder nun souverän mit den amerikanischen<br />
Vorbildern des film noir zu spielen.<br />
▶ Dienstag, 1. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />
RIO DAS MORTES – BRD 1971 – R+B: Rainer Werner<br />
Fassbinder – K: Dietrich Lohmann – M: Peer Raben –<br />
D: Michael König, Günther Kaufmann, Hanna Schygulla,<br />
Katrin Schaake, Harry Baer, Ulli Lommel – 84 min –<br />
Zwei Freunde träumen von der Schatzsuche und brechen<br />
am Ende auf nach Peru. Fassbinders einzige wirkliche<br />
Komödie und sein einziges Happy End, weil Hanna<br />
Schygulla den gezogenen Revolver sinken lässt. »Wenn<br />
es ein Film wäre wie die anderen, die ich gemacht<br />
habe, würde sie schießen!« (Fassbinder)<br />
▶ Dienstag, 15. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />
HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN – BRD 1972 –<br />
R+B: Rainer Werner Fassbinder – K: Dietrich Lohmann<br />
– D: Hans Hirschmüller, Irm Hermann, Hanna Schygulla,<br />
Klaus Löwitsch, Karl Scheydt, Ingrid Caven – 88 min –<br />
Hans Epp, aus der Fremdenlegion zurückgekehrt,<br />
schiebt seinen Obstkarren durch die Hinterhöfe, leidet<br />
an seiner lieblosen Frau und an seiner großen Liebe:<br />
sie mag ihn im Bett, aber heiraten kommt nicht in<br />
Frage. Die tödliche Tragödie eines kleinen Mannes mit<br />
unerfüllbarer Sehnsucht. »Fassbinder siegt über die Klischees,<br />
indem er die Emotionen wahr macht, die sie<br />
tragen.« (Urs Jenny)<br />
▶ Dienstag, 22. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />
ANGST ESSEN SEELE AUF – BRD 1974 – R+B: Rainer<br />
Werner Fassbinder – K: Jürgen Jürges – D: Brigitte<br />
Mira, El Hedi Ben Salem, Barbara Valentin, Irm Hermann,<br />
Walter Sedlmayr, Rainer Werner Fassbinder –<br />
93 min – Ein berührendes Amour-fou-Melodram, die<br />
Liebesgeschichte einer älteren deutschen Putzfrau und<br />
eines jungen Gastarbeiters aus Marokko. Wenn es ein<br />
Happy End gäbe, dann nur auf der Basis der Verwertbarkeit<br />
von Außenseitern – also endet die Geschichte<br />
offen und skeptisch. Fassbinders Film ist eine Antwort<br />
auf den von ihm verehrten Douglas Sirk und dessen<br />
Melo ALL THAT HEAVEN ALLOWS.<br />
▶ Dienstag, 29. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />
FAUSTRECHT DER FREIHEIT – BRD 1975 – R+B: Rainer<br />
Werner Fassbinder – K: Michael Ballhaus – M: Peer<br />
Raben – D: Rainer Werner Fassbinder, Peter Chatel,
Karlheinz Böhm, Harry Baer, Adrian Hoven, Ulla Jacobsson<br />
– 123 min – Fassbinder gewinnt, als arbeitsloser<br />
Zirkusartist (ratlos), eine halbe Million im Lotto. Mit dieser<br />
Summe ist er auch für noblere Leute von Interesse.<br />
Ein Film über Klassenschranken und Liebe als System<br />
der Ausbeutung, bei Schwulen nicht anders als bei Heteros.<br />
»Mir scheint, Fassbinder wollte hier verfremdet<br />
seinen Weg durch das Kulturleben der Bundesrepublik<br />
beschreiben.« (Wilhelm Roth)<br />
▶ Dienstag, 5. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
ICH WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT – BRD<br />
1976 – R+B: Rainer Werner Fassbinder, nach einer Geschichte<br />
aus dem Buch »Lebenslänglich« von Klaus<br />
Antes und Christiane Ehrhardt – K: Michael Ballhaus –<br />
M: Peer Raben – D: Vitus Zeplichal, Elke Aberle, Alexander<br />
Allerson, Johanna Hofer, Katharina Buchhammer,<br />
Armin Meier – 104 min – Von einem der glaubt, er<br />
müsse sich die Liebe der anderen ständig erkaufen;<br />
dieser Irrtum endet mit Mord und Knast. Fassbinder<br />
selbst ist oft mißverstanden und auf den Titel dieses<br />
Films reduziert worden. Ein Irrtum: Er selbst hat sich zu<br />
wehren gewußt, und die Gefälligkeit seines Helden<br />
hatte er nie. Andernfalls könnte man sein Werk heute<br />
vergessen.<br />
▶ Dienstag, 12. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
SATANSBRATEN – BRD 1976 – R+B: Rainer Werner<br />
Fassbinder – K: Jürgen Jürges, Michael Ballhaus – M:<br />
Peer Raben – D: Kurt Raab, Helen Vita, Volker Spengler,<br />
Margit Carstensen, Ingrid Caven, Ulli Lommel –<br />
116 min – Ein Film aus der Zeit von Fassbinders angeblichen<br />
Krise: Ein Dichter verliert seine Identität, die<br />
eh nicht viel wert war. »Was den Film faszinierend<br />
macht, ist der Grundton tiefer Verzweiflung, fast des<br />
Menschenhasses, der sich hier, alle Grenzen von Geschmack<br />
und Erzählkultur einreißend, gewaltsam Bahn<br />
bricht.« (Wilfried Wiegand)<br />
▶ Dienstag, 19. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS – BRD 1982<br />
– R: Rainer Werner Fassbinder – B: Peter Märthesheimer,<br />
Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder – K: Xaver<br />
Schwarzenberger – M: Peer Raben – D: Rosel Zech,<br />
Hilmar Thate, Cornelia Froboess, Annemarie Düringer,<br />
Doris Schade, Erik Schumann, Armin Mueller-Stahl,<br />
Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder – 104 min –<br />
Fünfziger Jahre: Ein ehemaliger Ufa-Star träumt von<br />
der Vergangenheit und verkennt die Gegenwart. Die<br />
Schlüsselbegriffe: Ufa und Treblinka. In der ersten Einstellung:<br />
Fassbinder im Kino – sein letzter Auftritt in<br />
einem eigenen Film.<br />
▶ Dienstag, 26. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
Zum 30. Todestag von Rainer Werner Fassbinder am 10. Juni<br />
1982 präsentiert das Residenztheater im Marstall im März das<br />
Festival »Postparadise Fassbinder Now«, am 25. Mai wird eine<br />
Ausstellung im Deutschen Theatermuseum eröffnet.<br />
Fassbinders München<br />
45<br />
Die SeHnSUcHT DeR veROniKA vOSS
»… und immer wieder geht sie unter!«<br />
Der Untergang der Titanic<br />
46<br />
Der Untergang der »Titanic« im Kino<br />
Als vor 100 Jahren, in den frühen Nachtstunden des<br />
15. April 1912, der Luxusliner Titanic nach einer Kollision<br />
mit einem Eisberg im spiegelglatten Wasser des<br />
Nordatlantik versank und mehr als 1.500 Menschen<br />
mit in die Tiefe nahm, war ein Schiff untergangen und<br />
ein Mythos des 20. Jahrhunderts geboren. Seitdem<br />
spukt die Titanic durchs kollektive Bewusstsein und befeuert<br />
das Vorstellungsvermögen, die Phantasien von<br />
Journalisten, Sachbuchautoren, Romanciers, Ausstellungsmachern<br />
und Filmproduzenten. Wie wirkungsmächtig<br />
der Mythos immer noch ist, machte schlag -<br />
artig die Havarie des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia<br />
im Januar dieses Jahres vor der toskanischen<br />
Küste deutlich: Nicht nur, dass weltweit in der Presse<br />
getitelt wurde »Wie auf der Titanic«, sondern auch,<br />
dass die geretteten Passagiere selbst sofort diesen<br />
Vergleich zogen. So gab eine gerettete Passagierin an,<br />
sie habe viele Male den Film von James Cameron gesehen<br />
und deshalb den Ratschlag beherzigt, nicht die<br />
Aufzüge zu benutzen (FAS 22.1.2012). Und zu verführerisch<br />
waren ja auch die Parallelen: Der jähe Ruck<br />
beim Abendessen, der lange Riss im Rumpf, das baldige<br />
Kentern – alles unverzichtbare Bestandteile des<br />
Titanic-Mythos.<br />
Dieser Mythos gipfelt in einem zur Ikone gewordenen<br />
Bild, auf das keine Illustration, kaum eine Verfilmung<br />
verzichtet: Der diagonal aus dem Wasser ragende<br />
Rumpf des schon halb gesunkenen Schiffes, immer<br />
noch die Decks in voller Festbeleuchtung, die Lichter<br />
sich spiegelnd in der glatten See. Und davor die Über -<br />
lebenden in den Rettungsbooten, auf die das Geschehen<br />
einen theaterhaften Eindruck machte, wie viele der<br />
Geretteten als Augenzeugen berichtet haben. Ein er -<br />
habenes Schauspiel, eine fast theaterhafte Inszenierung,<br />
die sich im Kino natürlich besonders effektvoll in<br />
Szene setzen lässt: Nur wenige Monate nach der Katastrophe,<br />
die ein bisher nie gekanntes weltweites<br />
Medien echo auslöste, hatte mit IN NACHT UND EIS die<br />
erste Verfilmung des Untergangs in Berlin Premiere.<br />
Gegenüber der Costa Concordia wirkt die für damalige<br />
Verhältnisse imposante Titanic heute nicht mehr ganz<br />
so beeindruckend: Mit 269 Metern war sie elf Meter<br />
kürzer und auf maximal 2.600 Passagiere angelegt, gegenüber<br />
3.800 Passagieren auf dem italienischen<br />
Kreuzfahrtschiff. Ganz zu schweigen von der Oasis of<br />
the Seas, dem derzeit (noch) größten schwimmenden<br />
Vergnügungsdampfer mit 360 m Länge und fast 6.300<br />
Passagieren. Doch Größenverhältnisse und Zahlen sind<br />
für die Mythenbildung unerheblich, denn es ist gerade<br />
die untergegangene Titanic, die immer noch die Herzen<br />
bewegt – ein Traumschiff tief auf dem Boden des Meeresgrunds,<br />
versunken wie das sagenumwobene Atlantis.<br />
Damals galt sie als das »unsinkbare Schiff«, und<br />
umso stärker erschütterte dann ihr jähes Ende auf der<br />
Jungfernfahrt von Southampton nach New York weltweit<br />
die Gemüter. Die zeitgenössischen Reaktionen lassen<br />
einen sofort den Vergleich zu einer anderen Katastrophe<br />
fast 90 Jahre später ziehen, zu den kollabierenden<br />
Türmen des World Trade Center. Ging da damals<br />
symbolhaft ein Zeitalter unter, das fortschrittsgläubige<br />
19. Jahrhundert? War das ein Menetekel? Zwei<br />
Jahre später begann mit dem Ersten Weltkrieg eine Ka-
tastrophe ganz anderen Ausmaßes. Die 1915 vor der<br />
Südküste Irlands untergegangene Lusitania, ein noch<br />
größeres und moderneres Schiff als die Titanic, kollidierte<br />
eben nicht mit einem Eisberg oder einem Riff,<br />
sondern wurde von einem deutschen U-Boot versenkt.<br />
Im Kino hat sich ein eigenes Genre der Schiffsuntergangsfilme<br />
gebildet. Egal ob es ein Eisberg, ein feindliches<br />
U-Boot oder ein Fliegerangriff ist, der die Katastrophe<br />
auslöst: Immer wird die Tragik des Geschehens<br />
dramaturgisch verstärkt durch die Schilderung der unglücklichen<br />
Kette von Zufällen, die erst die undenkbare<br />
Katastrophe ermöglichten. Und jedes Mal wird durch<br />
Einzelschicksale ein Mikrokosmos der Gesellschaft geschildert,<br />
in dem Klassenzugehörigkeit und ethnische<br />
oder nationale Stereotypen eine wichtige Rolle spielen.<br />
Im Mittelpunkt des Interesses stehen aber auch die aufwändigen<br />
Spezialeffekte, die sich im Laufe der Filmgeschichte<br />
von klassischen Modellbauten bis zu komplexen<br />
digitalen Effekten entwickelt haben.<br />
Ernst Schreckenberg<br />
»… UND IMMER WIEDER GEHT SIE UNTER!« – Vortrag<br />
mit Filmausschnitten von Ernst Schreckenberg –<br />
90 min – Vom Untergang der Titanic, in der Nacht vom<br />
14. auf den 15. April 1912, gibt es keine Filmaufnahmen<br />
oder Fotos. Dennoch bedarf es keiner großen<br />
Phantasie, um sich ein Bild des Geschehens zu machen:<br />
Das Kino und auch das Fernsehen haben in<br />
immer neuen Inszenierungen der Katastrophe dafür gesorgt,<br />
dass der Untergang der Titanic im kollektiven Gedächtnis<br />
bis heute präsent ist. Ernst Schreckenberg<br />
wird in seinem Vortrag auf die wichtigsten Titanic-Filme<br />
eingehen. Natürlich dürfen auch nicht die vielen kleinen<br />
Spuren fehlen, die die Titanic in der Filmgeschichte hinterlassen<br />
hat, wie etwa in den TIME BANDITS der<br />
Monty Pythons Terry Gilliam und Michael Palin. – TIME<br />
TUNNEL: RENDEZVOUS WITH YESTERDAY (WIEDER-<br />
SEHEN MIT DER VERGANGENHEIT) – USA 1966 – R:<br />
Irwin Allen – B: Harold Jack Bloom, Shimon Wincelberg<br />
– K: Winton Hoch – M: John Williams – D: James Darren,<br />
Robert Colbert, Michael Rennie, Susan Hampshire,<br />
Gary Merrill, Lee Meriwether – 47 min, OF – Erste<br />
Folge einer Science-Fiction-Fernsehserie: Im Auftrag<br />
der Regierung arbeitet ein Team von Wissenschaftlern<br />
an einem geheimen Projekt, mit dem man Zeitreisen<br />
unternehmen kann. Als die Finanzierung des Projekts<br />
vor der endgültigen Fertigstellung eingestellt werden<br />
soll, betritt Dr. Newman als freiwilliges Versuchskaninchen<br />
den Zeittunnel und findet sich ausgerechnet auf<br />
der Titanic wieder.<br />
▶ Donnerstag, 12. April 2012, 19.00 Uhr<br />
ATLANTIS – Dänemark 1913 – R: August Blom – B:<br />
Axel Garde, Karl-Ludwig Schröder, nach dem Roman<br />
von Gerhart Hauptmann – K: Johan Ankerstjerne – D:<br />
Olaf Fönss, Ida Orloff, Ebba Thomsen, Carl Lauritzen,<br />
Frederik Jacobsen, Charles Unthan, Michael Curtiz –<br />
121 min, viragiert, OmeU – Einer der ersten abendfüllenden<br />
Spielfilme der Filmgeschichte basiert auf einem<br />
Roman von Gerhart Hauptmann, der kurz vor der Titanic-Katastrophe<br />
erschienen war und in dem ebenfalls<br />
ein großer Ozeanliner im Atlantik versinkt. Erzählt wird<br />
die Geschichte eines Chirurgen, der seine Frau verlässt,<br />
um zusammen mit einer erotischen Tänzerin nach Amerika<br />
auszuwandern. Die vom Danske Filminstitut restaurierte<br />
Fassung des Films weist auch ein alternatives<br />
Ende auf, das extra für den russischen Markt gedreht<br />
wurde.<br />
▶ Freitag, 13. April 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel und an<br />
der Violine: Günter A. Buchwald)<br />
TITANIC – IN NACHT UND EIS – Deutschland 1912 –<br />
R+B: Mime Misu – B: Jitsuzo Ikeda – K: Willy Hameister,<br />
Emil Schünemann, Viktor Zimmermann – D: Mime<br />
Misu, Otto Rippert, Ernst Rückert, Waldemar Hecker –<br />
35 min – Keine zwei Wochen nach dem Untergang der<br />
Titanic verkündete die deutsche Continental-Filmgesellschaft<br />
ein »Seedrama« an, das »umfassend die ganze<br />
Der Untergang der Titanic<br />
47
Der Untergang der Titanic<br />
48<br />
Katastrophe, einschl. des Zusammenstoßes mit dem<br />
Eisberge und schwer dramatischer Szenen an Bord«<br />
darstelle. Gefilmt wurde schließlich im Mai 1912 in<br />
Hamburg und Cuxhaven »mit einem wirklichen Schiff<br />
und der gütigen Mitwirkung des ganz wirklichen Meeres«,<br />
während der Untergang auf dem Grüpelsee bei<br />
Berlin mit einem acht Meter langen Schiffsmodell nachgestellt<br />
wurde. – THE SINKING OF THE LUSITANIA<br />
(DER UNTERGANG DER LUSITANIA) – USA 1918 –<br />
R+B: Winsor McCay – 12 min, OF – Die Versenkung<br />
des Passagierschiffs Lusitania am 7. Mai 1915 durch<br />
ein deutsches U-Boot spielte bei der Entscheidung der<br />
Amerikaner, in den Ersten Weltkrieg einzutreten, eine<br />
wichtige Rolle. Da es von dem Ereignis keine Bilder<br />
gab, stellte Winsor McCay einen Zeichentrickfilm her,<br />
der zu Propagandazwecken eingesetzt werden sollte,<br />
aber wegen seiner langwierigen Herstellung erst gegen<br />
Ende des Krieges fertiggestellt war. – DER UNTER-<br />
GANG DER TITANIC – Deutschland 2003 – R+B: Alexander<br />
Kluge, unter Verwendung von Texten von Hans<br />
Magnus Enzensberger – 15 min – Nachträglich erscheint<br />
der Untergang der Titanic »wie eine Chiffre, die<br />
auf die späteren Katastrophen des 20. Jahrhunderts<br />
hinweist. In einem Epos in 33 Gesängen hat Hans Magnus<br />
Enzensberger dazu unvergessliche Metaphern entwickelt.«<br />
(Alexander Kluge) – DAMPFER KAPUTT! –<br />
Deutschland 2012 – R+B: Alexander Kluge – D: Helge<br />
Schneider – 24 min – Premiere eines neuen Films von<br />
Alexander Kluge, inspiriert vom Untergang der Costa<br />
Concordia. Helge Schneider in vier Rollen als Schiffs -<br />
kapitän, Marineschriftsteller, Marinerichter und Höhlentaucher.<br />
▶ Samstag, 14. April 2012, 18.30 Uhr (Am Flügel und an<br />
der Violine: Günter A. Buchwald)<br />
A NIGHT TO REMEMBER (DIE LETZTE NACHT DER<br />
TITANIC) – GB 1958 – R: Roy Ward Baker – B: Eric<br />
Ambler, nach dem Buch von Walter Lord – K: Geoffrey<br />
Unsworth – D: Kenneth More, Ronald Allen, Robert<br />
Ayres, Honor Blackman, Anthony Bushell, John Cairney,<br />
Jill Dixon, James Dyrenforth – 123 min, OF – »Vielen<br />
gilt diese 1958 in den Pinewood Studios gedrehte britische<br />
Version des Titanic-Desasters als die definitive<br />
Ver filmung des Stoffes. Sie basiert auf der bis heute unübertroffenen<br />
dokumentarischen Darstellung von Walter<br />
Lord und ist programmatisch um Authentizität<br />
bemüht. Fast könnte man von ei nem Doku-Drama sprechen,<br />
mit einprägsamen Charakterisierungen vieler<br />
Figuren durch den Drehbuchautor Eric Ambler. Einiges<br />
davon kommt einem bekannt vor, wenn man zuerst den<br />
Film von James Cameron gesehen hat, der viele kleine<br />
Situationen in seinen Film übernommen hat. Dennoch<br />
könnten die Filme verschiedener<br />
nicht sein: Wo Cameron das<br />
große Melodram inszeniert,<br />
zeigt Roy Ward Baker, wie es gewesen<br />
sein könnte. Bewusst in<br />
schwarz-weiß gedreht, um historisches<br />
Filmmaterial integrieren<br />
zu können, unterläuft er jede mythologische<br />
Symbolik des Schiffes<br />
zugunsten eines dramaturgisch<br />
verdichteten Ablaufs einer<br />
Schiffskatastrophe, die die Welt<br />
erschütterte. Die unprätentiöse<br />
Machart, die so manchen emotionalen<br />
Schwulst der anderen<br />
Verfilmungen vermeidet, ist allerdings<br />
in ein Loblied britischer<br />
Tugend und Tapferkeit eingebunden,<br />
wie sie der heimliche Held<br />
von A NIGHT TO REMEMBER verkörpert,<br />
der von Kenneth More<br />
gespielte Zweite Offizier Lightoller.«<br />
(Ernst Schreckenberg)<br />
▶ Sonntag, 15. April 2012, 18.30<br />
Uhr
Architektur | Reflexion | Transparenz<br />
cHlOe<br />
Toronto ist eine Hure, sagt der Filmemacher Atom<br />
Egoyan von seiner Heimatstadt. Sie travestiert sich, gibt<br />
sich hin für Geld. Gibt vor, New York zu sein oder Chicago<br />
oder San Francisco, für amerikanische Produktionen,<br />
die in Toronto eine Menge Produktionskosten sparen<br />
können. In Egoyans Film CHLOE ist die Stadt Toronto<br />
eine Mitspielerin geworden, sie darf zeigen, wie<br />
sie ist, und manchmal ist es, als würden ihre Straßen<br />
und Cafés, ihre Hotels und Treibhäuser, nicht die Menschen,<br />
das Geschehen bestimmen. Im Zentrum der Geschichte<br />
– die von einer Midlife-Crisis handelt, einer<br />
Frau und ihren Abnutzungsängsten – steht ein Haus<br />
aus Glas, an einem baumbestückten Hang, erbaut vom<br />
Architekten Drew Mandel.<br />
Auf den Leib gebaut<br />
Architektur und Prostitution, Architektur und Verführung,<br />
Architektur und Obsession. Das Programm der<br />
12. Architekturfilmtage zeigt, stärker noch als in den vorigen<br />
Jahren, die andere Seite der Architektur, jenseits<br />
von Konzeption und Konstruktion, das Leben, das einzieht<br />
in die Gebäude. Living [In] Houses. Wie Leben eingebaut<br />
ist in den Häusern, wie das Leben der Bauten<br />
ist. Wie im Alltag sich die neuen Perspektiven verifizieren,<br />
ein anderes Sehen erprobt wird. Das Haus Tugendhat<br />
in Brno von Mies van der Rohe und sein Farnsworth<br />
House in Plano, Illinois und das Haus, das Philip Johnson<br />
sich schuf in New Canaan, New York – sie sind den<br />
Menschen auf den Leib gebaut, die darin wohnen, sie<br />
sollen das Leben prägen, das dort geführt wird, aber<br />
sie werden auch ein Abdruck sein davon.<br />
Gebaute Anthropologie – das hat angefangen zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts, als die Psychoanalyse dreigeschossig<br />
ihre Hierarchie von Es und Ich und Über-Ich<br />
entwarf. In dem Fortschritt und Zivilisation und Rationalität<br />
fusionierten und die Strukturen eines Herrschaftssystems<br />
ergaben. Das Neue baut auf dem Alten auf<br />
und versucht es zu dominieren – dass dies nicht unabwendbar<br />
war, wollte Norman Foster demonstrieren, als<br />
er auf das alte Fundament des Hearst Tower in New<br />
York sein neues Konstrukt aus Glas und Stahl setzte.<br />
Der Film von Sabine Pollmeier und Joachim Haupt über<br />
den Tower ist am lebendigsten, wenn er sich in der<br />
Übergangszone tummelt, wo das Alte hinüberwechselt<br />
in das Neue.<br />
Wie die Natur menschlichem Bauen zusetzt, darum<br />
geht es in dem spanischen Film AITA, Verwitterung, Vernachlässigung<br />
und Zerfall; und was, schlimmer noch,<br />
die Geschichte den Bauten antut – Krieg, Okkupation,<br />
Enteignung, Unrecht – erfährt man, wenn Dieter Reifarth<br />
Auszüge aus seinem Film (der noch in Arbeit ist)<br />
zum Haus Tugendhat vorstellt. Er erzählt vom wechselvollen<br />
Schicksal des Hauses in Brno, von stählernen<br />
Korsetts, Glas, Ohnmacht und Zeit. Work in progress,<br />
Architektur als Progress.<br />
Interaktion von Bau und Bewohnern erlebt man in dem<br />
Film von Pierre Maillard über den Bau des Rolex Center,<br />
der neuen Bibliothek der École Polytechnique Fédérale<br />
Architekturfilmtage<br />
49
Architekturfilmtage<br />
pOinTS On A line © Sarah morris<br />
50<br />
de Lausanne, entworfen von Kazuyo Sejima und Ryue<br />
Nishizawa vom japanischen Architekturbüro SANAA.<br />
Am Ende wird, nach der Einweihung des Baus, von den<br />
ersten Tagen der Nutzung erzählt, die verantwortliche<br />
Projektleiterin nimmt Stichproben des Materials, und<br />
neben der Bau- wird auch die Substanz des Lebens<br />
und Arbeitens in der Bibliothek getestet. Wie der<br />
Mensch sich nun hier zurechtfindet, wo er aneckt und<br />
sich verweigert, und ob der Bau seinen Bedürfnissen<br />
konform ist. Aber auch: wie weit das nicht auch umgekehrt<br />
sein kann, wie Bedürfnisse entstehen und sich<br />
verändern können und ob nicht auch eine Differenz<br />
bleiben darf zwischen Bau und Wirklichkeit. Eine Differenz,<br />
die gesellschaftliche Progression ergibt, das utopische<br />
Element der Architektur.<br />
Ein Paffillon<br />
Über einen beispielhaften Bau-Utopisten handelt Michael<br />
Blackwoods Film über Mies van der Rohe. Er<br />
lässt Mies selbst erzählen, von Momenten des Aufbruchs<br />
und den Prinzipien, die darin getestet wurden,<br />
in seinem eigenen erratischen Stil. Wie die Regierung<br />
an ihn herantrat für den deutschen Pavillon auf der<br />
Weltausstellung in Barcelona 1929: »We need a paffillon<br />
… What do you mean by a paffillon? … I dont<br />
know, we have so much money for it, build it. But<br />
please not too much glass!« »No bearing walls. A new<br />
space idea, the floating space.« Kein Glas, sondern<br />
eine neue gebaute Transparenz. Das Wort »paffillon«<br />
schnalzt Mies so knallhart hervor, dass man gleich eine<br />
Vorstellung kriegt von dem irrealen, unbeschreiblichen,<br />
mythischen Ort, den er kreieren wird. Leben im floating<br />
space. Revolution der Architektur. Das neue Bauen ist<br />
fluid, und es zieht sich auf einem Level hin, keine Geschosse,<br />
keine geschlossenen Räume, keine fixierten<br />
Orte, kein Oben und Unten. Statt dessen Übergänge<br />
und Passagen, Durchlässigkeit und Transparenz. Migrantes<br />
Hausen. Innere Landschaften.<br />
Durchgängig offen<br />
Elegant und beschwingt ist das Rolex Center von Sejima<br />
& Nishizawa geworden. Ihr Entwurf, erklärt David<br />
Aymonin, der Direktor, habe am besten realisiert,<br />
worum es hier ging, die Idee von Hybridität und Zirkulation,<br />
einer Fruchtbarkeit zwischen den verschiedenen<br />
Räumen, Bibliothek, Leseabteilung, Kantine … Alles in<br />
einem, nicht durch Wände, nur durch die Distanzen und<br />
die Differenzen im Niveau, durch das Licht und die<br />
Landschaften unterschieden. In einem Raum voller Widersprüche,<br />
der wie eine Welle konzipiert ist, nicht vertikal,<br />
sondern in den Raum hinein, weshalb Wim Wenders,<br />
als er einen Film über das Center machte, IF BUIL-<br />
DINGS COULD TALK, ihn in 3D filmen musste. Mit seiner<br />
Offenheit soll der Bau den Studenten helfen, die<br />
dort arbeiten, sagt David Aymonin, therapeutisch, bei<br />
ihren Problemen, geschiedene Eltern, Schwierigkeiten<br />
bei der Finanzierung des Studiums, Zukunftsängsten.<br />
Orte im Nirgendwo<br />
Wie utopisch Bauen sein kann, wird hier durchgespielt,<br />
wie die Produktionsverhältnisse sind, die diese Bauten<br />
hervorbringen, und welche Produktivkräfte sich darin
entwickeln. Die Dialektik von Aufbau und Niedergang.<br />
Mies’ Bauten in Barcelona und Brno, der Pavillon und<br />
das Haus Tugendhat zeigen den Wandel der Utopien,<br />
sie sind eher in der Zeit zu lokalisieren als im Raum. In<br />
den Spuren ihrer Zerstörung wird die Horizontale der<br />
Geschichte aufgelöst, werden palimpsesthaft Epochen<br />
aufeinander geblendet. »Fascination of Decay« heißt<br />
eins der Bücher in der Bibliothek des Glass House von<br />
Philip Johnson, die Sarah Morris in ihrem Film POINTS<br />
ON A LINE zeigt, der das Johnson-Haus mit Mies’<br />
Farnsworth House konfrontiert. Der Pavillon in Barcelona<br />
wurde nach Ende der Ausstellung abgebaut, verpackt<br />
und nach Deutschland verschickt, aber er kam<br />
dort nie an.<br />
Das Haus als Familiengrab<br />
Es gibt keinen festen Blickpunkt in der Architektur,<br />
immer schon steckt ein Element der Zersetzung darin.<br />
»In der baskischen Mythologie«, sagt der Regisseur<br />
José María de Orbe zu AITA, »ist das Haus ein geheiligtes<br />
Areal, wo die Lebenden und die Toten sich treffen,<br />
zu gleichen Bedingungen. Vor dem Eintreffen des Christentums<br />
wurde das baskische Haus als Familiengrab<br />
benutzt. Die Figuren, die häusliche Verehrung genießen,<br />
sind die Seelen ihrer Vorfahren, erfahren als Lichtblitze,<br />
Windböen oder Schatten.«<br />
AITA zeigt die Geburt der Architektur aus dem Geiste<br />
des Totenkults, und plötzlich wirkt die Architektur dem<br />
Kino ganz eng verwandt und seinem Kult der Schatten<br />
und Phantome. AITA zeigt die Produktivkräfte des Verfalls,<br />
in dem alten Haus auf dem Lande beleben sich<br />
spukhaft die Wände mit alten Bildern, man denkt an<br />
Dreyers VAMPYR und frühe Stummfilme aus der Vergangenheit,<br />
die sich bereits zersetzen, aber diese Zersetzung<br />
generiert schon wieder neue phantastische<br />
Formen.<br />
Im Haus Tugendhat hat es wirklich Kino gegeben, aktives<br />
Kino, Mitspielkino, jeder war involviert, nolens volens,<br />
wie die Tochter Daniela erzählt. Family plots:<br />
»Mein Vater war Amateurfilmer. Im Keller war eine Dunkelkammer,<br />
in der er seine Fotos und Filme entwickelte.<br />
In einem kleinen Raum neben dem Wohnraum stand<br />
die ›Lokomotive‹, der 16mm-Filmprojektor. Eine riesige<br />
Leinwand wurde vor die Glasfront gehängt, und der<br />
Kinosaal war perfekt. Einmal fanden die Gäste den Zugang<br />
zum Wohnraum durch ein Seil versperrt. Mit versteckter<br />
Kamera filmte mein Vater die perplexen Reaktionen<br />
der Besucher, entwickelte im Laufe des Abends<br />
den Film, um ihn den erstaunten Gästen am Ende des<br />
Abends vorzuspielen.«<br />
Als Mies und seine Partnerin Lilly Reich das Haus Tugendhat<br />
ausstatteten, haben sie an L’INHUMAINE von<br />
Marcel L’Herbier mit den Dekors von Fernand Léger<br />
und Robert Mallet-Stevens gedacht und an Man Rays<br />
LES MYSTÈRES DU CHATEAU DU DÉ – in den Zwanzigern<br />
hat das Kino vorgemacht, wie man feste Räume in<br />
Bewegung versetzt und die Oberflächen zum Schwingen<br />
bringt. »Die Flächen des Hauses Tugendhat«,<br />
schreibt Irene Nierhaus, »werden so nicht nur als definierte,<br />
sondern als potenzielle Bildflächen entwickelt …<br />
Die Potenzialität des Erscheinens und Schwindens von<br />
Figuren ist mit dem Lichtbild in Fotografie und Film ein<br />
Architekturfilmtage<br />
51<br />
AiTA
Architekturfilmtage<br />
52<br />
Thema geworden.« Mies und Reich haben jede Wand<br />
in ihrer Materialität exakt gestaltet, jeden Abstand, jede<br />
Oberfläche, all die Lichtreflexe, »um die Raumgeometrie<br />
mit einem Unschärfeeffekt zu überlagern«.<br />
Funktion und Flexibilität<br />
Mies wirkt im Interview ein wenig so wie Hitchcock<br />
oder Fritz Lang, er ballt eine Faust, in der anderen Hand<br />
hält er die lange Zigarre. Es stolpert beim Sprechen,<br />
egal ob amerikanisch oder deutsch, und wie die beiden<br />
Filmemacher markiert er seine Argumentationspunkte,<br />
damit man dann umso heftiger überwältigt ist von der<br />
Kraft des Untergründigen, das zwischen ihnen pulsiert.<br />
Einer der berühmtesten Sätze der Architekturgeschich -<br />
te, von Louis Sullivan, war: »Form follows function«.<br />
Aber heute, sagt Mies, wechseln die Funktionen so<br />
schnell, dass man mit ihnen nicht mehr operieren kann,<br />
man braucht statt dessen eine neue Flexibilität. »Die<br />
Flexibilität ist eigentlich das Wichtige und Charaktervolle<br />
an unseren Bauten, nicht mehr der Ausdruck der<br />
Funktion.«<br />
Als Jean Cocteau in der Sommerzeit regelmäßig in der<br />
Villa seiner Freundin Francine Weisweiller lebte, machten<br />
die weißen Wände, im Licht der Côte d’Azur, ihn verrückt,<br />
also bemalte er sie schließlich in starken bunten<br />
Farben und drehte einen Film darüber, LA VILLA SANTO<br />
SOSPIR, der eine nicht endenwollende Be wegung, eine<br />
einzige Überblendung scheint. »Nicht das Malerische<br />
war es, was mich interessierte«, notierte er in seinem<br />
Tagebuch, »sondern die Proportionen«. »Proportions<br />
was the only thing he ever worried about«, sagt Philip<br />
Johnson listig über Mies.<br />
Wie in der Villa Santo Sospir sind im Haus Tugendhat<br />
die Wände in Bewegung gebracht. Es ist ein Familienhaus,<br />
aber eins, das die Basis der Familie angreift und<br />
die Hierarchie der Gesellschaft, ihre Rituale und Arbeiten,<br />
Sehnsüchte und Pflichten in ein Spiel der Reflexe<br />
überführt – der Glamour einer heiteren, unentfremdeten<br />
Existenz, den die Gesellschaft für verrückt erklären<br />
muss. Ja, gesteht Atom Egoyan, auch sein Film CHLOE<br />
folge irgendwie der Hollywood-Prämisse, dass in den<br />
modernen und postmodernen Häusern psychisch Gestörte<br />
leben.<br />
In einem Glashaus leben, davon kann man sich immer<br />
noch keine wirkliche Vorstellung machen, dabei könnte<br />
es das Natürlichste von der Welt sein. Glashäuser sind<br />
eine amerikanische Erfindung, man kriegt sie nicht zusammen<br />
mit der europäischen Geschichte, all den<br />
Jahrzehnten von Absonderung, Einschließung, Festhalten<br />
an der Identität. Im alten Haus in AITA wird Kindern<br />
ein Fenster gezeigt, das ist ganz schmal und scheint<br />
sich eher abzuschließen als zu öffnen, es ist nicht zum<br />
Schauen gedacht, sondern eine Schießscharte, um<br />
sich zu verteidigen. Befestigtes Haus!<br />
Power Stations<br />
Amerika hat eine Tradition des Angeschautseins, die es<br />
in Europa nie geben wird. Europäisches Leben ist Tableau,<br />
amerikanisches ist Performance. Der Unterschied<br />
von Bühne und Atelier, von Theater und Kino.<br />
Den europäischen Architekten in den Zwanzigern und<br />
Dreißigern war das ziemlich klar, sie waren in ihrem<br />
Bauen immer schon im amerikanischen Exil.<br />
Vielleicht muss man Architekturfilme als Märchenfilme<br />
sehen, sie haben ihr eigenes »Es war einmal …« »Verstehen<br />
Sie mich nicht falsch«, schreibt Wenders zu seinem<br />
Rolex-Center-Film: »Dies ist keine Metapher. Gebäude<br />
sprechen in der Tat zu uns! Sie tragen Botschaften.<br />
Einige streben einen fortwährenden Dialog mit uns<br />
an. Andere hören erst einmal aufmerksam zu. Und Sie<br />
haben vermutlich schon bemerkt: Einige mögen uns<br />
sehr, andere weniger, wieder andere gar nicht.«<br />
Die Glashäuser, die Sarah Morris filmt in POINTS ON A<br />
LINE, haben ihre eigene Energie, sie strahlen aus sich<br />
selbst. Power Stations, wie die gefährlichen glühenden<br />
Urankästen in den Thrillern der Fünfziger.<br />
Wenn man Philip Johnson sieht, in Momenten seiner<br />
selbstgefälligen, selbstinszenierten Versonnenheit,<br />
dann hat er etwas von einem Rumpelstilzchen, aber<br />
auch von einem Schneewittchen, einem subversiven.<br />
Und sein Haus wäre wie ein gläserner Sarg, in den er<br />
sich zur Erlösung von der Gesellschaft zurückzieht.<br />
CHLOE ist ein vertrackter moderner Schneewittchenfilm,<br />
mit Julianne Moore als böser Schwiegermutter,<br />
die sich in das Schneewittchen Amanda Seyfried verguckt.<br />
Zur einen Frau gehören die Fenster und das<br />
Glas, zur anderen die Spiegel, und das dritte Glass<br />
House, von Drew Mandel, macht die Verunsicherung<br />
vollkommen, was nun durchsichtiger ist, die Gläser<br />
oder die Spiegel. CHLOE ist ein Film über eine Frau, die<br />
Angst hat, frigide geworden zu sein, ihren Mann zu verlieren<br />
und ihren Sohn, unattraktiv zu sein, keinen Kontakt<br />
mehr aufrechterhalten zu können, allein bleiben zu<br />
müssen, keine Liebe mehr zu kriegen, keinen Sex.<br />
Glassarg, Glashaus, Horrorhaus. Häuser, die sich emanzipieren,<br />
zum Gegenspieler werden, das ist ein kleines<br />
Subgenre in Hollywood. Das Haus, in dem Julianne<br />
Moore wohnt und das für schönste Offenheit gebaut<br />
scheint, beginnt sich plötzlich zu verschließen. Man ist<br />
nicht mehr bei sich. Fremde tauchen in den Gängen<br />
auf, wie in AITA.<br />
Aus den antiken Mythen sind die Figuren, wie oft bei
Cocteau, in der Villa Santo Sospir geholt. »Picasso hat<br />
die Türen in der Villa auf- und zugemacht, ich musste<br />
sie nur noch bemalen«, heißt es im Kommentar. Schon<br />
sieht man die Türen in Bewegung, auf und zu, Figuren<br />
und Gesichter, die geheimnisvoll sich zu- und wieder<br />
wegwenden. Es ist einer der Momente, wo Gebautes<br />
und Projiziertes, Materielles und Imaginäres, Architektur<br />
und Kino sich aufs Phantastischste verbunden<br />
haben.<br />
Am Ende von POINTS ON A LINE gibt es eine lichte<br />
Küche, in Ocker und Weiß, und dann geht die Kamera<br />
in ein paar Einstellungen allmählich nach draußen, und<br />
da ist das Ocker/Weiß gleich wieder, ein Schmetterling<br />
am Fenster, vor einem weißen Vorhang. Danach sieht<br />
man eine ganze Menge Schmetterlinge flattern vor grünen<br />
Bäumen, es sieht aus wie eine Animationssequenz,<br />
und der Film ist aus.<br />
Fritz Göttler<br />
Ein Programm der Bayerischen Architektenkammer in Zusammenarbeit<br />
mit dem Filmmuseum München.<br />
MIES – USA 1985 – R+B: Michael Blackwood – K:<br />
Mead Hunt – 58 min, OF – Eine kurze Geschichte des<br />
Schaffens von Mies van der Rohe: Interviews mit Mies,<br />
Kommentare von Kollegen (Peter Eisenman, Robert<br />
Venturi, Philip Johnson, John Hejduk u. a.), ehemaligen<br />
Studenten und Architekturhistorikern. – HEARST<br />
TOWER, NEW YORK / TORRE AGBAR, BARCELONA –<br />
Deutschland 2008 – R+B: Sabine Pollmeier, Joachim<br />
Haupt – K: Björn Kurt, Sorin Dragoi, Jean-Marc Selva –<br />
52 min – In New York: das Medienzentrum des Zeitungsmagnaten<br />
William Randolph Hearst. Von den zu<br />
fiebrigen Zeiten phantasierten Tagträumen ist als Andenken<br />
die Sandsteinfassade zurückgeblieben, aus der<br />
heraus Sir Norman Foster 46 Stockwerke aus Glas und<br />
Stahl aufsteigen lässt – ein Prototyp für den »ökologischen«<br />
Hochhausbau der Zukunft. In Barcelona: der<br />
erste Wolkenkratzer von Jean Nouvel. Ein erstaunlicher,<br />
phallischer Geysir, ein Traum aus Glas, Beton und Stahl,<br />
in Rot und Blau – kinematographisch konzipiert.<br />
▶ Freitag, 20. April 2012, 18.30 Uhr<br />
LES MYSTERES DU CHATEAU DU DE (DIE GEHEIM-<br />
NISSE DES WÜRFELSCHLOSSES) – Frankreich 1928<br />
– R+B: Man Ray – K: Jacques-André Boiffard, Man Ray<br />
– 20 min, OmU – Spielerisch-surrealistisches Portrait<br />
der Villa Noailles in Hyères (erbaut 1923/32 von Robert<br />
Mallet-Stevens) und ihrer Bewohner. – HAUS TUGEND-<br />
HAT – Deutschland 2012 – R+B: Dieter Reifarth – K:<br />
Rainer Komers u.a. – 60 min (Auszug) – Das Haus Tugendhat<br />
(1928/30) von Mies van der Rohe gehört zu<br />
den wichtigsten Bauten der europäischen Moderne.<br />
»Der Film erzählt die facettenreiche Geschichte des<br />
Hauses als Architektur-, Sozial- und Familienchronik,<br />
erinnert an zahlreiche Kontroversen und Verwerfungen,<br />
von der Frage ›Kann man im Haus Tugendhat wohnen?‹<br />
bis zum Abschluss der Restaurierung 2012. Die Kamera<br />
visualisiert das Prinzip der ›fließenden Räume‹,<br />
das Zusammenspiel zwischen Innen und Außen, von<br />
Musikalität und Rhythmus der Architektur in ihrem ästhetischen<br />
und sozialen Anspruch.« (Dieter Reifarth)<br />
▶ Freitag, 20. April 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Dieter Reifarth.<br />
Einführung: Jörg Dünne)<br />
CHLOE – USA 2009 – R: Atom Egoyan – B: Erin Cressida<br />
Wilson – K: Paul Sarossy – M: Mychael Danna – D:<br />
Julianne Moore, Liam Neeson, Amanda Seyfried, Max<br />
Thieriot – 96 min, OmU – Eine eifersüchtige Ehefrau<br />
engagiert ein Callgirl, um die Treue ihres Ehemanns zu<br />
testen, verfällt dann aber selbst den Reizen der Kindfrau.<br />
Atom Egoyan spielt mit seinen Lieblingsthemen:<br />
Identitätsbildung, mediale Vexierspiele, die Wahrheit<br />
von Erzählungen. »Wir waren besessen von der Idee<br />
von Glas, Spiegeln und Reflexionen. Wir wollten Filter<br />
und Barrieren, Fenster und Spiegel haben. Die Menschen<br />
schauen hindurch, heraus oder herein: das beschützt<br />
und distanziert sie gleichermaßen, und diese<br />
Empfindung der schützenden Distanz ist erotisch aufgeladen.«<br />
(Atom Egoyan)<br />
▶ Samstag, 21. April 2012, 18.30 Uhr<br />
POINTS ON A LINE – USA 2010 – R+B: Sarah Morris –<br />
K: David Daniel, Lukasz Pruchnik – M: Liam Gillick –<br />
36 min – Portraits der zwei ikonischen Glashäuser der<br />
Architekturgeschichte – das Glass House (1947/49)<br />
von Philip Johnson und das Farnsworth House<br />
(1945/51) von Mies van der Rohe. Beide waren das Ergebnis<br />
geteilter Ideen und kollektiver Leidenschaft. Sie<br />
verkomplizieren die Begriffe von Kopie und Original und<br />
von den Chronologien der Moderne. Durch die Doku-<br />
Haus Tugendhat (1931) © Rudolf de Sandalo<br />
Architekturfilmtage<br />
53
Architekturfilmtage<br />
54<br />
mentation der täglichen Instandhaltung,<br />
durch Verweilen<br />
an den Strukturen im<br />
Raum sehen wir Orte, die<br />
über ihre ursprüngliche Nutzung<br />
hinausgewachsen und<br />
zu Schnittstellen eines Dialogs<br />
geworden sind, der gleichermaßen<br />
persönlich und<br />
professionell war. Morris hat<br />
noch andere Gebäude von<br />
Mies gefilmt: das Seagram<br />
Building in New York mit dem<br />
Restaurant The Four Seasons<br />
und den Lake Shore Drive in<br />
Chicago. The Four Seasons,<br />
das Johnson als persönliches<br />
Büro nutzte, ist der Schnittpunkt<br />
für beide Architekten. –<br />
PHILIP JOHNSON – DIARY OF AN ECCENTRIC AR-<br />
CHITECT – USA 1996 – R+B: Barbara Wolf – K: Gordy<br />
Waterman – M: Hayes Greenfield – 54 min, OF – Philip<br />
Johnson führt uns über sein Anwesen in New Canaan –<br />
ein Spielplatz, ein Labor der experimentellen Architektur.<br />
Lauter Follies hat er hier gebaut – das Glass House<br />
ist am berühmtesten, aber die anderen Bauten sind<br />
nicht weniger erstaunlich, extrem und schön.<br />
▶ Samstag, 21. April 2012, 21.00 Uhr<br />
LA VILLA SANTO SOSPIR – Frankreich 1952 – R+B:<br />
Jean Cocteau – K: W. Iwanow – M: Johann Sebastian<br />
Bach, Antonio Vivaldi – 33 min, OmeU – »Das Schweigen<br />
der Wände der Villa war furchtbar und sie schrien<br />
gar ihr Schweigen aus vollem Halse heraus. Ich begann,<br />
mit Kohle auf den weißen Flächen zu zeichnen.<br />
Es ging nicht darum, die Wände zu verkleiden, ich<br />
musste auf ihrer Haut zeichnen, deshalb behandelte<br />
ich die Fresken linear mit den wenigen Farben, die Tätowierungen<br />
hervorheben. Santo Sospir ist eine tätowierte<br />
Villa.« (Jean Cocteau). – AITA (VATER) – Spanien<br />
2010 – R+B: José María de Orbe – K: Jimmy Gimferrer<br />
– D: Luis Pescador, Mikel Goenaga – 85 min,<br />
OmeU – Ein Film zwischen Dokument und Fiktion: Ein<br />
altes, leeres Haus im Baskenland. Der Hausmeister.<br />
Der Priester des Ortes. Räume, Klänge, Lichter und<br />
Schatten. Die Zeit vergeht, und die Erinnerungen werden<br />
auf den Wänden und in den verstecktesten Ecken<br />
sichtbar. Eine gleichermaßen intime wie kollektive Geschichte<br />
enthüllt sich. Das Kino tritt als ein zusätzliches<br />
Phantom in die Fiktion des Films ein.<br />
▶ Sonntag, 22. April 2012, 18.30 Uhr<br />
IF BUILDINGS COULD TALK – Deutschland 2010 –<br />
R+B: Wim Wenders – K: Jörg Widmer – Stereographie:<br />
Alain Derobe – M: Thom Hanreich – 12 min, OF, 3D –<br />
»Ein Film über dieses phantastische Haus schien mir<br />
unmöglich ohne die Konzentration auf die Dimension<br />
des Raumes. Wenn irgendein Gebäude den Raum erkundet,<br />
dann ist es das Rolex Center. Und so musste<br />
ich es in 3D filmen. Wir bewegen uns durch das Gebäude,<br />
auf und ab, drunter und drüber. Als ich den Film<br />
in 2D schnitt, merkte ich, dass da wirklich etwas Essentielles<br />
fehlte. In 2D ist es schwierig, den Raum zu füh -<br />
len und zu begreifen, dass das Haus Wellen, Hügel und<br />
Abhänge hat.« (Wim Wenders) – LE PAYSAGE INTE-<br />
RIEUR (DIE INNERE LANDSCHAFT) – Schweiz 2010 –<br />
R+B: Pierre Maillard – K: Philippe Cordey, Séverine<br />
Barde – M: Michel Wintsch – 80 min, OmU – Der Film<br />
folgt Schritt für Schritt dem Abenteuer des Baues des<br />
Rolex Centers, der »futuristischen Bibliothek« in Lausanne.<br />
Das Gebäude in Form einer gigantischen Welle<br />
entsprang den Visionen der Architekten Sejima & Nishizawa.<br />
Für die komplexe Realisierung waren dann zahlreiche<br />
Architekten, Ingenieure und Bauarbeiter gefordert<br />
– nicht zu vergessen die Professoren, Forscher,<br />
Bibliothekare und Studenten: alle diejenigen, die zunächst<br />
Mühe hatten sich vorzustellen, in einem offenen<br />
Raum, einer »inneren Landschaft« zu arbeiten. Ein »demokratischer«<br />
Architekturfilm – alle ha ben ihren Platz<br />
in der Langzeitbeobachtung. Und auch in 2D findet der<br />
Film phantastische Bilder und macht den Raum fühlbar.<br />
▶ Sonntag, 22. April 2012, 21.00 Uhr<br />
Foto: Skizze von Wim Wenders zu iF bUilDingS cOUlD TAlK
Rückblickend auf den Neorealismus<br />
Durch Retrospektiven wie diese kommt noch ein zweites,<br />
neues Element von Schönheit in die Filme hinein,<br />
da durch den Rückblick auf sie jene große Dimension<br />
der Zeit fühlbar wird, in der das Leben sich realisiert.<br />
Bis auf den heutigen Tag werden wir – zuletzt in Aki<br />
Kaurismäkis LE HAVRE, einem Film, der eng mit MIRA-<br />
COLO A MILANO (1951) verwandt ist – der italienischen<br />
Schule gewahr, und beim Wiedersehen von<br />
ROMA, CITTA APERTA (1945) fielen mir Dinge auf, die<br />
in engem Kontakt zu den Filmen von Straub/Huillet stehen.<br />
Auch bei Jürgen Böttcher machen wir die bereichernde<br />
Erfahrung, wie eine hinter der Aktualität liegende<br />
Zeitentiefe beständig mit leiser Geisterstimme in<br />
seine Filme hineinspricht.<br />
Sie sind geprägt von dem tiefen Eindruck, den Filme<br />
Viscontis, De Sicas auf ihn in frühen Jahren gemacht<br />
haben, vom Zauber und der Wahrhaftigkeit des Alltags<br />
und der kleinen Leute im Neorealismus. De Sicas<br />
LADRI DI BICICLETTE (1948), ein Film, in dem die Zeit<br />
ruhig dahinfließt, die leeren Augenblicke bei Antonioni:<br />
diese Bereitschaft, den Zufälligkeiten des Lebens sich<br />
zu öffnen, anstatt sie durch die Dichte eines Sinnzusammenhangs<br />
auszutreiben, macht auch die Tiefe<br />
eines Films wie Böttchers JAHRGANG 45 (1966) aus.<br />
Das ist der Impuls, aus dem sich der Begriff des modernen<br />
Films eigentlich gebildet hat.<br />
Für André Bazin ist es das Verdienst der italienischen<br />
Schule, noch einmal daran erinnert zu haben, dass es<br />
keinen Realismus in der Kunst geben kann, der nicht<br />
zuallererst und zutiefst ästhetisch ist. Richtet man einmal<br />
die Aufmerksamkeit statt auf die Gegenstände dieser<br />
Filme auf die Art und Weise, wie die äußere Welt<br />
wiedergegeben wird, so sublimiert sich sogleich ihr<br />
stoffliches Moment in etwas rein Malerisches, Augenblickliches,<br />
wobei das Bild der Welt sich subjektiviert.<br />
*<br />
In die Ränder einer sonnig sich erstreckenden städtischen<br />
Straße schneiden die Schatten der Häuserwände.<br />
Nachts sind die Straßen in ein feines, gleich -<br />
mäßiges Grau getaucht, in dem Lichter vereinzelt<br />
schwimmen. Ein alter Mann, Umberto D., geht unentschlossen<br />
mit seinem kleinen Hund an einem sonnigen<br />
Nachmittag durch den Blätterschatten einer belebten<br />
vorstädtischen Promenade. Er steht vor einer schweren<br />
55<br />
lADRi Di bicicleTTe<br />
Italienischer Neorealismus
Italienischer Neorealismus<br />
56<br />
Entscheidung, es geht für ihn um Tod oder Leben. Hinter<br />
der Tiefe eines Zimmers, in dem eine Szene spielt,<br />
steht noch weitere Tiefe des Raums: ein Flur, an dessen<br />
hinterstem Ende ein Mann aus einem anderen Zimmer<br />
kommt.<br />
Damals hatten der Schwarzweißfilm, die Tiefenschärfe<br />
ihre Vollkommenheit erreicht. Bei den Außenaufnahmen<br />
spürt man, wie das Sonnenlicht die Luft bald mild<br />
und milchig erfüllt oder, dann und wann durchbrechend,<br />
durch eine Straße strömt, deren Gebäude hart,<br />
konturiert dastehen. Ein Geöffnetsein allen Umkreises<br />
ist in der gewaltigen Stille dieser Aufnahmen, sie bilden<br />
einen offenen Raum der Erwartung. Die Vorstadtlandschaften,<br />
Flüsse mit Eisenbahnbrücken, die Straßenbahnendstation<br />
hauchen jene Art von Romantik, die gerade<br />
von den Gegenden, in denen die Störung der<br />
Natur am sichtbarsten ist, ausgeht.<br />
Eine zarte Empfindlichkeit für das Leiden von Mensch<br />
und Tier macht sich geltend. Darstellung dieses Leidens,<br />
aber auch des moralischen Widerstands dagegen.<br />
Seine eigene schlimme Lage scheint Umberto D.<br />
weniger zu beängstigen als die Frage, was aus seinem<br />
Hündchen wird, wenn er nicht mehr für es da ist. Wenn<br />
er sich überwindet und die Hand zum Betteln ausstreckt,<br />
ist sein Gesicht klagend, aber nicht fordernd,<br />
seine Augen sind nach der höheren Hilfe gewandt. Gerade<br />
deshalb steckt ein Passant seinen Geldschein,<br />
den er zu geben bereit war, wieder in die eigene Tasche.<br />
Wie in einem Punkt ist der Streit zwischen<br />
Schmerz und Widerstand in der Gestalt dieses störrischen,<br />
aufbegehrenden Greises vereinigt.<br />
*<br />
1948 konstatierte André Bazin, ein Chronist der ersten<br />
Stunde des Neorealismus, dass es falsch sei anzunehmen,<br />
diese Bewegung wäre einem Bienenschwarm<br />
gleich aus den verfaulten Kadavern des Faschismus<br />
und des Krieges spontan aufgestiegen. Er wies dann<br />
auf die Vorläufer hin, die schon unter Mussolini das<br />
Feld vorbereiteten. Zu ihnen gehörte Alessandro Blasetti.<br />
Wir haben das Glück, dass Gunter Groll dessen<br />
QUATTRO PASSI FRA LE NUVOLE (1942) besprochen<br />
hat, in der SZ, und dass die Besprechung nachgedruckt<br />
wurde in seinem Sammelband »Magie des Films«,<br />
1953. Sehr schön leitet Groll aus diesem Film heraus<br />
den Weg der italienischen Filmkunst hin zu einem poetischen<br />
Realismus ab.<br />
Das Drehbuch stammte von Cesare Zavattini, der zu<br />
einer zentralen Figur des Neorealismus werden sollte<br />
und vor allem mit De Sica eng zusammenarbeiten wird.<br />
Wie in MIRACOLO A MILANO, der nach einem Roman<br />
von ihm entstand, sieht er die Wirklichkeit in den QUAT-<br />
TRO PASSI mit einem lachenden und einem weinenden<br />
Auge, die Wirklichkeit eines kleinen Handelsreisenden,<br />
mit den Nächten in Wartesälen, den Stunden in überfüllten<br />
Zügen und Omnibussen, den Querelen zu Hause.<br />
SCIUSCIA (1946) ist dagegen von zornigem Grundton,<br />
die Verstrickungen zweier Schuhputzerjungen erreichen<br />
kein Ende. Dabei hat De Sica jedoch das Imaginäre,<br />
wie in der berühmten Todesszene am Ende, mit<br />
den subtilsten Fingerspitzen bewahrt, jede Identifikation<br />
der Vorgänge mit alltäglichen verhindert. Aus der<br />
ländlichen Szenerie dieses Finales ist aller gewohnte<br />
Ausdruck und Charakter gewichen, sie wird ganz und<br />
gar zu einem seelischen Innenraum. Wie auch die<br />
große Halle im Jugendknast, mit der zierlich gewundenen<br />
Treppe im Hintergrund, einem Geisterraum gleicht,<br />
der eine objektive Gegebenheit (es wurde in einem Gefängnis<br />
in Rom gedreht) in eine subjektive auflöst.<br />
*<br />
Auf ihrem höchsten Gipfel lag die Poesie des Neorealismus<br />
ganz im Äußerlichen. Viele der Regisseure begannen<br />
mit Dokumentarfilmen, so Antonioni, der 1943-47<br />
GENTE DEL PO drehte, über die zum Teil in elenden<br />
Stroh- und Schlammhütten hausenden Po-Anwohner.<br />
In seinem Spielfilm IL GRIDO (1957) treffen wir diese<br />
Gegenden wieder an. Düster glänzen die abgezehrten<br />
Pappeln, die sich auf den schlammigen Flussufern<br />
gegen einen neblig zerfließenden Hintergrund abzeichnen.<br />
Nichts als Regen und Nebel. Die Stimmungen dieses<br />
Films, mit ihrem fahlen Gefühl von Resignation, fühlen<br />
sich an, als ob man von innen berührt würde.<br />
Nur einmal scheint kurz die Sonne, auch für Aldo, den<br />
aus seiner Bahn geworfenen Helden des Films. Das ist<br />
in der Tankstellen-Episode, deren weißes Licht mit den<br />
harten Schatten mich an amerikanische Gangsterfilme<br />
erinnerte, zumal Steve Cochran, der die Hauptrolle<br />
spielt, mir von daher, aus den Vorstadt- und Bahnhofskinos,<br />
vertraut war. Doch dann verliert sich sein Leben<br />
in der Schwärze der Nacht. In der tiefen und klaren<br />
Reinheit der Schwarzweißbilder dieses Films drückt<br />
sich die Einsamkeit Aldos aus, und aus diesem dunklen<br />
emotionalen Grunde speist sich der Antonioni-Touch.<br />
Dazu kommt, dass auch die Musik zu IL GRIDO in einer<br />
avancierten Sphäre angesiedelt ist: punktuell eingesetzte<br />
kleinste Klavierstücke, nichts sonst, von paradoxer<br />
Statik, das Verschwinden und die Vergänglichkeit<br />
akzentuierend, um die es in diesem Film geht.<br />
Bis heute zeigt sich an einem Film wie IL GRIDO, dass<br />
Eigentümlichkeit des Ausdrucks Anfang und Ende aller<br />
Kunst ist. Als der Film 1960 in unsere Kinos kam, war<br />
Fellini mit einem Schlag out. Jeder der etwas auf sich<br />
hielt, sprach nur noch von Antonioni.
vittorio De Sica, Roberto Rossellini und Federico Fellini<br />
*<br />
I VITELLONI (Federico Fellini, 1953) – von »vitello«, das<br />
Kalb – ist ein Wort, das erst durch diesen Film allgemein<br />
bekannt wurde. Es bezeichnet jene Gammler um<br />
die dreißig herum, die ihren Eltern oder Geschwistern<br />
auf der Tasche liegen und ihr Leben in Lokalen, mit<br />
Bummeln und auf Festen verbringen. Sie sind große<br />
Kinder: Erwachsen, was ihre Begierden und Ansprüche<br />
betrifft, haben sie sich das Wunschdenken der Kindheit<br />
bewahrt. Für sie ist das Leben ein Traum, in dem alles<br />
von den privaten Intentionen des Individuums bestimmt<br />
wird. Sobald sie sich dem wirklichen Leben stellen<br />
müssen, erleiden sie ein grausames Erwachen (nach<br />
Theodor Kotulla, Filmkritik 12/1960).<br />
Der Film zeichnet Stimmungen und kleine Begebenheiten<br />
des Rimini anno ’38 auf, aber nicht in historisierender<br />
Art, sondern so, als ob die Handlung 1953 spielte.<br />
Fellini selbst hätte in seiner Jugend gern zur Gruppe<br />
der Vitelloni gehört, diesen jungen Männern mit<br />
Schnurrbart und gepflegtem Haarschnitt, die acht oder<br />
zehn Jahre älter als er waren und weite Mäntel, Hüte<br />
und breite Schals trugen. Aber sie hätten es halbwüchsigen<br />
Gymnasiasten, wie Fellini damals einer war, niemals<br />
gestattet, sich ihnen anzuschließen.<br />
I VITELLONI: Der Spaziergang am Strand. Vom Landungssteg<br />
aus blicken die Müßiggänger auf das winterliche<br />
Meer: eine in Traurigkeit gehüllte Welt, stillstehende<br />
Zeit. Zwischen dem Besäufnis und der Liebelei,<br />
zwischen dem Flirt und der Wette beim Pferderennen<br />
werden diese großen Kinder älter, ohne erwachsen zu<br />
werden. Ihre Geschichte in diesem Film erstreckt sich<br />
vom Ende der einen Badesaison bis zum Beginn der folgenden.<br />
»Die Abende wurden jetzt milder«, sagt die Erzählerstimme,<br />
»man spürte schon den Frühling«.<br />
*<br />
Im gleichen Jahr wie I VITELLONI, 1953, entstand der<br />
Episodenfilm L’AMORE IN CITTA, der einige Stücke und<br />
Momente enthält, die von höchster, sublimster Schönheit<br />
sind. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in<br />
Rom und Umgebung, deren Fluidum das Lebenselement<br />
aller Beiträge ist. (Der Film erschien als Nummer<br />
Eins einer »Lo Spettatore« genannten »gefilmten Zeitschrift«,<br />
die von Zavattini ins Leben gerufen wurde.)<br />
Carlo Lizzanis »Liebe, die sich verkauft« macht den Anfang:<br />
das nächtliche Rom mit den abrupt tief erscheinenden<br />
dunklen Räumen abseits des aufgleißenden<br />
Betriebs der Straßen mit ihren flammenden Leuchtreklamen.<br />
Es folgt Antonioni, in dessen Reportage (»Selbstmordversuch«)<br />
Frauen befragt werden, die sich das Leben<br />
nehmen wollten und gerettet wurden. An den Stellen<br />
des Films, wo die Frauen am Ort ihrer Verzweiflungstat<br />
den genauen Vorgang rekonstruieren, fühlt man den<br />
Puls des Neorealismus: sie teilen etwas mit und führen<br />
etwas vor; sie zeigen etwas, auch das Zeigen. – Fellinis<br />
»Heiratsvermittlung« erzählt dagegen eine wunderliche<br />
Geschichte, wobei dieser anmutig durchtriebene Regisseur<br />
die Heiterkeit der Kunst in ihrem Wesen als Spiel<br />
zu erkennen gibt, nicht in dem, was sein Film an Geistigem<br />
ausspricht. Darin ist er sehr ernst.<br />
»Paradies für drei Stunden« führt uns in ein populäres<br />
Vorstadtlokal, wo die Leute hinkommen, um zu tanzen.<br />
Nur zwei sitzen am Rand und wechseln schüchterne<br />
Blicke. Wir entzücken uns am Gewühl der Tanzenden,<br />
an ihren Verrenkungen, den jungen Umarmungen, an<br />
der Musik von damals; an einem Schönling, wenn er<br />
seinen Auftritt im Paradies inszeniert, das Dino Risi mit<br />
Liebe, heiter-versöhnlichem Witz und ein bisschen Melancholie<br />
betrachtet.<br />
Alberto Lattuadas »Die Italiener drehen sich um«<br />
schließlich ist eine Liebeserklärung, nicht nur an die<br />
Schönen des Tages auf den Straßen und Plätzen Roms,<br />
sondern auch an die Ewige Stadt.<br />
*<br />
Die Fähigkeit Zavattinis, auf geradezu ethnographische<br />
Weise damalige gesellschaftliche Zustände zu registrieren,<br />
ist sehr gut an seiner mit Francesco Maselli zusammen<br />
realisierten Episode »Geschichte der Caterina«<br />
zu studieren. Man weiß, dass er diese halbe<br />
Stunde Film für die fortgeschrittenste Äußerung des<br />
Neorealismus überhaupt hielt. Die Sequenz, in der<br />
Italienischer Neorealismus<br />
57
Italienischer Neorealismus<br />
58<br />
diese Caterina, von ihr selbst gespielt, an einem schönen<br />
Sommertag mit ihrem kleinen Jungen zu dem öffentlichen<br />
Park geht, wo sie das Kind aussetzen wird,<br />
umfaßt die ganze tragische Weite ihres von Kälte und<br />
Demütigung heimgesuchten Daseins.<br />
Ich denke zurück an andere Zavattini-Filme: an UM-<br />
BERTO D., SCIUSCIA, LADRI DI BICICLETTE, MIRACOLO<br />
A MILANO, bei denen De Sica Regie führte. Beide hatten<br />
sie etwas, Zavattini und er, das sie weit aus ihrer<br />
Zeit herausstellte. In unvergleichlicher Weise, ohne auf<br />
die Tränendrüse zu drücken, pochten sie an unser Gefühl.<br />
Noch in Ermanno Olmis IL POSTO (1961) fühle ich<br />
mich auf ähnliche Weise angesprochen, wenn die<br />
Handlung verlangsamt wird, wenn die Blicke des 15jährigen<br />
Laiendarstellers das Entscheidende sagen und<br />
eine Stille eintritt, die spürbar macht, wie die Zeit verrinnt.<br />
Der Neorealismus – Teil einer sozialen Bewegung, die<br />
noch keine politisch-ideologische Verfestigung aufwies<br />
– war ein Anfang. Er hatte den großen Atem. Das Leben<br />
selbst begann wieder, sich auf die Leinwände zu ergießen,<br />
das Leben einer Straße, eines Hauses. In ROMA,<br />
CITTA APERTA wirkt die Stimmung eines Tages, einer<br />
Umgebung unmittelbar auf die Zuschauer. Obwohl der<br />
Film eine Geschichte erzählt, steht jede Einstellung<br />
auch für sich. Alles ist so hart, bestimmt und abgesetzt<br />
wie möglich. Das, was man sieht und hört, und dessen<br />
Bedeutung für die Handlung ist nicht verschmolzen,<br />
sondern klafft auseinander, und aus dem Abgrund dazwischen<br />
blendet der grelle Strahl der Faszination.<br />
Peter Nau<br />
4 PASSI FRA LE NUVOLE (LÜGE EINER SOMMER-<br />
NACHT) – Italien 1942 – R: Alessandro Blasetti – B:<br />
Giuseppe Amato, Aldo De Benedetti, Cesare Zavattini,<br />
Piero Tellini – K: Václav Vich – M: Alessandro Cigognini<br />
– D: Adriana Benetti, Gino Cervi, Aldo Silvani, Giacinto<br />
Molteni, Carlo Romano – 95 min, OmeU – In realistischer<br />
Manier erzählt Blasetti eine recht gewöhnliche,<br />
jedoch anrührende Geschichte aus der Gegenwart, in<br />
deren Mittelpunkt Paolo steht, ein verheirateter, unauffälliger<br />
Handlungsreisender, der durch seine Hilfsbereitschaft<br />
gegenüber einem verlassenen Mädchen in ein<br />
moralisches Dilemma gerät. Da sie ein Kind erwartet<br />
und sich nicht mehr nach Hause traut, stellt er sich vorübergehend<br />
als Ehemann zur Verfügung. Paolos Umfeld<br />
und sein gleichförmiger Alltag werden präzise geschildert.<br />
Der Film folgt zunächst noch konventionellen<br />
Erzählstrukturen, nähert sich dann in der zweiten Hälfte<br />
dem Tonfall des Neorealismus an.<br />
▶ Freitag, 27. April 2012, 18.30 Uhr<br />
I BAMBINI CI GUARDANO (DIE KINDER SEHEN UNS<br />
AN) – Italien 1944 – R: Vittorio De Sica – B: Vittorio De<br />
Sica, Cesare Zavattini, Cesare Giulio Viola, nach seinem<br />
Roman – K: Giuseppe Caracciolo, Romolo Garonni – M:<br />
Renzo Rossellini – D: Emilio Cigoli, Luciano De Ambrosis,<br />
Isa Pola, Adriano Rimoldi, Giovanna Cigoli – 84 min,<br />
OmeU – »DIE KINDER SEHEN UNS AN gehörte zu jenen<br />
Filmen, die, noch vor 1945 produziert, den Neorealismus<br />
der Nachkriegszeit vorwegnahmen und einen<br />
neuen Ton in das damals vorherrschende Evasionskino<br />
der »Weißen Telephone« und des Kalligraphismus<br />
brachten: die mit emotionaler Anteilnahme erzählte Geschichte<br />
eines kleinen Jungen, der das Opfer einer<br />
scheiternden Ehe wird und den seine Eltern schließlich<br />
in ein alptraumhaft wirkendes Waisenhaus abschieben.«<br />
(Ulrich Gregor). Regisseur De Sica ist in der Rolle<br />
eines Arztes auch als Schauspieler zu sehen.<br />
▶ Samstag, 28. April 2012, 18.30 Uhr<br />
ROMA, CITTA APERTA (ROM, OFFENE STADT) – Italien<br />
1945 – R: Roberto Rossellini – B: Federico Fellini,<br />
Sergio Amidei, nach seiner Erzählung – K: Ubaldo Arata<br />
– M: Renzo Rossellini – D: Anna Magnani, Aldo Fabrizi,<br />
Marcello Pagliero, Maria Michi, Francesco Grandjacquet<br />
– 100 min, OmeU – ROM, OFFENE STADT<br />
schildert die Aktivitäten, die Verfolgung und das grausame<br />
Ende einer italienischen Widerstandsgruppe zur<br />
Zeit der deutschen Besatzung Roms (1944). Im Mittelpunkt<br />
stehen die Schicksale eines in einer illegalen Druckerei<br />
beschäftigten Arbeiters und eines Priesters, der<br />
ihm und anderen Verfolgten Schutz gewährt. Rossellinis<br />
Inszenierung wirkt dokumentarisch und fast frei von<br />
dramaturgischer Gestaltung. ROM, OFFENE STADT<br />
wurde zu einem Zeugnis der Zeitgeschichte und einem<br />
Meilenstein der Filmgeschichte, der den italienischen<br />
Neorealismus weltweit berühmt machte.<br />
▶ Mittwoch, 2. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
11. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
SCIUSCIA (SCHUHPUTZER) – Italien 1946 – R: Vittorio<br />
De Sica – B: Sergio Amidei, Adolfo Franci, Cesare Zavattini,<br />
Cesare Giulio Viola – K: Anchise Brizzi, Elio Paccara<br />
– M: Alessandro Cicognini – D: Franco Interlenghi,<br />
Rinaldo Smordoni, Emilio Cigoli, Aniello Mele, Anna Pedoni<br />
– 93 min, OmeU – Zwei Schuhputzerjungen versuchen,<br />
sich mit kleinen Gaunereien und Geschäften<br />
auf dem Schwarzmarkt über Wasser zu halten und ihre<br />
Träume zu verwirklichen. »Ein Schlüsselwerk des italienischen<br />
Neorealismus, das seine zornige Anklage<br />
gegen Eifersucht und Brutalität der Erwachsenenwelt<br />
mit einem Plädoyer für Menschlichkeit und Hoffnung
verbindet. Außergewöhnlich dicht in der Beschreibung<br />
von Milieu, Charakteren und Nachkriegsatmosphäre<br />
und wegen seiner realistischen Zeichnung in der humanen<br />
Haltung ergreifend.« (Lexikon des Internationalen<br />
Films)<br />
▶ Samstag, 12. Mai 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />
16. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />
LADRI DI BICICLETTE (FAHRRADDIEBE) – Italien<br />
1948 – R: Vittorio De Sica – B: Cesare Zavattini – K:<br />
Carlo Montuori – M: Alessandro Cicognini – D: Lamberto<br />
Maggiorani, Enzo Staiola, Lionella Carell, Elena<br />
Altieri, Sergio Leone – 88 min, OmeU – Der arbeitslose<br />
Ricci findet endlich einen Job als Plakatkleber, doch als<br />
ihm sein Fahrrad gestohlen wird, verliert er sein wichtigstes<br />
Arbeitswerkzeug. Der Film beschreibt seine<br />
Odyssee gemeinsam mit seinem Sohn quer durch Rom,<br />
auf der Suche nach dem Fahrrad. »Erst das Kind gibt<br />
dem Abenteuer des Arbeiters seine ethische Dimension<br />
und verleiht dem Drama, das auch nur ein gesellschaftliches<br />
sein könnte, eine individuelle moralische Perspektive.<br />
Faktisch beschränkt sich der Junge darauf,<br />
dem Vater zu folgen und neben ihm herzutrippeln. Doch<br />
er ist der intime Zeuge, der private Chor der Tragödie.«<br />
(André Bazin)<br />
▶ Sonntag, 13. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
RISO AMARO (BITTERER REIS) – Italien 1949 – R:<br />
Giuseppe de Santis – B: Carlo Lizzani, Carlo Musso, Gianni<br />
Puccini, Corrado Alvaro, Ivo Perilli, Giuseppe de<br />
Santis – K: Otello Martelli – M: Goffredo Petrassi – D:<br />
Silvana Mangano, Vittorio Gassmann, Doris Dowling,<br />
Raf Vallone, Checco Russone – 108 min, OmeU – Um<br />
unterzutauchen begibt sich Francesca, die Geliebte des<br />
Ganoven Walter, mit Hunderten von Saisonarbeiterinnen<br />
zur Reispflanzung in die Poebene. »Für De Santis<br />
war dies ein Drama der Leidenschaften im privaten und<br />
sozialen Bereich. Realistisch schildert er die harte Arbeit<br />
und die schlechten Lebensbedingungen der ›Mondine‹.<br />
Seinen großen Publikumserfolg verdankte der<br />
Film indessen eher Äußerlichkeiten – den leichtgeschürzten<br />
Arbeiterinnen, der erotischen Ausstrahlung<br />
seiner Hauptdarstellerin. So geriet er in den Ruch des<br />
Spektakels, was trotz mancher Kolportage-Elemente im<br />
Ansatz ein realistisches Stück Sozialkritik war.« (Dieter<br />
Krusche)<br />
▶ Dienstag, 15. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
NAPOLI MILLIONARIA (MILLIONENSTADT NEAPEL) –<br />
Italien 1950 – R: Eduardo De Filippo – B: Piero Tellini,<br />
Eduardo De Filippo – K: Aldo Tonti – M: Nino Rota – D:<br />
Eduardo De Filippo, Totò, Mario Soldati, Carlo Ninchi,<br />
Leda Gloria – 84 min, OmU – Die Geschichte und das<br />
Alltagsleben der kleinen Leute Neapels zwischen 1940<br />
und 1950, die zunächst mit den Faschisten, den Nazis<br />
und dann mit den Alliierten leben müssen. Im Mittelpunkt<br />
stehen die beiden Freunde Gennaro und Pasquale,<br />
die sich in ihrem Leben nicht mehr zurechtfinden.<br />
Wie in einem Tagebuch erfahren wir vom täglichen<br />
Leben der Bewohner in den engen Seitenstraßen. Die<br />
Häuser, die Straßen, die zwischen den Fenstern aufgehängte<br />
Wäsche, das Geschrei und Spiel der Kinder<br />
spiegeln eine dokumentarische Realität. Die Innenaufnahmen<br />
wurden im Atelier gedreht.<br />
▶ Freitag, 18. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
IL CAMMINO DELLA SPERANZA (WEG DER HOFF-<br />
NUNG) – Italien 1950 – R: Pietro Germi – B: Tullio Pinelli,<br />
Federico Fellini, Pietro Germi – K: Leonida Barboni<br />
– M: Carlo Rustichelli – D: Raf Vallone, Elena Varzi, Saro<br />
Urzi, Franco Navarra, Saro Arcidiacono – 96 min, OmeU<br />
– Der Leidensweg einer Gruppe sizilianischer Arbeiter,<br />
die eine neue Heimat suchen. Nach der Stilllegung<br />
einer Schwefelgrube werden sie von einem betrügerischen<br />
Arbeitsvermittler dazu überredet, mit ihren Familien<br />
nach Frankreich auszuwandern. »IL CAMMINO<br />
DELLA SPERANZA ist das Werk, das in der Klage ausklingt,<br />
dass Humanität nur in Widerspruch und Widersetzlichkeit<br />
gegen die gesetzliche Ordnung der Gesellschaft<br />
sich verwirklichen lasse. Nicht, ob das Ziel erreicht<br />
wird, hat Gewicht in diesem gewaltigen, in der<br />
Konzeption seiner Handlung erschütternden Epos. Einzig<br />
der Weg zählt.« (Martin Schlappner)<br />
▶ Samstag, 19. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
BELLISSIMA – Italien 1951 – R: Luchino Visconti – B:<br />
Suso Cecchi d’Amico, Francesco Rosi, Luchino Visconti<br />
– K: Piero Portalupi, Paul Ronald – M: Franco Mannino<br />
Italienischer Neorealismus<br />
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Italienischer Neorealismus<br />
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– D: Anna Magnani, Tina Apicella, Walter Chiari, Alessandro<br />
Blasetti, Gastone Renzelli – 115 min, OmeU –<br />
Böse Satire auf die italienische Filmindustrie, gedreht<br />
nach einer Idee von Cesare Zavattini an den Originalschauplätzen<br />
in Cinecittà: Eine ehrgeizige Mutter will<br />
ihre unscheinbare siebenjährige Tochter unbedingt<br />
beim Film unterbringen, um die Familie aus dem sozialen<br />
Elend zu holen. »Der verlogenen Welt der Traumfabrik<br />
steht die echte des römischen Proletariats gegenüber,<br />
die Mietskaserne, die ständig vom Lärm der<br />
nahen Straße erfüllt ist, das Gartenrestaurant am Tiberufer,<br />
das Freilichtkino, das Filme mit John Wayne und<br />
Burt Lancaster zeigt. Visconti zeigt diese Welt ohne den<br />
Hang zur Sentimentalisierung anderer Milieufilme.«<br />
(Enno Patalas)<br />
▶ Mittwoch, 23. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
25. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
MIRACOLO A MILANO (DAS WUNDER VON MAI-<br />
LAND) – Italien 1951 – R: Vittorio De Sica – B: Cesare<br />
Zavattini, Vittorio De Sica, Suso Cecchi d’Amico, M.<br />
Chiari, Adolfo Franci, nach dem Roman »Totò il Buono«<br />
von Cesare Zavattini – K: Aldo Graziati – M: Alessandro<br />
Cicognini – D: Emma Gramatica, Francesco Golisano,<br />
Paolo Stoppa, Brunella Bovo, Anna Carena – 95 min,<br />
OmeU – Das anspruchsvoll surrealistische Märchen<br />
vom guten Totò, der den Armen am Stadtrand von Mailand<br />
ein fröhliches Budendorf baut, bis die Besitzgier<br />
der Reichen sie das Land suchen lässt, wo »Guten Tag«<br />
wirklich »Guten Tag« bedeutet. Mit diesem Film gelang<br />
De Sica ein Kunstwerk, das Witz und Satire mit märchenhafter<br />
Poesie und lebenswahrem Realismus verbindet.<br />
Der Film spielt in zwei Bildebenen: der der Realität,<br />
der harten Wirklichkeit der Bretterbuden und<br />
Blechhütten, und der des Irrealen, des Märchens.<br />
▶ Samstag, 26. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
UMBERTO D. – Italien 1951 – R: Vittorio De Sica – B:<br />
Cesare Zavattini, Vittorio De Sica – K: G.R. Aldo – M:<br />
Alessandro Cicognini – D: Carlo Battisti, Maria Pia Casilio,<br />
Lina Gennari, Elena Rea, Riccardo Ferri – 90 min,<br />
OmU – Das bittere Schicksal eines alten Pensionärs,<br />
der niemandem mehr etwas nützt, der mit seinem Geld<br />
nicht mehr auskommt und deshalb Selbstmord begehen<br />
will, ist ein erschütternder Vorwurf gegen die<br />
menschliche Lieblosigkeit. »UMBERTO D. gibt einem an<br />
mehreren Stellen eine Ahnung davon, wie ein Film aussehen<br />
könnte, der in Bezug auf die Zeit tatsächlich realistisch<br />
ist. Ein Kino der ›Dauer‹. Die Qualitäten und<br />
selbst die Fehler des Films liegen weit jenseits von moralischen<br />
oder politischen Kategorien. Ich zögere nicht<br />
zu behaupten, dass das Kino uns selten zuvor so klar<br />
vor Augen geführt hat, was es bedeutet, ein Mensch zu<br />
sein. (Übrigens auch, was es heißt, ein Hund zu sein.)«<br />
(André Bazin)<br />
▶ Sonntag, 27. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
I VITELLONI (DIE MÜSSIGGÄNGER) – Italien 1953 –<br />
R: Federico Fellini – B: Federico Fellini, Ennio Flaiano –<br />
K: Luciano Trasatti, Carlo Carlini, Otello Martelli – D:<br />
Franco Fabrizi, Alberto Sordi, Franco Interlenghi, Leopoldo<br />
Trieste, Riccardo Fellini – 102 min, OmU – Eine<br />
von Fellinis eigenen Jugenderinnerungen geprägte<br />
Kleinstadtsatire. Fünf herumbummelnde Nichtstuer<br />
(der Frauenheld Fausto, der intellektuelle Leopoldo, der<br />
kindliche Alberto, der erwachsene Moraldo und der zurückhaltende<br />
Riccardo) verbummeln in einer italienischen<br />
Kleinstadt an der Adria die Tage und schlagen<br />
sich die Nächte um die Ohren. »Leeres Agieren, das Gegenteil<br />
eines Handelns: stumpfsinniges Schlendern am<br />
Strand, albernes Herumspazieren, lächerliche Angebereien.<br />
Doch gerade durch diese in gewisser Weise nebensächlichen<br />
Aktivitäten, die in den meisten Filmen<br />
weggelassen werden, offenbaren die Personen sich in<br />
ihrem geheimsten Wesen.« (André Bazin)<br />
▶ Freitag, 1. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
L’AMORE IN CITTA (LIEBE IN DER STADT) – Italien<br />
1953 – R: Michelangelo Antonioni, Federico Fellini, Alberto<br />
Lattuada, Carlo Lizzani, Dino Risi, Cesare Zavattini<br />
& Francesco Maselli – B: Michelangelo Antonioni,<br />
Aldo Buzzi, Luigi Chiarini, Federico Fellini, Marco Ferreri,<br />
Alberto Lattuada, Luigi Malerba, Tullio Pinelli, Dino<br />
Risi, Luigi Vanzi, Vittorio Veltroni, Cesare Zavattini – K:<br />
Gianni Di Venanzo – M: Mario Nascimbene – 109 min,<br />
OmU – Das Projekt des Kino-Journals »Lo Spettatore«<br />
(Der Zuschauer), »gemacht mit Film und einer Kamera,<br />
und nicht mit Papier und Tinte«, war von Cesare Zavat-
tini initiiert. Die filmische Adaption einer Zeitung funktionierte<br />
jedoch nicht richtig – nach dieser ersten Ausgabe<br />
gab es keine Fortsetzungen. Lizzanis Episode<br />
wurde aus dem Film entfernt, bevor er für außeritalienische<br />
Vorführungen freigegeben wurde, weil die Behörden<br />
Einspruch wegen der Darstellung römischer Prostitution<br />
erhoben.<br />
▶ Samstag, 2. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
CRONACHE DI POVERI AMANTI (CHRONIK ARMER<br />
LIEBESLEUTE) – Italien 1953 – R: Carlo Lizzani –<br />
B: Carlo Lizzani, Sergio Amidei, Giuseppe Dagnino,<br />
Massimo Mida, nach dem Roman von Vasco Pratolini –<br />
K: Gianni Di Venanzo – M: Mario Zafred – D: Anna<br />
Maria Ferrero, Cosetta Greco, Antonella Lualdi, Marcello<br />
Mastroianni, Irene Cefaro – 115 min, OmeU –<br />
»Schauplatz und ›Hauptperson‹ des Films, ist eine<br />
Straße in Florenz, 1925. In Simultantechnik beschreibt<br />
Lizzani eine große Zahl von Personen, deren Beziehungen<br />
die politischen Kämpfe der Zeit spiegeln: Im Verlauf<br />
der Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und<br />
Sozialisten schälen sich die ›Klassenfronten‹ der Gesellschaft<br />
heraus. Lizzani zeichnet keine schematisierten<br />
Menschen porträts, sondern belässt seinen Personen<br />
eine Vieldeutigkeit der Physiognomie.« (Ulrich Gregor<br />
/ Enno Patalas)<br />
▶ Mittwoch, 6. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
8. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
VIAGGIO IN ITALIA (LIEBE IST STÄRKER) – Italien<br />
1954 – R: Roberto Rossellini – B: Roberto Rossellini, Vitaliano<br />
Brancati – K: Enzo Serafin – M: Renzo Rossellini<br />
– D: Ingrid Bergman, George Sanders, Paul Muller,<br />
Maria Mauban, Anna Proclemer – 86 min, engl. OF –<br />
»Der magischste und lässigste aller Rossellini-Bergman-Filme.<br />
Ingrid Bergman und George Sanders als<br />
britisches Ehepaar, das in Neapel durch eine Krise taumelt:<br />
Entfremdung, Trennung, Versöhnung. Rossellini:<br />
›Das ist ein Film, den ich sehr liebe. Es war für mich<br />
wichtig, Italien zu zeigen, Neapel, diese merkwürdige<br />
Atmosphäre, der sich ein sehr reales, tiefes Gefühl beimischt:<br />
das Gefühl des ewigen Lebens.‹ Als ein in<br />
Luxus und Langeweile eingepacktes Ehepaar erscheinen<br />
Bergman/Sanders zuerst. Sie besucht Museen, er<br />
flirtet auf Parties. Jeder geht eigene Wege, bis das brodelnde<br />
Leben der Stadt seine Magie entfaltet und neue<br />
Leidenschaft entfacht.« (Rainer Gansera)<br />
▶ Samstag, 9. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
IL GRIDO (DER SCHREI) – Italien 1957 – R: Michel -<br />
angelo Antonioni – B: Michelangelo Antonioni, Elio<br />
Bartolini, Ennio De Concini – K: Gianni Di Venanzo – M:<br />
Giovanni Fusco – D: Steve Cochran, Alida Valli, Mirna<br />
Girardi, Dorian Gray, Betsy Blair – 104 min, OmeU –<br />
Aldo, Arbeiter in einer Zuckerfabrik, geht mit seiner kleinen<br />
Tochter auf eine lange Wanderschaft durch die Po-<br />
Ebene, nachdem er von der Frau, die er liebt, zurück -<br />
gewiesen wird. In den grauen, trostlosen Schauplätzen<br />
des Films teilt sich die innere Verfassung des Helden<br />
mit. Ohne viele Worte, aber reich an sprechenden Details<br />
entsteht das Bild einer Grenzsituation. Das Finale<br />
weist die vorherige Bewegung als verzweifelten, horizontalen<br />
Aufschub eines unaufhaltsamen Sturzes aus.<br />
IL GRIDO ist von seinem Ansatz her eine Art Vorläufer<br />
des road movie, das später im New Hollywood und bei<br />
Wim Wenders weitergeführt wird.<br />
▶ Sonntag, 10. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
BANDITI A ORGOSOLO (DIE BANDITEN VON ORGO-<br />
SOLO) – Italien 1961 – R: Vittorio De Seta – B: Vittorio<br />
De Seta, Vera Gherarducci – K: Vittorio De Seta, Luciano<br />
Tovoli – M: Valentino Bucchi – D: Vittorina Pisano,<br />
Michele Cossu, Peppeddu Cuccu – 98 min, OmeU –<br />
»Ein Hirte in den Bergen Sardiniens, der seinen ganzen<br />
Besitz in eine Schafherde investiert hat, wird von den<br />
Behörden fälschlicherweise bezichtigt, mit Schweinedieben<br />
im Bunde zu sein; vor der Verfolgung durch die<br />
Polizei zieht er sich in die Berge zurück, verliert seine<br />
Schafe und wird zum Outlaw. De Seta arbeitete ausschließlich<br />
mit Laiendarstellern. Ohne die geringste dramaturgische<br />
Anstrengung, scheinbar nur aus der Registrierung<br />
von Fakten entwickelt der Film eine scharfe<br />
und kritische Analyse der Daseinsbedingungen jener<br />
Unterpriviligierten der italienischen Provinz, für die ›der<br />
Staat nur in den Carabinieri und im Kerker gegenwärtig<br />
ist‹, wie der Kommentar des Films einmal sagt.« (Ulrich<br />
Gregor)<br />
▶ Freitag, 15. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
Italienischer Neorealismus<br />
61
Italienischer Neorealismus<br />
62<br />
ACCATTONE (ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT<br />
MIT TRÄNEN ASS) – Italien 1961 – R+B: Pier Paolo<br />
Pasolini, nach seiner Novelle – K: Tonino Delli Colli – M:<br />
Johann Sebastian Bach – D: Franco Citti, Silvana Corsini,<br />
Franca Pasut, Paolo Guidi, Luciano Conti –<br />
120 min, OmeU – Pasolinis erster Spielfilm, der mit Laiendarstellern<br />
besetzt ist, erzählt die Geschichte von Vittorio,<br />
genannt Accattone, der sich in einer römischen<br />
Trabantenstadt als Zuhälter betätigt, zum Dieb wird und<br />
bei der Verfolgung durch die Polizei verunglückt. Die naturalistischen<br />
Bilder aus der Welt des Subproletariats<br />
sind nicht nur eine präzise Milieustudie, sondern fügen<br />
sich darüber hinaus zu einer modernen Passionsgeschichte.<br />
»Eine Tragödie ohne Hoffnung, weshalb ich<br />
mir wünsche, dass es einige Zuschauer geben wird, die<br />
im Kreuzeszeichen, mit dem der Film schließt, eine Bedeutung<br />
von Hoffnung sehen werden.« (Pier Paolo Pasolini)<br />
▶ Samstag, 16. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />
20. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
ROCCO E I SUOI FRATELLI (ROCCO UND SEINE BRÜ-<br />
DER) – Italien 1960 – R: Luchino Visconti – B: Luchino<br />
Visconi, Suso Cecchi d’Amico, Pasquale Festa Campanile,<br />
Massimo Franciosa, Enrico Medioli – K: Giuseppe<br />
Rotunno – M: Nino Rota – D: Annie Girardot, Alain<br />
Delon, Renato Salvatori, Katina Paxinou, Alessandra<br />
Panao – 174 min, OmeU – Die Witwe Rosaria Parondi<br />
zieht mit ihren vier Söhnen aus der armen süditalienischen<br />
Region Basilicata ins reiche Mailand, wo bereits<br />
ihr ältester Sohn Vincenzo lebt. Doch der Traum von der<br />
Großstadt wird bald zum Albtraum: Die fünf Brüder<br />
gehen unterschiedliche Wege, einer von ihnen wird<br />
zum Gewalttäter und treibt auch den idealistischen ältesten<br />
Bruder in den Untergang. Viscontis tragisches<br />
Sozialdrama ist zwischen dem Neorealismus seiner<br />
Frühwerke und den ausladenden Epen seiner späteren<br />
Familienporträts angesiedelt.<br />
▶ Sonntag, 17. Juni 2012, 17.30 Uhr<br />
IL POSTO (DER JOB) – Italien 1961 – R: Ermanno Olmi<br />
– B: Ettore Lombardo, Ermanno Olmi – K: Roberto Barbieri<br />
– M: Pier Emilio Bassi – D: Alessandro Panzeri, Loredana<br />
Detto – 93 min, OmeU – »IL POSTO berichtet,<br />
wie Domenico, ein schüchterner Junge, aus einem Vorort<br />
nach Mailand kommt, um sich bei einem Mammutkonzern<br />
um eine Stellung zu bewerben. Er muss das Ritual<br />
psychologischer Eignungstests über sich ergehen<br />
lassen; am Ende offeriert ihm die Firma eine subalterne<br />
Stellung als Bürobote. Am Rande steht die Geschichte<br />
eines jungen Mädchens, das ebenfalls in die Firma eintritt<br />
und dem der junge Mann einige Male begegnet.<br />
Obwohl in einem durchgehend dokumentarischen Stil<br />
gedreht, der sich scheinbar auf reine Beobachtung beschränkt,<br />
ist IL POSTO doch fast eine Satire à la Gogol.«<br />
(Ulrich Gregor)<br />
▶ Freitag, 22. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Mittwoch.<br />
27. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
SALVATORE GIULIANO (WER ERSCHOSS SALVATORE<br />
G.?) – Italien 1962 – R: Francesco Rosi – B: Francesco<br />
Rosi, Suso Cecchi d’Amico, Franco Solinas, Enzo Provenzale<br />
– K: Gianni Di Venanzo – M: Piero Piccioni – D:<br />
Pietro Cammarata, Salvo Randone, Frank Wolff, Sennuccio<br />
Benelli – 120 min, OmeU – Eine Chronik vom<br />
Wirken und Wüten des sizilianischen Banditen Salvatore<br />
Giuliano, der zwischen 1943 und 1950 der Schrecken<br />
seines Landes war und am 5. Juli 1950 von<br />
einem Unbekannten erschossen wurde. Im Stil eines<br />
Dokumentarfilms, unter Verwendung von Zeitungsberichten,<br />
Interviews und Zeugenaussagen, rekonstruierte<br />
Rosi die Biografie des vermeintlichen Volkshelden<br />
und trug dazu bei, das komplizierte Geflecht der Beziehungen<br />
zwischen dem Banditen, der Mafia und ihren<br />
Hintermännern zu entwirren. Gedreht wurde an Originalschauplätzen<br />
und mit Laiendarstellern, die Giuliano<br />
noch persönlich kannten.<br />
▶ Samstag, 23. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
I BASILISCHI (DIE BASILISKEN) – Italien 1963 – R+B:<br />
Lina Wertmüller – K: Gianni Di Venanzo – M: Ennio Morricone<br />
– D: Toni Petruzzi, Stefano Satta Flores, Sergio<br />
Ferranino, Luigi Barbieri, Enrica Chiaromonte – 85 min,<br />
OmeU – Das Leben in einer süditalienischen Kleinstadt<br />
der armen Provinz Basilicata, die Jugendlichen unter<br />
den Dorfbewohnern, die in der wärmenden Sonne dem<br />
Nichtstun nachgehen und über das Leben und ihre<br />
Träume reden, anstatt sie tatsächlich anzupacken. In<br />
semidokumentarischem Stil und in sachlich-ironischem<br />
Ton zeigt Lina Wertmüller Menschen, denen es<br />
nicht gelingt, ihr eigenes Leben oder die Ungerechtigkeiten<br />
in ihrer Umgebung zu verändern. Fellinis I VITEL-<br />
LONI als Inspiration für diesen Film ist unverkennbar,<br />
doch Wertmüllers exzentrischer visueller Gestaltungswille<br />
blitzt ebenso schon auf wie eine vorsichtige Kritik<br />
am italienischen Männlichkeitskult.<br />
▶ Freitag, 29. Juni 2012, 18.30 Uhr
DOK.fest-Retrospektive: Wim Wenders<br />
Wim Wenders bei den Dreharbeiten zu pinA. Foto: Donata Wenders<br />
Mit seinem kongenial choreographierten 3D-Tanzfilm<br />
PINA im vergangenen Jahr und der Hommage BUENA<br />
VISTA SOCIAL CLUB Ende der 1990er Jahre feierte<br />
Wim Wenders weltweit große Erfolge – beides sind Dokumentarfilme.<br />
Sie krönen die jüngste Dekade des Werkes<br />
von Wim Wenders.<br />
Was macht den Erfolg der Dokumentarfilme von Wim<br />
Wenders aus? Es ist sein Gespür für besondere Sujets<br />
und das Vertrauen in die ureigene Kraft filmischer Bilder.<br />
Die reine Funktion der Dramaturgie ist Wenders<br />
ebenso fremd wie populistische Kinostoffe. Das dokumentarische<br />
Arbeiten kommt seinem klassischen Verständnis<br />
der Kinematographie entgegen. Nicht jedes<br />
Bild ist im Moment der Aufnahme schon determiniert<br />
im Fluss einer Erzählung. Jede Szene kann ihre Poesie<br />
aus einem filmischen Moment frei entfalten.<br />
Parallel zu seinen fiktionalen Filmen hat Wim Wenders<br />
schon früh damit begonnen, dokumentarisch zur arbeiten.<br />
Mit dem unverstellten Blick eines staunenden Beobachters,<br />
der der Wirklichkeit ein eigenes Bild abgewinnt.<br />
Den Tod seines engen Freundes, des amerikanischen<br />
Regisseurs Nicholas Ray, verarbeitete er in dem<br />
Film LIGHTNING OVER WATER (1979) auf sehr persönliche<br />
und berührende Weise. Das Interesse Wenders’ an<br />
dem Phänomen der Laufbildmedien führte ihn bereits<br />
Ende der 1980er Jahre nach Japan. Der Film TOKYO-<br />
GA (1985) ist ein erstes Zeugnis einer durch die Bildmedien<br />
aus den Fugen geratenen Kultur. Mit dieser Arbeit<br />
hatte Wenders ein großes Interesse an der japanischen<br />
Kultur gefunden. Sein Film AUFZEICHNUNGEN<br />
ZU KLEIDERN UND STÄDTEN (1989) verbindet die Philosophie<br />
des berühmten Modemachers Yohji Yamamoto<br />
mit der Architektur der Megacity Tokyo.<br />
Das DOK.fest München freut sich, dem Münchener<br />
Publikum diese und weitere Filme aus dem dokumentarischen<br />
Werk Wim Wenders’ in Zusammenarbeit mit<br />
dem Filmmuseum München endlich wieder einmal auf<br />
der Leinwand vorstellen zu können. Wim Wenders wird<br />
zu Gast sein und auch bisher weitgehend unbekannte<br />
Kurzfilme mitbringen: INVISIBLE CRIMES (2007), WAR<br />
IN PEACE (2007) und TO SEE OR NOT TO SEE (2012).<br />
Daniel Sponsel<br />
▶ Donnerstag, 3. Mai 2012, bis Mittwoch, 9. Mai 2012<br />
Wim Wenders<br />
63
Neues von der »Kölner Gruppe«<br />
Kölner Gruppe<br />
64<br />
WellenReiTeR: markus mischkowski und Kai maria Steinkühler. Foto: Anna c. Wagner<br />
Cine-Desperados vom Rhein –<br />
Die Kölner Gruppe und ihr gelebtes Kino<br />
Seit beinahe 25 Jahren gibt es in Köln eine Filmszene,<br />
die zu den schönsten und vitalsten in Deutschland<br />
zählt. In dieser Szene, die sich hauptsächlich um den<br />
schon legendären Filmclub 813 gebildet hat, aber auch<br />
schon manchen Studenten der Kunsthochschule für<br />
Medien beeinflusst hat, durchdringen sich wie einst bei<br />
der Nouvelle Vague alle Aspekte des Cineastentums.<br />
Man führt im Filmclub Filme vor, alte und neue. Man<br />
macht Entdeckungen in der Filmgeschichte, man redet<br />
und schreibt leidenschaftlich über Filme, früher in den<br />
Magazinen Gdinetmao und Nachtblende, heute im<br />
<strong>Münchner</strong> Sigi Götz Entertainment oder in den Club-<br />
Programmheften. Man dreht schließlich selbst Filme,<br />
kurze und lange voller Charme, Feeling und Lust am<br />
Kino. Die Mitglieder dieser lockeren Kölner Gruppe<br />
haben auch ganz eigene Vorbilder im deutschen Kino<br />
ausfindig gemacht: Klaus Lemke, Werner Enke, May<br />
Spils, Zbynek Brynych, Roger Fritz, die Schamonis, Marran<br />
Gosov, aber auch so unterschiedliche Filmemacher<br />
wie Frank Wisbar, Harun Farocki oder Siggi Götz ge -<br />
hören zu den Favoriten, die für ein anderes und oft unterschlagenes<br />
Kino stehen, für ein Kino auch der vertanen<br />
Chancen. Wie wäre es gewesen, wenn Edgar Reitz<br />
zusammen mit Alfred Vohrer einen Film gemacht hätte?<br />
Die Kölner Gruppe ist jedoch niemals ein Fanclub von<br />
Trashfilm-Liebhabern. Man ist ernsthaft – bei aller Spielerei.<br />
Zum harten Kern der Kölner Gruppe gehören seit langer<br />
Zeit vor allem drei Leute: Rainer Knepperges, Bernhard<br />
Marsch und Markus Mischkowski. Wäre die Kölner<br />
Gruppe eine Rockband, dann würde gewiss Knepperges<br />
der furiose, manchmal an sich zweifelnde Gitarrist<br />
sein, während Marsch den Keyboards mit ganzem<br />
Körpereinsatz unerhörte Töne entlocken würde. Zusammen<br />
würden Knepperges und Marsch die Songs schreiben<br />
und sich dabei natürlich oft streiten. Am Schlagzeug<br />
wäre dagegen mit stoischer Ruhe Mischkowski<br />
tätig – wie alle guten Drummer ein rätselhafter Individualist.<br />
Am Bass schließlich würden sich unterschiedliche<br />
Typen ablösen: der coole Kai Maria Steinkühler<br />
oder der zurückhaltende, aber enorm talentierte Christian<br />
Mrasek.<br />
Der Filmkritiker, Autor, Darsteller und Regisseur Rainer<br />
Knepperges, der zusammen mit Christian Mrasek bereits<br />
den Langfilm DIE QUEREINSTEIGERINNEN realisiert<br />
hat, in dem er auch neben Nina Proll die Hauptrolle<br />
spielt, hat der Ironie im Kino eine zweite Chance<br />
gegeben – einer Ironie, die sowohl auf befreiender
Albernheit wie auf tiefer Schmerzlichkeit beruht, die<br />
zwischen Reflexion und Mythos changiert. In diesem<br />
Programm des Filmmuseums ist Knepperges diesmal<br />
weniger vertreten, aber seine unglaubliche Kino-Präsenz<br />
ist beispielsweise in WELLENREITER oder<br />
8 ESSEN III, einem All-Star-Film der Kölner Gruppe, zu<br />
bewundern.<br />
Einen eigenen, besonderen Kino-Mikrokosmos bildet<br />
das weitverzweigte Werk von Bernhard Marsch, eines<br />
total filmmaker par excellence. Man muss es aussprechen:<br />
Bei seinen Kinominiaturen geht dem Zuschauer<br />
das Herz auf. Vielleicht liegt es an der Mischung aus<br />
Nostalgie und Aufbruch, die seine Filme kennzeichnet,<br />
sicherlich an der Poesie und dem Drive, der seine<br />
Werke durchzieht. Dazu kommt der genaue und liebevolle<br />
Blick auf das scheinbar Nebensächliche. Mit seinen<br />
Kurzfilmen schreibt Marsch gewissermaßen eine<br />
kleine Geschichte Deutschlands vom Rande her, eine<br />
Trash-Historie, eine Ramsch-Geschichte (»Ramsch« ist<br />
der Name von Marschs Filmproduktion). Man muss<br />
sich nur einen Musikclip wie MAUERBLÜMCHEN anschauen,<br />
ein Mini-Melo über die Ex-DDR und die große<br />
Sehnsucht an der Ostsee, dann ist man verzaubert von<br />
hingetupften Bildern, von Landschaften und Geschichten.<br />
Zweifellos, Marsch ist ein Impressionist deutscher<br />
Befindlichkeiten, ein Ethnograph der Abfallprodukte von<br />
Liebe und Leben. Sein erster filmischer Versuch<br />
65<br />
stammt von 1986: KÖLNER BEWEGUNGEN ist so etwas<br />
wie die Kölner Mini-Version von BERLIN. DIE SINFONIE<br />
DER GROSSSTADT. In Erinnerung bleibt vor allem das<br />
Neonschild »Köln – 4711«, das durch die Nacht blitzt<br />
und den Film zu einem Cologne Noir macht. Marsch<br />
und seine Kollegen haben ein Gefühl für die Aura von<br />
Zeichen. In MARSCH UND KNEPPERGES ZEIGEN von<br />
1987 ist oft die Anzeigentafel des Kölner Kinos Film -<br />
palette zu sehen. Darauf ist zu lesen: »Nonstop Filmprogramm«.<br />
Das klingt poetisch-rebellisch im Kontext des<br />
Films, der die letzte Vorstellung in der Filmpalette dokumentiert.<br />
Als last picture show läuft Edgar G. Ulmers<br />
DETOUR. Die jungen Kinobesucher, unter ihnen Marsch<br />
und Knepperges, trinken Bier, quatschen, befragen den<br />
alten Kinobesitzer. Alles ist gelebter B-Film, alles ist<br />
detour.<br />
Einige Marsch-Filme sind Ensemble-Filme, Jungens-<br />
Filme in der Tradition der <strong>Münchner</strong> Schule der 1960er<br />
(Lemke, Thome, Gosov). In 8 ESSEN III von 1996 unterhalten<br />
sich in der Kölner Zentral-Mensa ewige Studenten<br />
über Frauen, das Ost-West-Verhältnis und den Lauf<br />
der Zeit. In JUNGE HUNDE von 1992 oder dem Liebesthriller<br />
NACKT AM SEE von 2010 frönt Marsch seiner<br />
Vorliebe für Schwimmbäder und Badeseen, die für ihn<br />
Alltagsoasen darstellen wie Kinos oder Mischkowskis<br />
Kioske, an denen alles und nichts passieren kann. HAL-<br />
LELUJA von 1995 ist ein ungemein komisches Roadbernhard<br />
marsch. Foto: imke Staats<br />
Kölner Gruppe
Kölner Gruppe<br />
WellenReiTeR Foto: Anna c. Wagner<br />
66<br />
movie, das Anfang der 1980er auf den Straßen zwischen<br />
Köln und Hennef spielt. Ein bekifftes Bhagwan-<br />
Pärchen fährt im Käfer eines Burschen mit, den Marsch<br />
selbst spielt. Die zwei Hippies haben es auf den alten<br />
VW angesehen, sie halten den Fahrer für ein Greenhorn.<br />
Dabei handelt es sich bei ihm um einen aus -<br />
gebufften Desperado. Einmal fährt er durch seine Heimatstadt<br />
Hennef. In einem Kino dort läuft gerade<br />
SUMMER NIGHT FEVER, ein Trashfilm von Siggi Götz,<br />
das ist ein Pseudonym für Siggi Rothemund, das er für<br />
seine zahlreichen Sex- und Discofilme verwendet hat.<br />
Seit dieser Erwähnung in HALLELUJA hat sich zwischen<br />
Köln und München ein kleiner Kult um Siggi Götz<br />
und alle psy chede lischen Momente des deutschen<br />
Kinos entwickelt.<br />
Marschs bisher vielleicht bester Film ist WOHNHAFT<br />
von 2004 (der Titel ist im doppelten Sinn zu verstehen,<br />
die Kölner lieben Wortspiele). Inspiriert von Ulrich Schamonis<br />
CHAPEAU CLAQUE führt Marsch durch seine eigene<br />
kleine, mit Platten, Büchern, Zeitungen und allerlei<br />
Erinnerungen vollgestopften Wohnung in Köln-<br />
Ehrenfeld, die einer grandiosen Raum-Installation<br />
gleicht und auch eine Rebellion darstellt gegen jegliches<br />
»Schöner Wohnen«. Während die Kamera ethnografisch<br />
forschend durch dieses Labyrinth des Sammelns<br />
gleitet, hört man aus dem Off, wie sich Marsch<br />
und sein Idol Werner Enke über Räume und das Räumen<br />
unterhalten – ein wunderbares Zwiegespräch<br />
über Kino und Leben, Geschichte und Geschichten.<br />
Westendfilme heißt die Produktionsfirma von Markus<br />
Mischkowski und Kai Maria Steinkühler. Westend, dort<br />
wo die Sonne untergeht, dort wo der Westen endet.<br />
Endzeit und Neubeginn: Wie den meisten Filmen der<br />
Kölner Gruppe gelingt es besonders auch den Filmen<br />
von Mischkowski und Steinkühler, Kinotraditionen, die<br />
vom Slapstick über den Italowestern bis zu Kaurismäki<br />
reichen, im deutschen Alltag wiederzufinden.<br />
WESTEND, der Kurzfilm von 1997, WAS TUN von 1998,<br />
WESTEND, der lange Film von 2001, WOLGA von 2003,<br />
WALD MEISTER von 2007 und WELLENREITER von<br />
2010: Alle diese Filme, die mit »W« beginnen und in<br />
einem glorreichen Schwarzweiß gedreht sind, handeln<br />
von den beiden arbeitslosen Kumpeln Mike und Alfred,<br />
die von den beiden Filmemachern selbst gespielt als<br />
beautiful losers im grandiosen Outfit zwischen Geschmackslosigkeit<br />
und verwegenem Schick für immer<br />
auf Godot warten. Die zwei, die in der Nachfolge der<br />
großen Komiker-Duos und Western-Buddies stehen,<br />
scheinen auf ewig in diesem großartigen, absurd komischen<br />
und todtraurigen Filmzyklus gegen die Windmühlen<br />
des Kapitalismus zu kämpfen. Aber diese melancholischen,<br />
abstrakt-schönen Westendfilme sind nie<br />
bloß Satire, sie sind vielmehr tragikomische Filmpoeme<br />
über die condition humaine in den trostlosen Zeiten von
hohler Kommunikation, überbewerteter Transparenz<br />
und totaler Verfügbarkeit. Sie lassen aber hoffen, dass<br />
die alten Mythen und Werte von Freundschaft, Liebe,<br />
Handwerk und Wagemut im wasteland des Kölner<br />
Stadtrands überleben.<br />
Das schwarzweiße wasteland des Westend-Zyklus ist<br />
freilich gar nichts im Vergleich zu dem farbigen Fragment<br />
eines Großraumbüros in WARTESCHLEIFEN, dem<br />
neuen Film von Mischkowski/Steinkühler. Dieses Bürofragment<br />
ist das Fegefeuer auf Erden, aus ihm heraus<br />
sprechen sechs Mitarbeiter eines Callcenters direkt zu<br />
uns. Einer von ihnen wird von Christos Dassios gespielt,<br />
einem tollen Typen, der aus einem Melville-Film zu<br />
kommen scheint und mit seinem Kurzfilm UNDER-<br />
GROUND ODYSSEY als neuer Star der Kölner Gruppe<br />
gilt. Die Berichte, Bekenntnisse und Beichten der Callcenter-Malocher,<br />
gefilmt in einem Mix aus Dokumentation,<br />
Theater-Workshop und Videoinstallation bilden ein<br />
Mosaik aus Horror, Comedy und Melo. In der Hölle unserer<br />
Arbeitswelten finden Mischkowski und Steinkühler<br />
die Reste von Geschichten, den Ramsch, der das<br />
Leben ausmacht.<br />
Hans Schifferle<br />
WOHNHAFT – Deutschland 2004 – R+B: Bernhard<br />
Marsch – K: Volker Gerling – M: Rainer Kirchmann –<br />
Kommentar: Werner Enke, Bernhard Marsch – 8 min –<br />
WALDMEISTER – Deutschland 2007 – R+B: Markus<br />
Mischkowski, Kai Maria Steinkühler – K: KaPe Schmidt<br />
– M: Robert Nacken – D: Markus Mischkowski, Kai<br />
Maria Steinkühler, Jürgen Rißmann, Claudia Basrawi,<br />
Piet Fuchs – 9 min – NACKT AM SEE – Deutschland<br />
2010 – R: Bernhard Marsch – B: Bernhard Marsch,<br />
Ricarda Sponagel – K: Dejan Rakas – D: Susanne<br />
Menner, Bernhard Marsch – 10 min – INSIDE LEMKE<br />
– Deutschland 2007 – R+K: Markus Mischkowski –<br />
Klaus Lemke, Bernhard Marsch, Rainer Knepperges –<br />
9 min – UNDERGROUND ODYSSEY – Deutschland<br />
2010 – R: Christos Dassios, Uli Grohs, Robert Nacken –<br />
B: Christos Dassios – K: Uli Grohs – M: Robert Nacken<br />
– D: Christos Dassios, Robert Nacken, Ines Szcerbinski<br />
– 6 min – WELLENREITER – Deutschland 2010 –<br />
R+B: Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler – K:<br />
KaPe Schmidt – D: Markus Mischkowski, Kai Maria<br />
Steinkühler, Jens Claßen, Rainer Knepperges, Harry<br />
Weiß – 10 min – CAFE KONTAKT – Deutschland 2012<br />
– R+B: Bernhard Marsch – K: Kawe Vakil – D: Christos<br />
Dassios, Susanne Menner, Jana Rath, Peter Simon,<br />
Bernhard Marsch – 10 min<br />
▶ Freitag, 11. Mai 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Bernhard<br />
Marsch, Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler,<br />
Christos Dassios, Robert Nacken)<br />
WARTESCHLEIFEN – KOLPORTAGEN AUS DEM CALL -<br />
CENTER – Deutschland 2010 – R+B: Markus Mischkowski,<br />
Kai Maria Steinkühler – K: KaPe Schmidt – mit<br />
Piet Fuchs, Claudia Basrawi, Christos Dassios, Minerva<br />
Fois, Jürgen Rißmann, Dada Stievermann – 79 min –<br />
Sie hören zu, reden, beschwichtigen, beraten, verkaufen<br />
– Das Call-Center ist ein Mikrokosmos der ganz besonderen<br />
Art: Potenzierte Kundenorientierung auf der<br />
einen, menschliche Entfremdung auf der anderen Seite.<br />
Gefragt ist hier die perfekte Rollenerfüllung, nicht die<br />
Persönlichkeit. Von ihrer Erfahrung in diesem Metier,<br />
das viele nur als temporären Nebenberuf ausüben, den<br />
dort herrschenden Hierarchien und Machtstrukturen,<br />
dem Mit-, Neben- und Gegeneinander der Kollegen –<br />
davon berichten sechs Call-Center-Agenten<br />
▶ Samstag, 12. Mai 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Markus<br />
Mischkowski, Kai Maria Steinkühler, Christos Dassios)<br />
AMIGO A GOGO – Deutschland 2009 – R+B: Bernhard<br />
Marsch – K: Tobias Schmücking – M: Rainer Kirchmann<br />
– D: Gregor Overzier, Jana Rath – 5 min –<br />
MAUERBLÜMCHEN – Deutschland 2001 – R+B+K:<br />
Bernhard Marsch – M: Rainer Kirchmann – 5 min –<br />
BAZOOKA CAIN – Deutschland 2003 – R+B: Bernhard<br />
Marsch – K: Kawe Vakil – D: Marcel Vega, Matthias<br />
Pacht, Max Knoth, Henry Grant, Thomas Salzmann –<br />
5 min – KÖLNER BEWEGUNGEN – BRD 1986 – R, B,<br />
K: Bernhard Marsch – M: Korneffel & Debschütz –<br />
5 min – MARSCH & KNEPPERGES ZEIGEN – Deutschland<br />
1991 – R+B: Bernhard Marsch, Rainer Knepperges<br />
– K: Gunter König – 10 min – 8 ESSEN III –<br />
Deutschland 1996 – R, B, D: Bernhard Marsch, Markus<br />
Mischkowski, Rainer Knepperges – K: Kawe Vakil –<br />
8 min – JUNGE HUNDE – Deutschland 1993 – R+B:<br />
Bernhard Marsch – K: Andreas Wunderlich – D: Jakob<br />
Hüfner, Achim Bitzer, Joachim Kühn, Jo Zimmermann,<br />
Bernhard Marsch – 7 min – HALLELUJA – Deutschland<br />
1995 – R+B: Bernhard Marsch – K: Richard Eckes<br />
– D: Stefanie Herrmann, Markus Mischkowski, Bernhard<br />
Marsch – 11 min – VERLANGEN – Deutschland<br />
2005 – R+B: Bernhard Marsch – K: Volker Gerling – M:<br />
Marcel Vega – 4 min – LIEBE IST GESCHMACKS -<br />
SACHE – Deutschland 1997 – R+B: Bernhard Marsch,<br />
Piet Fuchs – K: Kawe Vakil – D: Kai Maria Steinkühler,<br />
Karen Oldenburg, Erik Goertz, Jürgen Nau, Julia Hornisch<br />
– 8 min – WOHNHAFT (EXTENDED VERSION) –<br />
Deutschland 2005 – R+B: Bernhard Marsch – K:<br />
Volker Gerling – M: Rainer Kirchmann – Kommentar:<br />
Werner Enke, Bernhard Marsch – 10 min<br />
▶ Sonntag, 13. Mai 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Bernhard<br />
Marsch, Kai Maria Steinkühler)<br />
Kölner Gruppe<br />
67
Retrospektive Lars von Trier<br />
Lars von Trier<br />
68<br />
Die große und die kleine Welt<br />
Im Vergleich zu seinen skandinavischen Nachbarn ist<br />
Dänemark (nach der Bevölkerungszahl) kein kleines<br />
Land. Dennoch scheint es seinen berühmtesten Filmemachern<br />
nicht zu genügen. Lars von Triers Filme spielen<br />
erstaunlich selten dort. Früh hat sein filmischer<br />
Blick schon ganz Europa ins Auge gefasst, sodann eine<br />
schottische Insel, später hat er eine amerikanische Trilogie<br />
gedreht. Der notorisch reiseunlustige Regisseur<br />
hat sie allerdings kaum je an den Realschauplätzen gedreht.<br />
Seine Filme sind vielmehr immer auch als ein<br />
Spiegel seiner Heimat zu betrachten.<br />
Das war schon bei seinem Vorbild Carl Theodor Dreyer<br />
so, der in diversen Nachbarländern drehte sowie lange<br />
Zeit in Frankreich und Deutschland. Im Falle Dreyers<br />
war diese kulturübergreifende Offenheit allerdings<br />
auch ökonomischen Wechselfällen geschuldet: Er<br />
wurde jeweils von Misserfolgen zeitweilig ins Exil getrieben.<br />
Bei von Trier hingegen ist die geographische<br />
Entgrenzung ein Willensakt, ein Bekenntnis. Das erste<br />
Bild, das ich von ihm erinnere, zeigt ihn in einem Schottenrock,<br />
über dem er eine verwegene Lederjacke trägt.<br />
Es entstand als Publicitygag während der Produktion<br />
von BREAKING THE WAVES. Das stolze Lächeln, mit<br />
dem von Trier diese Tracht trägt, demonstriert seine Zuversicht,<br />
die eigenen filmischen Visionen überall heimisch<br />
machen zu können. (Es verrät allerdings auch<br />
seine unbändige Lust am Gag, keineswegs nur in der<br />
komischen Variante gemeint, die ihm fortan bei Pressekonferenzen<br />
zum Verhängnis werden sollte.)<br />
Die Quellen seiner Inspiration findet er in ganz Europa.<br />
Seine Suche nach erzählerischen Wurzeln ist beinahe<br />
weltumspannend. Oft arbeitet er mit anglo-amerikanischen<br />
Schauspielern zusammen. Die schelmisch entlarvende<br />
Ironie der Erzählkommentare aus dem Off in<br />
DOGVILLE und MANDERLAY erinnert an Charles Dickens<br />
und Henry Fielding. MELANCHOLIA geht eigentlich<br />
auf ein Projekt zurück, Jean Genets Drama »Die<br />
Zofen« mit Penelope Cruz zu verfilmen. Der Vorname<br />
der von Charlotte Gainsbourg gespielten Schwester,<br />
Claire, verweist noch auf diese Abkunft. Die von Kirsten<br />
Dunst gespielte Schwester wiederum heißt Justine, wie<br />
die Titelheldin des Romans von Marquis de Sade, den<br />
von Trier gern fürs Kino adaptiert hätte. Das »Liebestod«-Thema<br />
aus Richard Wagners »Tristan und Isolde«<br />
dient in MELANCHOLIA nicht nur als Leitmotiv, der gesamte<br />
Film ist wie eine Oper strukturiert, mit einer Ouvertüre,<br />
zwei Akten und einem Finale. Überdies zitiert<br />
von Trier in ihm Bilder von Bosch, Breughel, Caravaggio<br />
und Millais.<br />
Der planvolle Lauf der Welt<br />
Es ging bei ihm schon immer ums Ganze. Nicht erst in<br />
MELANCHOLIA steht das Schicksal der Welt auf dem<br />
Spiel. Deren Zerstörung ist die größte denkbare Herausforderung<br />
für einen, der gern von der eigenen<br />
Angst vor dem Verlust der Kontrolle erlöst werden<br />
würde. Schon als Kind, das vertraute er seinem Freund<br />
Christian Braad Thomsen einmal in einem Interview<br />
zum Start von BREAKING THE WAVES an, hegte er globale<br />
Rettungsphantasien. Er entwickelte ein Pensum<br />
von Ritualen, das er an jedem Abend vor Einschlafen<br />
absolvierte – in der Hoffnung, damit die Erde vor der<br />
atomaren Auslöschung zu bewahren.<br />
Darin sah er selbst den Ursprung seines späteren Entschlusses,<br />
zum Katholizismus zu konvertieren. Der<br />
kindliche Glaube an die eigene magische Kraft war<br />
auch ein Ausdruck der Rebellion. Dieser Widerspruchsgeist<br />
wurde geboren in einen Haushalt, in dem man<br />
den Atheismus mit gewissermaßen religiöser Inbrunst<br />
pflegte. Seinen Hang zum Melodram darf man auch als<br />
späte Rache lesen für eine Kindheit, in der die Sentimentalität<br />
keinen Platz haben durfte. Wen wundert es<br />
da, dass BREAKING THE WAVES seine Familie nachhaltig<br />
schockierte? Das Metaphysische gewinnt in seinen<br />
Filmen eine beispiellose, wenn auch im Kino nicht prä-
zedenzlose Unmittelbarkeit. Während ORDET vorführt,<br />
dass sein Vorbild Dreyer fest an Wunder glaubte, merkt<br />
man von Triers Filmen allerdings die Anstrengung an,<br />
die ein solcher Glaube kostet.<br />
Gleichwohl ist sein Werk seit seinen Anfängen von<br />
religiöser Metaphorik durchdrungen. Von BEFRIELSES<br />
BILLEDER an, der in den letzten Tagen der deutschen<br />
Besatzung Dänemarks spielt, wird es bevölkert von Er -<br />
lösern und Märtyrern – in diesem halblangen Kino -<br />
debüt lässt er gar einen Nazi-Offizier diese Rolle übernehmen.<br />
Vorzugsweise trägt er das Mandat, den Lauf<br />
der Welt zu beeinflussen und es vor dem Chaos zu beschützen,<br />
Frauen an. Er setzt sein ganzes Vertrauen in<br />
deren hartnäckige Unschuld, in ihr reines Herz. Auf<br />
ihren Opfergängen bleiben sie, wie de Sades Justine,<br />
unberührt von allem Schrecklichen, das ihnen widerfährt.<br />
So erscheint es als kluge (wenn auch nicht ganz<br />
freiwillig getroffene) Entscheidung, die Rolle der in<br />
DOGVILLE von Nicole Kidman gespielten Grace, in der<br />
Fortsetzung MANDERLAY mit einer anderen Darstellerin,<br />
Bryce Dallas Howard, zu ersetzen. Die Naivität, mit<br />
der sich die zweite Grace ihrem neuen Mandat stellen<br />
muss, wird durch deren argloses Gesicht hinreichend<br />
beglaubigt.<br />
Nach dem Blutbad, das ihre Vorgängerin am Ende des<br />
ersten Films unter den korrupten Einwohnern von Dogville<br />
anrichtete, hätte man Nicole Kidman die wiedergewonnene<br />
Reinheit schwerlich abgenommen. Dieses<br />
Massaker ist freilich in vielerlei Hinsicht eine Katharsis.<br />
Das kardinale Ärgernis der vorangegangenen Filme<br />
Lars von Triers scheint damit überwunden: jene anmaßend<br />
manipulative Erzählhaltung, die es ihm gestattete,<br />
sich selbst offenen Auges auf Widersprüche und Provokationen<br />
seiner Stoffe einzulassen und dabei seine Heldinnen<br />
so ahnungs- wie widerstandlos in ihre Opferrolle<br />
zu schicken. Die Resolutheit, mit der Grace Vergeltung<br />
übt für Demütigung und Unterdrückung, stellt mithin<br />
auch einen unwiderruflichen Wendepunkt in von<br />
Triers Weltsicht dar.<br />
Die Welt als Laboratorium<br />
An Dreyer bewundert von Trier die Reinheit des Stils.<br />
Bei allem weltstürzenden Bombast lassen sich seine<br />
ästhetischen Konzepte auf dieses Prinzip zurückführen;<br />
nicht zuletzt die Idee des »Dogmas«, die er später zwar<br />
für »idiotisch« hielt und gegen die er nachdrücklich<br />
(gleichsam als Widerspruchsgeist in eigener Sache) rebellierte,<br />
die ihm im Fall von IDIOTEN in der Beschränkung<br />
jedoch einen großen Freiraum eröffnete. Er will<br />
sich in seinen Filmen Rechenschaft ablegen über das<br />
Ethos des Erzählens. In seinem Frühwerk EPIDEMIC<br />
filmt er sich selbst und seinen Drehbuchautor dabei,<br />
wie sie über die Strukturierung der Handlung diskutieren.<br />
In THE FIVE OBSTRUCTIONS fordert er seinen Lehrmeister,<br />
den Dichter und Dokumentarfilmer Jørgen<br />
Leth, auf, fünf Remakes seines Kurzfilms THE PERFECT<br />
HUMAN zu drehen, für deren Realisierung er ihm jedesmal<br />
ein neues Hindernis auferlegt.<br />
Dieses Streben nach Reinheit bringt ihn vor allem dazu,<br />
regelmäßig Weltenvisionen an abgelegenen Orten zu<br />
entwerfen: auf einer schottischen Insel, in einer amerikanischen<br />
Kleinstadt, einer Baumwollplantage, einem<br />
Haus in der Wildnis oder einem Luxushotel. Das Intime<br />
und das Universelle finden in diesen erzählerischen Laborversuchen<br />
zusammen. Wiederum spielt er mit der<br />
Entgrenzung. In DOGVILLE und MANDERLAY sind sämtliche<br />
Interieurs Außenszenen. Die Räume sind nur mehr<br />
Grundrisse, Wände und Mauern existieren nicht. Die<br />
verschmitzte Aussparung beinahe jeglicher Architektur<br />
soll man nicht als Leerstelle empfinden, sondern als<br />
Lars von Trier<br />
69<br />
AnTicHRiST
Lars von Trier<br />
70<br />
Sprungbrett der Phantasie. Es fällt nicht schwer, darin<br />
eine strenge Variation der Dogma-Ideen zu lesen: eine<br />
Wette, wie weit man gehen kann mit der Beschränkung<br />
der filmischen Mittel.<br />
Gerhard Midding<br />
NYHTERINO (NOCTURNE) – Dänemark 1980 – R:<br />
Lars von Trier – B: Lars von Trier, Tom Elling – D: Yvette,<br />
Solbjørg Højfeldt, Anne-Lise Gabold – 7 min, OmeU –<br />
Ein Albtraum und ein Telefongespräch. Eine Frau, die<br />
kein Licht vertragen kann, steht vor der Entscheidung,<br />
ob sie am Morgen nach Buenos Aires fliegen soll.<br />
NOCTURNE, entstanden an Den Danske Filmskole,<br />
gewann beim Internationalen Festival der Filmhochschulen<br />
in München 1981 den Preis für den besten<br />
Film. – FORBRYDELSENS ELEMENT (THE ELEMENT<br />
OF CRIME) – Dänemark 1983 – R: Lars von Trier – B:<br />
Lars von Trier, Niels Vørsel – K: Tom Elling – M: Bo Holten<br />
– D: Michael Elphick, Me Me Lei, Esmond Knight,<br />
Jerold Wells, Preben Lerdorff Rye, Astrid Henning-Jensen<br />
– 103 min, OmU – Der Kriminalbeamte Fisher<br />
kehrt erstmals nach 13 Jahren aus Kairo nach Europa<br />
zurück und lässt sich mit Hilfe von Hypnose in die Vergangenheit<br />
nach Europa zurückversetzen, um eine<br />
Mordserie aufzuklären. »Gemeinsam mit Kameramann<br />
Tom Elling schuf Trier eine monochrom gelb bis rotbraun<br />
gefärbte, ebenso klaustrophobisch beklemmende<br />
wie hypnotisch-faszinierende Kinowelt, in der<br />
sich die Kamera mit äußerster Präzision in atemberaubenden,<br />
noch nie gesehenen Perspektiven durch den<br />
Raum bewegte.« (Achim Forst) »Wir wollten keinen<br />
Kunstfilm machen. Wir wollten zeigen, dass man ein<br />
bestimmtes Genre, zum Beispiel den Kriminalfilm, auf<br />
eine andere Weise benutzen kann, als man es gewohnt<br />
ist.« (Lars von Trier)<br />
▶ Mittwoch, 16. Mai 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
18. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />
EPIDEMIC – Dänemark 1987 – R: Lars von Trier – B:<br />
Lars von Trier, Niels Vørsel – K: Henning Bendtsen, Lars<br />
von Trier, Niels Vørsel – M: Peter Bach – D: Lars von<br />
Trier, Niels Vørsel, Udo Kier, Susanne Ottesen, Svend Ali<br />
Hamann, Gitte Lind – 106 min, OmU – Zwei Drehbuchautoren,<br />
Trier und Vørsel, müssen innerhalb von fünf<br />
Tagen das Manuskript für einen Film erarbeiten, in dem<br />
die Bevölkerung Europas von einer geheimnisvollen<br />
Seuche dahingerafft wird. Während ihrer Recherchen<br />
bemerken sie jedoch nicht, dass ihre Filmidee längst<br />
von der Realität eingeholt wurde. EPIDEMIC wird so<br />
neben dem Spiel zwischen den Welten auch zum Spiel<br />
mit den Genres. Vom Horror wird in den Autorenfilm gesprungen,<br />
vom visuell Künstlerischen kippt es zur reinen<br />
Splatterästhetik. Der Film-im-Film ist genauso experimentell<br />
wie schizophren.<br />
▶ Samstag, 19. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />
22. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
MEDEA – Dänemark 1988 – R: Lars von Trier – B: Preben<br />
Thomsen, Lars von Trier, nach dem Bühnenstück<br />
von Euripides – K: Sejr Brockmann – M: Joakim Holbek<br />
– D: Udo Kier, Kirsten Olesen, Henning Jensen, Solbjørg<br />
Højfeldt, Preben Lerdorff Rye – 77 min, OmeU – Lars<br />
von Trier bearbeitete für diese Fernsehproduktion ein<br />
Drehbuch von Carl Theodor Dreyer, der die finstere Tragödie<br />
von Euripides an den Nordseemarschen angesiedelt<br />
hat. Die Natur des Nordens wirkt dabei wie die eigentliche<br />
Protagonistin des Films: Seelenlandschaften<br />
der Einsamkeit, der Düsternis und Verzweiflung. Medea,<br />
die Zaubererin, schenkt Jason ihre bedingungslose<br />
Liebe und tötet sogar den eigenen Bruder, um den sie<br />
verfolgenden Vater aufzuhalten. Doch Jason verlässt<br />
Medea wegen einer anderen Frau. Aus Schmerz über<br />
seinen Verrat an ihrer Liebe vergiftet sie nicht nur ihre<br />
Rivalin, sondern tötet auch die beiden gemeinsamen<br />
Kinder. Die Geschichte der Medea hat Lars von Trier in<br />
silbergraues Licht getaucht, das an expressionistische<br />
Stummfilme erinnert.<br />
▶ Sonntag, 20. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />
23. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
THE MAKING OF LARS VON TRIER – Vortrag mit Filmbeispielen<br />
von Peter Schepelern in englischer Sprache<br />
mit vielen Filmbeispielen – 90 min – Peter Schepelern<br />
war in den 1970er Jahren Lars von Triers Dozent an<br />
der Kopenhagener Universität und verfolgte dessen<br />
Filmschaffen von Beginn an. Er präsentiert die un -<br />
bekanntere Seite des Regisseurs – die Filme, die er in<br />
seiner Kindheit gedreht hat, von Triers Studentenfilme,<br />
Werbefilme und Musikvideos. Darüberhinaus spricht er
über Lars von Trier als einen der bekanntesten und originellsten<br />
gegenwärtigen Autorenfilmer. – BEFRIEL-<br />
SES BILLEDER (BILDER DER BEFREIUNG) – Dänemark<br />
1982 – R: Lars von Trier – B: Lars von Trier, Tom<br />
Elling – K: Tom Elling – M: Ars Nova, Bo Holten – D: Edward<br />
Flemming, Kirsten Olesen – 57 min, OmeU – Lars<br />
von Triers Abschlussfilm an der Dänischen Filmschule,<br />
eine eigenwillige Montage aus altem, dokumentarischem<br />
Material und nachgedrehten fiktiven Szenen.<br />
Kopenhagen im Mai 1945: Ein Wehrmachtsoffizier<br />
flieht aus dem Internierungslager, um seine dänische<br />
Freundin wiederzusehen. Die aber hat sich inzwischen<br />
einer Widerstandsgruppe angeschlossen und feiert mit<br />
ihnen die Kapitulation der Deutschen.<br />
▶ Freitag, 25. Mai 2012, 21.00 Uhr<br />
EUROPA – Dänemark 1990 – R: Lars von Trier – B:<br />
Niels Vørsel, Lars von Trier – K: Henning Bendtsen,<br />
Jean-Paul Meurisse, Edward Klosinski – M: Joakim Holbek<br />
– D: Jean-Marc Barr, Barbara Sukowa, Udo Kier,<br />
Ernst-Hugo Järegard, Eddie Constantine – 112 min,<br />
OmU – Leopold, ein Amerikaner deutscher Abstammung,<br />
arbeitet als Schlafwagenschaffner im Deutschland<br />
unmittelbar nach 1945. Draußen herrscht Finsternis,<br />
und in ihr treiben Werwölfe ihr Unwesen, die den<br />
Krieg noch immer nicht verloren geben wollen. Lars<br />
von Trier arbeitet mit Doppel- und Mehrfachbelichtungen,<br />
schwarz-weißen Bildern, in die wie ein Schock die<br />
Farbe eindringt, und mit farbigen Großaufnahmen von<br />
Gesichtern, in deren Hintergrund der weitere Handlungsablauf<br />
schwarz-weiß projiziert wird. Von Trier begreift<br />
Kino als gigantische Hypnose-Maschine und versucht,<br />
durch einen Erzähler aus dem Off den Zuschauer<br />
in die Geschichte einzubeziehen.<br />
▶ Samstag, 26. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />
29. Mai 2012, 18.30 Uhr<br />
BREAKING THE WAVES – Dänemark 1996 – R+B:<br />
Lars von Trier – K: Robby Müller – M: Joakim Holbek –<br />
D: Emily Watson, Stellan Skarsgård, Katrin Cartlidge,<br />
Jean-Marc Barr, Udo Kier – 159 min, OmU – In einem<br />
abgelegenen Dorf auf den Äußeren Hebriden heiraten<br />
in den 1970er Jahren die strenggläubige, unerfahrene<br />
Bess und der charismatische Bohrinselarbeiter Jan,<br />
den sie abgöttisch liebt. Als er zurück auf die Bohrinsel<br />
muss, scheint sie an dem Abschied zu zerbrechen. Ihr<br />
Gebet für seine baldige Rückkehr wird in tragischer<br />
Konsequenz erhört: Ein Unfall hat den Geliebten lebensgefährlich<br />
verletzt, Jan ist gelähmt, die hochemotionale<br />
Bess gibt sich die Schuld dafür. Nachdem seine bisherigen<br />
Filme von der Existenz des Bösen erzählt hätten,<br />
habe er einen Film machen wollen, in dem »alle treibenden<br />
Kräfte ›gut‹« seien, so von Trier; aber »weil ›das<br />
Gute‹ oft missverstanden wird, weil wir ihm so selten<br />
begegnen, entstehen Spannungen«. »BREAKING THE<br />
WAVES ist in jeder Hinsicht ein Film über Entgrenzung.«<br />
(Antje Flemming)<br />
▶ Sonntag, 27. Mai 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />
30. Mai 2012, 19.00 Uhr<br />
RIGET (HOSPITAL DER GEISTER) – Dänemark 1994 –<br />
R: Lars von Trier – B: Lars von Trier, Niels Vørsel, Tomas<br />
Gislason – K: Eric Kress – M: Joakim Holbek – D: Ernst-<br />
Hugo Järegard, Kirsten Rolffes, Ghita Nørby, Søren Pilmark,<br />
Annevigg Schelde Ebbe, Udo Kier, Otto Brandenburg<br />
– 278 min, OmU – »Wenn die Welt traurig ist,<br />
dann weinen die Kinder. Wenn die Welt schrecklich ist,<br />
dann weinen die Erwachsenen. Aber was ist mit der<br />
Welt, wenn sogar die Häuser anfangen zu weinen?« Im<br />
Reichskrankenhaus von Kopenhagen findet der Geist<br />
des 1919 ermordeten Mädchens Mary erst seine Ruhe,<br />
als sich eine simulierende Patientin, Sigrid Drusse, seiner<br />
annimmt. Doch damit ist das Böse noch längst<br />
nicht aus der Welt verbannt. Lars von Triers zeigt in dieser<br />
Fernsehserie intelligentes, atmosphärisch dichtes,<br />
unheimliches Kino, das eine spirituelle Welt gegen die<br />
der wissenschaftlichen Erklärungen abgrenzt. Absurde<br />
Experimen te und geheime Bruderschaften werden aufgedeckt,<br />
der schwedische Arzt gibt seiner Verachtung<br />
für alles Dänische freien Lauf. Nur das mongoloide<br />
Paar, das in der Küche Teller wäscht, spürt und sieht<br />
mehr als andere und kommentiert die Handlung wie ein<br />
antiker Chor.<br />
▶ Montag, 28. Mai 2012, 18.00 Uhr<br />
RIGET II (HOSPITAL DER GEISTER 2) – Dänemark<br />
1997 – R: Lars von Trier, Morten Arnfred – B: Lars von<br />
Trier, Niels Vørsel, Morten Arnfred – K: Eric Kress – M:<br />
Joakim Holbek – D: Ernst-Hugo Järegard, Kirsten Rolf-<br />
Lars von Trier<br />
71
Lars von Trier<br />
72<br />
DAnceR in THe DARK<br />
fes, Ghita Nørby, Søren Pilmark, Holger Juul Hansen,<br />
Brigitte Raaberg, Baard Owe – 286 min, OmU – Die<br />
zweite Staffel von Lars von Triers eigenwilliger Krankenhausserie,<br />
die nach und nach ihre satirischen Bezüge<br />
verliert und sich mehr dem Schrecken und dem Horror<br />
widmet. »In dieser Nachfolgestaffel fährt von Trier inhaltlich<br />
und inszenatorisch schwerere Geschütze auf.<br />
Seine neuerliche Auseinandersetzung mit der von der<br />
Wissenschaftlichkeit verdrängten spirituellen Welt, in<br />
der durch Überheblichkeit ›Dampf und Kälte zurückgekehrt‹<br />
sind, zeigt den Kampf des Bösen um die Vorherrschaft<br />
und dessen enormen Sog, der alles und jeden<br />
mitzureißen imstande ist.« (Hans Messias) Am Ende<br />
jeder Episode tritt von Trier persönlich auf, fragt den Zuschauer<br />
ebenso süffisant wie provozierend, ob er weiter<br />
bei der Stange bleibt: »Sollten Sie sich wider Erwarten<br />
dazu entschließen, ein wenig Zeit mit uns zu verbringen,<br />
dann sollten sie alles so nehmen, wie es<br />
kommt, das Gute wie das Böse.«<br />
▶ Sonntag, 3. Juni 2012, 18.00 Uhr<br />
IDIOTERNE (IDIOTEN) – Dänemark 1998 – R+B+K:<br />
Lars von Trier – D: Bodil Jørgensen, Jens Albinus, Anne<br />
Louise Hassing, Troels Lyby, Nicolaj Le Kaas – 114 min,<br />
OmU – Die Geschichte einer Mittelklasse-Clique, die<br />
nichts so sehr verabscheut wie ihre Herkunft. Abgeschottet<br />
in einer feudalen Villa, unternehmen die jungen<br />
Leute Feldzüge gegen das Gutbürgerliche, gebaren<br />
sich in der Öffentlichkeit als lallende und sabbernde<br />
Irre, bringen jede Gesellschaft zum Platzen und zwingen<br />
den Mitbürgern Peinlichkeiten ohne Ende auf. In<br />
diesen Kreis gerät die in sich gekehrte Karen. »Abgründe<br />
der Ausbeutung tun sich auch in dieser stressfreien<br />
Gemeinschaft auf. Vom sanften Psychoterror bis<br />
zum erzwungenen Gruppensex reichen die Maßnahmen,<br />
die den vermeintlich paradiesischen Zustand aufrecht<br />
erhalten sollen, im Grunde aber Szenen aus der<br />
Hölle sind.« (Hans Messias)<br />
▶ Freitag, 1. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag, 5. Juni<br />
2012, 18.30 Uhr<br />
DANCER IN THE DARK – Dänemark 2000 – R+B: Lars<br />
von Trier – K: Robby Müller – M: Björk – D: Björk, Catherine<br />
Deneuve, David Morse, Peter Stormare, Joel<br />
Grey, Udo Kier – 140 min, OmU – Anfang der 1960er<br />
Jahre lebt die alleinerziehende Mutter Selma in einem<br />
Wohnwagen in Washington State und arbeitet in einer<br />
Fabrik. Aufgrund einer Erbkrankheit verliert sie rapide<br />
ihr Sehvermögen. Um ihrem Sohn Gene dieses Schicksal<br />
zu ersparen, spart sie jeden Cent für die rettende<br />
Operation. »Die Filmmusik wurde von der isländischen<br />
Sängerin und Performerin Björk komponiert und interpretiert.<br />
Insofern ist das Musical das Ergebnis eines Zusammentreffens<br />
zwischen dem tiefsinnigen Provokateur<br />
von Trier hinter der Kamera und der waghalsigen<br />
Interpretin Björk vor der Kamera. In einer Kollision der<br />
Gegensätze haben die beiden sowohl beeindruckende<br />
Kinomomente als auch abgrundtiefe Irritation geschaffen:<br />
Die Kraft der Stimme, die die Welt verändern kann,<br />
ist auch die Kraft der Verstörung.« (Charles Martig)<br />
▶ Samstag, 2. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch,<br />
6. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
DOGVILLE – Dänemark 2003 – R+B: Lars von Trier –<br />
K: Anthony Dod Mantle – D: Nicole Kidman, Harriet Andersson,<br />
Lauren Bacall, Jean-Marc Barr, James Caan,<br />
Ben Gazzara – 178 min, OmU – Eine Passionsgeschichte<br />
im Stil einer Theateraufführung, die ausschließlich<br />
im Studio mit einem auf dem Boden markierten<br />
Stadtplan sowie echten Kulissen und Geräuschen<br />
gedreht wurde. Ort der Handlung ist das abgelegene<br />
Dorf Dogville, irgendwo in den Rocky Mountains,
dessen Einwohner ein bescheidenes und gleichförmiges,<br />
aber glückliches Leben führen. Hier taucht eines<br />
Tages Grace auf, die auf der Flucht vor Gangstern ist.<br />
Da Grace als Verbrecherin gesucht wird und von den<br />
Dorfbewohnern abhängig ist, wird Grace immer gnadenloser<br />
ausgebeutet, erniedrigt, beleidigt und ver -<br />
gewaltigt. »Lars von Trier erzählt eine ganz einfache Geschichte,<br />
und zugleich gelingt es ihm einmal mehr, das<br />
Kino zum Raum religiös-ethischer Reflexionen über Erlösung<br />
und Vergebung, aber auch soziologischer Reflexionen<br />
über Schein und Sein zu machen.« (Ulrich Kriest)<br />
▶ Mittwoch, 13. Juni 2012, 19.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
15. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
DOGVILLE CONFESSIONS – Dänemark 2003 –<br />
R+B+K: Sami Saif – 53 min, OmeU – Sami Saif hat die<br />
Dreharbeiten zu Lars von Triers Film DOGVILLE beobachtet<br />
und eine sogenannte »confession box« aufgestellt<br />
– ein kleines Beichthaus mit Kamera, der sich<br />
Lars von Trier und seine Stars Nicole Kidman, Stellan<br />
Skarsgård, Lauren Bacall, James Caan und andere<br />
während der Dreharbeiten anvertrauten. – A CONVER-<br />
SATION WITH LARS VON TRIER – Kanada 2005 –<br />
R+B+K: Eva Ziemsen – M: Peter Aalbaek Jensen –<br />
15 min, engl.OF – Die Filmemacherin Eva Ziemsen war<br />
entschlossen, ihr Vorbild Lars von Trier zu interviewen,<br />
auch wenn es bedeutete, dem Regisseur nackt gegenüber<br />
zu sitzen … – DIMENSION 1991-2024 – Dänemark<br />
2010 – R: Lars von Trier – B: Lars von Trier, Niels<br />
Vørsel – D: Jean-Marc Barr, Katrin Cartlidge, Eddie Constantine,<br />
Udo Kier, Stellan Skarsgård – 27 min, engl.OF<br />
– Ein abgebrochenes Projekt von Lars von Trier, bei dem<br />
er jedes Jahr drei Minuten Film ohne Drehbuch herstellen<br />
wollte, 33 Jahre lang.<br />
▶ Samstag, 16. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
DE FEM BENSPAEND (THE FIVE OBSTRUCTIONS –<br />
DIE FÜNF HINDERNISSE) – Dänemark 2004 – R: Jørgen<br />
Leth, Lars von Trier – K: Dan Holmberg – M: Henning<br />
Christiansen, Fridolin Nordsø, Kristian Leth – D:<br />
Jørgen Leth, Lars von Trier, Jacqueline Arenal, Daniel<br />
Hernández Rodriguez, Patrick Bauchau – 90 min, OmU<br />
– Lars von Triers Hommage an den Regisseur des Kurzfilms<br />
THE PERFECT HUMAN (1967), Jørgen Leth. Gemeinsam<br />
entwickeln sie ein System, nach dem Leth<br />
seinen eigenen Klassiker fünf Mal nacheinander adaptieren<br />
soll: mit Kuba als Drehort und mit nur zwölf Bildern<br />
pro Einstellung, in einem Armenviertel in Bombay<br />
spielend, mit völlig frei entschiedenen formalen und inhaltlichen<br />
Vorgaben, als Animationsfilm. »THE FIVE OB-<br />
STRUCTIONS offenbart sich primär als filmische Liebeserklärung:<br />
an einen Menschen und dessen Arbeit<br />
sowie an das Kino schlechthin.« (Claus Löser)<br />
▶ Sonntag, 17. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
OCCUPATIONS – Dänemark 2007 – R+B+K: Lars von<br />
Trier – D: Lars von Trier, Jacques Frantz – 3 min, OmU<br />
– Lars von Trier wird von einem penetranten Geschäftsmann<br />
belästigt, der während der Vorstellung von MAN-<br />
DERLAY neben ihm im Kino sitzt. – MANDERLAY – Dänemark<br />
2005 – R+B: Lars von Trier – K: Anthony Dod<br />
Mantle – D: Bryce Dallas Howard, Willem Dafoe, Isaach<br />
de Bankolé, Danny Glover, Lauren Bacall – 139 min,<br />
OmU – Bühnenartige Sets wie in DOGVILLE, diesmal allerdings<br />
spielt Bryce Dallas Howard die Gangstertochter<br />
Grace. Diese hat es an die Tore einer Baumwollplantage<br />
verschlagen, in der im Jahr 1933 noch immer das<br />
Gesetz der Sklaverei herrscht, was Grace nicht akzeptieren<br />
will. Sie trotzt ihrem Vater einen Teil seiner Bande<br />
ab und entlässt die Sklaven unter ihrer Aufsicht in die<br />
Freiheit – mit der diese nicht viel anzufangen wissen.<br />
Lars von Trier<br />
73<br />
mAnDeRlAy
Lars von Trier<br />
74<br />
Lars von Trier: »Was Grace fehlt, ist politischer Pragmatismus:<br />
sie ist halt zu dumm und zu idealistisch. Und<br />
viel zu emotional. So sollte man in der Politik nicht sein,<br />
weil man so nichts erreicht.«<br />
▶ Dienstag, 19. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
22. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
DIREKTØREN FOR DET HELE (THE BOSS OF IT ALL) –<br />
Dänemark 2006 – R+B: Lars von Trier – K: Claus Rosenløv<br />
Jensen – D: Jens Albinus, Peter Gantzler, Benedikt<br />
Erlingsson, Iben Hjelje, Fridrik Thór Fridriksson –<br />
99 min, OmU – Eine Bürokomödie über die Mechanismen<br />
des globalisierten Kapitalismus. In einer IT-Firma<br />
müssen unangenehme Entscheidungen getroffen werden.<br />
Ravn, dem harmoniesüchtigen Chef, behagen die<br />
Konsequenzen seiner Führungsrolle jedoch gar nicht,<br />
weshalb er einen Vorgesetzten in den USA erfindet. In<br />
seiner Not engagiert er den erfolglosen Schauspieler<br />
Christoffer, der diese Rolle improvisierend spielen<br />
muss. Lars von Trier hat für diesen Film ein formales<br />
Verfahren entwickelt, das die Improvisation der Schauspieler<br />
bestens unterstützt: Mit der Aufnahmetechnik<br />
Automavision wird ein vorher exakt festgelegter Bildausschnitt<br />
durch einen Computer mit Zufallsgenerator<br />
neu definiert und die ursprüngliche Harmonie zerstört.<br />
▶ Mittwoch, 20. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Samstag,<br />
23. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
ANTICHRIST – Dänemark 2009 – R+B: Lars von Trier<br />
– K: Anthony Dod Mantle – D: Willem Dafoe, Charlotte<br />
Gainsbourg – 109 min, OmU – In drei Kapiteln, gerahmt<br />
von Prolog und Epilog, entfaltet sich die Geschichte<br />
eines namenlosen Ehepaars, das eingangs<br />
seinen kleinen Sohn verliert und schwer an diesem Verlust<br />
zu tragen hat. Um die Agonie seiner Frau zu kurieren,<br />
nimmt ihr Mann, ein Therapeut, die Behandlung in<br />
die eigenen Hände. Dabei wird deutlich, dass über den<br />
Verlust des Kindes hinaus schwer benennbare Ängste<br />
die Frau erdrücken. »Ein verstörender, mit apokalyptischen<br />
Bildern aufgeladener Horrortrip in menschliche<br />
Abgründe, dessen barock wucherndes Zeichenarsenal<br />
eine Vielzahl an Deutungen von psychologischen Lesarten<br />
bis mythologischen Versuchen ermöglicht. Wollte<br />
man es begrifflich auf Schlagwörter bringen, dann handelt<br />
ANTICHRIST von Sex und Schuld, Misogynie und<br />
Rationalität, Herrschaft und Hexerei, Paradies und<br />
Hölle.« (Josef Lederle)<br />
▶ Sonntag, 24. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />
26. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
MELANCHOLIA – Dänemark 2011 – R+B: Lars von<br />
Trier – K: Manuel Alberto Claro – D: Kirsten Dunst,<br />
Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, Jesper Christensen,<br />
Charlotte Rampling, John Hurt, Udo Kier –<br />
135 min, OmU – Das erste Kapitel widmet sich Justine,<br />
der ihre Schwester Claire eine glamouröse und perfekt<br />
organisierte Hochzeit auf dem Landsitz ihres Mannes<br />
ausrichtet. Doch Justines Depression lässt sich immer<br />
weniger unterdrücken. Der zweite Teil des Films trägt<br />
Claires Namen. Er ist von der Nachricht geprägt, dass<br />
ein Planet, Melancholia, an den nächsten Tagen knapp<br />
an der Erde vorbeirasen soll. »Leben gibt es nur auf der<br />
Erde – und nicht für lange Zeit: Vielleicht ist diese im<br />
Film formulierte Einsicht, die tatsächlich Grund zur Melancholie<br />
geben kann, die tiefere Motivation für diesen<br />
Film. Je näher dieses Ende rückt, umso zärtlicher erscheint<br />
nun auch der Blick des Regisseurs auf seine Figuren.«<br />
(Rüdiger Suchsland)<br />
▶ Mittwoch, 27. Juni 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
29. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
melAncHOliA
Das Kino träumt<br />
HUgO<br />
Drei Filme, die im letzten Jahr Premiere hatten, Anfang<br />
2012 in den deutschen Kinos anliefen und bei der<br />
Oscar-Verleihung 2012 als Favoriten gelten, beschäftigen<br />
sich mit der Filmgeschichte: Martin Scorseses<br />
HUGO setzt dem Filmpionier Georges Méliès ein Denkmal,<br />
Michel Hazanavicius’ THE ARTIST widmet sich<br />
dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, Simon Curtis’<br />
MY WEEK WITH MARILYN zeigt die Ereignisse während<br />
der Dreharbeiten zu THE PRINCE AND THE SHOWGIRL<br />
von Laurence Olivier (der im Filmmuseum am 26. Juli<br />
zu sehen ist). In Zeiten, in denen das Filmmaterial zugunster<br />
digitaler Daten verschwindet und die letzten<br />
klassischen Einzelkinos schließen, üben sich die Filme<br />
in Nostalgie und beschwören die große Kinozeit in aufwändigen<br />
Filmproduktionen.<br />
THE ARTIST erzählt seine Geschichte in Schwarzweiß<br />
und als Stummfilm, wobei ihm das Kunststück gelingt,<br />
nicht bloß Stummfilmklischees nachzuahmen, sondern<br />
einen ganz eigenen Charme und Stil zu entwickeln. MY<br />
WEEK WITH MARILYN beschwört die 1950er standesgemäß<br />
in CinemaScope und Farbe und zeigt eine umwerfende<br />
Michelle Williams. Martin Scorsese rekonstruiert<br />
akribisch genau das Glashaus-Studio von Georges<br />
Méliès und lässt Ben Kingsley in der Rolle des vereinsamten<br />
Méliès brillieren, der mit seiner eigenen Vergangenheit<br />
bereits abgeschlossen hat. Am Ende von<br />
HUGO werden die alten Filme von Méliès plötzlich auch<br />
dreidimensional – womit Scorsese vorausgreift, was<br />
Regisseure wie George Lucas und James Cameron im<br />
Frühjahr 2012 mit der Wiederaufführung ihrer Filme<br />
STAR WARS und TITANIC versuchen: Die 3D-Technik<br />
soll die alten Filme »zeitgemäß« erneuern. Ob solche<br />
technischen Eingriffe Klassiker wirklich »verbessern«,<br />
sei dahingestellt – die Einspielergebnisse werden die<br />
Entscheidung beeinflussen, ob noch weitere große<br />
Klassiker kostenträchtig in 3D konvertiert werden. Angeblich<br />
wird dies mit einigen Chaplin-Filmen schon versucht<br />
…<br />
Dass der Traum des Kinos, die dritte Dimension erfahrbar<br />
zu machen, nicht neu ist und seit Beginn der Filmgeschichte<br />
immer präsent war, zeigt der Vortrag »Geschichte<br />
des 3D-Films«. Er präsentiert 3D-Filmbeispie -<br />
le von 1900 bis heute, darunter Filme von Georges<br />
Méliès, die dieser mit einer synchronisierten Doppel -<br />
kamera gedreht hat und die man heute tatsächlich<br />
ohne nachträgliche Konvertierung in 3D vorführen<br />
kann. Der Vortrag zeigt aber auch, dass die 3D-Wellen<br />
im Kino immer wieder verebbt sind und eine völlige Umstellung<br />
der Filmproduktion auf 3D wohl noch einige<br />
Zeit ein Traum bleiben wird. Stefan Drößler<br />
Das Kino träumt<br />
75
Das Kino träumt<br />
76<br />
GESCHICHTE DES 3D-FILMS – Vortrag mit Filmbeispielen<br />
von Stefan Drößler – 121 min – Mit seltenem<br />
historischem Bildmaterial, 3D-Filmausschnitten und<br />
der Erläuterung der verschiedenen technischen Systeme<br />
unternimmt Stefan Drößler einen Streifzug durch<br />
eine parallele Filmgeschichte. Verblüffenderweise ha -<br />
ben bereits die Pioniere des Films, Max Skladanowski,<br />
Louis Lumière und Georges Méliès, bewusst oder unbewusst<br />
mit stereoskopischen Aufnahmeverfahren experimentiert.<br />
Während der Olympischen Spiele 1936<br />
wurden in Deutschland die ersten 3D-Filme hergestellt,<br />
1945 entstand in der Sowjetunion der erste abendfüllende<br />
3D-Spielfilm der Filmgeschichte. Erfolgreiche<br />
Versuche in Ungarn und Großbritannien läuteten dann<br />
1953 die erste große 3D-Welle in Hollywood ein, die<br />
nächste bezog Anfang der 1980er Jahre auch Europa<br />
und Asien mit ein. Das digitale Kino ermöglicht nun seit<br />
einigen Jahren eine noch weiter verbesserte 3D-Projektion,<br />
doch es stellt sich die Frage: Braucht das Kino<br />
das 3D wirklich? Wird das Interesse nicht wie in der<br />
Vergangenheit nach kurzer Zeit schon nachlassen?<br />
▶ Donnerstag, 7. Juni 2012, 19.00 Uhr<br />
HUGO (HUGO CABRET) – USA 2011 – R: Martin Scorsese<br />
– B: John Logan, nach dem Roman von Brian<br />
Selznick – K: Robert Richardson – M: Howard Shore –<br />
D: Asa Butterfield, Chloe Grace Moretz, Ben Kingsley,<br />
Sacha Baron Cohen, Christopher Lee, Jude Law –<br />
126 min, OF, 3D – »Erst als sich das Geheimnis um Méliès<br />
lüftet, zieht uns HUGO in seinen Bann. In Rückblenden<br />
sieht man den Visionär das erste Filmstudio der<br />
Welt bauen und liebevoll special effects kreieren. Originalclips<br />
der ersten Werke der Lumière-Brüder und von<br />
Méliès lassen das Herz von Film-Aficionados höherschlagen.<br />
Von da an packt uns HUGO emotional am<br />
Kragen, und lässt uns nicht mehr los. Die Faszination<br />
des bewegten Bilds, die Tragik des vergessenen Genies,<br />
die Generationen-übergreifende Sehnsucht nach<br />
Magie im Alltag, das alles transportiert Scorsese meisterhaft<br />
in ein bewegendes Finale.« (Catharina Steiner)<br />
▶ Freitag, 8. Juni 2012, 21.00 Uhr<br />
THE ARTIST – Frankreich 2011 – R+B: Michel Hazanavicius<br />
– K: Guillaume Schiffman – M: Ludovic Bource<br />
– D: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, John Goodman,<br />
James Cromwell, Penelope Ann Miller – 100 min, engl.<br />
OF – »Für einen Stummfilm-Star bedeutet die Umstellung<br />
der Hollywood-Industrie auf die Talkies Ende der<br />
1920er Jahre das Ende seiner Karriere und ein persönliches<br />
Desaster. Ein Starlet, das ihn liebt und das mit<br />
der Veränderung des Mediums groß herauskommt, versucht,<br />
ihn zu retten. Als Hommage auf die Erzählkunst<br />
des frühen Kinos verzichtet der Film auf Farbe, Geräusche<br />
und Sprache und zündet ein Feuerwerk an Inszenierungseinfällen,<br />
um die ureigensten Ausdrucksmittel<br />
des filmischen Mediums hochleben zu lassen. Eine genussvolle,<br />
elegante Beschwörung der Zeitlosigkeit und<br />
Magie des Kinos.« (Felicitas Kleiner)<br />
▶ Samstag, 9. Juni 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag,<br />
12. Juni 2012, 18.30 Uhr<br />
MY WEEK WITH MARILYN (MEINE WOCHE MIT MA-<br />
RILYN) – GB 2011 – R: Simon Curtis – B: Adrien Hodges,<br />
nach dem Buch von Colin Clark – K: Ben Smithard<br />
– M: Conrad Pope – D: Michelle Williams, Eddie Redmayne,<br />
Julia Ormond, Kenneth Branagh, Dougray Scott,<br />
Judi Dench – 99 min, OmU – Eine Woche bei den Dreharbeiten<br />
zu THE PRINCE AND THE SHOWGIRL mit Marilyn<br />
Monroe, Laurence Olivier und, als dritter Assistent,<br />
Colin Clark. »Der Film stellt recht genau die damaligen<br />
Dreharbeiten in den Pinewood Studios nach. Doch das<br />
interessiert kaum, ebensowenig wie das, was in dieser<br />
berühmten Woche passiert sein soll. Was zählt ist die<br />
Performance von Michelle Williams. Sie zeigt so viele<br />
Facetten Marilyns, die öffentliche und die private, die<br />
echte und die gespielte. Wir haben Monroe nicht näher<br />
gekannt, aber wir glauben, dass sie so oder so ähnlich<br />
gewesen sein muss.« (Roger Ebert)<br />
▶ Sonntag, 10. Juni 2012, 21.00 Uhr
Zuschauerkino<br />
?<br />
Zweimal im Jahr bietet das Zuschauerkino des <strong>Münchner</strong><br />
Filmzentrums (MFZ) allen, die Filme machen, die<br />
Gelegenheit, ihre Filme auf der Leinwand des Filmmuseums<br />
zu sehen und andere Filmemacher zu treffen.<br />
Filme einreichen können alle, die einen Kurzfilm gedreht<br />
haben, egal ob Profi oder Amateur, unabhängig<br />
vom Inhalt oder Format des Films, ob Spielfilm oder Dokumentation,<br />
Real- oder Animationsfilm. Es können nur<br />
Filme gezeigt werden, die persönlich von Beteiligten<br />
vorgestellt werden. Im Anschluss an die Vorführung bietet<br />
das MFZ eine Begegnungsmöglichkeit, damit Teilnehmer<br />
und Zuschauer noch leichter miteinander ins<br />
Gespräch kommen können (für Erfrischungen ist gesorgt).<br />
Dies sind die Spielregeln: Die Filme müssen bis zum<br />
14. Juni 2012 im Filmmuseum eingereicht werden.<br />
Möglich sind die Formate 35mm, 16mm, DigiBeta,<br />
BetaSP, VHS, MiniDV, DVD und Blu-ray (keine Down -<br />
load-Links). Zugelassen werden nur Filme bis zu 15 Minuten<br />
Länge und maximal zwei Filme desselben Filmemachers.<br />
MFZ und Filmmuseum behalten sich vor,<br />
Filme nicht zuzulassen, wenn sie als für die Veranstaltung<br />
ungeeignet eingestuft werden. Sollten mehr Filme<br />
angemeldet werden als Vorführzeit zur Verfügung steht,<br />
werden die Veranstalter eine Auswahl treffen, wobei die<br />
Reihenfolge der Anmeldungen berücksichtigt wird. Alle<br />
Filmemacher, deren Filme im Programm gezeigt werden,<br />
können an der Kasse bis zu fünf Freikarten für den<br />
Zuschauerkino-Filmabend erhalten. Darüber hinaus bestehen<br />
keine weiteren Verpflichtungen des Filmmuseums.<br />
Es wird vorausgesetzt, dass die Filmemacher<br />
über die Rechte an den von ihnen eingereichten Filmen<br />
verfügen und diese am Abend vor der Projektion kurz<br />
vorstellen.<br />
Kontakt: E-Mail (zuschauerkino@yahoo.de), Telefon<br />
(089-233 20538), Fax (089-233 23931) oder Post<br />
(Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1, 80331<br />
München).<br />
▶ Donnerstag, 28. Juni 2012, 19.00 Uhr (Die Filme -<br />
macher sind anwesend)<br />
Zuschauerkino<br />
77
Zum 50. Todestag von Marilyn Monroe<br />
Marilyn Monroe<br />
78<br />
THe Seven yeAR iTcH<br />
Marilyn Monroe –<br />
Ich möchte geliebt werden<br />
Über Marilyn ist alles gesagt, geschrieben und spekuliert<br />
worden. Hunderte Annäherungen. Hunderte Versionen<br />
ihrer Herkunft, ihrer Karriere und ihres Todes. In<br />
meinem Film habe ich versucht, möglichst nur Menschen<br />
vor die Kamera zu holen, die sie nachweislich gekannt<br />
haben. Die meisten von ihnen leben heute nicht<br />
mehr. Meine Überlegungen zu Marilyn sind das Ergebnis<br />
dessen, was meine Gesprächspartner mir On- und<br />
Off-Kamera erzählt haben.<br />
Über ihren Tod<br />
Für mich besteht kein Zweifel, dass Marilyn ermordet<br />
worden ist. Über einen überdosierten Einlauf, den ihr<br />
ihre Haushälterin, eine ausgebildete Krankenschwester,<br />
verabreicht hat. Die entsprechenden Ergebnisse der<br />
Autopsie verschwanden, wie mir der bei der Autopsie<br />
anwesende Staatsanwalt erzählt hat. Vermutlich haben<br />
Robert Kennedy und der Polizeichef von Los Angeles<br />
dann dafür gesorgt, dass Marilyns Tod als »vermutlich<br />
Selbstmord« dargestellt wurde.<br />
Robert Kennedy, einer der letzten Lover und Besucher<br />
Marilyns, hatte starkes Interesse, ihren Tod als Selbstmord<br />
darzustellen. Weil sie sich von den Kennedys abgeschoben<br />
fühlte, hatte Marilyn damit gedroht, ihre Affäre<br />
mit den Kennedy-Brothers publik zu machen, was<br />
vernichtend für deren Reputation gewesen wäre. Und<br />
eine Untersuchung in Sachen Mord hätte die Beziehung<br />
zu den Kennedys offenbart. Und genau das war<br />
offenbar der Grund für Marilyns Ermordung – ihr Tod<br />
sollte die Kennedys vorführen und politisch vernichten.<br />
Es scheint heute immer wahrscheinlicher, dass Marilyns<br />
Haushälterin im Auftrag der Mafia handelte. Die<br />
Mafia hatte JFK geholfen, Präsident der USA zu werden.<br />
Teil des Deals war es offenbar, dass die Kennedys<br />
im Gegenzug die Mafia in Ruhe operieren lassen sollten.<br />
Als Robert Kennedy dann begann, gegen die Mafia<br />
vorzugehen, wurde das als Bruch der Absprache empfunden.<br />
Als der Mafia-Plot über die Ermordung Marilyns<br />
nicht funktionierte, die Kennedys zu beschädigen<br />
und zu warnen, nahm das organisierte Verbrechen JFK<br />
und Robert Kennedy selbst ins Visier. Erfolgreich, wie<br />
man weiß.
Was über ihre Karriere zu sagen ist<br />
Marilyn hat ein Leben lang andere ausgebeutet – und<br />
ist ein Leben lang von anderen ausgebeutet worden.<br />
Als sie ganz am Anfang in einer internen Studio-Revue<br />
auftreten sollte, bootete sie ihre beste Freundin durch<br />
eine Intrige aus. Ihre erste bemerkenswerte Filmrolle<br />
bekam sie, weil sie mit einem dreimal so alten Agenten<br />
eine Affäre begann. Marilyn war alles andere als das<br />
naive Blondchen. Sie war smart, immer auf ihren Vorteil<br />
bedacht und sie konnte über Leichen gehen, um ihre<br />
Ziele zu erreichen.<br />
Und sie begriff als einer der ersten Stars die Macht der<br />
Medien. Sie spielte genial auf der Medien-Klaviatur. Marilyn<br />
war, lange bevor sie eine Filmkamera sah, das am<br />
meisten photographierte Mädchen Amerikas: Tausende<br />
Titelbilder irgendwelcher Magazine, Millionen Fotos.<br />
Mit den meisten Photographen fing sie eine Affäre an –<br />
und wenn einer einmal nicht wollte, verfiel sie in Depression.<br />
Sie wollte geliebt werden. Immer. Ähnlich wie<br />
James Dean hat sie die Photographie bis zum Ende<br />
ihres Lebens ganz bewusst und brillant zur Selbst-Promotion<br />
eingesetzt.<br />
Sie hat mit bemerkenswerten Regisseuren gearbeitet,<br />
aber seltsamerweise waren ihre Filme nur selten so gut<br />
wie sie in ihnen war. Sie glaubte, schauspielerisch dazulernen<br />
zu müssen, begab sich in die Gewalt einer<br />
Acting-Trainerin, die alle Regisseure und Produzenten<br />
zur Verzweiflung trieb, und lieferte sich dann den Ausbeutungs-Mechanismen<br />
des Actors-Studio aus, weil<br />
sie hoffte, so zur Popularität auch noch das Prestige geliefert<br />
zu bekommen. Nicht nur in diesem Fall steckte<br />
Marilyn einmal mehr in einer Give-and-Take-Situation.<br />
Meine Marilyn-Vision artikuliert sich übrigens am<br />
schönsten in Filmen wie NIAGARA, GENTLEMEN PRE-<br />
FER BLONDES, BUS STOP, RIVER OF NO RETURN und<br />
SOME LIKE IT HOT. Egal unter welchen Qualen bei allen<br />
Beteiligten Filme wie diese entstanden – für mich sind<br />
diese Filme »ihre« Filme, wenn ich an Marilyn denke.<br />
Und was ihre Herkunft angeht<br />
Es gibt die süße Geschichte, dass das Waisenkind Marilyn<br />
im Bettchen lag, durch das Fenster den Wasserturm<br />
des Filmstudios sah und davon träumte, dort in<br />
diesem Studio ein Star zu werden. Dann gibt es die Geschichte<br />
von der angeblich geistesgestörten Mutter, die<br />
Klein-Marilyn abgeschoben hat und von den mal guten,<br />
mal bösen Pflegeeltern. Und dann die Geschichte vom<br />
Vater, der sich abgesetzt hat und den Marilyn nur einmal<br />
am Telefon gesprochen hat, woraufhin Dad erklärte,<br />
nicht mehr belästigt werden zu wollen. Alles Geschichten,<br />
die uns einfach zwingen, dieses vom Leben<br />
gezeichnete und missbrauchte Mädchen zu lieben, das<br />
dann in einer Fallschirm-Fabrik schuftete bis Ronald<br />
Reagans Propaganda-Mannen ihr Gesicht und wahrscheinlich<br />
nicht nur die Ausstrahlung ihres Gesichts<br />
entdeckten.<br />
Was da geboren wurde und was bis heute bleibt ist das<br />
Phänomen Marilyn Monroe:<br />
Es gibt zahllose Theorien, warum Marilyn Monroe zum<br />
Star der Stars wurde. Sicher spielt ihre Verletzlichkeit<br />
eine große Rolle, wobei sich die Frage stellt, ob wir da<br />
nicht ganz brav ihre private Problematik auf ihre Leinwand-Präsenz<br />
projizieren.<br />
Sicher spielt eine dominierende Rolle ihre Ausstrahlung<br />
auf den Photos und vor der Kamera. Die Kamera hat sie<br />
geliebt wie selten jemanden zuvor. Alles andere zählt<br />
vielleicht nicht.<br />
Kluge Analytiker haben festgestellt, dass das Phänomen<br />
Marilyn auch eine Kombination diverser Mythen<br />
ist: Sie ist einerseits der verführerische Vamp, auf den<br />
Marilyn Monroe<br />
79
Marilyn Monroe<br />
die Männer heftig reagieren. Und sie ist andererseits<br />
die fast hilflose, naive Unschuld, die bei den Frauen im<br />
Publikum den Beschützer-Instinkt weckt. Der Effekt ist<br />
jedenfalls, dass die Frauen den Vamp Marilyn nicht als<br />
Bedrohung empfinden.<br />
Legendär sind die Anekdoten von Marilyn als Set-Phänomen:<br />
Sie tauchte nie pünktlich auf, weil sie sich stundenlang<br />
in ihrer Garderobe verschanzte. Und sie konnte<br />
sich keinen Dialog merken. Sie stand mit ihren Problemen<br />
immer im Zentrum des Geschehens, was ihre<br />
Partner oft zu Wutausbrüchen hinriss, denn immer<br />
wenn Marilyn endlich einmal eine Einstellung gelang,<br />
wurde diese genommen, egal wie gut oder schlecht<br />
ihre Partner sein mochten.<br />
Marilyn schaffte es auch da immer, »geliebt« zu werden,<br />
alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber es ist<br />
ja auch, wie einer ihrer Freunde einmal sagte: Gleichgültig,<br />
wie nervtötend es war mit ihr zu arbeiten, wenn<br />
man dann die Muster sah, war alles vergessen …<br />
Und die private Marilyn?<br />
Ich glaube, eine private Marilyn existierte nicht. Sie inszenierte<br />
ihr Leben wie einen Film. Sie nahm sich gezielt<br />
die Männer, von denen sie sich etwas versprach –<br />
eine Hollywood-Karriere, zusätzliche Popularität bei den<br />
Sport-Fans oder zusätzliche Anerkennung bei der Intelligenz.<br />
Ich würde nicht sagen, dass alles an und um Marilyn<br />
nur Berechnung war, aber sie führte als einer der ersten<br />
Stars eine Art öffentlicher Existenz. Und ob sie wirklich<br />
eine Familie gründen und unbedingt ein Kind<br />
haben wollte, ist vielleicht auch nur wieder eine dieser<br />
herzzerreißenden Marilyn-Geschichten, die uns zwingen<br />
sollen, sie zu lieben.<br />
Schon klar, dass Marilyn in manchen Momenten sicher<br />
wusste, wer sie wirklich war und darüber mit viel Alkohol<br />
und anderen Drogen hinweg kommen wollte und<br />
musste. Ohne Skandale und Schwächen – auch das<br />
hat Marilyn sehr früh begriffen, spätestens als sie »aus<br />
Not« Nacktfotos machte – gibt es keine nachhaltige<br />
Karriere. Das war schon eine Lektion der Stummfilm-<br />
Stars.<br />
Und Marilyn Monroe unterhält und fasziniert uns auch<br />
heute immer noch mit ihren Inszenierungen vor und<br />
hinter der Kamera.<br />
Sie ist in der Götterwelt Hollywoods Aphrodite und Apoll,<br />
Artemis und eben auch Zeus. Forever.<br />
Eckhart Schmidt<br />
80<br />
RiveR OF nO ReTURn
MARILYN MONROE – MIT IHREN EIGENEN WORTEN<br />
– Deutschland 2007 – R+B: Eckhart Schmidt – K:<br />
Steve Etkins – M: Toti Basso – 30 min – »Der Film ist<br />
faszinierend, weil er Marilyns Standpunkte aus Print-Interviews<br />
zu allen Fragen von Ehe, Beruf, Sex, Karriere,<br />
Hollywood wiedergibt. Und er funktioniert wie ein Trailer<br />
zu meinem eigentlichen Marilyn-Film.« (Eckhart<br />
Schmidt) – MARILYN MONROE – ICH MÖCHTE GE-<br />
LIEBT WERDEN – Deutschland 2011 – R+B: Eckhart<br />
Schmidt – K: Steve Etkins, Hans Albrecht Lusznat, Thomas<br />
Rist, Jens Thiele, Mark Molesworth – M: Toti<br />
Basso – Mit Mickey Rooney, Tony Curtis, Jane Russell,<br />
Don Murray, John Gilmore, George Barris, Arnold<br />
Newman, Douglas Kirkland, Diane Herbert, Lawrence<br />
Schiller, Bob Willoughby, Murray Garrett, Peter Bogdanovich,<br />
Steven Gaydos, Milton Weiss, John W.Miner –<br />
90 min – Eckhart Schmidt lässt vor allem Zeugen zu<br />
Wort kommen, die Marilyn Monroe wirklich gekannt<br />
haben, die mit ihr befreundet waren und mit ihr gearbeitet<br />
haben. Der Film konzentriert sich auf die Kindheit,<br />
die Karriere, die Männer-Geschichten und die<br />
Träume und Traumata von Marilyn, und macht schließlich<br />
die Ereignisse nachvollziehbar, die zu ihrem Tod geführt<br />
haben.<br />
▶ Sonntag, 8. Juli 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Eckhart<br />
Schmidt)<br />
THE ASPHALT JUNGLE (ASPHALT-DSCHUNGEL) –<br />
USA 1950 – R: John Huston – B: Ben Maddow, John<br />
Huston, nach einem Roman von W. R. Burnett – K:<br />
Harold Rosson – M: Miklós Rózsa – D: Sterling Hayden,<br />
Louis Calhern, Sam Jaffe, Jean Hagen, James<br />
Whitmore, John McIntire, Marc Lawrence, Marilyn<br />
Monroe, Barry Kelley – 112 min, OF – Gerade aus der<br />
Haft entlassen, plant Dix Handley ein letztes ganz<br />
großes Ding. Er stellt ein ideales Team zusammen,<br />
nichts wird dem Zufall überlassen, der Raub soll wie<br />
ein Uhrwerk ablaufen, und dann raus aus dem Asphaltdschungel<br />
der Stadt, aufs Land, ins Grüne. Ein Pferdehof<br />
wäre sein Traum. THE ASPHALT JUNGLE war der<br />
erste Kriminalfilm, der aus der Perspektive der Täter<br />
erzählte. Keine Figur spielt mit offenen Karten, alle bemühen<br />
sich ihre Emotionen zu verbergen, doch was im<br />
Inneren geschieht, verrät uns Miklós Rózsas Musik voll<br />
irrationaler romantischer Sehnsucht. Marilyn spielt die<br />
Geliebte eines korrupten Rechtsanwalts, die dieser als<br />
seine Nichte vorstellt. »Crime is a left-handed form of<br />
human endeavour.« (Sam Jaffe als Doc Erwin Riedenschneider)<br />
▶ Dienstag, 10. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
13. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
ALL ABOUT EVE (ALLES ÜBER EVA) – USA 1950 –<br />
R+B: Joseph L. Mankiewicz – K: Milton Krasner – M:<br />
Alfred Newman – D: Bette Davis, George Sanders,<br />
Anne Baxter, Celeste Holm, Hugh Marlowe, Gregory Ratoff,<br />
Marilyn Monroe – 138 min, OmU – Ein alternder<br />
Broadwaystar (Davis) gerät unter den Einfluss einer jungen<br />
Schauspielerin (Baxter), hinter deren Bewunderung<br />
sich ganz eigene Pläne verbergen. Marilyn Monroes<br />
kleine Rolle erregte großes Aufsehen, ihre beiden Szenen<br />
leiten jeweils entscheidende Wendepunkte ein.<br />
Man findet darin schon viele der Charakteristika, auf<br />
die sie später festgelegt wurde und gegen die sie oft<br />
erfolglos aufbegehrte. Die Starbesetzung jagte ihr<br />
schreckliche Angst ein, doch Regisseur Mankiewicz<br />
gab ihr die nötige Lockerheit. Der Kollege Gregory Ratoff<br />
prophezeite am Set »That girl ees goink to be a<br />
beeg star!«<br />
▶ Mittwoch, 11. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag,<br />
14. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
LOVE NEST – USA 1951 – R: Joseph M. Newman – B:<br />
I.A.L. Diamond, nach einem Roman von Scott Corbett –<br />
K: Lloyd Ahern – M: Cyril Mockridge – D: June Haver,<br />
William Lundigan, Frank Fay, Marilyn Monroe, Jack<br />
Paar, Leatrice Joy – 84 min, OF – Ein Schriftsteller und<br />
seine Frau investieren in ein Mietshaus, doch anstatt<br />
endlich Zeit fürs Schreiben zu haben, beanspruchen<br />
die Aufregungen rund um die Mieter ihre ganze Aufmerksamkeit.<br />
Eine witzige und abwechslungsreiche<br />
Komödie der Irrungen, unkonventionell besetzt und mit<br />
einer nicht klischierten Rolle für Marilyn Monroe als<br />
ehemaliges Mitglied des militärischen Frauenkorps.<br />
Das temporeiche und pointierte Drehbuch von I.A.L.<br />
Diamond (der regelmäßig mit Billy Wilder arbeitete)<br />
führt souverän durch die Verwicklungen der Handlung.<br />
▶ Donnerstag, 12. Juli 2012, 20.00 Uhr<br />
CLASH BY NIGHT (VOR DEM NEUEN TAG) – USA<br />
1952 – R: Fritz Lang – B: Alfred Hayes, nach einem<br />
Stück von Clifford Odets – K: Nicholas Musuraca – M:<br />
Roy Webb – D: Barbara Stanwyck, Paul Douglas, Robert<br />
Ryan, Marilyn Monroe, Keith Andes, J. Carroll<br />
Naish – 105 min, OF – Desillusioniert und hart geworden,<br />
kehrt ein Frau aus der Großstadt in den kleinen<br />
Fischerort ihrer Jugend zurück. Aus Sehnsucht nach<br />
Geborgenheit gibt sie dem Werben eines Fischers nach,<br />
doch sie hat sehr viel Seelengepäck mitgebracht. Parallel<br />
dazu wird die Geschichte eines jungen Paares im<br />
Ort erzählt. »Mehr als Barbara Stanwyck in der Hauptrolle<br />
überzeugt dabei Marilyn Monroe, die man bislang<br />
wohl noch nie so nett und natürlich und so angenehm<br />
Marilyn Monroe<br />
81
Marilyn Monroe<br />
82<br />
ihrer koketten Unarten entkleidet sah.« (Franziska Violet)<br />
Stilistisch ist CLASH BY NIGHT weniger Melodram<br />
als film noir, und der Beginn gleicht gar einem kompakten<br />
Dokumentarfilm: Die Dreharbeiten begannen mit<br />
Verzögerung, und so hatten Fritz Lang und sein Team<br />
Gelegenheit, die Arbeit der Fischer zu begleiten.<br />
▶ Freitag, 13. Juli 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />
15. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
WE’RE NOT MARRIED! (WIR SIND GAR NCHT VER-<br />
HEIRATET) – USA 1952 – R: Edmund Goulding – B:<br />
Nunnally Johnson – K: Leo Tover – M: Cyril Mockridge –<br />
D: Ginger Rogers, Fred Allen, Victor Moore, Marilyn<br />
Monroe, David Wayne, Eve Arden, Paul Douglas, Louis<br />
Calhern, Zsa Zsa Gabor, Mitzi Gaynor, Eddie Bracken,<br />
James Gleason, Jane Darwell – 86 min, OF – Alles auf<br />
Anfang: Fünf Paare müssen feststellen, dass ihre Ehen<br />
nicht gültig sind. Die einzelnen Sketche hätten sehr<br />
leicht zu einer öden Aufzählung verkommen können,<br />
doch die brillant besetzte Komödie bleibt abwechslungsreich<br />
und gleitet dabei nie in die Putzigkeit ab. In<br />
der stärksten Episode ist Marilyn Monroe eine Schönheitskönigin,<br />
James Gleason ihr gerissener Manager<br />
und David Wayne ihr Ehemann, der verlangt, dass seine<br />
Frau an den häuslichen Herd zurückkehre.<br />
▶ Samstag, 14. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />
DON’T BOTHER TO KNOCK (VERSUCHUNG AUF 809)<br />
– USA 1952 – R: Roy Ward Baker – B: Daniel Taradash,<br />
nach einem Roman von Charlotte Armstrong – K: Lucien<br />
Ballard – M: Lionel Newman – D: Marilyn Monroe,<br />
Richard Widmark, Anne Bancroft, Donna Corcoran,<br />
Jeanne Cagney – 76 min, OF – Ein Pilot, dessen Freundin<br />
ihm gerade den Laufpass gegeben hat, sucht Anschluss<br />
bei einer jungen Frau, die in seinem Hotel als<br />
Babysitterin arbeitet. Als er erkennt, dass die seelisch<br />
kranke Frau auf eine Krise zusteuert, gerät das Leben<br />
des ihr anvertrauten Kindes in Gefahr. Der packende,<br />
verstörende Thriller des Briten Roy Ward Baker bot Marilyn<br />
Monroe ihre bis dahin größte und schwierigste<br />
Rolle. Drehbuch und Regie steigern gnadenlos die<br />
Spannung, und die komplexen Figuren sind angenehm<br />
frei von Stereotypen.<br />
▶ Sonntag, 15. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />
MONKEY BUSINESS (LIEBLING, ICH WERDE JÜN-<br />
GER) – USA 1952 – R: Howard Hawks – B: Ben Hecht,<br />
Charles Lederer, I.A.L. Diamond – K: Milton Krasner –<br />
M: Leigh Harline – D: Cary Grant, Ginger Rogers, Charles<br />
Coburn, Marilyn Monroe, Hugh Marlowe – 97 min,<br />
OF – Einem Versuchsaffen gelingt, woran die Wissenschaftler<br />
scheitern: Er mixt unbemerkt ein höchst wirksames<br />
Verjüngungsmittel, bringt es in die Wasserversorgung<br />
des Labors ein und eröffnet allen Beteiligten<br />
durch die Droge neue, enthemmte Handlungsoptionen.<br />
Marilyn Monroe spielt eine Sekretärin, die sich nicht<br />
durch berufliche Qualifikationen oder Intelligenz auszeichnet.<br />
Die Screwball Comedy war als Starvehikel für<br />
Cary Grant und Ginger Rogers geplant, doch die aufstrebende<br />
Marilyn Monroe, die eigentlich nur eine<br />
Nebenrolle spielte, zog alle Aufmerksamkeit auf sich.<br />
Howard Hawks beschrieb Marilyn als »the most frightened<br />
little girl on that movie, who had no confidence in<br />
her ability. A very strange girl. But when she got out in<br />
front of the camera, the camera liked her. Suddenly,<br />
she was a great sex symbol. Cary was a lot of help with<br />
her in MONKEY BUSINESS. She listened to him.«<br />
▶ Dienstag, 17. Juli 2012, 20.00 Uhr<br />
NIAGARA – USA 1953 – R: Henry Hathaway – B: Charles<br />
Brackett, Walter Reisch, Richard Breen – K: Joe<br />
MacDonald – M: Sol Kaplan – D: Joseph Cotten, Marilyn<br />
Monroe, Jean Peters, Don Wilson, Casey Adams –<br />
92 min, OF – Ist George Loomis krankhaft eifersüchtig<br />
und schwer paranoid, oder ist es wahr, dass seine Frau<br />
vorhat, ihn loszuwerden? Hathaway hatte für die Figur<br />
eigentlich James Mason im Sinn, doch dessen Tochter<br />
wollte ihren Papa nicht in dieser Rolle sehen. »Excellent
suspenser with breathtaking locations; in the best Hitch -<br />
cock class« (Leslie Halliwell). Die aufgeladene, gespann -<br />
te Atmosphäre wird in dramatische Bildkompositionen<br />
mit umwerfenden Technicolor-Akzenten umgesetzt, Sol<br />
Kaplans Musik verleiht den Bildern zusätzliche Wucht,<br />
der Campingplatz an den Niagarafällen wird zu einem<br />
fast mythischen Zwischenreich zwischen Leben und<br />
Tod, und Marilyn Monroe singt zu einer Schallplatte Lionel<br />
Newmans Hit »Kiss«. »The only movie that explored<br />
the mean, unsavoury potential of Marilyn Monroe’s<br />
cuddly, infantile perversity« (Pauline Kael)<br />
▶ Mittwoch, 18. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Freitag,<br />
20. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
GENTLEMEN PREFER BLONDES (BLONDINEN BE-<br />
VORZUGT) – USA 1953 – Howard Hawks – B: Charles<br />
Lederer, nach einem Roman von Anita Loos – K: Harry<br />
J. Wild – Choreographie: Jack Cole – M: Jule Styne &<br />
Leo Robin, Hoagy Carmichael & Harold Adamson – D:<br />
Jane Russell, Marilyn Monroe, Charles Coburn, Tommy<br />
Noonan, George Winslow – 91 min, OF – Zwei Tänzerinnen<br />
aus Little Rock reisen nach Paris, die eine sucht<br />
Liebe, die andere eine gute Partie. Vielleicht finden sie<br />
ja schon auf dem Dampfer Kandidaten? GENTLEMEN<br />
PREFER BLONDES beruht auf einem Stoff aus den<br />
1920er Jahren, er wurde einer der beliebtesten Filme<br />
mit Marilyn Monroe (mit den berühmten Nummern<br />
»Diamonds Are a Girl’s Best Friend« und »Anyone Here<br />
for Love?«) und blieb ihre einzige Zusammenarbeit mit<br />
Jane Russell. »It was a complete caricature, a travesty<br />
on sex. It didn’t have normal sex. Jane Russell was supposed<br />
to represent sanity.« (Howard Hawks)<br />
▶ Donnerstag, 19. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag,<br />
21. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
HOW TO MARRY A MILLIONAIRE (WIE ANGELT MAN<br />
SICH EINEN MILLIONÄR?) – USA 1953 – R: Jean Negulesco<br />
– B: Nunnally Johnson – K: Joe MacDonald –<br />
M: Cyril Mockridge – D: Lauren Bacall, Marilyn Monroe,<br />
Betty Grable, William Powell, Cameron Mitchell, David<br />
Wayne, Rory Calhoun – 96 min, OF – Drei New Yorker<br />
Models kratzen ihr letztes Geld zusammen, mieten ein<br />
teures Appartement und schwören einander, nicht<br />
mehr ihrem Herzen zu folgen, sondern Millionäre zum<br />
Heiraten zu finden. Es kommt, wie es kommen muss.<br />
Jean Negulescos eleganter und großzügig ausgestatteter<br />
Film war eine der ersten Komödien in CinemaScope<br />
und bietet eine Fülle von Schauwerten (in den Studiowie<br />
in den Außenaufnahmen). Besonders ungewöhnlich<br />
ist ein ausführliches Orchestervorspiel vor den Titeln,<br />
das nicht als Ouvertüre im Dunklen läuft, sondern<br />
die Musiker in Farbe und Breitwand präsentiert.<br />
▶ Freitag, 20. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />
RIVER OF NO RETURN (FLUSS OHNE WIEDERKEHR)<br />
– USA 1954 – R: Otto Preminger – B: Frank Fenton –<br />
K: Joseph La Shelle – M: Cyril Mockridge – D: Robert<br />
Mitchum, Marilyn Monroe, Tommy Rettig, Rory Calhoun,<br />
Murvyn Vye – 91 min, OF – Ein verwitweter Farmer, der<br />
gerade eine Haftstrafe verbüßt hat, holt seinen kleinen<br />
Sohn zu sich und lernt so die Saloonsängerin kennen,<br />
die sich um den Jungen kümmerte. Sie begegnen ein -<br />
ander wieder, als die Sängerin mit ihrem Begleiter auf<br />
dem Weg in die Goldfelder ist. Als ein Angriff feindlicher<br />
Indianer droht, macht sich der Begleiter davon. Der Farmer,<br />
sein Sohn und die Sängerin fliehen auf einem Floß<br />
flußabwärts. RIVER OF NO RETURN ist voller starker<br />
Symbole und nutzt das CinemaScope-Format ausgesprochen<br />
innovativ. Bald bietet er einen weiten Ausblick,<br />
der einen regelrechten Sog entwickelt, bald ist<br />
die Leinwand bis zum Rand mit kleinen Ereignissen gefüllt,<br />
bald können Bildinhalte neben dem eigentlichen<br />
Geschehen unaufdringlich dargeboten werden, die im<br />
Normalformat durch einen Schnitt mit Bedeutsamkeit<br />
aufgeladen würden.<br />
▶ Samstag, 21. Juli 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />
22. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
Marilyn Monroe<br />
83
THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOW BUSINESS<br />
(RHYTHMUS IM BLUT) – USA 1954 – R: Walter Lang –<br />
B: Phoebe & Henry Ephron – K: Leon Shamroy – M: Lionel<br />
Newman, Alfred Newman, Irving Berlin – D: Ethel<br />
Merman, Dan Dailey, Marilyn Monroe, Donald O’Connor,<br />
Mitzi Gaynor – 117 min, OF – Eine Familiengeschichte<br />
auf den Vaudeville-Bühnen und im Leben. Irving Berlins<br />
Melodien und die mit großem Aufwand und viel Liebe<br />
zum Detail betriebene Beschwörung einer untergegangenen<br />
Bühnenwelt ergeben eine einmalige Kombination.<br />
Walter Lang gelingt das Kunststück, Irving Berlins<br />
Klassiker »Heat Wave« und »After You Get What You<br />
Want You Don’t Want It« als große Marilyn-Bühnennummern<br />
zu inszenieren und diese organisch in den Fluss<br />
des Films und den Handlungsablauf einzufügen.<br />
▶ Sonntag, 22. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />
THE SEVEN YEAR ITCH (DAS VERFLIXTE 7. JAHR) –<br />
USA 1955 – R: Billy Wilder – B: Billy Wilder, George<br />
Axelrod, nach dem Bühnenstück von George Axelrod –<br />
K: Milton Krasner – M: Alfred Newman – D: Marilyn<br />
Monroe, Tom Ewell, Evelyn Keyes, Robert Strauss,<br />
Sonny Tufts, Oskar Homolka, Marguerite Chapman –<br />
105 min, OF – Wer kann, verlässt während der mörderisch<br />
heißen Hochsommertage New York. Der daheimgebliebene<br />
Strohwitwer (Tommy Ewell) spinnt derweil<br />
Fantasien über seine Nachbarin (Marilyn Monroe). »Sex<br />
im Konjunktiv: Jeder Satz des Trostes und der Ermunterung,<br />
jeder Augenaufschlag, jede aufreizende Geste<br />
von Marilyn sind auch an uns Zuschauer gerichtet. Insofern<br />
ist THE SEVEN YEAR ITCH sehr viel erotischer als<br />
etwa harte Sex-Filme oder gar Pornos. Denn so ungeniert<br />
werden die Lüste des Zuschauers sonst selten angesprochen.«<br />
(Claudius Seidl)<br />
▶ Dienstag, 24. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Samstag,<br />
28. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
Marilyn Monroe, hat es schwer damit, sich so ungelenk<br />
und untalentiert anzustellen, wie sie es in BUS STOP<br />
tut, wenn sie Arlen-Mercers That Old Black Magic massakriert.<br />
Cheries anrührende Unfähigkeit ist Monroes<br />
große Kunst, frei von jeder Eitelkeit.<br />
▶ Mittwoch, 25. Juli 2012, 20.00 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />
29. Juli 2012, 18.30 Uhr<br />
THE PRINCE AND THE SHOWGIRL (DER PRINZ UND<br />
DIE TÄNZERIN) – GB 1957 – R: Laurence Olivier – B:<br />
Terence Rattigan, nach seinem Stück »The Sleeping<br />
Prince« – K: Jack Cardiff – M: Richard Addinsell – D:<br />
Laurence Olivier, Marilyn Monroe, Sybil Thorndike, Richard<br />
Wattis, Jeremy Spenser – 115 min, OF – Die Liebesgeschichte<br />
zwischen einem ausländischen Großherzog,<br />
der 1911 als Gast zur Krönungsfeier von George I.<br />
in London geladen ist, und einer amerikanischen Tänzerin.<br />
Zunächst sucht er lediglich ein Abenteuer und sie<br />
will ihn abblitzen lassen, doch als sie seine politischen<br />
Marilyn Monroe<br />
84<br />
BUS STOP – USA 1956 – R: Joshua Logan – B: George<br />
Axelrod, nach einem Stück von William Inge – K:<br />
Milton Krasner – M: Alfred Newman, Cyril Mockridge –<br />
D: Marilyn Monroe, Don Murray, Betty Field, Arthur<br />
O’Connell, Eileen Heckart, Hans Conried – 96 min, OF –<br />
Cherie singt in einem miesen kleinen Café. Als Bo sie<br />
dort sieht, ist es um ihn geschehen. Wie soll das gut -<br />
gehen? Auf ihrer Bühne ist sie zurechtgemacht wie ein<br />
Spielzeug. »Bei jeder anderen wäre das unerträglich gewesen,<br />
billig und ohne Schönheit. Bei Marilyn sieht es<br />
aus, als würde dies alles von einem wirklichen wahrhaftigen<br />
Engel getan, den kein Schmutz dieser Welt beschmutzen<br />
kann.« (Helma Sanders-Brahms) Wer singen<br />
kann und sich auf der Bühne zu bewegen weiß wie
Ränkespiele sieht, ergreift sie die Initiative. Die Konstellation<br />
auf der Leinwand und hinter der Kamera (Monroe<br />
und Olivier produzierten den Film auch) beförderte Vermutungen,<br />
hier ahme die Kunst das Leben nach: Der<br />
große Schauspieler Olivier habe davon geträumt, ein<br />
Weltstar zu sein, und der Weltstar Marilyn Monroe<br />
davon, eine große Schauspielerin zu sein. Von den<br />
Dreharbeiten zu THE PRINCE AND THE SHOWGIRL handelt<br />
der Spielfilm MY WEEK WITH MARILYN, den das<br />
Filmmuseum am 10. Juni 2012 zeigt.<br />
▶ Donnerstag, 26. Juli 2012, 20.00 Uhr<br />
SOME LIKE IT HOT (MANCHE MÖGEN’S HEISS) –<br />
USA 1959 – R: Billy Wilder – B: Billy Wilder, I.A.L. Diamond<br />
– K: Charles Lang Jr. – M: Adolph Deutsch – D:<br />
Marilyn Monroe, Tony Curtis, Jack Lemmon, George<br />
Raft, Joe E. Brown – 121 min, OmU – Chicago 1929.<br />
Zwei Musiker werden Zeugen des Valentinstag-Massakers<br />
und müssen untertauchen. Als Frauen verkleidet,<br />
schließen sie sich einer Damenkapelle an, die nach Florida<br />
unterwegs ist. Doch wie wollen sie in Marilyn Monroes<br />
Gegenwart an ihrem Versteckspiel festhalten?<br />
Immer dann, wenn die Grundkonstellation dieser Komödie<br />
ausgereizt erscheint, nimmt die Geschichte eine unerwartete<br />
Wendung. Das Drehbuch strotzt vor geschliffenen<br />
Dialogen und ausgesuchten Bosheiten. Und<br />
wenn Tony Curtis den einzigartigen Tonfall Cary Grants<br />
exakt trifft, erntet er nur ein lapidares »nobody talks like<br />
that«.<br />
▶ Freitag, 27. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />
LET’S MAKE LOVE (MACHEN WIR’S IN LIEBE) – USA<br />
1960 – R: George Cukor – B: Norman Krasna – K: Daniel<br />
L. Fapp – M: Lionel Newman, Earl H. Hagen, songs<br />
Sammy Cahn, Jimmy Van Heusen – D: Yves Montand,<br />
Marilyn Monroe, Tony Randall, Wilfrid Hyde-White, Frankie<br />
Vaughan – 119 min, OF – Als ein Milliardär erfährt,<br />
dass sich eine Broadwayshow über ihn lustig machen<br />
will, bewirbt er sich dort als Darsteller seiner selbst. So<br />
hofft er, der Sängerin Amanda näher zu kommen. LET’S<br />
MAKE LOVE entwickelt seine Komik mehr aus seinen<br />
Charakteren als aus der Grundsituation, und der Milliardär<br />
stemmt sich vehement gegen die Vorstellung vom<br />
»Charakter als Schicksal«. Besonders schön ist das zu<br />
sehen, wenn der steife Bürohengst die besten Trainer<br />
engagiert, um bühnentauglich zu werden: Bing Crosby,<br />
Gene Kelly und Milton Berle eilen zu Hilfe!<br />
▶ Samstag, 28. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />
THE MISFITS (NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG) – USA<br />
1961 – R: John Huston – B: Arthur Miller – K: Russell<br />
Metty – M: Alex North – D: Clark Gable, Marilyn Monroe,<br />
Montgomery Clift, Eli Wallach, Thelma Ritter –<br />
124 min, OmU – In Reno begegnen sich einige ziellose<br />
Gestalten: Ein alternder Cowboy, eine frisch geschiedene<br />
Nachtklubtänzerin, ein ehemaliger Bomberpilot,<br />
ein abgetakelter Rodeoreiter. Sie alle sind psychisch<br />
verletzt, sie alle fragen sich, ob sie gescheitert sind.<br />
Aus ihrer Begegnung gehen sie alle verändert hervor.<br />
Keiner offenbart sich ganz; den emotionalen Kern artikuliert<br />
Alex Norths bewegende Musik. Arthur Miller<br />
schrieb das Drehbuch für seine Frau Marilyn Monroe.<br />
John Huston: »She went right down into her own personal<br />
experience for everything, reached down and pulled<br />
something out of herself that was unique and extraordinary.«<br />
Clark Gable spielte in THE MISFITS seine letzte<br />
Rolle; auch Marilyn Monroe stellte keinen weiteren Film<br />
mehr fertig.<br />
▶ Freitag, 27. Juli 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Sonntag,<br />
29. Juli 2012, 21.00 Uhr<br />
Marilyn Monroe<br />
85
<strong>münchen</strong><br />
Kalenderübersicht<br />
86<br />
So, 26.2. 11.00 Neuer Deutscher Film München ehrt die Unterzeichner des Seite 4<br />
»Oberhausener Manifests«<br />
Ansprache: Christian Ude. Zu Gast: Bernhard Dörries, Rob<br />
Houwer, Alexander Kluge, Dieter Lemmel, Ronald Martini,<br />
Hansjürgen Pohland, Edgar Reitz, Wolfgang Urchs<br />
17.30 Film & Psychoanalyse EDIPO RE – BETT DER GEWALT (1967)<br />
Einführung: Salek Kutschinski, Heidi Spanl<br />
21.00 Margarethe von Trotta LA FUGA DI TERESA – TERESAS FLUCHT (2011)<br />
Zu Gast: Margarethe von Trotta<br />
Mo, 27.2. Keine Vorstellung<br />
Di, 28.2. 19.00 Die rote Traumfabrik DIE ROTE TRAUMFABRIK (2012) / WOSSTANIJE 9<br />
RYBAKOW – AUFSTAND DER FISCHER (1935)<br />
Am Flügel: Richard Siedhoff<br />
Einführung: Alexander Schwarz<br />
Mi, 29.2. 18.30 Die rote Traumfabrik SCHACHMATNAJA GORJATSCHKA – SCHACHFIEBER 10<br />
(1925) / AELITA – DER FLUG ZUM MARS (1927)<br />
Am Flügel: Richard Siedhoff<br />
21.00 Neuer Deutscher Film WAS DU ERERBT VON DEINEN VÄTERN (1957) / MAYA. 5<br />
EIN FILM VOM DEUTSCHEN FILMNACHWUCHS (1958)<br />
Do, 1.3. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 2.3. 18.30 Die rote Traumfabrik ODNA IS MNOGICH – EINE VON VIELEN (1927) / 10<br />
POZELUI MERI PIKFORD – DER KUSS DER MARY<br />
PICKFORD (1927)<br />
Am Flügel: Joachim Bärenz<br />
21.00 Neuer Deutscher Film SCHICKSAL EINER OPER (1958) / EINE STADT FEIERT 5<br />
GEBURTSTAG (1958) / MENSCHEN IM ESPRESSO (1958)<br />
/ DAS BEGRÄBNIS (1960) / GESICHT VON DER STANGE?<br />
(1961) / MADELEINE, MADELEINE (1963) / … UND DANN<br />
BYE-BYE (1965) / DER STADTSTREICHER (1966)<br />
Sa, 3.3. 18.30 Die rote Traumfabrik MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK (1929) 10<br />
Am Flügel: Joachim Bärenz<br />
21.00 Neuer Deutscher Film BRUTALITÄT IN STEIN (1961) / DIE GARTENZWERGE 5<br />
(1961) / NOTIZEN AUS DEM ALTMÜHLTAL (1961) /<br />
MACHORKA-MUFF (1962) / ES MUSS EIN STÜCK VOM<br />
HITLER SEIN (1963) / DIE WECHSLER IM TEMPEL (1965) /<br />
WAHLKAMPF – MADE IN GERMANY (1966)<br />
So, 4.3. 18.30 Die rote Traumfabrik ÜBERFLÜSSIGE MENSCHEN (1926) 11<br />
Mo, 5.3.<br />
21.00 Neuer Deutscher Film SONNABEND, 17 UHR (1966) / ZU JUNG FÜR DIE 5<br />
LIEBE?! (1961)<br />
Keine Vorstellung<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Di, 6.3. 18.30 Die rote Traumfabrik PUTJOWKA W SCHISN – DER WEG INS LEBEN (1931) 11<br />
21.00 Neuer Deutscher Film PRESSEKONFERENZ IN CANNES (1962) / DAS BROT 6<br />
DER FRÜHEN JAHRE (1962)<br />
Mi, 7.3. 18.30 Die rote Traumfabrik OKRAINA – VORSTADT (1933) 11<br />
21.00 Neuer Deutscher Film »… GEIST UND EIN WENIG GLÜCK« (1965) / NEUER 6<br />
DEUTSCHER FILM REPORT (1967) / DIE ERBEN VON PAPAS<br />
KINO (1968) / BESONDERS WERTVOLL (1968) / VERRÄTER<br />
DES JUNGEN DEUTSCHEN FILMS SCHLAFEN NICHT (1982)<br />
Do, 8.3. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 9.3. 18.30 Die rote Traumfabrik SOROK SERDEZ – VIERZIG HERZEN (1931) / TRI PESNI 11<br />
O LENINE – DREI LIEDER ÜBER LENIN (1934)<br />
21.00 Jiř í Trnka ZASADIL DEDEK REPU – GROSSVATER PFLANZT EINE 15<br />
RÜBE (1945) / PERAK A SS – DER FEDERMANN UND DIE<br />
SS (1946) / ROMAN S BASOU – ROMAN MIT DEM KON-<br />
TRABASS (1949) / VESELY CIRKUS – DER LUSTIGE ZIRKUS<br />
(1951) / KYBERNETICKA BABICKA – DIE KYBERNETISCHE<br />
GROSSMUTTER (1961) / ARCHANDEL GABRIEL A PANI<br />
HUSA – ERZENGEL GABRIEL UND FRAU GANS (1964)<br />
Sa, 10.3. 18.30 Die rote Traumfabrik RWANYJE BASCHMAKI – ZERRISSENE STIEFELCHEN 12<br />
(1933)<br />
21.00 Jiř í Trnka LOUTKY JIRIHO TRNKY – JIRI TRNKAS MARIONETTEN 15<br />
(1969) / STARE POVESTI CESKE – ALTE BÖHMISCHE<br />
SAGEN (1953)<br />
So, 11.3. 18.30 Die rote Traumfabrik GIBEL SENSAZII – UNTERGANG DER SENSATION (1935) 12<br />
21.00 Jiř í Trnka RUKA – DIE HAND (1965) / SEN NOCI SVATOJANSKE – 15<br />
EIN SOMMERNACHTSTRAUM (1959)<br />
Mo, 12.3. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />
Di, 13.3. 18.30 Die rote Traumfabrik SOLOTOJE OSERO – DER GOLDENE SEE (1935) 12<br />
21.00 Neuer Deutscher Film GESCHWINDIGKEIT (1963) / ABSCHIED VON GESTERN 7<br />
(1966)<br />
Mi, 14.3. 18.30 Die rote Traumfabrik SLUTSCHAINAJA WSTRETSCHA – ZUFÄLLIGE BEGEG- 12<br />
NUNG (1936)<br />
21.00 Tony Gatlif LES PRINCES – TOD IM REGEN (1983) 26<br />
Do, 15.3. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 16.3 18.30 NS-Filmpropaganda TRIUMPH DES WILLENS (1935) 20<br />
Einführung: Karl Griep<br />
21.00 NS-Filmpropaganda INNENANSICHTEN. DEUTSCHLAND 1937 (2012) 20<br />
Einführung: Michael Kloft. Anschließend Diskussion mit<br />
Michael Kloft, Karl Griep und Christian Lüffe.<br />
Kalenderübersicht<br />
87<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Kalenderübersicht<br />
88<br />
Sa, 17.3. 17.00 NS-Filmpropaganda »Unser Haus halten wir selber sauber« – Seite 20<br />
Zur Geschichte der FSK<br />
Vortrag von Christiane von Wahlert<br />
18.30 NS-Filmpropaganda … REITET FÜR DEUTSCHLAND (1941) 20<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 NS-Filmpropaganda Vom Umgang mit »Vorbehaltsfilmen« 20<br />
Diskussion mit Ernst Szebedits, Christiane von Wahlert, Hans<br />
Schmid und Markus Zimmer. Einführung: Hans Schmid<br />
So, 18.3. 17.00 NS-Filmpropaganda Geschichte und Struktur der 20<br />
Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung<br />
Vortrag von Ernst Szebedits<br />
18.30 NS-Filmpropaganda Riefenstahl und die Folgen 20<br />
Vortrag mit Filmbeispielen von Ernst Schreckenberg<br />
21.00 NS-Filmpropaganda HITLERS HITPARADE (2004) 20<br />
Einführung: C. Cay Wessnigk<br />
Mo, 19.3. 19.00 Keine Vorstellung<br />
Di, 20.3. 18.30 NS-Filmpropaganda HITLERJUNGE QUEX (1933) 21<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Neuer Deutscher Film KLEINE FRONT (1965) / DIE TOTE VON BEVERLY HILLS 7<br />
(1964)<br />
Mi, 21.3. 18.30 NS-Filmpropaganda KOPF HOCH, JOHANNES! (1941) 21<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Tony Gatlif LATCHO DROM – GUTE REISE (1993) 26<br />
Do, 22.3. 19.00 Dieter Wieland DIE GROSSMARKTHALLE: MAGEN DER GROSSSTADT 29<br />
(1971) / VORSTADT GIESING (1975) / DER HAUSBAUM<br />
(1983) / GRÜN KAPUTT – LANDSCHAFT UND GÄRTEN DER<br />
DEUTSCHEN (1983) Zu Gast: Dieter Wieland<br />
Fr, 23.3. 18.30 Dieter Wieland UNSER DORF SOLL HÄSSLICH WERDEN (1975) / DAS 30<br />
DACH (1980) / DER FERNPASS (1975)<br />
21.00 Hong Sangsoo BOOK-CHON BANG-HYANG – THE DAY HE ARRIVES 34<br />
(2011)<br />
Sa, 24.3. 18.30 Dieter Wieland LANDSHUT ODER HAT DIE SCHÖNHEIT EINE CHANCE? 30<br />
(1973) / LANDSHUT. GESPRÄCH ÜBER DIE PROBLEME EINER<br />
SCHÖNEN ALTEN STADT (1973) Zu Gast: Dieter Wieland<br />
21.00 Hong Sangsoo DAIJIGA UMULE PAJINNAL – THE DAY A PIG FELL 35<br />
INTO THE WELL (1996)<br />
So, 25.3. 17.30 Film & Psychoanalyse Freuds Witz und die Psychoanalyse der Filmkomik 39<br />
Vortrag von Andreas Hamburger<br />
DUCK SOUP – DIE MARX BROTHERS IM KRIEG (1933)<br />
Einführung: Salek Kutschinski, Mathias Lohmer<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
So, 25.3. 21.00 Hong Sangsoo KANGWON-DO UI HIM – THE POWER OF Seite 35<br />
KANGWON PROVINCE (1998)<br />
Mo, 26.3. Keine Vorstellung<br />
Di, 27.3. 18.30 NS-Filmpropaganda JUD SÜSS (1940) 21<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Neuer Deutscher Film DAS MAGISCHE BAND (1959) / DIE PARALLELSTRASSE 7<br />
(1962)<br />
Mi, 28.3. 18.30 NS-Filmpropaganda ROBERT UND BERTRAM (1939) 22<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Tony Gatlif GADJO DILO – GELIEBTER FREMDER (1997) 26<br />
Do, 29.3. 19.00 Open Scene Filme (2002–2010) von Wilhelm Sasnal<br />
Einführung: Ulrich Wilmes (Haus der Kunst)<br />
Fr, 30.3. 18.30 Dieter Wieland FLURBEREINIGUNG ODER DIE MASCHINENGERECHTE 31<br />
LANDSCHAFT (1974) / DIE FARBE (1982) / DER GARTEN (1981)<br />
21.00 Hong Sangsoo O! SOO-JUNG – VIRGIN STRIPPED BARE BY HER 35<br />
BACHELORS (2000)<br />
Sa, 31.3. 18.30 Dieter Wieland DIE GROSSE KUNST, EIN KLEINES HAUS ZU BAUEN 31<br />
(1988) / DER ZAUN (1995) / DORFERNEUERUNG (1990)<br />
21.00 Hong Sangsoo SAENGHWALUI BALGYEON – TURNING GATE (2002) 35<br />
So, 1.4. 18.30 Dieter Wieland FRIEDRICH VON GÄRTNER. DER BAUMEISTER 31<br />
LUDWIGS I (1992) / DER JODLERSTIL (1984)<br />
21.00 Hong Sangsoo YEOJANEUN NAMJAUI MIRAEDA – WOMAN IS THE 37<br />
FUTURE OF MAN (2004)<br />
Mo, 2.4. Keine Vorstellung<br />
Di, 3.4. 18.30 NS-Filmpropaganda OHM KRÜGER (1941) 22<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Fassbinders München LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (1969) 43<br />
Mi, 4.4. 18.30 NS-Filmpropaganda STUKAS (1941) 22<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Tony Gatlif VENGO (2000) 26<br />
Do, 5.4. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 6.4. 18.30 Rudolf Thome DAS ROTE ZIMMER (2010) 36<br />
21.00 Hong Sangsoo KEUK JANG JEON – TALE OF CINEMA (2005) 37<br />
Sa, 7.4. 18.30 Rudolf Thome INS BLAUE (2012) 36<br />
Zu Gast: Rudolf Thome<br />
21.00 Hong Sangsoo HAEBYUNEUI YOEIN – WOMAN ON THE BEACH (2006) 37<br />
Einführung: Rudolf Thome<br />
Kalenderübersicht<br />
89<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Kalenderübersicht<br />
90<br />
So, 8.4. 18.30 Rudolf Thome DAS ROTE ZIMMER (2010) Seite 36<br />
Zu Gast: Rudolf Thome<br />
21.00 Hong Sangsoo BAM GUA NAT – NIGHT AND DAY (2008) 37<br />
Einführung: Rudolf Thome<br />
Mo, 9.4. 18.30 Rudolf Thome INS BLAUE (2012) 36<br />
Zu Gast: Rudolf Thome<br />
21.00 Hong Sangsoo JAL ALJIDO MOTHAMYEONSEO – LIKE YOU KNOW IT 38<br />
ALL (2009)<br />
Einführung: Rudolf Thome<br />
Di, 10.4. 18.30 NS-Filmpropaganda HEIMKEHR (1941) 22<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Fassbinders München KATZELMACHER (1969) 44<br />
Mi, 11.4. 18.30 NS-Filmpropaganda FRONTTHEATER (1942) 22<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Tony Gatlif SWING (2002) 26<br />
Do, 12.4. 19.00 Untergang der Titanic »… und immer wieder geht sie unter!« 47<br />
Vortrag mit Filmbeispielen von Ernst Schreckenberg<br />
TIME TUNNEL: RENDEZVOUS WITH YESTERDAY –<br />
WIEDERSEHEN MIT DER VERGANGENHEIT (1966)<br />
Fr, 13.4. 18.30 Untergang der Titanic ATLANTIS (1913) 47<br />
Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald<br />
21.00 Hong Sangsoo VISITORS (2009) 38<br />
Sa, 14.4. 18.30 Untergang der Titanic TITANIC. IN NACHT UND EIS (1912) / THE SINKING OF 47<br />
THE LUSITANIA (1918) / DER UNTERGANG DER TITANIC<br />
(2003) / DAMPFER KAPUTT! (2012)<br />
Am Flügel und an der Violine: Günter A. Buchwald<br />
21.00 Hong Sangsoo HAHAHA (2010) 38<br />
So, 15.4. 18.30 Untergang der Titanic A NIGHT TO REMEMBER – DIE LETZTE NACHT DER 48<br />
TITANIC (1958)<br />
21.00 Hong Sangsoo OKI-EUI YONG-HWA – OKI’S MOVIE (2010) 38<br />
Mo, 16.4. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />
Di, 17.4. 18.30 NS-Filmpropaganda GPU (1942) 22<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Fassbinders München GÖTTER DER PEST (1970) 44<br />
Mi, 18.4. 18.30 NS-Filmpropaganda MEIN SOHN, DER HERR MINISTER (1937) 23<br />
Einführung: Stefan Drößler<br />
21.00 Tony Gatlif EXILS – EXIL (2004) 27<br />
Do, 19.4. 19.00 Open Scene<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Fr, 20.4. 18.30 Architekturfilmtage MIES (1986) / HEARST TOWER, NEW YORK & Seite 53<br />
TORRE AGBAR, BARCELONA (2009)<br />
21.00 Architekturfilmtage LES MYSTERES DU CHATAU DU DE – DIE GEHEIM- 53<br />
NISSE DES WÜRFELSCHLOSSES (1928) / HAUS<br />
TUGENDHAT (2012)<br />
Zu Gast: Dieter Reifarth. Einführung: Jörg Dünne<br />
Sa, 21.4. 18.30 Architekturfilmtage CHLOE (2009) 53<br />
21.00 Architekturfilmtage POINTS ON A LINE (2010) / PHILIP JOHNSON: DIARY 53<br />
OF AN ECCENTRIC ARCHITECT (1996)<br />
So, 22.4. 18.30 Architekturfilmtage LA VILLA SANTO SOSPIR (1952) / AITA – VATER (2010) 54<br />
21.00 Architekturfilmtage IF BUILDINGS COULD TALK (2011) / LE PAYSAGE 54<br />
INTERIEUR – DIE INNERE LANDSCHAFT (2010)<br />
Mo, 23.4. Keine Vorstellung<br />
Di, 24.4. 18.30 NS-Filmpropaganda BLUTSBRÜDERSCHAFT (1940) 23<br />
Einführung: Felix Moeller<br />
21.00 Fassbinders München WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? (1970) 44<br />
Mi, 25.4. 18.30 NS-Filmpropaganda VENUS VOR GERICHT (1941) 23<br />
Einführung: Felix Moeller<br />
21.00 Tony Gatlif TRANSYLVANIA (2006) 27<br />
Zu Gast: Tony Gatlif<br />
Do, 26.4. 19.00 Tony Gatlif KORKORO – FREIHEIT (2009) 27<br />
Zu Gast: Tony Gatlif<br />
Fr, 27.4. 18.30 Neorealismus 4 PASSI FRA LE NUVOLE – LÜGE EINER SOMMER- 58<br />
NACHT (1942)<br />
21.00 Stimmen der Roma CIGAN – ZIGEUNER (2011) 27<br />
Zu Gast: Martin Šulík<br />
Sa, 28.4. 18.30 Neorealismus I BAMBINI CI GUARDANO – DIE KINDER SEHEN UNS 58<br />
AN (1944)<br />
21.00 Stimmen der Roma A GYPSY IN THE CENTRAL COMMITTEE OF THE 27<br />
BUL GARIAN COMMUNIST PARTY – EIN ZIGEUNER IM<br />
ZENTRALKOMITEE DER BULGARISCHEN KOMMUNISTI-<br />
SCHEN PARTEI (2008) / IO, LA MIA FAMIGLIA ROM E<br />
WOODY ALLEN – ICH, MEINE ROMA-FAMILIE UND<br />
WOODY ALLEN (2009)<br />
So, 29.4. 17.30 Film & Psychoanalyse TO BE OR NOT TO BE – SEIN ODER NICHTSEIN (1942) 40<br />
Einführung: Katharina Leube, Irmgard Nagel<br />
21.00 Stimmen der Roma OUR SCHOOL – UNSERE SCHULE (2011) 27<br />
Mo, 30.4.<br />
Keine Vorstellung<br />
Kalenderübersicht<br />
91<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Kalenderübersicht<br />
92<br />
Di, 1.5. 18.30 NS-Filmpropaganda ICH KLAGE AN (1941) Seite 23<br />
Einführung: Felix Moeller<br />
21.00 Fassbinders München DER AMERIKANISCHE SOLDAT (1970) 44<br />
Mi, 2.5. 18.30 NS-Filmpropaganda DIE GOLDENE STADT (1942) 23<br />
Einführung: Felix Moeller<br />
21.00 Neorealismus ROMA, CITTA APERTA – ROM, OFFENE STADT (1945) 58<br />
Do, 3.5. bis Mi, 9.5.2012 DOK.fest München 63<br />
Do, 10.5. 19.00 Open Scene SOMMERVÖGEL (2010)<br />
Zu Gast: Paul Riniker<br />
Fr, 11.5. 18.30 Neorealismus ROMA, CITTA APERTA – ROM, OFFENE STADT (1945) 58<br />
21.00 Kölner Gruppe WOHNHAFT (2004) / WALDMEISTER (2007) / NACKT 67<br />
AM SEE (2009) / INSIDE LEMKE (2007) / UNDERGROUND<br />
ODYSSEY (2010) / WELLENREITER (2010) / CAFE KONTAKT<br />
(2012) Zu Gast: Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler,<br />
Bernhard Marsch, Christos Dassios, Robert Nacken<br />
Sa, 12.5. 18.30 Neorealismus SCIUSCIA – SCHUHPUTZER (1946) 58<br />
21.00 Kölner Gruppe WARTESCHLEIFEN. KOLPORTAGEN AUS DEM 67<br />
CALLCENTER (2010) Zu Gast: Markus Mischkowski,<br />
Kai Maria Steinkühler, Christos Dassios<br />
So, 13.5. 18.30 Neorealismus LADRI DI BICICLETTE – FAHRRADDIEBE (1948) 59<br />
21.00 Kölner Gruppe AMIGO A GOGO (2008) / MAUERBLÜMCHEN (2001) / 67<br />
BAZOOKA CAIN (1998) / KÖLNER BEWEGUNGEN (1986)<br />
/ MARSCH & KNEPPERGES ZEIGEN (1987) / 8 ESSEN III<br />
(1996) / JUNGE HUNDE (1993) / HALLELUJA (1995) / VER-<br />
LANGEN (1996) / LIEBE IST GESCHMACKSSACHE (1997)<br />
/ WOHNHAFT (2005) Zu Gast: Bernhard Marsch, Kai Maria<br />
Steinkühler, Christos Dassios<br />
Mo, 14.5. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />
Di, 15.5. 18.30 Neorealismus RISO AMARO – BITTERER REIS (1949) 59<br />
21.00 Fassbinders München RIO DAS MORTES (1971) 44<br />
Mi, 16.5. 18.30 Lars von Trier NYHTERINO – NOCTURNE (1980) / FORBRYDELSENS 70<br />
ELEMENT – THE ELEMENT OF CRIME (1984)<br />
21.00 Neorealismus SCIUSCIA – SCHUHPUTZER (1946 ) 58<br />
Do, 17.5. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 18.5. 18.30 Neorealismus NAPOLI MILIONARIA – MILLIONENSTADT NEAPEL 59<br />
(1950)<br />
21.00 Lars von Trier NYHTERINO – NOCTURNE (1980) / FORBRYDELSENS 70<br />
ELEMENT – THE ELEMENT OF CRIME (1984)<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Sa, 19.5. 18.30 Neorealismus IL CAMMINO DELLA SPERANZA – WEG DER Seite 59<br />
HOFFNUNG (1951)<br />
21.00 Lars von Trier EPIDEMIC (1987) 70<br />
So, 20.5. 17.30 Film & Psychoanalyse THE KING OF COMEDY (1983) 40<br />
Einführung: Matthias Baumgart, Corinna Wernz<br />
21.00 Lars von Trier MEDEA (1988) 70<br />
Mo, 21.5. Keine Vorstellung<br />
Di, 22.5. 18.30 Lars von Trier EPIDEMIC (1987) 70<br />
21.00 Fassbinders München HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN (1972) 44<br />
Mi, 23.5. 18.30 Lars von Trier MEDEA (1988) 70<br />
21.00 Neorealismus BELLISSIMA (1951) 59<br />
Do, 24.5. 19.00 Open Scene Underdox-Halbzeit<br />
Fr, 25.5. 18.30 Neorealismus BELLISSIMA (1951) 59<br />
21.00 Lars von Trier The Making of Lars von Trier 70<br />
Vortrag mit Filmbeispielen von Peter Schepelern<br />
BEFRIELSES BILLEDER – BILDER DER BEFREIUNG (1982)<br />
Sa, 26.5. 18.30 Neorealismus MIRACOLO A MILANO – DAS WUNDER VON MAILAND 60<br />
(1951)<br />
21.00 Lars von Trier EUROPA (1990) 71<br />
So, 27.5. 18.30 Neorealismus UMBERTO D. (1952) 60<br />
21.00 Lars von Trier BREAKING THE WAVES (1996) 71<br />
Mo, 28.5. 18.00 Lars von Trier RIGET – HOSPITAL DER GEISTER (1994) 71<br />
Di, 29.5. 18.30 Lars von Trier EUROPA (1991) 71<br />
21.00 Fassbinders München ANGST ESSEN SEELE AUF (1974) 44<br />
Mi, 30.5. 19.00 Lars von Trier BREAKING THE WAVES (1996) 71<br />
Do, 31.5. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 1.6. 18.30 Neorealismus I VITELLONI – DIE MÜSSIGGÄNGER (1953) 60<br />
21.00 Lars von Trier IDIOTERNE – IDIOTEN (1998) 72<br />
Sa, 2.6. 18.30 Neorealismus L’AMORE IN CITTA – LIEBE IN DER STADT (1953) 60<br />
21.00 Lars von Trier DANCER IN THE DARK (2000) 72<br />
So, 3.6. 18.00 Lars von Trier RIGET II – HOSPITAL DER GEISTER 2 (1997) 71<br />
Mo, 4.6. Keine Vorstellung<br />
Di, 5.6. 18.30 Lars von Trier IDIOTERNE – IDIOTEN (1998) 72<br />
21.00 Fassbinders München FAUSTRECHT DER FREIHEIT (1975) 44<br />
Kalenderübersicht<br />
93<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Kalenderübersicht<br />
94<br />
Mi, 6.6. 18.30 Lars von Trier DANCER IN THE DARK (2000) Seite 72<br />
21.00 Neorealismus CRONACHE DI POVERI AMANTI – CHRONIK ARMER 61<br />
LIEBESLEUTE (1953)<br />
Do, 7.6. 19.00 Das Kino träumt Geschichte des 3D-Films 76<br />
Vortrag mit Filmbeispielen von Stefan Drößler<br />
Fr, 8.6. 18.30 Neorealismus CRONACHE DI POVERI AMANTI – CHRONIK ARMER 61<br />
LIEBESLEUTE (1953)<br />
21.00 Das Kino träumt HUGO CABRET (2011) 76<br />
Sa, 9.6. 18.30 Neorealismus VIAGGIO IN ITALIA – LIEBE IST STÄRKER (1954) 61<br />
21.00 Das Kino träumt THE ARTIST (2011) 76<br />
So, 10.6. 18.30 Neorealismus IL GRIDO – DER SCHREI (1957) 61<br />
21.00 Das Kino träumt MY WEEK WITH MARILYN – MEINE WOCHE MIT 76<br />
MARILYN (2011)<br />
Mo, 11.6. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />
Di, 12.6. 18.30 Das Kino träumt THE ARTIST (2011) 76<br />
21.00 Fassbinders München ICH WILL DOCH NUR, DASS IHR MICH LIEBT (1976) 45<br />
Mi, 13.6. 19.00 Lars von Trier DOGVILLE (2003) 72<br />
Do, 14.6. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 15.6. 18.30 Neorealismus BANDITI A ORGOSOLO – DIE BANDITEN VON 61<br />
ORGOSOLO (1961)<br />
21.00 Lars von Trier DOGVILLE (2003) 72<br />
Sa, 16.6. 18.30 Neorealismus ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN ASS 62<br />
(1961)<br />
21.00 Lars von Trier DOGVILLE CONFESSIONS (2003) / A CONVERSATION 73<br />
WITH LARS VON TRIER (2005) / DIMENSION VIDEO<br />
1991–2024 (2010)<br />
So, 17.6. 17.30 Neorealismus ROCCO E I SUOI FRATELLI – ROCCO UND SEINE 62<br />
BRÜDER (1960)<br />
21.00 Lars von Trier DE FEM BENSPAEND – THE FIVE OBSTRUCTIONS (2003) 73<br />
Mo, 18.6. Keine Vorstellung<br />
Di, 19.6. 18.30 Lars von Trier OCCUPATIONS (2007) / MANDERLAY (2005) 73<br />
21.00 Fassbinders München SATANSBRATEN (1976) 45<br />
Mi, 20.6. 18.30 Lars von Trier DIREKTØREN FOR DET HELE – THE BOSS OF IT ALL 74<br />
(2006)<br />
21.00 Neorealismus ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN ASS 62<br />
(1961)<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
<strong>münchen</strong><br />
Do, 21.6. 19.00 Open Scene<br />
Fr, 22.6. 18.30 Neorealismus IL POSTO – DER JOB (1961) Seite 62<br />
21.00 Lars von Trier OCCUPATIONS (2007) / MANDERLAY (2005) 73<br />
Sa, 23.6. 18.30 Neorealismus SALVATORE GIULIANO – WER ERSCHOSS SALVA- 62<br />
TORE G.? (1962)<br />
21.00 Lars von Trier DIREKTØREN FOR DET HELE – THE BOSS OF IT ALL 74<br />
(2006)<br />
So, 24.6. 17.30 Film & Psychoanalyse SOME LIKE IT HOT – MANCHE MÖGEN’S HEISS (1959) 40<br />
Einführung: Katharina Leube, Vivian Pramataroff<br />
21.00 Lars von Trier ANTICHRIST (2009) 74<br />
Mo, 25.6. Keine Vorstellung<br />
Di, 26.6. 18.30 Lars von Trier ANTICHRIST (2009) 74<br />
21.00 Fassbinders München DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS (1982) 45<br />
Mi, 27.6. 18.30 Lars von Trier MELANCHOLIA (2011) 74<br />
21.00 Neorealismus IL POSTO – DER JOB (1961) 62<br />
Do, 28.6. 19.00 Open Scene Zuschauerkino 77<br />
Fr, 29.6. 18.30 Neorealismus I BASILISCHI – DIE BASILISKEN (1963) 62<br />
21.00 Lars von Trier MELANCHOLIA (2011) 74<br />
Sa, 30.6. bis Sa, 7.7.2012<br />
Filmfest München<br />
So, 8.7. 18.30 Marilyn Monroe MARILYN MONROE: MIT IHREN EIGENEN WORTEN 81<br />
(2007) / MARILYN MONROE: ICH MÖCHTE GELIEBT<br />
WERDEN (2011)<br />
Zu Gast: Eckhart Schmidt<br />
Mo, 9.7. 19.00 MFZ Mitgliederversammlung im Ignaz-Günther-Haus<br />
Di, 10.7. 20.00 Marilyn Monroe THE ASPHALT JUNGLE – ASPHALT-DSCHUNGEL (1950) 81<br />
Mi, 11.7. 20.00 Marilyn Monroe ALL ABOUT EVE – ALLES ÜBER EVA (1950) 81<br />
Do, 12.7. 20.00 Marilyn Monroe LOVE NEST (1951) 81<br />
Fr, 13.7. 18.30 Marilyn Monroe THE ASPHALT JUNGLE – ASPHALT-DSCHUNGEL (1950) 81<br />
21.00 Marilyn Monroe CLASH BY NIGHT – VOR DEM NEUEN TAG (1952) 81<br />
Sa, 14.7. 18.30 Marilyn Monroe ALL ABOUT EVE – ALLES ÜBER EVA (1950) 81<br />
21.00 Marilyn Monroe WE’RE NOT MARRIED! – WIR SIND GAR NICHT VER- 82<br />
HEIRATET (1952)<br />
So, 15.7. 18.30 Marilyn Monroe CLASH BY NIGHT – VOR DEM NEUEN TAG (1952) 81<br />
21.00 Marilyn Monroe DON’T BOTHER TO KNOCK – VERSUCHUNG AUF 809 82<br />
(1952)<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450<br />
Kalenderübersicht<br />
95
<strong>münchen</strong><br />
Kalenderübersicht<br />
Mo, 16.7. Keine Vorstellung<br />
Di, 17.7. 20.00 Marilyn Monroe MONKEY BUSINESS – LIEBLING, ICH WERDE Seite 82<br />
JÜNGER (1952)<br />
Mi, 18.7. 20.00 Marilyn Monroe NIAGARA (1953) 82<br />
Do, 19.7. 20.00 Marilyn Monroe GENTLEMEN PREFER BLONDES – BLONDINEN 83<br />
BEVORZUGT (1953)<br />
Fr, 20.7. 18.30 Marilyn Monroe NIAGARA (1953) 82<br />
21.00 Marilyn Monroe HOW TO MARRY A MILLIONAIRE – WIE ANGELT MAN 83<br />
SICH EINEN MILLIONÄR? (1953)<br />
Sa, 21.7. 18.30 Marilyn Monroe GENTLEMEN PREFER BLONDES – BLONDINEN 83<br />
BEVORZUGT (1953)<br />
21.00 Marilyn Monroe RIVER OF NO RETURN – FLUSS OHNE WIEDERKEHR 83<br />
(1954)<br />
So, 22.7. 18.30 Marilyn Monroe RIVER OF NO RETURN – FLUSS OHNE WIEDERKEHR 83<br />
(1954)<br />
21.00 Marilyn Monroe THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOW BUSINESS – 84<br />
RHYTHMUS IM BLUT (1954)<br />
Mo, 23.7. Keine Vorstellung<br />
Di, 24.7. 20.00 Marilyn Monroe THE SEVEN YEAR ITCH – DAS VERFLIXTE 7. JAHR 84<br />
(1955)<br />
Mi, 25.7. 20.00 Marilyn Monroe BUS STOP (1956) 84<br />
Do, 26.7. 20.00 Marilyn Monroe THE PRINCE AND THE SHOWGIRL – DER PRINZ UND 84<br />
DIE TÄNZERIN (1957)<br />
Fr, 27.7. 18.30 Marilyn Monroe THE MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG (1961) 85<br />
21.00 Marilyn Monroe SOME LIKE IT HOT – MANCHE MÖGEN’S HEISS (1959) 85<br />
Sa, 28.7. 18.30 Marilyn Monroe THE SEVEN YEAR ITCH – DAS VERFLIXTE 7. JAHR 84<br />
(1955)<br />
21.00 Marilyn Monroe LET’S MAKE LOVE – MACHEN WIR’S IN LIEBE (1960) 85<br />
So, 29.7. 18.30 Marilyn Monroe BUS STOP (1956) 84<br />
21.00 Marilyn Monroe THE MISFITS – NICHT GESELLSCHAFTSFÄHIG (1961) 85<br />
Mo, 30.7. bis Mi, 29.8.2012<br />
Sommerpause<br />
96<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München · Tel. 089/233 96450
Für Unterstützung und Kooperation bei der Realisierung unseres Programms danken wir:<br />
Neuer Deutscher Film · Bonner Kinemathek (Bernhard<br />
Gugsch, Sigrid Limprecht) · Deutsche Kinemathek, Berlin (Anke<br />
Hahn) · Filmkundliches Archiv, Köln (Leo Schönecker) ·<br />
Film&Kunst, München (Gunter Bittmann, Ernst Schillert, Ana<br />
Radica) · Filmmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf (Andreas<br />
Thein) · Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Gu-<br />
drun Weiss) · Kulturreferat der Landeshauptstadt München<br />
(Hans-Georg Küppers, Marc Gegenfurtner, Christoph Schwarz) ·<br />
Landesmediendienste Bayern, München · Christian Doermer,<br />
Samerberg · Ralph Eue, Berlin · Rob Houwer, München/ Amster -<br />
dam · Christian Ketels, München · Alexander Kluge, München ·<br />
Ferdinand Martini, Murnau · Hansjürgen Pohland, Berlin · Edgar<br />
Reitz, München · Haro Senft, München<br />
Die rote Traumfabrik · Deutsche Kinemathek, Berlin (Ralf<br />
Dittrich, Dirk Förstner) · Gosfilmofond, Moskau (Valerij Bosenko)<br />
· Österreichisches Filmmuseum, Wien (Regina Schlagnitweit,<br />
Alexander Horwath) · Tolle Idee! Agentur, München (Alexander<br />
Schwarz) · ZDF/Arte, Mainz (Nina Goslar)<br />
Jiří Trnka · Tschechisches Zentrum, München (Zuzana<br />
Jürgens, Annett Bowarzik) · Národní Filmový Archiv, Prag (Karel<br />
Zima)<br />
NS-Filmpropaganda · Bundesarchiv, Berlin (Karl Griep) ·<br />
Blueprint Film, München (Felix Moeller) · Freiwiliige Selbst -<br />
kontrolle der Filmwirtschaft, Wiesbaden (Christiane von Wahlert)<br />
· Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (Ernst Szebe -<br />
dits, Gudrun Weiss) · Goethe-Institut, München (Christian Lüffe)<br />
· Spiegel TV, Hamburg (Michael Kloft) · Michael Farin, München<br />
· Felix Moeller, München · Hans Schmid, München · Markus<br />
Zimmer, München<br />
Stimmen der Roma · Offene Akademie der <strong>Münchner</strong><br />
Volkshochschule (Klaus Blanc) · Kulturreferat der Landes haupt -<br />
stadt München (Christoph Schwarz) · Princes Production, Paris<br />
(Delphine Mantoulet) · Tschechisches Zentrum, München<br />
(Zuzana Jürgens, Annett Bowarzik) · Katrin Seybold, München<br />
Dieter Wieland · Bayerische Architektenkammer, München<br />
(Sabine Picklapp) · Bayerischer Rundfunk, München (Johannes<br />
Pechtold, Eva Maria Steimle, Sabine Scharnagl) · Rainer<br />
Gansera, München · Dieter und Heidi Wieland, Uffing<br />
Hong Sangsoo | Rudolf Thome · Korean Film Council<br />
(KOFIC), Seoul (Jeon Yoonhyung, Kim Uhseok) · Sungji Oh, Seoul<br />
· Ekkehard Knörer, Berlin · Rudolf Thome, Berlin<br />
Film und Psychoanalyse · Akademie für Psychoanalyse und<br />
Psychotherapie, München (Matthias Baumgart, Eva Friedrich,<br />
Andreas Hamburger, Katharina Leube-Sonnleitner, Mathias<br />
Lohmer, Irmgard Nagel, Vivian Pramataroff-Hamburger, Heidi<br />
Spanl, Corinna Wernz) · Cinémathèque de la Ville de Luxem -<br />
bourg (Claude Bertemes)<br />
Der Untergang der Titanic · Det Danske Filminstitut, Kopen -<br />
hagen (Thomas Christensen) · Deutsche Kinemathek, Berlin<br />
(Anke Hahn) · Alexander Kluge, München<br />
Architekturfilmtage · Bayerische Architektenkammer,<br />
München (Präsident Lutz Heese, Sabine Picklapp) · Film Sharks,<br />
Buenos Aires (Guido Rud, Valeria Fanego) · Fondation Pierre<br />
Bergé – Yves Saint Laurent, Paris (Jérôme Piodi) · Galerie<br />
Capitain Petzel, Berlin (Svenja Schuhbauer) · Neue Road<br />
Movies, Berlin (Wim Wenders, Stephanie Röders, Francesca<br />
Hecht) · Parallax Corporation, New York (Mackenzie Schneider)<br />
· Jörg Dünne, München · Fritz Göttler, München · Stephanie<br />
Hausmann, München · Dieter Reifarth, Frankfurt · Wolf<br />
Tegethoff, München<br />
Italienischer Neorealismus · Cinecittà Luce, Rom (Rosaria<br />
Folcarelli) · Istituto Italiano di Cultura, München (Giovanna<br />
Gruber) · Margarethe von Trotta, München<br />
Lars von Trier · Babylon Kino, Berlin (Fernando Huerta) · Den<br />
Danske Filmskolen, Kopenhagen · Det Danske Filminstitut,<br />
Kopen hagen (Thomas Christensen, Jesper Andersen) ·<br />
Königlich Dänische Botschaft, Berlin (Per Erik Veng) · Zentropa<br />
Film, Kopenhagen (Emilie Spliid)<br />
Marilyn Monroe · Cinémathèque de la Ville de Luxembourg<br />
(Marc Scheffen) · Cinémathèque Française, Paris (Emilie<br />
Cauquy) · Warner Bros., Hamburg (Richard Flynn) · Eckhart<br />
Schmidt, München<br />
Fotos · Bayerischer Rundfunk, München · Cinémathèque Suisse, Lausanne (Thomas Bissegger) · Det Danske Filminstitut,<br />
Kopenhagen (Henrik Fuglsang) · Filmmuseum München (Oleksandr Osherov, Gerhard Ullmann) · Neue Road Movies, Berlin (Fran -<br />
cesca Hecht) · Parallax Corporation, New York (Mackenzie Schneider) · Ramsch Köln (Bernhard Marsch) · Westendfilme, Köln (Michael<br />
Mischkowski) · Internationale Filmfestspiele Berlin · Alexander Schwarz, München · Haro Senft, München · Dieter Wieland, Uffing
Das Kino der Stadt<br />
Filmmuseum im <strong>Münchner</strong> <strong>Stadtmuseum</strong> · St.-Jakobs-Platz 1 · 80331 München<br />
Tel 089/233 96450 · Fax 089/233 23931 · http://www.filmmuseum-muenchen.de