Verschiedene Texte - Stefan Fleischer
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So kann auch die Frage nach der Sexualität eigentlich nur von<br />
der Gottesfrage her beantwortet werden. Wo ich vor Gott ein<br />
DU bin, in meiner Beziehung zu IHM wie in meiner Beziehung<br />
zum Mitmenschen, ja, irgendwie sogar in der Beziehung zur<br />
ganzen Schöpfung, kann ich auch verstehen, dass meine Sexualität<br />
nicht einfach zu meinem ICH gehört, sondern immer zum<br />
DU, zum DU des Anderen, zum DU der Gesellschaft und zu jenem<br />
DU, das ich im Grunde genommen bin oder zumindest<br />
sein sollte. Nur so kann ich ganz grundsätzlich begreifen, dass<br />
der Individualismus, die eigene Selbstverwirklichung, der Entwicklung<br />
der Menschheit, und damit schlussendlich auch meiner<br />
eigenen Entwicklung zuwider läuft, dass der Weg zum ICH<br />
der Weg zum Chaos ist.<br />
Daraus folgt, dass die Lehre der Kirche zwar nicht unbedingt<br />
dem Empfinden der heutigen Zeit entspricht, dass sie aber etwas<br />
bewahrt hat, was für die Menschheit lebensnotwendig ist,<br />
das Bewusstsein für jene Schicksalsgemeinschaft, die die<br />
Menschheit darstellt. Zu dieser Schicksalsgemeinschaft aber<br />
gehört auch der richtige, das heisst der gemeinschaftsbezogene<br />
Umgang mit der Sexualität. Und aus dieser Sicht ist es<br />
nur logisch, diesen dort anzusiedeln, wo der Kern dieser<br />
Schicksalsgemeinschaft gesehen wird, in der Familie.<br />
Was wir bis jetzt noch nicht bedacht haben ist, dass diese DUbeziehungsweise<br />
WIR-Haltung natürlich der Idealzustand ist.<br />
Seit der Erbschuld, seit jenem Entscheid, sein zu wollen wie<br />
Gott, nämlich autark, ist die ICH-Haltung immer die grosse<br />
Versuchung für jeden Menschen. Besonders heute, wo es vielfach<br />
leichter und angenehmer erscheint, auf dem Buckel anderer<br />
zu leben, statt als Teil das Ganze mit zu tragen, wird sie<br />
immer schwieriger. Schuld daran ist, wie schon gesagt, die Tatsache,<br />
dass es heute viel mehr als früher möglich erscheint,<br />
mehr oder weniger unabhängig von der Gesellschaft zu leben.<br />
Dadurch wächst aber auch der Eindruck, ohne Gott existieren<br />
zu können, was wiederum das Unabhängigkeitsdenken gegenüber<br />
der Gesellschaft (und der Umwelt ganz allgemein!) fördert.<br />
Es ist ein Teufelskreis. Daraus auszubrechen gelingt nur<br />
durch den Gottesbezug. Und hier liegt die Aufgabe der Kirche,<br />
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