Meinert_Str”mungssimulation
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Strömungssimulation der Überdruckbelüftung eines<br />
Sicherheitstreppenraumes<br />
Dipl.-Ing. (FH) Marion <strong>Meinert</strong> M.Sc<br />
Fachhochschule Münster, Labor für Bauphysik<br />
Corrensstraße 25, 48149 Münster<br />
Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Wolfram Klingsch<br />
Bergische Universität Wuppertal, Pauluskirchstraße 11, 42285 Wuppertal<br />
Kurzfassung:<br />
Hochhäuser stellen Ingenieure vor komplexe Herausforderungen. Im Bereich des<br />
Brandschutzes liegen diese u.a. in der sicheren Evakuierung im Brandfall, welche bei<br />
innenliegenden Treppenräumen in Hochhäusern durch die Nutzung von<br />
Sicherheitstreppenräumen erfolgt. Anwendung finden Sicherheits-Druckbelüftungsanlagen<br />
auf Basis DIN EN 12101-6:2005-09 „Rauch- und Wärmefreihaltung, Teil 6: Festlegungen für<br />
Differenzdrucksysteme, Bausätze“[1]. Wesentliche physikalische Grundlagen werden in der<br />
Norm nicht betrachtet und sollen in diesem Beitrag beschrieben werden. Des Weiteren wird<br />
detailliert auf die Bestimmung von Druckverlusten bei der Durchströmung eines<br />
Sicherheitstreppenraumes eingegangen. Das Vorgehen analog zur Kanalnetzberechnung wird<br />
vorgestellt und anhand einer CFD-Simulation für die Übertragung auf<br />
Sicherheitstreppenräume beurteilt.<br />
1. Einleitung<br />
Ein Sicherheitstreppenraum zeichnet sich dadurch aus, dass das Eindringen von Feuer und<br />
Rauch durch bauliche und gebäudetechnische Maßnahmen verhindert wird, um einen sicheren<br />
Fluchtweg zu gewährleisten. Dies geschieht über die Anordnung von Vorräumen vor dem<br />
Treppenraum in Kombination mit Sicherheits-Druckbelüftungsanlagen.<br />
Bei Druckbelüftungsanlagen wird durch einen Ventilator im Treppenraum und im Vorraum ein<br />
kontrollierter Überdruck erzeugt. Wird die Tür zum vom Brand betroffenen Geschosses<br />
geöffnet, strömt die Luft aufgrund der Druckdifferenz zwischen Treppenraum und Geschoss<br />
aus dem Treppenraum über den Vorraum in den Flur des Brandgeschosses, drängt den Rauch<br />
zurück und das Einströmen von Rauch in den Treppenraum wird verhindert. Es werden<br />
zusätzliche Anforderungen an die maximalen und minimalen Drücke auf die<br />
Treppenraumtüren gestellt. Dies ist notwendig, um im Evakuierungsfall sowohl das Öffnen<br />
der Türen ohne zu große Kraftaufwendung in Fluchtrichtung zu gewährleisten, als auch ein<br />
Überströmen von Rauch bei zu niedrigen Drücken zu verhindern.<br />
2. Stand der Technik und bisherige Ansätze<br />
DIN EN 12101-6:2005-09 [1] unterscheidet sechs unterschiedliche Systemklassen zur<br />
Auslegung von Druckbelüftungs und Druckentlüfungssystemen. Diese fordern i.A. eine<br />
Druckdifferenz von 50Pa zwischen Treppenraum und Brandgeschoss bei geschlossenen Türen<br />
sowie eine Strömungsgeschwindigkeit von 0,75 bis 2,0 m/s in das Brandgeschoss bei offener<br />
Tür. Gleichzeitig darf die Kraft zur Öffnung der Fluchttür in den Treppenraum hinein 100N<br />
nicht überschreiten. In diesem Regelwerk wird auf die Einflüsse aus<br />
Auftrieb durch Temperaturdifferenz<br />
Kamineffekt: vertikale Luftströmung in Gebäuden oder schachtähnlichen Anlagen<br />
aufgrund des Auftriebes<br />
Thermische Ausdehnung der Luft<br />
Winddruck
Heizung, Lüftungs- und Klimaanlagen<br />
eingegangen. Druckverteilungen über die Gebäudehöhe sowie Druckverluste z.B. durch<br />
Leckagen werden allerdings nicht berücksichtigt (vgl. Engels et al. [2]).<br />
3. Physikalische Randbedingungen der Druckberechnung<br />
Die natürliche Druckverteilung über die Höhe kann durch den hydrostatischen Auftrieb bzw.<br />
über die Differenz der Lageenergie (potentielle Energie) beschrieben werden zu:<br />
p<br />
h<br />
g h<br />
(1)<br />
Da die Dichte der Luft von deren Temperatur abhängt ist, stellt sich für unterschiedliche<br />
Lufttemperaturen eine unterschiedliche Druckverteilung über die Höhe ein. In Tabelle 1 ist<br />
dies exemplarisch für ein 100m hohes Gebäude dargestellt für Temperaturunterschiede von<br />
0°C, 40°C und 20°C zwischen Gebäudeinnen- und außentemperatur. Als Referenz wurde hier<br />
der Druck von 101325Pa nach Normbedingungen verwendet. Eine Druckdifferenz induziert<br />
eine Strömung vom höheren zum niedrigeren Druck, hier wird bei wärmerer Luft (geringere<br />
Dichte) durch die erhöhte Impulsdichte der Luftmoleküle ein erhöhter Druck im Vergleich zur<br />
kälteren Luft verursacht.<br />
Tabelle 1 – Druckverlauf über die Höhe<br />
Tinnen T außen<br />
innen<br />
Taußen<br />
Nur geodätischer Druck<br />
wirkt<br />
T (Winter) Tinnen<br />
Taußen<br />
(Sommer)<br />
Kamineffekt<br />
Geodätische Druckdifferenz<br />
wird verstärkt<br />
Strömungsrichtung ↑ ↑↑ ↓(1) ↑(2)<br />
Entgegengesetzter<br />
Kamineffekt<br />
Dichtedifferenz aufgrund<br />
Temperaturunterschied (1)<br />
wirkt geodätischer<br />
Druckdifferenz (2) entgegen
Unter Beachtung der Massenerhaltung führt dies bei einem Gebäude mit Öffnungen oben und<br />
unten ( m m<br />
) zu einer Einströmung durch die untere Öffnung und einer Ausströmung<br />
ein<br />
aus<br />
durch die obere Öffnung für den Fall Tinnen<br />
Taußen<br />
( innen<br />
außen<br />
) bzw. einer Ausströmung<br />
unten bei gleichzeitiger Einströmung oben für Tinnen<br />
T (<br />
außen innen<br />
).<br />
außen<br />
Der Druckaufbau im Gebäudeinneren durch die maschinelle Zuluft einer<br />
Druckbelüftungsanlage überlagert sich mit dem thermisch bedingten natürlichen Druckprofil<br />
(vgl. Abb. 1). Tabelle 1 zeigt den Druckverlauf einschließlich eines exemplarisch gewählten<br />
Druckverlustes von 2 Pa pro m.<br />
Für die Vermeidung des Raucheintrittes in den Sicherheitstreppenraum sind für die Auslegung<br />
der Druckbelüftungsanlage unterschiedliche Kräfte und Einwirkungen, welche lokal an den<br />
Systemgrenzen des Treppenraumes, bzw. im Treppenraum wirken, zu berücksichtigen:<br />
F Raucheintritt aus Brandgeschoss = F natürliche Druckdifferenz + E Druckverlust = F maschinelle Zuluft<br />
(2)<br />
Abbildung 1 – Druckprofil<br />
natürlich und maschinell<br />
Für den Auslegungsfall „Winter“ mit T T folgt daraus,<br />
innen<br />
außen<br />
dass sich die natürliche Druckdifferenz unterstützend auf die<br />
Druckbelüftungsanlage auswirkt. Bei klimatisierten Gebäuden<br />
muß im Sommer mit T T . die maschinelle Zuluft,<br />
innen<br />
außen<br />
neben der Strömungskraft aus dem Brandgeschoss und dem<br />
Druckverlust bei Durchströmung des Treppenraumes, auch der<br />
natürlichen Druckdifferenz entgegenwirken.<br />
Weitere, miteinander interagierende Einflussfaktoren der<br />
Druckbelüftungsauslegung sind, wie z.T. bereits beschrieben:<br />
Windeinflüsse auf die Gebäudehülle<br />
Leckagen der äußeren Gebäudehülle<br />
Leckagen auf den Strömungswegen der inneren<br />
Gebäudezonen<br />
Druckverteilung im Gebäudeinneren.<br />
Das Nutzerverhalten hinsichtlich Fensterlüftung, Raumheizung<br />
und Lüftung hat ebenfalls Auswirkungen auf die<br />
Druckverteilung im Gebäudeinneren.<br />
Sämtliche Einflüsse müssen objektspezifisch für die sichere<br />
Auslegung der Überdruckbelüftung eines Treppenraumes<br />
beispielsweise durch Netzwerkmodelle ermittelt werden. Im<br />
nordamerikanischen Raum wird nach Klote [3] beispielsweise<br />
die Auslegung von druckbelüfteten Treppenräumen standardmäßig mit dem vom NIST<br />
entwickeltem Multizonenmodell CONTAM durchgeführt. Insbesondere die Druckverteilung<br />
im Gebäudeinneren und die damit zusammenhängenden Leckagen werden von DIN EN<br />
12101-6:2005-09 nicht berücksichtigt.
4. Strömungsmechanische Betrachtung des Druckverlustes analog zur<br />
Kanalnetzberechnung<br />
Der Druck in einem strömenden System kann nach der Stromfadentheorie vereinfacht durch<br />
die Bernoullische Gleichung auf Grundlage der Massen- und Energieerhaltung im System<br />
beschrieben werden, in der die Strömung als eindimensionaler, gerader Faden betrachtet wird.<br />
An diesem wird der Systemdruck an unterschiedlichen Punkten verglichen, wie exemplarisch<br />
an nachfolgender Gleichung für die Punkte 1 (P1) und 2 (P2) gezeigt.<br />
2<br />
2<br />
p1<br />
u1<br />
g h1<br />
p2<br />
u2<br />
g h2<br />
p<br />
(3)<br />
2<br />
2<br />
statischer dynamischer<br />
Druck P1 Druck P1<br />
geodätischer<br />
Druck P1<br />
statischer dynamischer<br />
Druck P2 Druck P2<br />
geodätischer<br />
Druck P2<br />
Druckverlust<br />
Druckverluste im Sinne von Strömungswiderständen beschreiben hier den Zusammenhang<br />
zwischen gefördertem Massenstrom und dem dazu erforderlichen Druckgradienten [4]<br />
Der Druckverlust in einem Kanal wird aus der Summe der Druckverluste W, der auf<br />
Grund von Wandreibung entsteht und der Summe der Einzeldruckverluste durch<br />
Richtungs- und Querschnittsänderungen berechnet.<br />
(4)<br />
W<br />
Die Druckverluste W beschreiben die Reibungsverluste aufgrund der Schubspannungen an<br />
den Wänden und werden für geometrisch ähnliche Strömungen in Abhängigkeit der nach dem<br />
Widerstandsgesetz ermittelten Reibungszahl λ R bzw. einem hydraulischen Durchmesser D h<br />
ermittelt. Dennoch ergeben sich bei unterschiedlichen Querschnittsformen bis zu 20%<br />
Abweichung bei einer laminaren Strömung und bis zu 2% Abweichung bei einer turbulenten<br />
Strömung im Vergleich zum Widerstandsgesetz.<br />
Die Druckverluste werden als der Strömung entgegengesetzte Widerstände verstanden,<br />
die durch Richtungs- und Querschnittsänderungen oder Einbauten erzeugt werden. Nach<br />
Gleichung (5) werden die Einzeldruckverluste in Abhängigkeit der Dichte, der<br />
Strömungsgeschwindigkeit sowie des Widerstandsbeiwertes (Zeta) berechnet. Der Zeta-<br />
Beiwert ist von der Geometrie sowie von der Strömungsform (laminar/ turbulent) abhängig.<br />
In der Literatur sind umfassende Auflistungen von Widerstandsbeiwerten für Lüftungsanlagen<br />
zu finden (vgl. [5], [6], [7] und [8]). Insbesondere Idelchik [5] geht detailliert auf<br />
Druckverluste bei unterschiedlichen Strömungsarten (laminar / turbulent) ein. Hier werden die<br />
Widerstandsbeiwerte auch für einfache Geometrien nicht nur in Abhängigkeit der<br />
Abmessungen (Radius /Breite, Höhe / Breite) sondern auch in Abhängigkeit der Reynoldszahl<br />
sowie der Wandrauhigkeit tabelliert. Die Widerstandsbeiwerte wurden experimentell und im<br />
Wesentlichen bei einer voll entwickelten symmetrischen Einströmung in das Bauteil ermittelt.<br />
Literaturangaben verweisen auch auf Versuchsergebnisse die bereits in den 30er bis 70er<br />
Jahren des letzten Jahrhunderts publiziert wurden. Aufgrund beobachteter Probleme bei der<br />
Planung von Kanalnetzen wurden die Widerstandsbeiwerte 2011 erneut experimentell<br />
ermittelt [9]. Es wurde festgestellt, dass die Messungen von Druckverlusten gleicher Ursache<br />
in unterschiedlichen Laboratorien zu unterschiedlichen Ergebnissen führten und<br />
veröffentlichte Werte für hintereinandergeschaltete Widerstände damit z.T. hinfällig sind.<br />
Daraus folgt, dass die Strömungen in Lüftungskanälen zu komplex sein können, um<br />
Druckverluste nach den bekannten Verfahren zu ermitteln und daß die Übertragbarkeit auf<br />
Treppenräume nach der eindimensionalen Bernoulligleichung fraglich ist.<br />
(5)
5. Thermodynamische Betrachtung des Druckverlustes<br />
Der Energieverlust eines technischen Prozesses (hier die Durchströmung des Treppenraumes)<br />
ist im thermodynamischen Sinne ein Exergieverlust (Verlust arbeitsfähiger Energie) als Folge<br />
von Entropieproduktionen während dieses Prozesses (vgl. Herwig [10]). Damit wird die<br />
Strömungsenergie entwertet bzw. ihre Arbeitsfähigkeit wird vermindert. Mit dieser<br />
Entropieproduktion geschieht gleichzeitig eine Dissipation der mechanischen Energie. Die<br />
Dissipation beschreibt eine Umverteilung der mechanischen Energie in nicht nutzbare und<br />
nicht rückwandelbare innere Energie und damit eine Entwertung der mechanischen Energie.<br />
Die spezifische Dissipation φ wird in [J/kg] bestimmt und kann für eine Strömung nicht<br />
negativ werden [10].<br />
Die Strömungsverluste durch Dissipation mechanischer Energie werden durch Turbulenz<br />
verursacht und können durch die Entropieproduktion im Strömungsfeld bestimmt werden.<br />
Zusammen mit der durch die Druckbelüftungsanlage geleisteten mechanischen Arbeit kann<br />
damit die Energiebilanz für den Stromfaden nach Herwig [4] um die spezifische Dissipation<br />
erweitert werden zu:<br />
<br />
2<br />
<br />
2<br />
2<br />
2<br />
* *<br />
p<br />
1<br />
u1<br />
g h1<br />
p2<br />
u2<br />
g h2<br />
<br />
(6)<br />
t12<br />
12<br />
techn. Arbeit Dissipation<br />
xperimentelle Messungen zeigen, dass diese spezifische nergie φ in turbulenten<br />
2<br />
Strömungen direkt proportional zur kinetischen Energie entlang der Stromlinie u / 2 ist. Der<br />
Widerstandsbeiwert eines Bauteils beispielsweise eines Lüftungskanals kann damit für<br />
turbulente Strömungen in Abhängigkeit der spezifischen dissipierten (entwerteten) nergie φ<br />
und der mittleren Strömungsgeschwindigkeit u beschrieben werden zu:<br />
*<br />
12<br />
<br />
2<br />
u<br />
(7)<br />
2<br />
6. Bisherige Ansätze zur Erfassung der Druckverluste in Treppenräumen<br />
Die ersten Ansätze zur Planung von Überdruckanlagen wurden 1963 von Tamura und Wilson<br />
[11] [12] in Kanada entwickelt. Beide untersuchten experimentell den Kamineffekt<br />
(Druckdifferenz aufgrund Dichtedifferenz abhängig von der Höhe und der Lufttemperatur)<br />
experimentell. Sie formulierten die Gesamtdruckdifferenz eines Hochhaus-Treppenraumes als<br />
eine Funktion des Verhältnisses vom Strömungswiderstand durch die Außenwand zum<br />
Strömungswiderstand über die Geschosse.<br />
Strömungswiderstand durch Außenwand <br />
p real<br />
f <br />
<br />
(8)<br />
Strömungswiderstand über Geschosse <br />
Bereits 1968 [13], [14] kamen sie zu den wesentlichen Erkenntnissen, dass Luftströmungen,<br />
die auf dem Kamineffekt beruhen, eine enorme Auswirkungen auf die Funktionalität von<br />
Druckbelüftungsanlagen haben und in Planung und Betrieb berücksichtigt werden sollten.<br />
Druckdifferenzen zwischen dem Gebäudeinneren und der Außenluft können nicht vermieden<br />
werden, aber die Druckverteilung innerhalb eines Gebäudes kann durch das Gebäudedesign<br />
beeinflusst werden. Diese Druckverteilung ist abhängig von den „relativen<br />
Strömungswiderständen“ der Bauteile und kann durch deren Anordnung in der<br />
Strömungsbahn beeinflusst werden, also durch Luftdichtheiten der Außenwände, Anordnung<br />
innerer Gebäudezonen und der Anwendung maschineller Zonenbelüftung.
In Deutschland machten Gerhardt und Lieb 2002 [15] erstmals auf diese Thematik<br />
aufmerksam und heben sich damit von [16], [17] und [18] ab.<br />
Achakji und Tamura [19] führten bereits 1988 Versuche im Realmaßstab durch um die<br />
Druckverluste in Treppenräumen hoher Gebäude charakterisieren zu können. Sie variierten in<br />
einem 10 geschossigen Treppenraum mit einer Grundfläche von 12.5m² zwischen offenen<br />
(feste Trittfläche, offener Antritt) und vollständig geschlossenen Stufen sowie der<br />
Anwesenheit von Personen im Treppenraum.<br />
Als wesentliche Ergebnisse hielten Sie fest:<br />
Der Strömungswiderstand mit Personen im Treppenraum kann doppelt so hoch sein<br />
wie ohne.<br />
Offene Stufen hatten einen geringeren Druckverlust (geringerer<br />
Strömungswiderstand) zur Folge als geschlossene.<br />
Für Geschosshöhen von 2.6 m und 3.6m war der Druckverlust des kleineren zweimal<br />
so groß wie das des größeren. Dies ist auf die veränderte Auftrittfläche der Stufen<br />
zurückzuführen.<br />
Größerer Druckverlust für Geschosse mit größerer Podestgröße<br />
Der Druckverlust durch Reibung wurde linear zur linear zur Höhe und variierte<br />
quadratisch mit dem Zuluftvolumenstrom.<br />
Für die Unterscheidung zwischen Luftzufuhr unten oder oben stellten sich die<br />
gleichen Druckverlustcharakteristika ein.<br />
Druckdifferenzen werden Beschrieben durch<br />
o Gewicht der Luftsäule<br />
o Impulsverluste durch Luftundichtigkeiten<br />
o Reibungsverluste (Gleichung nach Darcy für Lüftungskanäle)<br />
Dimensionen von Druckdifferenzen für Strömungsraten von 5 bis 10 m³/s pro Geschoss haben<br />
sie experimentell ermittelt zu 4,5 bis 33,6 Pa bzw. die Druckverlustkoeffizienten ermittelten<br />
sie zu 61 bis 68 [-], (ohne die Anwesenheit von Personen im Treppenraum). Die Werte gelten<br />
für die mittleren Geschosse eines 10-geschossigen Gebäudes.<br />
Ferner bestimmte Konrath [20] die Druckverluste in einem Modell im Maßstab 1:10 zu<br />
25 bzw. 56 für Treppenräume mit offenem bzw. geschlossenem Treppenauge. Er<br />
bezieht sich dabei gemäß Gleichung (9) nach Ostertag auf die Treppenraumgrundfläche A TR<br />
und den durchgesetzten Volumenstrom V L :<br />
pV<br />
pV<br />
<br />
2<br />
2<br />
u<br />
V<br />
<br />
<br />
(9)<br />
<br />
2<br />
2 2 ATR<br />
Konrath erklärt die Strömungsablösungen an den Kanten der Treppenläufe im Bereich der<br />
Treppenaugen als wesentlich für den Druckverlust.<br />
Die bisherigen experimentellen Untersuchungen lassen sich noch nicht zu einem für<br />
Bemessungen geeigneten Ansatz zusammenfassen. Aufgrund der komplexen Strömungen in<br />
Treppenräumen und der beschriebenen Probleme zur Erfassung der Druckverluste sollen, im<br />
Rahmen der laufenden Forschungsarbeit [21] umerische Strömungssimulationen zur<br />
dreidimensionalen Bestimmung der Druckverluste angewendet werden.
7. Numerische Strömungssimulation & Validierung<br />
Zur Bewertung der qualitativen Anwendung der CFD-Methoden wurden zunächst die<br />
Messergebnisse von Achakij mit dem Programm FDS (Fire Dynamics Simulator) [22][23]<br />
simuliert in der Version 5.5.3 mit LES-Turbulenzmodellierung nach dem dynamischen<br />
Smakorinsky-Modell. Die Simulationen des transienten Lösers wurden für den isothermen<br />
Fall (T=20°C) solange betrachtet, bis sich ein ausreichend stationärer Zustand einstellte.<br />
Die Variationen offene / geschlossene Stufen sowie Einströmungsvolumenströme von 5 / 7.5<br />
und 10 m³/s wurden für unterschiedliche Gittergrößen ∆x=∆y=∆z = 0,10m / 0,05m und<br />
0,025m untersucht, der Strömungswiderstand von Personen wurde nicht betrachtet. Die<br />
Einströmung erfolgt von unten über die Fläche A= 0,55 x 0,55m. Für die Gittergröße<br />
∆h=0.025m wurde ein Ausschnitt des Treppenraumes vom 4. bis zum 7. Geschoss betrachtet<br />
mit Einströmung über den gesamten Treppenraumgrundriss (A=12,5m²).<br />
P18<br />
P17<br />
…<br />
…<br />
P4<br />
P3<br />
P2<br />
P1<br />
P13<br />
P12<br />
…<br />
P9 …<br />
P8<br />
P7<br />
P6<br />
P0<br />
Abbildung 2 -Darstellung Versuchstreppenraum<br />
Abbildung 3 Darstellung FDS-Modell<br />
Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Gegenüberstellung von realem Treppenraum und FDS-<br />
Modell. Leckagen durch Undichtigkeiten wurden nicht betrachtet, im Experiment waren<br />
sämtliche Luftdurchlässe mit Ausnahme des Einlasses und der obersten Geschosstür luftdicht<br />
abgeschlossen. Druckmessstellen waren im Modell wie auch im Treppenraum unter bzw.<br />
oberhalb jeden Geschosspodestes angeordnet.<br />
Während sich für die Variante „offene Stufen“, unabhängig vom Volumenstrom und<br />
Zellgröße, für alle Druckmessstellen eine nahezu stetige Strömung mit geringen<br />
Druckfluktuationen einstellte, wurden für die Variante „geschlossene Stufen“ geringfügige<br />
zeitliche Änderungen des mittleren Druckverlaufes festgestellt, welche sich über die einzelnen<br />
Geschosse fortpflanzten. (vgl. Abb. 4 und 5 für V=5m³/s und ∆h = 0,05m)
Abb. 4 – Druckverlauf offene Stufen<br />
Abb. 5 – Druckverlauf geschlossene Stufen<br />
Bei dem Vergleich der experimentellen Ergebnisse mit den Simulationsergebnissen fällt<br />
zunächst die zunehmende Abweichung der numerischen Vorhersage zur Messung mit<br />
zunehmendem Volumenstrom, d.h. mit zunehmender Reynoldszahl auf.<br />
Die Übereinstimmung mit den gemittelten gemessenen Werten ist für die Variante „offene<br />
Stufen“ größer als für die geschlossenen Stufen. Eine Netzverfeinerung von 10 cm auf 2,5cm<br />
bewirkt keine bessere Reproduktion der Versuchsdaten. Im Gegenteil, in der Variante „offene<br />
Stufen“ wird die beste Übereinstimmung mit einer Gittergröße von 10 cm erzielt.<br />
Abb. 6 - Vergleich Experiment-Simulation<br />
Abb. 7 - Vergleich Experiment-Simulation<br />
Die genauere Betrachtung des Druckverlustes ohne Mittelung über die Geschosse, zeigt bei<br />
statistischer Untersuchung, dass in den ersten Geschossen im Fall „offene Stufen“ die größten<br />
Druckschwankungen auftreten, während sich dann konstante Druckverläufe einstellen (Abb.<br />
10). Für die geschlossenen Stufen ist diese Anlaufstrecke, bis sich die Druckfluktuationen<br />
abschwächen, etwas länger (vgl. Abb. 11).
Abb.8 – Druckverlauf „offene Stufen“<br />
5m³/s ∆h = 0.05m<br />
Abb.9 – Druckverlauf „geschlossene Stufen“<br />
5m³/s ∆h = 0.05m<br />
Während sich jedoch für die offenen Stufen über die durchströmten Geschosse bei einem<br />
Volumenstrom von 5m³/s ein nahezu konstanter Druckverlauf einstellt, führt die Verstärkung<br />
des Volumenstroms zu einem über die Geschosse variierendem Druckverlust mit nahezu<br />
periodischen Verlauf (vgl. Abb. 12 -15). Für die Variante „geschlossene Stufen“ zeigt sich<br />
dieser Verlauf unabhängig von dem Einströmungsstrom (vgl. Abb. 16 und 17).<br />
Abb. 10 – Druckdifferenz „offene Stufen“ 10m³/s<br />
∆h = 0.05m<br />
Abb. 11 – Druckdifferenz „geschlossene Stufen“<br />
5m³/s ∆h = 0.05m<br />
Abb.12 – Druckmittelung „offene Stufen“<br />
∆h = 0.05m<br />
Abb. 13 – Druckmittelung „geschlossene Stufen“<br />
∆h = 0.05m
Aus den Abbildungen 16 und 17 wird deutlich, dass für die Variante „offene Stufen“<br />
hinsichtlich des Druckverlustes eine konvergente numerische Lösung erreicht wird, diese aber<br />
mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit abnimmt. Für die Variante „geschlossene<br />
Stufen“ verstärkt sich dieser ffekt.<br />
Abb. 14 – gemittelte Druckdifferenz offene Stufen<br />
Abb. 15 – gemittelte Druckdifferenz geschl. Stufen<br />
8. Zusammenfassung und Ausblick<br />
Der Vergleich der durchgeführten Simulationen zeigt Abweichungen von bis zu 50% zu den<br />
Messergebnissen nach Achakij von 1988. Dieses sind aufgrund geringer Versuchsreihen und<br />
eingeschränkter Modellierung durch Literaturdaten, allerdings keine repräsentativen<br />
Validierungsdaten und zu Mess- und Modellunsicherheiten können keine Angaben gemacht<br />
werden.<br />
Mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit sinkt der Grad der Übereinstimmung von<br />
Experiment und Simulation. Die Simulation überschätzt das Messergebnis deutlich. Dies ist<br />
ebenfalls abhängig von der Treppenraumkonfiguration; unterschiedliche<br />
Geometrieausbildungen führen zu abweichenden Übereinstimmungen.<br />
Die einfache Übertragung der Bernoulligleichung für Lüftungskanäle auf die<br />
Druckverlustwiderstände in Treppenräumen kann aus folgenden Gründen in Frage gestellt<br />
werden:<br />
Druckverluste sollen durch konstante Widerstandswerte in Abhängigkeit der Dichte<br />
und mittleren Geschwindigkeit ermittelt werden<br />
. Die CFD-<br />
Simulationen zeigen, dass die Geschwindigkeit örtlich starken Schwankungen<br />
unterliegt. Der benannte Vorschlag, die quadratische Geschwindigkeit durch das<br />
2<br />
Verhältnis des Volumenstroms zur Grundfläche V 2<br />
/ A<br />
TR darzustellen, berücksichtigt<br />
nicht die lokale kinetische Energie des Geschwindigkeitsfeldes im Treppenraum.<br />
Die FDS-Simulationen deuten darauf hin, dass die Druckverluste nicht für jedes<br />
Geschoss konstant sind, sondern für unterschiedliche Einströmunsszenarien variieren<br />
oder sogar einen periodischen Verlauf einnehmen können, insbesondere bei hohen<br />
Strömungsgeschwindigkeiten.<br />
Die Lufteinlässe werden nicht erfasst. Die Abbildungen zum Druckverlauf (vlg. Abb.<br />
8-11) zeigen, dass die höchsten Druckschwankungen im untersten Geschoss bzw. in<br />
den ersten Geschossen erfasst werden. Dies deutet auf eine ausgeprägte turbulente<br />
Strömung hin und damit auf erhöhte Dissipationsraten.<br />
Die Eignung des Fire Dynamics Simulators für die Simulation der mechanisch induzierten<br />
Strömung ist des weiteren nicht vollständig validiert [22]. Durch die Eliminierung akustischer<br />
Effekte in der Druckgleichung und Anpassung der Navier-Stokes Bewegungsgleichungen an
inkompressible Strömungen mit großen Dichteunterschieden als Folge großer<br />
Temperaturdifferenzen ist es in FDS möglich, die Energieerhaltungsgleichung nicht direkt<br />
numerisch zu lösen, sondern nur zur Überprüfung der Divergenzbedingung zu nutzen. Eine<br />
schnellere Lösung des Gleichungssystems ist die Folge. Daraus folgt, dass Druckänderungen<br />
von Energiezu- oder abnahmen ausgelöst werden, wie es bei thermisch induzierten<br />
(konvektiven) Strömungen der Fall ist. Der vereinfachte Algorithmus kann zu erhöhten<br />
numerischen Fehlern bei isothermen, mechanisch induzierten Strömungen führen. Zudem<br />
können aufgrund des hexaedrischen Gitters Grenzschichtablösungen an den Kanten nicht<br />
vollständig aufgelöst werden werden.<br />
Die Simulationsergebnisse des Fire Dynamics Simulator sind mit anderen numerischen<br />
Lösern und Gitterstrukturen zu überprüfen. Es wird die CFD-Bibliothek OpenFOAM<br />
eingesetzt, da hier unterschiedliche Gitterstrukturen Anwendung finden können. Nach<br />
Abschätzung des numerischen Fehlers sollen dann Druckverluste in Abhängigkeit der<br />
Einströmungsgeschwindigkeit wie auch der Einströmungsgeometrie für die Parameter<br />
Geschosshöhe, Treppenaugenbreite, Treppensteigung und Podestgeometrie ermittelt werden.<br />
9. Literaturverzeichnis<br />
[1] DIN EN 12101 Teil6: Rauch- und Wärmefreihaltung - Festlegung für<br />
Differenzdrucksysteme, Bausätze, 2005-09.<br />
[2] D. Engels et al., Fachplanung Entrauchung, Fraunhofer IRB Verlag, 2011.<br />
[3] J. H. Klote, Handbook of Smoke Control Engineering, P. G. T. James A. Milke, Hrsg.,<br />
ASHRAE, 2012.<br />
[4] H. Herwig, Strömungsmechanik, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2006.<br />
[5] I. Idelchik, Handbook of Hydraulic Resistance, United States of America: Hemisphere<br />
Publishing Corporation, 1986.<br />
[6] I. Idelchik und E. Fried, Flow Resistance: A Design Guide for Engineers, USA:<br />
Hemisphere Publishing Corporation, 1989.<br />
[7] V.-G. V. u. Chemieingenieurwesen, VDI-Wärmeatlas, 10.Auflage, Berlin Heidelberg:<br />
Springer-Verlag, 2006.<br />
[8] Recknagel, Sprenger und Schramek, Taschenbuch für Heizung und Klimatechnik,<br />
München: Oldenbourg Industrieverlag, 2007.<br />
[9] 1. UROV NT, „Sources of rror in Aerodynamic System Resistance and Acoustic<br />
Calculation,“ Brüssel, Belgien, 2011.<br />
[10] H. Herwig und T. Wenterodt, Entropie für Ingenieure, Wiesbaden: Vieweg+Teubner<br />
Verlag, 1. Auflage 2012.<br />
[11] Tamura und Wilson, „Air leakage and pressure measurements on two occupied houses,“<br />
ASHRAE Journal, Bd. 5, Nr. 12, pp. 66-73, 1963.
[12] G. Tamura und A. Wilson, „Building Pressures caused by Chimney Action and<br />
Mechanical Ventilation,“ TRANSACTIONS, Bd. 73, Nr. 2, 1967.<br />
[13] G. Tamura und A. Wilson, „Stack ffect and Building Design,“ 1968.<br />
[14] G. Tamura und A. Wilson, „Stack ffect in Buildings,“ 1968.<br />
[15] H. Gerhardt, B. Konrath und R. Lieb, „Zur Druckbelüftung von<br />
Sicherheitstreppenhäusern,“ vfdb-Zeitschrift, Bd. 3, 2002.<br />
[16] D.Ostertag und J. Zitzelsberger, „Innenliegende Sicherheitstreppenräume in Hochhäusern<br />
und ihre Rauchfreihaltung,“ vfdb-Zeitschrift, Bd. 3, pp. 120-122, 2001.<br />
[17] D.Ostertag, „Akute Gefahr in Sicherheitstrppenräumen und Feuerwehraufzügen von<br />
Hochhäusern - rfahrungen und weitere Überlegungen,“ vfdb, Bd. 3, 2002.<br />
[18] D. Ostertag, Überdruckbelüftungsanlagen für Sicherheitstreppenräume in Hochhäusern,<br />
Bd. B in Entrauchung - Grundlagen, Fraunhofer IRB Verlab, 2004.<br />
[19] T. Achakji, „Pressure drop characteristics of typical stairshafts in high-rise buildings,“<br />
ASHRAE TRANSACTIONS, Bd. 94, p. 122, 1988.<br />
[20] B. Konrath, „Pressure differential systems -German point of view to EN 12101-6<br />
consideration of the influence of aerostatic pressure differential in high rise buildings,“<br />
Miedrzyzdroje, Polen, 2007.<br />
[21] <strong>Meinert</strong>, „"Druckverluste bei der Durchströmung von Treppenräumen",“ in Bearbeitung.<br />
[22] K. McGrattan, R. McDermot, S. Hostikaa und J. Floyd, „Fire Dynamics Simulator<br />
(Version 5) Technical Reference Guide -Volume 3: Validation,“ NIST Special Publication<br />
1018-5. [Online].<br />
[23] K. McGrattan, R. McDermot, S. Hostikaa und J. Floyd, „Fire Dynamics Simulator<br />
(Version 5) – User’s Guide,“ 2010.