BERLIN - Veranstaltungskalender für Körper Geist und Seele
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Foto: © laurent hamels - Fotolia.com<br />
Die Kunst des Nicht-Tuns<br />
von Dr. Linda Lehrhaupt<br />
Wir Aktiven<br />
Wir glauben, je mehr wir tun, desto mehr könnten wir<br />
erreichen. Immer haben wir ein Ziel vor Augen, immer<br />
streben wir danach, noch besser zu werden, indem wir<br />
noch mehr tun. Es ist uns fast unmöglich geworden,<br />
etwas einfach nur wahrzunehmen, ohne es sofort zu kategorisieren,<br />
zu bewerten <strong>und</strong> darauf zu reagieren. Der<br />
Genuss <strong>und</strong> die reine Freude des Nicht-Tuns scheinen<br />
uns in einer Gesellschaft, die so viel Wert auf Aktivität<br />
<strong>und</strong> Fortschritt legt, verloren gegangen zu sein. Selbst in<br />
unserer Freizeit laufen wir zur geschäftigen Höchstform<br />
auf <strong>und</strong> erhoffen uns dadurch ein erfülltes Leben.<br />
Wir haben es förmlich verlernt, in einem Zustand<br />
des Nicht-Tuns einfach zu sein. Fragen Sie sich einmal<br />
selbst: Wann haben Sie zum letzten Mal auf einer Bank<br />
gesessen, ganz ohne Buch <strong>und</strong> Zeitung, <strong>und</strong> haben<br />
einfach nur in die Sonne geblinzelt? Wann haben Sie<br />
mit einem Menschen ruhig <strong>und</strong> absichtslos zusammengesessen,<br />
einfach nur, um in seiner Gegenwart<br />
zu sein? Wie wäre es, wenn wir inmitten all unserer<br />
Geschäftigkeit einmal ganz bewusst die Hände von<br />
den Kontrollknöpfen nehmen würden? Wenn wir unser<br />
rastloses Gerenne <strong>für</strong> einige Minuten einstellen <strong>und</strong><br />
stattdessen einmal bewusst beobachten würden, was<br />
in uns geschieht? Wenn wir uns eine kurze Auszeit<br />
nehmen würden, in der wir uns auskoppeln <strong>und</strong> nicht<br />
auf ein Ziel zu bewegen? Einfach aufhören würden zu<br />
fragen, was wir als Nächstes tun werden.<br />
Alltagstipp: Innehalten<br />
Eine solche Pause der Achtsamkeit kann inmitten jeder<br />
Aktivität stattfinden. Wir unterbrechen bewusst unser<br />
Tun, vielleicht <strong>für</strong> einen Augenblick, vielleicht auch <strong>für</strong><br />
einige Minuten, <strong>und</strong> werden ganz <strong>und</strong> gar gegenwärtig<br />
<strong>und</strong> kommen körperlich zur Ruhe. Mit dieser Pause unterbrechen<br />
wir den Automatismus, mit dem wir auf Situationen<br />
reagieren. Sie gibt uns die Möglichkeit der Reflexion<br />
<strong>und</strong> die Gelegenheit, die Dinge auf eine neue Art<br />
<strong>und</strong> Weise wahrzunehmen. Wir halten die Beschleunigung<br />
unseres Lebens an, indem wir <strong>für</strong> einen Moment in<br />
das Nicht-Tun eintreten <strong>und</strong> in diesem ganz gegenwärtig<br />
sind. Indem wir genau an dem Punkt der Beschleunigung<br />
zurücktreten, eröffnen sich uns ganz neue Sichtweisen<br />
<strong>und</strong> damit neue Handlungsmöglichkeiten.<br />
Zur Balance finden<br />
Bei meinem ersten Aufenthalt in einem Zen-Kloster vor<br />
etwa 30 Jahren war ich in der Arbeitszeit <strong>für</strong> das Gemüseschneiden<br />
in der Küche eingeteilt. Ich hatte mein<br />
Messer <strong>und</strong> das Schneidebrett vor mir <strong>und</strong> begann voller<br />
Energie <strong>und</strong> Elan mit dem Schneiden der Möhren.<br />
Ich schnipselte geschäftig vor mich hin <strong>und</strong> betrachtete<br />
voller Stolz die Berge von Möhrenscheiben, die sich<br />
auf meinem Schneidebrett türmten. Als ich von meiner<br />
Arbeit hochblickte, sah ich plötzlich den Zen-Koch vor<br />
mir stehen. Er nahm einige meiner Möhren <strong>und</strong> begann<br />
diese in großer Aufmerksamkeit zu schneiden. Nach einigen<br />
Minuten lächelte er mich an <strong>und</strong> ging schweigend<br />
weiter. Ich war wie vom Donner gerührt <strong>und</strong> innerlich so<br />
erschüttert, dass ich umgehend zu weinen begann. Sein<br />
achtsames Tun hatte mich mit meiner eigenen Geschäftigkeit<br />
konfrontiert. Plötzlich konnte ich spüren, welche<br />
Anstrengungen <strong>und</strong> Schmerzen mir mein rastloses Tun<br />
in der Vergangenheit verursacht hatten.<br />
Seit diesem Tag versuche ich bewusst, in meinem<br />
Leben einen Ausgleich von Tun <strong>und</strong> Nicht-Tun zu<br />
schaffen <strong>und</strong> dieses in Balance zu halten. Den richtigen<br />
Punkt der Balance finden wir, indem wir immer wieder<br />
aus der Bewegung in die Ruhe gehen. Denn der Weg<br />
des Nicht-Tuns führt in unserem täglichen Leben über<br />
das Tun. Nicht-Tun hat mit Trägheit oder Passivität rein<br />
gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Es erfordert großen Mut<br />
<strong>und</strong> Entschlossenheit, sich diesem auszuliefern. „Denn<br />
Nicht-Tun“, so Jon Kabat-Zinn, „bedeutet ganz einfach,<br />
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KGSBerlin 04/2013