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Religion und Tod Meine sehr verehrten Damen und Herren, im ...

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die Wirkungen bewusster <strong>und</strong> unbewusster Art, die diese Erfahrung auslöste, mich<br />

lange begleitet haben.<br />

1955 verunglückte mein Bruder auf der Fahrradrückfahrt von einer<br />

Jugendbegegnung. Notarzt, Hilfen <strong>und</strong> ähnliches waren eher unbekannt, so dass<br />

der äußerlich kaum Verletzte mit einem Pkw in das elterliche Haus gebracht<br />

wurde. Ich kann mich <strong>sehr</strong> gut erinnern, wie er ein wenig langsamer, aber nicht<br />

weniger lebensfroh als sonst in das Haus kam, eine kleine, feine Blutspur am<br />

rechten Ohr blieb mir <strong>im</strong> Gedächtnis, um dann zu weiteren Untersuchungen ins<br />

Krankenhaus gefahren zu werden. Das war meine letzte Begegnung mit ihm, denn<br />

in der darauf folgenden Nacht verstarb er <strong>im</strong> Krankenhaus.<br />

Der Eintritt des <strong>Tod</strong>es in ein bis dahin geregeltes <strong>und</strong> den familiären Ordnungen<br />

folgenden Leben hatte unmittelbare gravierende Folgen. Der Tote wurde am<br />

nächsten Tag in das elterliche Haus, also in unser Haus, überführt. Hierzu wurde,<br />

vielleicht haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht, ein Z<strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Wohnhaus<br />

mehr oder weniger geräumt <strong>und</strong> als – wir würden heute sagen – Friedhofskapelle<br />

hergerichtet. Der Tote wurde <strong>im</strong> offenen Sarg aufgebahrt. Für mich eine<br />

ungeheuere Erfahrung, die mit den Erinnerungen an den Vorabend nicht zu<br />

vereinbaren war. Der eben noch nahe Bruder wurde zum fremden, toten „Objekt“,<br />

mit dem Unbegreifliches vorgegangen war <strong>und</strong> der auf nicht nachvollziehbare<br />

Weise sich aus dem Leben davon gemacht hatte.<br />

Und dann die Rituale:<br />

Im Haus wurden die Uhren angehalten, die Spiegel verhängt <strong>und</strong> in den folgenden<br />

Tagen die bis zur Beisetzung blieben, verschwand alles bis dahin vertraute Leben.<br />

Auch eine ganz andere Kleiderordnung galt fortan. Ich kann mich erinnern, dass in<br />

der Folge des <strong>Tod</strong>es des Sohnes meine Mutter jahrelang sich nur mit schwarzer<br />

Kleidung kleidete. Dass dieses äußere Erscheinungsbild, das natürlich auch ein<br />

Spiegel der inneren Verfasstheit der Trauernden war, nicht ohne Wirkung auf die<br />

Gesamtsituation <strong>und</strong> den psychosozialen Haushalt in einer Familie bleiben konnte,<br />

sei dahingestellt. Am Tag der Beisetzung sammelten sich vor dem Haus eine<br />

Vielzahl von Menschen, die als Trauerzug den Toten <strong>und</strong> seine Familie zum<br />

Friedhof begleiten wollten. Ich erinnere mich noch <strong>sehr</strong> prägnant an den<br />

Leichenwagen, ein schwarzes, mit Tüchern geschmücktes Gefährt, urnenähnliche<br />

Aufbauten über dem Baldachin, der den Platz überkrönte, auf dem der Sarg<br />

stehen sollte <strong>und</strong> die schwarzen Pferde mit ihren großen Augenklappen, die sie<br />

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