Die Zweigeteilte Laufbahn - Gdp-salzgitter.de

Die Zweigeteilte Laufbahn
Ein (heute) „überstrapazierter“ Begriff?
Die Zweigeteilte Laufbahn bei der Polizei Niedersachsen wurde im Jahre 1992 mit dem
Druck der GdP durchgesetzt und unter Zustimmung der SPD Landesregierung eingeführt. Derzeit
wurde bereits im Vorfeld eine leistungsgerechte Bezahlung der Polizeibeamten in der
Bundesrepublik Deutschland gefordert. Diese Forderung stand auch in der öffentlichen Diskussion.
In Niedersachsen entschied man sich dazu, diesem Ansinnen durch Anwendung des o.g.
Laufbahnkonzeptes zu entsprechen, wobei man die finanzielle Besserstellung der
Polizeibediensteten an einer entsprechenden Qualifizierung ausmachte. Soweit so gut, der Prozess,
die Beamtinnen und Beamten des mittleren Diensten auf verschiedenen „Gleisen“ in den
Gehobenen Dienst und damit zu den entsprechenden Besoldungsstufen zu überführen, wurde in
Gang gesetzt. Die Neueinstellungen erfolgten dann direkt in den Gehobenen Dienst.
Dieser Prozess der Überführung ist heute annähernd abgeschlossen und es wäre jetzt eigentlich zu
prüfen, ob die beabsichtigte Aufwertung, gerade in finanzieller Hinsicht, auch eingetreten ist.
„Verifikation“ oder der bei der Polizeiführung tagtäglich gebrauchte Begriff der „Evaluation“ wären
hier die richtigen Stichwörter. Allerdings übt man hiermit im Zusammenhang mit der Zweigeteilten
Laufbahn - zumindest offiziell - große Zurückhaltung.
Die GdP-Kreisgruppe Salzgitter möchte im Sinne dieses Gedankens und aufgrund der nicht nur
bloß zu vermutende Annahme, dass das Ziel keineswegs erreicht wurde, die folgende sog.
„Streichliste“, die im wesentlichen seitens des GdP-Landesverbandes Niedersachsen erstellt worden
war, erneut in den Blickpunkt führen. Diese Auflistung zeigt die wesentlichen Verschlechterungen
für Polizeibedienstete in Niedersachsen seit Bestehen der Zweigeteilten Laufbahn.
„Streichliste“ Polizei Niedersachsen
Kürzungen und Streichungen zu Lasten der Polizei Niedersachsen im Parallel-Zeitraum
zur Entwicklung der Zweigeteilten Laufbahn
• Zeitraumunabhängig/Wiederholt Beförderungs- und Wiederbesetzungssperren
Einsparungen im Sachhaushalt nach dem Rasenmäherprinzip
seit 1992
• Verlängerung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von 35 auf 40 Jahre zur Erreichung
von 75 % Versorgungsbezüge
1992
• Umstellung der Ruhegehaltsskala auf 1,875 v. H. 1992
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Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Salzgitter

Fortsetzung Streichliste:
• Streichung der Staatsschutzzulage 1993
• Einfrieren des Weihnachtsgeldes auf den Stand '93 1994
• Streichung der Jubiläumszuwendung ab Besoldungsgruppe. A 11 1994
• Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40-Stunden in Niedersachsen 1996
• Verschlechterung der Sonderurlaubs-Regelung um 1 bis 2 Tage 1996
• Streichung der sog. „Mot-Pauschale“ in Höhe von DM 100.- 1997
• Wegfall eines freien Tages im Kalenderjahr 1997
• Änderung der Dienstaltersstufen in Leistungsstufen 1997
• Wegfall des Erhöhungsbetrages von 17,30 DM 1997
• Streichung des Anpassungszuschlages bis zu 4,5 % des Ruhegehalts 1997
• Wegfall eines freien Tages im Kalenderjahr gemäß § 15a BAT 1997
• Fünfmalige Abkoppelung der Besoldungsanpassung seit 1997
• Einführung einer Eigenbeteiligung bei der VBL i. H. v. 1,25 % 1998
• Versorgungsabschlag von jährlich 3,6 % bei vorzeitiger
Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit (max.10,8 %)
• Erhöhung der Wartefrist für die Versorgung aus dem
letzten Beförderungsamt von 2 auf 3 Jahre
1998
1998
• Entdynamisierung der Polizeizulage 1998
• Einführung einer Versorgungsrücklage
(Minderung der Bes.-/Versorgungsanpassungen in 0,2 %-Schritten pro Jahr)
1998
• Wegfall der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage mit Übergangsregelungen 1998
• Eigenanteil zur freien Heilfürsorge (1,3 %) 1999
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Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Salzgitter

Fortsetzung Streichliste:
• Wegfall der freien Heilfürsorge für Neueinstellungen 1999
• Absenkung des Rentenniveaus von 70 auf 67 % 2000
• Nichtanwendung der Leistungsstufen für alle Landesbeamte
Einsparungen ca.. 33 Mio. Euro
2001
• Senkung der Witwenversorgung auf 55 % für nach 2001 geschlossene Ehen 2001/2003
• Kürzungen der Beihilfe
(Wegfall Zweibettzimmer und Chefarztbehandlung)
2002
• Erhöhung der Eigenbeteiligung auf bei der VBL 1,41 % 2002
• Umstellung der Ruhegehaltsskala auf 1,7953 v.H. 2002
• Kürzung der Versorgung auf 71,75 % durch acht Anpassungsschritte 2003
• Wegfall des zweiten freien Tages im Jahr 2003
• Erhöhung des Beitragssatzes in der RV auf 19,5 % 2003
• Einsparungen ca. 40 Mio. Euro 2003
• Kürzung des Weihnachtsgeldes auf 65 % 2003
• Keine Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge für Angestellte und Arbeiter 2004
• Wegfall des Bekleidungszuschusses und des Bewegungsgeldes durch Änderung
§ 224 NBG
2004
• Kürzung des Weihnachtsgeldes auf 50 % 2004
• Streichung des Urlaubsgeldes ab der Besoldungsgruppe A 9 2004
• Streichung d. Weihnachtsgeldes 2005
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Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Salzgitter

Fortsetzung Streichliste:
• Wegfall der monatlichen Sonderzahlung 2006
• Erneute Abkoppelung von der Tarifentwicklung 2007/2008 2007/2008
• Verlängerung der Lebensarbeitszeit schrittweise um 2 Jahre 2009
• Streichung der Einmalzahlung für Jan. u. Feb. '09 von je € 40.- 2009
• Kürzung des monatlichen Sockelbetrages von € 40.- um 50 % 2009
• Umsetzung des A11'er Erlasses zum Zwecke der „Hinrichtung“ der Zweigeteilten
Laufbahn ???
2009/2010
• Plünderung des Pensionsfonts zur Haushaltskonsolidierung 2009
Erstellt von: GdP Landesbezirk Niedersachsen, chronologisiert u. ergänzt von: GdP, Kreisgruppe Salzgitter
Wenn und soweit man nun argumentiert, die Streichungen hätten den beabsichtigten Erfolg
der Zweigeteilte Laufbahn (fast) gänzlich neutralisiert und insgesamt zum Scheitern gebracht, gerät
man automatisch ins Kreuzfeuer derjenigen, die behaupten, dass sämtliche Verschlechterungen ja
auch ohne Zweigeteilte Laufbahn hätten kommen können oder gekommen wären. Im Grunde
genommen gerät man also zu der Ansicht, letztendlich die Zweigeteilte Laufbahn mindestens als der
Kompensation dieser Entwicklung nachträglich gewidmetes Mittel einzustufen zu müssen. Nun
denn...die Urheber des Aufwertungskonzeptes werden diese Sichtweise derzeit nicht im Plan gehabt
haben.
Sicherlich wird auch jede in der Vergangenheit vorgenommene Kürzung oder Streichung
entsprechend der jeweils angespannten Haushaltslage mehr oder weniger fadenscheinig begründet
gewesen sein. Auch kommende Einsparungen wird man mit einer angespannten Haushaltslage
aufgrund der globalen Entwicklung erklären. Aber ist es schlüssig den Bürgerinnen und Bürgern
unseres Landes zu sagen, dass aufgrund der Finanz- bzw. Bankenkrise die Innere Sicherheit einmal
mehr auf Spiel gesetzt werden muss? Ist dieses überhaupt ein zulässiger Argumentationsansatz?
Um den oben genannten Ansatz der Einschätzung über Erfolg oder Nicht-Erfolgt der Zweigeteilten
Laufbahn wieder aufzugreifen, könnte man mit überspitzt kritischen Gedanken gar auf die Idee
kommen, dass gerade in den letzten Jahren mit Streichungen und Kürzungen daraufhin gearbeitet
wurde, die Zweigeteilte Laufbahn kostenneutral zu verwirklichen. Die unter den Kolleginnen und
Kollegen im Polizeidienst längst gestreute Parole hierzu dürfte folgende sein:
„Wir haben uns die Zweigeteilte Laufbahn teuer erkauft!“
Wenn jetzt tatsächlich der A 11'er Erlass als Fortführung und traurige Schluss-Pointe der gesamten
kontra-geleiteten Entwicklung durchgesetzt werden würde, bliebe lediglich der Tausch der grünen
Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Salzgitter

Sterne auf den Schulterstücken der Beamten gegen silberne Sterne als visuelle Hinterlassenschaft
der „Aufwertung“ der Polizei Niedersachsen übrig. Alle Achtung! - Das hätte man auch einfacher
und schneller haben können.
Apropos „schneller“: Mit der heutigen Diskussion über den A11'er Erlass hat sich der
Entwicklungsprozess der Zweigeteilten Laufbahn nunmehr über 17 Jahre hingezogen. Die
Beförderungsaussichten sind heute so schlecht wie nie zuvor. Die Attraktivität der Polizei für
potentielle Einsteiger hat sich erheblich verschlechtert, wobei die Zweigeteilte Laufbahn als solche
zur Steigerung der Attraktivität durchaus in der Lage gewesen wäre.
Ohne nun durch detaillierte Aufbereitung der Sache (Evaluation) hier und jetzt zur sicheren
Erkenntnis gelangen zu können, die Zweigeteilte Laufbahn könnte aufgrund der desaströsen
Rahmenbedingungen das eigentliche Ziel nicht erreicht haben, ließe sich, rückblickend auf die o.g.
Streichliste oder hineinblickend ins zwiebellederne Portemonnaie der Polizeiangehörigen
letztendlich doch vermuten, dass da irgendetwas nicht geklappt hat. Der strapazierte Begriff:
„Zweigeteilte Laufbahn“ sollte dann besser von der politischen Erfolgs-Flagge gestrichen werden.
Allerdings könnte man mit einigen wenigen Sofortmaßnahmen diese Streichung verhindern.
Natürlich gehört dazu als aller erstes, dass der A 11'er Erlass kompromisslos vom Tisch kommt. Als
zweites würde man mit der Wiedereinführung der Sonderzulagen und im weiteren mit einer
deutlichen Erhöhung der Besoldungsstufen als Kompensation für die jahrelange Tarifabkoppelung
damit beginnen, dem eigentlichen Ansinnen der Zweigeteilten Laufbahn eine gewisse Wirkung zu
verleihen. Als drittes bedürfte es der Ausschöpfung der Stellenplanobergrenzen, wie es die GdP
fortgesetzt fordert. Die Umsetzung dieser Forderungen würde im Gegensatz zu bloßen
Lippenbekenntnissen der verantwortlichen Politiker auch noch als erstes Signal TATSÄCHLICHER
Wertschätzung für die Polizei interpretiert werden können.
Wie gesagt, hierbei handelt es sich um ein erstes Signal. Wenn dann anschließend noch Stück für
Stück auf jeder weiteren Baustelle der Polizei Niedersachsen ein kleines Stück an Bauschutt
abgetragen werden würde, wären wir mit der schrittweisen Beseitigung des Trümmerhaufens
sicherlich auf dem richtigen Wege und könnten in diesem Zuge - unter anderem - unseren
Bürgerinnen und Bürgern neben motivierten Polizeibeamten unsere Statistiken polizeilicher
Aufklärungsquoten mit immer mehr „ursprünglichen“ Bemessungskriterien präsentieren.
Um jeglichen Missverständnissen aus dem Wege zu gehen: Dies ist kein Plädoyer gegen die
Zweigeteilte Laufbahn und auch nicht dazu gedacht, zwingend das letztendliche Scheitern des
Konzeptes isoliert betrachtet zu interpretieren. Aber es ist ein Plädoyer dafür deutlich zu machen,
dass die Erkenntnis, die Zweigeteilte Laufbahn in Niedersachsen sei umgesetzt worden, im
Gesamtkontext betrachtet völlig irreführend ist. Der mittlere Dienst wurde abgeschafft, aber die zu
Beginn der 90er Jahre geforderte bzw. beabsichtigte Aufwertung für die Bediensteten der Polizei in
Niedersachsen entsprechend des Grundsatzes der an der gesteigerten Qualifikation orientierten
Besoldung ist genauso nicht eingetreten, wie die beabsichtigte Steigerung der Attraktivität des
Polizeiberufes für die Nachwuchsgewinnung.
Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Salzgitter
Horst Graf
Text unter Genehmigung
des Vorstands GdP-KG SZ
Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Salzgitter