Begegnungen – über das Fremde in uns Norbert Mink ...
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IZPP. Ausgabe 1/2009. Themenschwerpunkt „Gut und Böse“. <strong>Norbert</strong> M<strong>in</strong>k, <strong>Begegnungen</strong> <strong>–</strong> <strong>über</strong> <strong>das</strong> <strong>Fremde</strong> <strong>in</strong> <strong>uns</strong><br />
18. Lebensmonat <strong>–</strong> muss es <strong>das</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> wachsendem Maße lernen, zwischen Selbst und Nicht-Selbst zu<br />
unterscheiden. Diese zunächst heftig irritierende Selbst-Entfremdung <strong>in</strong>itiiert dabei e<strong>in</strong>en symbolvermittelten<br />
Prozess, als dessen Resultat <strong>das</strong> sich differenzierende Ich allmählich <strong>in</strong> die Lage kommt, die zuvor noch<br />
völlig unverbundenen und re<strong>in</strong>en funktionsbezogen erlebten affektiven Reaktionen auf Zuwendung und Versagung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ambivalenten, zunehmend personenbezogenen Wahrnehmung zu verb<strong>in</strong>den. Dies schließlich<br />
schafft die Basis dafür, <strong>über</strong> verlässliche Er<strong>in</strong>nerungsspuren der nun <strong>in</strong> ganzheitlicher Form <strong>in</strong>ternalisierten<br />
Selbst- und Objektrepräsentanzen die skizzierten Differenzierungen auch <strong>in</strong> Abwesenheit des Liebesobjektes<br />
aufrechtzuerhalten. Erst im Erleben der Trennung also kann sich <strong>das</strong> Selbst <strong>–</strong> als Aggregation aller Eigen-E<strong>in</strong>drücke<br />
<strong>–</strong> <strong>in</strong> Abgrenzung von allem Nicht-Selbst herausbilden. Die voranschreitende Integration hat weiterh<strong>in</strong><br />
zur Folge, <strong>das</strong>s die zuvor an die reale Anwesenheit der Bezugspersonen geknüpften äußeren Ge- und Verbote<br />
ebenso wie <strong>das</strong> Selbstwertgefühl nach und nach <strong>in</strong> Form des sich konstituierenden Über-Ichs und Ich-Ideals<br />
depersonifiziert ver<strong>in</strong>nerlicht werden. So resultiert aus dem gelungenen Ausgang dieser Entwicklungsposition<br />
die Basis e<strong>in</strong>er künftig harmonischen Abstimmung von Antriebserleben, realen Möglichkeiten, moralischen<br />
Werthaltungen und Idealvorstellungen von der eigenen Person.<br />
Dabei ist die zentrale Bed<strong>in</strong>gung für e<strong>in</strong>en solchen Ausgang im deutlichen Überwiegen der „guten“, befriedigenden<br />
Objekterfahrungen gegen<strong>über</strong> den „bösen“, versagenden zu sehen. Ferner hängt diese entwicklungsentscheidende<br />
Relation für <strong>das</strong> K<strong>in</strong>d sowohl von äußeren wie von <strong>in</strong>neren Bestimmungsgrößen ab: selbst da,<br />
wo die Umwelt die Möglichkeit zu befriedigenden Erfahrungen <strong>in</strong> ausreichendem Maß zur Verfügung stellt,<br />
können diese durch <strong>in</strong>nere Faktoren noch abgewandelt oder gar verh<strong>in</strong>dert werden. In diesem Zusammenhang<br />
muss <strong>in</strong>sbesondere der <strong>in</strong>fantile Neid als bestimmender Parameter für die künftige Entwicklung angesehen<br />
werden (M<strong>in</strong>k, 1988). Er ist, wie alle Triebe auf die Beseitigung se<strong>in</strong>er Ursache ausgerichtet. Dies kann im<br />
günstigeren Fall dadurch geschehen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> K<strong>in</strong>d sich die von ihm so beneidete Eigenschaft der Bezugspersonen<br />
<strong>–</strong> z.B. die Fähigkeit der Mutter, es zu wärmen und zu nähren <strong>–</strong> identifikatorisch aneignet und <strong>in</strong> der<br />
Identifikation mit dem Vorbild teilt.<br />
Dort jedoch, wo diese Lösungsmöglichkeit scheitert, muss <strong>das</strong> K<strong>in</strong>d, um se<strong>in</strong>e neidvollen Gefühle zu beseitigen,<br />
danach trachten, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Vorstellung <strong>das</strong> „Gute“ am Objekt zu verderben. Aus primitiver Liebe und<br />
Bewunderung für <strong>das</strong> „Gute“ entstanden, wirkt sich gerade dieser zerstörerische Aspekt des Neids deshalb so<br />
nachteilig auf die weitere Entwicklung aus, weil er die für e<strong>in</strong>e Progression so dr<strong>in</strong>gend benötigten befriedigenden<br />
Objekterfahrungen schon im Ansatz blockiert. Es entsteht e<strong>in</strong> Teufelskreis: der Neid verh<strong>in</strong>dert die<br />
ausreichende Ver<strong>in</strong>nerlichung guter Objekt-Imag<strong>in</strong>es und dies wiederum vermehrt den Neid.<br />
Auf die ständig mit archaischer Wucht anflutenden Gefühle e<strong>in</strong>es „ausgehungerten,... <strong>in</strong>nerlich leeren Selbst<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em ohnmächtigen Zorn <strong>über</strong> die ihm zugefügte Frustration“ (Kernberg, 1983) reagiert <strong>das</strong> K<strong>in</strong>d, <strong>das</strong><br />
sich von se<strong>in</strong>en Bezugspersonen <strong>–</strong> kaum <strong>das</strong>s es gelernt hätte, deren Existenz als getrennt von der eigenen<br />
wahrzunehmen <strong>–</strong> so sehr vernachlässigt sieht, mit der regressiven Aufgabe se<strong>in</strong>er eben erst erreichten Entwicklungsstufe<br />
e<strong>in</strong>er basalen Selbst-Objekt-Abgrenzung. In Abwehr solcher, <strong>das</strong> k<strong>in</strong>dliche Ich <strong>über</strong>fordernder<br />
oral-aggressiver Konflikte versucht es nun, die es enttäuschende Abhängigkeit von dem beneideten „guten“<br />
Liebesobjekt zu leugnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rückzug auf <strong>das</strong> eigene „Größen-Selbst“. Mit dieser, sich sekundär herausbildenden<br />
Struktur <strong>–</strong> e<strong>in</strong>er pathologischen Fusion von (nur) „guten“ Selbst- und Objektrepräsentanzen<br />
<strong>–</strong> versucht <strong>das</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> sich jene Befriedigungsquelle zu kreieren, an der es <strong>in</strong> der Außenwelt <strong>in</strong>folge unzeitgemäßer<br />
realer Versagung oder nicht-neutralisierter Neidimpulse verzweifelte. Das Größen-Selbst wird nun<br />
zum Objekt se<strong>in</strong>er Abhängigkeit, von dem es sich, im Gegensatz zu den austauschbar gewordenen äußeren<br />
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