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Als PDF herunterladen - Der Rechte Rand

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das Ornament zu ihren Füßen zu registrieren. Affirmative Exponate –<br />

also Gegenstände, die zu einer positiven Deutung führen können – zu<br />

»neutralisieren«, dieses Ziel verfolgt die neue Dauerausstellung »Ideologie<br />

und Terror der SS« nach Angaben der GestalterInnen. Das bedeutet<br />

etwa, dass, wenn die »Bauleistungen« der SS dargestellt werden, auch<br />

erläutert wird, wenn Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge diese Bauwerke<br />

errichteten. Gegenstände der SS, die leicht einer kultischen Verklärung<br />

unterliegen können, verdecken die erklärenden Texte halb, so dass sich<br />

ihre optische Wirkung nicht voll entfalten kann. Demselben Konzept folgt<br />

die Entscheidung, die Atmosphäre des »Obergruppenführersaals« mit<br />

Sitzkissen zu brechen.<br />

Die im Frühjahr 2010 eröffnete Dauerausstellung beschreitet auch inhaltlich<br />

neue Wege: Sie bildet zum einen den aktuellen Forschungsstand<br />

zur SS ab, versucht zum anderen aber auch, die Täterzentrierung der<br />

alten Ausstellung zu überwinden, indem sie die Aktivitäten der SS in den<br />

Kontext ihrer Verbrechen stellt. Daher stehen auch das örtliche KZ, die<br />

Erinnerung nach 1945 sowie die Rezeption der Wewelsburg in rechten<br />

Kreisen im Fokus.<br />

Mitte der 1930er Jahre und baute es gemeinsam mit Dorfbewohnern<br />

und Angehörigen des »Reichsarbeitsdienstes« (RAD) um. <strong>Als</strong> »Dorfgemeinschaftshaus«<br />

sollte es kultureller Mittelpunkt des Dorfes werden,<br />

stets aber von der SS dominiert. An der Häuserfront ist eine Symbolleiste<br />

erhalten, die unter anderem das Logo des RAD sowie leicht veränderte<br />

Hakenkreuze zeigt. Im Inneren der Gaststätte sind Hakenkreuze und ein<br />

Totenkopf-Symbol in die Sitzbänke eingeschnitzt, Überreste aus der Zeit<br />

als »Dorfgemeinschaftshaus«. Nirgendwo ist der Kontext dieser Schnitzereien<br />

erläutert, stattdessen hängen geflochtene Kränze davor, wie um den<br />

Makel zu verdecken. <strong>Der</strong> Denkmalschutz verbiete es, die Hakenkreuze<br />

zu entfernen, versichert der Pächter.<br />

Schweigen im Ort<br />

Ortswechsel: Das Gelände des ehemaligen KZ liegt am anderen Ende des<br />

Dorfes. Auf dem einstigen Appellplatz steht ein schlichtes Denkmal, das<br />

2000 nach zähem Ringen aufgebaut wurde. Ansonsten erinnert wenig an<br />

die Haftstätte. In die Baracken des Lagers wurden nach dem Krieg zuerst<br />

befreite ZwangsarbeiterInnen und dann Vertriebene aus dem Osten<br />

KZ Niederhagen<br />

Nach dem Obergruppenführersaal muss jedeR BesucherIn durch den<br />

zweiten Teil des Museums gehen, der die Geschichte des Konzentrationslagers<br />

Niederhagen erzählt. Die umfangreichen Bauarbeiten an der<br />

Burg führten ab 1939 Häftlinge durch, die in einem eigens dafür eingerichteten<br />

Außenlager des KZ Sachsenhausen am Ausgang des Dorfes<br />

inhaftiert waren. Zwei Jahre später wurde daraus ein Hauptlager, das<br />

KZ Niederhagen mit bis zu 1.600 Gefangenen. 1943 wurde das Lager<br />

aufgelöst, wobei circa 50 Häftlinge verblieben. Insgesamt waren 3.000<br />

Menschen im KZ inhaftiert, unter anderem politische Gefangene, Zeugen<br />

Jehovas und osteuropäische ZwangsarbeiterInnen. 1.285 von ihnen wurden<br />

ermordet oder starben an Erschöpfung, Hunger und Kälte oder an<br />

der Zwangsarbeit – was selbst im Vergleich zu anderen Konzentrationslagern<br />

eine sehr hohe Sterberate darstellt.<br />

Auch das junge Pärchen muss durch die Ausstellung, um zum Ausgang<br />

zu gelangen. Auf die Frage, was er denke, wenn er durch die Ausstellung<br />

gehe, sagt der junge Mann mit schwerem thüringischen Dialekt: »Nüscht,<br />

ich kuck mir das nur an.« Das Konzept scheint so weit zu wirken, dass die<br />

rechten BesucherInnen zumindest schnell das Museum verlassen und<br />

kein Bedürfnis verspüren, sich mit Hakenkreuzen oder neonazistischen<br />

Parolen im Gästebuch zu verewigen – anders als früher, als dies häufiger<br />

der Fall war.<br />

»Dorfgemeinschaftshaus« und Hakenkreuzschnitzereien<br />

Wenige hundert Meter neben der Burg bietet das Landgasthaus »Ottens<br />

Hof« frische Pfifferlinge und Waffeln an. Auch hier ist die NS-Vergangenheit<br />

offensichtlich: Das 300 Jahre alte Fachwerkhaus kaufte die SS<br />

einquartiert. Nach und nach riss man die Bauten ab, doch das Torhaus<br />

und die Lagerküche werden heute noch genutzt. Direkt neben dem Appellplatz<br />

sitzt eine Familie vor dem kleinen Torhäuschen und grillt. Noch<br />

heute leben in der Gegend vor allem die Nachkommen der deutschen<br />

Flüchtlinge.<br />

Die Menschen vor dem Haus schauen interessiert zu uns herüber, von<br />

den anderen BesucherInnen aus dem Museum ist am Mahnmal nichts<br />

zu sehen. Das Gelände des ehemaligen Lagers spiegelt den Umgang des<br />

Dorfes mit der Vergangenheit wider, der viele Jahrzehnte vom Schweigen<br />

geprägt war. Mehrere Gedenktafeln für die Verfolgten und Ermordeten,<br />

die zuerst Alliierte, dann VVN, DKP und SPD zwischen 1945 und 1977<br />

aufstellten, wurden wieder entfernt. Es dauerte bis 1998, als eine Gruppe<br />

junger WewelsburgerInnen gemeinsam mit überlebenden Häftlingen auf<br />

dem Appellplatz ein provisorisches Mahnmal errichtete: Erstmals wurde<br />

der Gedenkstein nicht wieder abmontiert, so dass im Jahr 2000 ein offizielles<br />

Denkmal folgen konnte. Die schlichte Gestalt war ein Kompromiss<br />

mit der Wewelsburger Bevölkerung.<br />

<strong>Der</strong> Besuch in Wewelsburg hinterlässt gemischte Gefühle: Das Museumskonzept<br />

ist durchdacht, die Ausstellung bietet die aktuellsten Erkenntnisse<br />

der historischen SS-Forschung und die MitarbeiterInnen<br />

sind sich der Problematik extrem rechter BesucherInnen bewusst. Doch<br />

der Ort selbst scheint sich immer noch davon abschotten zu wollen. Die<br />

Bannkraft der monumentalen Umbauten, welche die SS vornehmen ließ,<br />

lässt sich vermutlich niemals ganz auflösen. Am Ort des Lagers jedoch,<br />

immerhin das einzige Konzentrationslager in Nordrhein-Westfalen, sieht<br />

man von einem frühen Lager in Kemna ab, fehlt politischer Wille, angemessenes<br />

Gedenken zu ermöglichen.<br />

der rechte rand 138/2012 25

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