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Langfassung - Linksreformismus

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Call for Papers: „Mit <strong>Linksreformismus</strong> aus der Krise?“ Dezember 2010<br />

sondern erfordern ein höheres Maß an Kreativität und Phantasie in basalen Fragen, wie z.B.<br />

der zukunftsfähigen Ausgestaltung des menschlichen Zusammenlebens auf einem Planeten<br />

mit begrenzten Ressourcen.<br />

2. Reduktion im Konsumismus<br />

Der vorangegangene Abschnitt diente in erster Linie der Verdeutlichung, dass tiefgreifende<br />

Veränderungen auf struktureller und alltagspraktischer Ebene erforderlich sind, um den<br />

Herausforderungen der „Biokrise“ (Müller 2009: 27) angemessen begegnen zu können.<br />

Insbesondere die alltagspraktische Ebene geht einher mit der Frage der Lebensgestaltung in<br />

einer Konsumgesellschaft, die „ihre Mitglieder primär in ihrer Eigenschaft als Konsumenten 2<br />

[…] anruft (das heißt, sie anspricht, aufruft, an sie appelliert, sie befragt, sie aber auch stört<br />

und unterbricht)“ (Bauman 2009: 71). Die Charakteristika dieser Konsumgesellschaft haben<br />

dazu beigetragen, dass die Bevölkerung Veränderungserfordernissen vermehrt skeptisch<br />

begegnet, solange das Resultat der Veränderung nicht in irgendeiner Form des materiellen<br />

Zugewinns aufgeht oder ganz unmittelbar auf die Befriedigung von Bedürfnissen,<br />

Sehnsüchten und Wünschen abzielt (ebd.). Reformen, so die sozialpolitische Doktrin der<br />

vergangenen zwei Jahrzehnte, bedeuten auf der Erfahrungsebene oft Verzicht – und dies<br />

steht dem Zeitgeist des spätmodernen Individuums, das sein Leben als Konsum begreifen<br />

muss, diametral entgegen. Eine Gesellschaft der Reduktion, an deren Beginn wir uns<br />

befinden, muss als Kehrseite zur gegenwärtigen Konsumkultur verstanden werden. Für viele<br />

ist der Verzicht mittlerweile zu einer Alltagserfahrung und zum integralen Bestandteil der<br />

„Rückkehr der Unsicherheit“ (Castel 2005; vgl. Cziesche 2010) geworden. Die diffuse Angst<br />

vor dem sozialen Abstieg ist eng verknüpft mit der Verzichtsrhetorik und bedroht nicht nur die<br />

sozial Deklassierten und „Ausgeschlossenen“ (vgl. Bude 2008), sondern reicht hinein in die<br />

gesellschaftliche Mitte, also dort, wo es noch etwas zu verlieren gibt (Vogel 2009; 2007;<br />

Neugebauer 2007). Reduktion realisiert sich auf der lebensweltlichen Ebene nicht<br />

zwangsläufig und ausschließlich materiell. Eingeschränkte Ansprüche, Erwartungen und<br />

Perspektiven in begrenzten Vermöglichungsräumen sowie Anpassungsstrategien an<br />

verminderte Optionen führen in beschleunigten Zeiten zu dem von Hartmut Rosa<br />

bezeichneten Phänomen der „Gegenwartsschrumpfung“ (Rosa 2005: 131). Um auf Chancen<br />

und Gelegenheiten zu verzichten, bedarf es im neuen sozialstaatlichen Verständnis einer<br />

Rechtfertigung. Dem „neo-sozialen Wandel“ liegt ein Aktivitätsimperativ zu Grunde, an dem<br />

sich das, was allgemein als „sozial“ verstanden wird, bricht und neu formiert: Im neuen<br />

sozialstaatlichen Verständnis ist derjenige sozial, der eigenverantwortlich, aktiv und<br />

2 Hervorhebung im Original<br />

4

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