Langfassung - Linksreformismus
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Call for Papers: „Mit <strong>Linksreformismus</strong> aus der Krise?“ Dezember 2010<br />
länger im Machen, sondern im Werden (vgl. Bauman 2009: 78). Es geht um die „Tugend der<br />
Achtsamkeit“ (BUND et al. 2008: 570ff.), um „Mäßigung“ (Binswanger 2010) und um<br />
„Zukunftsfähigkeit“ (Biesecker 2007). Suffizientes Handeln lebt von der partizipativen<br />
Mitgestaltung der gesellschaftlichen Akteure: so waren es neben den<br />
Tierschutzorganisationen vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher, die durch ihr<br />
Konsumverhalten maßgeblich zum weitgehenden Verschwinden von Käfigeiern aus den<br />
Einkaufsregalen beigetragen haben – ein Beispiel dafür, wie durch strategischen Konsum<br />
und bewusste Alltagsentscheidungen Verbraucherinnen und Verbraucher die Politik großer<br />
Einzelhandelsunternehmen mitgestalteten.<br />
Kleinhückelkotten (2008: 67ff.) untersuchte in den marktforschungsrelevanten Sinus-Milieus<br />
nach denjenigen Gruppen, die sich aus unterschiedlichsten Motiven heraus an Prinzipien der<br />
Suffizienz und Nachhaltigkeit orientieren. Dabei identifizierte sie mit Bescheidenheit,<br />
Effizienz und Selbstentfaltung die drei bedeutsamsten nachhaltigkeitsrelevanten<br />
Einstellungen und Verhaltensweisen, die aber in den jeweiligen sozialen Milieus völlig<br />
unterschiedlich gewichtet werden. So weist das aufgeklärte, liberale Milieu der<br />
Postmateriellen zwar einen ähnlichen, auf Nachhaltigkeit bedachten Lebensstil auf wie z.B.<br />
die an Sicherheit und Ordnung orientierten Traditionsverwurzelten, doch während Erstere<br />
sich damit von Einstellungen wie Selbstverwirklichung und Verantwortung für die Mitwelt<br />
leiten lassen, bedeutet es für Letztere eher einen notwendigen bescheidenen Lebensstil.<br />
Eine Politik der Suffizienz, so die Ergebnisse von Kleinhückelkotten, muss also in den<br />
verschiedenen Milieus unterschiedlich kommuniziert werden. Anschlussfähigkeitspotentiale<br />
an suffiziente Verhaltensmuster sind in ca. zwei Dritteln der Gesamtbevölkerung vorhanden.<br />
Doch ein solch kollektiver Bewusstseinswandel ist aus den dargelegten Gründen schwierig,<br />
weswegen die Zeit in der Selbsttransformation eine wichtige Rolle spielt. Umso wichtiger ist<br />
dabei die Rolle der Bildung, z.B. in den vielfachen und heterogen ausgerichteten Projekten<br />
im Rahmen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005-2014“, in denen<br />
lösungsorientiert an einem neuen Nachhaltigkeitsbewusstsein gearbeitet wird – dabei ist u.a.<br />
die Entwicklung von nachhaltigen schulischen Curricula wichtig (de Haan 2010).<br />
Den Fokus auf die „Politisierung der Lebensführung“ (Giddens 1997) zu richten, darf<br />
sozialökologische politische Reformprojekte in Gegenwart und Zukunft nicht davon abhalten,<br />
weiter auf allen Ebenen für Abkommen zur Treibhausgasreduktion oder für globale<br />
Sozialstandards zu streiten. Jedoch wäre es ein Zeichen naiver Staatsgläubigkeit zu<br />
glauben, dass eine sozialökologische Wende ohne die Verbraucherinnen und Verbraucher<br />
funktioniert. Parkins und Craig (2008) zählen in „Slow Living” eine Vielzahl von Projekten und<br />
sozialen Bewegungen auf, die „Alternativen zum hektischen Tempo der globalen Kultur”<br />
bieten – vom Slow Food, über die Slow Cities bis hin zur Wiederentdeckung des Lokalen.<br />
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