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Steinkreis 226 - Das Volk von Tir Thuatha

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<strong>Steinkreis</strong> <strong>226</strong><br />

Der Klang der Welt<br />

ten, daß stets genug gepflanzt würde, um<br />

auch sie zu ernähren – die sie nicht kennen,<br />

argwöhnen angeblich, daß Zwerge den Stein,<br />

den sie hauen, auch verspeisen. Welch ein<br />

Unsinn! Der Zwergenmarkt war der beste<br />

Beweis für den ganz gewöhnlichen Appetit<br />

der Unterirdischen. Schon als Knabe hatte<br />

ich diesem Moment immer wieder ehrfürchtig<br />

entgegengefiebert. Als ich jedoch zum<br />

ersten Mal selbst die Eidesworte sprechen<br />

durfte, hatte mir der Stolz die Brust so<br />

gebläht, daß ich dachte, ich müsse platzen.<br />

So gern ich auch das grüne Land und den<br />

weiten Himmel betrachtete, so sehr mich die<br />

Wetter auch erschauern ließen, meine Liebe<br />

galt stets dem Berg und dem, was darinnen<br />

ist. Und das ist bis heute so geblieben.<br />

Ich verließ den erinnerungsschwangeren<br />

Ort und ritt die Plima aufwärts, dem Talschluß<br />

zu. Links und rechts des Weges<br />

leuchtete das junge Grün der Gemüsebeete<br />

und Beerenpflanzungen – etwas, das Flachländer<br />

in dieser Höhe nie vermuten würden.<br />

Daran schlossen sich Schafweiden an, die<br />

schließlich in einen lichten Wald übergingen.<br />

Locker standen die Zirben, Lärchen und<br />

Fichten, dazwischen noch hier und da ein<br />

Ahorn, und am Boden saftig grüne Matten,<br />

die übersät waren mit den Farben wilder<br />

Blumen und Kräuter. Wo die abgefallenen<br />

Nadeln der Bäume sich am Boden häuften,<br />

lief es sich federnden Schrittes. Als hätte ein<br />

Riese seinen Garten geschmückt, erhoben<br />

sich hier und da riesige Felsblöcke, um die<br />

der feste Weg sich schlängelte, mal bergan,<br />

mal bergab. Die Vögel dieser Wälder ließen<br />

nie nach in ihrem Gesang und die sanfte<br />

Brise, die das Tal heraufwehte, lockte mit<br />

unzähligen Düften.<br />

Es war schon früher Abend, als ich diesen<br />

Teil des Tales hinter mir ließ. Die Sonne<br />

erreichte den Talgrund schon nicht mehr. Ich<br />

sah sie nur noch, wie sie linker Hand die<br />

höchsten Hänge der Gramsen in blutiges<br />

Rot tauchte.<br />

Nun grub sich der Weg in den yddlichen<br />

Hang, wurde steiler und schmaler, doch er<br />

war stets so breit und gangbar, daß ein Ochsenkarren<br />

Himmelswehr erreichen konnte.<br />

Hoch zur Rechten sah ich dunkel die Almen<br />

<strong>von</strong> Lyfi liegen; ganz schwach leuchtete<br />

durch eine Tür ein Herdfeuer herunter. Um<br />

eine Kante herumreitend, strahlte mir mit<br />

einem Mal der Kevedal entgegen, die Gipfel<br />

vor dem letzten Blau mit Wolken beflaggt,<br />

Schnee und Eis weiß und rot und grün<br />

glitzernd.<br />

Hinter Himmelswehr wurden der Zufallferner<br />

und andere Gletscher sichtbar, die die<br />

vielen kleinen Seen speisten: Schwarzes<br />

Loch, Grünsee, Gelbsee, Konzenlacke und<br />

Langensee wurden sie genannt und sie<br />

bestimmten das Leben im Tal, gaben ihr eiskaltes,<br />

graugrünes Wasser dem Plimabach,<br />

der es den Menschen brachte, die es tranken<br />

oder damit ihre Mühlen antrieben. Von Zeit<br />

zu Zeit allerdings zeigte der Bach seine<br />

Macht und staute sich in einem ungeheuren<br />

Eissee. Wenn es diesem zu eng wurde,<br />

sprengte er sich frei, riß die Moränen hinfort<br />

und spülte den Talgrund leer, daß sich das<br />

Wasser als riesiger Wasserfall, angefüllt mit<br />

hausgroßen Steinen und entwurzelten Bäumen,<br />

über den Talabsturz auf die Hänge<br />

oberhalb des Frühlingspfades ergoß.<br />

Darum mußte der Reisende auch weit<br />

vom Talgrund aus ansteigen, um Martell und<br />

die kleineren Orte zu erreichen; Mühlen und<br />

Schober waren die einzigen Häuser, die die<br />

Talbewohner nach jeder Flut, wie sie sich<br />

ein- oder zweimal in einem Menschenleben<br />

ereignete, immer wieder neu aufbauen mußten.<br />

Ohne Ehrfurcht vor der Welt um sie<br />

herum konnten die Menschen der Berge<br />

nicht überleben; Ausdauer, Geduld und eine<br />

hohe Achtung vor dem Leben waren darum<br />

ihre besten Züge.<br />

Ich gab dem Roß die Sporen, als der Weg<br />

wieder flacher verlief und ritt dem letzten<br />

Anstieg entgegen. Bald konnte ich es sehen:<br />

Himmelswehr, dreifach aufgetürmt, dreifach<br />

gewunden, der aus grauem Glimmerstein<br />

geformte Bergfried vom Abendrot gefärbt.<br />

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