Steinkreis 226 - Das Volk von Tir Thuatha
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<strong>Steinkreis</strong> <strong>226</strong><br />
Der Klang der Welt<br />
Hunden heraus, die mich begleiten sollten.<br />
Zu viert standen wir bald bereit, mit einer<br />
kleinen Meute braunscheckiger Jagdhunde<br />
aufzubrechen. Vorher meldete ich mich bei<br />
Warin ab, dem Verwalter; der hatte schon für<br />
Ruthard das Haus bestellt und ging längst<br />
am Stock, aber sein Geist war wach wie eh<br />
und je. Seitdem meine Eltern mich alleine<br />
ziehen ließen, hatte ich dem alten Warin<br />
gesagt, wohin ich gehen wollte.<br />
Er hatte sich vor das Tor gestellt.<br />
„Wo geht es hin, junger Herr, und wie<br />
lange bleibt Ihr fort?“<br />
Die Stimme paßte gar nicht zu dem<br />
krummen Rücken, sie klang angenehm warm<br />
und volltönend.<br />
„Ein Stück ins Madritsch, Warin, ein paar<br />
Gemsen für den Tisch holen und vielleicht<br />
ein paar Schneehasen.“<br />
<strong>Das</strong> schrofige Madritsch war schlecht für<br />
gewöhnliche Pferde, doch die Braunen mit<br />
den fahlen Mähnen und Schweifen und dem<br />
goldenen Aalstrich traten sicherer selbst als<br />
die Rinder, die dort oben grasten, wenn die<br />
Schneeschmelze vorüber war.<br />
„Die Matten jenseits der Sonnenwand<br />
sind schneefrei. Ich kann bis zum Abend mit<br />
Beute zurück sein. Wenn wir über Nacht<br />
bleiben, laß ich Laut geben. Und ich laß die<br />
Hirten <strong>von</strong> uns hören.“<br />
„Geht nicht über’s Joch, junger Herr! Es<br />
hat mehr Eis als in den letzten Jahren.“<br />
Warin drehte den hängenden Kopf seitlich,<br />
um mir in die Augen sehen zu können.<br />
„Warin!“ Ich mußte lachen. „Einmal in<br />
meinem Leben bin ich einem Bock über’s<br />
Joch nachgejagt.“ Sein Blick blieb prüfend.<br />
„Ich geh’ nicht über’s Joch, Warin.“<br />
Vierzehn Jahre war ich alt gewesen, als<br />
ich einen dutzendjährigen Steinbock nicht<br />
ziehen lassen wollte. Ich war dem Bock<br />
über’s vereiste Madritschjoch nachgestiegen;<br />
den jenseitigen Ebenwandferner hinunter.<br />
Ich war ins Ebenwandkar nach Wes gegangen,<br />
was im Tauferer Revier lag. Hirten aus<br />
dem Sulda hatten mich aufgehalten und zur<br />
Rede gestellt. Einen erschlug ich, dem zweiten<br />
jagte ich aus Angst vor Verfolgung einen<br />
tödlichen Pfeil nach. Darauf gab es Streit<br />
zwischen Brun, dem alten Taufers, und meinem<br />
Vater. Wolfmut zahlte beträchtliches<br />
Wergeld. Er schalt mich deswegen, weil er<br />
zu jener Zeit einen schlechten Stand in den<br />
Tälern hatte und meine Tat für ihn Verlust<br />
an Ansehen bedeutete. Ich durfte nicht mehr<br />
im Madritsch jagen.<br />
„Waidmannsheil, junger Herr! Und schont<br />
die Pferde!“ mahnte Warin noch, dann trat er<br />
beiseite und gab das Tor frei. Ich würde ihn<br />
und seine Schrullen vermissen: er würde<br />
sicher bald sterben.<br />
„Hach! Himmel, nicht solche Gedanken!“<br />
brüllte ich, was mir besorgte Fragen meiner<br />
Begleitung eintrug. „Nichts!“ Dann rief ich:<br />
„Habt ihr Angst, ein Stück auf ’s Felslein<br />
raufzugehen? Ich will mich umschauen.“<br />
Natürlich hatten sie keine Angst, denn es<br />
war für sie nicht gefährlich. Also ließen wir<br />
die Pferde den Grat erklimmen, der gen Wes<br />
<strong>von</strong> Himmelswehr aus hinauf führte, bis zu<br />
einem Platz, der gut zweihundert Schritt<br />
höher lag als die Burg. Dort machten wir<br />
kurz halt und ich schaute auf ’s Land. Ich<br />
konnte nicht anders: Lauthals entließ ich<br />
einen Jauchzer in den blauen Himmel. Die<br />
Vormittagssonne stieg über die Gramsen und<br />
ließ die Gischt der Wasserfälle erstrahlen,<br />
die zu meiner Rechten dem Eissee entgegenstürzten.<br />
Sanft schwebten unzählige Wassertröpfchen<br />
dem Grund entgegen, zarten<br />
Schleiern gleich; wer den See auf der Krone<br />
des Dammes überquerte, trat durch ihre<br />
Kühle wie durch einen Vorhang und fühlte<br />
sich auf ’s köstlichste erfrischt.<br />
„Heda, mein Land!“ Ich war wie trunken.<br />
„Begrüße deinen Herrn!“ Ein weiterer Jauchzer<br />
stieg aus meiner Kehle auf; Augenblicke<br />
später erreichte mich vielfacher Widerhall,<br />
zurückgeworfen <strong>von</strong> den Felswänden des<br />
Madritsch.<br />
<strong>Das</strong> ganze Martelltal lag ausgebreitet vor<br />
mir, zu meinen Füßen Himmelswehr, Berge<br />
meiner Kindheit: Ein kurzer Schauer lief<br />
über meinen Rücken, als ich mich an eine<br />
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