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Das Magazin für <strong>de</strong>n innovativen Unternehmer<br />
DEZEMBER 2011<br />
www.profirma.<strong>de</strong><br />
Ein bisschen Sport<br />
muss sein<br />
Unternehmer<br />
sind erfolgreicher, wenn<br />
sie die Gesundheit ihrer Mitarbeiter<br />
för<strong>de</strong>rn. Schon ein kleiner Aufwand<br />
zahlt sich kräftig aus. Ab Seite 24<br />
Mat.-Nr. 06051-5102<br />
1 2<br />
4 194333 006801<br />
WAHRER ALBTRAUM<br />
Immer häufiger wittert <strong>de</strong>r<br />
Fiskus eine ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttung.<br />
Seite 58<br />
LEICHTER ZUGRIFF<br />
Mobile Webseiten eignen sich<br />
für kleine Firmen meist besser<br />
als eine App. Seite 66
Hauke Carstensen, einer von rund 160.000 Mitarbeitern <strong>de</strong>r Volksbanken Raiffeisenbanken:<br />
„ Gesun<strong>de</strong>r Ehrgeiz, schön und gut. Aber dabei sollte eines nie auf <strong>de</strong>r Strecke bleiben:<br />
die Fairness. Fair ist, wer je<strong>de</strong>m Menschen – ob groß, klein, jung o<strong>de</strong>r alt – <strong>de</strong>n gleichen<br />
Respekt entgegenbringt, <strong>de</strong>n er sich auch selbst wünschen wür<strong>de</strong>. Deshalb ist Fair Play<br />
für mich mehr als ein Fachwort aus <strong>de</strong>m Sport. Es ist eine Überzeugung, und zwar<br />
eine urgenossenschaftliche: Beim gerechten Umgang miteinan<strong>de</strong>r sind alle Gewinner.“<br />
Je<strong>de</strong>r Mensch hat etwas, das ihn antreibt.<br />
Wir machen <strong>de</strong>n Weg frei.<br />
vr.<strong>de</strong>/ueberzeugung<br />
Wir machen <strong>de</strong>n Weg frei. Gemeinsam mit <strong>de</strong>n Spezialisten <strong>de</strong>r Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken: DZ BANK, WGZ BANK,<br />
Bausparkasse Schwäbisch Hall, DG Hyp, DZ PRIVATBANK, easyCredit, Münchener Hyp, R+V Versicherung, Union Investment, VR LEASING, WL Bank.
Editorial<br />
Chefredakteur Dieter Römer<br />
Gesundheit!<br />
Liebe Leserin, lieber Leser, dass Gesundheit unser höchstes Gut ist, erklären uns<br />
nicht nur die Krankenkassen und das Grundgesetz, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong><br />
Menschenverstand: Ohne Gesundheit ist alles nichts. Aber von je<strong>de</strong>m persönlichen<br />
Zipperlein einmal abgesehen, ist <strong>de</strong>r Gesundheitsschutz auch in <strong>de</strong>n Fokus<br />
<strong>de</strong>r Wirtschaftsforscher gerückt, weil es harte Zahlen gibt. Laut einer Studie<br />
von Booz & Company lasten auf Deutschlands Arbeitgebern krankheitsbedingte<br />
Kosten von jährlich rund 3.600 Euro je Arbeitnehmer. Für alle <strong>de</strong>utschen Unternehmen<br />
summierte sich dieser Aufwand im Jahr 2009 auf schwin<strong>de</strong>lerregen<strong>de</strong><br />
129 Milliar<strong>de</strong>n Euro.<br />
Beson<strong>de</strong>rs interessant ist dabei, dass nur ein Drittel dieser Kosten aus <strong>de</strong>n reinen<br />
Fehlzeiten resultiert. Der größere Teil entsteht dadurch, dass Mitarbeiter auch<br />
zur Arbeit kommen, wenn sie krank sind. Das erhöht die Fehleranfälligkeit,<br />
steigert die Zahl von Unfällen, vermin<strong>de</strong>rt bestenfalls nur das Tempo und die<br />
Qualität. Nicht zu vergessen, dass auch noch Kollegen angesteckt wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Bewusstsein für diese Zusammenhänge wächst nur langsam. „Im <strong>de</strong>utschen<br />
Mittelstand gibt es kein betriebliches Gesundheitsmanagement, das <strong>de</strong>n Namen<br />
verdient“, beklagt <strong>de</strong>r frühere Personalleiter <strong>de</strong>r Sick AG in Waldkirch, Rudolf<br />
Kast, <strong>de</strong>r dort selbst ein solches Management aufgebaut hat. In unserer Titelgeschichte<br />
ab Seite 24 stellen wir Ihnen daher einige Unternehmer vor, die auf diesem<br />
Gebiet mit gutem Beispiel vorangehen. Die Initiativen, die sie angestoßen<br />
haben, und die Programme, die erfolgreich in ihren Betrieben laufen, lassen sich<br />
in vielen Firmen ebenso umsetzen. Das ist sinnvoll, <strong>de</strong>nn damit sinkt <strong>de</strong>r Krankenstand,<br />
und die Mitarbeiterzufrie<strong>de</strong>nheit steigt. Das ist doch ein Ansporn!<br />
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ProFirma 12 2011<br />
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Inhalt 12.2011<br />
Titelthema:<br />
Ein bisschen Sport<br />
muss sein<br />
Unternehmer sind erfolgreicher, wenn<br />
sie die Gesundheit ihrer Mitarbeiter<br />
för<strong>de</strong>rn. Schon ein kleiner Aufwand<br />
zahlt sich kräftig aus.<br />
29 Interview Zum richtigen Gesundheitsmanagement<br />
gehört mehr als<br />
ein Betriebsarzt, meint <strong>de</strong>r Mediziner<br />
Dr. Wolfram Pfeiffer.<br />
24<br />
08 Wir Unternehmer<br />
08 Innovator <strong>de</strong>s Monats Der frühere Spitzensportler<br />
Olivier Bernhard hat einen Laufschuh mit neuem Dämpfungssystem<br />
entwickelt.<br />
10 Re<strong>de</strong>zeit Produktion auf Bestellung ist die richtige Strategie,<br />
um hohen Nachfrageschwankungen zu begegnen, sagt <strong>de</strong>r<br />
Unternehmensberater Jürgen Abel.<br />
12<br />
Milorad Krstic hat aus einer kleinen Werkstatt<br />
für Autopflege ein Unternehmen mit weltweit<br />
500 Mitarbeitern aufgebaut.<br />
12 Unternehmerporträt Milorad Krstic – ein Visionär mit Bo<strong>de</strong>nhaftung.<br />
16 Mittelstand 2.0 Papersmart macht <strong>de</strong>n Markt für Büromaterial<br />
transparent.<br />
18 Auszeit Whale-Watching vor Teneriffa.<br />
20 Wirtschaft & Politik Rekord<strong>de</strong>fizite und Rekordsteuereinnahmen.<br />
24 Unternehmensführung<br />
24 Titelthema Kleiner Aufwand, große Wirkung Eine gezielte Gesundheitsför<strong>de</strong>rung<br />
leistet in Betrieben einen wichtigen Beitrag, <strong>de</strong>n<br />
Krankenstand zu senken und die Mitarbeiterzufrie<strong>de</strong>nheit zu erhöhen.<br />
34 Wirtschaftsstandort Der Ökonom Professor Thomas Straubhaar sieht<br />
die <strong>de</strong>utsche Wirtschaft für Krisen gut gerüstet.<br />
42<br />
Mitarbeiterjahresgespräche sind ein<br />
wichtiges Element <strong>de</strong>r Personalentwicklung.<br />
38 Strategie Wie Arbeitgeber im Kampf um Talente das Internet nutzen.<br />
42 Mitarbeitergespräch Gute Noten, schlechte Noten.<br />
45 Quer<strong>de</strong>nker Professor Martin Beck über die Tücken von Call-Centern.<br />
46 Recht Die Vergütung von Betriebsräten ist ein gefährlicher Marsch<br />
durch ein Minenfeld.<br />
4 ProFirma 12 2011
011/12<br />
48 Finanzen & Steuern<br />
48 Trends Familienunternehmen lassen nichts anbrennen.<br />
50 IT-Leasing Tausche alt gegen neu.<br />
54 Auslandsgeschäft Bei <strong>de</strong>r Erschließung neuer Märkte sind die<br />
Banken ein wichtiger Dienstleister.<br />
57 Soll & Haben Ecovis-Steuerberater Erwin Reichholf über die<br />
Missbrauchsbekämpfung bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer und die Folgen<br />
für Betriebe.<br />
58 Betriebsprüfung Die Umsatzsteuer-Nachschau bringt viele<br />
Firmenchefs ins Schwitzen.<br />
60 Steuertipp Die wichtigsten Än<strong>de</strong>rungen im Steuerrecht im Jahr 2012.<br />
62 GmbH-Chef Der Fiskus bestimmt beim Gehalt mit.<br />
66 IT & Investition<br />
Special Business Digital<br />
66 Kommunikation Mobile Websites eignen sich für kleine Unternehmen<br />
besser als Apps.<br />
70 ERP-Software Web-basierte Dienste und Cloud-Services ergänzen die<br />
klassische Unternehmens-Software.<br />
74 Cole‘s Corner Drehbuch für Raubkopierer.<br />
76 QR-Co<strong>de</strong>s Brücken ins Netz.<br />
80 Zeiterfassung Mit <strong>de</strong>r richtigen Software lassen sich Projekte effizienter<br />
abrechnen.<br />
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84 Business English<br />
Lektion 21 Briefe zum Jahresen<strong>de</strong><br />
an die Geschäftspartner<br />
sind eine schöne Tradition. Bei<br />
<strong>de</strong>r Korrespon<strong>de</strong>nz an englischsprachige<br />
Empfänger gilt es<br />
einige Regeln zu beachten.<br />
Rubriken<br />
03 Editorial<br />
06 ProFirma Professional<br />
88 Rückschau, Termine<br />
89 Vorschau, Impressum<br />
90 Schluss mit lustig (40)<br />
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Die vier<br />
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■ Fachbeitrag Personalpflege und Gesundheitsschutz für Mitarbeiter.<br />
■ Fachbeitrag Social Media im Personalmanagement.<br />
■ Tabelle Umsatzsteuer: Umrechnungskurse 2011.<br />
■ Checkliste Effizientes Zeitmanagement.<br />
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Von welchem Zeitpunkt an rechnet sich die Produktion für mich? Welche Unterlagen<br />
brauche ich für das Bankgespräch? Darf das Finanzamt mir Einnahmen einfach unterstellen?<br />
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Finanzplanung und Budgetierung<br />
Wie viel Umsatz wird mein Unternehmen im kommen<strong>de</strong>n<br />
Planungszeitraum erwirtschaften? Reicht die Liquidität aus? Diese<br />
und ähnliche Fragen beschäftigen vor <strong>de</strong>m Beginn eines neuen<br />
Geschäftsjahres viele Unternehmer. <strong>Haufe</strong>-In<strong>de</strong>x: 1828510<br />
Finanzplanung mit Soll/Ist-Vergleich <strong>Haufe</strong>-In<strong>de</strong>x: 1828511<br />
Mo<strong>de</strong>rne Budgetierung: Praxisbeispiele <strong>Haufe</strong>-In<strong>de</strong>x: 2671856<br />
Finanz- und Liquiditätsplanung <strong>Haufe</strong>-In<strong>de</strong>x: 659848<br />
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Nächstes Thema:<br />
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Die betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) bietet Ihnen<br />
wertvolle Informationen zur Kosten- und Erlössituation und damit<br />
zur Ertragslage Ihres Unternehmens. Im Gegensatz zur Bilanz,<br />
die meist erst mit einigen Monaten Zeitverzögerung erstellt wird,<br />
liefert die BWA die Zahlen zur aktuellen Lage. Rudolf Schüller,<br />
Unternehmensberater und Dozent an <strong>de</strong>r International School<br />
of Management (ISM) in Dortmund, erläutert, wie Sie eine BWA<br />
lesen und die Informationen gewinnbringend bei <strong>de</strong>r Führung<br />
Ihres Unternehmens einsetzen.<br />
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Eine kleine Auswahl von neuen Dokumenten und Arbeitshilfen auf<br />
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Fehlzeiten haben in <strong>de</strong>r Praxis gravieren<strong>de</strong> Auswirkungen auf Unternehmen.<br />
Um die Krankheitszeiten zu reduzieren, ist es erfor<strong>de</strong>rlich,<br />
die Unternehmenssituation genau zu betrachten..<br />
■ Projekt-Controlling <strong>Haufe</strong>-In<strong>de</strong>x: 1413286<br />
Projekt-Controlling ist die betriebswirtschaftliche Begleitung <strong>de</strong>r<br />
Prozesse innerhalb <strong>de</strong>s Projektmanagements.<br />
■ Lohnsteuertabelle <strong>Haufe</strong>-In<strong>de</strong>x: 642123<br />
Im Dezember 2011 gibt es komplett neue Lohnsteuerwerte. Diesem<br />
Rechner können alle Werte tagesgenau entnommen wer<strong>de</strong>n.<br />
■ Pensionszusage <strong>Haufe</strong>-In<strong>de</strong>x: 2711797<br />
Das Vertragsmuster enthält eine Vereinbarung über die Gewährung<br />
einer Pensionszusage durch die GmbH an ihren Geschäftsführer.<br />
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6 ProFirma 12 2011
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Wir Unternehmer – Innovator <strong>de</strong>s Monats<br />
David Allemann, Caspar Copetti und Olivier<br />
Bernhard (v.l.) tragen die aktuellen Mo<strong>de</strong>lle<br />
<strong>de</strong>s neuartigen Laufschuhs Cloud-Tec.<br />
Olivier Bernhard<br />
Laufen auf <strong>de</strong>r Wolke<br />
Der Spitzensportler Olivier Bernhard hat einen Laufschuh mit einem neuen Dämpfungssystem entwickelt,<br />
<strong>de</strong>r gegenüber an<strong>de</strong>ren Sportschuhen auch noch die Herzfrequenz senkt. VON MICHAEL BAHNERTH<br />
Am Anfang <strong>de</strong>r Erfolgsgeschichte stand die Qual. Olivier<br />
Bernhards Qual. Ein Dutzend Jahre Spitzensport. Er war drei<br />
Mal Duathlon-Weltmeister, hält beim Ironman-Triathlon auf<br />
Hawaii mit 2,41 Stun<strong>de</strong>n immer noch die drittbeste Laufzeit<br />
überhaupt. Aber seine Archillessehnen blieben auf <strong>de</strong>r Strecke.<br />
Laufen war nur noch Schmerz. Er lernte einen Ingenieur kennen,<br />
<strong>de</strong>r eine neuartige Gummisohle unter einen herkömmlichen<br />
Schuh geklebt hatte. Bernhard lief wie auf Wolken, und<br />
seine Archillessehnen waren wie<strong>de</strong>r so, wie sie sein sollten:<br />
Einfach nur klaglos da. Er entwickelte <strong>de</strong>n Schuh weiter.<br />
Bernhard traf zwei Marketingspezialisten, bei<strong>de</strong> auch passionierte<br />
Läufer. „Start-up“, fragten David Allemann und Caspar<br />
Coppetti, „mit Laufschuhen?“ Sie entwickelten Prototypen<br />
und gingen Laufen. Danach hängten sie ihre Jobs an <strong>de</strong>n Nagel,<br />
grün<strong>de</strong>ten die Firma „On“. Das war im Januar 2010, in Zürich.<br />
Ihre Sohle aus 13 Wolkenelementen nannten sie „Cloud-<br />
Tec“. Einen Monat später gewannen sie <strong>de</strong>n „Ispo BrandNew<br />
Award“, einen Innovationspreis, 300 Mitbewerber ließen sie<br />
hinter sich. Von da an war klar, dass „On“ mitrennen wird im<br />
weltweit Zehn-Milliar<strong>de</strong>n-Euro-Laufschuhmarkt. Dieses Jahr<br />
verkauften sie 40.000 Paare zum Listenpreis von 159 Euro, in<br />
2012 wer<strong>de</strong>n es wohl 80.000 sein in 400 Verkaufsstellen.<br />
„Der Schuh funktioniert so“, sagt Bernhard: „Er ermöglicht<br />
weiches Lan<strong>de</strong>n und hartes Abstoßen, da sich die Luftkissen<br />
beim Lan<strong>de</strong>n sanft nach hinten verschieben. Nach <strong>de</strong>r Landung<br />
sind sie fest verschlossen, und dann kann man sich richtig<br />
kraftvoll abstoßen.“ Bernhard spricht von einem „komplett<br />
neuen Laufgefühl“. Nun kommt das „Institut für Bewegungswissenschaften<br />
und Sport“ <strong>de</strong>r ETH Zürich ins Spiel, Professor<br />
Boutellier. Er nahm 40 gut trainierte Läufer und schickte<br />
sie aufs Laufband, mit ihrem Schuh und <strong>de</strong>m „On“-Gerät.<br />
Und jetzt kommt’s: Im Schnitt hatten die Proban<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m<br />
neuen Schuh einen um zwei Schläge niedrigeren Puls. Zwölf<br />
Läufer konnten ihre Herzfrequenz sogar um zehn Schläge pro<br />
Minute reduzieren, und wer selbst läuft, kennt <strong>de</strong>n Unterschied,<br />
ob er mit 155 Schlägen unterwegs ist o<strong>de</strong>r mit 145. Der<br />
Schuh hat im Grun<strong>de</strong> nur einen Nachteil: Laufen muss man<br />
immer noch selbst. www.on-running.com<br />
Foto: On<br />
8 ProFirma 12 2011
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Wir Unternehmer – Re<strong>de</strong>zeit<br />
Jürgen Abel<br />
Immer mehr bringt immer weniger<br />
Hohe Lagerbestän<strong>de</strong> sind gefährlich und gefähr<strong>de</strong>n sogar das Unternehmen, wenn sich die Nachfrage<br />
än<strong>de</strong>rt. Produktion auf Bestellung ist heute <strong>de</strong>shalb die richtige Strategie.<br />
Die Autos gehen wie<strong>de</strong>r vom Band, <strong>de</strong>r<br />
Teileeinkauf läuft auf Hochtouren und<br />
die Auftragsbücher <strong>de</strong>r Zulieferer sind<br />
gefüllt. Schnell soll <strong>de</strong>r erlittene Verlust<br />
<strong>de</strong>r Krise kompensiert wer<strong>de</strong>n, und die<br />
Produktion wird auf Volllast gefahren.<br />
Auf die Gefahr hin, Vorräte anzuhäufen,<br />
wird dieser Aufholkurs gera<strong>de</strong> von<br />
Unternehmen praktiziert, die in Zeiten<br />
entstan<strong>de</strong>n, als sich die Produktion<br />
noch unabhängiger von <strong>de</strong>r Nachfrage<br />
fühlte. Es war schließlich Verlass auf<br />
<strong>de</strong>n Vertrieb, <strong>de</strong>r früher o<strong>de</strong>r später für<br />
Absatz sorgte. Zwar entstan<strong>de</strong>n gewisse<br />
Lagerbestän<strong>de</strong>, aber die gingen bis jetzt<br />
noch immer weg!<br />
So dachte auch ein <strong>de</strong>utscher Stoßfängerhersteller.<br />
Die Maschinen liefen auf<br />
Hochtouren, obwohl das Auftragsvolumen<br />
überschaubar war. Plötzlich<br />
musste sich das Unternehmen mit einer<br />
Überproduktion auseinan<strong>de</strong>rsetzen,<br />
die früher noch zuverlässig durch <strong>de</strong>n<br />
Vertrieb abgebaut wur<strong>de</strong>. Das geschah<br />
nicht, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> bestellte nun<br />
Stoßfänger für eine Son<strong>de</strong>r-Edition und<br />
hatte keinen Bedarf an <strong>de</strong>r Überproduktion.<br />
Sogar Rabatte halfen nichts, die<br />
Lager blieben verstopft. So war auch<br />
kein Platz für die nötigen Rohstoffe,<br />
und <strong>de</strong>r Liefertermin verschob sich immer<br />
weiter. Was war passiert? Das Unternehmen<br />
hatte sich auf ein Produkt<br />
ausgerichtet und daran die gesamte<br />
Produktivitätsoptimierung angepasst.<br />
Nun waren die Auftragsbücher zwar<br />
voll, aber trotz<strong>de</strong>m steckte das Unternehmen<br />
in <strong>de</strong>r Bredouille.<br />
Vor 20 Jahren noch wäre unser Zulieferer<br />
im Trend gelegen, weil sich Unternehmen<br />
auf die Herstellung eines Teils<br />
spezialisieren konnten. Ablaufverän<strong>de</strong>rungen<br />
waren nicht zu erwarten. Heute<br />
hingegen ist aus einem Produzentenmarkt<br />
vielmehr ein Kun<strong>de</strong>nmarkt<br />
gewor<strong>de</strong>n. Die Käufer bestimmen, was<br />
produziert wird, wann und wie viel geliefert<br />
wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Jürgen Abel<br />
berät mittelständische Unternehmen bei<br />
<strong>de</strong>r Optimierung ihrer Produktion. Seit mehr<br />
als 25 Jahren beschäftigt er sich mit <strong>de</strong>m<br />
industriellen Supply-Chain-Management.<br />
Im Juni erschien sein Buch „Die flexible<br />
Produktion, Praxisbuch für Entschei<strong>de</strong>r“<br />
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Während es vor 20 Jahren eine Standardstoßstange<br />
aus Stahl gab, die auf viele<br />
Mo<strong>de</strong>lle passte, gibt es heute unzählige<br />
Varianten für je<strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>ll. Der Endkun<strong>de</strong><br />
kann entschei<strong>de</strong>n, ob er seine Stoßfänger<br />
mit Nebelscheinwerfern möchte,<br />
ob Parksensoren integriert sein sollen,<br />
ob eine Wischanlage eingebaut wer<strong>de</strong>n<br />
kann und welche Größe die Nummernschildaussparung<br />
haben soll. Diese Variationen<br />
müssen nun noch mit allen<br />
lieferbaren Wagenfarben multipliziert<br />
wer<strong>de</strong>n, und es entsteht eine Vielfalt von<br />
bis zu 300 unterschiedlichen Stoßfängern<br />
in kleinen Abnahmevolumina.<br />
Der Sprung vom mitternachtsblauen<br />
Stoßfänger mit Nebelscheinwerfer und<br />
Parksensor heute zum rubinroten Stoßfänger<br />
mit Wischanlage und kleiner<br />
Nummernschildaussparung morgen<br />
mag groß sein, aber er wird zusehends<br />
Produktionsalltag. Hierzu muss <strong>de</strong>r<br />
Blick wegschweifen von <strong>de</strong>r maximalen<br />
Auslastung <strong>de</strong>r Maschinen, hin zum<br />
Bedarf <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n. Wer zukünftig nur<br />
das produziert, was beauftragt ist, kann<br />
schnellen Marktverän<strong>de</strong>rungen gelassen<br />
entgegenblicken und Kun<strong>de</strong>n termingerecht<br />
zufrie<strong>de</strong>nstellen.<br />
Wichtig ist dabei stets <strong>de</strong>r Blick auf<br />
die engste Stelle in <strong>de</strong>r Produktion,<br />
ihre Kapazität bestimmt die Dauer <strong>de</strong>r<br />
Produktion und einhaltbare Liefertermine.<br />
Wenn dieser Engpass nach <strong>de</strong>r<br />
Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „Theory of Constraints“<br />
behan<strong>de</strong>lt wird, gehören verschobene<br />
Liefertermine <strong>de</strong>r Vergangenheit an.<br />
Überproduktionen fallen weg, die Kun<strong>de</strong>nzufrie<strong>de</strong>nheit<br />
steigt, und <strong>de</strong>r Produktions-<br />
sowie <strong>de</strong>r Personalbedarf kann<br />
<strong>de</strong>utlich leichter kalkuliert wer<strong>de</strong>n.<br />
Unser Stoßfängerhersteller war anfangs<br />
nervös, als seine Maschinen nicht mehr<br />
das Maximum produzierten, son<strong>de</strong>rn<br />
ausschließlich Aufträge abarbeiteten.<br />
Dafür war er umso entspannter, als <strong>de</strong>r<br />
Vertrieb das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s kostenintensiven<br />
Überschusses verkün<strong>de</strong>te.<br />
Foto: privat<br />
10 ProFirma 12 2011
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Wir Unternehmer – Porträt<br />
Milorad Krstic<br />
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Milorad Krstic im badischen Dogern binnen 25 Jahren einen Kleinkonzern mit<br />
weltweit mehr als 500 Mitarbeitern aufgebaut. VON GERHARD HERR<br />
„Entschuldigung, ich bin ein bisschen später dran, weil ich<br />
noch beim Joggen war!“ Milorad Krstic betritt knapp fünf<br />
Minuten nach Zehn sein Büro im zweiten Stock <strong>de</strong>s Firmenstammsitzes<br />
in Dogern am Hochrhein. Im dunkelblauen Na<strong>de</strong>lstreifenanzug<br />
mit blauem Hemd und akkurat gebun<strong>de</strong>ner<br />
Krawatte sieht <strong>de</strong>r 53-Jährige gar nicht so aus, als ob er gera<strong>de</strong><br />
auf Waldwegen am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s malerischen Südschwarzwalds<br />
sportlich unterwegs war. Er stellt seinen Pilotenkoffer neben<br />
<strong>de</strong>m stylischen und korrekt aufgeräumten Schreibtisch ab.<br />
„Noch ein paar Minuten brauch’ ich, ich muss schnell in die<br />
Wie<strong>de</strong>rvorlagemappe schauen, ob es Überraschungen gibt.<br />
Dann sollte ich auch noch ein paar Telefonate führen, ich bin<br />
erst gestern Abend spät mit <strong>de</strong>m Flieger zurückgekommen“,<br />
entschuldigt er sich erneut.<br />
Mit einer Kfz-Werkstatt fing alles an<br />
Dann inspiziert er gemeinsam mit Angela Lautenbach-Bellwald,<br />
seiner Assistentin, rechten Hand und „Herrin über all<br />
meine Konten“, Unterlagen und Rechnungen. Es folgt ein<br />
Telefonat mit seiner Rechtsanwältin über die Unternehmensform<br />
einer mal wie<strong>de</strong>r zu grün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kleineren Firma. „Meine<br />
Rucksackunternehmen“, nennt Krstic diese Ableger. Nur das<br />
rollen<strong>de</strong> R im ansonsten nahezu akzentfreien Hoch<strong>de</strong>utsch<br />
und natürlich sein Name verraten noch die Herkunft <strong>de</strong>s Vorstands<br />
<strong>de</strong>r Kleenoil Panolin AG: Im Jahr 1973, als 16-Jähriger,<br />
kam er mit <strong>de</strong>m Zug aus <strong>de</strong>m damaligen Jugoslawien nach<br />
München, sprach kein Wort Deutsch. Es verschlug ihn an<br />
<strong>de</strong>n Hochrhein, in die Kreisstadt Waldshut-Tiengen, nur ein<br />
paar Kilometer von Dogern, <strong>de</strong>m heutigen Stammsitz seines<br />
Kleinkonzerns entfernt. Dort schlug er sich anfangs in einer<br />
Baufirma als Kranfahrer durch. Daneben absolvierte er im<br />
Fernstudium die Ausbildung zum Kaufmann.<br />
Im Jahr 1986 begann in Waldshut seine Karriere als Unternehmer.<br />
Zunächst grün<strong>de</strong>te er eine kleine Kfz-Pflegewerkstatt,<br />
dann die Autovermietung Pfiffikus und gemeinsam mit zwei<br />
ehemaligen englischen Luftwaffenoffizieren die Kleenoil International<br />
Ltd. in England. Er übernahm dabei die Leitung<br />
<strong>de</strong>r Kleenoil Deutschland. Parallel begannen die Geschäftsbeziehungen<br />
mit <strong>de</strong>m Schweizer Ölspezialisten Panolin AG.<br />
Er verkaufte erstmals <strong>de</strong>ren synthetisch hergestellte und biologisch<br />
abbaubare High-Tech-Schmierstoffe. Dann entwickelte<br />
er gemeinsam mit Ingenieuren ein Filtersystem, das die<br />
Ölwechselintervalle an Baumaschinen, Industrieanlagen und<br />
„Ich führe ein Leben mit<br />
Turbola<strong>de</strong>r und La<strong>de</strong>luftkühlung.“<br />
MILORAD KRSTIC<br />
Lastwagen verlängert. Früh erkannte Krstic, dass angesichts<br />
knapper wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Erdölreserven an<strong>de</strong>re Lösungen zu <strong>de</strong>ren<br />
Einsparung gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Zwölf Jahre später folgte dann die Gründung <strong>de</strong>r Ceram Ingenieurkeramik<br />
GmbH, die sich ein paar Kilometer weg vom<br />
Hochrhein, im kleinen Birndorf, nie<strong>de</strong>rließ. Heute gilt Ceram<br />
als weltweit geschätzter Lieferant von Siliciumcarbid, Aluminium-<br />
o<strong>de</strong>r Chrom- und Titanoxi<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen Brennerdüsen,<br />
Turbinen o<strong>de</strong>r Werkzeuge in <strong>de</strong>r chemischen Industrie<br />
und Teile <strong>de</strong>r Luft- und Raumfahrt beschichtet wer<strong>de</strong>n. Wie<strong>de</strong>r<br />
eine Geschäftsi<strong>de</strong>e mit Zukunft.<br />
Schließlich wird Kleenoil Panolin zur Aktiengesellschaft<br />
umfirmiert. Seit <strong>de</strong>m Jahr 2002 fahren Lastwagen in einem<br />
Feldtest 500.000 Kilometer ohne Motorölwechsel. 100.000<br />
Betriebsstun<strong>de</strong>n liefen Industrieanlagen ohne Ölwechsel.<br />
Vorher waren Wechsel schon nach 2.000 Stun<strong>de</strong>n fällig<br />
Den <strong>de</strong>utschen Industriepreis für das „Kleenoil System ICC<br />
– ölwechselfreie Maschinen“ bekam er im Jahr 2009. Panolin<br />
Öle hatten im Jahr 2010 in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Forstwirtschaft<br />
12 ProFirma 12 2011
schon einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. Das System<br />
Kleenoil wird von Experten für seine Mustergültigkeit<br />
beim Ressourcensparen gelobt, eindrucksvoll zuletzt von Ex-<br />
Bun<strong>de</strong>sumweltminister Professor Klaus Töpfer bei <strong>de</strong>r Feier<br />
zum 25-jährigen Bestehen von Krstics Unternehmen.<br />
Wenn Milorad Krstic von seinen Unternehmen und zukünftigen<br />
Plänen erzählt, erkennt man schnell <strong>de</strong>n Visionär in<br />
ihm. In seine Äußerungen mischen sich aber auch Kritik an<br />
<strong>de</strong>r aktuellen Wirtschaftspolitik, an <strong>de</strong>r Regierung und <strong>de</strong>r<br />
in Großbetrieben oftmals mangelhaften Unternehmerethik.<br />
Gewinnmaximierung und stetes Wirtschaftswachstum sind<br />
ihm ein Gräuel. Er hält solche Vorgaben für eine „perverse Erfindung<br />
<strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts“. Die Natur zeige doch, dass es<br />
nicht nur Wachstum, son<strong>de</strong>rn auch Ruhephasen geben müsse,<br />
das solle sich die Wirtschaft mal abschauen, sagt <strong>de</strong>r Vater<br />
von drei Kin<strong>de</strong>rn.<br />
„Beim Schreiben nehm’ ich mich zurück, beim Re<strong>de</strong>n weniger“,<br />
meint er dann fast entschuldigend. Während eines weiteren<br />
Telefonats an diesem Morgen mit einem Baumaschinenhändler<br />
platzt ihm das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re grobe, aber in dieser<br />
harten Branche durchaus übliche Wort raus. „Dass man ein<br />
Geschäft per Handschlag macht, ist für mich selbstverständlich“,<br />
sagt Krstic, nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Hörer aufgelegt hat. Der<br />
am an<strong>de</strong>ren En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leitung wisse das jetzt auch. Dem hat<br />
er nämlich erklärt, dass es einen Fehler in <strong>de</strong>r Software seines<br />
Öl-Sensors gegeben hat. Das sei <strong>de</strong>r Grund <strong>de</strong>s Ausfalls beim<br />
70-Tonnen-Bagger gewesen. Jetzt müsse schlicht und einfach<br />
ein neues Programm aufgespielt wer<strong>de</strong>n. Der Chef persönlich<br />
hat wie<strong>de</strong>r mal seinen Verkäufer für die Panne in Schutz genommen.<br />
Mission Konservenfabrik<br />
Da ist das „große Herz“, für das <strong>de</strong>r Selfma<strong>de</strong>man Krstic unter<br />
Weggefährten und Mitarbeitern bekannt ist. Und mit viel Fleiß<br />
stellt er immer wie<strong>de</strong>r neue Firmen auf die Beine. Selbst wenn<br />
<strong>de</strong>ren Schicksal schon besiegelt gewesen ist, wie im Fall <strong>de</strong>r<br />
von ihm in seiner ehemaligen Heimatstadt Bijeljina im heutigen<br />
Bosnien-Herzegowina quasi aus Ruinen aufgebauten<br />
Konservenfabrik Sava. Kurz vor <strong>de</strong>m Konkurs hat er diese im<br />
Jahr 2009 gekauft. Er nahm für <strong>de</strong>ren Sanierung einige Millionen<br />
Euro in die Hand, kaufte noch zwölf Hektar Gelän<strong>de</strong><br />
für die Expansion hinzu. Schon im Juni 2010 glänzten die<br />
sanierten Hallen mit dichten Dächern und neuen Maschinen.<br />
200 Mitarbeiter zählt die Sava Semberija d.o.o. heute. An <strong>de</strong>n<br />
Abfüllbän<strong>de</strong>rn für Tomatensaft, Gurken, Paprika und Obst<br />
o<strong>de</strong>r Marmela<strong>de</strong>n tragen Frauen und Männer weiße Kittel,<br />
Mundschutz und Hauben. „Wir sind dort endlich auf Westniveau<br />
angekommen“, sagt Krstic. Bereits im Oktober 2010<br />
hatten die Mitarbeiter <strong>de</strong>n Lagerbestand von 4.000 Tonnen<br />
aufgebaut. Einen Monat später stan<strong>de</strong>n die Gläser in <strong>de</strong>n Supermärkten<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s.<br />
ProFirma 12 2011<br />
13
Wir Unternehmer – Porträt<br />
Stolz ist Krstic auf diese Mission in seiner alten Heimat. Stolz<br />
darauf, auch dank <strong>de</strong>r Unterstützung <strong>de</strong>r dortigen Regierung<br />
1.500 Bauern einen Abnehmer und damit eine Zukunft gegeben<br />
zu haben. Und wie<strong>de</strong>r legt er Wert auf die ihm eigene<br />
Unternehmerethik: „Natürlich und gesund“ ist das Motto<br />
für die hun<strong>de</strong>rt verschie<strong>de</strong>nen Produkte und Fertiggerichte.<br />
Künstliche Aromen o<strong>de</strong>r Geschmacksverstärker wird es im<br />
Sava-Glas nicht geben. Demnächst will er mit <strong>de</strong>n Produkten<br />
auf <strong>de</strong>n EU-Markt.<br />
Weil er an seinen Wurzeln hängt, hat er auch mal eine Straße<br />
in das Dorf gebaut, in <strong>de</strong>m seine 92-jährige Mutter noch lebt.<br />
Und weil er dort so viel unternimmt, gab es auch Interviews<br />
im Fernsehen o<strong>de</strong>r Besuche in Talkshows. In einer Reportage,<br />
die über ihn gezeigt wur<strong>de</strong>, plau<strong>de</strong>rte seine alte Lehrerin<br />
eifrig in die Kamera: „Er war nie ein Einser-Schüler. Aber er<br />
war immer sehr intelligent und fleißig.“ Von <strong>de</strong>r Schule sei er<br />
oft zu Hause geblieben, um auf <strong>de</strong>m Bauernhof zu arbeiten,<br />
schil<strong>de</strong>rt die Lehrerin die schwere Kindheit.<br />
Soziales Engagement für Kin<strong>de</strong>r<br />
Klaus Werner führt Krstic in <strong>de</strong>n Fertigungshallen <strong>de</strong>r Ceram Ingenieurkeramik<br />
in Birndorf vor, wie fein die keramischen Pulver sind, mit<br />
<strong>de</strong>nen später Werkzeuge für die Raumfahrt beschichtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Beim Thema Sava kommt er wie<strong>de</strong>r zurück auf die morgendlichen<br />
Jogging- o<strong>de</strong>r Fahrradtouren. Beim Laufen fielen ihm<br />
auch die Begründungen für die Sieben-Sterne-Qualität <strong>de</strong>r<br />
Produkte ein. Die hat er dann mit <strong>de</strong>m Handy an seine Assistentin<br />
weitergegeben. So wie 100 an<strong>de</strong>re Probleme, die er an<br />
<strong>de</strong>r frischen Luft schon gelöst habe. „Ich will nichts komplizieren,<br />
ich will auch von meinen Ingenieuren einfache Erklärungen,<br />
keine Formulierungsakrobatik“, sagt Krstic, <strong>de</strong>r immer<br />
die richtigen Leute, auch im Aufsichtsrat seiner Kleenoil<br />
Panolin AG, um sich geschart hat: Wirtschaftswissenschaftler<br />
und Techniker. „Im Zweifel bin ich kein Spezialist“, gibt er<br />
offen zu.<br />
„Er ist ein herzensguter Mensch“, verrät seine Assistentin Angela<br />
Lautenbach-Bellwald die Charakterzüge ihres Chefs, mit<br />
<strong>de</strong>m sie schon lange per „Du“ ist. So hat er in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>r Stadt Waldshut-Tiengen für eine Grundschule in<br />
Tiengen einige Nachhilfelehrer eingestellt, die seit 2009 Kin<strong>de</strong>r<br />
mit Sprach- und Lern<strong>de</strong>fizit för<strong>de</strong>rn. „Die Weichen im Leben<br />
wer<strong>de</strong>n doch am Anfang gestellt. In unserer Gesellschaft<br />
ist es aber schick, die Elite zu för<strong>de</strong>rn“, sagt Krstic. Er habe als<br />
Kind vom Land dazu aber eine an<strong>de</strong>re Meinung. Mit seinem<br />
Freund und Coach, <strong>de</strong>m Jesuitenpater Hermann-Josef Zoche,<br />
mit <strong>de</strong>m er lei<strong>de</strong>nschaftlich Aben<strong>de</strong> lang philosophiert, hat er<br />
die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r „Schwachenför<strong>de</strong>rung“ geboren.<br />
Mittlerweile ist es Zeit für die Mittagspause: Nein, <strong>de</strong>r Vorstand<br />
Krstic lädt nicht zum Lunch ins Spitzenrestaurant ein.<br />
Weil <strong>de</strong>r Stamm-Italiener Ruhetag hat, geht’s schnell in die<br />
Dorfwirtschaft. Er und seine für <strong>de</strong>n Export im Unternehmen<br />
zuständige 28-jährige Tochter Marina bestellen das Mittagsmenü<br />
für 6,50 Euro – Kürbissuppe, Putencurry mit Reis und<br />
eine Flasche Mineralwasser. Sohn Sascha hat keine Zeit fürs<br />
Essen. Stolz zeigt sich <strong>de</strong>r Familienvater jetzt, dass <strong>de</strong>r 27-Jährige<br />
mit kaufmännischem Hochschulabschluss als Betriebsleiter<br />
die Firma von <strong>de</strong>r Pike auf kennenlernt. Auf <strong>de</strong>r Straße<br />
begrüßt Milorad Krstic ein paar Rentner: „Mensch Mille,<br />
wie geht’s dir, haben uns schon lange nicht mehr gesehen.“<br />
Krstic erkundigt sich im Gegenzug nach <strong>de</strong>m Befin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Gattinnen. Man kennt sich.<br />
Entspannung im roten Flitzer<br />
Hier weiß je<strong>de</strong>r auch vom sozialen Engagement, und keiner<br />
nei<strong>de</strong>t Krstic die Limousine o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n italienischen Sportwagen,<br />
mit <strong>de</strong>m er zur Entspannung flott über die Schwarzwaldstraßen<br />
donnert: „Bei so einem Leben, wie ich es führe, mit<br />
Turbola<strong>de</strong>r und La<strong>de</strong>luftkühlung, bin ich auf abrupte Wechsel<br />
angewiesen“, sagt er. Die nötige Entspannung gebe ihm eben<br />
<strong>de</strong>r rote Flitzer: Aus <strong>de</strong>m Flugzeug raus, mit <strong>de</strong>m Geschäftswagen<br />
zurück an <strong>de</strong>n Hochrhein, Krawatte weg und losfahren.<br />
Ansonsten habe er aber zu Autos ein kühles Verhältnis.<br />
Nur extrem sauber müssen sie sein. Da ist er wie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r Autoreinigung Top Car.<br />
Der Terminkalen<strong>de</strong>r beinhaltet an diesem Nachmittag auch<br />
noch die Stippvisite bei Ceram. Geschäftsführer und Mitgesellschafter<br />
Klaus Werner muss Krstic die aktuellen Probleme<br />
bei <strong>de</strong>r Lieferung „Seltener Er<strong>de</strong>n“ aus China genauer erklären.<br />
Diese Basisstoffe, Titanmetalle, verarbeitet das Unternehmen<br />
wie<strong>de</strong>r zu Produkten, die nach China geschickt wer<strong>de</strong>n. Ein<br />
Geschäft, bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>rzeit viel Geld auf <strong>de</strong>m Spiel steht. „Wir<br />
drei Gesellschafter haben das Unternehmen gegrün<strong>de</strong>t, weil<br />
die Technologie spannend ist und daraus ein profitables Unternehmen<br />
wer<strong>de</strong>n kann“, sagt Krstic und hat wie<strong>de</strong>r dieses<br />
Glänzen in <strong>de</strong>n Augen. „Entschuldigung, jetzt muss ich aber<br />
los, <strong>de</strong>r Flieger wartet nicht“, verabschie<strong>de</strong>t er sich. Weil er<br />
mit seinem Kleenoil Panolin-System gerne noch <strong>de</strong>n afrikanischen<br />
Markt aufrollen möchte, muss er jetzt wie<strong>de</strong>r selbst<br />
ran. Die Verabschiedung von Lebensgefährtin Andrea und <strong>de</strong>r<br />
neunjährigen Tochter Maria geht schnell. Ein Leben mit Turbola<strong>de</strong>r<br />
und La<strong>de</strong>luftkühlung geht weiter.<br />
www.kleenoilpanolin.com<br />
Fotos: Gerhard Herr<br />
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Der neue Online-Anbieter Papersmart macht <strong>de</strong>n unübersichtlichen Markt für Büromaterial<br />
transparent und ist dabei mehr als nur eine Preissuchmaschine für <strong>de</strong>n gewerblichen Bürobedarf.<br />
VON JÜRGEN CHRIST<br />
Ob Hefter, Textmarker o<strong>de</strong>r Aktenordner:<br />
Ohne Büromaterial kommt kein<br />
Unternehmen aus. Doch die Preise variieren<br />
stark. Eine Marktstudie zeigt,<br />
dass die Preise selbst bei Standardartikeln<br />
um mehr als 100 Prozent zwischen<br />
verschie<strong>de</strong>nen Anbietern abweichen.<br />
Dennoch betreiben Unternehmen nur<br />
selten Kostenoptimierungen, weil <strong>de</strong>r<br />
Aufwand für <strong>de</strong>n Preisvergleich in keinem<br />
Verhältnis zum Eingesparten steht.<br />
Der neue Online-Anbieter Papersmart<br />
löst dieses Problem und ist dabei mehr<br />
als nur eine Preissuchmaschine.<br />
„Da meist mehrere Produkte gekauft<br />
wer<strong>de</strong>n, vergleicht Papersmart nicht nur<br />
einzelne Produkte, son<strong>de</strong>rn direkt <strong>de</strong>n<br />
gesamten Warenkorb. Schließlich will<br />
niemand alle gewünschten Produkte<br />
einzeln vergleichen und bestellen“, erklärt<br />
Geschäftsführer Michael Wendt<br />
das Mo<strong>de</strong>ll. Papersmart schlägt <strong>de</strong>n<br />
besten Anbieter vor und verspricht Einsparungen<br />
von bis zu 45 Prozent. Dabei<br />
können Bestellungen auf zwei Anbieter<br />
aufgeteilt wer<strong>de</strong>n, sollte dies günstiger<br />
als <strong>de</strong>r beste Alleinlieferant sein.<br />
Der 23-jährige Michael Wendt und <strong>de</strong>r<br />
22-jährige Alexan<strong>de</strong>r Hoffmann, bei<strong>de</strong><br />
ehemalige Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Otto Beisheim<br />
School of Management, entwickelten<br />
diese Vergleichs- und Bestellplattform<br />
im Rahmen ihrer Diplomarbeit. Im<br />
August grün<strong>de</strong>ten sie mit vier weiteren<br />
Männern das Unternehmen in Vallendar<br />
in <strong>de</strong>r Nähe von Koblenz, das ohne<br />
Fremdfinanzierung auskam. Zur Qualitätssicherung<br />
grün<strong>de</strong>ten die cleveren<br />
Stu<strong>de</strong>nten einen Beirat und holten sich<br />
renommierte Experten mit an Bord.<br />
„Tief beeindruckt hat mich die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r sogenannten ‚generischen Artikel’,<br />
die Endkun<strong>de</strong>n ungeahnte Flexibilität<br />
bei <strong>de</strong>r Produktwahl und höhere<br />
Sparpotenziale ermöglichen”, erklärt<br />
Professor Dr. Malte Brettel, Leiter <strong>de</strong>s<br />
Grün<strong>de</strong>rzentrums an <strong>de</strong>r RWTH Aachen,<br />
eines <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r im Beirat.<br />
Die Nutzung von internationalen Klassifizierungsstandards<br />
erlaubt es <strong>de</strong>m<br />
jungen Unternehmen, seinem Kun<strong>de</strong>n<br />
ganze Produktkategorien zum Vergleich<br />
anzubieten. Ein Kun<strong>de</strong> braucht<br />
sich beispielsweise für einen gelben<br />
Textmarker nicht auf einen <strong>de</strong>r zwölf<br />
Markenanbieter festzulegen. Er wählt<br />
einfach einen gelben Textmarker und erhält<br />
dann jeweils das günstigste Produkt.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Existenzgrün<strong>de</strong>r haben mit<br />
ihrer I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen B2B-Markt<br />
im Visier, <strong>de</strong>r mit einem Gesamtvolumen<br />
von 4,73 Milliar<strong>de</strong>n Euro zu <strong>de</strong>n<br />
größten in Europa zählt. <strong>Als</strong> Zielgruppen<br />
peilen sie Unternehmen und Institu-tionen<br />
an, die Bürobedarf bislang<br />
über herkömmliche Händler beziehen.<br />
Insbeson<strong>de</strong>re kleine und mittlere Unternehmen<br />
sollen von <strong>de</strong>m Einsparpotenzial<br />
profitieren. „Das Team ist sehr<br />
kompetent, und technisch scheint mir<br />
die Herausfor<strong>de</strong>rung herausragend<br />
gelöst. Kun<strong>de</strong>n und Anbieter wer<strong>de</strong>n<br />
gleichermaßen von <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />
<strong>de</strong>r komplexen Vergleichsalgorithmen<br />
profitieren“, meint Professor Dr. Lutz<br />
Kaufmann, Lehrstuhlinhaber für Internationale<br />
Strategie und Beschaffung an<br />
<strong>de</strong>r WHU – Otto Beisheim School of<br />
Management und ebenfalls Mitglied <strong>de</strong>s<br />
selbst geschaffenen Beirats.<br />
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Die Gesellschafter<br />
(von links nach<br />
rechts):<br />
Klaus Wächter,<br />
Alexan<strong>de</strong>r Hoffmann,<br />
Michael Wendt,<br />
Simon Stemplinger,<br />
Stefan Wille,<br />
Dirk Steffens.<br />
Foto: Papersmart<br />
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AUSZEIT<br />
Whale-Watching vor Teneriffa<br />
50 Tonnen Eleganz<br />
Man nennt sie die „Inseln <strong>de</strong>s ewigen<br />
Frühlings“, und Teneriffa, die Insel mit<br />
<strong>de</strong>r Form eines Faustkeils, ist die größte<br />
<strong>de</strong>r sieben Haupt- und sechs Nebeninseln<br />
<strong>de</strong>r Kanaren, gut 2.000 Quadratkilometer<br />
groß, 900.000 Einwohner. Es<br />
gibt die sechs Pyrami<strong>de</strong>n von Guimar,<br />
von <strong>de</strong>nen noch niemand weiß, weshalb<br />
sie dort stehen. Es gibt eine Menge<br />
Touristen im Sü<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Playa <strong>de</strong> las<br />
Americanas, eine Menge Bausün<strong>de</strong>n auf<br />
<strong>de</strong>r ganzen Insel, aber auch noch kleine<br />
Paradiese. Und es gibt Wale.<br />
Whale-Watching also, wie das heute<br />
heißt. Noch nicht in ganz großem Stil.<br />
Erst ein paar Anbieter haben diesen<br />
Wirtschaftszweig ent<strong>de</strong>ckt. Was man in<br />
diesem Gewässer sieht, sind je<strong>de</strong> Menge<br />
relativ kleine Pilotwale, drei Meter lang.<br />
Sie sehen aus wie aus <strong>de</strong>r Form geratene<br />
Delphine. Man trifft sie zwischen Teneriffa<br />
und La Gomera, wo sie sich dauerhaft<br />
nie<strong>de</strong>rgelassen haben.<br />
Das Problem an <strong>de</strong>n Pilotwalen ist, dass<br />
sie schnell langweilig wer<strong>de</strong>n. Zu viele<br />
und vor allem zu klein, um nachhaltig<br />
zu beeindrucken. Um beim Walebeobachten<br />
wirklich sprachlos zu wer<strong>de</strong>n<br />
und auch ein wenig <strong>de</strong>mütig, braucht<br />
es schon einen Pottwal, dieses epische<br />
50-Tonnen-Tier, das als „Moby Dick“ in<br />
die Literatur eingegangen ist. Aber die 18<br />
Meter langen Ozean-Kolosse mit ihrem<br />
9.5 Kilogramm schweren Gehirn, <strong>de</strong>m<br />
schwersten <strong>de</strong>r Welt, sind rar gewor<strong>de</strong>n.<br />
Vielleicht eine Million Tiere, an<strong>de</strong>re sagen<br />
300.000, soll es noch geben.<br />
Man sollte sich diese endliche Chance<br />
nicht entgehen lassen. Die meisten<br />
Touristen versuchen ihr Glück von Los<br />
Christianos im Sü<strong>de</strong>n aus. Das ist nicht<br />
wirklich zu empfehlen. Die Whale-Watcher<br />
wer<strong>de</strong>n all-inclusive-mäßig in Bussen<br />
zu <strong>de</strong>n Booten gekarrt. Besser man<br />
geht nach Los Gigantes, nördlich von<br />
Los Christianos. Gigantes liegt an <strong>de</strong>r<br />
zweithöchsten Steilküste Europas, und<br />
irgendwie <strong>de</strong>nkt man, diese riesigen<br />
Felsen und riesige Wale: Das passt. Die<br />
Boote dort sind kleiner, die Touristengruppen<br />
auch, die Skipper verdienen<br />
weniger, sind dafür umso mehr an zufrie<strong>de</strong>nen<br />
Kun<strong>de</strong>n interessiert. Und ein<br />
zufrie<strong>de</strong>ner Kun<strong>de</strong> ist einer, <strong>de</strong>r einen<br />
Pottwal beobachtet hat. Weiter nördlich<br />
kann man auch mit irgen<strong>de</strong>inem Fischer<br />
rausfahren, wenn <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> Lust<br />
hat. Ist dann ein bisschen teurer.<br />
Mit ein wenig Glück hat man dann Bil<strong>de</strong>r<br />
fürs Leben in <strong>de</strong>r Erinnerung und<br />
auf <strong>de</strong>r Speicherkarte <strong>de</strong>r Kamera. Wie<br />
<strong>de</strong>r Wal bläst, hochschießt, 50 Tonnen<br />
Eleganz, wie die gigantische Fluke noch<br />
einen Moment winkt, bevor er abtaucht<br />
ins Reich <strong>de</strong>r Riesenkalmare. (mib)<br />
Das schöne Ding<br />
Er heißt „Sitzhörer“, weil man in einem Kopfhörer sitzt – <strong>de</strong>m „Sonic-Chair“ aus Köln. Im Grun<strong>de</strong><br />
ist es ein Sessel mit 32 Liter Lautsprechervolumen, einem Sechskanal-Verstärker und einer<br />
Tiefton-Körperschallmembran in <strong>de</strong>r Rücklehne. O<strong>de</strong>r ein multimediales Schneckenhaus mit<br />
Anschlüssen für Laptop, iPod und so weiter, in das man sich zurückziehen kann, wenn man<br />
vom Getöse <strong>de</strong>r Welt genug hat. Der Rückzug ist nicht ganz billig. Die teuerste Variante kostet<br />
gut 10.000 Euro. Aber Ruhe vor <strong>de</strong>r Welt war schon immer ein Luxus. www.sonic-chair.com<br />
Fotos: Sonic; Sam Chadwick /shutterstock.com<br />
18 ProFirma 12 2011
Für <strong>de</strong>n<br />
Max Beckmann im Kunstmuseum Basel<br />
Gemalte mythische Orte<br />
TERMIN-<br />
KALENDER<br />
Bekanntes, aber auch viel Unbekanntes aus <strong>de</strong>m<br />
Schaffen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Malers Max Beckmann zeigt<br />
das Kunstmuseum Basel noch bis En<strong>de</strong> Januar.<br />
Jetzt nennt man ihn einen „Titanen <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne“, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Maler<br />
Max Beckmann (geboren in Leipzig 1884, gestorben in New York<br />
1950). Zuvor war er lange Zeit ein <strong>de</strong>utscher Künstler, <strong>de</strong>r ein wenig in<br />
Vergessenheit geraten war. Ein Son<strong>de</strong>rling war er. Schloss sich keiner<br />
avantgardistischen Strömung an, son<strong>de</strong>rn machte, wie man das heute so<br />
sagt, „sein Ding“. „Sein Ding“ war immer das Figurenbild, das macht ihn<br />
so ansehnlich. In einer Son<strong>de</strong>rausstellung zeigt das Kunstmuseum Basel<br />
noch bis En<strong>de</strong> Januar 2012 70 Landschaftsgemäl<strong>de</strong> von Beckmann; Bekanntes<br />
und viel Unbekanntes. Es ist wie Urlaub in Europa, wie eine Neuent<strong>de</strong>ckung<br />
von bereits Ent<strong>de</strong>cktem. Er nimmt einen mit auf eine Reise,<br />
seine Reise, die umso mehr Freiraum für einen selbst offeriert, weil seine<br />
Landschaften von dieser grandios-distanzierten Sichtweise sind. So wird<br />
aus je<strong>de</strong>r Landschaft ein fast mythischer Ort voller ange<strong>de</strong>uteter Sehnsüchte.<br />
Beckmann ist Kopfkino aller Reisen<strong>de</strong>n, die zu Hause geblieben<br />
sind. (mib)<br />
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Wir Unternehmer<br />
WIRTSCHAFT & POLITIK<br />
Deutsche Staatsverschuldung<br />
Rekord<strong>de</strong>fizite und Rekor<strong>de</strong>innahmen<br />
En<strong>de</strong> 2010 erreichten die öffentlichen Schul<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r einen Rekord. Auch in diesem Jahr wer<strong>de</strong>n einige<br />
Milliar<strong>de</strong>n hinzukommen, obwohl die Steuereinnahmen nach <strong>de</strong>r jüngsten Schätzung auf 571 Milliar<strong>de</strong>n Euro<br />
steigen wer<strong>de</strong>n. Das ist nichts Neues: Seit 1950 wachsen Schul<strong>de</strong>n und Einnahmen fast im Gleichschritt.<br />
Stetig wachsen<strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nberg<br />
Entwicklung <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Gesamthaushalts in in Deutschland von<br />
1950 bis 2010 (in Milliar<strong>de</strong>n Euro)<br />
Stetig wachsen<strong>de</strong> Steuereinnahmen<br />
Steueraufkommen in Deutschland<br />
von 1950 bis 2010 (in Milliar<strong>de</strong>n Euro)<br />
2.035,9 2010 530,6<br />
1.694,3 2009 524,0<br />
1.577,8 2008 561,2<br />
1.552,3 2007 538,2<br />
1.545,3 2006 488,4<br />
1.489,8 2005 452,1<br />
1.429,7 2004 442,8<br />
1.357,7 2003 442,2<br />
1.277,2 2002 441,7<br />
1.223,5 2001 446,2<br />
1.210,9 2000 467,3<br />
1.199,5 1999 453,1<br />
1.165,4 1998 425,6<br />
1.132,4 1997 407,6<br />
1.082,9 1996 409,0<br />
1.018,7 1995 416,3<br />
848,0 1994 402,0<br />
769,8 1993 383,0<br />
686,3 1992 374,1<br />
599,5 1991 338,4<br />
538,3 1990 281,0<br />
388,4 1985 223,5<br />
238,8 1980 186,6<br />
130,0 1975 123,8<br />
64,2 1970 78,8<br />
44,6 1965 53,9<br />
28,9 1960 35,0<br />
21,3 1955 21,6<br />
9,5 1950 10,5<br />
Quelle: Statista, Bun<strong>de</strong>sministerium <strong>de</strong>r Finanzen<br />
20 ProFirma 12 2011
Steigenberger <strong>de</strong>nkt wie<br />
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Zur Man<strong>de</strong>lblüte auf Mallorca<br />
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Geschäftsleben wird mangeln<strong>de</strong>r Überblick zunehmend Existenz gefähr<strong>de</strong>nd. Dabei liefern Ihnen die<br />
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auf die zentralen Fragen. Allerdings nur dann, wenn Sie mit diesem wertvollen Werkzeug richtig<br />
umgehen können! In unserem Seminar<br />
Die Betriebswirtschaftliche Auswertung –<br />
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zeigen wir Ihnen, wie Sie die BWA gezielt einsetzen, um die wesentlichen Entwicklungen Ihres<br />
Betriebes stets im Blick zu haben. Unser Referent kommt aus <strong>de</strong>r Praxis und macht Sie anhand<br />
konkreter Beispiele mit <strong>de</strong>r BWA vertraut. Der Ablauf ist im Übrigen so gestaltet, dass Sie individuelle<br />
Fragen in Ruhe mit <strong>de</strong>m Referenten erörtern können.<br />
Begeisterte Teilnehmer bestätigen uns immer wie<strong>de</strong>r: Der Besuch dieses Seminars ist eine gute<br />
Investition – auch in die Zukunft Ihres Betriebes! Danach wer<strong>de</strong>n Ihnen viele betriebliche<br />
Entscheidungen leichter fallen, weil Sie sich dann auf „festem Bo<strong>de</strong>n bewegen“.<br />
Agieren statt reagieren soll und wird nach diesem Seminar Ihre Devise lauten!<br />
Es erwartet Sie ein gleich gesinnter Kreis klein- und mittelständischer Unternehmer, <strong>de</strong>r sicher<br />
auch außerhalb <strong>de</strong>r Seminarzeiten Gelegenheit für anregen<strong>de</strong> Gespräche bietet.<br />
Detailliertes zum Inhalt und Verlauf sowie zum abwechslungsreichen Rahmenprogramm –<br />
zu <strong>de</strong>m wir natürlich auch Ihre Begleitung herzlich begrüßen – sen<strong>de</strong>n wir Ihnen gerne zu.<br />
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Datum:<br />
Unterschrift:<br />
Bitte per Fax o<strong>de</strong>r per Post an: BdSt Steuerzahler Service GmbH · Adolfsallee 22 · 65185 Wiesba<strong>de</strong>n<br />
Seminarorganisation: Dagmar Bocchini · Telefon (0611) 34107520 · Fax (0611) 34107599<br />
E-Mail: bocchini@steuerzahler-service.<strong>de</strong> · www.steuerzahler-service.<strong>de</strong>
Unternehmensführung – Titelthema<br />
ProFirma<br />
Gesundheitsmanagement<br />
Kleiner Aufwand, große Wirkung<br />
Titelthema<br />
Überfor<strong>de</strong>rung und Burnout im Betrieb stehen im Rampenlicht <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Aufmerksamkeit. Gesundheitsför<strong>de</strong>rung leistet einen Beitrag, <strong>de</strong>n Krankenstand zu<br />
senken und die Mitarbeiterzufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>utlich zu erhöhen. Das nützt allen.<br />
VON DR. ULRIKE FELGER<br />
24 ProFirma 12 2011
Ergonomie, Führungskultur, Betriebssport, Arbeitssicherheit<br />
o<strong>de</strong>r Kantinenessen – unter <strong>de</strong>m Etikett „Gesundheit“ tummelt<br />
sich eine Vielzahl von Themen, Trends und Schlagworten, die<br />
die Aufmerksamkeit verantwortungsvoller Unternehmer for<strong>de</strong>rn.<br />
Ebenso unübersichtlich wie das Themenspektrum präsentieren<br />
sich die zahllosen Dienstleister, För<strong>de</strong>rprogramme,<br />
Bildungsangebote, Institute und Institutionen, die sich <strong>de</strong>r betrieblichen<br />
Gesundheitsför<strong>de</strong>rung zuordnen.<br />
Laut einer aktuellen Studie von Booz & Company lasten auf<br />
Deutschlands Arbeitgebern krankheitsbedingte Kosten von<br />
jährlich rund 3.600 Euro pro Arbeitnehmer. Im Jahr 2009 beliefen<br />
sich, hochgerechnet auf alle <strong>de</strong>utschen Unternehmen,<br />
die Kosten auf etwa 129 Milliar<strong>de</strong>n Euro. Nur ein Drittel davon<br />
resultiert aus reinen Fehlzeiten. Der größere Teil entsteht<br />
dadurch, dass Arbeitnehmer trotz Krankheit am Arbeitsplatz<br />
erscheinen. Ihre eingeschränkte Einsatzfähigkeit vermin<strong>de</strong>rt<br />
die Arbeitsqualität, erhöht die Fehleranfälligkeit und steigert<br />
die Anzahl von Unfällen.<br />
„Im <strong>de</strong>utschen Mittelstand gibt es<br />
noch kein Gesundheitsmanagement,<br />
das <strong>de</strong>n Namen wirklich verdient.“<br />
RUDOLF KAST, DIE PERSONALMANUFAKTUR, WITTNAU<br />
Dennoch: „Im <strong>de</strong>utschen Mittelstand gibt es kein betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement, das <strong>de</strong>n Namen verdient“,<br />
konstatiert Rudolf Kast, Inhaber von Die Personalmanufaktur<br />
in Wittnau. Dabei sei die Arbeit in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren<br />
intensiver gewor<strong>de</strong>n und ihr Einfluss auf die individuelle Gesundheit<br />
erheblich gestiegen. Der frühere Personalleiter <strong>de</strong>r<br />
Sick AG in Waldkirch hat selbst ein betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
aufgebaut. Seine Zutaten: Ein engagiertes<br />
Steuerungsgremium, vom Thema überzeugte Führungskräfte<br />
sowie Mitarbeiter, die als interne Promotoren die Selbstverantwortung<br />
in <strong>de</strong>r Belegschaft stärken.<br />
Der Vorturner<br />
„Es fing an mit <strong>de</strong>r Erkenntnis, dass meine Leistungsfähigkeit<br />
sinkt. Mit zunehmen<strong>de</strong>r Bürotätigkeit baut<br />
sich <strong>de</strong>r Fitnessgrad ab – und umso beschwerlicher<br />
wer<strong>de</strong>n körperliche Einsätze auf <strong>de</strong>r Baustelle. Diese<br />
Erkenntnis wollte ich nicht vom Tisch fegen, son<strong>de</strong>rn<br />
im Betrieb umsetzen.<br />
Die Innungskrankenkasse hat mir dann ein Bonusprogramm<br />
mit <strong>de</strong>n Zielen Prävention und Prophylaxe<br />
angeboten. Wir sind mit <strong>de</strong>r ganzen Truppe in ein<br />
Reha-Zentrum gegangen und haben eine Diagnose<br />
und Analyse <strong>de</strong>r körperlichen Disposition gemacht.<br />
Das Resultat war erstaunlich: Meine Mitarbeiter sind<br />
echte Kerle, aber sie haben eine überdurchschnittlich<br />
entwickelte Bauchmuskulatur und weniger gute<br />
Rückenmuskeln. Heute wissen wir, dass das durch<br />
die Bewegungsabläufe bei <strong>de</strong>r Arbeit kommt.<br />
In zunächst 20 Sitzungen haben wir eine Stun<strong>de</strong><br />
vor Feierabend zusammen mit einem Sportlehrer<br />
bestimmte Turnübungen gelernt, die hier Abhilfe<br />
schaffen sollen. Dann haben wir gemeinsam weitergemacht.<br />
Die Übungen sind nach <strong>de</strong>r Einarbeitung<br />
je<strong>de</strong>rzeit und überall praktikabel – zu Hause, in <strong>de</strong>r<br />
Werkstatt, sogar auf <strong>de</strong>r Baustelle.<br />
Nach einem Jahr haben wir die Körperdaten erneut<br />
erhoben und festgestellt, dass wir muskulär ins<br />
Gleichgewicht gekommen sind. Alle haben gewonnen:<br />
Die Mitarbeiter haben einen finanziellen Bonus<br />
bei <strong>de</strong>r Krankenkasse bekommen. Und im Betrieb<br />
ist <strong>de</strong>r Krankenstand <strong>de</strong>utlich gesunken. Die Ausfälle<br />
wegen Rückenbeschwer<strong>de</strong>n sind auf null runtergegangen.<br />
Im Nachgang haben wir Geräte angeschafft, um die<br />
Lastenverteilung beim Heben zu verbessern. Aufkleber<br />
an Hebepunkten, aber auch an <strong>de</strong>n Toiletten<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Stechuhr erinnern an gutes Heben.“<br />
Foto: privat<br />
Fehlen<strong>de</strong>s Wissen als Ursache<br />
Die Zurückhaltung <strong>de</strong>s Mittelstands führen zwei aktuelle<br />
Studien <strong>de</strong>s TÜV Süd zum Teil auf fehlen<strong>de</strong> Informationen<br />
über psychische Belastungsfaktoren zurück, aber auch auf<br />
fehlen<strong>de</strong>s Wissen über die Ausgestaltung eines effektiven<br />
Gesundheitsmanagements. Den größten Handlungsbedarf<br />
in <strong>de</strong>r betrieblichen Gesundheitsför<strong>de</strong>rung sehen die Experten<br />
bei gesun<strong>de</strong>m Führungsverhalten, Konfliktmanagement,<br />
verlängerter Lebensarbeitszeit und Arbeitsmotivation. „Viele<br />
Mittelständler befrem<strong>de</strong>t das Thema Gesundheit“, bestätigt<br />
Karin Patzel-Kohler, systemischer Coach aus Steinheim/Murr.<br />
Gegenüber weithin akzeptierten Unfallszenarien habe eine<br />
Krankheitsgeschichte im psychischen Bereich häufig die<br />
Klaus Bran<strong>de</strong>nburg<br />
Inhaber von Fußbo<strong>de</strong>n Bran<strong>de</strong>nburg, Gummersbach,<br />
sechs Mitarbeiter<br />
ProFirma 12 2011<br />
25
Unternehmensführung – Titelthema<br />
Der Pragmatische<br />
Reinhard Krumm<br />
Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Volksbank Lahr, knapp 500<br />
Mitarbeiter<br />
„Schon seit Längerem bieten wir für unsere Führungskräfte alle zwei Jahre einen Checkup<br />
an. Seit zehn Jahren haben wir beispielsweise Verträge mit drei Fitnessstudios. Gut<br />
150 unserer fast 500 Mitarbeiter nehmen das an. Dann haben wir noch Betriebssportgruppen<br />
und einen Ergonomie-Check.<br />
Wir sind überzeugt, dass gesun<strong>de</strong> Mitarbeiter in einem gesun<strong>de</strong>n Unternehmen gute<br />
Leistung erbringen – dafür wollen wir uns engagieren. Wir sehen unser Angebot einerseits<br />
als Beitrag zur Mitarbeitergesundheit, an<strong>de</strong>rerseits wollen wir Mehrwert bieten<br />
und gute Mitarbeiter ans Haus bin<strong>de</strong>n. Spätestens wenn die geburtenstarken Jahrgänge<br />
in <strong>de</strong>n Ruhestand gehen, wird uns das Abwerbungsthema erreichen.<br />
Dieses Jahr haben wir erstmals einen Gesundheitstag durchgeführt, um das Thema in<br />
die Breite zu tragen. Fast 65 Prozent <strong>de</strong>r Belegschaft beteiligen sich, wir mussten noch<br />
drei Zusatztermine anbieten. Die Teilnahme ist freiwillig und ,kostet’ die Mitarbeiter<br />
einen halben Urlaubstag, <strong>de</strong>n Rest zahlt die Bank. Dort gibt es Vorträge, Gesundheitsübungen,<br />
Nordic Walking, Ernährungsberatung und vieles mehr. Worum es uns dabei<br />
geht? Wir wollen helfen, dass sich im Kopf <strong>de</strong>r Teilnehmer ein Hebel umlegt und sie<br />
Gesundheit als Wert erkennen, für <strong>de</strong>n man sich einsetzt.<br />
Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>nken wir über die Einrichtung von Laufgruppen nach, vielleicht als kleiner<br />
Wettbewerb zwischen <strong>de</strong>n Filialen o<strong>de</strong>r sogar als Sponsoring-Event, an <strong>de</strong>m auch Kun<strong>de</strong>n<br />
teilnehmen können. Ich selbst laufe 15 bis 20 Mal im Monat und weiß, dass man<br />
auf <strong>de</strong>n eigenen Körper hören muss, sonst mel<strong>de</strong>t er sich.“<br />
Stigmatisierung <strong>de</strong>r Betroffenen zur Folge, so ihre Erfahrung.<br />
Oft sei es ein persönliches Schicksal, das in kleinen Betrieben<br />
die Aufmerksamkeit für das Thema wecke.<br />
„Wir haben irgendwann von <strong>de</strong>r Krankenkasse <strong>de</strong>n Hinweis<br />
bekommen, dass <strong>de</strong>r Krankenstand sich in bestimmten Segmenten<br />
kumuliert“, berichtet Markus Müller, geschäftsführen<strong>de</strong>r<br />
Gesellschafter von Breuer & Schmitz in Solingen. Die<br />
anonymen und aggregierten Daten hätten endlich einen Anhaltspunkt<br />
gegeben, um <strong>de</strong>n generell hohen Krankenstand<br />
unter <strong>de</strong>n eher älteren und häufig ungelernten Kräften zu reduzieren.<br />
Ab 50 Versicherten beim selben Anbieter sind solche<br />
Datenanalysen möglich. „Der Mangel an Informationen<br />
in diesem Bereich war für mich ein ständiger Quell von Frustration:<br />
Ich sehe Kosten und Fehlzeitenwirkung, aber nie die<br />
Ursache dafür“, sagt Müller. Der Vorstoß <strong>de</strong>r Kasse habe das<br />
Thema entemotionalisiert und <strong>de</strong>utlich versachlicht.<br />
Entsprechend <strong>de</strong>r Analyse hat sich <strong>de</strong>r metallverarbeiten<strong>de</strong> Betrieb<br />
darauf konzentriert, in muskel- und gelenkbelasten<strong>de</strong>n<br />
Bereichen Entlastung zu schaffen. Wichtigster Partner und<br />
treiben<strong>de</strong> Kraft in <strong>de</strong>m Projekt war das Institut für betriebliche<br />
Gesundheitsför<strong>de</strong>rung (BGF) in Köln, ursprünglich eine Einrichtung<br />
<strong>de</strong>r AOK Rheinland. „Wir produzieren Scharniere,<br />
das ist unsere Kernaufgabe – einen Stab an Gesundheitsmanagern<br />
kann ich bei 80 Mitarbeitern kaum beschäftigen“, bringt<br />
Markus Müller die Realität <strong>de</strong>s Mittelstands knurrig auf <strong>de</strong>n<br />
Punkt. Eine Rückenschule, die Anschaffung von Transportgeräten<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r sukzessive Austausch <strong>de</strong>r Bestuhlung wirken<br />
wenig spektakulär, doch <strong>de</strong>r Krankenstand hat sich im Laufe<br />
<strong>de</strong>r Projeks von 6,9 auf 4,6 Prozent in diesem Bereich ver-<br />
Mitarbeiter-Gesundheit<br />
in Zahlen<br />
■ Krankenstand 2010:<br />
4,8 Prozent<br />
(entspricht <strong>de</strong>m Vorjahresniveau)<br />
■ durchschnittliche Dauer einer Arbeitsunfähigkeit:<br />
17,6 Tage<br />
(Anstieg um 0,7 Prozent aufgrund<br />
zunehmen<strong>de</strong>r psychischer Erkrankungen)<br />
■ Art <strong>de</strong>r Erkrankungen in Prozent:<br />
Muskel- und Skeletterkrankungen (24,2), akute Verletzungen<br />
(12,9), Atemwegserkrankungen (12), psychische<br />
Erkrankungen (9,3 – Ten<strong>de</strong>nz weiter steigend)<br />
■ höchster Krankenstand 2010 in <strong>de</strong>n Branchen:<br />
Energie, Wasser, Entsorgung und Bergbau<br />
■ niedrigster Krankenstand 2010 in <strong>de</strong>n Branchen:<br />
Banken und Versicherungen<br />
Foto: privat<br />
26 ProFirma 12 2011
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Unternehmensführung – Titelthema<br />
Der Einsteiger<br />
Michael Grimm<br />
geschäftsführen<strong>de</strong>r Gesellschafter<br />
<strong>de</strong>r Ingentis Software-Entwicklung GmbH,<br />
Nürnberg, 55 Mitarbeiter<br />
„Die Zufrie<strong>de</strong>nheit unserer Mitarbeiter, ihr Wohlbefin<strong>de</strong>n und das Betriebsklima in <strong>de</strong>r<br />
Firma sind uns sehr wichtig. Natürlich haben wir ein Interesse, dass unsere Mitarbeiter<br />
so gesund wie möglich sind und dies auch bleiben. Wir hatten bisher eine gute Krankheitsquote,<br />
die wollen wir halten. Mitarbeiterbindung, insbeson<strong>de</strong>re von High-Potentials,<br />
ist für uns ein Riesenthema, gera<strong>de</strong> aus betriebswirtschaftlicher Sicht.<br />
Wir sind in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren ziemlich stark gewachsen und wollten nun unsere<br />
Aufmerksamkeit auf das richten, was unsere Mitarbeiter bewegt. In diesem Moment<br />
erreichte uns eine Anfrage von PräKoNet, einem Verbundprojekts <strong>de</strong>s BMBF zum<br />
Erhalt <strong>de</strong>r Beschäftigungsfähigkeit von ITK-Fachkräften über das gesamte Arbeitsleben.<br />
Es ging um die Entwicklung einer betrieblichen Gesundheitsför<strong>de</strong>rung, die <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Wissensarbeit entspricht und eine Reduktion psychischer Belastung im<br />
Fokus hat.<br />
Geschäftsführung und Mitarbeiter bil<strong>de</strong>ten einen Arbeitskreis, um Stressursachen zu<br />
i<strong>de</strong>ntifizieren. Das Ergebnis: Es ging vor allem darum, Zuständigkeiten besser zu <strong>de</strong>finieren<br />
und für Mehrarbeit klare Regeln zu schaffen – die gab es vorher nicht.<br />
Mittlerweile haben wir einiges getan. Wir haben die Arbeitszeitregelungen präzisiert<br />
und ein strukturiertes Gehaltssystem entwickelt. Das stand dringend für uns an. Obst<br />
zur freien Verfügung o<strong>de</strong>r unser Sportbeauftragter sind Kleinigkeiten und doch auch<br />
wichtiger Teil unserer Neuerungen.“<br />
ringert. Die Einrichtung eines Gesundheitskreises, <strong>de</strong>r dank<br />
<strong>de</strong>m unermüdlichen Einsatz <strong>de</strong>r zuständigen Personalmanagerin<br />
auch gelebt wird, hat Erfolge dauerhaft gemacht.<br />
Zu Beginn eine Befragung<br />
Im I<strong>de</strong>alfall startet ein systematischer Prozess zum Aufbau<br />
eines betrieblichen Gesundheitsmanagements mit einer Mitarbeiterbefragung<br />
zu Ressourcen und Belastungen am Arbeitsplatz.<br />
Nach <strong>de</strong>r Auswertung kann an konkreten Belastungen<br />
gearbeitet wer<strong>de</strong>n. Doch es gibt auch Skepsis, schließlich ist<br />
Gesundheit eine ganz persönliche Angelegenheit: „Ich möchte<br />
keine Gesundheitsabfrage machen, <strong>de</strong>shalb bewegen wir<br />
uns eher in Fel<strong>de</strong>rn, die je<strong>de</strong>n interessieren“, erklärt Reinhard<br />
Krumm, Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Volksbank Lahr. Ergeben<br />
sich im Kontakt mit Mitarbeitern, beispielsweise bei Rückkehrgesprächen,<br />
Anhaltspunkte für Verbesserungen, liegt es<br />
an <strong>de</strong>r Führungskraft, solche Dinge aufzugreifen.<br />
Je enger <strong>de</strong>r Austausch mit <strong>de</strong>n Mitarbeitern, <strong>de</strong>sto individueller<br />
können mögliche Maßnahmen aufgesetzt wer<strong>de</strong>n. „Von<br />
allgemeinen Gesundheitstipps halte ich nichts, letztlich ist es<br />
hochspezifisch, wer was braucht“, merkt Peter Flühr an, Inhaber<br />
<strong>de</strong>s Beratungsunternehmens Achilles in München. Er will<br />
Menschen neue Handlungsoptionen erschließen, über die<br />
sie selbst ihren persönlichen Gesundheitsstatus beeinflussen<br />
können. „Lei<strong>de</strong>r haben viele Aktionen zu sehr Schaufenstercharakter“,<br />
sagt Flühr und propagiert einen ehrlicheren Umgang<br />
mit <strong>de</strong>r Materie: „Wir sollten das Leistungsmanagement<br />
nennen – darum geht es letztlich und da ist nichts Verwerfliches<br />
dabei.“ Der Berater macht im Mittelstand zwei Lager<br />
Falsches Heben schwerer Gegenstän<strong>de</strong> (links) ist eine häufige Ursache<br />
von Rückenlei<strong>de</strong>n. Besser geht es so wie auf <strong>de</strong>m Foto rechts.<br />
LINK-TIPPS<br />
Bun<strong>de</strong>samt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin, www.baua.<strong>de</strong><br />
Institut für betriebliche Gesundheitsför<strong>de</strong>rung,<br />
www.bgf-institut.<strong>de</strong><br />
„Corporate Health Jahrbuch 2011“,<br />
www.tuev-sued.<strong>de</strong><br />
Fotos: privat (2), IKK (2)<br />
28 ProFirma 12 2011
INTERVIEW<br />
„Alles nur Feigenblätter“<br />
Intelligentes Gesundheitsmanagement ist mehr als ein Betriebsarzt und ein jährlicher<br />
Gesundheitstag. Ein Gespräch mit Dr. Wolfram Pfeiffer, Leiten<strong>de</strong>r Arzt im Bereich Check-up und<br />
Facharzt für Innere Medizin und Sportmedizin bei Praeveneo in Karlsruhe.<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE DR. ULRIKE FELGER<br />
Herr Dr. Pfeiffer, Sie arbeiten häufig mit<br />
mittelständischen Unternehmen zusammen.<br />
Wie steht es in <strong>de</strong>n Betrieben um<br />
das Thema Gesundheitsmanagement?<br />
Pfeiffer: <strong>Als</strong> die letzte Krise vorbei war,<br />
wachte man auf und merkte, dass man<br />
das Thema völlig vernachlässigt hat.<br />
Dabei sind <strong>de</strong>mografische Entwicklung<br />
und Fachkräftemangel für viele Betriebe<br />
heute schon Realität. Der Mittelstand<br />
besucht seit zehn Jahren bei <strong>de</strong>r IHK<br />
Seminare zum Thema – und erst jetzt<br />
stellt man dort fest: „Oh, das gibt es ja<br />
wirklich.“ In vielen Unternehmen beschränkt<br />
sich Gesundheit auf <strong>de</strong>n Aspekt<br />
arbeitsmedizinische Betriebsbetreuung,<br />
wenn überhaupt. Doch das än<strong>de</strong>rt sich<br />
gera<strong>de</strong>: Die Nachfrage nach Angeboten<br />
im Bereich Gesundheitsmanagement<br />
steigt gera<strong>de</strong> gewaltig.<br />
Woran erkennt man eigentlich <strong>de</strong>n Gesundheitsstatus<br />
im Unternehmen?<br />
Pfeiffer: Fehlzeitenquote, Fluktuation<br />
und die Art <strong>de</strong>r Erkrankungen liefern<br />
wesentliche Grundlagen. Auch das betriebliche<br />
Einglie<strong>de</strong>rungsmanagement<br />
gibt Anhaltspunkte. Hier sind Führungskräfte<br />
im Mittelstand oft hoffnungslos<br />
überfor<strong>de</strong>rt und wen<strong>de</strong>n sich mit ihrer<br />
Sorge um einzelne Mitarbeiter konkret<br />
an uns. Es ist sehr legitim und meistens<br />
sinnvoll, sich Hilfe von außen zu holen.<br />
Am meisten erfährt man immer im direkten<br />
Kontakt mit <strong>de</strong>n Mitarbeitern und<br />
weiß so, wo Handlungsbedarf besteht.<br />
Wie sehen die Gesundheitsangebote <strong>de</strong>r<br />
Firmen in <strong>de</strong>r Regel aus?<br />
Pfeiffer: Je<strong>de</strong>s Unternehmen ist nach<br />
<strong>de</strong>m Arbeitssicherheitsgesetz verpflichtet,<br />
seine Mitarbeiter zu betreuen. Da<br />
gibt es eine Bildschirmarbeitsplatzbeurteilung,<br />
Impfungen wer<strong>de</strong>n thematisiert,<br />
o<strong>de</strong>r es gibt eventuell einen Gesundheitstag.<br />
Das sind alles Feigenblätter.<br />
Der gesetzliche Rahmen wird heute zwar<br />
erfüllt, alles was jedoch zugekauft wer<strong>de</strong>n<br />
müsste, liegt im Mittelstand brach. Da<br />
macht die Einstellung in je<strong>de</strong>m einzelnen<br />
Unternehmen <strong>de</strong>n Unterschied. Die ganze<br />
Arbeitsmedizin muss sich erneuern und zur<br />
zentralen Säule <strong>de</strong>s betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Und was schlagen Sie <strong>de</strong>m Mittelstand vor?<br />
Pfeiffer: Es bedarf eines sinnvollen Konzepts.<br />
Dieses besteht aus Check-ups für<br />
Führungskräfte und vielleicht sogar Mitarbeiter.<br />
Schließlich haben Vorgesetzte eine<br />
Leuchtturm-Funktion im Betrieb. „Gesund<br />
führen“ muss da <strong>de</strong>finitiv thematisiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Dann gehören Work-Life-Seminare<br />
dazu, die Themen wie Ernährung, Fitness,<br />
Bewegung sowie Stress- und Zeitmanagement<br />
ansprechen. Die Leute müssen<br />
verstehen, dass man selbst lebenslang an<br />
seiner Fitness arbeiten muss. Für eine betriebliche<br />
Gesundheitsinitiative testen wir<br />
beispielsweise Fitnessanbieter vor Ort und<br />
han<strong>de</strong>ln für unsere Kun<strong>de</strong>n Rahmenverträge<br />
aus. Zusätzlich erarbeiten wir gera<strong>de</strong><br />
ein Online-Info-Tool, das Zugriff auf spezifische<br />
Gesundheitsinformationen liefern<br />
soll. Quasi eine Informationsplattform vom<br />
Arbeitsplatz aus.<br />
Das klingt nach einem erheblichen Aufwand.<br />
Wie kontrollieren Sie <strong>de</strong>n Erfolg<br />
dieser Anstrengungen?<br />
Pfeiffer: Wir machen eine Vorher/<br />
nachher-Befragung, wir nennen das<br />
Work-Life-Check, zum Beispiel unter<br />
<strong>de</strong>m Motto „Fit und schlank in Ihrer<br />
Bank“, je nach Unternehmen. Ein<br />
wichtiger Baustein sind auch Gesundheitszirkel<br />
o<strong>de</strong>r ein Gesundheitsbeauftragter.<br />
Der Austausch zwischen<br />
Kollegen zum Thema muss geför<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n, das halten wir für wichtig.<br />
Man kann gesun<strong>de</strong>s Verhalten nieman<strong>de</strong>m<br />
überstülpen, das muss von<br />
innen kommen.<br />
Welche Erfahrung haben Sie mit <strong>de</strong>r Akzeptanz<br />
solcher Angebote?<br />
Pfeiffer: Die meisten Mitarbeiter sehen<br />
Gesundheitsangebote als persönliche<br />
Wertschätzung, das gilt insbeson<strong>de</strong>re<br />
für Maßnahmen zur Gesundhaltung älterer<br />
Mitarbeiter. Das Gefühl, „Ich gehöre<br />
dazu“ und „Ich bin <strong>de</strong>nen wichtig<br />
genug, Geld in die Hand zu nehmen“, ist<br />
positiv und verstärkt die Bindung an <strong>de</strong>n<br />
Arbeitgeber.<br />
Und welche Rolle spielt <strong>de</strong>r Chef beim<br />
Thema Gesundheit?<br />
Pfeiffer: Der Fisch stinkt vom Kopf.<br />
Natürlich muss je<strong>de</strong>r seinen eigenen<br />
Weg fin<strong>de</strong>n, aber <strong>de</strong>r Chef gibt letztlich<br />
die große Linie vor. Kürzlich berichtete<br />
mir ein Unternehmer mit 30 Mitarbeitern<br />
Folgen<strong>de</strong>s: Mittwochs schickt er<br />
alle seine Mitarbeiter um 16 Uhr nach<br />
Hause, er geht selbst durch die Firma<br />
und schickt die Leute raus. Denn er<br />
ist fest davon überzeugt, dass er das<br />
doppelt und dreifach wie<strong>de</strong>r zurückbekommt.<br />
ProFirma 12 2011<br />
29
Unternehmensführung – Titelthema<br />
Der Realist<br />
Walter Pfeiffer<br />
Bereichsleiter <strong>de</strong>r Personal Ceramtec<br />
GmbH, Plochingen, 2.000 Mitarbeiter<br />
(Deutschland)<br />
„Das Thema Gesundheit hat bei uns einen hohen Stellenwert. Wir arbeiten mit einer<br />
Scorecard, da gehören Softfacts wie Mitarbeiterzufrie<strong>de</strong>nheit o<strong>de</strong>r Gesundheit ins Portfolio.<br />
Zu<strong>de</strong>m müssen wir davon ausgehen, dass durch das erhöhte Rentenalter und<br />
<strong>de</strong>n sich anbahnen<strong>de</strong>n Fachkräftemangel unsere Mitarbeiter länger fit bleiben müssen.<br />
Wenn es uns gelingt, die Absenz unserer Mitarbeiter zu senken, die durch krankheitsbedingte<br />
Fehlzeiten und Leistungseinschränkungen entsteht, steigern wir die Kapazität<br />
<strong>de</strong>r Workforce unserer Belegschaft. Das wird wichtig, umso schwieriger es wird, passen<strong>de</strong><br />
Mitarbeiter zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Unsere Angebote zu Gesundheitsthemen sind umfassend: Da gibt es Nordic-Walking-<br />
Kurse und an<strong>de</strong>re externe Kurse, teilweise in Kooperation mit <strong>de</strong>r Krankenkasse. Es gibt<br />
Gesundheitstage, Mess- und Untersuchungsangebote, Grippeschutzimpfungen, eine<br />
Info-Run<strong>de</strong> Nichtrauchen, Herzinfarkt-Informationen, Ernährungsberatung, einen individuellen<br />
Stress-Check, Entspannungseinheiten im Haus, eine Rückenschule und vieles<br />
mehr. Einige Themen bearbeiten wir zielgruppenbezogen, etwa das Thema Suchtprävention<br />
o<strong>de</strong>r das Langzeitprogramm Azubifit mit <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n.<br />
Ein gelungenes Gesundheitsangebot muss abwechslungsreich sein, <strong>de</strong>nn es ist unheimlich<br />
schwer, die Motivation für das Thema hochzuhalten. Wir müssen die Leute ständig<br />
aufs Neue begeistern – immer das Gleiche wird auf Dauer langweilig. Kürzlich haben<br />
wir sogar eine Show-Küche aufgebaut und gesun<strong>de</strong> tolle Gerichte gekocht.“<br />
aus: Während die einen das Thema belächeln o<strong>de</strong>r bagatellisieren,<br />
stürzen sich an<strong>de</strong>re mit vollem Elan an die Arbeit. <strong>Als</strong><br />
Ausgangsbasis empfiehlt Flühr eine systematische Gesundheitskommunikation:<br />
„Zwischen Wegdrücken und Übertreiben<br />
muss ein ehrlicher Austausch stattfin<strong>de</strong>n.“ Das sei umso<br />
wichtiger, weil sich beim Thema Gesundheit viele Menschen<br />
schnell angegriffen fühlten – o<strong>de</strong>r unverhofft Glaubenskonflikte<br />
und I<strong>de</strong>ologie<strong>de</strong>batten losbrechen.<br />
Auch hier kommt <strong>de</strong>r Führungsmannschaft eine zentrale Rolle<br />
zu: Je<strong>de</strong>r Vorgesetzte hat Vorbildfunktion und entschei<strong>de</strong>t<br />
in seiner Einflusssphäre, wie bestimmte Themen bewertet<br />
wer<strong>de</strong>n. Laut Fehlzeiten-Report 2011 haben Mitarbeiter, die<br />
von ihren Führungskräften gut informiert wer<strong>de</strong>n und Anerkennung<br />
erfahren, weniger gesundheitliche Beschwer<strong>de</strong>n.<br />
Doch die Einstellungen gegenüber <strong>de</strong>r Verantwortung für die<br />
Gesundheit von Mitarbeitern seien ambivalent. Zwar nähmen<br />
die Vorgesetzten ihren sehr großen Einfluss auf das Betriebsklima<br />
wahr, Fragen nach einer Verantwortung für die Gesundheit<br />
<strong>de</strong>r Belegschaft wichen sie jedoch aus o<strong>de</strong>r lehnten<br />
sie sogar ab.<br />
Viele Betriebskantinen bieten heute <strong>de</strong>utlich mehr<br />
an als Currywurst und Pommes. Gesun<strong>de</strong> Ernährung<br />
ist gefragt und Obst daher willkommen.<br />
Auf Signale richtig reagieren<br />
Für Walter Pfeiffer, Bereichsleiter Personal bei <strong>de</strong>r Ceramtec<br />
GmbH in Plochingen, sind die Führungskräfte auch hier wichtige<br />
Multiplikatoren. Man müsse ihre Wahrnehmung schulen,<br />
sie befähigen, auf Signale zu reagieren, und ihnen klar kommunizieren,<br />
dass ihr Einsatz gewünscht ist: „Niemand darf ein<br />
schlechtes Gewissen für sein Gesundheitsengagement haben.“<br />
Insgesamt wer<strong>de</strong> die Akzeptanz <strong>de</strong>r oberen Führungsriege<br />
30<br />
ProFirma 12 2011
Der Überzeugte<br />
„Die Ursprünge unseres betrieblichen Gesundheitsmanagements<br />
liegen in <strong>de</strong>n 1930er-Jahren. Für uns<br />
ist Gesundheitsengagement kein Trend, son<strong>de</strong>rn<br />
ein innerer Antrieb aufgrund unserer persönlichen<br />
Grundhaltung. Es geht uns nicht darum, die Krankheitsquote<br />
zu verringern. Trotz<strong>de</strong>m nehmen wir zufrie<strong>de</strong>n<br />
zur Kenntnis, dass wir sowohl regional als<br />
auch in <strong>de</strong>r Branche überdurchschnittliche Werte<br />
haben.<br />
Vor fünf Jahren haben wir uns entschlossen, kostenneutral<br />
ein breiteres Gesundheitsangebot zu formulieren.<br />
Dabei stehen wir in <strong>de</strong>r Tradition unserer<br />
anthroposophischen Denkweise: Wir wollen Dinge<br />
anbieten, um <strong>de</strong>n Menschen gesund zu halten. Im<br />
Fokus stehen Entspannung und Bewegung. Dass die<br />
Leute da selbst aktiv wer<strong>de</strong>n müssen, gehört zum<br />
salutogenetischen Prinzip: Man kann nieman<strong>de</strong>n<br />
zum Jagen tragen. Die Einsicht, etwas zu tun, um<br />
Balance zu fin<strong>de</strong>n, muss von innen kommen.<br />
Die Maßnahmen fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Freizeit statt, so haben<br />
wir mehr Mittel für die Realisierung zur Verfügung.<br />
Da gibt es außer Eurythmie und Sprachgestaltung<br />
auch Radtreffs, Massageangebote, Lauftrainings,<br />
eine Gesundheitsbibliothek, Kurse o<strong>de</strong>r zum Beispiel<br />
Workshops zu Stress- und Vitalitätsmanagement. Die<br />
Teilnahmequote liegt bei mehr als 35 Prozent.<br />
Einmal im Jahr machen wir alle Angebote auf einem<br />
Gesundheitsmarktplatz publik, da können die Mitarbeiter<br />
während <strong>de</strong>r Arbeitszeit reinschnuppern. Wir<br />
wollen unsere Programme dauernd attraktiv halten<br />
und so <strong>de</strong>n Leuten <strong>de</strong>n Mund wässrig machen.<br />
Denn: Wenn Mitarbeiter gesund bleiben, haben Arbeitnehmer<br />
und Arbeitgeber etwas davon.“<br />
Christkindl<br />
Nürnberg<br />
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Roland Sturm<br />
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ProFirma 12 2011<br />
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Unternehmensführung – Titelthema<br />
Die Teamplayer<br />
„Vor zehn Jahren propagierte die AOK in einem<br />
Rundbrief an die Weco-Geschäftsführer ein gesun<strong>de</strong>s<br />
Arbeitsleben für Manager – und fand dort offene<br />
Ohren: Was für <strong>de</strong>n Führungskreis gut ist, kann für<br />
die Gesamtheit <strong>de</strong>r Mitarbeiter kaum schlecht sein,<br />
war die Ansicht. In <strong>de</strong>r Folge fand sich ein kleiner<br />
Kreis zusammen, um ein Konzept zur betrieblichen<br />
Gesundheitsför<strong>de</strong>rung zu erarbeiten.<br />
In <strong>de</strong>r Hektik <strong>de</strong>s Alltags kamen die guten Ansätze<br />
jedoch zum Erliegen. Im Jahr 2005 nahmen wir einen<br />
zweiten Anlauf. Ein Arbeitskreis Gesundheit formierte<br />
sich. Der Nutzen <strong>de</strong>r Initiative war offenkundig:<br />
Während die Belegschaft merkte, dass sich ihr<br />
Arbeitgeber nicht erst rührt, wenn etwas aus <strong>de</strong>m<br />
Ru<strong>de</strong>r läuft, erhoffte sich die Unternehmensleitung<br />
einen möglichst gesun<strong>de</strong>n Mitarbeiterstamm bis hin<br />
zum altersbedingten Ausschei<strong>de</strong>n.<br />
Die örtliche Krankenkasse, hier die AOK, zeigte<br />
großes Interesse und bot gute Unterstützung. Ihr<br />
halbjährlicher Gesundheitsbericht lieferte wichtige<br />
Anhaltspunkte, wo es bei unseren Mitarbeitern im<br />
Argen lag. Sie stellte auch <strong>de</strong>n Kontakt zum Institut<br />
für Betriebliche Gesundheitsför<strong>de</strong>rung BGF in Köln<br />
her, das in verschie<strong>de</strong>nen Projekten bis heute aktiv<br />
ist.<br />
Eine Mitarbeiterbefragung sowie die Analyse <strong>de</strong>r Arbeitsunfähigkeitsdaten<br />
führten zu einem Planungsgespräch<br />
zum Thema ,Rückenfit am Arbeitsplatz’.<br />
Einige Schwierigkeiten mit entsprechen<strong>de</strong>n Angeboten<br />
hatten jedoch nicht zuletzt die Schichtarbeiter.<br />
Eine Betriebsbegehung <strong>de</strong>r BGF lieferte neben<br />
einem Ergo-Bericht viele Tipps und Anregungen für<br />
Maßnahmen wie beispielsweise eine Rückenschule<br />
o<strong>de</strong>r Gesundheits-Aktionstage.“<br />
In manchen Unternehmen, darunter auch viele Kleinbetriebe, haben<br />
sich feste Sportgruppen gebil<strong>de</strong>t. Sie treffen sich auch in <strong>de</strong>r Freizeit.<br />
für das Thema immer besser, so sein Eindruck. Die Integration<br />
von Gesundheitsthemen in Zielvereinbarungen sind <strong>de</strong>r<br />
Hebel, das Thema im Betrieb zu implementieren. Trotz<strong>de</strong>m<br />
brauche es einen langen Atem: „Wir müssen morgens ziehen<br />
und abends schieben, damit es vorangeht – und akzeptieren,<br />
dass es Kollegen gibt, die wir nie erreichen.“<br />
Oft sind es die pragmatischen Lösungen, die nach einem<br />
gründlichen Blick auf Belastungssituationen <strong>de</strong>utliche Verbesserung<br />
bringen. Bei Weleda stehen an zwölf Stellen im<br />
Betrieb Automaten mit aufbereitetem Trinkwasser. „Auch<br />
wenn es banal ist, merken wir, wie es ankommt und damit<br />
direkt <strong>de</strong>r Gesun<strong>de</strong>rhaltung dient“, sagt Personalleiter Roland<br />
Sturm. Die Nürnberger Software-Schmie<strong>de</strong> Ingentis stellt ihren<br />
Mitarbeitern täglich frisches Obst zur Verfügung. Unternehmer<br />
Müller schaltete einen Brennpunkt von Sehnenüberlastungen<br />
mit <strong>de</strong>m Gang zum Baumarkt aus: Wo früher mit<br />
Schraubendrehern gearbeitet wur<strong>de</strong>, kommen jetzt kleine,<br />
leichte Akkuschrauber zum Einsatz. Ihre Lebensdauer von<br />
höchstens einem halben Jahr stört Müller nicht: „Ein eingesparter<br />
Krankheitstag refinanziert mir die Sache locker.“ Die<br />
Gesundheitspragmatiker übernehmen damit Verantwortung<br />
weit über <strong>de</strong>n eigenen Betrieb hinaus: Laut Booz & Company<br />
zahlt sich je<strong>de</strong>r in betriebliche Prävention investierte Euro für<br />
die <strong>de</strong>utsche Volkswirtschaft mit min<strong>de</strong>stens fünf und bis zu<br />
16 Euro aus.<br />
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Unternehmensführung – Wirtschaftsstandort Deutschland<br />
Interview<br />
„Stark genug für weitere Krisen“<br />
Für zukünftige Rückschläge ist <strong>de</strong>r Standort Deutschland gut gerüstet, betont Professor<br />
Thomas Straubhaar, Direktor <strong>de</strong>s Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI).<br />
Ein Grund: die Innovationskraft <strong>de</strong>r Mittelständler. DAS GESPRÄCH FÜHRTE MONIKA HOFMANN<br />
Herr Professor Straubhaar, wie ist<br />
Deutschland für aktuelle und künftige<br />
Krisen aufgestellt?<br />
Straubhaar: Prinzipiell sehr gut. Denn<br />
im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren europäischen<br />
Län<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r auch zu <strong>de</strong>n USA haben<br />
wir weniger mit strukturellen Problemen<br />
zu kämpfen. In <strong>de</strong>n vergangenen<br />
Jahren bewegte sich hierzulan<strong>de</strong> einiges.<br />
Vor allem ist unser Arbeitsmarkt<br />
so weitgehend flexibilisiert, dass er jetzt<br />
konjunkturelle Schwankungen und<br />
Schocks besser verkraftet. Aber auch<br />
auf <strong>de</strong>r Unternehmensebene passierte<br />
viel. Vor zehn Jahren galt Deutschland<br />
noch als <strong>de</strong>r kranke Mann Europas, jetzt<br />
hat es die vergangene Krise souverän gemeistert,<br />
die Arbeitslosenzahlen sinken,<br />
es zählt wie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>n europäischen<br />
Wachstumsmotoren.<br />
Wo sehen Sie die beson<strong>de</strong>ren Stärken<br />
<strong>de</strong>s Wirtschaftsstandorts Deutschland?<br />
Straubhaar: Ein<strong>de</strong>utig in <strong>de</strong>r Innovationskraft<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Industrie. Die<br />
Unternehmen haben sich <strong>de</strong>m Strukturwan<strong>de</strong>l<br />
gestellt, neue Prozesse und<br />
Verfahren, Produkte und Leistungen<br />
entwickelt – und sich gut auf <strong>de</strong>m Weltmarkt<br />
positioniert. Der <strong>de</strong>utsche Standort<br />
ist auch <strong>de</strong>shalb so stabil, weil es<br />
hierzulan<strong>de</strong> nicht nur Dienstleister gibt,<br />
son<strong>de</strong>rn eine gesun<strong>de</strong> Mischung von Industrie<br />
und Dienstleistungen.<br />
Und die Schwächen?<br />
Straubhaar: Nachholbedarf sehe ich<br />
eher im Bereich <strong>de</strong>r Politik. So sind weitere<br />
Strukturreformen vor allem für <strong>de</strong>n<br />
Arbeitsmarkt nötig, um ihn noch krisenfester<br />
zu gestalten.<br />
„Deutsche Mittelständler haben auf vielen Fel<strong>de</strong>rn<br />
eine beachtliche Nischenkompetenz errungen.“<br />
PROF. THOMAS STRAUBHAAR, HWWI, HAMBURG<br />
Können sich die <strong>de</strong>utschen Unternehmer<br />
also gut gerüstet für die nächste<br />
Krise fühlen?<br />
Straubhaar: Gewiss. Viele Industriebetriebe<br />
wan<strong>de</strong>lten sich von Herstellern<br />
zu Systemanbietern. Ein Maschinenbauer<br />
offeriert heutzutage nicht nur<br />
eine Anlage, son<strong>de</strong>rn zusätzlich viele<br />
Leistungen rund um diese Anlage und<br />
pfiffige Problemlösungen. Zu<strong>de</strong>m gruppieren<br />
sich inzwischen zahlreiche Anbieter<br />
von Dienstleistungen um diesen<br />
industriellen Kern, etwa in Form von<br />
Beratung, Design o<strong>de</strong>r Architektur. Gera<strong>de</strong><br />
in diesem industriellen und industrienahen<br />
Bereich haben sich die <strong>de</strong>utschen<br />
Mittelständler eine beachtliche<br />
Nischenkompetenz erarbeitet.<br />
In an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn gibt es eine solche<br />
Mischung nicht?<br />
Straubhaar: Ähnlich stabile Strukturen<br />
gibt es in <strong>de</strong>r Schweiz und in Norditalien,<br />
wo sich ebenfalls aus <strong>de</strong>r alten<br />
Industrie ein mittelständisch geprägter<br />
Mix aus Herstellern, Systemanbietern<br />
und Dienstleistern entwickelt hat. Dagegen<br />
mangelt es in einigen europäischen<br />
Län<strong>de</strong>rn, etwa Großbritannien,<br />
zum Teil aber auch in <strong>de</strong>n USA, inzwischen<br />
oft am industriellen Kern. Ihre<br />
Wirtschaft entwickelte sich weg von<br />
<strong>de</strong>r klassischen Industrie hin zu reinen<br />
Dienstleistungen, wie sie im Finanzsektor<br />
angeboten wer<strong>de</strong>n. Die Dienstleistungen<br />
stehen quasi im luftleeren<br />
Raum. Daher sind solche Strukturen<br />
anfälliger für Krisen.<br />
Warum ist dabei die Nischenkompetenz<br />
so wichtig?<br />
Straubhaar: Firmen schaffen genau<br />
damit die beste Voraussetzung, um Krisen<br />
und konjunkturelle Schwankungen<br />
gut zu überstehen. Da zahlreiche Mittelständler<br />
in ihrem Marktsegment<br />
aufgrund ihrer Kernkompetenz die<br />
Technologieführerschaft übernommen<br />
haben, geht es für sie nicht mehr so sehr<br />
Foto: HWWI/Gregor Schläger<br />
34 ProFirma 12 2011
darum, ihre Produkte und Leistungen<br />
billiger als die ausländische Konkurrenz<br />
anzubieten. Sie können angesichts<br />
<strong>de</strong>r Innovationsführerschaft selbst die<br />
Preise bestimmen.<br />
Wie lässt sich die Innovationskraft auch<br />
in einem kommen<strong>de</strong>n Konjunkturabschwung<br />
erhalten?<br />
Straubhaar: Dafür ist es wichtig, sogar<br />
in <strong>de</strong>r Krise in Forschung und Entwicklung<br />
zu investieren. Nur mithilfe von<br />
Innovationen können die Mittelständler<br />
ihre Technologieführerschaft weiterhin<br />
halten. Dabei liegt ihr Wettbewerbsvorteil<br />
weniger in <strong>de</strong>n Kosten als in <strong>de</strong>r<br />
kreativen Entwicklung von I<strong>de</strong>en und<br />
im effizienten Management komplexer<br />
Wertschöpfungsnetzwerke.<br />
Inwieweit ist hier <strong>de</strong>r Staat gefragt?<br />
Straubhaar: Er sollte sich besser heraushalten,<br />
wenn es um Innovationen<br />
geht. Denn mit Bürokratie und Regeln<br />
konterkariert er eher das Ziel, Innovationen<br />
hervorzubringen. Zu<strong>de</strong>m muss<br />
eine staatliche För<strong>de</strong>rpolitik stets fern<br />
<strong>de</strong>r Praxis am Reißbrett entschei<strong>de</strong>n,<br />
welche Neuerungen sie unterstützt und<br />
welche nicht – das funktioniert nicht.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen haben die Unternehmer ein<br />
viel besseres Gespür dafür, welche Neuheiten<br />
sich umsetzen lassen und letztlich<br />
auch einen Markt fin<strong>de</strong>n.<br />
Die Solarbranche massiv zu unterstützen,<br />
war also die falsche Entscheidung?<br />
Straubhaar: Ja, zumal da hier die Mittel<br />
in Entwicklungen fließen, die wie die<br />
Photovoltaik sehr teuer sind und sich<br />
wohl am Markt ohne Staatshilfe nicht<br />
durchsetzen wür<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>re Verfahren,<br />
etwa die Solarthermik sowie die<br />
Wind- und Wasserkraft, behaupten<br />
sich eher am Markt, weil sie niedrigere<br />
Kosten verursachen und effizienter arbeiten.<br />
Klar ist aber: Die Energiewen<strong>de</strong><br />
bringt einen Innovationsschub, auch<br />
ohne staatliche För<strong>de</strong>rung. Dabei haben<br />
die <strong>de</strong>utschen Firmen wie<strong>de</strong>r weltweit<br />
ihre Nase vorn, <strong>de</strong>nn in diesem Bereich<br />
leisten sie schon seit Jahren Pionierarbeit<br />
– damit sichern sie sich aufs Neue<br />
einen Wettbewerbsvorsprung.<br />
Kann <strong>de</strong>r Fachkräftemangel diese<br />
positive Entwicklung <strong>de</strong>s Standorts<br />
Deutschland gefähr<strong>de</strong>n?<br />
Straubhaar: Davon gehe ich nicht aus.<br />
Im Fachkräftemangel sehe ich vor allem<br />
einen Führungsmangel. Zwar müssen<br />
wir mit <strong>de</strong>m Problem <strong>de</strong>r schrumpfen<strong>de</strong>n<br />
und altern<strong>de</strong>n Bevölkerung und<br />
<strong>de</strong>r damit sinken<strong>de</strong>n Erwerbstätigenzahl<br />
zurechtkommen, doch gibt es zugleich<br />
ein riesiges, noch immer kaum<br />
genutztes Potenzial: Die Frauen, die<br />
Älteren und die Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund.<br />
Dennoch gelingt<br />
es vielen Unternehmern nicht, dieses<br />
Potenzial auszuschöpfen.<br />
Woran liegt das?<br />
Straubhaar: Die meisten Firmenchefs<br />
haben sich noch nicht an <strong>de</strong>n Gedanken<br />
gewöhnt, dass sie jetzt um die Fachkräfte<br />
werben müssen. Das heißt vor allem<br />
auch, Lohnzugeständnisse zu machen,<br />
Weiterbildungsoptionen zu erarbeiten<br />
und flexible Arbeitszeiten anzubieten,<br />
gera<strong>de</strong> für Erwerbstätige mit Familie<br />
o<strong>de</strong>r zu pflegen<strong>de</strong>n Angehörigen ist<br />
dies ein wichtiges Kriterium. Doch<br />
dieses Um<strong>de</strong>nken lohnt sich: Wenn sich<br />
Mitarbeiter erst einmal für einen mittelständischen<br />
Arbeitgeber entschie<strong>de</strong>n<br />
haben, bleiben sie meist lange dort.<br />
Aber viele kleine und mittlere Firmen,<br />
erfüllen diese Anfor<strong>de</strong>rungen schon.<br />
ProFirma 12 2011<br />
35
Unternehmensführung – Wirtschaftsstandort Deutschland<br />
Straubhaar: Ihre Zahl steigt, weil sie<br />
einen doppelten Nutzen daraus ziehen:<br />
Wer verstärkt auf solche Kriterien achtet<br />
und so seinen Mitarbeitern gegenüber<br />
Wertschätzung zeigt, motiviert<br />
nicht nur seine Beschäftigten, son<strong>de</strong>rn<br />
zieht auch neue Fachkräfte an. Denn<br />
das spricht sich herum, daher kann er<br />
sich auf diesem Weg als guter Arbeitgeber<br />
profilieren.<br />
Inwieweit reicht die Arbeitsmarktflexibilität,<br />
damit Unternehmen flexibel auf<br />
Schwankungen reagieren können?<br />
Straubhaar: Klar ist, dass <strong>de</strong>n Firmen<br />
heute wesentlich mehr Luft zum Atmen<br />
bleibt, als noch vor einigen Jahren.<br />
Angesichts <strong>de</strong>r gelockerten Regeln für<br />
die Kurzarbeit, die Zeitarbeit, die Arbeitszeiten<br />
einschließlich Jahres- und<br />
Lebensarbeitszeitkonten sowie für betriebliche<br />
Beschäftigungsbündnisse<br />
können sie heute spürbar flexibler auf<br />
Schwankungen und Schocks reagieren.<br />
Firmenchefs fällt es daher jetzt leichter,<br />
Mitarbeiter einzustellen und sie in<br />
schwierigen Phasen zu halten.<br />
Unternehmer haben angesichts dieser<br />
Flexibilität auch rascher neue Jobs geschaffen?<br />
Straubhaar: Davon gehen wir aus. Dass<br />
dieses Prinzip funktioniert, belegt die<br />
erfreuliche Entwicklung <strong>de</strong>s Arbeitsmarkts.<br />
Die Zahl <strong>de</strong>r Arbeitslosen nahm<br />
vor drei Jahren zum ersten Mal seit vielen<br />
Jahren wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich ab, sogar die<br />
Sockelarbeitslosigkeit verringerte sich.<br />
Und auch die Krise konnte die positive<br />
Entwicklung nicht umkehren.<br />
Sehen Sie hier noch Reformbedarf?<br />
Straubhaar: Gewiss. Zwar stellte <strong>de</strong>r<br />
ehemalige Bun<strong>de</strong>skanzler Gerhard<br />
Schrö<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Agenda 2010 die richtigen<br />
Weichen für die Flexibilisierung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitsmarkts und setzte mit <strong>de</strong>n<br />
Hartz-IV-Regeln das Prinzip För<strong>de</strong>rn<br />
und For<strong>de</strong>rn teilweise um. Doch einige<br />
wichtige Schritte fehlen noch: Mit<br />
Lohnzuschüssen ließe sich die Arbeitslosigkeit<br />
weiter abbauen.<br />
Wie stellen Sie sich das vor?<br />
Straubhaar: Da die meisten <strong>de</strong>r Langzeitarbeitslosen<br />
gering qualifiziert sind,<br />
wäre es sinnvoll, neben gezielten Weiterbildungsmaßnahmen<br />
Lohnzuschüsse<br />
einzuführen. Denn sie könnten die<br />
Eintrittshür<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt<br />
<strong>de</strong>utlich senken. Je<strong>de</strong>r verdient dann<br />
einfach seiner Produktivität entsprechend<br />
– und erhält, wenn <strong>de</strong>r Lohn<br />
dann zu niedrig ist, Zuschüsse. Nach<br />
<strong>de</strong>n aktuellen Hartz-IV-Regeln wird jedoch<br />
ein großer Teil <strong>de</strong>s zusätzlichen<br />
Verdiensts angerechnet, sodass sich das<br />
Arbeiten kaum lohnt. Hier muss netto<br />
mehr übrig bleiben.<br />
Welche Rolle spielen die Lohnkosten?<br />
Straubhaar: Unternehmer haben in<br />
erster Linie die Lohnstückkosten im<br />
Blick. Vor einigen Jahren noch führte<br />
Deutschland hier die Weltrangliste an.<br />
Inzwischen haben sie sich auch angesichts<br />
mo<strong>de</strong>rater Tarifabschlüsse im<br />
vor<strong>de</strong>ren Mittelfeld eingepen<strong>de</strong>lt. Das<br />
war wichtig, um <strong>de</strong>n Wettbewerbsvorsprung<br />
auszubauen.<br />
Sehen Sie die Exportkraft <strong>de</strong>utscher Unternehmen<br />
gefähr<strong>de</strong>t, wenn sich neue<br />
globale Krisen anbahnen?<br />
Straubhaar: Gera<strong>de</strong> die USA, die für<br />
unsere Exporteure zu <strong>de</strong>n wichtigsten<br />
ZUR PERSON<br />
Professor Thomas Straubhaar ist<br />
Direktor und Sprecher <strong>de</strong>r Geschäftsführung<br />
<strong>de</strong>s Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts<br />
(HWWI) und<br />
Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre,<br />
vor allem internationale<br />
Wirtschaftsbeziehungen, an <strong>de</strong>r Universität<br />
Hamburg. Er absolvierte sein<br />
Volkswirtschaftsstudium in Bern und<br />
Berkeley (USA), promovierte im Jahr<br />
1983 und habilitierte 1987. Der Ökonom<br />
lehrte von 1992 bis 1999 an <strong>de</strong>r<br />
Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg,<br />
seit <strong>de</strong>m Jahr 1999 an <strong>de</strong>r Universität<br />
Hamburg. Von 1999 bis 2006<br />
war er Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Hamburgischen<br />
Weltwirtschaftsarchivs, seit <strong>de</strong>m Jahr<br />
2006 leitet er das HWWI.<br />
Ziellän<strong>de</strong>rn zählen, schwächeln <strong>de</strong>rzeit.<br />
Sie haben nicht nur konjunkturelle,<br />
son<strong>de</strong>rn auch strukturelle Probleme zu<br />
meistern. Daher beeinflusst die Frage, ob<br />
die USA in absehbarer Zeit eine positive<br />
Wen<strong>de</strong> schaffen, massiv die Weltmärkte<br />
und damit auch die Exportfähigkeit <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Unternehmer. Wir erwarten<br />
allerdings kein Horrorszenario.<br />
Und die europäische Schul<strong>de</strong>nkrise?<br />
Straubhaar: Eine <strong>de</strong>r Grundvoraussetzungen,<br />
um all diese Potenziale weiter<br />
ausschöpfen zu können, sehe ich darin,<br />
das Vertrauen in <strong>de</strong>n Euro zu stärken.<br />
Ich plädiere für Maßnahmen, die eine<br />
Umschuldung Griechenlands möglich<br />
machen, private Gläubiger mit an <strong>de</strong>n<br />
Sanierungskosten beteiligen und einen<br />
Mechanismus schaffen, <strong>de</strong>r generell für<br />
mehr Stabilität in <strong>de</strong>r Eurozone sorgt<br />
– und <strong>de</strong>n die EU-Län<strong>de</strong>r konsequent<br />
anwen<strong>de</strong>n müssen. Nur so können wir<br />
rechtzeitig Krisen erkennen, darauf<br />
reagieren und möglicherweise künftig<br />
verhin<strong>de</strong>rn, dass ein Land wegen seiner<br />
Schul<strong>de</strong>n handlungsunfähig wird.<br />
Müssen Unternehmer befürchten, dass<br />
das wachsen<strong>de</strong> Haushalts<strong>de</strong>fizit in Europa<br />
und hierzulan<strong>de</strong> alle an<strong>de</strong>ren politischen<br />
Ziele konterkariert?<br />
Straubhaar: Steuersenkungen, wie sie<br />
viele Politiker noch im Sommer propagierten,<br />
halte ich <strong>de</strong>rzeit nicht für<br />
sinnvoll. Sie wären das falsche Signal.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen geht es jetzt für alle darum,<br />
mit engeren Budgets klarzukommen.<br />
Dennoch bleibt <strong>de</strong>r Staat nach wie vor<br />
handlungsfähig genug, um seine wichtigsten<br />
Ziele wie Bildung o<strong>de</strong>r Arbeitsmarktreformen<br />
umsetzen zu können.<br />
Trotz aller Risiken sind Sie also vorsichtig<br />
optimistisch?<br />
Straubhaar: Richtig, <strong>de</strong>nn letztlich sind<br />
wir stark genug, um weitere Schocks<br />
zu verkraften, da wir uns weltweit eine<br />
gute Position erarbeitet haben und inzwischen<br />
auch besser wissen, mit Krisen<br />
umzugehen. Allerdings dürfen wir<br />
diese Stärke nicht als Selbstläufer betrachten:<br />
Um sie zu erhalten, brauchen<br />
wir weitere Reformen, vor allem auf<br />
<strong>de</strong>m Arbeitsmarkt.<br />
36 ProFirma 12 2011
www.bran<strong>de</strong>ins.<strong>de</strong> brand eins 13. Jahrgang Heft 12 Dezember 2011 7,60 Euro C 50777<br />
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Unternehmensführung – Strategie<br />
Das Unternehmen als Marke<br />
Verkehrte Arbeitswelt<br />
Früher suchte man als Mitarbeiter einen Job – heute mühen sich Unternehmen, um<br />
gute Jobkandidaten anzuziehen. Wer eine eigene Arbeitgebermarke aufbauen will, sollte<br />
auch das Internet nutzen, um im Kampf um die Talente zu bestehen. VON TIM COLE<br />
Viele Unternehmen rollen<br />
ihren Bewerbern – im übertragenen<br />
Sinn – inzwischen<br />
einen roten Teppich aus.<br />
Deutschland lei<strong>de</strong>t nicht an einer Jobkrise<br />
– son<strong>de</strong>rn an zweien! Die erste, verursacht<br />
durch ein immerhin schrumpfen<strong>de</strong>s<br />
Millionenheer an Arbeitslosen,<br />
macht regelmäßig die Run<strong>de</strong> durch die<br />
Medien, beschäftigt Talkmaster und<br />
Politiker. Die zweite fin<strong>de</strong>t mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger im Verborgenen statt, beschert<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft aber min<strong>de</strong>stens<br />
genauso viele Probleme.<br />
„Der Mittelstand hat Mühe, rund 40<br />
Prozent seiner offenen Stellen mit qualifiziertem<br />
Personal zu füllen“, behauptet<br />
Ina Ferber, Leiterin Personalmarketing<br />
und Social-Media-Recruiting beim Jobportal<br />
Monster.<strong>de</strong> in Hamburg (siehe<br />
Interview). So konstatierte <strong>de</strong>r Verein<br />
Deutscher Ingenieure (VDI) beispielsweise<br />
in einer Arbeitsmarktstudie: „Die<br />
Ingenieurlücke nimmt kräftig zu – im<br />
Jahr 2010 waren <strong>de</strong>utlich mehr offene<br />
Stellen als Arbeitslose zu verzeichnen.“<br />
Und laut <strong>de</strong>m Deutschen Industrie- und<br />
Han<strong>de</strong>lskammertag (DIHK) sind <strong>de</strong>rzeit<br />
40.000 Lehrstellen in Deutschland nicht<br />
besetzt.<br />
Vor diesem Hintergrund müssen sich<br />
Chefs und Personalleiter gera<strong>de</strong> in<br />
kleinen und mittleren Betrieben etwas<br />
einfallen lassen, <strong>de</strong>nn ihnen drohen<br />
Umsatzausfall und Gewinneinbrüche,<br />
wenn in ihren Betrieben die Arbeit<br />
mangels geeigneter Mitarbeiter liegen<br />
bleibt und Aufträge nicht erfüllt wer<strong>de</strong>n<br />
können.<br />
„Der Krieg um die knappe Zahl an<br />
Talenten ist längst in vollem Gang“,<br />
behauptet Lutz Altmann von <strong>de</strong>r Per-<br />
sonalberatung Humancaps in Kerpen.<br />
Gera<strong>de</strong> mittelständische Unternehmen<br />
müssten komplett um<strong>de</strong>nken: Statt in<br />
aller Ruhe unter einer Vielzahl von Bewerbern<br />
aussuchen zu können, sei man<br />
im Internet-Zeitalter gezwungen, <strong>de</strong>n<br />
umgekehrten Weg zu gehen und sich<br />
für Bewerber möglichst attraktiv darzustellen.<br />
Das Mittel dazu heißt „Employer<br />
Branding“ – <strong>de</strong>r Arbeitgeber als Marke.<br />
In seiner einfachsten Form be<strong>de</strong>utet das<br />
zunächst, einen Link zur Personalabteilung<br />
auf <strong>de</strong>r eigenen Homepage zu<br />
setzen o<strong>de</strong>r auf einem <strong>de</strong>r zahlreichen<br />
sozialen Netzwerke aufzutreten. Gera<strong>de</strong><br />
kleine Fertigungsunternehmen<br />
o<strong>de</strong>r Handwerksbetriebe tummeln sich<br />
dort bereits zu Tausen<strong>de</strong>n. Eine Suche<br />
auf Facebook nach „Schreinerei“ ergab<br />
mehrere 100 Einträge – von <strong>de</strong>r Schreinerei<br />
Asenkerschbaumer in Tittmoning<br />
bis zur Schreinerei Zeyer in Karlsbad.<br />
Ob Bäcker, Metzger, Schuster, ob Elektrofachbetrieb,<br />
Anlagenbauer o<strong>de</strong>r<br />
Maschinenschlosserei: Das sogenannte<br />
Social Web quillt gera<strong>de</strong>zu über vor<br />
Selbstdarstellungen kleiner und mittlerer<br />
Unternehmen auf <strong>de</strong>r Suche nach<br />
geeignetem Fachpersonal o<strong>de</strong>r Kandidaten<br />
für eine Lehrstelle.<br />
Es sei ja auch wichtig, vor allem junge<br />
Leute dort abzuholen, wo sie sich am<br />
liebsten aufhalten: auf Facebook, Twitter<br />
o<strong>de</strong>r in Vi<strong>de</strong>oportalen wie Youtube,<br />
sagt Carsten Franke, Vorstand <strong>de</strong>r Personalberatungsfirma<br />
Milch & Zucker<br />
Foto: WorkPerformance<br />
38 ProFirma 12 2011
„Es geht darum, herauszufin<strong>de</strong>n,<br />
welcher<br />
Bewerber zu welchem<br />
Arbeitsplatz passt.“<br />
TOBIAS ORTNER, WORKPERFORMANCE,<br />
INGOLSTADT<br />
AG in Bad Nauheim. Er selbst bezeichnet<br />
sich als Spezialisten für „eRecruiting“:<br />
„Web 2.0 als Mitmachmedium hat<br />
längst auch die Personalarbeit verän<strong>de</strong>rt.<br />
Die Hochqualifizierten bewegen sich<br />
heute nicht nur bei <strong>de</strong>r täglichen Arbeit,<br />
son<strong>de</strong>rn vor allem bei <strong>de</strong>r Jobsuche wie<br />
selbstverständlich im Internet. Daraus<br />
ergeben sich je<strong>de</strong> Menge Chancen, aber<br />
auch Risiken für Unternehmen.“<br />
Mittelständler brauchen<br />
keine teuren Kampagnen<br />
Konzerne wie Lufthansa, Siemens o<strong>de</strong>r<br />
Daimler putzen sich <strong>de</strong>shalb auch<br />
schon längst im Internet kräftig heraus<br />
in <strong>de</strong>r Hoffnung, Talente anzuziehen.<br />
Solche millionenschweren Kampagnen<br />
können sich Mittelständler nicht leisten<br />
– „und sie müssen es auch nicht“,<br />
glaubt Oliver Tuszik, Chef <strong>de</strong>s Kölner<br />
IT-Systemhauses Computacenter. Sein<br />
Dienstleistungsunternehmen mit rund<br />
4.000 Mitarbeitern in Deutschland legte<br />
im Jahr 2010, nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Finanzkrise,<br />
wie<strong>de</strong>r kräftig zu – aber <strong>de</strong>r<br />
Arbeitsmarkt war leer gefegt. „Außer<strong>de</strong>m<br />
gibt es Vorurteile gegen die IT-Berufe“,<br />
sagt Tuszik, „viele <strong>de</strong>nken immer<br />
noch an <strong>de</strong>n einsamen Entwickler, <strong>de</strong>r<br />
allein vor seinem Rechner sitzt und sich<br />
nur von Pizza ernährt.“ Der Unternehmer<br />
beschloss, etwas für <strong>de</strong>n Ruf <strong>de</strong>r<br />
Branche zu tun – und dabei natürlich<br />
auch für sich selbst.<br />
<strong>Als</strong> Erstes gab Computacenter eine<br />
Meinungsumfrage in Auftrag, aus <strong>de</strong>r<br />
hervorging, dass 80 Prozent aller ITler<br />
Spaß an ihrem Beruf haben. Dann zogen<br />
Firmenmitarbeiter mit <strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>okamera<br />
los und befragten Schüler und<br />
Stu<strong>de</strong>nten: „Was haltet Ihr vom IT-Beruf?“<br />
Die Filme wur<strong>de</strong>n auf einer eigenen<br />
Website („IT’s your future“) und auf<br />
Youtube zum Download freigeschaltet.<br />
Gleichzeitig wur<strong>de</strong> auf Facebook die<br />
Seite „Computacenter Karriere“ eingerichtet,<br />
auf <strong>de</strong>r es Stellenangebote,<br />
Kommentare und Erfahrungsberichte<br />
junger und älterer Mitarbeiter gibt. Auf<br />
einem eigenen Twitter-Kanal (@computacenterDE)<br />
stellen Computacenter-<br />
Mitarbeiter kurze Nachrichten ein zu<br />
Themen rund um IT-Lösungen, Cloud<br />
Computing und IT-Sicherheit. Und<br />
in einem firmeneigenen „Newsroom“<br />
wer<strong>de</strong>n Interna ausgetauscht („Computacenter<br />
begrüßt 20 Trainees“) und<br />
Podcasts zu aktuellen IT-Themen angeboten<br />
(„Handliche Anwendungen<br />
durchbrechen alte Barrieren“).<br />
Für Tuszik hat sich die Beschäftigung<br />
mit sozialen Medien „auf je<strong>de</strong>n Fall<br />
ausgezahlt“, wie er sagt: Innerhalb von<br />
drei Monaten hat sein Unternehmen<br />
mehr als 700 Facebook-Freun<strong>de</strong> hinzugewonnen,<br />
die durch Klicken auf <strong>de</strong>n<br />
„Like“-Knopf eine aktive Empfehlung<br />
an ihren Bekanntenkreis weitergegeben<br />
haben. Und auf Twitter gewann Computacenter<br />
500 „Follower“. „Wenn<br />
ONLINE-PRÜFUNG<br />
Mehr als die Hälfte aller <strong>de</strong>utschen Unternehmen<br />
schauen zuerst im Internet<br />
nach, bevor sie einen neuen Mitarbeiter<br />
anstellen. Das hat <strong>de</strong>r IT-Branchenverband<br />
Bitkom in einer aktuellen<br />
Umfrage festgestellt. „Je<strong>de</strong>r Bewerber<br />
sollte wissen, was über ihn im Internet<br />
steht, und darauf achten, was er selbst<br />
o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re über ihn im Web verbreiten“,<br />
rät Verbandschef Prof. Dieter<br />
Kempf. Er rät Jobsuchen<strong>de</strong>n, eine eigene<br />
Online-Präsenz aufzubauen und<br />
sie stets auf <strong>de</strong>m neuesten Stand zu<br />
halten, zum Beispiel in eher geschäftlich<br />
orientierten Netzwerken wie Xing<br />
o<strong>de</strong>r LinkedIn, beziehungsweise auf<br />
Job-Portalen wie Monster o<strong>de</strong>r Stepstone.<br />
Wo recherchieren Unternehmen<br />
über Bewerber?<br />
49 %<br />
Suchmaschinen<br />
Quelle: Bitkom 10/11<br />
21 %<br />
Business-<br />
Netzwerke (Xing,<br />
LinkedIn etc.)<br />
19 %<br />
Social Networks<br />
(Facebook,<br />
StudiVZ etc.)<br />
11 %<br />
An<strong>de</strong>re<br />
Quellen<br />
ProFirma 12 2011<br />
39
Unternehmensführung – Strategie<br />
INTERVIEW<br />
„Facebook allein reicht nicht“<br />
Ina Ferber, Leiterin Personalmarketing und Social-Media-Recruiting beim Jobportal<br />
Monster.<strong>de</strong>, über Markenbildung für mittelständische Unternehmen.<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE TIM COLE<br />
Frau Ferber, ist Employer Branding für<br />
Mittelständler ein probates Mittel im<br />
Kampf um Talente?<br />
Ferber: Ja, aber nur, wenn es als ein Prozess<br />
verstan<strong>de</strong>n wird, <strong>de</strong>r auch gelebt<br />
wird. Es geht nicht nur darum, ein paar<br />
Stellen zu besetzen. Eine Hochglanzbroschüre<br />
und eine Facebook-Seite reichen<br />
allein längst nicht aus.<br />
Wie soll man vorgehen?<br />
Ferber: In drei Schritten. Zunächst muss<br />
das Unternehmen eine Vision entwickeln<br />
und sich die Frage stellen: Wie wollen<br />
wir sein? Dann muss es diese Vision<br />
umsetzen, also sich fragen: Was müssen<br />
wir tun, um so zu wer<strong>de</strong>n, wie wir sein<br />
wollen? Und schließlich muss die neue<br />
Arbeitgebermarke richtig kommuniziert<br />
wer<strong>de</strong>n: Wie können wir zeigen, was wir<br />
sind? Vor allem aber muss es erkennen,<br />
dass Employer Branding kein Projekt ist,<br />
son<strong>de</strong>rn ein Prozess. Die Marke muss gelebt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Wie wichtig sind da Social Media und Web 2.0?<br />
Ferber: Sehr wichtig. Nur darf man nicht<br />
Social Media machen, ohne vorher seine<br />
Hausaufgaben im Web 1.0 gemacht zu haben.<br />
Das fängt bei <strong>de</strong>r Homepage an und<br />
hört beim Bewerbungsmanagement noch<br />
längst nicht auf. Wer sich beispielsweise<br />
weigert, Bewerbungen per E-Mail entgegenzunehmen,<br />
wird unter Umstän<strong>de</strong>n<br />
seine Zielgruppe verärgern, statt sich<br />
als Arbeitgeber attraktiv zu machen. Das<br />
gleiche gilt für zu langes Warten: Wenn<br />
Sie sich erst nach zwei o<strong>de</strong>r drei Wochen<br />
beim Bewerber mel<strong>de</strong>n, dann hat <strong>de</strong>r<br />
wahrscheinlich schon längst einen an<strong>de</strong>ren<br />
Job.<br />
Woran messen Sie <strong>de</strong>n Erfolg einer Employer-Branding-Kampagne?<br />
Ferber: Ziel einer erfolgreichen Kampagne<br />
ist es nicht, viele Bewerber zu<br />
produzieren, son<strong>de</strong>rn die richtigen.<br />
Haben Mittelständler überhaupt eine<br />
Chance gegen Großkonzerne, die Employer<br />
Branding im großen Stil und mit viel<br />
mehr Aufwand betreiben können?<br />
Ferber: Je besser die Mittelständler Employer<br />
Branding machen, <strong>de</strong>sto schwerer<br />
wer<strong>de</strong>n es die Konzerne haben.<br />
man be<strong>de</strong>nkt, dass selbst Konzerne sich<br />
schwertun, auf ein paar Hun<strong>de</strong>rt Follower<br />
zu kommen, ist das sagenhaft“,<br />
freut er sich.<br />
Personaler müssen um<strong>de</strong>nken<br />
„Im Kontext Social Media wer<strong>de</strong>n Recruitment,<br />
Personalmarketing sowie<br />
Employer Branding und HR-Communication<br />
noch enger zusammenwachsen“,<br />
behauptet Lutz Altmann von Humancaps.<br />
Dabei müssten vor allem die<br />
Mitarbeiter in <strong>de</strong>n Personalabteilungen<br />
um<strong>de</strong>nken. „Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage<br />
lautet: Gebe ich als Arbeitgeber <strong>de</strong>n<br />
Personalern die benötigten neuen Freiheiten<br />
bei <strong>de</strong>r Social-Media-Kommunikation<br />
o<strong>de</strong>r ziehe ich mich als Unternehmen<br />
in meine eigene Sandburg zurück?“<br />
Dass sich vielerorts mittelständische<br />
Unternehmen schwertun mit <strong>de</strong>r Markenbildung,<br />
liegt allerdings nicht nur<br />
an mangelhafter Flexibilität: Häufig<br />
fehlen auch einfach Mittel und Mitarbeiter<br />
dafür. Diese Marktlücke füllt<br />
beispielsweise <strong>de</strong>r Personaldienstleister<br />
WorkPerformance in Ingolstadt, <strong>de</strong>r<br />
sich vor allem auf kleine und mittlere<br />
Zulieferunternehmen in <strong>de</strong>r Autobranche<br />
spezialisiert hat und ihnen bei <strong>de</strong>r<br />
Talentsuche hilft – und das manchmal<br />
mit recht ausgefallenen Metho<strong>de</strong>n.<br />
„Interesse an einem Treffen an <strong>de</strong>r<br />
Motocross-Strecke? O<strong>de</strong>r bevorzugen<br />
Sie die mo<strong>de</strong>rne Kunst?“, fragt das Unternehmen<br />
auf seiner Facebook-Seite:<br />
„Um hohen und hoch spezialisierten<br />
Bedürfnissen zu genügen, beschreiten<br />
wir sogar ungewöhnliche Wege. Stu<strong>de</strong>nten,<br />
Absolventen, Berufsanfänger<br />
und Hochqualifizierte bitten wir zum<br />
außergewöhnlichen Vorstellungsgespräch.“<br />
„Es geht darum, herauszufin<strong>de</strong>n, wer<br />
zu welchem Arbeitsplatz passt“, sagt<br />
Geschäftsführer Tobias Ortner. Mit<br />
seinem kleinen 16-Mann-Team durchforstet<br />
er die Stellenbörsen und stellt<br />
Kontakte zu Universitäten dar, alles mit<br />
<strong>de</strong>m Ziel, Angebot und Nachfrage im<br />
automobilen Arbeitsmarkt zusammenzuführen.<br />
Ohnehin zählen im Employer Branding<br />
oft I<strong>de</strong>en und authentische Auftritte<br />
mehr als Computerhexerei und ein flotter<br />
Auftritt bei Facebook. Davon ist zum<br />
Beispiel Magdalena Münstermann aus<br />
Telgte überzeugt, die gemeinsam mit<br />
ihrem Mann Bernd einen im Jahr 1845<br />
Foto: privat<br />
40 ProFirma 12 2011
gegrün<strong>de</strong>ten Familienbetrieb führt, das<br />
Trocknungs- und Entstaubungsanlagen<br />
für Kun<strong>de</strong>n in aller Welt herstellt. „Unsere<br />
Marke ist Familienfreundlichkeit<br />
und Innovation“, behauptet sie. Und daran<br />
arbeitet sie kräftig und gezielt.<br />
Dass Familienleben und Arbeit harmonisch<br />
zueinan<strong>de</strong>rpassen, ist <strong>de</strong>r Chefin<br />
ein großes Anliegen, <strong>de</strong>nn „so etwas<br />
spricht sich schnell herum“. Bei <strong>de</strong>r<br />
Firma Münstermann nehmen sich auffallend<br />
viele Väter eine Kin<strong>de</strong>r-Auszeit.<br />
Magdalena Münstermann organisiert<br />
Tagesmütter sowie eine U3-Kin<strong>de</strong>rbetreuuung<br />
vor Ort. „Wenn es Krankheit<br />
o<strong>de</strong>r einen Pflegefall in <strong>de</strong>r Familie gibt,<br />
sind wir ganz flexibel“, erzählt sie.<br />
Die Chefin weiß, dass ihr Unternehmen<br />
im Gespräch bleiben muss, wenn sie<br />
mit attraktiveren Standorten wie Hamburg,<br />
Bremen, Ol<strong>de</strong>nburg o<strong>de</strong>r Münster<br />
mithalten will. Dazu hat sie das „Telgter<br />
Mo<strong>de</strong>ll“ aus <strong>de</strong>r Taufe gehoben, das<br />
Schulen und regionale Unternehmen<br />
zusammenbringt und mittlerweile auf<br />
<strong>de</strong>n ganzen Regierungsbezirk ausge<strong>de</strong>hnt<br />
wird.<br />
Vor allem aber, und darauf ist sie beson<strong>de</strong>rs<br />
stolz, erregt ihre Firma Aufmerksamkeit<br />
durch Leistung: Für eine neuartige<br />
Trocknungsanlage, die mo<strong>de</strong>rnste<br />
Kohlenfasertechnik nutzt, bekam<br />
Münstermann <strong>de</strong>n begehrten Seifriz-<br />
Innovationspreis <strong>de</strong>r Steinbeis-Stiftung.<br />
„Die Hälfte unserer 200 Mitarbeiter<br />
sind hoch qualifizierte Ingenieure“, sagt<br />
Magdalena Münstermann. „Da hilft ein<br />
solcher Preis natürlich, wenn wir uns<br />
als Arbeitgeber erfolgreich bei jungen<br />
Hochschulabgängern bewerben wollen.<br />
Bei uns gibt es je<strong>de</strong>nfalls keine Jobkrise<br />
– ganz im Gegenteil“<br />
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und Risiken für Unternehmen.<br />
ProFirma 12 2011
Unternehmensführung – Personalführung<br />
Mitarbeitergespräche<br />
Gute Noten, schlechte Noten<br />
Die Mitarbeiterbeurteilung ist eines <strong>de</strong>r wichtigsten Elemente <strong>de</strong>r Personalentwicklung.<br />
Angestrebt sind größtmögliche Fairness und Objektivität. Was ist bei <strong>de</strong>r Bewertung zu<br />
beachten, von <strong>de</strong>r inzwischen häufig auch Teile <strong>de</strong>s Gehalts abhängen? VON HENNING ZANDER<br />
Unternehmerisches Denken for<strong>de</strong>rt<br />
Jürgen Lorenz von seinen Mitarbeitern.<br />
Er ist Vorstand <strong>de</strong>r Conplement AG in<br />
Nürnberg, eines IT-Dienstleisters mit 44<br />
Mitarbeitern. Seine Mitarbeiter sind am<br />
Erfolg <strong>de</strong>s Unternehmens beteiligt. Auf<br />
diese Weise wur<strong>de</strong>n im vergangenen<br />
Jahr bei <strong>de</strong>r Conplement AG rund 30<br />
Prozent <strong>de</strong>s Gewinns vor Zinsen und<br />
Steuern unter <strong>de</strong>n Mitarbeitern ausgeschüttet.<br />
Die Erfolgsbeteiligung kann<br />
zwischen fünf und 20 Prozent betragen,<br />
bezogen auf das Einkommen. Je<br />
mehr Leistung <strong>de</strong>r einzelne Mitarbeiter<br />
bringt, <strong>de</strong>sto höher fällt sein flexibler<br />
Einkommensanteil aus.<br />
Ob Erfolgsbeteiligung o<strong>de</strong>r das Feedback<br />
im Jahresgespräch – immer wie<strong>de</strong>r<br />
müssen Führungskräfte die Arbeit ihrer<br />
Mitarbeiter bewerten. Nicht immer ist<br />
das einfach. Während in <strong>de</strong>r Produktion<br />
noch die Beurteilung nach Stückzahlen<br />
möglich ist, müssen bei Dienstleistungen<br />
an<strong>de</strong>re Kriterien herangezogen<br />
wer<strong>de</strong>n. Inwieweit kann man verschie<strong>de</strong>ne<br />
Jobs überhaupt vergleichen?<br />
Bei <strong>de</strong>r Conplement AG wer<strong>de</strong>n die Mitarbeiter<br />
gegen Jahresen<strong>de</strong> in Entwicklungsgesprächen<br />
an Vereinbarungen<br />
gemessen. Hier wer<strong>de</strong>n Entwicklungsmaßnahmen<br />
<strong>de</strong>finiert, sozusagen eine<br />
Roadmap mit Zielen und Zwischenzielen.<br />
„Diese Ziele sind sehr spezifisch,<br />
dabei kann es sich zum Beispiel um ein<br />
Zertifikat han<strong>de</strong>ln, das erworben wer<strong>de</strong>n<br />
muss, o<strong>de</strong>r um Vorträge, die vor <strong>de</strong>r<br />
Gruppe gehalten wer<strong>de</strong>n sollen“, sagt<br />
Lorenz. Wenn 100 Prozent <strong>de</strong>r Zielvorgaben<br />
erfüllt sind, wird <strong>de</strong>r maximale<br />
variable Gehaltsanteil erreicht.<br />
Projekte, Aufträge, Weiterbildungsmaßnahmen<br />
– <strong>de</strong>r Mitarbeiter trägt die<br />
Dokumentationspflicht über das, was er<br />
im ablaufen<strong>de</strong>n Jahr geleistet hat.<br />
Neben <strong>de</strong>m Entwicklungsgespräch und<br />
einem Gespräch zur Hälfte <strong>de</strong>s Jahres<br />
fin<strong>de</strong>n auch regelmäßig Einzelgespräche<br />
statt, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Mitarbeiter erfahren<br />
kann, wo er bei seiner Zielerreichung<br />
steht. <strong>Als</strong> Dienstleister legt die Conplement<br />
AG zu<strong>de</strong>m sehr viel Wert auf das<br />
Urteil <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n. „Einmal im Jahr fin<strong>de</strong>t<br />
hierzu eine Befragung statt. Wenn<br />
die Kun<strong>de</strong>nzufrie<strong>de</strong>nheit unter 80 Prozent<br />
liegt, dann fällt auch das variable<br />
Gehalt niedriger aus“, sagt Lorenz.<br />
Die Leistung verbessern<br />
Das Vereinbaren von Zielen und <strong>de</strong>ren<br />
Überprüfung ist einer von vielen Wegen,<br />
die Leistung <strong>de</strong>r Mitarbeiter zu messen<br />
und zu bewerten. Für Personalberater<br />
Michael Paschen, Geschäftsführer <strong>de</strong>r<br />
Profil M-Beratung in Wermelskirchen,<br />
muss eine Beurteilung vor allem folgen<strong>de</strong><br />
Elemente aufweisen: Sie muss die<br />
Entwicklungsfähigkeit <strong>de</strong>s Mitarbeiters<br />
aufgreifen, sie muss konkret sein, verstehbar<br />
und wertschätzend. „Die Mitarbeiter<br />
müssen verstehen, wo sie stehen“,<br />
sagt Paschen. Und was von ihnen er-<br />
Mitarbeiterjahresgespräche sind eine<br />
gute Gelegenheit, abseits <strong>de</strong>s Tagesgeschäfts<br />
eine Bestandsaufnahme<br />
zu machen und Ziele zu vereinbaren.<br />
42 ProFirma 12 2011
wartet wird. Das Beurteilungsgespräch<br />
kann so <strong>de</strong>r Startschuss für Aktivitäten<br />
wer<strong>de</strong>n, die Führungskraft und Mitarbeiter<br />
vereinbaren, um die Leistung <strong>de</strong>s<br />
Mitarbeiters zu verbessern.<br />
Auch bei Phoenix Contact, einem<br />
Elektronikhersteller aus Blomberg in<br />
Nordrhein-Westfalen mit rund 1.100<br />
Mitarbeitern in Deutschland, wer<strong>de</strong>n<br />
Zielvereinbarungen mit <strong>de</strong>n Mitarbeitern<br />
getroffen. Wie bei <strong>de</strong>r Conplement<br />
AG kann es sich auch hier um durchgeführte<br />
Projekte o<strong>de</strong>r um konkrete Weiterbildungsmaßnahmen<br />
han<strong>de</strong>ln. Eine<br />
leistungsbezogene Zulage richtet sich<br />
nach <strong>de</strong>m Erreichen <strong>de</strong>r Ziele.<br />
Dieses System steht neben <strong>de</strong>n im Tarifvertrag<br />
festgelegten leistungsbezogenen<br />
Komponenten. Standardisiert wird hier<br />
die Leistung nach Parametern wie <strong>de</strong>r<br />
Anwendung von Kenntnissen und Fähigkeiten,<br />
Teamarbeit o<strong>de</strong>r Arbeitseinsatz<br />
bewertet. Insgesamt fließen 16<br />
verschie<strong>de</strong>ne Aspekte in die Bewertung<br />
auf einer Skala von 1 bis 8 ein. Die Führungskräfte<br />
nehmen sich bei <strong>de</strong>r Bewertung<br />
zunächst einen Mitarbeiter als<br />
Maß, <strong>de</strong>r aus ihrer Sicht das jeweilige<br />
Stellenbild zu 100 Prozent erfüllt und<br />
so bei <strong>de</strong>r Bewertung eine 4 erhält. Neben<br />
diesen Mitarbeiter platzieren sie die<br />
an<strong>de</strong>ren vergleichbaren Mitarbeiter, die<br />
mehr o<strong>de</strong>r weniger Leistung erbringen,<br />
und erstellen somit ein Ranking.<br />
Doch die angestrebte Objektivität <strong>de</strong>s<br />
Bewertungsverfahrens funktioniert<br />
nicht immer. „Es kann Beurteilungsfehler<br />
geben“, sagt Ines Ludwig, Leiterin<br />
Personalmanagement, Recruiting und<br />
Consulting bei Phoenix Contact. „Eine<br />
mögliche Fehlerquelle ist die Gefahr,<br />
dass eine Führungskraft Konflikten aus<br />
<strong>de</strong>m Weg gehen will und <strong>de</strong>shalb ten<strong>de</strong>nziell<br />
besser bewertet als <strong>de</strong>r Durchschnitt.“<br />
Eine weitere Fehlerquelle:<br />
Höhere Entgeltgruppen wer<strong>de</strong>n ten<strong>de</strong>nziell<br />
besser beurteilt als niedrigere.<br />
„Um dies zu vermei<strong>de</strong>n, bekommen die<br />
Führungskräfte spezielle Schulungen“,<br />
sagt Ines Ludwig. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> ein Bewertungslexikon<br />
erarbeitet, in <strong>de</strong>m Beispiele<br />
für gute und schlechte Leistung<br />
benannt sind und die Kriterien auf die<br />
Arbeitsbereiche übersetzt wer<strong>de</strong>n. Diese<br />
können im Labor an<strong>de</strong>rs interpretiert<br />
wer<strong>de</strong>n als in <strong>de</strong>r Produktion.<br />
Einheitlichkeit ist nicht sinnvoll<br />
Ziel <strong>de</strong>s Systems ist es, die Mitarbeiter<br />
fair und gerecht zu beurteilen. Doch Beurteilungssysteme,<br />
die für alle Mitarbeiter<br />
eines Unternehmens gelten, stoßen<br />
auch auf Kritik. Für Winfried Berner,<br />
Unternehmensberater und Inhaber <strong>de</strong>r<br />
Umsetzungsberatung aus Mitterfels in<br />
Bayern, ist die Vergleichbarkeit für alle<br />
Mitarbeiter nach einem einheitlichen<br />
Maßstab nicht immer sinnvoll. Schließlich<br />
schaffe man die Vergleichbarkeit<br />
nur, in<strong>de</strong>m das Wesentliche bei <strong>de</strong>r<br />
Ausübung <strong>de</strong>r jeweiligen Stelle weggelassen<br />
wer<strong>de</strong>. Für Winfried Berner bergen<br />
Bewertungssysteme zu<strong>de</strong>m immer<br />
auch die Gefahr einer Fehlsteuerung.<br />
„Die Mitarbeiter richten ihre Leistung<br />
natürlich danach aus, an welchen Maßstäben<br />
sie gemessen wer<strong>de</strong>n. Doch<br />
TYPISCHE BEWERTUNGSFEHLER<br />
HALO-EFFEKT<br />
Ein positiver o<strong>de</strong>r negativer Eindruck <strong>de</strong>s<br />
Mitarbeiters überstrahlt alle an<strong>de</strong>ren Aspekte.<br />
Dies kann zum Beispiel <strong>de</strong>r soziale<br />
Status, das Aussehen o<strong>de</strong>r einfach nur eine<br />
beson<strong>de</strong>re Verhaltensweise sein. Dieser<br />
Effekt wird noch verstärkt, wenn <strong>de</strong>r Beurteiler<br />
auf eine bestimmte Verhaltensweise<br />
o<strong>de</strong>r ein Merkmal beson<strong>de</strong>rs Wert legt.<br />
EGOZENTRIEFEHLER<br />
Der Beurteiler macht sich selbst zum<br />
Maßstab für die Erfüllung <strong>de</strong>r Aufgaben.<br />
Was er leisten kann, das verlangt er auch<br />
von seinem Mitarbeiter, unabhängig von<br />
<strong>de</strong>ssen Position und Aufgabe im Unternehmen.<br />
ANDORRA-PHÄNOMEN<br />
Der Mitarbeiter passt sich <strong>de</strong>r Rolle an,<br />
die ein Vorgesetzter von ihm erwartet.<br />
Wenn er etwa <strong>de</strong>nkt, dass sein Vorgesetzter<br />
eine schlechte Meinung über ihn hat,<br />
dann passt er seine Leistung nach unten<br />
an. Der Vorgesetzte wie<strong>de</strong>rum sieht sich<br />
dadurch in seinen Ansichten bestätigt.<br />
TENDENZ ZUR MITTE<br />
Ist <strong>de</strong>r Beurteiler ängstlich o<strong>de</strong>r unentschlossen,<br />
wählt er bei <strong>de</strong>n Beurteilungen<br />
eher mittlere Werte. Ein Grund hierfür ist<br />
häufig ein Mangel an Informationen über<br />
<strong>de</strong>n zu Beurteilen<strong>de</strong>n. Leistungsstarke<br />
Mitarbeiter wer<strong>de</strong>n dadurch eher ab-, leistungsschwache<br />
Mitarbeiter aufgewertet.<br />
360-GRAD-FEEDBACK<br />
Viele Fehlerquellen können durch ein<br />
360-Grad-Feedback umgangen wer<strong>de</strong>n.<br />
Neben <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Führungskraft<br />
fließt auch die Selbstbeurteilung <strong>de</strong>s Mitarbeiters<br />
mit ein. Auch Kun<strong>de</strong>n, Kollegen<br />
und Mitarbeiter wer<strong>de</strong>n befragt. Dadurch<br />
kann eine objektivere Beurteilung erreicht<br />
wer<strong>de</strong>n, die ein realistisches Bild<br />
wie<strong>de</strong>rgibt – und nicht das vorgefertigte<br />
aus <strong>de</strong>m Kopf <strong>de</strong>s Vorgesetzten.<br />
ProFirma 12 2011<br />
43
Unternehmensführung – Personalführung<br />
CHECKLISTE<br />
JAHRESGESPRÄCH<br />
FRÜHZEITIGE TERMINIERUNG<br />
Der Mitarbeiter sollte früh genug<br />
erfahren, wann das Jahresgespräch<br />
stattfin<strong>de</strong>t, damit er sich gut darauf<br />
vorbereiten kann. Er sollte schon über<br />
die zu besprechen<strong>de</strong>n Themen informiert<br />
sein. Zu<strong>de</strong>m kann er aufgefor<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n, entsprechen<strong>de</strong> Fragen<br />
und Ziele für <strong>de</strong>n Termin zu formulieren.<br />
GUTE VORBEREITUNG<br />
Anhand <strong>de</strong>s Protokolls <strong>de</strong>s vorigen<br />
Gesprächs sollte sich die Führungskraft<br />
noch einmal bewusst machen,<br />
was eigentlich im vergangenen Jahr<br />
vom Mitarbeiter erwartet wor<strong>de</strong>n war.<br />
Es sollte geprüft wer<strong>de</strong>n, ob diese<br />
Ziele erreicht wor<strong>de</strong>n sind. Wenn<br />
nicht, woran lag es? Was muss getan<br />
wer<strong>de</strong>n, damit <strong>de</strong>r Mitarbeiter seine<br />
Ziele besser erreicht?<br />
BESTANDSAUFNAHME<br />
DER AKTUELLEN SITUATION<br />
Im Gespräch wer<strong>de</strong>n das ablaufen<strong>de</strong><br />
Jahr und die aktuelle Situation <strong>de</strong>s<br />
Mitarbeiters erörtert. Der Mitarbeiter<br />
sollte die Chance haben, sich zu allen<br />
Punkten zu äußern. Keinesfalls sollte<br />
die Führungskraft das Jahresgespräch<br />
zur Generalabrechnung über vergangenes<br />
Fehlverhalten nutzen.<br />
ZIELE FORMULIEREN<br />
Mit <strong>de</strong>m Mitarbeiter sollten Ziele für<br />
das kommen<strong>de</strong> Jahr vereinbart wer<strong>de</strong>n.<br />
Wichtig ist, dass diese sich klar<br />
und messbar <strong>de</strong>finieren lassen. Sie<br />
sollten Handlungsspielräume lassen<br />
und für <strong>de</strong>n Mitarbeiter auch umsetzbar<br />
sein.<br />
DOKUMENTATION DER<br />
ERGEBNISSE<br />
Es sollte ein Gesprächsprotokoll ausgearbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n, damit die Ergebnisse<br />
auch später noch nachvollziehbar<br />
sind.<br />
„Will eine Führungskraft Konflikten aus <strong>de</strong>m Weg<br />
gehen, bewertet sie oft besser als <strong>de</strong>r Durchschnitt.“<br />
INES LUDIG, PHOENIX CONTACT, BLOMBERG<br />
was ist, wenn diese Maßstäbe gar nicht<br />
das sind, was eigentlich erreicht wer<strong>de</strong>n<br />
sollte?“, fragt Berner.<br />
Die Alternative liegt aus seiner Sicht darin,<br />
eine klare Orientierung zu bieten.<br />
Anhand konkreter Aufgaben ist für die<br />
jeweilige Funktion klar zu sagen, was die<br />
Führungskraft erwartet. „Es ist eine primäre<br />
Führungsaufgabe, zu <strong>de</strong>finieren,<br />
was ich von meinen Mitarbeitern will,<br />
wofür sie eigentlich bezahlt wer<strong>de</strong>n“,<br />
sagt Berner. „Wenn mir das selbst nicht<br />
klar ist, kann ich auch keine Orientierung<br />
bieten.“ Berner sieht auch Nutzen<br />
in einem Beurteilungssystem. Der liege<br />
darin, dass man sich im Jahresrhythmus<br />
unabhängig vom situationsbezogenen<br />
Feedback zusammensetze und eine Gesamtbilanz<br />
ziehe. Dabei sollten auch die<br />
nächsten Entwicklungsschritte für <strong>de</strong>n<br />
Einzelnen <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Machen es standardisierte Verfahren,<br />
die versuchen, Leistungen in Zahlen<br />
auszudrücken, <strong>de</strong>r Führungskraft zu<br />
einfach? Sollte Bewertung nicht immer<br />
im Dialog zwischen Führungskraft und<br />
Mitarbeiter stattfin<strong>de</strong>n? Personalberater<br />
Michael Paschen sieht <strong>de</strong>n Nutzen von<br />
Skalensystemen jedoch eher als Hilfsmittel,<br />
um konkrete Anfor<strong>de</strong>rungen zu<br />
<strong>de</strong>finieren. „Man muss <strong>de</strong>m Mitarbeiter<br />
gegenüber begrün<strong>de</strong>n können, wie er es<br />
schaffen kann, etwa von einem Doppel-<br />
Minus auf ein Doppel-Plus zu kommen“,<br />
sagt Paschen. Doch sobald ein<br />
System zu undurchsichtig, es methodisch<br />
aufgeblasen wird, sieht <strong>de</strong>r Personalberater<br />
Schwierigkeiten. „Dann geht<br />
es nicht mehr darum, was <strong>de</strong>r Mitarbeiter<br />
tun kann, besser zu wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
warum es anstatt einer 4,5 eine 3,5 in<br />
<strong>de</strong>r Bewertung gegeben hat.“ Die Gerechtigkeits<strong>de</strong>batte,<br />
die man eigentlich<br />
vermei<strong>de</strong>n wollte, kommt dann erst<br />
richtig in Schwung.<br />
Doch die Schwierigkeit liegt nach Meinung<br />
von Unternehmensberater Winfried<br />
Berner noch woan<strong>de</strong>rs. „In vielen<br />
Fällen wer<strong>de</strong>n Beurteilungssysteme gar<br />
nicht richtig ernst genommen.“ In diesen<br />
Fällen wür<strong>de</strong>n Bögen von <strong>de</strong>r Personalabteilung<br />
verschickt, die nur lustlos<br />
und nach Anmahnung ausgefüllt wür<strong>de</strong>n.<br />
Zurück in <strong>de</strong>r Personalabteilung,<br />
kämen sie dann in die Ablage. „So etwas<br />
hat natürlich keinerlei Steuerungswirkung“,<br />
kritisiert <strong>de</strong>r Unternehmensberater.<br />
Nur wo das Beurteilungssystem<br />
ernst genommen wer<strong>de</strong>, könne es auch<br />
eine Orientierungshilfe bieten.<br />
Foto: privat<br />
44 ProFirma 12 2011
Kolumne<br />
Quer<strong>de</strong>nker<br />
Martin Beck Der Unternehmensberater<br />
ist Großhan<strong>de</strong>lskaufmann, Diplom-<br />
Betriebswirt (FH) und Honorarprofessor<br />
an <strong>de</strong>r Hochschule Nürtingen.<br />
www.prof-beck.net<br />
Per Anruf Kun<strong>de</strong>n verlieren<br />
Von Professor Martin Beck<br />
Es gab einmal eine Zeit, in <strong>de</strong>r Begriffe, die mit „Call“ begannen,<br />
nichts für höhere Töchter und für seriöse Kaufleute waren.<br />
Anständige Menschen kamen – je<strong>de</strong>nfalls offiziell – nicht mit<br />
diesen Welten in Kontakt. Das hat sich dramatisch geän<strong>de</strong>rt.<br />
„Call“ ist heute überall. An vielen Stellen hat „Call“ <strong>de</strong>n Kontakt<br />
zum realen Menschen ersetzt. Der Bankberater, <strong>de</strong>r früher<br />
seine Kun<strong>de</strong>n über Jahre begleitete, ist durch Automaten<br />
und Call-Center ersetzt. Die Versicherungsagentur ist auf eine<br />
Verkaufsveranstaltung mit Verkaufsdruck geschrumpft, und<br />
<strong>de</strong>r Versicherungskun<strong>de</strong> muss sich mit einem anonymen<br />
Call-Center herumschlagen, um seinen komplizierten Versicherungsfall<br />
sachgerecht und lösungsorientiert bearbeitet zu<br />
bekommen. Und die Kommunikationsunternehmen, <strong>de</strong>ren<br />
Job eigentlich das Zusammenbringen von Menschen wäre,<br />
halten sich <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n per Call-Center möglichst weit vom<br />
Leibe, wovon <strong>de</strong>r Autor aus praktischer Anschauung ein Liedchen<br />
singen kann.<br />
Es ist merkwürdig, wie wenig kun<strong>de</strong>norientiert die Mehrzahl<br />
<strong>de</strong>r Call-Center ist. Es gibt keine persönlichen Vertrauenskontakte<br />
mehr, im Ernstfall ist keiner zuständig, schwierige Fälle<br />
wer<strong>de</strong>n weiter- o<strong>de</strong>r herumgereicht. Die Dokumentation<br />
<strong>de</strong>r Gespräche ist mehr als lückenhaft o<strong>de</strong>r fehlt gleich ganz,<br />
sodass <strong>de</strong>r Anrufer, <strong>de</strong>r dann eher ein Bittsteller ist, je<strong>de</strong>m<br />
neuen Telefonpartner seine Lebens- und Lei<strong>de</strong>nsgeschichte<br />
erneut schil<strong>de</strong>rn muss und dabei nicht sicher sein kann, ob<br />
sie sprachlich verstan<strong>de</strong>n, fachlich aufgenommen und korrekt<br />
dokumentiert wird. Und allzu oft muss sich <strong>de</strong>r Anrufer,<br />
immerhin <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n ganzen La<strong>de</strong>n finanziert, Belehrungen<br />
von offensichtlich unkundigem Personal anhören.<br />
Spöttisch gesagt: Viele Anrufe sind eine Art Schnellfortbildung<br />
für die Mitarbeiterschaft <strong>de</strong>s Call-Centers – auf Kosten<br />
<strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n und vielleicht zum Vorteil <strong>de</strong>s nächsten Anrufers.<br />
Man mag nur schwer glauben, dass diese Form von organisierter<br />
und technisierter Kun<strong>de</strong>nabfertigung, die weit hinter <strong>de</strong>m<br />
Niveau <strong>de</strong>s guten, alten Mitarbeiters am Schalter zurückliegt,<br />
ein Fortschritt für die Dienstleistungsgesellschaft sein soll.<br />
Die meisten Call-Center legen sich wie ein tiefer Graben o<strong>de</strong>r<br />
wie ein abwehren<strong>de</strong>r Drache zwischen <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n<br />
Lieferanten. Man könnte sie auch als Organisationen zur Verhin<strong>de</strong>rung<br />
von persönlichen Kontakten bezeichnen. Nur <strong>de</strong>r<br />
Vollständigkeit halber sei gesagt: Es gibt auch Call-Center, die<br />
funktionieren, weil dort gut geschulte Mitarbeiter gut informiert<br />
sind und freundlich und lösungsorientiert auftreten.<br />
Das zeigt: Eigentlich kann es gar nicht so schwer sein, einige<br />
Grundregeln zu beachten und <strong>de</strong>n Call-Center-Mitarbeitern<br />
pädagogisch nahezubringen. <strong>Als</strong> Anrufer und Kun<strong>de</strong> darf ich<br />
erwarten:<br />
> die sofortige Dokumentation <strong>de</strong>s Besprochenen, insbeson<strong>de</strong>re<br />
<strong>de</strong>r getroffenen Zusagen und Vereinbarungen;<br />
> rasche Erreichbarkeit eines entscheidungsberechtigten Vorgesetzten,<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n in allen schwierigeren Fällen zumin<strong>de</strong>st<br />
ein Gefühl von Betreuung und Respekt vermittelt;<br />
> die zügige Benennung eines Erst-Ansprechpartners (sozusagen<br />
eines Fallmanagers), <strong>de</strong>r in einem schwierigeren Fall<br />
<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n bis zur Lösung <strong>de</strong>s Problems begleitet.<br />
Für die Call-Center-Branche müsste es eine Ehrensache sein,<br />
<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n wirklich zu bedienen, statt ihn wie eine heiße<br />
Kartoffel (die in diesem Falle aber häufig heißer und nicht<br />
kühler wird) von Anonymus zu Anonymus weiterzureichen.<br />
Sonst braucht sie sich nicht zu wun<strong>de</strong>rn, wenn ihre Kun<strong>de</strong>n<br />
im Schutz <strong>de</strong>r Anonymität von Bank zu Bank o<strong>de</strong>r von einem<br />
Kommunikationsunternehmen zum nächsten hüpfen wie<br />
<strong>de</strong>r Schmetterling von Blüte zu Blüte. Ein schlecht funktionieren<strong>de</strong>r<br />
Kun<strong>de</strong>nkontakt ist sozusagen eine Einladung zur<br />
geschäftlichen Untreue. Dabei gibt es nichts Ökonomischeres<br />
als einen treuen Kun<strong>de</strong>n.<br />
ProFirma 12 2011<br />
45
Unternehmensführung<br />
Betriebsratsvergütung<br />
RECHT<br />
Ein Marsch durch ein Minenfeld<br />
Bei <strong>de</strong>r Vergütung für Betriebsräte steckt <strong>de</strong>r Unternehmer in <strong>de</strong>r Zwickmühle:<br />
Er darf sie gegenüber normalen Arbeitnehmern we<strong>de</strong>r bevor- noch benachteiligen,<br />
aber auch nicht für ihre Tätigkeit bezahlen. VON BERND WELLER<br />
Nach <strong>de</strong>m Gesetz gelten zwei eiserne<br />
(und strafbewehrte) Grundsätze für die<br />
Betriebsratsvergütung: Zum einen dürfen<br />
Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>r wegen ihres<br />
Amtes nicht gegenüber normalen Arbeitnehmern<br />
bevorzugt o<strong>de</strong>r benachteiligt<br />
wer<strong>de</strong>n. Zum an<strong>de</strong>ren dürfen sie<br />
keine Vergütung für ihre Betriebsratstätigkeit<br />
erhalten.<br />
Diese Aufgabe ist bei <strong>de</strong>r Grundvergütung<br />
in aller Regel noch zu meistern.<br />
Hier gibt es schließlich Tarif- o<strong>de</strong>r Entgeltsysteme,<br />
die einen objektiven Rahmen<br />
bieten. Weitaus herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r<br />
sind variable Vergütungsbestandteile,<br />
sofern diese nicht einfach nur an <strong>de</strong>n<br />
Unternehmenserfolg anknüpfen, son<strong>de</strong>rn<br />
auch eine persönliche Leistungskomponente<br />
beinhalten. Schon bei<br />
„normalen“ Arbeitnehmern ist die objektiv<br />
nachvollziehbare und gerechte<br />
Bewertung und Vergütung schwierig;<br />
bei Betriebsräten gerät sie zum Marsch<br />
durch ein Minenfeld.<br />
Vollzeit-Betriebsräte problemlos<br />
Überraschen<strong>de</strong>rweise sind nicht die<br />
„Vollzeit-Betriebsräte“ die problematischen<br />
Fälle. Bei Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>rn,<br />
die von <strong>de</strong>r Pflicht zu Erbringung<br />
ihrer Arbeitsleistung vollständig<br />
freigestellt sind, kann <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
Ein Betriebsratsmitglied sollte vom Unternehmer dazu angehalten wer<strong>de</strong>n, die Dauer<br />
und <strong>de</strong>n Anlass seiner Tätigkeiten in dieser Eigenschaft schriftlich zu dokumentieren.<br />
schließlich erst gar nicht in die Versuchung<br />
kommen, falsche Ziele zu setzen<br />
o<strong>de</strong>r eine mangelhafte Zielereichung<br />
zu bewerten. Bei <strong>de</strong>r variablen Vergütung<br />
von vollständig freigestellten Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>rn<br />
ist vielmehr wie<br />
bei <strong>de</strong>ren Grundvergütung vorzugehen.<br />
Nach<strong>de</strong>m ein (zahlenmäßig möglichst<br />
großer) Kreis von vergleichbaren Arbeitnehmern<br />
bestimmt wur<strong>de</strong>, erhält<br />
das freigestellte Betriebsratsmitglied<br />
einfach <strong>de</strong>n Durchschnitt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Medianwert<br />
<strong>de</strong>r variablen Vergütung seiner<br />
Vergleichsgruppe.<br />
Deutlich komplexer gestaltet sich die<br />
variable Vergütung von nicht o<strong>de</strong>r nur<br />
teilweise freigestellten Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>rn.<br />
Diese haben noch Arbeitsleistung<br />
zu erbringen. Von ihnen muss (sie<br />
dürfen ja nicht schlechter o<strong>de</strong>r besser<br />
46 ProFirma 12 2011
als an<strong>de</strong>re Arbeitnehmer behan<strong>de</strong>lt<br />
wer<strong>de</strong>n) ebenfalls persönliche Leistung<br />
erwartet wer<strong>de</strong>n, und ihnen können<br />
daher auch persönliche Ziele gesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass diese<br />
Ziele nicht im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r<br />
Betriebsratstätigkeit stehen dürfen, zum<br />
Beispiel <strong>de</strong>r Abschluss einer Betriebsvereinbarung.<br />
Das wäre dann nämlich<br />
die Vergütung von Betriebsratstätigkeit.<br />
Diese ist aber gesetzlich verboten.<br />
Zielerreichung variieren<br />
Bei <strong>de</strong>n Zielen muss berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n, dass ein Betriebsratsmitglied<br />
nicht (annähernd) im gleichen zeitlichen<br />
Rahmen seiner Arbeitspflicht<br />
nachkommt wie ein normaler Arbeitnehmer.<br />
Die Teilnahme an Betriebsratssitzungen<br />
und an<strong>de</strong>ren Pflichtaufgaben<br />
konsumiert Zeit. Zeit, in <strong>de</strong>r das<br />
Betriebsratsmitglied nicht an seiner<br />
Zielerreichung arbeiten kann. Wür<strong>de</strong><br />
man einem Betriebsratsmitglied dieselben<br />
Ziele wie einem normalen Arbeitnehmer<br />
setzen, dann wür<strong>de</strong> man ihn<br />
gegenüber <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Arbeitnehmern<br />
schlechter stellen. Er hätte dann in kürzerer<br />
Zeit nämlich proportional mehr<br />
zu erledigen.<br />
Wobei gilt, dass <strong>de</strong>r Arbeitgeber selbstverständlich<br />
dazu berechtigt ist, <strong>de</strong>n<br />
Betriebsrat dazu zu verpflichten, sich<br />
ab- und wie<strong>de</strong>r anzumel<strong>de</strong>n, wenn er<br />
seine normale Tätigkeit unterbricht<br />
und Betriebsratstätigkeiten ausübt. Dies<br />
ist keinesfalls eine böswillige Schikane;<br />
letztlich dient dies <strong>de</strong>n ureigensten Interessen<br />
<strong>de</strong>s Betriebsratsmitglieds selbst.<br />
Aus diesem Umstand heraus ergibt<br />
sich <strong>de</strong>mnach ebenfalls das Recht <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers, die Zeiten, in <strong>de</strong>nen das<br />
Betriebsratsmitglied nicht arbeitet,<br />
son<strong>de</strong>rn seiner Betriebsratstätigkeit<br />
nachkommt, dauerhaft zu erfassen, zu<br />
kumulieren und zu speichern.<br />
Im Ergebnis muss also <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vorgesetzte bei <strong>de</strong>r Zielsetzung<br />
zunächst überlegen, welche Ziele<br />
er <strong>de</strong>m Betriebsratsmitglied unter Beachtung<br />
<strong>de</strong>ssen verringerter Arbeitszeit<br />
setzen kann. Bei <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>r<br />
Zielerreichung wie<strong>de</strong>rum sollte er dann<br />
nochmals mit <strong>de</strong>n aufgelaufenen Be-<br />
triebsratszeiten abgleichen, ob sich die<br />
Perspektiventscheidung vom Jahresanfang<br />
im Nachhinein als zugunsten <strong>de</strong>s<br />
Betriebsratsmitglieds überhöht o<strong>de</strong>r<br />
aber zu gering darstellt. Beson<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong><br />
wie Restrukturierungen können<br />
schließlich erhebliche Zeiten bei Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>rn<br />
blocken.<br />
Statistikbeweis hilft<br />
So mancher Personalleiter mag sich<br />
fragen, ob <strong>de</strong>r Aufwand gerechtfertigt<br />
ist und ob er die Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>r<br />
nicht dazu „ermuntert“, sich lieber häufiger<br />
abzumel<strong>de</strong>n, um damit geringere<br />
Zielvorgaben zu haben. Im gewissen<br />
Umfang mag diese Sorge berechtigt<br />
sein. Der Arbeitgeber vergisst dabei<br />
aber sein Recht und seine Pflicht, in je<strong>de</strong>m<br />
Abmel<strong>de</strong>fall und in <strong>de</strong>r Summe<br />
zu prüfen, ob das Betriebsratsmitglied<br />
tatsächlich Betriebsratstätigkeit geleistet<br />
hat. Darüber hinaus kann sich <strong>de</strong>r<br />
Personalleiter insoweit auch <strong>de</strong>s sozialen<br />
Drucks <strong>de</strong>r betrieblichen Kollegen<br />
gewiss sein.<br />
Am En<strong>de</strong> darf <strong>de</strong>r Personalleiter nicht<br />
vergessen, wie viel Sicherheit er im Umgang<br />
mit Betriebsräten durch eine solche<br />
Maßnahme gewinnt. Statt wie üblich<br />
lamentieren zu müssen, dass man<br />
<strong>de</strong>m Betriebsratsmitglied, von <strong>de</strong>m man<br />
später noch eine positive Entscheidung<br />
(Einstellung, Betriebsvereinbarung u.a.)<br />
wünscht, in unschönen Gehaltsverhandlungen<br />
gegenübersteht und nur<br />
unzureichen<strong>de</strong> objektive Argumente<br />
hat, erleichtern die nachvollziehbaren<br />
Argumente eines solchen Statistikbeweises<br />
diese Aufgabe menschlich wie<br />
rechtlich ungemein.<br />
Nicht ganz vergessen sollte <strong>de</strong>r Personalleiter<br />
dabei auch, dass ihm die Dokumentation<br />
– wie in vielen an<strong>de</strong>ren<br />
Compliance-Bereichen auch – dabei<br />
hilft, gegenüber <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Geschäftsführung nachzuweisen,<br />
welche Entscheidung er aus welchen<br />
Grün<strong>de</strong>n getroffen hat.<br />
Der Autor: Bernd Weller, Rechtsanwalt und<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, Heuking<br />
Kühn Lüer Wojtek, Frankfurt am Main<br />
Urteils-Ticker<br />
WEIHNACHTSGELD DARF NICHT<br />
EINSEITIG GESTRICHEN WERDEN<br />
Ein Arbeitgeber darf das über Jahre<br />
hinweg gezahlte Weihnachtsgeld<br />
nicht einfach streichen, entschied das<br />
Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht (LAG) Rheinland-<br />
Pfalz. Das gelte auch dann, wenn bei<br />
<strong>de</strong>r letzten Zahlung darauf hingewiesen<br />
wur<strong>de</strong>, das die Auszahlung freiwillig<br />
erfolgt. Über die Jahre sei eine betriebliche<br />
Übung entstan<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber nicht ohne Einwilligung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers kassieren könne<br />
An<strong>de</strong>rs ist es, wenn die Freiwilligkeit<br />
<strong>de</strong>r Zahlung bereits im Arbeitsvertrag<br />
festgehalten wur<strong>de</strong>.<br />
INFO: LAG Rheinland-Pfalz,<br />
Az. 5 Sa 604/10<br />
GRÜNDUNGSZUSCHUSS<br />
AUCH IM AUSLAND<br />
Ein <strong>de</strong>utscher Arbeitsloser, <strong>de</strong>r sich<br />
selbstständig macht, hat auch im Ausland<br />
Anspruch auf <strong>de</strong>n Gründungszuschuss<br />
entschied das hessische Lan<strong>de</strong>ssozialgericht<br />
(LSG) und verurteilte<br />
die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit zur<br />
Zahlung. Im Gesetz sei ausdrücklich<br />
geregelt, dass auch eine Beschäftigungsaufnahme<br />
in <strong>de</strong>r EU geför<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n könne. Geklagt hatte ein<br />
Diplom-Betriebswirt, <strong>de</strong>r in Österreich<br />
eine Pizzeria übernommen hatte.<br />
INFO: LSG Hessen,<br />
Az. AZ l 7 AL 104/09<br />
IMPRESSUMSPFLICHT<br />
BEI FACEBOOK<br />
Wenn ein Unternehmen bei Facebook<br />
eine Seite zu Marketingzwecken betreibt,<br />
muss diese ein ein<strong>de</strong>utiges<br />
Impressum aufweisen, urteilte das<br />
Landgericht (LG) Aschaffenburg. Dazu<br />
reiche es nicht, wenn auf <strong>de</strong>r Seite<br />
Anschrift, Telefonnummer und ein<br />
Link auf die Website <strong>de</strong>s Unternehmens<br />
aufgeführt seien.<br />
INFO: LG Aschaffenburg,<br />
Az. 2 HK O 54/11<br />
ProFirma 12 2011<br />
47
Finanzen & Steuern<br />
FINANZTRENDS<br />
Studie zur Finanzstärke<br />
Familienunternehmen lassen nichts anbrennen<br />
Die <strong>de</strong>utschen Familienunternehmen<br />
verfügen über eine außergewöhnlich<br />
große Finanzkraft. Auch nach <strong>de</strong>r Finanz-<br />
und Wirtschaftskrise stehen sie<br />
finanziell und wirtschaftlich besser da<br />
als <strong>de</strong>r Gesamtdurchschnitt <strong>de</strong>r Unternehmen<br />
in Deutschland. Dies zeigt eine<br />
Untersuchung <strong>de</strong>r 500 umsatzstärksten<br />
Familienunternehmen, <strong>de</strong>ren Ergebnisse<br />
die Wirtschaftsauskunftei Bürgel<br />
und die Beratungs- und Prüfungsgesellschaft<br />
Rödl & Partner jetzt vorlegten.<br />
„Bei <strong>de</strong>n wichtigsten Erfolgskennzahlen<br />
Eigenkapitalquote, Gesamtkapitalrendite<br />
und Liquidität stehen Familienunternehmen<br />
gegenüber <strong>de</strong>r Gesamtwirtschaft<br />
und <strong>de</strong>n Unternehmen <strong>de</strong>s Euro<br />
Stoxx 50 überdurchschnittlich gut da“,<br />
erklärt Dr. Norbert Sellin, Geschäftsführer<br />
von Bürgel. Im Betrachtungszeitraum<br />
2007 bis 2010 konnten die Unternehmen<br />
ihre bereits auskömmliche<br />
Eigenkapitalquote um acht Prozentpunkte<br />
auf 53,7 Prozent steigern.<br />
„Aufgrund <strong>de</strong>r Stärke <strong>de</strong>s eigenen<br />
operativen Geschäfts können Familienunternehmen<br />
konjunkturelle Abschwünge<br />
sehr gut abfe<strong>de</strong>rn“, betont<br />
Wolfgang Kraus, geschäftsführen<strong>de</strong>r<br />
Partner <strong>de</strong>r auf die Beratung von Familienunternehmen<br />
spezialisierten Beratungs-<br />
und Prüfungsgesellschaft Rödl<br />
& Partner in Nürnberg. Im Vergleich<br />
mit <strong>de</strong>n Euro-Stoxx-50-Unternehmen<br />
erwirtschafteten Familienfirmen in <strong>de</strong>n<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
67,7%<br />
21,0%<br />
Baugewerbe<br />
Jahren 2007 bis 2010 eine überdurchschnittlich<br />
hohe Gesamtkapitalrendite.<br />
Im Geschäftsjahr 2010 lag diese sogar<br />
bei rund 8,3 Prozent (Euro Stoxx 50:<br />
5,9 Prozent).<br />
Die Studie „Finanzkraft von Familienunternehmen“<br />
kann im Internet kostenfrei<br />
heruntergela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n: www.roedl.<strong>de</strong>/<br />
studie_familienunternehmen<br />
ANALYSE DER EIGENKAPITALQUOTEN NACH BRANCHEN<br />
51,7%<br />
27,5%<br />
(Untersuchungszeitraum 2007 bis 2010)<br />
50,2%<br />
36,4%<br />
Industrie<br />
49,2%<br />
Bergbau<br />
36,9%<br />
47,5%<br />
Han<strong>de</strong>l<br />
29,3%<br />
45,4%<br />
26,8%<br />
Verkehr,<br />
Nachrichten<br />
39,9%<br />
9,5%<br />
Unternehmensdienstl.<br />
Finanzdienstleister<br />
Familienunternehmen<br />
Gesamtwirtschaft<br />
39,5%<br />
25,4%<br />
Sonstige<br />
Dienstl.<br />
20,4%<br />
29,2%<br />
Gesundheit,<br />
Soziales<br />
Quelle: BÜRGEL; Rödl & Partner (eigene Auswertung)<br />
BETRIEBSRENTE<br />
Scheidung kann für Arbeitgeber teuer wer<strong>de</strong>n<br />
Bei Scheidung von Mitarbeitern mit einer betrieblichen Altersversorgung<br />
(bAV) sieht das Versorgungsausgleichsgesetz grundsätzlich<br />
vor, dass die Teilung einer bAV auf das Ehezeiten<strong>de</strong> erfolgt.<br />
In vielen Fällen liegt dieser Zeitpunkt aber mehrere Jahre<br />
vor <strong>de</strong>m rechtskräftigen Scheidungsurteil, und die Teilung kann<br />
rückwirkend gar nicht mehr vorgenommen wer<strong>de</strong>n. Da <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
bisher offengelassen hat, ob und wie die Wertentwicklung<br />
<strong>de</strong>r bAV zwischen Ehezeiten<strong>de</strong> und Rechtskraft <strong>de</strong>s Urteils<br />
zu berücksichtigen ist, mussten die Betroffenen eine höchstrichterliche<br />
Entscheidung abwarten. Diese liegt jetzt vor und bietet<br />
für Arbeitgeber eine böse Überraschung. Denn in einem Urteil<br />
vom 7. September 2011 beschloss <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sgerichtshof, dass<br />
<strong>de</strong>r Ausgleichswert aus einer externen Teilung zugunsten <strong>de</strong>s<br />
Ausgleichsberechtigten ab Ehezeiten<strong>de</strong> zu verzinsen ist. Im konkreten<br />
Fall ging es um eine Pensionszusage. Folge: Der Arbeitgeber<br />
muss <strong>de</strong>m Ausgleichsberechtigten eine Verzinsung von 5,25<br />
Prozent zahlen. Einige Monate zuvor hatte das OLG Celle einen<br />
Lebensversicherer zur Nachverzinsung verurteilt.<br />
„Betroffene Versorgungsträger sollten ihre Teilungsordnungen<br />
zeitnah prüfen“, empfiehlt Andreas Buttler, Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
<strong>de</strong>s bAV-Beratungshauses Febs Consulting. Denn<br />
es gelte zu verhin<strong>de</strong>rn, dass die Zinsen am En<strong>de</strong> tatsächlich zulasten<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Versicherers gehen.<br />
INFO: www.febs-consulting.<strong>de</strong><br />
Foto: Deutscher Factoring-Verband<br />
48 ProFirma 12 2011
Factoring-Branche wächst trotz Vorurteilen<br />
Auch im ersten Halbjahr 2011 haben die<br />
Mitgliedsunternehmen <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Factoring-Verbands einen <strong>de</strong>utlichen<br />
Volumenzuwachs erwirtschaftet: Wie<br />
<strong>de</strong>r Verband bei einem Pressegespräch<br />
in Frankfurt berichtete, nahm <strong>de</strong>r Umsatz<br />
gegenüber <strong>de</strong>m Vorjahreszeitraum<br />
um 28 Prozent auf 75,60 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Euro zu. Die Factoring-Quote stieg damit<br />
schon im ersten Halbjahr 2011 auf<br />
knapp 6,5 Prozent an. Diese Quote gibt<br />
das Verhältnis zwischen <strong>de</strong>m angekauften<br />
For<strong>de</strong>rungsvolumen und <strong>de</strong>m Bruttoinlandsprodukt<br />
in Prozent an und gilt<br />
in <strong>de</strong>r Branche als Vergleichsmaßstab<br />
für die Rolle <strong>de</strong>s Factorings in einer<br />
Volkswirtschaft.<br />
Ein weiterer Beleg für die zunehmen<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung ist auch <strong>de</strong>r Anstieg <strong>de</strong>r<br />
Kun<strong>de</strong>nzahl, die seit Jahresbeginn um<br />
67 Prozent auf nunmehr 14.570 wuchs.<br />
Der Verband legte außer<strong>de</strong>m eine Studie<br />
<strong>de</strong>r Universität Köln zur Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>s Factorings in Deutschland vor. Aufschlussreiches<br />
Ergebnis: In Deutschland<br />
genießt Factoring bei <strong>de</strong>n Nutzern<br />
einen <strong>de</strong>utlich besseren Ruf als bei <strong>de</strong>n<br />
Nichtnutzern.<br />
<strong>Als</strong> Hemmnis gegen die Einführung<br />
von Factoring führen viele befragte<br />
Unternehmen Befürchtungen an, Factoring<br />
sei zu teuer und die Abwicklung<br />
zu kompliziert. „Dieses Ergebnis be<strong>de</strong>utet,<br />
dass wir die Vorteile <strong>de</strong>s Factorings<br />
noch besser kommunizieren müssen,<br />
um diese zumeist unberechtigten Vorurteile<br />
gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Nichtnutzern<br />
zu beseitigen“, sagte Joachim Secker,<br />
Sprecher <strong>de</strong>s Vorstands <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Factoring-Verbands.<br />
Sieht Informationsbedarf: Joachim Secker,<br />
Vorstand <strong>de</strong>s Deutschen Factoring-Verbands.<br />
Spielraum<br />
schreibt man<br />
mit F.<br />
Wer nanziell unabhängig ist, kann sich ganz auf sein<br />
Geschäft konzentrieren. Mit Factoring gewinnen Sie<br />
Spielraum: For<strong>de</strong>rungsausfälle sind passé, Sie genießen<br />
sofortige Liquidität aus Ihren For<strong>de</strong>rungen – und nutzen<br />
unsere langjährige Erfahrung im Kredit- und Debitorenmanagement.<br />
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For<strong>de</strong>rungen zeitgemäß managen
Finanzen & Steuern – Finanzierung<br />
IT-Leasing<br />
Tausche alt gegen neu<br />
Hard- und Software altern oft schneller, als sie abgeschrieben wer<strong>de</strong>n können.<br />
Deswegen kann Leasing eine gute Alternative zum Kauf von IT sein. Firmenchefs<br />
sollten bei dieser Finanzierungsform aber genau rechnen. VON SABINE HÖLPER<br />
Woran erkennt man, dass ein Film vor zehn o<strong>de</strong>r 15 Jahren gedreht<br />
wur<strong>de</strong>? An <strong>de</strong>n Frisuren <strong>de</strong>r Schauspieler, an ihrer Kleidung?<br />
Heutzutage eher nicht. Man merkt es an <strong>de</strong>n Handys<br />
am Ohr und an <strong>de</strong>n Computerbildschirmen auf <strong>de</strong>n Schreibtischen:<br />
Die Technik, die damals en vogue war, ist heute im<br />
wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes aus <strong>de</strong>m vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rt. Die<br />
Lebenszyklen von Informationstechnologie sind <strong>de</strong>rart kurz,<br />
dass ein gestern gekauftes Gerät schon morgen veraltet sein<br />
kann. Für kleinere und mittlere Unternehmen, die fünf- o<strong>de</strong>r<br />
gar sechsstellige Summen in IT investieren müssen, ist das ein<br />
echtes Problem. Denn es bleibt<br />
ihnen gar nichts an<strong>de</strong>res übrig,<br />
als in immer kürzeren Abstän<strong>de</strong>n<br />
zu investieren. Schließlich<br />
sind sie auf mo<strong>de</strong>rnste Technik<br />
angewiesen und können es sich<br />
nicht erlauben, neue Entwicklungen<br />
zu ignorieren.<br />
Ein Ausweg aus diesem misslichen<br />
Kreislauf ist IT-Leasing.<br />
Wer Hard- und Software least<br />
anstatt zu kaufen, ist technisch<br />
immer auf <strong>de</strong>m neuesten Stand.<br />
Nach einem vorher <strong>de</strong>finierten<br />
Zeitraum von zum Beispiel<br />
drei Jahren wer<strong>de</strong>n die Geräte<br />
gegen neue ausgetauscht – und<br />
man muss sich nicht einmal<br />
um die Entsorgung <strong>de</strong>r alten<br />
Anlagen kümmern.<br />
IT-Leasing bietet die gleichen Vorteile wie alle an<strong>de</strong>ren Leasing-Formen:<br />
Es schont die Liquidität <strong>de</strong>s Unternehmens und<br />
ist in <strong>de</strong>r Regel bilanzneutral. Somit bleibt die Kreditlinie bei<br />
<strong>de</strong>r Bank unangetastet und das Unternehmen erschließt sich<br />
zusätzliche finanzielle Spielräume. Zu<strong>de</strong>m hält Leasing die Belastungen<br />
relativ gering, zumal die monatlichen Zahlungsraten<br />
in <strong>de</strong>r Regel aus <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Erträgen finanziert wer<strong>de</strong>n<br />
können. Vor allem aber sind Leasing-Raten – egal, wie sich<br />
die Kreditzinsen entwickeln – konstant und bieten <strong>de</strong>m Unternehmer<br />
damit Planungssicherheit während <strong>de</strong>r gesamten<br />
Vertragslaufzeit. Hinzu kommt,<br />
dass Leasing-Raten oftmals als<br />
Betriebsausgaben Gewinn min<strong>de</strong>rnd<br />
genutzt wer<strong>de</strong>n können.<br />
IT-Leasing noch<br />
wenig verbreitet<br />
Entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Pluspunkt <strong>de</strong>s<br />
IT-Leasings ist jedoch, dass es<br />
das Risiko <strong>de</strong>r technologischen<br />
Überalterung <strong>de</strong>r Hard- und Software<br />
im Unternehmen <strong>de</strong>utlich<br />
reduziert. Denn ein Firmenchef<br />
steckt beim Kauf neuer IT-Geräte<br />
immer im Dilemma, dass<br />
das Equipment vor Ablauf <strong>de</strong>r<br />
Abschreibungsdauer von fünf<br />
Jahren technisch veraltet. Viele<br />
Unternehmer setzen die Tech-<br />
50 ProFirma 12 2011
Foto: BFL Leasing GmbH<br />
nik daher über die volle Abschreibungsdauer ein, auch wenn<br />
sie schon vorher nicht mehr die Leistung bringt, die nötig wäre.<br />
Leasing hingegen erlaubt <strong>de</strong>m Unternehmen, neue Technologien<br />
dann einzuführen, wenn es sinnvoll ist. Das kann schon<br />
nach zwei o<strong>de</strong>r drei Jahren sein.<br />
Trotz<strong>de</strong>m ist die Akzeptanz von IT-Leasing noch lange nicht<br />
so groß wie beim Pkw-Leasing. Fast zwei Drittel <strong>de</strong>s gesamten<br />
Leasing-Volumens in Deutschland gehen auf Pkw und Nutzfahrzeuge<br />
zurück, Büromaschinen und EDV machen weniger<br />
als zehn Prozent <strong>de</strong>s gesamten Geschäfts aus. Daraus zu<br />
schließen, IT-Leasing lohne sich nicht, wäre allerdings falsch.<br />
Die IT-Branche hat bisher lediglich versäumt, Leasing erfolgreich<br />
zu vermarkten. Die Automobilbranche hingegen hat<br />
schon vor Jahren erkannt, dass Leasing ein lukratives Geschäft<br />
ist, und tritt entsprechend offensiv auf. „Die Hersteller werben<br />
mit Leasing-Raten von 299 Euro pro Monat“, sagt Gilles<br />
Christ, Vorstand bei <strong>de</strong>r Grenkeleasing AG in Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n.<br />
Die Systemhäuser re<strong>de</strong>ten hingegen noch immer zu viel über<br />
Bits und Bytes. Spezial-Leasing-Anbieter wie Grenkeleasing<br />
versuchen daher mit Nachdruck, <strong>de</strong>n IT-Han<strong>de</strong>l stärker für<br />
das Thema Leasing zu sensibilisieren.<br />
Ein besseres Marketing macht allerdings noch kein besseres<br />
Produkt. Ob Leasing die richtige Finanzierungsform ist,<br />
„Leasing ist eine Finanzierungsform,<br />
die gera<strong>de</strong> Produkten mit<br />
kurzen Innovationszyklen wie in<br />
<strong>de</strong>r IT ganz beson<strong>de</strong>rs entgegenkommt.“<br />
PETER DIECKMANN, GESCHÄFTSFÜHRER<br />
BFL LEASING GMBH, ESCHBORN<br />
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Finanzen & Steuern – Finanzierung<br />
muss je<strong>de</strong>s Unternehmen immer im Einzelfall klären. Dabei<br />
reicht es nicht, auf optisch niedrige Leasing-Raten zu schauen.<br />
Min<strong>de</strong>stens genauso wichtig ist ein Blick auf die Kosten und<br />
damit das Zinsniveau. Denn während die Kontokorrentzinsen<br />
bei etwa fünf bis acht Prozent liegen, muss man für Leasing<br />
etwa zehn Prozent kalkulieren. „Leasing ist teuer“, sagt Tom<br />
Streicher, Leiter IT und Organisation bei <strong>de</strong>r Steuerberatungsgesellschaft<br />
Ecovis in Rostock. Es kommt daher auf die finanziellen<br />
Möglichkeiten <strong>de</strong>s Unternehmens an. Verfügt ein Betrieb<br />
über eine starke Finanzkraft, ist <strong>de</strong>r Kauf von Hard- und<br />
Software wahrscheinlich günstiger. Leasing rückt vor allem<br />
dann ins Blickfeld, wenn die Liquidität geschont wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Wichtig ist auch die Höhe <strong>de</strong>r geplanten Investition.<br />
Zwar schließen die meisten Anbieter Verträge schon ab<br />
einem Volumen von 500 Euro ab. Ob Leasing bei <strong>de</strong>rart<br />
geringen Beträgen sinnvoll ist, steht auf einem an<strong>de</strong>ren Blatt.<br />
Nicht nur die Kosten sind bei kleinen Summen relativ hoch,<br />
auch <strong>de</strong>r Papierkram steht kaum im Verhältnis zum Nutzen.<br />
„Ein Kleinunternehmer, <strong>de</strong>r zwei Rechner für 3.000 Euro<br />
kauft, fragt sich, ob er dafür <strong>de</strong>n Verwaltungsaufwand eingehen<br />
soll“, sagt Berater Streicher. Ganz an<strong>de</strong>rs stellt sich die<br />
Sache dar, wenn Geräte für Zehn- o<strong>de</strong>r Hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong> Euro<br />
benötigt wer<strong>de</strong>n, wie beispielsweise bei <strong>de</strong>r All Service Unternehmensgruppe<br />
für Gebäu<strong>de</strong>management. Das Frankfurter<br />
Unternehmen least IT-Komponenten, die im Sicherheitsdienst<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Das sind zum Beispiel Sicherheitskoffer für<br />
Geldtransporter o<strong>de</strong>r Rack-Systeme für die Fahrzeuge. 40.000<br />
Euro kostet ein einzelner Schrank, etwa 6.000 Euro ein Sicherheitskoffer.<br />
Rund 30 solcher Koffer hat das Unternehmen im<br />
Einsatz. Da kommen gewaltige Summen zusammen, und<br />
dann ist <strong>de</strong>r Verwaltungsaufwand wie<strong>de</strong>rum gerechtfertigt.<br />
Immer wichtiger: Serviceleistungen<br />
Sinnvoll dürfte Leasing darüber hinaus für Firmen sein, die<br />
nicht einfach Produkte benötigen, son<strong>de</strong>rn Lösungen. Das ist<br />
auch <strong>de</strong>r Trend. „Ein Unternehmen möchte nicht einfach nur<br />
IT“, sagt Peter Dieckmann, Geschäftsführer <strong>de</strong>r BFL Leasing<br />
GmbH in Eschborn. „Es will in <strong>de</strong>r Regel ein IT-Projekt realisieren.“<br />
Dann aber ist nicht nur Hardware vonnöten, son<strong>de</strong>rn es<br />
wer<strong>de</strong>n auch Software und Implementierungsdienstleistungen<br />
benötigt. „Denken Sie nur an Themen wie Datenmigration und<br />
Schulungen für eine neue Applikation“, sagt Diekmann. Häufig<br />
gehe es <strong>de</strong>n Unternehmen außer<strong>de</strong>m darum, „<strong>de</strong>n Gerätepark<br />
aufzuräumen, die Druckkosten zu reduzieren und die Prozesse<br />
zu optimieren“, so Dieckmann. All dies erfor<strong>de</strong>rt Know-how,<br />
das ein Unternehmer nicht unbedingt hat, aber ein auf IT spezialisierter<br />
Leasing-Anbieter sehr wohl. Gemeinsam mit <strong>de</strong>m Fach-<br />
INTERVIEW<br />
„Vergleichsangebote einholen“<br />
Tom Streicher, Leiter IT und Organisation bei Ecovis in Rostock, über Stolperfallen<br />
beim Leasing von Hard- und Software. DAS GESPRÄCH FÜHRTE SABINE HÖLPER<br />
Herr Streicher, raten Sie Ihren Mandanten,<br />
IT zu leasen?<br />
Streicher: Das kommt auf <strong>de</strong>n Einzelfall<br />
an. Aber grundsätzlich ist Leasing gera<strong>de</strong><br />
bei Wirtschaftsgütern, die schnell veralten,<br />
sinnvoll. Das Unternehmen kann<br />
die Belastung konstant halten und die<br />
Investitionszyklen auf ein lineares Maß<br />
beschränken.<br />
muss man sich gut durchlesen, um nicht<br />
etwa teure Zusatzleistungen mit abzuschließen.<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist auch die Wahl<br />
<strong>de</strong>r Vertragsvariante. Bei einem Vollamortisationsvertrag<br />
muss man aufpassen, dass<br />
man nicht in Wahrheit einen Mietkauf eingeht.<br />
Dann nämlich ist <strong>de</strong>r große Vorteil<br />
von Leasing weg, dass <strong>de</strong>r Unternehmer<br />
das Wirtschaftsgut nicht aktivieren muss.<br />
Sie kümmern sich bei Ecovis selbst um<br />
das IT-Leasing, kennen also die Praxis.<br />
Worauf sollte ein Unternehmer bei <strong>de</strong>r<br />
Vertragsgestaltung achten?<br />
Streicher: Ein Unternehmer sollte sich<br />
immer zwei, drei Vergleichsangebote<br />
einholen. Dabei sollte man gera<strong>de</strong> jetzt<br />
darauf achten, ob die Zinsen marktgerecht<br />
sind. Auch das Kleingedruckte<br />
Der Deutsche Leasingverband führt Büromaschinen<br />
und EDV als gemeinsamen<br />
Posten auf. Lohnt sich Leasing auch bei Büromaschinen?<br />
Streicher: Bei Büromaschinen ist <strong>de</strong>r Vorteil<br />
noch viel größer. Nehmen Sie einen<br />
Kopierer: Der ist enorm teuer, gleichzeitig<br />
ist <strong>de</strong>r Preisverfall sehr hoch – und das bei<br />
ständig steigen<strong>de</strong>r Leistung. Ein Kauf wäre<br />
hier wirtschaftlich wenig sinnvoll. Beim<br />
Leasing sieht es hingegen so aus: Wir<br />
schließen einen Vertrag über fünf Jahre<br />
ab, bekommen aber schon nach drei,<br />
vier Jahren ein neues Gerät. Und das zu<br />
sehr günstigen Konditionen.<br />
Foto:Ecovis<br />
52 ProFirma 12 2011
händler kann es seinen Kun<strong>de</strong>n ein genau auf <strong>de</strong>ren Bedürfnisse<br />
zugeschnittenes Angebot machen – Finanzierung inklusive.<br />
Immer häufiger sind in <strong>de</strong>n Leasing-Angeboten auch Komponenten<br />
wie Wartung, Service und Instandhaltung enthalten.<br />
Auch das hat die IT-Branche von <strong>de</strong>r Automobilbranche gelernt:<br />
„Pkw-Leasing ist <strong>de</strong>shalb so erfolgreich, weil die Autohäuser<br />
ihren Kun<strong>de</strong>n eine Paketleistung anbieten, inklusive<br />
Wartung, Versicherung und Winterreifen“, sagt Grenkeleasing-Vorstand<br />
Christ. Darin soll die Zukunft <strong>de</strong>r Anbieter<br />
liegen. „Weg von <strong>de</strong>r Hardware, hin zur Dienstleistung“, sagt<br />
Christ. „Künftig unterschreiben die Kun<strong>de</strong>n nicht mehr zwei<br />
geson<strong>de</strong>rte Verträge für Leasing und Service. Sie unterschreiben<br />
nur noch einmal und zahlen auch alles in einer Rate.“<br />
Solche Komplettangebote sind für Unternehmer nicht nur bequem.<br />
Sie geben ihm auch die Sicherheit, dass seine Technik<br />
stets läuft. Dennoch ist Vorsicht angebracht. Denn auch diese<br />
Sicherheit hat ihren Preis. Und <strong>de</strong>r kann zu hoch wer<strong>de</strong>n,<br />
wenn man sie gar nicht braucht, etwa weil sich ein hauseigener<br />
IT-Spezialist um die Wartung kümmert.<br />
Es ist nicht die einzige Stolperfalle, die sich in IT-Leasing-<br />
Verträgen verstecken kann. Ecovis-Berater Streicher warnt<br />
auch davor, überflüssige Versicherungen mit abzuschließen.<br />
„Häufig ist in <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Unternehmensversicherung<br />
die IT mit abge<strong>de</strong>ckt“, sagt Streicher. „Wenn man dann im<br />
Leasing-Vertrag das Kreuzchen an <strong>de</strong>r falschen Stelle macht,<br />
hat man eine teure Zusatzversicherung abgeschlossen.“ Überhaupt<br />
kann es ins Geld gehen, wenn man das Kleingedruckte<br />
nicht aufmerksam liest. So sehen längst nicht alle Verträge kostenlose<br />
Anpassungen und Upgra<strong>de</strong>s vor, häufig wer<strong>de</strong>n auch<br />
die Implementierungskosten ausgeklammert. Bei komplexen<br />
Projekten kommt da schnell ein dicker Extraposten auf das<br />
Unternehmen zu.<br />
WELCHER ANBIETER IST<br />
DER RICHTIGE?<br />
Sie können Ihre IT dort leasen, wo Sie auch die Firmenflotte<br />
leasen, o<strong>de</strong>r aber zu einem Spezialanbieter<br />
gehen. Der Vorteil <strong>de</strong>r auf IT spezialisierten<br />
Leasing-Anbieter ist, dass sie über Branchenwissen<br />
verfügen und <strong>de</strong>m Unternehmen somit helfen<br />
können, die beste Lösung zu fin<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rerseits<br />
spricht nichts gegen eine breit aufgestellte<br />
Leasinggesellschaft, vor allem dann, wenn man<br />
seit Jahren gut mit einem Unternehmen zusammenarbeitet.<br />
Zu <strong>de</strong>n Spezialisten gehören Hersteller-unabhängige<br />
Anbieter wie Grenkeleasing, CHG-Meridian<br />
o<strong>de</strong>r BFL Leasing sowie Anbieter, die für einen bestimmten<br />
Hersteller tätig sind, wie etwa Siemens<br />
Financial Services. Es liegt nahe, beim Kauf eines<br />
Siemens-Produkts auch <strong>de</strong>ren Leasing-Firma zu<br />
wählen. Zwingend notwendig ist das aber nicht.<br />
Das Gleiche gilt, wenn Ihr Fachhändler mit einem<br />
bestimmten Leasing-Anbieter zusammenarbeitet.<br />
Sie können mit <strong>de</strong>m empfohlenen Leasing-Geber<br />
zusammenarbeiten, müssen es aber nicht.<br />
Bei <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>m geeigneten<br />
Leasing-Anbieter unterstützt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sverband<br />
Deutscher Leasing-Unternehmen unter:<br />
www.leasingverband.<strong>de</strong>.<br />
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Die SüdFactoring ist eine Tochtergesellschaft <strong>de</strong>r LBBW-<br />
Unternehmensgruppe, die in <strong>de</strong>r Mittelstandsfinanzierung<br />
eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle spielt. Diese Verbindung steht nicht<br />
nur für Seriosität und Sicherheit, son<strong>de</strong>rn auch für die<br />
enge Verzahnung klassischer Finanzierungsformen mit<br />
innovativen Instrumenten, wie <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungsfinanzierung.<br />
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Finanzen & Steuern – Auslandsgeschäft<br />
Serviceleistungen <strong>de</strong>r Banken<br />
Sicher in die weite Welt hinaus<br />
Kleine und mittlere Unternehmen drängen ins Ausland. Erste Anlaufstation ist oft die<br />
Hausbank. Sie finanziert nicht nur das Auslandsgeschäft, son<strong>de</strong>rn vermittelt auch Kontakte<br />
zu Banken, Geschäftspartnern und Experten vor Ort. VON SIGRUN AN DER HEIDEN<br />
Das Exportgeschäft ist keine Domäne<br />
<strong>de</strong>r Konzerne mehr. Das belegt eine<br />
neue Studie <strong>de</strong>r DZ-Bank in Frankfurt,<br />
bei <strong>de</strong>r 1.500 Chefs kleinerer und mittlerer<br />
Unternehmen zu <strong>de</strong>n eigenen internationalen<br />
Aktivitäten befragt wur<strong>de</strong>n.<br />
So sind mehr als 53 Prozent <strong>de</strong>r<br />
Mittelständler geschäftlich im Ausland<br />
engagiert: Beson<strong>de</strong>rs in Europa, aber in<br />
zunehmen<strong>de</strong>m Maße auch in Amerika<br />
und Asien. Bereits 35 Prozent <strong>de</strong>r Unternehmen<br />
mit einem Jahresumsatz von<br />
weniger als fünf Millionen Euro machen<br />
jenseits <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgrenzen Geschäfte.<br />
Bei <strong>de</strong>n Firmen mit Umsätzen bis zu 25<br />
Millionen Euro sind es sogar 55 Prozent.<br />
Rund 40 Prozent <strong>de</strong>r kleineren Unternehmen<br />
sind Neueinsteiger, das heißt,<br />
dass sie erst seit maximal fünf Jahren im<br />
Ausland aktiv sind. Die Firmen wollen<br />
sich neue Absatzmärkte erschließen,<br />
um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.<br />
Hans-Jürgen Wessler ist Chef eines solchen<br />
kleinen Exporteurs. Der Geschäftsführer<br />
<strong>de</strong>r Union Stahl Nord GmbH aus<br />
Hannover liefert per Schiff Grobbleche<br />
nach Singapur, Japan und China. Die<br />
Produkte <strong>de</strong>s Mittelständlers wer<strong>de</strong>n<br />
zum Bau von Schiffen gebraucht sowie<br />
in <strong>de</strong>r Erdöl- und Erdgasexploration<br />
eingesetzt. Neben Asien gehören Firmen<br />
in Nord- und Sü<strong>de</strong>uropa zu <strong>de</strong>n<br />
Hauptkun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Sechs-Mann-Betriebs.<br />
Wessler weiß, dass das Exportgeschäft<br />
neben großen Chancen auch Risiken<br />
birgt und hat vorgesorgt: Die Warenlieferungen<br />
nach Fernost sichert er per<br />
Akkreditiv (siehe Kasten rechts) ab. Die<br />
Zahlungsverpflichtung seiner Kun<strong>de</strong>n<br />
ist bin<strong>de</strong>nd. Sobald alle vereinbarten<br />
Dokumente vorliegen, weist die Bank<br />
Quelle: DZ Bank, Mittelstandsstudie Frühjahr 2011, Zukunftsmärkte in Asien<br />
USA/Kanada<br />
17%<br />
Westeuropa<br />
64%<br />
Nor<strong>de</strong>uropa<br />
24%<br />
Mittel/<br />
Osteuropa<br />
44%<br />
Übriges Asien<br />
15%<br />
Russische Fö<strong>de</strong>ration<br />
21%<br />
Naher Osten<br />
12%<br />
China<br />
24%<br />
Südostasien<br />
24%<br />
Japan<br />
8%<br />
Wohin es kleine und mittlere<br />
Unternehmen zieht:<br />
Bei <strong>de</strong>n ersten Schritten ins<br />
Ausland steht Westeuropa ganz<br />
oben auf <strong>de</strong>r Liste, dahinter folgen<br />
Mittel/Ost- und Nor<strong>de</strong>uropa.<br />
Mittel-/Südamerika<br />
13%<br />
54 ProFirma 12 2011
seiner Geschäftspartner die Zahlung an.<br />
„Unsere Lieferkontrakte bewegen sich<br />
oft im sechs- o<strong>de</strong>r siebenstelligen Bereich“,<br />
sagt Wessler. „Da sichere ich je<strong>de</strong><br />
Lieferung ab.“ Seine Hausbank prüft die<br />
Dokumente und wickelt <strong>de</strong>n Zahlungsverkehr<br />
ab. Auch die Finanzierung seiner<br />
Exporte stemmt <strong>de</strong>r Unternehmer<br />
zusammen mit seiner Bank.<br />
Das Beispiel zeigt: Die Internationalisierung<br />
stellt gera<strong>de</strong> kleine und mittlere<br />
Unternehmen vor große Herausfor<strong>de</strong>rungen.<br />
„Sie haben häufig keine eigene<br />
Infrastruktur und zu wenig Personal,<br />
um sich um die Märkte zu kümmern,<br />
die sie erobern wollen“, weiß Christoph<br />
Pellengahr, Auslandsexperte <strong>de</strong>r DZ<br />
Bank. Das Zentralinstitut <strong>de</strong>r Volksund<br />
Raiffeisenbanken versorgt die Kun<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Genossenschaftsbanken mit aktuellen<br />
Län<strong>de</strong>rinformationen und hilft<br />
Unternehmern, alle relevanten Fragen<br />
zu beantworten. „Wir sind die Anlaufstelle<br />
und öffnen die Türen zu Partnerbanken<br />
und Experten im Ausland. Bei<br />
Bedarf begleiten wir Unternehmer auch<br />
zum Bankgespräch“, sagt Pellengahr.<br />
Im Export fangen viele<br />
Mittelständler ganz von vorne an<br />
EXPORTGESCHÄFT<br />
Zahlungs- und Finanzierungsinstrumente<br />
im Export<br />
Dokumenten-Akkreditiv: Zahlungsversprechen<br />
<strong>de</strong>r Bank <strong>de</strong>s Importeurs an<br />
<strong>de</strong>n Exporteur. Die ausländische Bank<br />
zahlt <strong>de</strong>n vereinbarten Betrag, sobald<br />
<strong>de</strong>r Exporteur fristgerecht die im Akkreditiv<br />
geregelten Dokumente vorgelegt<br />
hat. Darunter fallen Papiere, die<br />
<strong>de</strong>n Versand o<strong>de</strong>r die Einlagerung einer<br />
Ware, <strong>de</strong>ren Versicherung, Bewertung<br />
und Beschaffenheit belegen. Die Bank<br />
<strong>de</strong>s Exporteurs prüft die Dokumente und<br />
leistet eine Gutschrift an <strong>de</strong>n Unternehmer.<br />
Da <strong>de</strong>r Exporteur seine Ware erst<br />
nach Eröffnung und Vorlage <strong>de</strong>s Akkreditivs<br />
versen<strong>de</strong>t, sichert er seine For<strong>de</strong>rung<br />
ab. Im Liefervertrag ist geregelt,<br />
wer die Kosten trägt. Diese sind von <strong>de</strong>r<br />
Laufzeit abhängig und setzen sich aus<br />
einer Dokumentengebühr sowie einem<br />
Diskontsatz zusammen, wenn die Bank<br />
das Zahlungsziel vorfinanziert.<br />
Bestellerkredit: Dieser an das Exportgeschäft<br />
gebun<strong>de</strong>ne Kredit an <strong>de</strong>n Importeur<br />
ist meist durch die staatliche<br />
Exportkreditversicherung sowie eine<br />
Zahlungsgarantie <strong>de</strong>r Bank <strong>de</strong>s Importeurs<br />
ge<strong>de</strong>ckt. Der Exporteur haftet nur<br />
für Verluste in Höhe <strong>de</strong>s Hermes-Selbstbehalts<br />
von 15 Prozent. Die Laufzeit beträgt<br />
drei bis sieben Jahre.<br />
Forfaitierung: Der regresslose Verkauf<br />
einzelner mittel- bis langfristiger Exportfor<strong>de</strong>rungen<br />
an die Bank sichert <strong>de</strong>m Exporteur<br />
sofortige Liquidität. Dafür zahlt<br />
er einen Zinssatz, eine Risikoprämie<br />
(abhängig vom Land und <strong>de</strong>r Währung)<br />
sowie eine Gebühr, <strong>de</strong>ren Höhe von <strong>de</strong>r<br />
Laufzeit und <strong>de</strong>r Bonität <strong>de</strong>s Exporteurs<br />
abhängt. Die Bank übernimmt dafür alle<br />
mit <strong>de</strong>r angekauften For<strong>de</strong>rung verbun<strong>de</strong>nen<br />
Risiken.<br />
So wie die DZ Bank bieten auch alle an<strong>de</strong>ren<br />
Kreditinstitute ihre Dienste für exportieren<strong>de</strong><br />
Mittelständler an. Die Commerzbank<br />
setzt im Auslandsgeschäft<br />
auf ein Betreuungsmo<strong>de</strong>ll, bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />
inländische Firmenkun<strong>de</strong>nbetreuer<br />
eine zentrale Rolle spielt. Dieser holt<br />
die jeweiligen Spezialisten mit an <strong>de</strong>n<br />
Tisch, je nach<strong>de</strong>m, ob <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> Fragen<br />
zum Exportgeschäft, zum Zahlungsverkehr,<br />
zum Risikomanagement o<strong>de</strong>r zur<br />
Errichtung einer Nie<strong>de</strong>rlassung im Ausland<br />
hat. „Unsere Spezialisten gehen<br />
mit <strong>de</strong>m Firmenkun<strong>de</strong>nbetreuer zum<br />
Unternehmer und erstellen ein Konzept<br />
aus einem Guss für die Nie<strong>de</strong>rlassung<br />
im Ausland“, sagt Bernd Geisenberger,<br />
Abteilungsleiter Vertriebsmanagement<br />
International bei <strong>de</strong>r Commerzbank<br />
Mittelstandsbank.<br />
Auch die Sparkassen können sich auf<br />
ein internationales Netzwerk stützen.<br />
In einer eigenen Gesellschaft, <strong>de</strong>r S-<br />
Country Desk GmbH, bün<strong>de</strong>lt die Sparkassenfinanzgruppe<br />
ihr Know-how.<br />
Ihre Mitarbeiter klären Fragen zu Chancen<br />
und Risiken und helfen, eine Markteintrittsstrategie<br />
zu erarbeiten. Sie zapfen<br />
lokale Informationsquellen an, um<br />
qualifizierte Auskünfte zu vermitteln,<br />
beraten bei <strong>de</strong>r Standortwahl, unterstützen<br />
bei <strong>de</strong>r Suche nach Kooperationspartnern<br />
und Immobilien, stellen<br />
<strong>de</strong>n Kontakt zu einer Partnerbank mit<br />
<strong>de</strong>utschsprachigen Kun<strong>de</strong>nbetreuern<br />
her und klären Finanzierungsfragen.<br />
„Häufig machen wir die Finanzierung<br />
zusammen mit <strong>de</strong>r Partnerbank. Wir<br />
stellen die Kreditlinien für das laufen<strong>de</strong><br />
Geschäft zur Verfügung, die Bank vor<br />
Ort finanziert die Immobilie, die auch<br />
als Sicherheit dient“, sagt Arno Bach,<br />
Geschäftsführer von S-Country Desk.<br />
Der Vorteil liegt auf <strong>de</strong>r Hand: „Selbst<br />
etablierte Mittelständler sind im Ausland<br />
Existenzgrün<strong>de</strong>r. Wir transportieren<br />
die Bonität <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n mit ins Ausland“,<br />
betont Bach.<br />
In <strong>de</strong>n meisten Fällen finanzieren Privatbanken,<br />
Sparkassen und Genossenschaftsbanken<br />
die Auslandsinvestitionen<br />
ihrer Firmenkun<strong>de</strong>n durch<br />
Kreditlinien für das <strong>de</strong>utsche Mutterhaus.<br />
Da die Bank bereits in die Vorbereitung<br />
<strong>de</strong>s Auslandsengagements<br />
eingebun<strong>de</strong>n war, ist das Risiko bekannt<br />
und kalkulierbar. Bei größeren<br />
Vorhaben lohnt es sich, För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />
wie Zuschüsse o<strong>de</strong>r günstige<br />
För<strong>de</strong>rkredite zu prüfen. „Unsere Experten<br />
<strong>de</strong>s Euro Info Centers suchen die<br />
För<strong>de</strong>rtöpfe für die geplante Investition<br />
im europäischen Ausland und helfen<br />
bei <strong>de</strong>r Bearbeitung <strong>de</strong>r Anträge“, betont<br />
DZ-Bank-Experte Pellengahr. Wer<br />
jedoch Märkte jenseits <strong>de</strong>s Atlantiks<br />
o<strong>de</strong>r in Asien erobern möchte, <strong>de</strong>m stehen<br />
nur begrenzt För<strong>de</strong>rmöglichkeiten<br />
zur Verfügung. „Mittelständler nutzen<br />
meist das zinsgünstige KfW-Programm<br />
Unternehmerkredit Ausland mit Kreditlaufzeiten<br />
von fünf, zehn o<strong>de</strong>r 20<br />
ProFirma 12 2011<br />
55
Finanzen & Steuern – Auslandsgeschäft<br />
„Kleinen Unternehmen fehlt häufig das Personal,<br />
um sich um Auslandsmärkte zu kümmern.“<br />
CHRISTOPH PELLENGAHR, DZ BANK, FRANKFURT<br />
Jahren“, meint Pellengahr. Zwar gibt es<br />
auch Investitionsför<strong>de</strong>rungen ausländischer<br />
Staaten, doch ist die Antragstellung<br />
meist sehr aufwändig. „Unternehmer<br />
verzichten oft auf eine För<strong>de</strong>rung,<br />
weil <strong>de</strong>r Aufwand im Verhältnis zur<br />
Investitionssumme zu hoch ist“, weiß<br />
S-Country-Desk-Chef Arno Bach.<br />
Knapp drei Viertel <strong>de</strong>r kleinen und mittleren<br />
Unternehmen sammeln ihre erste<br />
Auslandserfahrung im Export. Neben<br />
<strong>de</strong>n klassischen Bankprodukten wie<br />
<strong>de</strong>r Abwicklung <strong>de</strong>s Auslandszahlungsverkehrs<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Exportfinanzierung<br />
und -absicherung über Akkreditive,<br />
Bankgarantien, Inkassodienste sowie<br />
<strong>de</strong>n Ankauf von For<strong>de</strong>rungen nutzen<br />
sie verstärkt das Beratungs- und Dienstleistungsangebot<br />
ihrer Bank. Unternehmen,<br />
die erstmals ins Ausland exportieren,<br />
bekommen Tipps sowie praktische<br />
Hilfestellung von ihrem Bankberater.<br />
„Wir unterstützen <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r<br />
Abwicklung seines Exportgeschäfts, in<strong>de</strong>m<br />
wir die Dokumente prüfen, die er<br />
einreicht, o<strong>de</strong>r erstellen sie auf Wunsch<br />
auch für das Unternehmen“, sagt Commerzbank-Experte<br />
Geisenberger. Wer<br />
möchte, kann seine Mitarbeiter von<br />
Spezialisten <strong>de</strong>r Bank fürs Exportgeschäft<br />
schulen lassen.<br />
Auch auf die Risiken im Exportgeschäft<br />
weisen die Institute hin. Bei reinen Exportlieferungen<br />
in Schwellenlän<strong>de</strong>r<br />
empfiehlt DZ Bank-Experte Pellengahr<br />
eine Absicherung durch die Exportkreditgarantien<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s, die über die<br />
Euler Hermes Kreditversicherungs-AG<br />
abgewickelt wer<strong>de</strong>n. Diese staatliche<br />
Versicherung für Exportgeschäfte <strong>de</strong>ckt<br />
einen Zahlungsausfall aus wirtschaftlichen<br />
o<strong>de</strong>r politischen Grün<strong>de</strong>n ab.<br />
Allerdings ist die Hermes<strong>de</strong>ckung kein<br />
Vollkaskoschutz. Die Selbstbeteiligung<br />
<strong>de</strong>s Exporteurs liegt im Scha<strong>de</strong>nsfall bei<br />
fünf (politische Risiken) o<strong>de</strong>r 15 Prozent<br />
(wirtschaftliche Risiken). Im Zuge<br />
<strong>de</strong>r Finanzkrise hat <strong>de</strong>r Bund jedoch die<br />
Deckung erweitert: Befristet bis En<strong>de</strong><br />
2013 können Unternehmer gegen Zahlung<br />
eines Aufschlags die Selbstbeteiligung<br />
für wirtschaftliche Risiken auf<br />
fünf Prozent reduzieren.<br />
Auch Unternehmer, die ein Konto im<br />
Ausland für ihre Geschäfte brauchen,<br />
greifen gerne auf <strong>de</strong>n Service ihrer<br />
Hausbank zurück. Die meisten Institute<br />
helfen ihren Kun<strong>de</strong>n, ein Konto bei<br />
einer ausländischen Filiale o<strong>de</strong>r Partnerbank<br />
zu eröffnen. „Wir machen die<br />
Kontoeröffnung von Deutschland aus<br />
und führen die Korrespon<strong>de</strong>nz mit <strong>de</strong>r<br />
ausländischen Bank. Der Unternehmer<br />
muss nur noch die Unterschrift leisten“,<br />
sagt Sparkassen-Experte Bach. Pro Jahr<br />
eröffnen die Mitarbeiter von S-Country<br />
Desk für Mittelständler mehr als 1.000<br />
Konten im Ausland. Die Finanzen ausländischer<br />
Töchter wer<strong>de</strong>n jedoch häufig<br />
von Deutschland aus gesteuert. „Wir<br />
wickeln die Auslandszahlungen ab<br />
und bin<strong>de</strong>n die Nie<strong>de</strong>rlassungen in das<br />
Cash-Managementsystem <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n<br />
ein“, erklärt Bernd Geisenberger.<br />
„Wer sich nicht absichert, pokert“<br />
Seit Juni bietet die Commerzbank ihren<br />
Kun<strong>de</strong>n die Eröffnung von Konten<br />
in <strong>de</strong>r chinesischen Lan<strong>de</strong>swährung<br />
Renminbi an. Das Währungskonto<br />
wird in Deutschland geführt, was <strong>de</strong>n<br />
Zahlungsverkehr mit China stark vereinfacht.<br />
Auch das klassische Dokumentengeschäft<br />
zur Absicherung <strong>de</strong>r<br />
Exporte wickelt das Frankfurter Institut<br />
inzwischen in Renminbi ab.<br />
Damit plötzliche Währungsschwankungen<br />
die kalkulierten Margen im<br />
Auslandsgeschäft jedoch nicht zunichtemachen,<br />
sichern immer mehr Mittelständler<br />
Währungsrisiken ab. „Sobald<br />
ein Liefervertrag unterschrieben o<strong>de</strong>r<br />
ein verbindliches Angebot abgegeben<br />
ist, sollten Unternehmer <strong>de</strong>n Kurs sichern,<br />
<strong>de</strong>r ihr Geschäft rentabel macht“,<br />
rät DZ-Bank-Experte Christoph Pellengahr.<br />
„Wer nicht sichert, pokert.“ Bei<br />
<strong>de</strong>n Unternehmen ist diese Botschaft<br />
angekommen. Die Nachfrage nach Devisentermingeschäften,<br />
die Währungen<br />
zum Liefertermin absichern, sowie Devisenoptionen,<br />
die einen festen Kurs bei<br />
flexibler Einlösung garantieren, nimmt<br />
zu. Mit <strong>de</strong>r gestiegenen Volatilität <strong>de</strong>r<br />
Währungen steigt zwar <strong>de</strong>r Preis <strong>de</strong>r<br />
Währungsabsicherung, doch zeigt sie<br />
auch, wie wichtig eine feste Kalkulationsbasis<br />
für <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Erfolg<br />
ist. Hans-Jürgen Wessler hat Glück und<br />
kann sich diese Kosten sparen. „Wir<br />
rechnen nur in Euro ab, sonst liefern wir<br />
nicht“, betont <strong>de</strong>r Chef <strong>de</strong>r Union Stahl<br />
Nord. Er akzeptiert we<strong>de</strong>r US-Dollar<br />
noch an<strong>de</strong>re Fremdwährungen. So umgeht<br />
er je<strong>de</strong>s Wechselkursrisiko.<br />
SO UNTERSTÜTZEN BANKEN IM<br />
AUSLANDSGESCHÄFT<br />
> Auslandsauskünfte<br />
(Bank- und Wirtschaftsauskünfte)<br />
> Auslandszahlungsverkehr<br />
> Devisengeschäfte<br />
> Internationales Cash-Management/<br />
Währungskonten<br />
> Dokumentengeschäft<br />
(Akkreditive, Garantien)<br />
> Inkasso- und Wechselgeschäfte<br />
> Exportfinanzierungen<br />
> Zins- und Währungsmanagement<br />
> Kontakte zu Partnerbanken o<strong>de</strong>r<br />
eigenen Filialen im Ausland<br />
> Kontoeröffnungen im Ausland<br />
> Län<strong>de</strong>r- und Marktinformationen<br />
> Internationales Kooperationsnetzwerk<br />
> Beratung und Begleitung bei<br />
Investitionen im Ausland<br />
Foto: DZ Bank<br />
56 ProFirma 12 2011
Kolumne<br />
Soll & Haben<br />
Erwin Reichholf ist Steuerberater<br />
und Partner <strong>de</strong>r Steuerberatungsgesellschaft<br />
Ecovis in Augsburg.<br />
INFO: www.ecovis.com<br />
Die Eigendynamik<br />
<strong>de</strong>r Missbrauchsbekämpfung<br />
Von Erwin Reichholf<br />
Die Schönheit liegt bekanntlich im Auge <strong>de</strong>s Betrachters. So<br />
ähnlich ist es auch, wenn Betriebsprüfer umsatzsteuerliche<br />
Sachverhalte würdigen müssen. Gera<strong>de</strong> für kleinere und mittlere<br />
Unternehmen kann das nachteilige Folgen haben. Denn<br />
die Erkenntnis, dass die Umsatzsteuer eine <strong>de</strong>r betrugsanfälligsten<br />
Steuerarten innerhalb <strong>de</strong>r EU ist, und das zunehmen<strong>de</strong><br />
Interesse <strong>de</strong>r Finanzverwaltung, so viel Einnahmen wie möglich<br />
zu generieren, verbaut <strong>de</strong>n Prüfern oftmals <strong>de</strong>n Blick für<br />
eine sachgerechte und praxisnahe Bewertung umsatzsteuerpflichtiger<br />
Geschäftsvorgänge.<br />
So wer<strong>de</strong>n Unternehmer und Steuerberater in <strong>de</strong>r jüngsten<br />
Zeit immer wie<strong>de</strong>r damit konfrontiert, dass <strong>de</strong>r gleiche Geschäftsvorgang<br />
zwischen zwei beteiligten Unternehmen steuerlich<br />
unterschiedlich beurteilt wird. In solchen Fällen kommt<br />
es vor, dass ein Betriebsprüfer, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Empfänger <strong>de</strong>r Leistung<br />
unter die Lupe nimmt, Umsätze gerne mal als steuerfrei<br />
einstuft o<strong>de</strong>r statt <strong>de</strong>s vollen Umsatzsteuersatzes von 19 Prozent<br />
<strong>de</strong>n ermäßigten Satz von sieben Prozent ansetzt. Für das<br />
Unternehmen hat das zur Folge, dass die Umsatzsteuerschuld<br />
und somit <strong>de</strong>r Vorsteuerabzug sinkt und eine Steuernachzahlung<br />
fällig wird. Abgesehen von <strong>de</strong>m damit verbun<strong>de</strong>nen Verwaltungsaufwand<br />
wäre dies verschmerzbar, wenn es dabei<br />
bliebe, dass <strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Geschäftspartner seine Rechnung<br />
entsprechend korrigiert, sich <strong>de</strong>n unberechtigten Anteil <strong>de</strong>r<br />
Umsatzsteuer von seinem Finanzamt erstatten lässt und <strong>de</strong>m<br />
Leistungsempfänger überweist. Für bei<strong>de</strong> Seiten wäre dann<br />
<strong>de</strong>r Fall erledigt.<br />
Doch in <strong>de</strong>r Praxis kann sich dieses Proze<strong>de</strong>re über einen langen<br />
Zeitraum hinziehen. Immer wie<strong>de</strong>r kommt es nämlich<br />
vor, dass das Finanzamt <strong>de</strong>s leisten<strong>de</strong>n Unternehmers bei<br />
<strong>de</strong>r umsatzsteuerlichen Bewertung <strong>de</strong>s Geschäftsvorgangs<br />
zu einem an<strong>de</strong>ren Ergebnis kommt als das Finanzamt <strong>de</strong>s<br />
Leistungsempfängers. Denn auch dieses Finanzamt ist bestrebt,<br />
so viel Mehreinnahmen wie möglich zu erzielen. Deshalb<br />
versucht es, die Steuererstattung zu vermei<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m<br />
es die entsprechen<strong>de</strong>n Belege anfor<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r seinen Prüfer<br />
vor Ort schickt. Am En<strong>de</strong> kann eine an<strong>de</strong>re Bewertung <strong>de</strong>s<br />
Geschäftsvorgangs stehen mit <strong>de</strong>r Folge, dass die beteiligten<br />
Finanzämter erst einmal untereinan<strong>de</strong>r zu einem Konsens fin<strong>de</strong>n<br />
müssen. Beson<strong>de</strong>rs schwierig wird dies dann, wenn bei<strong>de</strong><br />
Finanzämter in unterschiedlichen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn angesie<strong>de</strong>lt<br />
sind und damit nicht <strong>de</strong>r gleichen obersten Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong><br />
(Oberfinanzdirektion) unterstellt sind.<br />
Damit ist die eigentlich gewollte Neutralität <strong>de</strong>r Umsatzsteuer<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Unternehmerkette nicht mehr gewährleistet,<br />
und teilweise erhebliche Zeitverzögerungen zwischen Steuerzahlung<br />
und Steuererstattung können zu einem beachtlichen<br />
Liquiditätsrisiko für die betroffenen Unternehmen wer<strong>de</strong>n.<br />
Denn bis zu 19 Prozent <strong>de</strong>s Umsatzes müssen für das Finanzamt<br />
zwischenfinanziert wer<strong>de</strong>n. Für die Unternehmen ist<br />
diese Situation auch <strong>de</strong>swegen problematisch, weil sie über<br />
keinen unmittelbaren und schnell durchsetzbaren Rechtsanspruch<br />
verfügen, aufgrund <strong>de</strong>ssen sie eine zeitnahe Prüfung<br />
o<strong>de</strong>r eine einvernehmliche Lösung zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Finanzämtern<br />
erwirken könnten. Sie sind <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />
fast schutzlos ausgeliefert.<br />
Es erscheint daher dringend geboten, dass sich die Finanzverwaltung<br />
auf nationaler Ebene eine baldige Lösung <strong>de</strong>s Problems<br />
einfallen lässt. Gelingt dies nicht, kann man auch die<br />
Hoffnung auf eine ebenso notwendige europaweite Lösung<br />
begraben. Denn <strong>de</strong>r oben beschriebene Fall lässt sich ohne<br />
Weiteres auf zwei Unternehmen aus unterschiedlichen EU-<br />
Län<strong>de</strong>rn übertragen, die grenzüberschreiten<strong>de</strong> Geschäfte abwickeln.<br />
ProFirma 12 2011<br />
57
Finanzen & Steuern – Umsatzsteuer<br />
Umsatzsteuer-Nachschau<br />
Prüfung ohne Warnung<br />
Viele Selbstständige haben Angst vor einer Betriebsprüfung. Bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuernachschau<br />
ist diese Angst berechtigt. Denn sie ist entgegen <strong>de</strong>r harmlosen Bezeichnung wohl<br />
die unangenehmste Form einer Kontrolle durch das Finanzamt. VON KLAUS LINKE<br />
Umsatzsteuerbetrug hat Hochkonjunktur.<br />
Um die zunehmen<strong>de</strong>n Betrügereien<br />
zu unterbin<strong>de</strong>n, steht <strong>de</strong>n Betriebsprüfern<br />
mit <strong>de</strong>r Umsatzsteuer-Nachschau<br />
ein starkes Instrument zur Verfügung.<br />
Das Tückische daran: Im Gegensatz zu<br />
einer Betriebsprüfung wird sie nicht angekündigt.<br />
Und seit Mitte 2011 räumt<br />
<strong>de</strong>r Gesetzgeber <strong>de</strong>n Prüfern noch weitergehen<strong>de</strong><br />
Befugnisse ein als bisher.<br />
Gesetzlich geregelt ist die Umsatzsteuer-Nachschau<br />
in Paragraf 27 Abs. 1 Satz<br />
1 Umsatzsteuergesetz. Danach dürfen<br />
die Prüfer ohne vorherige Ankündigung<br />
während <strong>de</strong>r Geschäfts- und Arbeitszeit<br />
Grundstücke und Räume <strong>de</strong>s<br />
Steuerpflichtigen betreten, um Sachverhalte<br />
festzustellen, die für die Erhebung<br />
UMSATZSTEUER-NACHSCHAU<br />
Wo die Prüfer Betrug wittern<br />
Die Finanzverwaltung hat einen Katalog erarbeitet, <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs<br />
prüfungsrelevante Sachverhalte auflistet und die Steuerpflichtigen,<br />
auf die solche Erkenntnisse zutreffen, einem erhöhten<br />
Prüfungsrisiko aussetzt. Dazu gehören folgen<strong>de</strong> Punkte:<br />
> Das Unternehmen wur<strong>de</strong> erst vor<br />
Kurzem erworben,<br />
> das Unternehmen vermietet hochwertige<br />
Freizeitgegenstän<strong>de</strong> wie Segelyachten<br />
o<strong>de</strong>r Wohnmobile,<br />
> im vorigen Voranmeldungszeitraum<br />
wur<strong>de</strong>n ungewöhnlich hohe Anschaffungen<br />
getätigt,<br />
> <strong>de</strong>r Betrieb hat Geschäftsbeziehungen<br />
ins Ausland,<br />
> es wur<strong>de</strong>n Vorsteuerberichtigungen<br />
zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen vorgenommen,<br />
> das Unternehmen hat verstärkt mit Subunternehmern<br />
zusammengearbeitet,<br />
> die Umsatzsteuerzahlung <strong>de</strong>r<br />
Jahreserklärung weicht erheblich von<br />
in früheren Jahren gemel<strong>de</strong>ten<br />
Beträgen ab,<br />
> es wer<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>rholt Geschäfte<br />
mit nahestehen<strong>de</strong>n Personen<br />
abgewickelt,<br />
> die letzte Betriebsprüfung hat<br />
Unregelmäßigkeiten bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer<br />
ergeben,<br />
> <strong>de</strong>r Betrieb hatte Geschäftsbeziehungen<br />
mit mittlerweile insolventen<br />
Partnern.<br />
<strong>de</strong>r Umsatzsteuer von Be<strong>de</strong>utung sein<br />
könnten. Beson<strong>de</strong>re Verdachtsmomente<br />
sind dazu nicht erfor<strong>de</strong>rlich. In<br />
<strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>r Nachschau<br />
fällt je<strong>de</strong>r Steuerzahler, <strong>de</strong>r eine<br />
berufliche o<strong>de</strong>r gewerbliche Tätigkeit<br />
ausübt und somit Unternehmer im<br />
Sinne <strong>de</strong>s Umsatzsteuergesetzes ist. Der<br />
Umfang <strong>de</strong>r Kontrollen ist auf umsatzsteuerliche<br />
Sachverhalte beschränkt.<br />
Es ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung<br />
die Anzahl solcher Prüfungen<br />
<strong>de</strong>utlich erhöhen wird. Denn<br />
mit <strong>de</strong>m Steuervereinfachungsgesetz<br />
2011 sind die Befugnisse <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rprüfer<br />
zusätzlich erweitert wor<strong>de</strong>n. So<br />
sind sie jetzt auch berechtigt, auf elektronisch<br />
gespeicherte Aufzeichnungen,<br />
Geschäftspapiere, Bücher, elektronische<br />
Rechnungen und an<strong>de</strong>re Urkun<strong>de</strong>n zuzugreifen.<br />
ProFirma rät: Erledigen Sie Ihre Umsatzsteuerangelegenheiten,<br />
wenn möglich,<br />
auf einem eigens dafür eingerichteten<br />
PC. Diesen kann <strong>de</strong>r Prüfer dann einsehen,<br />
ohne dass er die zahlreichen an<strong>de</strong>ren<br />
Daten zu sehen bekommt, die für<br />
ihn auch von Interesse sind.<br />
Unterschie<strong>de</strong> zur Außenprüfung<br />
und Steuerfahndung<br />
Eine Außenprüfung gemäß <strong>de</strong>n Paragrafen<br />
193 bis 203 <strong>de</strong>r Abgabenordnung<br />
muss stets rechzeitig schriftlich angekündigt<br />
wer<strong>de</strong>n. Diese Ankündigung<br />
58 ProFirma 12 2011
Unternehmen, die hochwertige Freizeitgegenstän<strong>de</strong> wie Yachten vermieten, sind beliebte Ziele <strong>de</strong>r Umsatzsteuerprüfer.<br />
(Prüfungsanordnung) enthält Angaben<br />
zum sachlichen Umfang und Zeitraum<br />
<strong>de</strong>r Prüfung. Der Steuerpflichtige kann<br />
dadurch Zeit gewinnen, dass er gegen<br />
die Prüfungsanordnung Wi<strong>de</strong>rspruch<br />
einlegt. Bis zur Zurückweisung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchs<br />
vergehen in <strong>de</strong>r Regel mehrere<br />
Wochen. Diese Zeit kann <strong>de</strong>r Firmenchef<br />
mithilfe seines Beraters nutzen,<br />
um Argumente zu sammeln, kritische<br />
Vorgänge zu „bereinigen“ o<strong>de</strong>r um noch<br />
vor Erscheinen <strong>de</strong>s Prüfers eine strafbefreien<strong>de</strong><br />
Selbstanzeige zu erstatten,<br />
wenn trotz allem Steuerstrafbestän<strong>de</strong><br />
nicht zu vermei<strong>de</strong>n sind. Der wichtigste<br />
Unterschied zur Steuerfahndung besteht<br />
darin, dass <strong>de</strong>r Prüfer bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuernachschau<br />
nicht berechtigt<br />
ist, alle Unterlagen zu durchsuchen und<br />
bei Bedarf zu beschlagnahmen.<br />
MEHR WISSEN ONLINE<br />
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Weiterführen<strong>de</strong> Informationen und Arbeitshilfen<br />
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Unter an<strong>de</strong>rem:<br />
> Fachbeitrag Umsatzsteuer<br />
> Fachbeitrag Vorsteuerabzug<br />
> Tabelle: Umrechnungskurse 2011<br />
> Übersicht: Bemessungsgrundlage<br />
Lesen Sie mehr unter<br />
www.profirma.<strong>de</strong>/knowledgeStart<br />
Der wohl häufigste Anwendungsfall<br />
<strong>de</strong>r Nachschau ist die Existenzprüfung<br />
bei neu gegrün<strong>de</strong>ten Unternehmen. Der<br />
Prüfer vergewissert sich vor Ort, ob das<br />
Unternehmen, das in <strong>de</strong>r Anlaufphase<br />
regelmäßig hohe Vorsteuerbeträge<br />
geltend macht, unter <strong>de</strong>r offiziellen<br />
Anschrift tatsächlich existiert. Auch<br />
prüft er, ob <strong>de</strong>r Jungunternehmer meist<br />
kostenintensive Anschaffungen wirklich<br />
wie angegeben getätigt hat und betrieblich<br />
nutzt. Die Anmeldung hoher<br />
Vorsteuerbeträge erhöht die Gefahr, in<br />
<strong>de</strong>n Fokus einer Kontrolle zu geraten.<br />
Immer wie<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n Scheinfirmen<br />
aufge<strong>de</strong>ckt, die sich mit fingierten Rechnungen<br />
Vorsteuererstattungsansprüche<br />
erschleichen wollen. Grundsätzlich<br />
wird überprüft, ob die Eingangs- und<br />
Ausgangsrechnungen korrekt sind.<br />
Weitere Anlässe für eine Nachschau<br />
sind folgen<strong>de</strong> Unregelmäßigkeiten:<br />
> das Fehlen von Umsatzsteuervoranmeldungen,<br />
wie<strong>de</strong>rholte Null-Meldungen,<br />
hohe steuerfreie Umsätze,<br />
> beson<strong>de</strong>rs hohe Vorsteuererstattungen,<br />
> häufiger Wechsel zwischen Umsatzsteuerzahlungen<br />
und Vorsteuererstattungen,<br />
> Kontrollmitteilungen an<strong>de</strong>rer<br />
Finanzämter,<br />
> Umsätze mit unterschiedlichen<br />
Steuersätzen,<br />
> starke Umsatzabweichungen vom<br />
Branchendurchschnitt,<br />
> Wechsel <strong>de</strong>r Branche,<br />
> (anonyme) Anzeige,<br />
> unvollständige Angaben auf<br />
Geschäftsbriefen.<br />
Ablauf <strong>de</strong>r Nachschau<br />
Der Prüfer muss sich bei seinem Erscheinen<br />
ausweisen. Soweit notwendig,<br />
müssen ihm die Personen, die von <strong>de</strong>r<br />
Nachschau betroffen sind, angefor<strong>de</strong>rte<br />
Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere<br />
und an<strong>de</strong>re Unterlagen über<br />
Sachverhalte vorlegen, die <strong>de</strong>r Nachschau<br />
unterliegen und entsprechen<strong>de</strong><br />
Auskünfte erteilen. Auch <strong>de</strong>r elektronische<br />
Zugriff muss gewährleistet sein.<br />
Die Mitwirkungspflicht braucht sich<br />
allerdings nur auf umsatzsteuerliche<br />
Aspekte zu beziehen.<br />
Wie sollte sich <strong>de</strong>r Geprüfte verhalten?<br />
Es empfiehlt sich, nach Erscheinen <strong>de</strong>s<br />
Prüfers unverzüglich Kontakt mit <strong>de</strong>m<br />
Steuerberater aufzunehmen, damit dieser<br />
die Nachschau begleiten o<strong>de</strong>r noch<br />
wichtige Hinweise geben kann. Es empfiehlt<br />
sich ferner, sich kooperativ zu<br />
verhalten. Konkrete Fragen <strong>de</strong>s Prüfers<br />
sollten kurz und knapp beantwortet<br />
wer<strong>de</strong>n. Allzu redselige Steuerpflichtige<br />
re<strong>de</strong>n sich nicht selten um Kopf<br />
und Kragen. Der Prüfer sollte genau<br />
erläutern, aus welchen Grün<strong>de</strong>n die<br />
Nachschau stattfin<strong>de</strong>t, und über <strong>de</strong>n<br />
geplanten Umfang seiner Ermittlungen<br />
Auskunft geben.<br />
ProFirma 12 2011<br />
59
Finanzen & Steuern – Steuertipp<br />
Steuerän<strong>de</strong>rungen 2012<br />
Hausaufgaben für das neue Jahr<br />
Zum 1. Januar 2012 treten wie<strong>de</strong>r zahlreiche Neuerungen in Kraft, die sich auf die<br />
Gewinnermittlung bei Betrieben, auf die Lohnabrechnung und auf die private Steuererklärung<br />
auswirken. VON OTTFRIED WEISS<br />
Der Reformeifer <strong>de</strong>s Gesetzgebers in Sachen<br />
Steuerrecht war in diesem Jahr gebremst.<br />
Dennoch müssen Firmenchefs<br />
wie<strong>de</strong>r eine Reihe neuer Vorschriften<br />
berücksichtigen. Hier ein erster Überblick,<br />
was steuerlich am 1. Januar 2012<br />
auf Unternehmer zukommt und wie sie<br />
darauf reagieren sollten.<br />
Gewerbesteuervorauszahlungen<br />
Unternehmer durften bis zum Jahr<br />
2011 Kin<strong>de</strong>rbetreuungskosten in Höhe<br />
von zwei Dritteln, höchstens 4.000 Euro<br />
im Jahr, als Betriebsausgaben von ihrem<br />
Gewinn abziehen. Vorteil: Dadurch<br />
min<strong>de</strong>rte sich auch die Gewerbesteuerbelastung.<br />
Von 2012 an ist ein Betriebsausgabenabzug<br />
für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />
nicht mehr zulässig.<br />
ProFirma rät: Um 2012 Nachzahlungen<br />
zu vermei<strong>de</strong>n, sollten Sie beim Finanzamt<br />
die Anpassung <strong>de</strong>r Gewerbesteuervorauszahlungen<br />
– ohne Einbeziehung<br />
<strong>de</strong>r Gewerbesteuer – beantragen.<br />
E-Bilanz<br />
Für das Wirtschaftsjahr 2012 erwartet<br />
das Finanzamt nach <strong>de</strong>n Buchstaben<br />
<strong>de</strong>s Gesetzes eigentlich die elektronische<br />
Übermittlung <strong>de</strong>r Bilanzdaten.<br />
Doch in einem Infoschreiben hat<br />
das Bun<strong>de</strong>sfinanzministerium klargestellt,<br />
dass noch keine Konsequenzen<br />
drohen, wenn die Bilanz für 2012 ein<br />
weiteres Mal in Papierform beim Finanzamt<br />
eingeht.<br />
ProFirma rät: Nutzen Sie diese Frist, um<br />
Ihre Software Schritt für Schritt anzupassen,<br />
und lassen Sie Ihr Personal<br />
schulen, damit Sie die Bilanz vom 1. Januar<br />
2013 an nach <strong>de</strong>m E-Bilanz-Standard<br />
erstellen können.<br />
Lohnsteuerkarte 2010<br />
Der Abruf <strong>de</strong>r elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale<br />
startet wegen<br />
technischer Probleme nicht wie vorgesehen<br />
zum 1. Januar 2012, son<strong>de</strong>rn<br />
wohl erst im zweiten Quartal 2012.<br />
Wenn Sie beim Lohnabzug auf Nummer<br />
Sicher gehen wollen, sollten Sie die<br />
Lohnsteuerkarte 2010 aufbewahren, die<br />
auch noch 2011 gültig ist.<br />
ProFirma rät: Nur wenn Ihnen ein Mitarbeiter<br />
einen aktuellen Ausdruck <strong>de</strong>r<br />
Lohnsteuerabzugsmerkmale <strong>de</strong>s Finanzamts<br />
aushändigt, sollten Sie <strong>de</strong>n<br />
Lohnsteuerabzug basierend auf diesen<br />
Daten vornehmen. Ohne aktualisierte<br />
Unterlagen gelten die Daten <strong>de</strong>r Lohnsteuerkarte<br />
2010 weiter.<br />
Verbindliche Auskunft<br />
Bei verbindlichen Auskünften mit<br />
einem Gegenstandswert von weniger<br />
als 10.000 Euro o<strong>de</strong>r bei einer Bearbeitungszeit<br />
von weniger als zwei Stun<strong>de</strong>n<br />
fallen im kommen<strong>de</strong>n Jahr keine Gebühren<br />
mehr an. Zu<strong>de</strong>m erheben die Finanzämter<br />
keine Gebühren mehr, wenn<br />
die verbindliche Auskunft zurückgezogen<br />
wird.<br />
ProFirma rät: Im internen Schreiben einer<br />
Finanzbehör<strong>de</strong> heißt es, dass diese<br />
Neuregelungen bereits für verbindliche<br />
Auskünfte greifen, die nach <strong>de</strong>m 4. Januar<br />
2011 beim Finanzamt eingegangen<br />
sind.<br />
Riester-Vertrag<br />
Haben Sie einen Riester-Vertrag abgeschlossen,<br />
weil Ihnen als Ehegatte ein<br />
abgeleiteter Riester-Anspruch zusteht,<br />
mussten Sie bisher keinen Euro Beitrag<br />
zahlen. Von 2012 an müssen Sie Min<strong>de</strong>stbeiträge<br />
von 60 Euro im Jahr entrichten,<br />
sonst erhalten Sie keine Riester-<br />
Zulagen.<br />
Sanierungsklausel wird<br />
suspendiert<br />
Im Entwurf <strong>de</strong>s Beitreibungsrichtlinien-<br />
Umsetzungsgesetzes fin<strong>de</strong>t sich eine<br />
interessante Passage zur Sanierungsklausel<br />
bei Kapitalgesellschaften nach<br />
Paragraf 8c Abs. 1a KStG. Diese Passage<br />
wur<strong>de</strong> jedoch im Paragrafen 34 Abs. 7c<br />
KStG gut versteckt. Die Sanierungsklausel,<br />
nach <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Übernahme<br />
von Anteilen im Sanierungsfall die<br />
Verluste auf <strong>de</strong>n neuen Anteilseigner<br />
übergingen, wur<strong>de</strong> rückwirkend wegen<br />
Einwendungen <strong>de</strong>r EU-Kommission gekippt.<br />
Der neu eingefügte Paragraf 34<br />
Abs. 7c Sätze 3 und 4 KStG sieht danach<br />
Folgen<strong>de</strong>s vor: Sollte <strong>de</strong>r EuGH feststellen,<br />
dass die Sanierungsklausel keine<br />
staatliche Beihilfe ist, wird die Regelung<br />
60 ProFirma 12 2011
für alle offenen Steuerfälle rückwirkend<br />
wie<strong>de</strong>r eingeführt.<br />
Stichtag 1. Januar 2012<br />
Steuerzahler müssen alle steuerlich relevanten<br />
Unterlagen zwischen sechs und<br />
zehn Jahren aufbewahren. Die Aufbewahrung<br />
for<strong>de</strong>rt oft viel Platz, <strong>de</strong>r eigentlich<br />
besser für <strong>de</strong>n Betrieb genutzt wer<strong>de</strong>n<br />
könnte. Doch zum 1. Januar 2012<br />
laufen wie<strong>de</strong>r Aufbewahrungspflichten<br />
aus. Die Unterlagen aus längst vergangenen<br />
Jahren dürfen danach entsorgt<br />
wer<strong>de</strong>n. Fragt sich nur, für welche Jahre<br />
die Unterlagen in <strong>de</strong>n Reißwolf dürfen?<br />
Folgen<strong>de</strong> Spielregeln müssen Sie beachten:<br />
Die sechs- o<strong>de</strong>r zehnjährige Aufbewahrungspflicht<br />
beginnt mit Ablauf<br />
<strong>de</strong>s Jahres, in <strong>de</strong>m die Unterlagen ein<br />
letztes Mal für die Erstellung <strong>de</strong>s Jahresabschlusses<br />
verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n. Konkret:<br />
Haben Sie <strong>de</strong>n Jahresabschluss für 1999<br />
beispielsweise im Jahr 2001 erstellt, beginnt<br />
die zehnjährige Aufbewahrungspflicht<br />
für diese Unterlagen am 1. Januar<br />
2002 und en<strong>de</strong>t am 31. Dezember 2011.<br />
Die Unterlagen für 1999 können Sie also<br />
entsorgen.<br />
Elektronische<br />
Ausgangsrechnungen<br />
Im Steuervereinfachungsgesetz 2011<br />
wur<strong>de</strong>n rückwirkend zum 1. Juli 2011<br />
die Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug<br />
bei elektronischen Rechnungen<br />
entschärft. Für <strong>de</strong>n Vorsteuerabzug<br />
muss die elektronische Rechnung nun<br />
keine digitale Signatur mehr enthalten.<br />
Unternehmer, die viele Ausgangsrechnungen<br />
verschicken, sollten <strong>de</strong>shalb<br />
prüfen, ob sich die Umstellung von Papierrechnung<br />
auf <strong>de</strong>n elektronischen<br />
Rechnungsversand lohnt. Meist ist das<br />
aus folgen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Fall:<br />
> Kostenersparnis: weniger Tinte,<br />
Papier, Porto,<br />
> Zeitersparnis,<br />
> schnellere Übermittlung und somit<br />
schnellere Bezahlung <strong>de</strong>r Rechnung.<br />
Unter elektronische Rechnungen fallen<br />
alle Rechnungen per E-Mail, per Datei,<br />
per USB-Stick o<strong>de</strong>r Rechnungen, die auf<br />
ein Computer-Fax verschickt wer<strong>de</strong>n.<br />
Steuerfreiheit von Stipendien<br />
Bisher sind nur die Stipendien steuerfrei,<br />
die „unmittelbar“ aus öffentlichen<br />
Mitteln o<strong>de</strong>r von zwischenstaatlichen<br />
o<strong>de</strong>r überstaatlichen Einrichtungen,<br />
<strong>de</strong>nen die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
als Mitglied angehört, zur För<strong>de</strong>rung<br />
und Forschung gewährt wer<strong>de</strong>n. Von<br />
2011 an erstreckt sich die Streuerfreiheit<br />
<strong>de</strong>s Paragrafen 3 Nr. 44 EStG auch<br />
auf Stipendien, die nur „mittelbar“ <strong>de</strong>m<br />
geför<strong>de</strong>rten Zweck zugute kommen.<br />
KURZ NOTIERT<br />
Altersvorsorge: Für Beiträge in einen<br />
Rürup-Vertrag kommt im Jahr 2012 ein<br />
Son<strong>de</strong>rausgabenabzug von 74 Prozent<br />
<strong>de</strong>r Beiträge in Betracht. Tipp: Haben<br />
Sie <strong>de</strong>n Vertrag bereits vor <strong>de</strong>m Jahr<br />
2010 abgeschlossen, wan<strong>de</strong>ln Sie diesen<br />
unbedingt noch bis spätestens 31.<br />
Dezember 2011 in einen zertifizierten<br />
Vertrag um. An<strong>de</strong>rnfalls verlieren Sie<br />
rückwirkend von 2010 an Ihren Son<strong>de</strong>rausgabenabzug<br />
für die Beitragszahlungen.<br />
Auslandssachverhalte: Beteiligen Sie<br />
sich an einer Firma im Ausland o<strong>de</strong>r<br />
grün<strong>de</strong>n in einem an<strong>de</strong>ren Land eine<br />
Firma, müssen Sie das von 2012 an<br />
spätestens nach fünf Monaten beim<br />
Finanzamt anzeigen (Paragraf 138<br />
AO). An<strong>de</strong>rnfalls droht eine Strafzahlung.<br />
Mahlzeiten: Die Sachbezugswerte für<br />
die Gewährung von Mahlzeiten beträgt<br />
im Jahr 2012 für ein Frühstück<br />
weiterhin 1,57 Euro, für ein Mittagessen<br />
und ein Aben<strong>de</strong>ssen jeweils 2,87<br />
Euro (bisher 2,83 Euro). Passen Sie<br />
diese Werte in Ihrer Lohnbuchhaltung<br />
an.<br />
Mehr Informationen = weniger Risiko!<br />
Im heutigen Geschäftsleben führen nur fundierte und hochaktuelle Informationen zum Erfolg.<br />
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Finanzen & Steuern<br />
Ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttung<br />
GMBH-CHEF<br />
Fiskus bestimmt beim Gehalt mit<br />
Die ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttung ist für je<strong>de</strong> GmbH ein Albtraum, weil hohe<br />
Steuernachzahlungen drohen. Gesellschafter-Geschäftsführer sollten Steuerbeschei<strong>de</strong><br />
genau prüfen lassen und sich notfalls gerichtlich wehren. VON LOTHAR VOLKELT<br />
Zunächst hielt <strong>de</strong>r Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
einer GmbH <strong>de</strong>n Steuerbescheid<br />
für einen <strong>de</strong>r fast schon<br />
üblichen Irrläufer aus <strong>de</strong>m Finanzamt.<br />
Aber dann musste er sich von seinem<br />
Steuerberater nach einem Telefonat mit<br />
<strong>de</strong>m Finanzamt belehren lassen: „Die<br />
wollen Schenkungsteuer von Ihnen.“<br />
Und zwar zusätzlich zur Steuernachzahlung<br />
aus einer sogenannten ver<strong>de</strong>ckten<br />
Gewinnausschüttung (vGA).<br />
In <strong>de</strong>r Tat: Diese steuerliche Einschätzung<br />
<strong>de</strong>s Finanzamts auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />
eines entsprechen<strong>de</strong>n Schreibens <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sfinanzministeriums (BStBl. I, S.<br />
1207) war ein weiterer Höhepunkt in<br />
<strong>de</strong>n Wirrungen um diese Steuerfalle.<br />
Was ist eigentlich eine „ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttung“?<br />
Im besten Juristen<strong>de</strong>utsch<br />
heißt es in einem BFH-Urteil<br />
vom 22. Februar 1989 (Az: IR 44/85):<br />
„Die ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttung<br />
ist eine Vermögensmin<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r<br />
verhin<strong>de</strong>rte Vermögensmehrung, die<br />
durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst<br />
ist, sich auf die Höhe <strong>de</strong>s Einkommens<br />
auswirkt und nicht auf einem <strong>de</strong>n<br />
gesellschaftsrechtlichen Vorschriften<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Gewinnverteilungsbeschluss<br />
beruht.“ In <strong>de</strong>r Verwaltungspraxis<br />
be<strong>de</strong>utet das: Bei Unklarheiten<br />
stellt das Finanzamt schnell eine vGA<br />
fest und verschickt <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Steuerbescheid nach <strong>de</strong>m Motto: Der<br />
betroffene Steuerzahler kann sich ja ans<br />
Finanzgericht wen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Sachverhalt<br />
gerichtlich klären lassen, wenn<br />
ihm <strong>de</strong>r Bescheid nicht passt.<br />
Der Ermessensspielraum, <strong>de</strong>n das Finanzamt<br />
bei <strong>de</strong>r Auslegung dieser<br />
Rechtsvorschrift hat, ist groß:<br />
> Mal sind die Formvorschriften für<br />
Zahlungen <strong>de</strong>r GmbH an <strong>de</strong>n Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
nicht korrekt<br />
eingehalten,<br />
> mal wer<strong>de</strong>n Leistungen <strong>de</strong>r GmbH an<br />
<strong>de</strong>n Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
in „unüblicher“ Höhe anhand mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger verlässlicher Vergleichszahlen<br />
moniert (Gehalt, Tantieme,<br />
Zahlungen für die Alterssicherung),<br />
> o<strong>de</strong>r per Erlass wird das Gesetz ganz<br />
einfach neu interpretiert.<br />
Dabei sind die Folgen für <strong>de</strong>n Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
enorm. Neben<br />
<strong>de</strong>r Lohnsteuer, die er für sein Gehalt<br />
zahlen muss, fallen für <strong>de</strong>n als unangemessen<br />
veranlagten Teil <strong>de</strong>s Gehalts<br />
15 Prozent Körperschaftsteuer und<br />
Gewerbesteuer sowie 25 Prozent Abgeltungsteuer<br />
an. Das summiert sich zu<br />
einer Steuerbelastung von 60 Prozent<br />
und mehr. Im obigen Beispielfall käme<br />
noch zusätzlich Schenkungsteuer hinzu.<br />
Die Strafsteuer muss er auch dann<br />
entrichten, wenn es sich um eine irrtümliche<br />
Auszahlung han<strong>de</strong>lt, weil eine<br />
vGA regelmäßig nicht mehr rückgängig<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Foto: Finanzamt<br />
62 ProFirma 12 2011
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Finanzen & Steuern<br />
volumen von 20 Millionen Euro zu<br />
viel sind. Folge: Nicht mehr <strong>de</strong>r Markt<br />
entschei<strong>de</strong>t, wie viel <strong>de</strong>r Geschäftsführer<br />
verdienen darf. Vielmehr darf das<br />
Finanzamt genau hochrechnen, wie viel<br />
je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r drei Geschäftsführer verdienen<br />
darf – und zwar anhand <strong>de</strong>ssen, was<br />
ein Geschäftsführer allein in einer Firma<br />
dieser Größenordnung verdient.<br />
Nur wer sich wehrt,<br />
kommt zu seinem Recht<br />
Dazu gibt das Gericht eine höchst<br />
genaue Rechenmetho<strong>de</strong> vor. Es gilt:<br />
Nicht <strong>de</strong>r dreifache Verdienst <strong>de</strong>s für<br />
die GmbH-Größe angemessenen Geschäftsführer-Gehalts<br />
ist steuerlich<br />
zulässig. Laut Finanzgericht ist <strong>de</strong>r<br />
„verdreifachte Vergleichswert um 30<br />
Prozent zu reduzieren“.<br />
Beispiel: Eine Bau-GmbH mit einem<br />
Geschäftsführer, 50 Mitarbeitern und<br />
zehn bis 20 Millionen Umsatz zahlt<br />
einem Geschäftsführer laut Branchenvergleich<br />
rund 160.000 Euro. Hat die<br />
gleiche GmbH drei Geschäftsführer<br />
Dass es sich bei <strong>de</strong>r vGA und <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n<br />
Besteuerungspraxis nicht um<br />
Einzelfälle han<strong>de</strong>lt, belegen zahlreiche<br />
Finanzgerichtsurteile dazu. Inhaltlich<br />
geht es dabei um nahezu alle Zahlungen,<br />
die zwischen <strong>de</strong>r GmbH und<br />
ihren Gesellschaftern möglich sind.<br />
Das reicht von A wie Abfindungszahlungen<br />
beim Ausschei<strong>de</strong>n über Beiträge<br />
zur Pensionsrückstellung und zu<br />
Vergütungen für ein nachvertragliches<br />
Wettbewerbsverbot bis Z wie überhöhte<br />
Zinszahlungen für ein Darlehen,<br />
das <strong>de</strong>r Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
seiner GmbH gewährt hat. Wer die<br />
Fachliteratur studiert, fin<strong>de</strong>t Monat für<br />
Monat neue Fälle, in <strong>de</strong>nen sich die Finanzgerichte<br />
mit Streitfragen zwischen<br />
<strong>de</strong>n örtlichen Finanzämtern und <strong>de</strong>n<br />
GmbH-Gesellschaftern um die steuerliche<br />
Behandlung von Zahlungen<br />
– meist um die Höhe <strong>de</strong>s gezahlten Gesamtgehalts<br />
– streiten.<br />
Jüngstes Beispiel: Das Finanzgericht<br />
<strong>de</strong>s Saarlan<strong>de</strong>s entschied, dass drei Geschäftsführer<br />
für eine Kfz-Han<strong>de</strong>ls- und<br />
Reparatur-GmbH mit einem Umsatzdarf<br />
je<strong>de</strong>r Geschäftsführer maximal<br />
(160.000 x 3) x 0,7 x 0,33 = 110.000 Euro<br />
verdienen, vorbehaltlich beson<strong>de</strong>rer<br />
Grün<strong>de</strong>. Die muss dann <strong>de</strong>r Steuerberater<br />
liefern.<br />
Ständige Rechtsprechung <strong>de</strong>r Finanzgerichte<br />
ist allerdings auch, dass die Finanzämter<br />
dazu angehalten sind, je<strong>de</strong>n<br />
Einzelfall zu prüfen. Im Umkehrschuss<br />
heißt das: Betroffene Unternehmen und<br />
Gesellschafter haben einen Anspruch<br />
darauf, dass ihr Einzelfall gründlich geprüft,<br />
analysiert und je<strong>de</strong> Beson<strong>de</strong>rheit<br />
individuell gewürdigt wird. Passiert<br />
das nicht, müssen die Firmenleiter zur<br />
Selbsthilfe greifen und sich wehren –<br />
verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m vollen Kostenrisiko<br />
und <strong>de</strong>r Gewissheit, dass die nächste<br />
Betriebsprüfung beson<strong>de</strong>rs kritisch ausfallen<br />
dürfte.<br />
Übrigens: Dass auf eine vGA auch noch<br />
Schenkungsteuer gezahlt wer<strong>de</strong>n muss,<br />
ist laut mündlicher BMF-Ankündigung<br />
unter<strong>de</strong>ssen vom Tisch. Die offizielle<br />
Aussetzung <strong>de</strong>s zitierten Finanzerlasses<br />
steht allerdings noch aus. Es bleibt also<br />
spannend.<br />
Checkliste: Was tun, wenn das Finanzamt<br />
eine ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttung feststellt?<br />
Das passiert:<br />
Die Finanzbehör<strong>de</strong> unterstellt eine ver<strong>de</strong>ckte<br />
Gewinnausschüttung (vGA) und<br />
lässt <strong>de</strong>r GmbH einen entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Steuerbescheid zukommen.<br />
Rechtsposition begrün<strong>de</strong>n<br />
Ablehnung <strong>de</strong>s<br />
Einspruchs durch das Finanzamt<br />
Überprüfung <strong>de</strong>s<br />
Sachverhalts durch<br />
eine Klage vor <strong>de</strong>m<br />
Finanzgericht<br />
Ablehnung<br />
Ihres Klagebegehrens<br />
Maßnahmen:<br />
> Sie informieren Ihren Steuerberater.<br />
> Sie legen Einspruch gegen <strong>de</strong>n Steuerbescheid ein.<br />
> Sie beantragen Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung.<br />
> Beachten Sie die Frist zur Vorlage Ihrer Stellungnahme/Begründung.<br />
> Lassen Sie <strong>de</strong>n monierten Vorgang anhand <strong>de</strong>r dazu ergangenen Rechtsprechung vom Steuerberater prüfen.<br />
> Formulieren Sie Ihre Stellungnahme/Begründung unter Hinzuziehung Ihres Steuerberaters.<br />
> Ziehen Sie in komplizierten Fällen einen Fachanwalt für Steuerrecht hinzu.<br />
> Prüfen Sie die Ablehnungsgrün<strong>de</strong> zusammen mit Ihrem Steuerberater.<br />
> Prüfen Sie die in <strong>de</strong>r Ablehnung zitierten Rechtsnormen/Urteile/Erlasse.<br />
> Lassen Sie die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Klage durch Ihren steuerlichen Berater o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Fachanwalt für Steuerrecht prüfen.<br />
> Beauftragen Sie <strong>de</strong>n Steuerberater o<strong>de</strong>r Fachanwalt für Steuerrecht mit <strong>de</strong>r Klageerhebung.<br />
> Stellen Sie die klageerheblichen Unterlagen (Verträge, Protokolle, sonstige schriftlich Aufzeichnungen,<br />
Gedächtnisprotokolle) zusammen.<br />
> Begrün<strong>de</strong>n Sie die Klage<br />
> Bereiten Sie mit Ihrem Anwalt und <strong>de</strong>m Steuerberater die mündliche Verhandlung vor.<br />
> Prüfen Sie, ob Prozesskostenhilfe beansprucht wer<strong>de</strong>n kann.<br />
> Sofern Revision zugelassen: Lassen Sie die faktische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Steuerfalls bewerten (Höhe <strong>de</strong>s strittigen<br />
Betrags, Dauer <strong>de</strong>s voraussichtlichen Verfahrens, grundsätzliche Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Falls usw.), und entschei<strong>de</strong>n Sie<br />
nach wirtschaftlichen Kriterien, ob Sie Revision einlegen wollen.<br />
> Lassen Sie die Erfolgswahrscheinlichkeit anhand <strong>de</strong>r zum Fall vorliegen<strong>de</strong>n Rechtsprechung prüfen.<br />
> Prüfen Sie, ob Verfahrensfehler vorliegen.<br />
> Legen Sie Revision vor <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sfi nanzhof ein.<br />
> Prüfen Sie, ob Prozesskostenhilfe beansprucht wer<strong>de</strong>n kann.<br />
64 ProFirma 12 2011
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Mobile Website o<strong>de</strong>r App?<br />
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Der richtige Einstieg<br />
Der Hype um Smartphones und Tablet-PCs hat <strong>de</strong>n Markt für mobile Anwendungen<br />
befeuert. Apps gehören heute zum guten Ton. Dabei sind mobile Websites gera<strong>de</strong> für<br />
kleine Unternehmen meist besser geeignet. VON KARSTEN ZUNKE<br />
Einen Heizkessel netzwerkfähig zu machen und an ein DSL-<br />
Mo<strong>de</strong>m anzuschließen, hat viele Vorteile; zumin<strong>de</strong>st für<br />
Wohnungsinhaber, die über ein Smartphone verfügen. Der<br />
Heiztechniksystemhersteller Viessmann hat eine Applikation<br />
für Smartphones auf <strong>de</strong>n Markt gebracht, mit <strong>de</strong>r sich die Heizung<br />
über eine mobile Internet-Verbindung steuern lässt. Die<br />
Bedienoberfläche <strong>de</strong>r „Vitotrol App“ entspricht dabei <strong>de</strong>m<br />
Farb-Touch-Display <strong>de</strong>r herkömmlichen Fernbedienung.<br />
Raumtemperatur, „Party“- o<strong>de</strong>r Sparbetrieb sowie verschie<strong>de</strong>ne<br />
an<strong>de</strong>re Betriebsprogramme können je<strong>de</strong>rzeit von unterwegs<br />
kontrolliert und eingestellt wer<strong>de</strong>n. Auch Bu<strong>de</strong>rus und<br />
an<strong>de</strong>re Heiztechnikanbieter haben diesen Trend erkannt und<br />
setzen auf Apps.<br />
Je<strong>de</strong>s dritte in Westeuropa neu verkaufte Mobiltelefon ist bereits<br />
internet-fähig – also ein Smartphone. Ten<strong>de</strong>nz steigend.<br />
Doch die mo<strong>de</strong>rnen Taschencomputer funktionieren je nach<br />
Hersteller mit unterschiedlichen Betriebssystemen, also müssen<br />
Apps für je<strong>de</strong>s System neu programmiert wer<strong>de</strong>n. Viele<br />
Firmen wollen mit einer iPhone-App starten und ziehen mit<br />
einer App für das aufstreben<strong>de</strong> Google-Betriebssystem Android<br />
nach. Immer öfter raten Experten, mehrere Systeme abzu<strong>de</strong>cken.<br />
Neben Apple und Google sind beispielsweise auch<br />
die Betriebssysteme von Blackberry und Microsoft-Handys<br />
interessant. Das be<strong>de</strong>utet: Aufwand und Kosten für die Programmierung<br />
summieren sich im Laufe <strong>de</strong>r Zeit beträchtlich,<br />
<strong>de</strong>nn auch die Pflege und Aktualisierung muss für je<strong>de</strong> App<br />
einzeln bewerkstelligt wer<strong>de</strong>n. Hinzu kommt: Wer gefun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n will, muss seine App vermarkten – das kostet ebenfalls<br />
Zeit und Geld.<br />
Mobile Websites meist günstiger<br />
Deshalb rät Florian Fischer, Geschäftsführer <strong>de</strong>s Münchner<br />
IT-Dienstleisters Royalmedia, vielen seiner Kun<strong>de</strong>n zu einer<br />
mobilen Website. „Wenn mehrere Plattformen abge<strong>de</strong>ckt<br />
wer<strong>de</strong>n sollen, ist die mobile Website meist günstiger“, sagt<br />
Fischer. Denn eine mobile Website wird einfach über <strong>de</strong>n<br />
Internet-Browser angesteuert und funktioniert unabhängig<br />
vom Betriebssystem <strong>de</strong>s Smartphones. Eine mobile Website<br />
darf aber nicht einfach eine originalgetreue Abbildung ihres<br />
klassischen Vorbilds sein. Statt<strong>de</strong>ssen sollte man sie bewusst<br />
„entschlacken“ und sich auf die wirklich wichtigen Funktionen<br />
und Informationen beschränken. Informationen generell<br />
gut lesbar darstellen und alles Unwichtige weglassen – das<br />
ist das Motto im mobilen Web. Ansonsten wird es auf <strong>de</strong>n<br />
kleinen Smartphone-Displays schnell unübersichtlich.<br />
Apps brauchen mehr Pflege<br />
Auch Kira Song, Geschäftsführerin <strong>de</strong>s App-Spezialisten Appadvisors<br />
in München, wür<strong>de</strong> gera<strong>de</strong> kleinen Unternehmen aus<br />
Kostengrün<strong>de</strong>n im ersten Schritt zu einer mobilen Version<br />
<strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Website raten – vor allem, wenn sie zunächst<br />
nur Informationen über ihr Unternehmen mobil zugänglich<br />
machen wollen. „Eine App sollte man immer wie ein Produkt<br />
betrachten, das gepflegt, vermarktet und weiterentwickelt<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Eine Unternehmens-Website hingegen dient<br />
<strong>de</strong>r Präsentation eines Unternehmens“, so Song. „Je<strong>de</strong>r Unternehmer<br />
sollte sich zuerst fragen, wie Interessenten auf eigene<br />
Angebote aufmerksam wer<strong>de</strong>n. Wenn Nutzer beispielsweise<br />
via Smartphone im Internet eine günstige Pension suchen,<br />
wer<strong>de</strong>n sie Suchmaschinen befragen und keine Recherche in<br />
einem App-Store starten“, erklärt Song die Problematik. In<br />
vielen Fällen sei daher eine mobile Website sinnvoll.<br />
An<strong>de</strong>rs wür<strong>de</strong> man die Frage „App o<strong>de</strong>r Website?“ wahrscheinlich<br />
beantworten, wenn man seinen Bestandskun<strong>de</strong>n<br />
einen Mehrwert bieten und sich als Partner profilieren möchte<br />
– wie beispielsweise das Schweizer Familienunternehmen<br />
Sax Farben. Sax hat eine App entwickeln lassen, mit <strong>de</strong>r sich<br />
die Nutzer beim Blick durch die Smartphone-Kamera mit ein<br />
paar Fingertipps virtuell ihre Wän<strong>de</strong> bunt anstreichen können<br />
– in <strong>de</strong>n Farbnuancen <strong>de</strong>s Anbieters.<br />
66 ProFirma 12 2011
Wer in einem App-Store unter 500.000 Apps auffallen möchte,<br />
muss geschickt vorgehen. „Eine App wird heruntergela<strong>de</strong>n,<br />
wenn man die richtige Kategorie, ein gutes Icon und einen<br />
prägnanten Titel gewählt und <strong>de</strong>n richtigen Preis festgesetzt<br />
hat“, erläutert Jan Söhlke, Inhaber <strong>de</strong>r IT-Beratung i-Worx aus<br />
Hohenhameln und Braunschweig (siehe Interview auf Seite<br />
69). Insbeson<strong>de</strong>re beim Preis sollten Unternehmer aufpassen.<br />
Das Problem: Viele Leute la<strong>de</strong>n kostenlose Apps nur herunter,<br />
um sie auszuprobieren, löschen sie schnell wie<strong>de</strong>r und geben<br />
im schlimmsten Fall eine schlechte Bewertung ab. In einigen<br />
Fällen empfiehlt Söhlke seinen Kun<strong>de</strong>n daher, die Apps kostenpflichtig<br />
anzubieten. „Wer seine App im App-Store nach<br />
vorn bringen möchte, sollte außer<strong>de</strong>m alle Marketing- und<br />
PR-Aktivitäten auf <strong>de</strong>n ersten Tag konzentrieren“, rät Söhlke.<br />
Denn wer bei <strong>de</strong>n Neuerscheinungen sichtbar ist, schafft<br />
es auch in an<strong>de</strong>re Kategorien aufzusteigen, so die Erfahrung.<br />
Experten schätzen, dass für Pflege, Updates und Vermarktung<br />
min<strong>de</strong>stens noch einmal die gleiche Summe einkalkuliert<br />
wer<strong>de</strong>n muss wie für die Entwicklung einer App. Ein kostspieliges<br />
Unterfangen.<br />
Die „Vermarktung“ einer mobilen Website orientiert sich<br />
dagegen an <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen klassischer Websites und ist<br />
vergleichsweise unkompliziert: Damit diese gut gefun<strong>de</strong>n<br />
wird, sind Suchmaschinenoptimierung und Suchmaschinen-<br />
Advertising ratsam (SEO und SEA, siehe Glossar). Der Vorteil:<br />
Das Unternehmen kann dabei auf die Erfahrungen zurück-<br />
Druck im Kessel: Viessmann hat eine Applikation für<br />
Smartphones auf <strong>de</strong>n Markt gebracht, mit <strong>de</strong>r sich die<br />
Heizung übers Internet steuern lässt.<br />
GLOSSAR<br />
APP<br />
Die Abkürzung steht für das englische Wort „Application“.<br />
Im Mobile Marketing versteht man darunter<br />
Zusatzprogramme, die sich Nutzer auf ihre internetfähigen<br />
Smartphones la<strong>de</strong>n können.<br />
HTML 5<br />
HTML 5 ist die Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Hypertext Markup<br />
Language (HTML), einer Programmiersprache für<br />
Websites. Sie befin<strong>de</strong>t sich noch in <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
und soll zahlreiche Funktionen direkt unterstützen –<br />
beispielsweise Vi<strong>de</strong>o, Audio und dynamische Grafiken.<br />
MOBILE WEBSITE<br />
Das mobile Pendant zur klassischen Website. Sie ist<br />
für kleine Displays (z.B. Smartphones) optimiert, wird<br />
über einen Browser angesteuert und von Suchmaschinen<br />
gefun<strong>de</strong>n.<br />
MOBILE SEO<br />
Für die Suchmaschinenoptimierung (Search-Engine-<br />
Optimization, SEO) gelten im Prinzip die gleichen Regeln<br />
wie im klassischen Web. Das kleine Display rückt<br />
die Top-Platzierungen jedoch stärker in <strong>de</strong>n Fokus. Oft<br />
muss bereits ab Suchtreffer drei gescrollt wer<strong>de</strong>n.<br />
MOBILE SEA<br />
Mobile Suchmaschinenwerbung (Search-Engine-Advertising,<br />
SEA) sollte speziell für mobile Endgeräte<br />
konzipiert wer<strong>de</strong>n. Doch <strong>de</strong>r Wettbewerb ist hart, für<br />
die mobilen Textanzeigen stehen nur fünf Anzeigenplätze<br />
zur Verfügung (bei Desktop-Kampagnen sind es<br />
zehn).<br />
NATIVE APP<br />
Eine native App wird explizit für ein bestimmtes Smartphone-Betriebssystem<br />
programmiert. Um sie zu aktualisieren,<br />
muss <strong>de</strong>r Nutzer ein Update herunterla<strong>de</strong>n.<br />
WEB APP<br />
Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich streng genommen nicht um<br />
eine App, son<strong>de</strong>rn um eine mobile Website, die wie<br />
eine App anmutet. Sie kann über <strong>de</strong>n Browser angesteuert<br />
wer<strong>de</strong>n. Meist kann ein Lesezeichen im App-<br />
Look auf <strong>de</strong>m Smartphone gespeichert wer<strong>de</strong>n.<br />
ProFirma 12 2011<br />
Foto: Viessmann Werke GmbH & Co. KG<br />
67
IT & Investition – Special Business Digital<br />
Wichtige Kriterien auf einen Blick<br />
Mobile Website und App unterschei<strong>de</strong>n sich nicht nur in <strong>de</strong>r Programmierung.<br />
Wo sie ihre Stärken ausspielen, zeigt diese Übersicht.<br />
Mobile App Mobile Website<br />
Auffindbarkeit Im Appstore Über Suchmaschinen<br />
Nutzung von Smartphone-Funktionen<br />
(Kamera, GPS, Sensoren)<br />
Optimal<br />
Nur bedingt möglich<br />
Usability Optimal La<strong>de</strong>zeiten können<br />
Seitenaufbau verzögern<br />
Offline nutzbar Ja Nein<br />
Abhängig vom Smartphone-Betriebssystem<br />
Än<strong>de</strong>rungen und Optimierungen<br />
in Echtzeit?<br />
Kosten<br />
Ja<br />
Nein, nur via Update <strong>de</strong>s<br />
Nutzers<br />
Hoch (Entwicklung,<br />
App-Vermarktung, Pfl ege,<br />
je<strong>de</strong>s Betriebssystem<br />
erfor<strong>de</strong>rt eigene App)<br />
Nein<br />
Ja<br />
Mo<strong>de</strong>rat, für einfache<br />
Websites sehr gering<br />
Sax Farben hat eine App entwickelt, mit <strong>de</strong>r sich die Nutzer<br />
beim Blick durch die Smartphone-Kamera mit ein paar<br />
Fingertipps virtuell ihre Wän<strong>de</strong> bunt anstreichen können.<br />
greifen, die es mit <strong>de</strong>r klassischen Website gemacht hat (z.B.<br />
häufig gesuchte Begriffe, Keywords o<strong>de</strong>r Produkte entsprechend<br />
nutzen).<br />
Trotz<strong>de</strong>m lassen sich auch mit schmalen Budgets Apps einsetzen.<br />
So bietet zum Beispiel <strong>de</strong>r Münchner Dienstleister Royalmedia<br />
seine Business-Apps explizit für kleine Unternehmen<br />
an. Relevante Basisfunktionen sind bereits vorkonfiguriert.<br />
Neben einer Startseite mit <strong>de</strong>n wichtigsten gängigen Navigationspunkten<br />
sind auch häufig verwen<strong>de</strong>te Funktionen wie<br />
Produktübersichten, News o<strong>de</strong>r ein „Empfehlen-Button“ in<br />
<strong>de</strong>r Basis-Applikation enthalten.<br />
Intern gewinnt die App<br />
„Diese Apps bieten gängige Funktionen von <strong>de</strong>r Stange, die<br />
man je<strong>de</strong>rzeit erweitern kann“, erläutert Royalmedia-Geschäftsführer<br />
Fischer. Die Applikationen können individuell<br />
mit Informationen gefüllt und mithilfe eines Content-Managementsystems<br />
vom Anwen<strong>de</strong>r selbst aktualisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Es ist keine Konzeption, Entwicklung und eigenständige<br />
Programmierung erfor<strong>de</strong>rlich, weshalb diese Apps bereits ab<br />
5.000 Euro erhältlich sind. An<strong>de</strong>re Anbieter haben ähnliche<br />
Angebote. Doch auch in diesem Preissegment darf <strong>de</strong>r zusätzliche<br />
Kostenfaktor nicht unterschätzt wer<strong>de</strong>n: Wer die Mini-<br />
Software für mehrere Betriebssysteme anbieten möchte, muss<br />
mehr als eine App in Auftrag geben.<br />
App und mobile Website unterschei<strong>de</strong>n sich aber auch unter<br />
strategischen Gesichtspunkten: Während sich Apps in erster<br />
Linie für die Kun<strong>de</strong>nbindung eignen, sind mobile Websites<br />
vor allem in <strong>de</strong>r Neukun<strong>de</strong>ngewinnung interessant. Denn<br />
während bei einer Suche die Website <strong>de</strong>n Erstkontakt herstellt,<br />
wird eine App häufig von Nutzern heruntergela<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>nen das Unternehmen und seine Produkte bereits bekannt<br />
sind. Noch an<strong>de</strong>rs ist die Situation im unternehmensinternen<br />
Einsatz. Hier sind mobile Applikationen <strong>de</strong>n mobilen Websites<br />
<strong>de</strong>utlich überlegen. Ihr größter Vorteil: Sie können auch<br />
offline genutzt wer<strong>de</strong>n. Besuchszeiten erfassen, Angebote einsehen,<br />
Projekte verwalten: Wenn die Mitarbeiter <strong>de</strong>r Münchner<br />
Digital-Kreativagentur Berger Baa<strong>de</strong>r Hermes auf einem<br />
Kun<strong>de</strong>ntermin sind, können sie dies seit Kurzem direkt vor<br />
Ort erledigen. Möglich macht dies eine iPhone-Applikation,<br />
die mit <strong>de</strong>r Agentur-Software synchronisiert wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Projektaufgaben und Kommentare können eingesehen, bearbeitet,<br />
neu erstellt und <strong>de</strong>r Status geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Auch<br />
Aufgaben lassen sich via App an Teammitglie<strong>de</strong>r vergeben.<br />
25 Mitarbeiter nutzen die App. „Abstimmungen können<br />
schneller erfolgen, wir arbeiten jetzt effizienter“, sagt Matthias<br />
Berger, Managing-Partner <strong>de</strong>r Münchner Agentur. Da <strong>de</strong>r mittelständische<br />
Dienstleister nach Aufwand abrechnet, wer<strong>de</strong>n<br />
auch Besuchszeiten via App erfasst – entwe<strong>de</strong>r durch manuelle<br />
Eingabe o<strong>de</strong>r per Stoppuhr. Diese läuft auch im Hintergrund<br />
weiter. Sollte kein Zugang zum Internet vorliegen, wer<strong>de</strong>n<br />
alle Daten gespeichert und gesen<strong>de</strong>t, sobald wie<strong>de</strong>r eine<br />
Verbindung besteht.<br />
„Alles, was heute an Desktop-Software in <strong>de</strong>n Unternehmen<br />
vorhan<strong>de</strong>n ist, wird mittelfristig auch mobil zugänglich sein.<br />
Apps sind in diesem Zusammenhang insbeson<strong>de</strong>re für spezielle<br />
Aufgaben o<strong>de</strong>r komplexe Geschäftsprozesse sinnvoll“, so<br />
Bergers Erfahrung. Soll eine App nur von wenigen Personen<br />
innerhalb eines Unternehmens genutzt wer<strong>de</strong>n, ist eine Programmierung<br />
aufgrund <strong>de</strong>r hohen Kosten allerdings nicht<br />
die erste Wahl. Fünfstellige Euro-Summen sind die Regel,<br />
sechsstellige keine Seltenheit. „Unternehmer sollten zunächst<br />
recherchieren, ob es bereits Apps gibt, die sich für das eigene<br />
Business nutzen lassen“, rät Berger. Denn auch „Lösungen<br />
von <strong>de</strong>r Stange“ können viele Prozesse optimieren.<br />
Fotos: i-Works, Sax<br />
68 ProFirma 12 2011
INTERVIEW<br />
„Die mobile Website ist <strong>de</strong>r erste Schritt“<br />
Bei kleinen Budgets ist eine einfache mobile Website <strong>de</strong>r erste Schritt. Unternehmen<br />
sollten dafür zunächst die Produkte <strong>de</strong>finieren, die sie mobil anbieten wollen, meint Jan Söhlke,<br />
Inhaber <strong>de</strong>r IT-Beratung i-Worx in Hohenhameln und Braunschweig.<br />
DAS GESPRÄCH FÜHRTE KARSTEN ZUNKE<br />
Herr Söhlke, wie sollten kleine und mittlere<br />
Unternehmen strategisch vorgehen,<br />
wenn sie sich eine Präsenz im mobilen<br />
Web aufbauen wollen?<br />
Söhlke: KMU sollten zunächst <strong>de</strong>finieren,<br />
welche Produkte und Dienstleistungen<br />
sie mobil anbieten möchten, und ob die<br />
Zielgruppe dies tatsächlich nachfragt. Im<br />
ersten Schritt empfiehlt es sich daher,<br />
zu prüfen, wie viele Leute bereits mobil<br />
auf die klassische Website zugreifen und<br />
welche Inhalte sie dabei abrufen. Diese<br />
Informationen liefert je<strong>de</strong> Web-Analyse-<br />
Lösung. Dadurch wird beispielsweise<br />
klar, ob die gesamte Website für einen<br />
mobilen Zugriff interessant ist o<strong>de</strong>r nur<br />
bestimmte Bereiche.<br />
Mit welchem Aufwand ist es verbun<strong>de</strong>n,<br />
Informationen über eine Firma mobil zugänglich<br />
zu machen?<br />
Söhlke: Eine statische mobile Web-<br />
Präsenz mit zwei bis drei Seiten lässt<br />
sich innerhalb eines Tages erstellen.<br />
Komplexe Auftritte dauern länger. Das<br />
eigentlich Aufwendige ist allerdings die<br />
Nutzer- und Zielgruppenanalyse im Vorfeld,<br />
sowie die klare Ziel<strong>de</strong>finition für <strong>de</strong>n<br />
mobilen Auftritt. Ebenso muss konzeptionell<br />
vorgebaut wer<strong>de</strong>n – beispielsweise<br />
sollte technisch sichergestellt sein, dass<br />
ein Nutzer, <strong>de</strong>r in seinem iPhone die Web-<br />
Adresse in <strong>de</strong>n Browser tippt, auch auf <strong>de</strong>r<br />
mobilen Seite lan<strong>de</strong>t und nicht auf <strong>de</strong>r<br />
klassischen Website. <strong>Als</strong> Nonplusultra kann<br />
die Website auch für verschie<strong>de</strong>ne Endgerätetypen<br />
optimiert wer<strong>de</strong>n. Die konzeptionellen<br />
Aufgaben rund um einen Mobile-<br />
Auftritt wer<strong>de</strong>n häufig unterschätzt.<br />
Und was ist mit <strong>de</strong>n allgegenwärtigen Apps?<br />
Söhlke: Für Unternehmen, die das mobile<br />
Internet aktiv für Marketingzwecke o<strong>de</strong>r<br />
unternehmensintern nutzen wollen, sind<br />
Was be<strong>de</strong>utet dies für das weitere Vorgehen?<br />
Söhlke: Man muss klären, warum bestimmte<br />
Inhalte mobil abgerufen wer<strong>de</strong>n,<br />
und versuchen, sie entsprechend<br />
zu präsentieren. Bei kleinen Budgets ist<br />
eine einfache mobile Website <strong>de</strong>r erste<br />
Schritt. Diese muss nicht einmal alle<br />
Inhalte <strong>de</strong>r klassischen Seite umfassen.<br />
Adresse, Anfahrtskizze, Öffnungszeiten –<br />
solche Informationen wer<strong>de</strong>n gern mobil<br />
abgerufen. Wenn die Nutzer unterwegs<br />
auch an<strong>de</strong>re Inhalte lesen möchten,<br />
sollte man auch diesen Content mobil<br />
anbieten.<br />
„Dank HTML 5 wer<strong>de</strong>n sich Mischformen<br />
zwischen App und mobiler Website durchsetzen.“<br />
Apps die erste Wahl. Mit Marketing-Apps<br />
ist man beispielsweise sehr schnell beim<br />
Kun<strong>de</strong>n. Sie bieten eine bessere Hardware-<br />
Unterstützung, mehr Funktionen und hohe<br />
Performance. Unternehmensintern kann<br />
man mit Apps die Effizienz enorm erhöhen<br />
– beispielsweise wenn Service o<strong>de</strong>r<br />
Außendienst über die App angebun<strong>de</strong>n<br />
sind. Insbeson<strong>de</strong>re bei komplexen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
sind sie einer mobilen Website<br />
überlegen.<br />
Wohin geht <strong>de</strong>r Trend im mobilen<br />
Internet, und welche Rolle spielt dabei<br />
HTML 5?<br />
Söhlke: Zum einen wird das mobile Internet<br />
dank HTML 5 interaktiver und die<br />
Darstellung über verschie<strong>de</strong>ne Browser-<br />
Typen hinweg standardisiert. Mit HTML<br />
5 können zum Beispiel Vi<strong>de</strong>os besser in<br />
<strong>de</strong>n Content eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, auch<br />
auf mobilen Webseiten. Daher wer<strong>de</strong>n<br />
sich dank HTML 5 Mischformen zwischen<br />
App und Website verstärkt durchsetzen.<br />
Das Gerüst verhält sich beispielsweise<br />
wie eine App und <strong>de</strong>r Content wie eine<br />
Website, dieser kann dadurch in Echtzeit<br />
aktualisiert wer<strong>de</strong>n. Auch wird es immer<br />
mehr mobile Websites geben, die<br />
wie eine App anmuten. <strong>Als</strong> Lesezeichen<br />
auf <strong>de</strong>n Home-Bildschirm <strong>de</strong>s Smartphones<br />
abgelegt, wird eine Unterscheidung<br />
zwischen App und Website für <strong>de</strong>n<br />
User bald nicht mehr möglich – und<br />
aus <strong>de</strong>ssen Sicht auch nicht mehr nötig<br />
sein.<br />
ProFirma 12 2011<br />
69
IT & Investition – Special Business Digital<br />
Unternehmens-Software<br />
ProFirma<br />
Special<br />
Sowohl als auch<br />
Die Software-Anbieter haben kräftig in virtuelle Strukturen investiert. Doch <strong>de</strong>r Mittelstand<br />
reagiert verhalten. Dabei geht es gar nicht um die Ablösung klassischer Unternehmens-Software,<br />
son<strong>de</strong>rn um die Erweiterung durch On-Demand-Mo<strong>de</strong>lle. VON ANJA SCHNAKE<br />
Die Zukunft von Customer-Relationship-Management<br />
(CRM) ist virtuell,<br />
mobil und sozial. So sehen es die Mitglie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>s IT-Branchenverbands Bitkom,<br />
und so antizipieren es die Software-Anbieter<br />
im Markt. Nach einer<br />
aktuellen Studie <strong>de</strong>r Experton Group im<br />
Auftrag <strong>de</strong>s Hightech-Verbands Bitkom<br />
wird <strong>de</strong>r Umsatz mit Cloud Computing<br />
in Deutschland von 1,9 Milliar<strong>de</strong>n Euro<br />
im Jahr 2011 auf 8,2 Milliar<strong>de</strong>n Euro im<br />
Jahr 2015 steigen. Mit <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n<br />
Verbreitung von Smartphones und<br />
Tablet-PCs wächst zu<strong>de</strong>m die Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r mobilen Internet-Nutzung im<br />
geschäftlichen und privaten Umfeld,<br />
und soziale Netzwerke etablieren sich<br />
zusehends als Kommunikationsplattformen<br />
im Vertrieb. „Es stehen Technologien<br />
im Fokus, die <strong>de</strong>n Anwen<strong>de</strong>rn<br />
bessere Leistung und mehr Effizienz<br />
bringen“, sagt Bitkom-Präsi<strong>de</strong>nt Professor<br />
Dr. August-Wilhelm Scheer.<br />
Noch zum Jahreswechsel 2009/2010 haben<br />
we<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>utschen Unternehmen<br />
noch die Software-Anbieter <strong>de</strong>n Themen<br />
SOA, SaaS und Cloud Computing<br />
große Be<strong>de</strong>utung beigemessen – heute<br />
hat <strong>de</strong>r IT-Konzern Microsoft allein in<br />
Deutschland mehr als 100 Millionen<br />
Euro in <strong>de</strong>n Ausbau cloud-fähiger Datenverarbeitungszentren<br />
gesteckt. IBM,<br />
Hewlett-Packard, Google, Amazon und<br />
SAP haben kräftig in ihre virtuellen<br />
Strukturen investiert.<br />
Schöne, hybri<strong>de</strong> IT-Welt<br />
Und die Anwen<strong>de</strong>r? Beim Run auf das<br />
neue Geschäftsmo<strong>de</strong>ll reagiert vor allem<br />
<strong>de</strong>r Mittelstand bisher verhalten. Eine<br />
internationale Studie von GfK Custom<br />
„Kostenvorteile allein wer<strong>de</strong>n die Zielgruppe nicht<br />
zur Umstellung auf die neue Technologie bewegen.“<br />
MARKUS VEHLOW, PWC, FRANKFURT<br />
Reserach zu Chancen und Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
für Cloud-Computing-Angebote<br />
hat <strong>de</strong>utlich gemacht, dass gera<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>n etablierten Märkten Deutschland,<br />
Großbritannien und USA kleine Unternehmen<br />
bisher kaum mit Cloud-Lösungen<br />
in Berührung gekommen sind.<br />
Je größer die Betriebe, <strong>de</strong>sto häufiger<br />
wer<strong>de</strong>n sie eingesetzt. Noch Anfang <strong>de</strong>s<br />
Jahres hielten vier von fünf Mittelständlern<br />
Cloud Computing für irrelevant,<br />
ermittelte die Unternehmensberatung<br />
Pricewaterhouse Coopers (PwC). Nur<br />
je<strong>de</strong> zehnte Gesellschaft dieses Typs<br />
nutzt IT-Services aus <strong>de</strong>r Wolke. „Die<br />
Vorbehalte sind erheblich, viele wissen<br />
gar nicht, welche Möglichkeiten Cloud<br />
Computing bietet. Die Kostenvorteile<br />
allein wer<strong>de</strong>n die Zielgruppe nicht zur<br />
Umstellung auf die neue Technologie<br />
bewegen“, sagt Markus Vehlow, Experte<br />
für Cloud Computing bei PwC.<br />
Kein Wun<strong>de</strong>r: Denn auf lange Sicht<br />
geben diese keine ein<strong>de</strong>utige Empfehlung<br />
ab. Wenn aus einem erfolgreichen<br />
Test- <strong>de</strong>r Ernstfall wird und monatliche<br />
Mietkosten auf lange Zeiträume<br />
hochgerechnet wer<strong>de</strong>n, können die gesamten<br />
Projektkosten für die Inhouse-<br />
Lösung niedriger ausfallen. Auch <strong>de</strong>shalb<br />
bleibt <strong>de</strong>r Web-Service häufig das<br />
Provisorium. „I<strong>de</strong>aler Anwendungsfall<br />
für Web-Services sind Pilotprojekte von<br />
Kun<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>nen anfänglich nicht<br />
klar ist, ob daraus ein langfristig bestehen<strong>de</strong>s<br />
Business wird“, so Jürgen Litz,<br />
Geschäftsführer beim CRM-Anbieter<br />
Cobra. „Wenn <strong>de</strong>r Außendienst zum<br />
Beispiel mit bun<strong>de</strong>sweit fünf Zentralen<br />
zusammenarbeitet und <strong>de</strong>r Einstieg<br />
schnell gehen soll, wird anfangs oft mit<br />
<strong>de</strong>r Cloud-Lösung experimentiert –, bis<br />
wir am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres einen kleinen<br />
Server installieren.“<br />
Dabei sollten die Vorteile gera<strong>de</strong> kleine<br />
und mittelständische Firmen überzeugen:<br />
Um Administrationsaufgaben,<br />
die bisher die Tage <strong>de</strong>s hauseigenen<br />
Foto: Slavoljub Pantelic/shutterstock.com<br />
70 ProFirma 12 2011
www.profirma.<strong>de</strong><br />
Für die Anbieter von Unternehmens-<br />
Software sind Web-basierte Dienste<br />
und Cloud-Services <strong>de</strong>r Schlüssel zu<br />
einem neuen Geschäftsfeld.<br />
IT-Leiters ausfüllten, kümmert sich bei<br />
<strong>de</strong>r Nutzung cloud- o<strong>de</strong>r web-basierter<br />
Services <strong>de</strong>r Dienstleister. Auch kleine<br />
Organisationen können mit diesen Systemen<br />
ohne große Anfangsinvestitionen<br />
schnell starten. Mit transparenten<br />
Preismo<strong>de</strong>llen sind die Projekte meist<br />
gut kalkulierbar. Bei <strong>de</strong>r Einführung<br />
nen. „Die Frage <strong>de</strong>s Make-or-Buy stellt<br />
sich auf je<strong>de</strong>r Stufe. Man kann verschie<strong>de</strong>ne<br />
Dienste zerlegen und modular aus<br />
<strong>de</strong>r Cloud beziehen“, meint IT-Experte<br />
Dr. Dirk Mahnkopf, Business Advisor<br />
IT-Management Solutions beim CRM-<br />
Anbieter SAS in Hei<strong>de</strong>lberg.<br />
Allerdings wer<strong>de</strong>n On-Demand-Mo<strong>de</strong>lle<br />
die etablierten Nutzungsmuster für<br />
Software – vor allem <strong>de</strong>n Lizenzbetrieb<br />
– nie ganz ersetzen, glaubt Jürgen Röhricht,<br />
<strong>de</strong>r bei SAP in Walldorf für Saleson-Demand<br />
verantwortlich ist: „Wir<br />
sehen bei unseren Kun<strong>de</strong>n vor allem<br />
hybri<strong>de</strong> Strategien, die keineswegs darauf<br />
abzielen, hauseigene IT-Strukturen<br />
vollständig abzulösen. Schließlich wollen<br />
die Firmen auch ihre Investition<br />
schützen.“ Viele wür<strong>de</strong>n seiner Meinung<br />
nach Kernsysteme wie ERP im<br />
Haus behalten, aber beispielsweise CRM<br />
in die Cloud verlegen. „Einige Arten von<br />
Software wer<strong>de</strong>n wahrscheinlich nie in<br />
die Cloud wan<strong>de</strong>rn“, so <strong>de</strong>r Experte.<br />
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71
IT & Investition – Special Business Digital<br />
INTERVIEW<br />
„Mobiles CRM ist<br />
Interaktion mit <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n“<br />
Viele Unternehmen beherrschen heute kaum noch die Komplexität<br />
ihrer CRM-Projekte, meint Marketingexperte Dr. Reinhold Rapp<br />
aus München. DAS GESPRÄCH FÜHRTE ANJA SCHNAKE<br />
Herr Rapp, gibt es bei <strong>de</strong>n Cloud-Mo<strong>de</strong>llen<br />
für CRM wirklich neue Impulse<br />
– o<strong>de</strong>r vor allem mehr Komplexität?<br />
Rapp: Viele Unternehmen schaffen<br />
es heute kaum, die Komplexität ihrer<br />
CRM-Projekte in <strong>de</strong>r Umsetzung zu beherrschen.<br />
Daher gilt es, erst einmal<br />
die existieren<strong>de</strong>n Themen zu lösen. Vor<br />
allem im B2B-Geschäft wer<strong>de</strong>n Marketing<br />
und Vertrieb auf ganz neue Beine<br />
gestellt – was die Unternehmen vor<br />
enorme Herausfor<strong>de</strong>rungen stellt. Denn<br />
die meisten Unternehmen haben intern<br />
ein Mosaik aus Zuständigkeiten entwickelt.<br />
Mit <strong>de</strong>r Verlagerung <strong>de</strong>r Kommunikation<br />
ins Web muss daraus ein gemeinsamer<br />
Prozess wer<strong>de</strong>n.<br />
Was bringen diese Entwicklungen an Effekten<br />
für <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n mit sich?<br />
Rapp: In erster Linie eine enorme Beschleunigung<br />
in <strong>de</strong>r Erfüllung von Servicewünschen.<br />
Bisher erleben die Kun<strong>de</strong>n<br />
noch Medien-, System- und zum<br />
Teil Firmenbrüche. Das wird sich än<strong>de</strong>rn.<br />
Zu<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>nbewertungen<br />
eine noch wichtigere Rolle spielen –<br />
diese Feedback-Mechanismen lassen<br />
sich auch auf an<strong>de</strong>re Geschäftsbereiche<br />
übertragen, etwa Lieferantenbewertung<br />
o<strong>de</strong>r Ähnliches.<br />
Ist mobiles CRM nicht alter Wein in neuen<br />
Schläuchen?<br />
Rapp: Der Trend war ja bisher eher mobiler<br />
Vertrieb, nicht Kun<strong>de</strong>nbeziehung.<br />
Bisher haben die Geräte dafür gesorgt,<br />
dass sich die Mitarbeiter optimal vorbereiten<br />
und <strong>de</strong>n Termin nacharbeiten<br />
können. Nun geht es um Interaktion.<br />
Mit <strong>de</strong>m iPad kann <strong>de</strong>r Vertrieb mit <strong>de</strong>m<br />
Kun<strong>de</strong>n gemeinsam Präsentationen<br />
anschauen, Konfigurationen austüfteln<br />
und Bestellungen auslösen. Irgendwann<br />
stellt sich die Frage, ob man nicht sogar<br />
<strong>de</strong>n Besuch beim Kun<strong>de</strong>n ersetzen kann.<br />
Wie soll das konkret aussehen?<br />
Rapp: Vielleicht trifft man sich eines Tages<br />
nur noch in virtuellen Konferenzen<br />
o<strong>de</strong>r greift auf an<strong>de</strong>re Online-Instrumente<br />
zurück. O<strong>de</strong>r man entwickelt mobile<br />
Geräte und Anwendungen immer<br />
stärker als Serviceplattformen – Reservierungsservices<br />
für Restaurantketten<br />
zum Beispiel.<br />
Ein vertriebsnahes Zukunftsszenario<br />
könnte nach Ansicht <strong>de</strong>r Walldorfer<br />
so aussehen: Die hauseigene Cloud-Lösung<br />
„SAP Sales On Demand“ steht <strong>de</strong>n<br />
Mitarbeitern via Browser zur Verfügung<br />
– auch auf mobilen Geräten. Nach <strong>de</strong>m<br />
Kun<strong>de</strong>nbesuch greift <strong>de</strong>r Vertriebsmitarbeiter<br />
im Auto auf die App zu, setzt<br />
<strong>de</strong>n Kontakt auf „gewonnen“ und erstellt<br />
<strong>de</strong>n Auftrag. Dieser wird direkt<br />
an <strong>de</strong>n Innendienst geleitet, <strong>de</strong>r dann<br />
sofort aktiv wer<strong>de</strong>n kann. Gleichzeitig<br />
wird <strong>de</strong>r Vorgang im ERP-System abgelegt<br />
und die Abwicklung angestoßen.<br />
„Mobile Lösungen können Wochenberichte<br />
erzeugen, in die Gesprächsergebnisse<br />
sehr kurzfristig einfließen; das ist<br />
eine extrem unbürokratische Lösung“,<br />
so <strong>de</strong>r Cobra-Chef. Es kommt auch <strong>de</strong>shalb<br />
gut an, weil das übliche Verfassen<br />
von Textberichten in <strong>de</strong>r App durch ein<br />
standardisiertes Erfassungformular ersetzt<br />
wur<strong>de</strong> – die Texteingabe ist nicht<br />
die Stärke dieser Geräte, aber auch nicht<br />
die Lei<strong>de</strong>nschaft <strong>de</strong>s Vertriebs. Eine<br />
standardisierte Rückmeldung könnte<br />
<strong>de</strong>shalb effektiver sein als das umständliche<br />
Schreiben von Wochenberichten.<br />
Informeller Austausch ist Trumpf<br />
Mehr Effizienz versprechen sich Unternehmen<br />
auch vom Einsatz sozialer<br />
Netzwerke: Plattformen wie Facebook,<br />
Linkedn o<strong>de</strong>r Xing erleichtern die direkte<br />
Interaktion mit Kun<strong>de</strong>n, potenziellen<br />
Mitarbeitern o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Interessengruppen.<br />
Mit Twitter ist zu<strong>de</strong>m<br />
ein Nachrichtenmedium entstan<strong>de</strong>n,<br />
das einen schnellen, direkten Austausch<br />
mit einzelnen Zielgruppen ermöglicht.<br />
Im Unternehmen selbst wer<strong>de</strong>n Social-<br />
Media-Technologien verstärkt unter<br />
<strong>de</strong>m Stichwort Enterprise 2.0 eingesetzt:<br />
Über firmeninterne Blogs, Wikis<br />
und Foren tauschen die Mitarbeiter<br />
komfortabel Wissen, Meinungen und<br />
Erfahrungen aus. „Dafür müssen Organisationen<br />
die technischen und organisatorischen<br />
Voraussetzungen schaffen“,<br />
betont August-Wilhelm Scheer. „Statt<br />
einseitiger Kommunikation mittels<br />
Werbung o<strong>de</strong>r Mitarbeiterzeitschriften<br />
wird <strong>de</strong>r persönliche Austausch über<br />
das Internet immer wichtiger.“<br />
Foto: privat<br />
72 ProFirma 12 2011
IT & Investition – Kolumne<br />
Cole's Corner<br />
Tim Cole Der IT-Journalist und Chefredakteur<br />
mehrerer Elektronikzeitschriften<br />
ist ein gefragter Autor und Redner zum<br />
Thema E-Commerce.<br />
Info: www.cole.<strong>de</strong><br />
Drehbuch<br />
für Raubkopierer<br />
Von Tim Cole<br />
Dass <strong>de</strong>r Katastrophenfilmer Roland Emmerich auf einmal<br />
ein Experte für Shakespeare sein soll, ist erstaunlich genug.<br />
Dass er die uralte Kamelle wie<strong>de</strong>r ausgegraben hat, wonach<br />
nicht <strong>de</strong>r Bar<strong>de</strong> von Stratford, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Herzog von Oxford<br />
<strong>de</strong>r wahre Verfasser <strong>de</strong>r Werke von Shakespeare sein soll,<br />
macht seinen neuen Film „Anonymous“ aber auch nicht besser.<br />
Dafür bin ich beim Googeln zum Thema „Wer schrieb<br />
Shakespeares Stücke wirklich?“ auf eine wichtige Erkenntnis<br />
gestoßen: Auch im Zeitalter Königin Elisabeths I. gab es schon<br />
Ärger mit Raubkopierern!<br />
Eigentlich dachte ich immer, das Digitalzeitalter habe Schuld<br />
an <strong>de</strong>m Problem – von wegen: Schon im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong><br />
Geisteseigentum geklaut, was <strong>de</strong>r Notizblock hergab: Windige<br />
Verleger setzten Schreiber ins Publikum, die mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger genau mitschrieben, was da auf <strong>de</strong>r Bühne passierte.<br />
Kurze Zeit später erschienen dann billige „Quarto“-Ausgaben<br />
von Welthits wie „Romeo und Julia“, „Lady Macbeth“ o<strong>de</strong>r<br />
„Hamlet“ auf <strong>de</strong>m Markt, von <strong>de</strong>ren Erlös <strong>de</strong>r Autor – mag er<br />
nun Shakespeare o<strong>de</strong>r von Oxford geheißen haben – keinen<br />
Penny zu sehen bekam.<br />
Heute dagegen setzen sich Copyright-Diebe mit einer Handy-<br />
Cam ins Kino o<strong>de</strong>r lassen beim Rockkonzert ein Aufnahmegerät<br />
mitlaufen; wobei inzwischen ja schon ein gewöhnliches<br />
iPhone so gute Aufnahmen liefert, dass sich davon mühelos<br />
DVD-Kopien ziehen lassen. Die Kunst besteht darin, sich<br />
nicht vom Platzanweiser erwischen zu lassen. Obwohl: Wenn<br />
<strong>de</strong>r ein ausreichend großzügiges Trinkgeld bekommt (o<strong>de</strong>r<br />
wenn <strong>de</strong>r Raubkopierer womöglich <strong>de</strong>r Kinobesitzer selbst<br />
ist), dann ist sogar das weiter kein Problem.<br />
Mein Freund Dr. Gunter Denk, <strong>de</strong>r mit seiner kleinen Firma<br />
Sanet in Bangkok sitzt und <strong>de</strong>utsche Mittelständler bei ihrem<br />
Gang nach Asien begleitet, muss sich je<strong>de</strong>n Tag mit Produktpiraterie<br />
und Copyright-Verletzungen herumschlagen. Er ist<br />
da inzwischen schon ziemlich abgebrüht. „In Asien <strong>de</strong>swegen<br />
vor Gericht zu gehen, ist sowieso fast aussichtslos“, rät er seinen<br />
Klienten. „Die besten Mittel sind immer noch strikte Geheimhaltung<br />
und eine Portion gesun<strong>de</strong>r Menschenverstand.“<br />
Wer sein geistiges Eigentum – wie Konstruktionspläne o<strong>de</strong>r<br />
Rezepturen – unbekümmert nach Südostasien exportiere,<br />
und es dort im Betrieb ungeschützt herumliegen lasse, sei ja<br />
im Grun<strong>de</strong> selber schuld.<br />
Zumal es gera<strong>de</strong> für digitale Vermögenswerte durchaus geeignete<br />
Schutzmittel gibt, um sensible Informationen vor Produktpiraten<br />
und Industriespionen zu schützen: Digitale Wasserzeichen<br />
zum Beispiel o<strong>de</strong>r die wirksame Verschlüsselung<br />
von E-Mails und Datenbanken. Wenn sie doch nur jemand<br />
verwen<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>! „Es ist unglaublich, wie sorglos <strong>de</strong>utsche<br />
Unternehmen mit ihren intimsten Firmengeheimnissen und<br />
ihrem geistigen Eigentum umgehen“, sagt Gunter mit einem<br />
leichten Unterton von Resignation in <strong>de</strong>r Stimme.<br />
Vielleicht war Shakespeare auch hier seiner Zeit voraus, <strong>de</strong>nn<br />
er hat zeitlebens keines seiner Stücke in Buchform herausgebracht<br />
(die „First Folio Edition“ seiner gesammelten Werke<br />
erschien erst sieben Jahr nach seinem Tod); statt<strong>de</strong>ssen ließ er<br />
sie aufführen und lebte offenbar recht gut von <strong>de</strong>n Einnahmen<br />
an <strong>de</strong>r Abendkasse. Der Text seiner Schauspiele war für ihn<br />
im Grun<strong>de</strong> nur das Rohmaterial, aus <strong>de</strong>m er unvergessliche<br />
Theatermomente schuf. Womit sich <strong>de</strong>r Kreis zu Roland Emmerich<br />
und seinen Filmen schließt: Welcher lei<strong>de</strong>nschaftliche<br />
Kinogänger interessiert sich schon primär für das Drehbuch?<br />
Wir wollen Action sehen, einstürzen<strong>de</strong> Hochhäuser und riesige<br />
Raumschiffe am Himmel! Davon versteht <strong>de</strong>r gute Mann<br />
nämlich wirklich was – von englischer Literaturgeschichte dagegen<br />
etwas weniger.<br />
74 ProFirma 12 2011
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6 Monaten mind. eine Online-Jobbörse genutzt haben.
IT & Investition – Marketing<br />
Mobile Codierungsverfahren<br />
Brücken ins Netz<br />
Die rasante Verbreitung von Smartphones und Tablet-PCs macht Codierungsverfahren<br />
mobil und je<strong>de</strong>rzeit zugänglich. Das bietet neue Möglichkeiten für unternehmerisches<br />
Marketing. VON JÜRGEN CHRIST<br />
In <strong>de</strong>n Flyern <strong>de</strong>s Discounters Aldi sind<br />
sie ebenso zu fin<strong>de</strong>n wie in Zeitschriften<br />
o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n guten alten Litfaßsäulen:<br />
Die Re<strong>de</strong> ist von QR-Co<strong>de</strong>s (QR steht<br />
für Quick Response o<strong>de</strong>r „schnelle<br />
Antwort“), jenen unscheinbaren Pixelquadraten<br />
in Weiß und Schwarz, die<br />
aussehen wie kleine Labyrinthe. Wenn<br />
man allerdings die Smartphone-Kamera<br />
darauf richtet, offenbaren sich Web-<br />
Adressen, Kontaktdaten o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Inhalte. Vor allem im Marketing, aber<br />
auch im B2B-Bereich erfreut sich die<br />
Technik wachsen<strong>de</strong>r Beliebtheit, nach<strong>de</strong>m<br />
sie lange im Dornröschenschlaf<br />
versunken schien.<br />
„Wir führen <strong>de</strong>n Boom auf zwei Dinge<br />
zurück: Zum einen auf die rasante<br />
Ausbreitung von Smartphones mit leistungsfähigen<br />
Kameras und immer besseren<br />
Bildschirmen, zum an<strong>de</strong>ren auf<br />
die höhere Bandbreite und Verfügbarkeit<br />
<strong>de</strong>r Netze“, erklärt Christian von<br />
<strong>de</strong>n Brincken, Geschäftsführer Marketing<br />
<strong>de</strong>r Ströer Out-of-Home Media AG<br />
in Köln, Marktführer für Außenwerbung<br />
in Deutschland. Von <strong>de</strong>n Brincken<br />
ist sicher, dass „QR-Co<strong>de</strong>s und ähnliche<br />
Technologien immer wichtiger wer<strong>de</strong>n,<br />
weil immer mehr Menschen leistungsfähige<br />
Smartphones besitzen und an<br />
<strong>de</strong>n spielerischen Umgang mit mobilen<br />
Endgeräten gewöhnt sind“. Und weil<br />
sie es gewohnt sind, statt Flyern und<br />
Broschüren im Handschuhfach lieber<br />
Screenshots, Links o<strong>de</strong>r eben Co<strong>de</strong>s direkt<br />
auf <strong>de</strong>m Smartphone abzulegen.<br />
Auch Matthias Schultze, Inhaber <strong>de</strong>s<br />
Malerbetriebs Heyse in <strong>de</strong>r Nähe von<br />
Hannover, setzt bei seinen Printanzeigen<br />
auf QR-Co<strong>de</strong>s: „Die Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
klassischen Handwerksbetriebe sind<br />
es noch nicht gewohnt, dass mit solchen<br />
Dingen gearbeitet wird. Und weil<br />
es selten verwen<strong>de</strong>t wird, erhöht das<br />
die Aufmerksamkeit mehr, als wenn<br />
wir eine ganzseitige Anzeige schalten“,<br />
meint Schultze, <strong>de</strong>r eine spezielle<br />
Web-Adresse so codiert hat, dass er Zugriffsstatistiken<br />
direkt auswerten kann.<br />
In solchen Co<strong>de</strong>s verstecken sich aber<br />
nicht nur Web-Adressen; sie können<br />
vollständige Kontaktdaten, Termine<br />
o<strong>de</strong>r auch SMS enthalten. Mit einer kostenfrei<br />
erhältlichen Scanner-Applikation<br />
für Smartphone o<strong>de</strong>r Tablet-PCs lassen<br />
sich die Co<strong>de</strong>s – vom Kun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
Geschäftspartner – schnell einlesen und<br />
verarbeiten. So können beispielsweise<br />
die Kontaktdaten einer Visitenkarte<br />
direkt im eigenen Handy-Adressbuch<br />
gespeichert wer<strong>de</strong>n, ebenso <strong>de</strong>r Veranstaltungstermin<br />
im Kalen<strong>de</strong>r.<br />
In <strong>de</strong>r Automobilbranche<br />
entwickelt<br />
Der QR-Co<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> ursprünglich zur<br />
Markierung von Baugruppen und Komponenten<br />
für die Logistik in <strong>de</strong>r Automobilproduktion<br />
<strong>de</strong>s Toyota-Konzerns<br />
bereits im Jahr 1994 entwickelt. Seine<br />
Verwendung ist kosten- und lizenzfrei.<br />
Online steht inzwischen eine Reihe<br />
kostenfreier Dienste (siehe Kasten Seite<br />
78) zur Verfügung, mit <strong>de</strong>nen sich<br />
beispielsweise Visitenkarten mit inte-<br />
„Der Kun<strong>de</strong> muss sicherstellen, dass die abgelegten<br />
Informationen aktuell und verfügbar sind.“<br />
FELIX WALTER, WALTER DIGITAL, STUTTGART<br />
Fotos: walter digital, privat<br />
76 ProFirma 12 2011
da ist auch mein Geschäft drin<br />
„das Geheimnis meines Erfolges:<br />
mein Profil auf meinestadt.<strong>de</strong>“<br />
Die Smartphone-Kamera erfasst <strong>de</strong>n<br />
Co<strong>de</strong> und ruft die dort abgelegten<br />
Informationen auf – in diesem Fall die<br />
Website <strong>de</strong>s Malerfachbetriebs Heyse.<br />
griertem QR-Co<strong>de</strong> als Druckvorlage<br />
erstellen lassen o<strong>de</strong>r wahlweise Web-<br />
Adressen o<strong>de</strong>r freie Texte codiert wer<strong>de</strong>n<br />
können. Die generierte Grafik lässt<br />
sich einfach in eine Website einbin<strong>de</strong>n,<br />
in Flyern, auf Produktverpackungen<br />
o<strong>de</strong>r auf Plakaten verwen<strong>de</strong>n. Sowohl<br />
die Online-Codierung als auch die Co<strong>de</strong>-<br />
Scanner-Applikation fürs Smartphone<br />
sind kostenfrei erhältlich. Der QR-Co<strong>de</strong><br />
bil<strong>de</strong>t also heute eine wichtige Schnittstelle,<br />
eine Brücke zwischen Print und<br />
Online; eine häufige Anwendung ist<br />
zum Beispiel Offline-Werbung für ein<br />
Produkt, das dann online bestellt wer<strong>de</strong>n<br />
kann – dank einem QR-Co<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Interessenten direkt zur Vertriebs-<br />
Website führt.<br />
Anwendungen<br />
im Geschäftsbereich<br />
Während <strong>de</strong>r QR-Co<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n Massenanwendungen<br />
zählt, existiert eine Reihe<br />
an<strong>de</strong>rer, ebenfalls bewährter Codierungsverfahren,<br />
darunter <strong>de</strong>r klassische<br />
Barco<strong>de</strong> im Einzel- und Großhan<strong>de</strong>l<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Aztec-Co<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n beispielsweise<br />
die Deutsche Bahn zur I<strong>de</strong>ntitätsprüfung<br />
auf Online-Tickets verwen<strong>de</strong>t.<br />
ProFirma 12 2011<br />
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IT & Investition – Marketing<br />
Im Geschäftskun<strong>de</strong>nbereich stößt <strong>de</strong>r<br />
von Océ (das nie<strong>de</strong>rländische Unternehmen<br />
mit Sitz in Venlo ist Marktführer im<br />
Bereich Digitaldruck- und Dokumentenmanagementsysteme)<br />
entwickelte<br />
„Phantom-Co<strong>de</strong>“ auf großes Interesse.<br />
Wie <strong>de</strong>r Name bereits an<strong>de</strong>utet, han<strong>de</strong>lt<br />
es sich um einen unsichtbaren Co<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>r in Drucksachen verwen<strong>de</strong>t wird<br />
und ebenfalls als Schnittstelle zwischen<br />
Print und Online fungiert. <strong>Als</strong> erstes<br />
lizenziertes Unternehmen setzt die in<br />
Stuttgart ansässige Walter Digitaldruckerei<br />
das Verfahren ein. Vor allem bei<br />
Immobilienmaklern, Versicherungen,<br />
Agenturen, Verlagen und im Han<strong>de</strong>l ist<br />
<strong>de</strong>r Phantom-Co<strong>de</strong> gefragt, <strong>de</strong>r in hochwertigen<br />
Broschüren und Katalogen gedruckt<br />
wird.<br />
Der nahezu unsichtbare Co<strong>de</strong> wird in<br />
Bil<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Grafiken hinterlegt und<br />
kann später mit einem Lesestift, <strong>de</strong>r<br />
mit <strong>de</strong>r USB-Schnittstelle <strong>de</strong>s PCs verbun<strong>de</strong>n<br />
ist, ausgelesen wer<strong>de</strong>n. Dahinter<br />
verbirgt sich eine Web-Adresse, wo<br />
weitere Informationen abrufbar sind.<br />
Der Kun<strong>de</strong> liefert die Druckdaten, die<br />
Druckerei kauft bei Océ eine Lizenz.<br />
Allerdings hat das Verfahren seine Tücken,<br />
wie Felix Walter, Geschäftsführer<br />
von Walter Digital in Stuttgart, einräumt:<br />
„Es ist aufwendig, da <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong><br />
sicherstellen muss, dass seine Website<br />
und die dort hinterlegten Informationen<br />
dauerhaft bestehen bleiben.“ Aber<br />
<strong>de</strong>r Phantom-Co<strong>de</strong> hat auch Vorteile,<br />
weil er für geschlossene Benutzergruppen<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann. Der<br />
USB-Lesestift kostet, je nach Bestellmenge,<br />
zwischen zehn und 30 Euro.<br />
Eingesetzt wird <strong>de</strong>r Phantom-Co<strong>de</strong><br />
beispielsweise von Großhändlern o<strong>de</strong>r<br />
Unternehmen, die ihre Fachhändler informieren<br />
wollen, ohne umfangreiche<br />
und teure Kataloge zu drucken. Die Alternative:<br />
Sie verschicken kleinformatige<br />
Kataloge mit Phantom-Co<strong>de</strong>, die zu<br />
<strong>de</strong>taillierten Online-Informationen führen.<br />
Ein an<strong>de</strong>res Beispiel: Eine La<strong>de</strong>nkette<br />
o<strong>de</strong>r ein Franchise-Unternehmen<br />
mit 270 Fachgeschäften möchte sicherstellen,<br />
dass die Einzellizenznehmer die<br />
unternehmerische Corporate I<strong>de</strong>ntity<br />
(CI) bei Umzügen und La<strong>de</strong>n<strong>de</strong>koration<br />
einhalten. Während früher dazu<br />
umfangreiche gedruckte Gebrauchsanleitungen<br />
notwendig waren, reichen<br />
heute vier bis fünf Blätter mit Phantom-<br />
Co<strong>de</strong>s aus, die zu Vi<strong>de</strong>os, Anleitungen<br />
o<strong>de</strong>r Abbildungen auf einer mit Passwort<br />
gesicherten Website führen.<br />
Bil<strong>de</strong>rkennung statt Co<strong>de</strong><br />
Während sicht- und unsichtbare Co<strong>de</strong>s<br />
immer noch mit einem gewissen Aufwand<br />
für <strong>de</strong>n Nutzer verbun<strong>de</strong>n sind,<br />
bietet ein neues Verfahren von Ströer<br />
eine interessante Alternative: Die Spezialisten<br />
für Außenwerbung haben<br />
die QR-Technologie weiterentwickelt,<br />
und unter <strong>de</strong>m Namen „Virtual out-ofhome“<br />
(Vooh) eine Smartphone-App<br />
zur Bild- beziehungsweise Musterkennung<br />
auf <strong>de</strong>n Markt gebracht. Der Vorteil:<br />
Statt optisch oft stören<strong>de</strong>r Co<strong>de</strong>s<br />
LINK-TIPPS<br />
QR-Co<strong>de</strong>-Generator:<br />
zxing.appspot.com/<br />
generator/<br />
Druckfähige Visitenkarten mit<br />
QR-Co<strong>de</strong> erstellen:<br />
www.tec-it.com/<br />
online-<strong>de</strong>mos/Business-Cards/<br />
Free-Business-Cards.aspx<br />
kann das Unternehmen einfach nur sein<br />
Logo o<strong>de</strong>r ein Plakat verwen<strong>de</strong>n. Die<br />
Vooh-App erkennt die Werbekampagne<br />
durch Abfrage einer Online-Datenbank,<br />
in <strong>de</strong>r weitere Inhalte hinterlegt<br />
sind. Der Interessent wählt dann aus<br />
einem Menü auf seinem Smartphone<br />
aus, ob er eine Audiodatei hören, ein Vi<strong>de</strong>o<br />
sehen, die Produkt-Webseite o<strong>de</strong>r<br />
Facebook-Firmenseite aufrufen möchte,<br />
was mittels QR-Co<strong>de</strong> nicht möglich ist.<br />
„Vooh bietet sich speziell für Kun<strong>de</strong>n<br />
an, die eine Vielzahl an Informationen<br />
transportieren müssen – beispielsweise<br />
Automobilhersteller, Technikhersteller,<br />
Mobilfunkanbieter, Veranstalter o<strong>de</strong>r<br />
Filmverleiher. Sie können <strong>de</strong>m Konsumenten<br />
via Vooh ihre kompletten Inhalte,<br />
die sich hinter ihrem Logo o<strong>de</strong>r<br />
Key Visual verstecken, zur Verfügung<br />
stellen und mit ihm direkt in Kontakt<br />
treten“, erläutert Christian von <strong>de</strong>n<br />
Brincken das Prinzip.<br />
Alternative Phantom-Co<strong>de</strong>:<br />
Dieser Co<strong>de</strong> ist unsichtbar und kann nur<br />
von geschlossenen Benutzergruppen<br />
mit einem speziellen Lesestift verarbeitet<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Anwendung ist vor<br />
allem im B2B-Bereich interessant.<br />
Foto: Walter Digital/Océ<br />
78 ProFirma 12 2011
Die Online-Messe für ERP-Software.<br />
Veranstaltungsort:<br />
Golfplatz<br />
Veranstaltungszeit:<br />
Montag, 16:12 Uhr<br />
Messe to Go<br />
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Effiziente Zeiterfassung<br />
Kleinvieh bringt auch Geld<br />
Geringe Arbeitsaufwän<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Projektabrechnung oft vergessen.<br />
Der Einsatz einer Zeiterfassungs-Software schafft Abhilfe und spart Ressourcen.<br />
VON STEFAN GNEITING<br />
Das Telefonat mit <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n dauerte<br />
nur zehn Minuten, dann war alles<br />
geklärt. Der Fachmann <strong>de</strong>s IT-Dienstleisters<br />
konnte das Problem schnell<br />
lösen, <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> war zufrie<strong>de</strong>n. Ist <strong>de</strong>r<br />
Auftragnehmer gut organisiert, dann<br />
vermerkt er diese zehnminütige telefonische<br />
Hilfestellung in seinem Projektprotokoll.<br />
Versäumt er dies, fällt das<br />
Telefongespräch bei <strong>de</strong>r Abrechnung<br />
unter <strong>de</strong>n Tisch, und die Firma hat honorarfrei<br />
gearbeitet.<br />
Auf <strong>de</strong>n ersten Blick erscheinen zehn<br />
Minuten als Kleinigkeit, für die sich<br />
<strong>de</strong>r Abrechnungsaufwand nicht lohnt.<br />
Doch das stimmt nicht. Ein Beispiel:<br />
Arbeitet ein Mitarbeiter nur 30 Minuten<br />
pro Tag an Projekten, die er nicht<br />
in die Fakturierung einbringt, dann ergeben<br />
sich im Jahr zirka 110 Stun<strong>de</strong>n<br />
unbezahlte Arbeit. Bei einem Stun<strong>de</strong>nhonorar<br />
von 50 Euro entgehen <strong>de</strong>m Unternehmen<br />
5.500 Euro. Für die meisten<br />
Selbstständigen und Kleinunternehmen<br />
ist dieser Betrag keine Kleinigkeit. Die<br />
meisten Unternehmer wissen das – und<br />
verlangen konsequenterweise von ihren<br />
Mitarbeitern die Aufteilung <strong>de</strong>r gesamten<br />
Arbeitszeit auf Projektkonten.<br />
Doch diese Vorgabe allein führt meist<br />
noch nicht zum Ziel. Das Problem:<br />
Weil die <strong>de</strong>taillierte Aufzeichnung ohne<br />
eine intuitiv und schnell zu bedienen<strong>de</strong><br />
Software sehr zeitaufwändig sein kann,<br />
schätzen die Mitarbeiter <strong>de</strong>n Aufwand<br />
am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tages o<strong>de</strong>r vielleicht sogar<br />
<strong>de</strong>r Woche. „Die Erfahrung zeigt, dass<br />
die Mitarbeiter dann meistens <strong>de</strong>utlich<br />
weniger als die tatsächlich geleistete<br />
Arbeitszeit berechnen“, sagt Alexan<strong>de</strong>r<br />
Greisle, Trainer und Experte für<br />
„Die Lösung muss so einfach zu bedienen sein,<br />
dass die Mitarbeiter keine Ausre<strong>de</strong> haben.“<br />
WOLFGANG BRANDHUBER, TROII SOFTWARE GMBH, BRAUNAU<br />
Zeit- und Selbstmanagement aus Obertraubling.<br />
Vor allem kurze Arbeitsaufwän<strong>de</strong>,<br />
wie die eingangs erwähnte<br />
Telefonberatung, gehen bei <strong>de</strong>r Schätzmetho<strong>de</strong><br />
häufig verloren und wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n nicht in Rechnung gestellt.<br />
Greisle empfiehlt seinen Kun<strong>de</strong>n daher<br />
<strong>de</strong>n Einsatz einer Software-Lösung für<br />
die Projektzeiterfassung. Damit kann<br />
man aufzeichnen, wie lange wer an<br />
welchem Projekt gearbeitet hat; außer-<br />
<strong>de</strong>m erfasst die Software, welche Art<br />
von Arbeit geleistet wur<strong>de</strong>. Bei einigen<br />
Programmen kann sogar <strong>de</strong>r jeweilige<br />
Stun<strong>de</strong>nsatz hinterlegt wer<strong>de</strong>n, was<br />
<strong>de</strong>n Zeitaufwand beim Erstellen einer<br />
Rechnung reduziert. Komplexere Lösungen<br />
bieten außer<strong>de</strong>m verschie<strong>de</strong>ne<br />
Auswertungsmöglichkeiten o<strong>de</strong>r erlauben<br />
sogar eine integrierte Fakturierung<br />
direkt aus <strong>de</strong>r Anwendung heraus bei<br />
Projekten ohne sonstige Aufwän<strong>de</strong>,<br />
etwa für Material o<strong>de</strong>r Auslagen.<br />
Disziplin gefor<strong>de</strong>rt<br />
Aber sogar die Software-Unterstützung<br />
garantiert nicht, dass die Mitarbeiter die<br />
geleistete Arbeitszeit vollständig einem<br />
bestimmten Projekt o<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n zuordnen.<br />
Die konsequente Erfassung von<br />
Arbeitszeiten und die korrekte Zuordnung<br />
verlangen von <strong>de</strong>n Mitarbeitern<br />
ein hohes Maß an Disziplin. „Deshalb<br />
ist es für die Akzeptanz einer Lösung<br />
wichtig, dass sie einfach zu bedienen<br />
ist und die Mitarbeiter die Arbeitszeit<br />
mit wenigen Mausklicks erfassen und<br />
<strong>de</strong>m entsprechen<strong>de</strong>n Projekt zuordnen<br />
können“, sagt Souheil Manaa von <strong>de</strong>r<br />
<strong>Haufe</strong>-Lexware GmbH in Freiburg. Der<br />
Business-Designer ist für die kürzlich<br />
vorgestellt, kostenfreie Lösung Lexware<br />
Zeitmanagement verantwortlich.<br />
Diese erlaubt nicht nur die Projektzeiterfassung<br />
am PC, son<strong>de</strong>rn bietet außer<strong>de</strong>m<br />
die Möglichkeit, Daten über<br />
80 ProFirma 12 2011
Bei je<strong>de</strong>m Auftrag die Stoppuhr händisch zu bedienen, ist keine Lösung. Eine Alternative sind Programme für die Zeiterfassung.<br />
das Smartphone o<strong>de</strong>r einen an<strong>de</strong>ren<br />
mobilen Zugang einzugeben. Die Verbindung<br />
mit einer in einem Rechenzentrum<br />
gehosteten Datenbank bietet zwei<br />
Vorteile: Erstens fungiert die Cloud-<br />
Datenbank als Back-up-Sicherung <strong>de</strong>r<br />
lokal gespeicherten Daten, zweitens<br />
erlaubt sie die Synchronisation <strong>de</strong>r am<br />
Smartphone eingegebenen Zeiten mit<br />
<strong>de</strong>n PC-Daten.<br />
Auch die Programmierer <strong>de</strong>r Troii-<br />
Software haben bei ihrer Timr-Lösung<br />
viel Wert auf die Benutzeroberfläche<br />
gelegt: „Die Lösung muss so einfach<br />
zu bedienen sein, dass die Mitarbeiter<br />
keine Ausre<strong>de</strong> haben“, sagt Wolfgang<br />
Brandhuber, Geschäftsführer bei Troii<br />
im österreichischen Braunau. Timr gibt<br />
es entwe<strong>de</strong>r als Enterprise-Lösung, bei<br />
<strong>de</strong>r die Datenbank im unternehmenseigenen<br />
Netzwerk gehostet wird, o<strong>de</strong>r<br />
als Cloud-Lösung auf Basis von Nutzerlizenzen.<br />
Zeiterfassung als<br />
Controlling-Instrument<br />
Weil ein Großteil seiner 20 Mitarbeiter<br />
ständig unterwegs ist, legt Simon Herzog,<br />
geschäftsführen<strong>de</strong>r Gesellschafter<br />
<strong>de</strong>r diens/t/ag Medizinsysteme GmbH<br />
aus Höchberg, vor allem Wert auf die<br />
einfache Einbindung mobiler Geräte.<br />
Kriterien<br />
für die richtige Zeiterfassung<br />
Folgen<strong>de</strong> Punkte sollten Sie bei <strong>de</strong>r Auswahl einer geeigneten Anwendung<br />
zur Zeiterfassung auf je<strong>de</strong>n Fall berücksichtigen.<br />
Einzelplatzlösung o<strong>de</strong>r Multi-User-<br />
Ansatz: Wer als Selbstständiger allein<br />
arbeitet, <strong>de</strong>m genügt eine Lösung für einen<br />
Nutzer. Sobald aber mehrere Mitarbeiter<br />
an einem Projekt arbeiten, sollte<br />
die Software Multi-User-fähig sein.<br />
Webinterface o<strong>de</strong>r lokale Anwendung:<br />
Einige Applikationen setzen die<br />
Installation einer Software auf <strong>de</strong>m<br />
jeweiligen Gerät voraus. Lösungen mit<br />
Webinterface wer<strong>de</strong>n dagegen über<br />
einen Browser bedient. Das hat <strong>de</strong>n<br />
Vorteil, dass die Anwendung ohne<br />
vorherige Installationsroutine von je<strong>de</strong>m<br />
beliebigen Gerät mit Browser und<br />
Internet-Anschluss bedient wer<strong>de</strong>n<br />
kann.<br />
Arbeitszeiten unterwegs erfassen:<br />
Sind die Mitarbeiter häufig unterwegs,<br />
sollte die gewählte Lösung die Erfassung<br />
auf Smartphones erlauben. Je mehr mobile<br />
Betriebssysteme eine Anwendung<br />
unterstützt, <strong>de</strong>sto größer ist die Freiheit<br />
bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>s geeigneten mobilen<br />
Endgeräts.<br />
Integrierte Rechnungsstellung und<br />
Exportfunktion: Sind die Projektzeiten<br />
erfasst, kann man sie auch für die Rechnungsstellung<br />
nutzen. Einige Lösungen<br />
bieten eine integrierte Fakturierung, an<strong>de</strong>re<br />
eine Exportfunktion, um die Daten<br />
beispielsweise im Excel-Format zur Weiterverwertung<br />
abzulegen.<br />
Schnittstellen zu CRM/ERP: Schnittstellen<br />
zu CRM- o<strong>de</strong>r ERP-Lösungen erlauben<br />
die Verwendung von Stammdaten<br />
aus <strong>de</strong>n Unternehmensanwendungen<br />
beziehungsweise umgekehrt <strong>de</strong>n Export<br />
<strong>de</strong>r Zeiterfassungsdaten direkt in die<br />
Managementsysteme.<br />
ProFirma 12 2011<br />
81
IT & Investition – Zeitmanagement<br />
LEXWARE ZEITMANAGEMENT<br />
Kostenfreie Lösung von Lexware<br />
Lexware Zeitmanagement ist eine kostenlose Software zur Erfassung<br />
und Zuordnung von Arbeitszeiten zu Projekten. Die Anwendung,<br />
die sich vor allem an Freiberufler, Selbstständige und<br />
Kleinbetriebe richtet, steht unter www.zeitmanagement.lexware.<strong>de</strong><br />
zum Download zur Verfügung. Die Hauptanwendung für<br />
<strong>de</strong>n PC kann mit Applikationen für die mobile Zeiterfassung für<br />
verschie<strong>de</strong>ne Smartphone-Systeme (Android, Apple iOs, Microsoft<br />
Windows Phone 7) erweitert wer<strong>de</strong>n. Der Mitarbeiter hat<br />
die Wahl zwischen <strong>de</strong>r manuellen Zeiteingabe und <strong>de</strong>r automatischen<br />
Zeiterfassung über eine Stoppuhr, die im Hintergrund<br />
läuft. Mit nur einem Klick wer<strong>de</strong>n die Zeiten sowie eine kurze<br />
Beschreibung <strong>de</strong>r Tätigkeit einem bestimmten Projekt zugeordnet.<br />
Eine Monats- o<strong>de</strong>r Tagesansicht gibt einen schnellen Überblick<br />
über die geleisteten Arbeiten. Tabellarische und grafische<br />
Reportfunktionen helfen bei <strong>de</strong>r Auswertung. Über eine Exportfunktion<br />
lassen sich die Projektdaten auch in Excel übersichtlich<br />
darstellen. Die kostenlose Software soll Schritt für Schritt weiter<br />
ausgebaut wer<strong>de</strong>n: Die Anbindung von Lexware Zeitmanagement<br />
an bestehen<strong>de</strong> Applikationen wie Lexware Faktura/Warenwirtschaft<br />
o<strong>de</strong>r Lexware Lohn+Gehalt ist in Planung.<br />
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> Fachbeitrag Zeit- und Zielmanagement<br />
> Checkliste Zeitmanagement<br />
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> Effektiver in <strong>de</strong>r Kostenrechnung<br />
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„Eine stationäre Arbeitszeiterfassung<br />
funktioniert bei uns nicht, da viele Kollegen<br />
vor Ort beim Kun<strong>de</strong>n arbeiten“,<br />
erklärt Herzog. Seine Mitarbeiter erfassen<br />
daher die Arbeits- und Projektzeiten<br />
auf <strong>de</strong>m Blackberry-Smartphone. „Zusammen<br />
mit <strong>de</strong>r Fahrtenbuchoption<br />
sind wir in <strong>de</strong>r Lage, die Fahrten <strong>de</strong>r<br />
Mitarbeiter zu optimieren, und können<br />
auch sehen, ob wir bei <strong>de</strong>n Projektzeiten<br />
noch im grünen Bereich sind“, erklärt<br />
Herzog die Vorteile, die sich aus <strong>de</strong>m<br />
Einsatz <strong>de</strong>r Software ergeben.<br />
Alexan<strong>de</strong>r Greisle setzt bei seiner täglichen<br />
Arbeit auf <strong>de</strong>n Xpert-Timer<br />
<strong>de</strong>r Firma Xpert-Design Software in<br />
Stadtbergen. Ihn interessiert weniger<br />
die Möglichkeit <strong>de</strong>r vereinfachten<br />
Rechnungsstellung, son<strong>de</strong>rn vielmehr<br />
die Optimierung seines eigenen Zeitmanagements.<br />
„Springe ich zu sehr<br />
zwischen verschie<strong>de</strong>nen Projekten hin<br />
und her, dann wird mir das mithilfe<br />
<strong>de</strong>s Projektzeiterfassungs-Tools sehr<br />
schnell bewusst“, sagt Greisle. „Ein häufiges<br />
Klicken auf die am Bildschirmrand<br />
ständig sichtbare Zeiterfassungsleiste<br />
ist für mich ein Hinweis, mich mehr auf<br />
ein Projekt zu fokussieren.“<br />
Projekterfassungslösungen können also<br />
die Effizienz in zweifacher Hinsicht verbessern:<br />
Einerseits bei <strong>de</strong>r Erfassung <strong>de</strong>r<br />
Arbeitsaufwän<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Fakturierung<br />
und an<strong>de</strong>rerseits beim Zeitmanagement<br />
<strong>de</strong>r Mitarbeiter. Die Investition in eine<br />
angemessene Software-Unterstützung<br />
dürfte sich damit innerhalb kürzester<br />
Zeit amortisieren.<br />
82 ProFirma 12 2011
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Business English<br />
Lektion 21<br />
ProFirma<br />
Serie<br />
Business English<br />
Briefe zum Jahresen<strong>de</strong> – mehr als ein kurzer Gruß<br />
Formulating an end of year letter<br />
Briefe zum Jahresen<strong>de</strong> an die Geschäftspartner sind eine schöne Tradition. Bei <strong>de</strong>r Formulierung von<br />
Korrespon<strong>de</strong>nz an englischsprachige Empfänger gilt es einige Regeln zu beachten, die wir Ihnen hier vorstellen.<br />
The contents<br />
Typically, an end of year letter will<br />
contain the following:<br />
> a review of the company’s performance,<br />
> a summary of main projects that<br />
were carried out,<br />
> an overview of the success of those<br />
projects including specific data or<br />
visuals,<br />
> praise and thanks for good work,<br />
> a look to the future.<br />
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Starting out<br />
Opening phrases set the tone of your<br />
letter. If you are writing an external letter<br />
for clients, partners and staff, your<br />
tone will probably be more formal:<br />
2011 has been an outstanding year<br />
for NetTEch GmbH. During the past<br />
year, we have grown consi<strong>de</strong>rably<br />
both in terms of global staff, subsidiaries<br />
and in product range.<br />
On the other hand, internal letters will<br />
have a more personal touch and use the<br />
“I”-form:<br />
I cannot believe how quickly the year<br />
2011 has gone by. As the MD of Net-<br />
Tech, it has been a privilege to work<br />
with such a talented and <strong>de</strong>dicated<br />
team.<br />
Reviewing company performance<br />
Here, specific <strong>de</strong>tails are more useful and<br />
serve more purpose than vague praise:<br />
for example, it could be an opportunity<br />
to present the projects the company has<br />
initiated or completed over the past 12<br />
months, as well as to remind business<br />
partners of successes such as awards won.<br />
NetTEch’s partners <strong>de</strong>veloped the prototype<br />
for an energy friendly computer<br />
programme which still maintains<br />
computer processing speeds.<br />
NetTech launched its first opensource<br />
software project, a tool that<br />
makes it easier to programme multicore<br />
chips.<br />
NetTech initiated the innovative<br />
“Cleaner Earth” Campaign in July<br />
this year which aims to cut our CO 2<br />
emissions in 2012 by 4 %.<br />
NetTech participated in the Global<br />
Standards Awards and achieved the<br />
Prize for Best Overall Achiever.<br />
Praising individuals<br />
Where congratulations are due, especially<br />
during difficult times, you can use<br />
something along the lines of the following<br />
phrases to single out an individual<br />
or a team for special praise:<br />
> Congratulations are due to Ramesh<br />
R. Sharma and Ted Wilson for their<br />
success in founding Kafas Global, a 75<br />
% subsidiary of NetTech in Bombay.<br />
The head offices have already been<br />
inaugurated and we look forward to<br />
further excellent achievements from<br />
the Indian team next year.<br />
> Without a doubt, our partners at<br />
NetTech UK <strong>de</strong>serve much praise for<br />
their hard work <strong>de</strong>spite the difficulties<br />
they faced due to un<strong>de</strong>rstaffing this<br />
year. Well done and we hope to continue<br />
with our UK expansion this year.<br />
84 ProFirma 12 2011
Closing remarks<br />
To draw your letter to a close, refer to<br />
future cooperation and projects to<br />
strengthen team building.<br />
We have a great year to look forward<br />
to with the outcome of several<br />
projects coming up in the very first<br />
months of 2012. All that remains to<br />
be said is: have a very relaxing festive<br />
period and we will be back to new<br />
challenges in January.<br />
The festive season?<br />
Christmas may mark the festive season<br />
for Europeans but it is important to<br />
remember that this is not the case globally.<br />
This will affect how overt you are<br />
in reference to Christmas. The end of<br />
the year, although celebrated on a different<br />
date in many Asian countries, is<br />
a culturally neutral event and therefore<br />
more globally appealing.<br />
The sample text above handles this issue by<br />
mentioning it indirectly with “festive period”.<br />
However, finding out how your business<br />
partner’s country celebrates the Western<br />
Christmas period, if at all, is a good<br />
i<strong>de</strong>a, so that you know whether to mention<br />
Christmas or to stick with more neutral<br />
greetings. Inserting a greeting in their language<br />
could be a good way to cement ties<br />
with your partner and show cultural sensitivity<br />
– but do remember to double check<br />
this with a native speaker if possible.<br />
vague<br />
praise<br />
to single out<br />
to inaugurate<br />
to strengthen<br />
festive period<br />
overt<br />
to cement ties<br />
in retrospect<br />
takeover bids<br />
threatened<br />
renewed<br />
<strong>de</strong>lighted<br />
close<br />
tireless<br />
to benefi t<br />
custom<br />
Vocabulary<br />
(hier:) schwammig<br />
Lob<br />
jmd. herausgreifen<br />
einweihen, eröffnen<br />
festigen<br />
die Festzeit<br />
explizit<br />
Beziehungen festigen<br />
rückblickend<br />
Übernahmeangebote<br />
angedroht<br />
erneuert<br />
erfreut<br />
En<strong>de</strong><br />
unermüdlich<br />
profi tieren<br />
Kundschaft<br />
Sample end of year letter to a cooperation partner<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Anne Klarsicht<br />
Managing Director,<br />
Network Verlag GmbH,<br />
Hefnerstr. 87, 50862 Cologne<br />
Klaus Petersen<br />
Head of Business Communication<br />
IT Solutions Ltd<br />
79 Al<strong>de</strong>rsgate Street<br />
London EC1A 4HY 3 Dezember 2011<br />
Dear Klaus,<br />
Our success in 2010!<br />
In retrospect, 2010 has been a successful year for our two companies. At times<br />
it was not easy in a year of takeover bids, threatened staff cuts and a diffi cult<br />
economic climate in the publishing industry.<br />
However, I am pleased to announce that our investment partners, Turner & Co.,<br />
have expressed renewed interest in our joint projects. We will be having a series<br />
of meetings here in Cologne in February to discuss our continued cooperation.<br />
I would, of course, be <strong>de</strong>lighted if you could attend.<br />
Further to that, as the close of the year approaches, I would like to take this<br />
opportunity to thank you for your tireless support this year. It has been a pleasure<br />
to work with your staff and we have all greatly benefited from our combined<br />
know-how. I wish you all a Merry Christmas and a very good start to the New Year!<br />
Yours sincerely<br />
Anne<br />
Sample end of year letter to a customer (Key Account)<br />
<br />
Dear Isaac,<br />
I‘d like to take this opportunity to thank you for your custom over the past year.<br />
It has been both challenging and inspiring to see the launch of our new line through<br />
and to follow up on its success, of which you have been an important part.<br />
As I will be moving back to the USA next year - Peter, whom you know, will be<br />
taking my place - I wanted to thank you personally for your support and to wish<br />
you all the best over the festive season.<br />
Best regards<br />
Chris<br />
TIPS:<br />
1. Not the position but the relationship you have with the MD dictates how you<br />
address him or her.<br />
2. The fi rst paragraph summarizes what has happened over the last year.<br />
3. The second paragraph introduces the good news and points to future contact.<br />
4. The third paragraph thanks the partner and passes on seasonal greetings to the<br />
rest of the staff.<br />
5. The fi nal paragraph is a good place to introduce any changes that may be<br />
coming up in the new year.<br />
S. 86 Das Adverb, S. 87 Kreuzworträtsel<br />
ProFirma 12 2011<br />
85
Business English<br />
Adjektiv o<strong>de</strong>r Adverb?<br />
Good or well, possible or possibly?<br />
Der Gebrauch von Adjektiven und Adverben in <strong>de</strong>r englischen Sprache wird häufig als schwierig empfun<strong>de</strong>n. In<br />
diesem Beitrag fin<strong>de</strong>n Sie Beispiele, die Ihnen <strong>de</strong>n Umgang mit <strong>de</strong>n Wortarten erleichtern sollen.<br />
How to use them<br />
Richard was extremely happy about his<br />
unexpected promotion.<br />
There are two adjectives and one adverb<br />
in that example; can you spot them and<br />
do you know which noun / verb they<br />
relate to?<br />
„Extremely“ is of course an adverb –<br />
often easy to recognise as they usually<br />
end in „-ly“, although watch out: some<br />
adjectives, eg: lovely, also end in „-ly“.<br />
Here the adverb modifies the adjective<br />
„happy“, which in turn modifies the<br />
proper noun „Richard“. „Unexpected“ is<br />
also an adjective, referring of course to<br />
the promotion.<br />
Adjectives are also used after the verb<br />
„to be“ when they refer back to the noun<br />
or pronoun before the verb, as in the following<br />
example:<br />
They have been <strong>de</strong>pressed all week<br />
because the presentation went badly.<br />
Finally, you also need to remember to<br />
use adjectives rather than adverbs after<br />
sense or appearance verbs, eg:<br />
> The new fragrance smells won<strong>de</strong>rful<br />
(not: …).<br />
> The paper appeared flimsy at first<br />
glance (not: …).<br />
Forming adjectives and adverbs<br />
Many adjectives and adverbs can be formed<br />
from nouns or verbs, eg:<br />
a crowd (noun) -> crow<strong>de</strong>d (adj.)<br />
the sun (noun) -> sunny (adj.)<br />
-> sunnily (adv.)<br />
an acci<strong>de</strong>nt -> acci<strong>de</strong>ntal (adj.)<br />
(noun) -> acci<strong>de</strong>ntally (adv.)<br />
There are a variety of suffixes that can<br />
be used to form adjectives, eg:<br />
Add „-y“: greed -> greedy<br />
Add „-ic“: alcohol -> alcoholic<br />
Add „-ful“: doubt -> doubtful<br />
Add „-al“: nation -> national<br />
Add „-ous“: danger -> dangerous<br />
Add „-less“: care -> careless<br />
Add „-able“: respect -> respectable<br />
Add „-ive“: progress -> progressive<br />
Adverbs are simpler to form, as they<br />
generally necessitate merely the addition<br />
of „-ly“, eg: dangerous ? dangerously.<br />
There are of course adverbs that do<br />
not take the „-ly“ suffix, including adverbs<br />
of frequency such as „often„ or<br />
„never“.<br />
Comparatives and superlatives<br />
When using adjectives and adverbs it<br />
helps to be able to compare things as<br />
well as <strong>de</strong>scribe them. For one syllable<br />
adjectives, the endings „-er“ and „-est“<br />
are used, while for longer adjectives you<br />
will need „more“ and „most“. So:<br />
low -> lower -> lowest<br />
and profitable -> more profitable<br />
-> most profitable<br />
There are some additional rules concerning<br />
spelling; first of all, if a word ends<br />
in „-e“ then just add an „-r“, eg:<br />
nice -> nicer -> nicest.<br />
If a word ends in a single vowel and a<br />
single consonant, then you need to double<br />
the last consonant, eg:<br />
big -> bigger -> biggest.<br />
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EXERCISE<br />
business-english<br />
Complete the following sentences, selecting the appropriate adverb<br />
or adjective from the list below!<br />
regular, carefully, shortly, well, better, <strong>de</strong>lighted, worse, regularly, short, early, careful<br />
1. John gets sales results than Joshua does.<br />
2. We expect payment.<br />
3. They pay their bills .<br />
4. The presentation was very .<br />
5. They will be here .<br />
6. He finished his task because he didn’t want to make any mistakes.<br />
7. She was because she didn’t want to make any mistakes.<br />
8. They are about the rise in profits.<br />
9. He spoke French than she did.<br />
10. She didn’t feel so she stopped work .<br />
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Answers: 1. better (worse); 2. regular; 3. regularly;<br />
4. short; 5. shortly; 6. carefully; 7. careful; 8. <strong>de</strong>lighted;<br />
9. worse (better); 10. well (= BE)/good (= AE), early<br />
86 ProFirma 12 2011
Another rule concerns two syllable adjectives<br />
that end in „-y“, eg: happy. For<br />
these first substitute the „-y“ for an „-i:<br />
happy -> happier -> happiest.<br />
Irregular adjectives and adverbs<br />
Some adjectives and adverbs have irregular<br />
forms: good -> better -> best and<br />
bad -> worse -> worst. Luckily, the list<br />
of frequently used irregular adjectives is<br />
fairly short!<br />
Vocabulary<br />
to spot<br />
erkennen<br />
to refer<br />
sich beziehen auf<br />
to necessitate erfor<strong>de</strong>rn<br />
merely<br />
nur, lediglich<br />
Die Autoren:<br />
Lucy Renner Jones und Anita Duncan<br />
CROSSWORD PUZZLE<br />
1 2<br />
3<br />
4 5<br />
6<br />
7 8<br />
9<br />
10 11<br />
12<br />
13 14<br />
15<br />
16<br />
17 18<br />
Answers: Across: 1. disenfranchising, 4. consistently, 7. nebulous, 10.clutch , 14. maintain, 15. vocal,<br />
16. cursorily, 17. dispute, 18. frenzy Down: 2. cast, 3. maverick, 5. insolvent, 6. affi liation, 8. scrutiny, 9. stint,<br />
11. comply, 12. mayor, 13. hooked<br />
Across:<br />
1. something that removes the right to vote<br />
4. always in the same or similar way<br />
7. another word for vague<br />
10. hold tightly<br />
14. another word for keep<br />
15. protesting loudly<br />
16. to do something without care or<br />
attention<br />
17. another word for argument or<br />
disagreement<br />
18. a lot of uncontrolled activity and/<br />
or emotion<br />
Down:<br />
2. to “give” a vote<br />
3. a person who behaves differently<br />
from everyone else<br />
5. to have no money or assets<br />
6. a connection to a group or organisation<br />
8. careful inspection<br />
9. a term or period of time<br />
11. to do what should be done, perhaps<br />
because of law or regulation<br />
12. the head of a town or city government<br />
13. to have caught something<br />
(eg: attention)<br />
ProFirma 12 2011
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Der Startschuss für die neue Run<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
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Mittelstandsexperte Prof. Dr. h.c. Lothar<br />
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Innovationen kostenfrei und schnell im<br />
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wer<strong>de</strong>n können.<br />
Entsprechend breit ist das Angebot an<br />
För<strong>de</strong>rpreisen, das sich über die Bereiche<br />
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IT-Lösungen und Dienstleistungen<br />
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Controlling-Systeme, Finanzen,<br />
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die Gewinner <strong>de</strong>s Demografie Exzellenz<br />
Awards 2011. Nach 2010 wur<strong>de</strong>n<br />
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die sich in ihren Betrieben auf vorbildliche<br />
Weise <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>mografischen Wan<strong>de</strong>ls gestellt<br />
haben. Initiator <strong>de</strong>s Awards ist das<br />
Forum Ba<strong>de</strong>n-Württemberg im Bun<strong>de</strong>sverband<br />
Deutscher Unternehmensberater<br />
(BDU). Unterstützt wird die Initiative<br />
vom Ministerium für Finanzen<br />
und Wirtschaft Ba<strong>de</strong>n-Württemberg.<br />
Das Stuttgarter Unternehmen Türenmann<br />
erhielt <strong>de</strong>n Preis in <strong>de</strong>r Kategorie<br />
bis 50 Mitarbeiter für das Projekt „Alte<br />
Hasen und junge Hüpfer – Altersgemischte<br />
Teams im Handwerk“. Neben<br />
Projekten aus <strong>de</strong>r Personalführung<br />
waren auch Demografie-orientierte<br />
Produkte und Dienstleistungen zugelassen.<br />
Hier siegte in <strong>de</strong>r Kategorie 50<br />
bis 250 Mitarbeiter die Erlau AG mit ihren<br />
Vita-Gym-Bewegungsgeräten. Die<br />
älteste Aktiengesellschaft Süd<strong>de</strong>utschlands<br />
(1828) zeigt, wie man angestammtes<br />
Know-how in <strong>de</strong>n Seniorenmarkt<br />
einbringen kann. Mit <strong>de</strong>r „Senior<br />
Ausbildung“ punktete die K&U Bäckerei<br />
in <strong>de</strong>r Kategorie <strong>de</strong>r Unternehmen mit<br />
mehr als 250 Mitarbeitern. Erstmals in<br />
Deutschland brachte die Bäckerei einen<br />
eigenen Berufsschullehrgang mit<br />
22 Erwachsenen auf <strong>de</strong>n Weg.<br />
Der Demografie Exzellenz Wettbewerb<br />
wird auch im nächsten Jahr stattfin<strong>de</strong>n.<br />
Die Bewerbungsphase läuft vom 1. bis<br />
30. Juni 2012.<br />
INFO: www.<strong>de</strong>mografie-exzellenz.<strong>de</strong><br />
Fotos:CAS Software<br />
88 ProFirma 12 2011
Vorschau 01/02.2012<br />
Die nächste Ausgabe erscheint am 28. Dezember 2011<br />
Titelthema: Die Trends im Han<strong>de</strong>l<br />
Die Han<strong>de</strong>lslandschaft hat sich verän<strong>de</strong>rt und tut dies immer noch. Das Online-<br />
Geschäft wächst in allen Bereichen, sogar im Lebensmittelvertrieb ist es angekommen.<br />
Dienstleistungen rund um die verkauften Waren spielen eine immer<br />
größere Rolle, und Aspekte wie „Convenience“ und „Nutzen statt besitzen“<br />
gewinnen an Be<strong>de</strong>utung. In unserer Titelgeschichte beschreiben wir aktuelle<br />
Trends und zeigen, wie Händler am besten mit ihnen umgehen sollten.<br />
Weitere Themen:<br />
GUTSCHEINE<br />
Gefährlicher Rabatt<br />
Schnäppchenportale im Internet versprechen<br />
Unternehmen Neukun<strong>de</strong>n<br />
und Mehrgeschäft. Aber <strong>de</strong>r Einsatz von<br />
Rabattgutscheinen ist auch riskant.<br />
FINANZEN 2012<br />
Großer Depot-Check<br />
Das ständige Auf und Ab an <strong>de</strong>n Börsen<br />
geht an die Nerven. Im großen ProFirma-<br />
Depot-Check können Sie Ihre Anlagestrategie<br />
kostenlos analysieren lassen.<br />
ENERGIE<br />
Modul statt Ziegel<br />
Solarmodule wer<strong>de</strong>n immer günstiger<br />
und effizienter. Bei <strong>de</strong>n vollständig ins<br />
Dach integrierten Systemen spart sich<br />
<strong>de</strong>r Bauherr sogar die Dachziegel.<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktion:<br />
Dieter Römer (Chefredakteur)<br />
E-Mail: Dieter.Roemer@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Paul Lauer (Redakteur)<br />
E-Mail: Paul.Lauer@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Christoph Lorenz (Redakteur)<br />
E-Mail: Christoph.Lorenz@profi rma.<strong>de</strong><br />
Hans-Walter Neunzig (Redakteur)<br />
E-Mail: Hans-Walter.Neunzig@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Gabi Reuys (Assistentin)<br />
E-Mail: Gabi.Reuys@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Telefon 07 61/89 83 031, Fax 07 61/89 83 112<br />
Hausadresse <strong>de</strong>r Redaktion:<br />
<strong>Haufe</strong>-Lexware GmbH & Co. KG<br />
Munzingerstr. 9, 79111 Freiburg<br />
Autoren dieser Ausgabe:<br />
J. Abel, M. Bahnerth, Prof. M. Beck, J. Christ, T.<br />
Cole, A. Duncan, Dr. U. Felger, St. Gneiting, S.<br />
a.d. Hei<strong>de</strong>n, G. Herr, S. Hölper, M. Hofmann, K.<br />
Linke, E. Reichholf, L. Renner Jones, A. Schnake, L.<br />
Volkelt, O. Weiss, B. Weller, H. Zan<strong>de</strong>r, K. Zunke<br />
Grafik: Hanjo Tews<br />
Anzeigen-Verkauf:<br />
Bernd Junker (Anzeigenleitung)<br />
Telefon 09 31/27 91 556<br />
E-Mail: Bernd.Junker@haufe-lexware.com<br />
Oliver Cekys (Senior Key Account Manager)<br />
Telefon 09 31/27 91 731<br />
E-Mail: Oliver.Cekys@haufe-lexware.com<br />
Thomas Horejsi (Senior Key Account Manager)<br />
Telefon 09 31/27 91 451<br />
E-Mail: Thomas.Horejsi@haufe-lexware.com<br />
Michaela Dotzler (Disposition)<br />
Tel. 09 31/27 91 559, Fax 09 31/27 91 477<br />
E-Mail: Anzeigen@ProFirma.<strong>de</strong><br />
Verbreitete Auflage:<br />
3. Quartal 2011: 90.802<br />
Verkaufte Aufl age: 66.105<br />
IVW-geprüft. ISSN 1435-6082<br />
Verlag: <strong>Haufe</strong>-Lexware GmbH & Co. KG<br />
Verlagsleitung: Reiner Straub<br />
Munzinger Straße 9, D-79111 Freiburg<br />
www.<strong>Haufe</strong>.<strong>de</strong><br />
Druck: Druckerei Echter, Würzburg<br />
Vertrieb im Han<strong>de</strong>l:<br />
SPECIAL INTEREST<br />
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Nor<strong>de</strong>ndstraße 2; 64546 Mörfel<strong>de</strong>n-Walldorf<br />
Abonnentenservice:<br />
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Telefon 01 80/50 50 169*, Fax 01 80/50 50 441*<br />
E-Mail: Zeitschriften@<strong>Haufe</strong>.<strong>de</strong><br />
* 0,14 €/Min. aus <strong>de</strong>m dt. Festnetz, max. 0,42 €/Min. mobil.<br />
Ein Service von dtms.<br />
Der jährliche Bezugspreis beträgt für ProFirma im Inland: 64 Euro inkl. MwSt. und Versand, im Ausland 79 Euro inkl. Versand. Das Kombi-Jahresabo ProFirma<br />
Professional kostet im Inland 237,60 Euro inkl. MwSt. und Versand, im Ausland 252,60 Euro inkl. Versand. Bezieher <strong>de</strong>r Produkte aus <strong>de</strong>r „Lexware professional<br />
line“ (9018, 9182, 9183, 9170, 9171, 9172, 9173, 9174, 8804, 9094) erhalten ProFirma im Rahmen ihres Abonnements. Für Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Selbständigen<br />
(BDS) und <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s Metall ist <strong>de</strong>r Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
ProFirma 12 2011<br />
89
Schluss mit lustig<br />
Folge 40<br />
H 2 O<br />
... wirft sein altes Leben über Bord<br />
von Michael Bahnerth<br />
Das ist das En<strong>de</strong>. Henning Hirschmüller-Oberst, H2O genannt, nimmt Abschied vom<br />
Unternehmerdasein und sucht mit seiner Frau Clara neue Herausfor<strong>de</strong>rungen auf hoher See.<br />
H2O blickte um sich. Das also ist sie, dachte er, die Hülle, in<br />
<strong>de</strong>r mein restliches Leben Platz haben soll. Meines und das<br />
meiner Frau. Der letzte Lebensabschnitt. Ein luxuriös ausstaffierter<br />
Schiffsbauch, Kombüse, Wohnbereich, Bad, zwei Kajüten,<br />
ein paar Bücher, Seekarten, Funkanlage, Satellitentelefon,<br />
Fernseher. Um ihn herum das Meer, noch eine Hülle, von <strong>de</strong>r<br />
er nicht wusste, ob sie ihm passen wür<strong>de</strong>.<br />
Noch zwei Stun<strong>de</strong>n bis zum Sonnenuntergang. Dann wür<strong>de</strong>n<br />
er und Clara die Leinen losmachen und in Richtung Rhodos<br />
segeln. Noch gestern Abend hatte es so gut geklungen, als<br />
er mit Clara auf <strong>de</strong>m Achter<strong>de</strong>ck<br />
saß und einen Single Malt trank:<br />
die Weltmeere besegeln. „Mensch“,<br />
hatten seine Kollegen in <strong>de</strong>n letzten<br />
Tagen verlauten lassen, „Du hast es<br />
gut. Kein Terminstress mehr, keine<br />
Hatz nach Geld, keine Schuldgefühle,<br />
weil <strong>de</strong>in Leben ins Geschäft<br />
fließt und nicht in die Familie.“ War<br />
das die Ursache seiner momentanen<br />
Kraftlosigkeit? Dass ihm die einzige<br />
Struktur, die er ein Leben lang kannte,<br />
nicht mehr zur Verfügung stand?<br />
Dass er nichts mehr erreichen musste<br />
außer schönen Buchten und lauschigen<br />
kleinen Häfen?<br />
Ruhig bleiben, Henning, sagte er sich. Das passt zum Ruhestand.<br />
Ein Whisky wäre gut, dachte er, aber dann wür<strong>de</strong> ein<br />
zweiter folgen, und dann wür<strong>de</strong> ihn nichts an<strong>de</strong>res mehr interessieren<br />
als ein dritter. Auch ein Ruhestandsmo<strong>de</strong>ll, dachte<br />
er. Kein Selbstmitleid, Henning, sagte er sich. Du lebst einen<br />
Traum, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>re nur träumen können. Du segelst mit <strong>de</strong>iner<br />
Frau um die Welt. Du bist Abenteurer. Klingt doch besser<br />
als Geschäftsmann. Seekarten anstelle von Statistiken. Nie<br />
mehr das Boot durch eine Wirtschaftskrise steuern, son<strong>de</strong>rn<br />
nur noch durch stürmische See. Ein alter Mann, eine Frau<br />
und das Meer. Das wirkliche Leben. Keine Banker mehr, keine<br />
Marketingfuzzis, keine Welt, die nicht bereit ist für <strong>de</strong>ine<br />
Innovationen.<br />
Eine Welt, die Biopommes-Automaten keine Chance gibt. Die<br />
organische Gasgewinnung direkt aus Kuhmägen skeptisch<br />
sieht. Eine Welt voller Feiglinge, die Visionen bedrohlich fin<strong>de</strong>n.<br />
Die Vollkaskokonzepte von Apparatschiks wollen anstatt<br />
Erneuerer mit Fantasie. Nein, Henning, o<strong>de</strong>r viel besser,<br />
ja, das musst du dir nicht mehr antun.<br />
Wirklich nur einer, rechtfertigte er sich vor sich selbst, wirklich<br />
nur ein kleiner Whisky. Um <strong>de</strong>r Welt zuzuprosten und all<br />
<strong>de</strong>n Vollpfosten da draußen symbolisch „good bye“ zu sagen<br />
und „mit mir nicht mehr“. Da stand er dann auf seinem Boot,<br />
blickte auf die offene See und nahm Abschied wie ein Mann,<br />
wie er fand. Danach nahm er einen zweiten Whisky, um sein<br />
neues Dasein zu begrüßen und <strong>de</strong>n<br />
Son<strong>de</strong>rfrie<strong>de</strong>n zwischen ihm und<br />
<strong>de</strong>r Welt willkommen zu heißen.<br />
Im Grun<strong>de</strong>, re<strong>de</strong>te er sich zu, wer<strong>de</strong><br />
ich nur das regelmäßige Golfspiel<br />
vermissen. Der Gedanke an Golf<br />
löste Wehmut aus. Er ging runter<br />
in <strong>de</strong>n Rumpf, holte seine Golftasche,<br />
nahm ein Sechsereisen und<br />
machte auf <strong>de</strong>m Achter<strong>de</strong>ck ein<br />
paar Schwünge. Es lief gut, rund,<br />
kraftvoll, ohne zu viel Kraft zu investieren.<br />
Er nahm einen Ball hervor.<br />
Ja, das wür<strong>de</strong> er jetzt tun. Er<br />
ging in die Kombüse, holte einen<br />
Eierbecher aus Plastik, legte ihn aufs<br />
Achter<strong>de</strong>ck und <strong>de</strong>n Ball in die Öffnung. Locker stellte er sich<br />
vor <strong>de</strong>n Ball, ging ein wenig in die Knie, konzentrierte sich,<br />
machte ein paar Probeschwünge, hielt <strong>de</strong>n Atem an und zog<br />
durch. Der Kontakt zwischen Schläger und Ball war jenes feine<br />
„Klick“, das ihm sagte, dass er optimal getroffen hatte. Weit<br />
hinten klatschte <strong>de</strong>r Ball ins Meer. H2O lächelte. Das wäre ein<br />
Hole-in-one gewesen.<br />
„Hallo Liebling“, hörte er Clara. „Ich hab alles. War was?“<br />
„Nein, alles gut. Ich bin bereit.“ „Das ist gut, Henning. Und<br />
noch was, bevor es losgeht, ich habe keine Lust, mein Leben<br />
mit einem Kapitän Haddock zu verbringen.“ „Aye, aye. Wie<br />
wär’s? Motor anwerfen, Leinen los, später Segel setzen?“ „Genau<br />
Henning. Auf zu neuen Ufern.“<br />
IM NÄCHSTEN HEFT beginnt eine neue Reihe.<br />
Illustration: Reinhold Harwath<br />
90 ProFirma 12 2011
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