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jung & liberal 3|06 - Junge Liberale

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<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> | Ausgabe 3/2006 | F 54017 | ISSN 1860-5648<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> <strong>3|06</strong><br />

Das Mitgliedermagazin der <strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>n<br />

Armut bekämpfen — Leistung ermöglichen<br />

Warum hat es <strong>liberal</strong>e<br />

Sozialpolitik so schwer?<br />

Außerdem: Müller, Schröder und jetzt Schily | Die Gerechtigkeit der <strong>Liberale</strong>n | Die Neosozialen | Rauchverbot


Inhalt<br />

Vorwort<br />

Müller, Schröder und<br />

jetzt Schily<br />

Seite 4<br />

Die Gerechtigkeit<br />

der <strong>Liberale</strong>n<br />

Seite 10<br />

Neosozial - Schlagwort<br />

oder programmatischer<br />

Impuls<br />

Seite 12<br />

Portrait Bettina Schmidt Seite 6<br />

Jürgen sagt „tschüss“ Seite 7<br />

Contra Rauchverbot in Gaststätten Seite 8<br />

Pro Rauchverbot in Gaststätten Seite 9<br />

Arbeitsprogramm Bundesvorstand Seite 14<br />

High-Score einmal anders Seite 15<br />

Wachsflügel der Moral Seite 17<br />

Interview mit Uwe Laue Seite 18<br />

Kolumne Abgeordet Seite 5<br />

Leserbriefe Seite 20<br />

Vermischtes Seite 21/23<br />

> Impressum<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> ist das Mitgliedermagazin des Bundesverbandes<br />

der <strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>n. Es erscheint<br />

viermal jährlich. Zu beziehen ist <strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> per<br />

Abonnement, Mitglieder der <strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>n<br />

enthalten das Magazin automatisch im Rahmen ihrer<br />

Mitgliedschaft. <strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> wird gefördert aus<br />

Mitteln des Bundesministeriums für Familien, Senioren,<br />

Frauen und Jugend (BMFSFJ).<br />

Herausgeber: Bundesverband <strong>Junge</strong> <strong>Liberale</strong> e.V.,<br />

PF 540243, 10042 Berlin, Telefon: (030) 28388791,<br />

Telefax: (030) 28388799, E-Mail info@julis.de<br />

Chefredaktion (V.i.S.d.P): Jan Krawitz, Telefon:<br />

0163/5504929, E-Mail: mail@jan-krawitz.de<br />

Redaktion: Sven Janka, Niels Kohrt, Petra Pabst,<br />

Kathrin Säckel, Christopher Vorwerk, Sven Görgens<br />

Mitarbeit: Florian Berg, Marco Buschmann, Peter Wahl,<br />

Marina Schuster, Jürgen Stindt, Tobias Thalhammer,<br />

Susann Reichert, Florian Bernschneider, Sabine Weisel,<br />

Nadja Boettger, Felix Buchwald, Maximilian Flügge,<br />

Sirko Schulz, Christine Schulze-Grotkopp<br />

Titelfoto: istockphoto.com: S.4 | S.13 | s.14<br />

photocase.de: S.8 | S.10 | S.17<br />

Jan Krawitz S.6 | Debeka S.18<br />

Auflage: 11 000 Exemplare<br />

Gestaltung: shipyard Werbeagentur | www.shipyard.de<br />

Mit dem Namen des Autors versehene Beiträge geben<br />

nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.<br />

Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht, Belegxemplar<br />

erbeten. Für unverlangt eingesandte Fotos und Manuskripte<br />

übernehmen wir keine Haftung.<br />

Warum <strong>Liberale</strong><br />

Sozialpolitik besser können<br />

Warum gerade <strong>Liberale</strong> die besseren<br />

Sozialpolitiker sein sollen,<br />

ist der Bevölkerung meist schwer<br />

zu vermitteln. Die <strong>Liberale</strong>n leben<br />

mit dem Dilemma, dass es schwieriger<br />

zu erklären ist, wie Eigenverantwortung<br />

und ein schlanker<br />

Staat den Schwachen der Gesellschaft<br />

mehr helfen kann, als einfach<br />

staatsgläubige Verteilungspolitik zu<br />

predigen. Da hilft es nicht gerade, dass<br />

selbst gestandene Rhetoriker wie<br />

Guido Westerwelle zugeben müssen,<br />

dass sie das durchaus gute FDP-Modell<br />

des Bürgergeldes nicht in zwei einfachen Sätzen erklären können.<br />

Neben diesem Vermittlungsproblem haben die <strong>Liberale</strong>n in Deutschland<br />

das Thema Sozialpolitik in den vergangenen Jahren aber insgesamt viel zu<br />

stiefmütterlich behandelt und diesen Politikbereich kampflos den Linken<br />

in diesem Lande überlassen. Sie haben somit nahezu die Deutungshoheit<br />

über den Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ erhalten. Doch was bedeutet soziale<br />

Gerechtigkeit eigentlich genau? Und was ist eigentlich gerecht? Die<br />

Antworten sind vielfältig. Daher ist es notwendig, dass die <strong>Liberale</strong>n gerade<br />

in dieser Frage ihr Profil wieder schärfen.<br />

Denn die <strong>liberal</strong>e Leistungsgesellschaft unterscheidet sich ganz entschieden<br />

von einer rein materialistischen Erfolgsgesellschaft. Die <strong>liberal</strong>e Leistungsgesellschaft<br />

will die Potenziale der Leistungsstärkeren nutzen um<br />

auch für Benachteiligte Chancengleichheit zu schaffen. Die Vergangenheit<br />

hat jedoch bewiesen, dass es nicht damit getan ist, mit Schlagwörter à la<br />

„Was Arbeit schafft ist sozial“ um sich zu werfen. Die Bevölkerung wird<br />

den <strong>Liberale</strong>n nur dann Kompetenz in der Sozialpolitik zuschreiben, wenn<br />

sie es schaffen, Antworten zu geben, die tatsächlich alltagstauglich sind<br />

und die es schaffen ihre ganz spezifische Lebenssituation zu verbessern.<br />

Der JuLi-Bundesvorstand hat sich zum Ziel gesetzt, eben dieses Thema<br />

auf die Tagesordnung der FDP zu hiefen. Dazu wurde ein Leitantrag zum<br />

nun anstehenden Bundeskongress eingebracht, der <strong>liberal</strong>e Antworten auf<br />

sozialpolitische Problemfelder geben soll. An der Erarbeitung konnte sich<br />

im Vorfeld des Bundeskongresses dank eines wiki-Systems im Internbereich<br />

der JuLis-Homepage jedes JuLi-Mitglied beteiligen.<br />

Auch das „<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong>“ hat sich in dieser Ausgabe dem schwierigen<br />

Verhältnis der <strong>Liberale</strong>n zum Thema Gerechtigkeit gewidmet. Zudem haben<br />

wir versucht, herauszufinden, was Westerwelle eigentlich meinte, als<br />

er vor einiger Zeit sagte: „Wir sind die Neosozialen“.<br />

Viel Vergnügen bei der Lektüre!<br />

Jan Krawitz, mail@jan-krawitz.de<br />

02<br />

03


Blindtext<br />

News<br />

04<br />

05<br />

Müller, Schröder und jetzt Schily<br />

> von Jan Krawitz<br />

Viele Politiker übernehmen nach –<br />

einige noch während – ihrer politischen<br />

Tätigkeit Funktionen in Beratungsunternehmen<br />

oder in Aufsichtsräten<br />

großer Firmen. Diese Unternehmen<br />

versprechen sich einen Vorteil<br />

durch die Anstellung oder Beteiligung<br />

von ehemaligen Politikern. Hierbei<br />

geht es zum einen um das erworbene<br />

Know-how des Ex-Politikers, in einem<br />

viel größeren Maße aber um seine<br />

Netzwerke, die er sich während seiner<br />

aktiven Laufbahn aufgebaut hat.<br />

Hieran ist erstmal nichts Verwerfliches<br />

zu finden. Im Gegenteil, es ist<br />

häufig sogar zu begrüßen und führt<br />

zu einem intensiveren Austausch zwischen<br />

Wirtschaft und Politik, denen<br />

nicht selten das Wissen um die ganz<br />

besonderen Eigenheiten der jeweils<br />

anderen Seite fehlt.<br />

Bedenklich wird ein solcher Vorgang<br />

nur dann, wenn ein Minister nach<br />

dem Ausscheiden aus dem Regierungsamt,<br />

eben in genau dem Bereich<br />

wirtschaftlich tätig wird, in dem er<br />

zuvor politische Verantwortung getragen<br />

hat. Die Gefahr, dass er zuvor<br />

eine Entscheidung getroffen hat, die<br />

sein späteres Unternehmen begünstigt,<br />

ist zu groß. Verdachtsmomente<br />

können in dieser Grauzone nie ganz<br />

ausgeräumt werden. Dass solche Aktivitäten<br />

politisch folgendschwere<br />

Entwicklungen nach sich ziehen können,<br />

hat die Vergangenheit mehrmals<br />

eindrucksvoll bewiesen.<br />

Erinnern wir uns: Vor ein paar Jahren<br />

übernimmt die Ruhrkohle AG mit der<br />

Degussa ein gesundes Unternehmen<br />

im Zuge der Fusion von eon-Ruhrgas.<br />

Das Bundeskartellamt meldet erhebliche<br />

Bedenken an, weil es zu einer<br />

wettbewerbsgefährdenden Marktkonzentration<br />

kommen könnte. Eine Fusion<br />

ist nur per so genannter Ministererlaubnis<br />

möglich. Diese wird durch<br />

den damaligen Bundeswirtschaftsminister<br />

Dr. Werner Müller erteilt. In den<br />

folgenden Jahren kommt es zu einer<br />

Konzentration im deutschen Strommarkt,<br />

von <strong>liberal</strong>isiertem Strommarkt<br />

kann keine Rede mehr sein. Müller findet<br />

sich nach seinem Austritt aus der<br />

Bundesregierung in der Funktion des<br />

Vorstandsvorsitzenden eben jener<br />

Ruhrkohle AG wieder, die zuvor von<br />

seiner politischen Entscheidung ganz<br />

erheblich profitiert hat.<br />

Gedächtnisstütze<br />

Noch gar nicht lange ist es her, dass<br />

der frühere Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder im März diesen Jahres in<br />

Moskau formell zum Aufsichtsratsvorsitzenden<br />

der Nordeuropäischen Gas-<br />

Pipeline AG (NEGP) gewählt wurde.<br />

NEGP baut die geplante Ostsee-Pipeline.<br />

Dieser Bau wurde durch einen<br />

deutsch-russischen Staatsvertrag, den<br />

Schröder mit Putin kurz vor Ende<br />

seiner Amtszeit geschlossen hat, ermöglicht.<br />

Die Kritik an Schröder entzündete<br />

sich, als bekannt wird, dass<br />

der interministerielle Ausschuss noch<br />

nach der Bundestagswahl eine Bürgschaft<br />

in Höhe von 900 Mio. Euro<br />

für das Pipeline-Projekt beschlossen<br />

hatte, auf die Gazprom allerdings inzwischen<br />

verzichtet hat. Schröder beteuerte,<br />

von der Entscheidung nichts<br />

gewusst zu haben. Was bleibt ist die<br />

exklusive Kooperation von Deutschland<br />

und Russland auf dem Energiemarkt.<br />

Damit werden nicht nur andere<br />

Länder ausgeschlossen, Deutschland<br />

macht sich darüber hinaus in hohem<br />

Grade abhängig von einem Energiezulieferer.<br />

Und nun erneut ein Vorgang, der einen<br />

verdammt faden Beigeschmack<br />

hat. Wie umstritten waren die Pläne<br />

des damaligen Bundesinnenministers<br />

Otto Schily im Zuge des Anti-Terror-<br />

Kampfes, mit denen er kontinuierlich<br />

Bürgerrechte beschnitt und datenschutzrechtliche<br />

Bedenken ihn herzlich<br />

wenig interessierten. Schily trieb<br />

ganz maßgeblich die Vorhaben zur<br />

eiligen Etablierung der umstrittenen<br />

Pässen mit biometrischen Daten voran.<br />

Kurz vor Ende der rot-grünen Regierungszeit<br />

sind die neuen Pässe erhältlich.<br />

Und nun im August diesen Jahres<br />

übernimmt Schily ein Aufsichtsratsmandat<br />

bei der SAFE ID Solutions AG.<br />

Das Unternehmen bietet Softwaresowie<br />

Piezo-Druck-Lösungen für die<br />

Personalisierung elektronischer Ausweisdokumente<br />

an. Schily sitzt eben-<br />

falls im Aufsichtsrat der Byometric<br />

Systems AG. Dieser Hersteller mit Sitz<br />

im bayerischen Mitterfelden ist auf<br />

die Iris-Erkennung spezialisiert und<br />

war mit dem Partnerunternehmen<br />

Bosch am Aufbau der biometrischen<br />

Grenzkontrollen am Frankfurter Flughafen<br />

beteiligt, der vom Bundesministerium<br />

in Auftrag gegeben wurde. An<br />

Ersterem ist Schily sogar mit einem<br />

kleinen Aktien-Anteil beteiligt.<br />

Wer ist der nächste?<br />

Diese Entwicklungen riechen nicht,<br />

nein sie stinken zum Himmel. Es muss<br />

schnellstens ein Verhaltenskodex für<br />

Regierungsmitglieder her. Die EU-<br />

Kommission hat sich einen solchen<br />

Liebe JuLis,<br />

vor knapp einem Jahr bin ich durch<br />

das sehr gute Wahlergebnis der FDP<br />

in Bayern auf Platz acht der Landesliste<br />

in den Bundestag gewählt worden.<br />

Mein Wahlkreis umfasst die beiden<br />

schönen mittelfränkischen Landkreise<br />

Roth und Nürnberger Land.<br />

Ich bin über die Kommunalpolitik auf<br />

die Bundesebene gewechselt. Mein<br />

Kreistagsmandat in Roth habe ich dabei<br />

bewusst behalten, da es mir gerade<br />

in Zeiten der großen Koalition wichtig<br />

ist, die Auswirkungen der Berliner<br />

Beschlüsse auf die lokale Ebene unmittelbar<br />

nachverfolgen zu können.<br />

für ihre Mitglieder schon vor langem<br />

gegeben. Der Verhaltenskodex für<br />

die Kommissionsmitglieder sieht vor,<br />

dass Kommissionsmitglieder, die aus<br />

ihrem Amt ausscheiden und beabsichtigen,<br />

noch im selben Jahr eine<br />

berufliche Tätigkeit aufzunehmen,<br />

dies der Kommission mitteilen. Steht<br />

die beabsichtigte Tätigkeit in Zusammenhang<br />

mit dem Ressort, das das<br />

Kommissionsmitglied während seiner<br />

gesamten Amtszeit geleitet hat, holt<br />

die Kommission die Stellungnahme<br />

einer hierzu eingesetzten Ethikkommission<br />

ein. Entsprechend den Ergebnissen<br />

der Ethikkommission entscheidet<br />

die Kommission, ob die geplante<br />

Tätigkeit mit Artikel 213, letzter Absatz,<br />

EGV vereinbar ist, der besagt, dass<br />

Im Bundestag bin ich ordentliches<br />

Mitglied im Auswärtigen Ausschuss<br />

und dort nun mit meinen 30 Jahren<br />

das jüngste Mitglied überhaupt. Im<br />

Ausschuss bin ich die FDP-Expertin<br />

für die Themen Lateinamerika, Afrika,<br />

Japan, Indien und China. Einen weiteren<br />

Arbeitsschwerpunkt bildet der<br />

Unterausschuss Globalisierung und<br />

Außenwirtschaft – dort bin ich Obfrau<br />

für die FDP und somit Sprecherin für<br />

Globalisierung der FDP-Bundestagsfraktion.<br />

Die Außenpolitik ist ein umfangreiches<br />

und äußerst spannendes<br />

Betätigungsfeld und ich bin froh, dass<br />

ich mich zusammen mit Wolfgang<br />

Gerhardt, Werner Hoyer und Harald<br />

Leibrecht für die Fraktion hier einbringen<br />

kann – im Sinne klassisch <strong>liberal</strong>er<br />

Grundsätze wie Multilateralismus<br />

und Rechtsstaatlichkeit.<br />

Die Arbeit ist nicht immer einfach –<br />

Krisen und Kriege, die über Jahrzehnte<br />

unzählige Todesopfer forderten, stehen<br />

im Fokus, sei es beispielsweise im<br />

Kongo, Sudan oder dem Nahen Osten.<br />

Komplexe Zusammenhänge erfordern<br />

außerdem eine genaue Analyse,<br />

weswegen es auch notwendig ist,<br />

Auslandsreisen in die Regionen zu unternehmen.<br />

So habe ich die 39 deutschen<br />

Soldaten, die im Rahmen des<br />

UN-Mandates im Sudan eingesetzt<br />

die Mitglieder der Kommission ihre<br />

Tätigkeit in voller Unabhängigkeit<br />

und zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften<br />

auszuüben haben. Eine<br />

solche Regelung ist dringend auch für<br />

Deutschland nötig! Zu prüfen bliebe<br />

ob es Möglichkeiten für Sanktionen<br />

oder rechtlich verbindliche Regelungen<br />

gibt, wie etwa für Beamte (Beamtenrechtsrahmengesetz),<br />

damit eine<br />

solche Regelungen nicht zum zahnlosen<br />

Tiger wird.<br />

Jan Krawitz (24) ist Chefredakteur<br />

des „<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong>“. Ihr erreicht ihn<br />

unter mail@jan-krawitz.de<br />

sind, erst kürzlich besucht und mich<br />

über den genauen Arbeitsalltag und<br />

die Situation informiert. Es ist längst<br />

an der Zeit, Verantwortung für Afrika<br />

zu übernehmen – grundsätzlich, und<br />

nicht mit einer Afrika-Politik auf Zuruf,<br />

wie sie die Bundesregierung betreibt.<br />

Statt immer nur zu reagieren, müsste<br />

auch die Bundesrepublik ihre Verantwortung<br />

und Interessen gegenüber<br />

Afrika klar definieren. Sudan ist dabei<br />

ein gutes Beispiel: Zurzeit redet<br />

alle Welt nur von Libanon, dabei wird<br />

uns das Thema Sudan – insbesondere<br />

Darfur – spätestens im Herbst<br />

im Bundestag einholen. Auch der<br />

aktuelle Flüchtlingsansturm auf die<br />

kanarischen Inseln und Lampedusa<br />

verdeutlicht die passive und konzeptionslose<br />

Afrikapolitik der wichtigsten<br />

EU-Staaten.<br />

Li(e)berale Grüße, Marina<br />

Marina Schuster (31) Mitglied der Ju-<br />

Lis Bayern und seit 2005 Bundestagsabgeordnete.<br />

Bei weiteren Fragen zu<br />

ihrer Arbeit und Person, zögert nicht<br />

Euch zu melden, Ihr erreicht sie unter<br />

marina.schuster@bundestag.de<br />

Abgeordnet<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006


News<br />

News<br />

Waage, Juristin, Diplomatin<br />

> Die neue JuLi-Bundesgeschäftsführerin Bettina Schmidt stellt sich den<br />

Fragen von j&l Chefredakteur Jan Krawitz und j&l Redakteur Sven Janka.<br />

06<br />

07<br />

Wir treffen uns mit Bettina bei<br />

einem Japaner in der Nähe der<br />

Hackeschen Höfe in Berlin. Fachkundig<br />

erklärt sie uns die nicht enden wollende<br />

Sushi-Karte. Einige Male sei sie<br />

schon hier gewesen, doch selbst als<br />

hier aufgewachsenes Großstadtkind<br />

entdecke sie in der Hauptstadt immer<br />

wieder neue Dinge, lässt uns Bettina<br />

wissen. Seit rund zwei Wochen ist sie<br />

nun als JuLi-Bundesgeschäftsführerin<br />

die Nachfolgerin von Jürgen Stindt.<br />

Vor kurzem mit ihrem Referendariat<br />

fertig geworden, hatte sie im Februar<br />

2006 ihr zweites juristisches<br />

Staatsexamen gemacht und war anschließend<br />

freie Mitarbeiterin in einer<br />

Anwaltskanzlei. „Auf Dauer war dies<br />

dann aber doch nicht meine Sache“,<br />

sagt Bettina und so habe sie sich nach<br />

einer neuen Perspektive umgeschaut<br />

und stieß dabei auf die Anzeige der<br />

JuLis und bewarb sich sofort.<br />

Dann ging alles ganz schnell<br />

Ein Anruf vom Bundesvorsitzenden,<br />

die Einladung zum Vorstellungsgespräch.<br />

Ein bisschen habe sie sich wie<br />

im Staatsexamen gefühlt, gibt Bettina<br />

zu. An der einen Seite des langen<br />

Besprechungstisches in der Bundesgeschäftsstelle<br />

saß sie, am anderen<br />

Ende des Tisches saß die Herrenriege,<br />

der geschäftsführende Bundesvorstand<br />

der JuLis, mit großen Papierstapeln<br />

vor sich. Trotzdem hatte Bettina<br />

von Beginn an einen sehr positiven<br />

und sympathischen Eindruck von den<br />

JuLis. Direkte Berührungspunkte mit<br />

Parteipolitik hatte sie bis dahin nicht<br />

gehabt. Ihre Verwaltungsstation im<br />

Referendariat machte sie jedoch im<br />

Deutschen Bundestag beim Sekretariat<br />

des Ausschusses für Menschenrechte<br />

und humanitäre Hilfe. Von da<br />

an war für sie klar, dass es sie weniger<br />

in die Anwaltskanzlei als vielmehr<br />

in Richtung Politik und Verwaltung<br />

ziehen würde. Nun ist Bettina sehr<br />

froh für und zusammen mit <strong>jung</strong>en<br />

Leuten zu arbeiten und freut sich auf<br />

die umkomplizierte Zusammenarbeit<br />

und die Vielfältigkeit ihrer neuen Aufgaben:<br />

Organisation der Bundeskongresse,<br />

Führung der Geschäftsstelle,<br />

das Bearbeiten der Anfragen aus den<br />

Untergliederungen und das Handling<br />

der Finanzen.<br />

Ein gutes Stück Arbeit<br />

Eine lange Eingewöhnungsphase hatte<br />

sie in der Bundesgeschäftsstelle<br />

nicht. Als sie nach ihrer Einstellung<br />

das erste mal die Bundesgeschäftsstelle<br />

betrat, empfing sie Johannes<br />

Vogel mit einem großen gelb-blauen<br />

Blumenstrauß aus Sonnenblumen<br />

und Hortensien um ihr dann auch<br />

gleich eine Aufgabenliste zu überreichen.<br />

Und schon war sie mittendrin<br />

in der JuLi-Arbeit. Dass diese künftig<br />

manchmal auch die ein oder andere<br />

Stunde länger dauern wird und<br />

„dass auch mal ein Wochenende<br />

draufgehen wird“, stört sie dabei<br />

nicht. Für sie gehört es zu ihrem Jobverständnis<br />

dazu, dass sie für ihren<br />

Arbeitgeber und die Kollegen, in diesem<br />

Fall der Bundesvorstand, auch<br />

mal außerhalb der regulären Bürozeit<br />

erreichbar ist. Dennoch wird sie in ihrer<br />

Freizeit weiterhin in Berlin „eine<br />

ganze Menge Kultur genießen“, genauso<br />

weit oben auf der Liste ihrer<br />

Freizeitaktivitäten stehen Lesen, Joga<br />

und Laufen.<br />

Dass ihre neue Arbeit nun sehr in<br />

eine bestimmte politische Meinung<br />

eingebettet ist, findet sie nicht<br />

schlecht, ganz im Gegenteil. Denn genau<br />

das, so beteuert sie, habe sie ja<br />

gerade gesucht. Die rein juristische<br />

Arbeit wird sie also nicht vermissen.<br />

Für jede Partei hätte sie natürlich<br />

nicht gearbeitet, Rechte und<br />

PDS waren von Anfang an außen vor.<br />

Und auch unter den übrigen Parteien<br />

und Jugendorganisationen hat sie mit<br />

den JuLis ihre erste Wahl gefunden,<br />

wie sie sagt.<br />

Als wir sie auf eventuelle politische<br />

Reizthemen ansprechen, kommt die<br />

Juristin in ihr durch. Es gebe stets ein<br />

Pro und Kontra, das es abzuwägen gilt,<br />

erklärt Bettina. Ein Thema, das sie auf<br />

die Palme bringen könnte, können wir<br />

ihr nicht entlocken. Manchmal sei sie<br />

zwar auch sehr schnell mit dem was<br />

sie sage, insgesamt sei sie als Sternzeichen<br />

Waage aber eher der diplomatische<br />

Typ. Dennoch hat sie auch<br />

politische Lieblingsthemen: Außenund<br />

Internationale Politik, Humanitäre<br />

Hilfe, Gesundheits-, Umwelt- und<br />

Steuerpolitik haben es ihr besonders<br />

angetan. Bei den JuLis fasziniert sie,<br />

dass sich der <strong>liberal</strong>e Grundwert, die<br />

Freiheit, durch alle Politikbereiche hindurch<br />

ziehe. Zur Freiheit gehört für sie<br />

sehr vieles und zählt die Freiheit des<br />

Denkens und die Freiheit des Handelns<br />

auf. Doch auf eine zu philosophische<br />

Diskussion will sie sich nicht<br />

einlassen. Schließlich sei es wichtig,<br />

was diese Werte im ganz konkreten<br />

Leben bedeuteten. Denn sie, in Ost-<br />

Berlin geboren, hat auch die andere<br />

Seite des Systems kennen gelernt und<br />

weiß daher die heute in Deutschland<br />

gewährte Freiheit sehr zu schätzen,<br />

bereut es aber nicht, beide Seiten erlebt<br />

zu haben, weil einem dies einen<br />

erweiterten Blickwinkel auf verschiedenste<br />

Aspekte des Lebens ermögliche.<br />

Zu DDR-Zeiten hätte sie Jura nicht<br />

studiert. So gesehen, lag der Mauerfall<br />

für sie persönlich zu einem<br />

guten Zeitpunkt, noch vor dem Abitur<br />

und der Berufswahl, so dass sie<br />

Jürgen sagt „tschüss“<br />

Es war wohl der 22. Juni 2000, an<br />

dem mich der damalige JuLi-Bundesvorsitzende<br />

Daniel Bahr gegen 19<br />

Uhr anrief und mir die frohe Kunde<br />

überbrachte. Ich war gerade auf dem<br />

Weg zu einer Bildungsveranstaltung<br />

in meiner Heimatstadt Papenburg<br />

und hatte eigentlich gar keine Zeit<br />

für ein Telefonat, so dass ich erst<br />

während der laufenden Diskussion<br />

Jürgen Stindt<br />

später den Weg einschlagen konnte,<br />

den sie wollte. Freunde von ihr, die<br />

einige Jahre älter waren, und bereits<br />

einen bestimmten Weg eingeschlagen<br />

hatten, hätten es damals<br />

schwerer gehabt, erzählt sie. Wäre<br />

sie nicht Juristin geworden, hätte<br />

es sie in die Archäologie verschlagen.<br />

Beinahe wäre sie auch Restauratorin<br />

geworden, aufgrund des<br />

komplizierten Ausbildungswegs hatte<br />

sie sich aber dagegen entschieden.<br />

Im Jurastudium interessierte<br />

sie zunächst Strafrecht. Abgehärtet<br />

durch die Tischgespräche der Arzteltern,<br />

erzählt sie lachend, hatte sie<br />

auch keine Probleme, ein Praktikum<br />

bei der Mordkommission und eine Referendariatsstation<br />

in der Abteilung<br />

Kapitalverbrechen bei der Staats-<br />

zu realisieren begann, was der Daniel<br />

mir gerade am Telefon gesagt hatte. Ich<br />

wurde doch etwas unruhig, dass ich<br />

vom Land nunmehr in recht kurzer Zeit<br />

in die Großstadt Belin umziehen würde.<br />

In erster Linie aber habe ich mich gefreut<br />

und genau diese Freude hat auch<br />

in den anstehenden sechs Jahren als<br />

JuLi-Bundesgeschäftführer nicht nachgelassen<br />

und mir sicherlich über die eine<br />

oder andere schwierige Situation<br />

hinweggeholfen. Es war eine tolle Zeit,<br />

in der ich nicht nur vom Landei zum<br />

Großstadtmensch geworden bin. Ich<br />

habe wahnsinnig viel gelernt und<br />

super tolle Freundschaften schließen<br />

können. Nachdem ich mit vier Vorsitzenden<br />

(Daniel Bahr, Jan Dittrich,<br />

Alex Alvaro und Johannes Vogel) zu-<br />

anwaltschaft zu absolvieren. Doch<br />

später habe es sie immer mehr in<br />

Richtung Politik getrieben.<br />

Zum Ende des Interviews versuchen<br />

wir, von ihr noch einen Tipp auf das<br />

Wahlergebnis für die Abgeordnetenhauswahl<br />

in Berlin zu bekommen.<br />

Doch auch hier ist sie ganz die Juristin<br />

und sagt „es kommt darauf an...“ Dass<br />

Wowereit es „wohl machen wird“ ist<br />

ihr dann doch noch zu entlocken. Dies<br />

macht sie vor allem an seinem<br />

persönlichen Bekanntheits- und Beliebtheitswert<br />

fest. Ihr selber ist es jedoch<br />

ziemlich egal, wie das Partyleben<br />

des Berliner Regierenden Bürgermeisters<br />

aussieht.<br />

sammengearbeitet habe – euch vieren<br />

vielen lieben Dank – arbeite ich seit<br />

dem 15. 8 für den ehemaligen JuLi-Bundesvorsitzenden<br />

Dr. Guido Westerwelle.<br />

Ich möchte allen herzlich für die gute<br />

Zusammenarbeit danken. Bitte seht<br />

mir aber nach, dass ich eine Person<br />

ganz besonders erwähnen möchte:<br />

Regina Vorbau. Was wäre die Geschäftsstelle<br />

ohne dich?! Den JuLis<br />

alles Gute!<br />

Liebe Grüße, Jürgen<br />

Jürgen Stindt (28) arbeitet seit<br />

August 2006 als Referent beim<br />

Bundestagsabgeordneten Dr. Guido<br />

Westerwelle. Ihr erreicht ihn unter<br />

stindt@fdp.de.<br />

Infobox<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006


O<br />

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PR O<br />

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C NTRA<br />

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O<br />

Nachfrage schafft rauchfreie Gaststätten, nicht gesetzliche Verbote<br />

> von Florian Berg<br />

Die Diskussion um ein Rauchverbot<br />

in Gaststätten ist schwer im<br />

Gange, immerhin habe einige unserer<br />

europäischen Nachbarn dies so schon<br />

umgesetzt. Warum also nicht auch in<br />

Deutschland? Ist uns die Gesundheit<br />

unserer Bürger nicht wichtig? Wollen<br />

wir nicht einen Schutz vor Gefahren, zu<br />

denen Nikotin auf jeden Fall zählt?<br />

Selbstbestimmungsrecht?<br />

Ja, wir wollen einen Schutz und ja, uns<br />

ist auch die Gesundheit der Bürger<br />

wichtig. Aber nicht per Zwang. Ich will<br />

nicht darauf eingehen, wie die Kneipen<br />

und Restaurantbesuche ohne Zigarette<br />

aussehen würden, denn das<br />

ist nicht Sache der Politik.<br />

Es geht<br />

auch<br />

hier gewissermaßen um Grundrechte.<br />

Wieso kann der Staat einem Gewerbetreibenden<br />

verbieten, dass eine<br />

legale Tätigkeit in seinen Räumen<br />

stattfindet? Wer gibt ihm das Recht<br />

dazu? Noch widersinniger wird das<br />

Thema, wenn man die Unterstützung<br />

betrachtet die die Tabakindustrie von<br />

Seiten des Staates, und auch der Europäischen<br />

Union in Formen von Gesetzen<br />

und Subventionen sonst erhält.<br />

Einen prinzipientreuen Umgang mit<br />

dem Rauchen sollte man zu allererst<br />

erwarten dürfen.<br />

Es ist bewiesen, dass Passiv-Rauchen<br />

auch krebserregend ist. Aber in<br />

privaten Räumen entscheidet doch<br />

der Eigentümer. Zudem muss die Frage<br />

erlaubt sein, wer das Rauchverbot<br />

kontrollieren soll? Kommunale Ordnungsdienste?<br />

Oder sogar die Polizei?<br />

Die hat wohl wichtigeres zu tun. Es<br />

würde in jedem Fall eine Zunahme an<br />

Bürokratie geben.<br />

Es ist auch keine Frage, dass dort,<br />

wo Menschen gezwungenermaßen<br />

hin müssen (Arbeitsplatz,<br />

öffentliche Gebäude<br />

usw.) ein Rauchverbot<br />

eine sinnvolle Sache ist.<br />

Aber man geht freiwillig<br />

in Gaststätten. Und ob<br />

diese Nichtraucherlokale<br />

sind oder nicht,<br />

regelt, ob man will<br />

oder nicht, der Markt.<br />

Gewiss es gibt noch zu<br />

wenig Nichtraucherrestaurants,<br />

und die abge-<br />

trennten Bereiche sind auch kein<br />

Schutz vor Qualm, aber das Bewusstsein<br />

der Gastwirte hat sich in den letzten<br />

Wochen und Monaten geändert.<br />

Immer mehr Restaurants werden<br />

Nichtraucherlokale, denn die Nachfrage<br />

wurde geweckt. Es ist den Bürgern<br />

offensichtlich wichtiger geworden,<br />

dazu hat die Diskussion beigetragen.<br />

Die Ziele eine Quote an Nichtrauchergaststätten<br />

zu erreichen ist nicht<br />

sinnvoll, so wie es Quoten meist nicht<br />

sind. Es ist ein Stück Planwirtschaft,<br />

wenn vorgegeben wird, in wie vielen<br />

Restaurants geraucht werden darf,<br />

und in wie vielen nicht. Die Frage warum<br />

und wie diese Zahlen entstanden<br />

sind, muss auch mal gestellt werden.<br />

Ein Restaurant, in dem das Essen<br />

nicht schmeckt, der Service<br />

schlecht ist, das Preis-Leistungsverhältnis<br />

nicht stimmt, wird auch weniger<br />

Zuspruch erhalten. So wird<br />

der Faktor rauchfrei oder nicht<br />

eine immer größere Rolle spielen.<br />

Ich bin mir sicher, dass wir in den<br />

nächsten Jahren eine höhere Zahl an<br />

rauchfreien Lokalen haben werden.<br />

Und wenn nicht, muss man feststellen,<br />

dass den Menschen, eine rauchfreie<br />

Gaststätte nicht so wichtig ist.<br />

Das sollte die Politik dann zur Kenntnis<br />

nehmen und die Bürger nicht bevormunden<br />

wollen.<br />

Florian Berg (23) ist stv. Landesvorsitzender<br />

für Programmiatik der Ju-<br />

Lis Baden-Württemberg. Ihr erreicht<br />

ihn unter florian.berg@gmx.net<br />

Der Markt allein kann keinen Nichtraucherschutz garantieren<br />

> von Jan Krawitz<br />

Passivrauchen ist nicht etwas Lästiges,<br />

das einen mal zum Husten<br />

veranlasst oder Nichtrauchern rote<br />

Augen bereitet oder ungewollt Klamotten<br />

zum Stinken bringt. Nein,<br />

darum geht es in der Diskussion<br />

um gesetzliche Rauchverbote nicht.<br />

Es geht darum, dass Passivrauchen<br />

hochgradig gefährlich ist. Wie auch<br />

beim aktiven Rauchen besteht durch<br />

Passivrauchen die Gefahr an Krebs,<br />

Herzkreislaufschäden, Bronchitis, Lungenemphisem,<br />

Atemwegserkrankungen<br />

und Asthma zu erkranken. Nicht<br />

umsonst kommt die kalifornische<br />

Umweltbehörde zu dem Ergebnis,<br />

dass Zigarettenrauch als „toxischer<br />

Luftschadstoff“ in die gleiche Giftkategorie<br />

wie Arsen oder Benzol gehört.<br />

Mehr als 3.300 Menschen sterben<br />

jährlich in Deutschland an den Folgen<br />

des Passivrauchens ohne jemals ein<br />

einziges Mal in ihrem Leben Raucher<br />

gewesen zu sein. Viele von diesen<br />

Menschen leben mit Rauchern unter<br />

einem Dach. Doch auch in der Gastronomie<br />

Beschäftigte finden sich zuhauf<br />

unter ihnen.<br />

Keine halben Sachen<br />

Mittlerweile gibt es in der deutschen<br />

Politik zumindest darüber Einigkeit,<br />

dass gesetzliche Rauchverbote<br />

überall dort vonnöten sind, wo Menschen<br />

sich aufhalten MÜSSEN. Also<br />

in öffentlichen Räumen, wie Ämtern,<br />

Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten<br />

oder Hochschulen. Aber auch für<br />

den Arbeitsplatz gibt es seit der Änderung<br />

der Arbeitstättenverordnung<br />

(ArbStättV) im Jahr 2002, Bestimmungen<br />

zum Nichtraucherschutz. So hat<br />

grundsätzlich jeder Arbeitnehmer<br />

den Anspruch auf einen rauchfreien<br />

Arbeitsplatz. Alle Arbeitnehmer? Nein,<br />

ein kleines gallisches Dorf, in diesem<br />

Fall die Gastronomie, leistet erbitterten<br />

Widerstand. Sie hat erkämpft,<br />

dass es in dem entsprechenden Gesetz<br />

einen Ausnahmetatbestand gibt,<br />

der Beschäftigte in der Gastronomie<br />

von diesem Schutz ausnimmt.<br />

Nun mag der eingefleischte <strong>Liberale</strong><br />

argumentieren: Es wird ja niemand<br />

gezwungen in der Gastronomie zu<br />

arbeiten, ist ja alles freiwillig. Richtig.<br />

Aber hier geht es nicht um irgendwelche<br />

branchenspezifischen Unannehmlichkeiten,<br />

die man in Kauf<br />

nehmen muss, wenn man dort arbeitet.<br />

Es handelt sich um ernsthafte Gesundheitsgefährdungen.<br />

Und um vor<br />

solchen zu schützen, bedarf es gesetzlicher<br />

Regelungen. Der Markt kann<br />

viel. Doch der Gesundheitsschutz ist<br />

nicht gerade sein stärkstes Feld.<br />

Dies gilt ebenso für den Kunden in<br />

der Gastronomie. Denn der Markt<br />

regelt eben nicht, ob es Nichtraucher-Restaurants<br />

gibt oder nicht. Die<br />

Anzahl derer, die sich mehr rauchfreie<br />

Restaurants wünschen variiert zwar<br />

von Umfrage zu Umfrage, doch befinden<br />

sie sich stets in der deutlichen<br />

Mehrheit. Lediglich 30 Prozent der<br />

Bevölkerung raucht, und selbst unter<br />

den Rauchern würde ein ganz erheblicher<br />

Anteil keinen Anstoß an einer<br />

rauchfreien Gastronomie nehmen.<br />

Doch schauen wir uns um. Rauchfreie<br />

Gastronomie? Fehlanzeige! Da war<br />

der Markt ja mal wieder richtig erfolgreich.<br />

Das Problem ist, dass sich kein<br />

Gastronom traut auszuscheren.<br />

Andere machen es vor<br />

Das vom Hotel- und Gaststättenverband<br />

gerne proklamierte Horrorszenario,<br />

dass bei einem gesetzlichen<br />

Rauchverbot in der Gastronomie die<br />

Umsätze deutlich einbrechen würden<br />

und es zu rigorosen Stellenabbau<br />

kommen werde, ist nicht wirklich<br />

haltbar, wenn man einmal einen<br />

Blick in unsere Nachbarländer wirft,<br />

etwa nach Irland oder Italien. Sie,<br />

aber auch andere Länder, haben<br />

strenge Rauchverbote in der Gastronomie.<br />

Über Umsatzeinbußen aufgrund<br />

dieser Verbote klagen die Wirte<br />

nirgends. Und die Kneipen- und Restaurantkultur<br />

ist in diesen Ländern<br />

auch nicht zugrunde gegangen.<br />

Überall versucht der Staat zu Recht<br />

seine Bürger vor Luftschadstoffen,<br />

auch vor Tabakrauch, zu schützen.<br />

Eine Ausnahme für die Gastronomie<br />

ist in Hinblick auf die Gesundheitsfolgen<br />

nicht nachzuvollziehen. Es ist Zeit<br />

umzudenken.<br />

Jan Krawitz (24) ist Chefredakteur<br />

des „<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong>“. Ihr erreicht ihn<br />

unter mail@jan-krawitz.de<br />

08<br />

09<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006


Thema Blindtext<br />

Thema<br />

Die Gerechtigkeit und die <strong>Liberale</strong>n<br />

> von Marco Buschmann<br />

10<br />

11<br />

Nicht selten kommt Misstrauen<br />

unter <strong>Liberale</strong>n auf, wenn das<br />

Wort von der Gerechtigkeit in der<br />

politischen Diskussion fällt. Gerne<br />

wird auf Friedrich August v. Hayek<br />

Bezug genommen, der darauf hingewiesen<br />

hat, dass es keine „soziale<br />

Gerechtigkeit“ geben könne und sie<br />

als Illusion abgestempelt hat. Aber<br />

das heißt für <strong>Liberale</strong> nicht, dass Gerechtigkeit<br />

kein Ziel ihrer Politik sein<br />

soll. Es heißt nur, dass wir ein anderes<br />

Verständnis von Gerechtigkeit als<br />

Sozialdemokraten haben, die sie allzu<br />

gerne zum Vorwand nehmen, um ein<br />

immer größeres Volumen an Transferleistungen<br />

einzufordern.<br />

Gerechtigkeit war selbst in<br />

der Antike kein Fremdwort<br />

Dies wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt,<br />

dass Gerechtigkeit seit<br />

der Antike nicht nur eine Transfer-<br />

oder Leistungsdimension (distributive<br />

Gerechtigkeit), sondern auch die<br />

Dimension des rechtlichen Ausgleichs<br />

(kommutative Gerechtigkeit)<br />

besitzt. Insbesondere die Letztgenannte<br />

ist auf das Engste mit denjenigen<br />

Ordnungsgedanken verknüpft,<br />

die wir heute unter dem Stichwort<br />

Rechtsstaatlichkeit zusammenfassen.<br />

Kommutative Gerechtigkeit<br />

besagt nämlich mit moderneren<br />

Worten, dass der Staat dem Grundsatz<br />

verpflichtet sein soll, dann für<br />

einen Ausgleich zu sorgen, wenn einer<br />

seiner Bürger in seiner Rechtssphäre<br />

verletzt ist. Ein Anwendungsbeispiel:<br />

Beschädige ich das Eigentum<br />

meines Nachbarn, bin ich ihm<br />

zum Ersatz des Schadens verpflichtet.<br />

Wenn ich dem nicht nach<br />

komme, wird dies mit staatlichem<br />

Zwang gegen mich durchgesetzt. Es<br />

heißt aber auch: Greift der Staat<br />

zu Unrecht in die grundrechtlich<br />

geschützte Sphäre eines Bürgers<br />

ein, ist er diesem zum Ersatz des<br />

Schadens verpflichtet.<br />

Diese für <strong>Liberale</strong> selbstverständliche<br />

Rechtsfolgen leiten sich direkt<br />

aus dem Prinzip der kommutativen<br />

Gerechtigkeit ab. <strong>Liberale</strong> streiten<br />

für dieses Prinzip und verteidigen es!<br />

Die strittigen Konfliktlinien mit den<br />

Anhängern anderer politischer Philosophien<br />

verlaufen hier nicht auf<br />

der Ebene des Prinzips an sich, sondern<br />

vielmehr bei der Frage, was<br />

denn sinnvollerweise ganz konkret<br />

zur Rechtssphäre eines Bürgers gehören<br />

solle: Wer der Ansicht ist, dass<br />

dazu ein Anspruch auf Erwerbsarbeit<br />

gehören solle, mag es für gerecht halten,<br />

dass Erwerbsarbeit durch staatliche<br />

Arbeitszeitverkürzungen umverteilt<br />

wird.<br />

Aber auch die distributive Gerechtigkeit<br />

hat ihren Platz in der politischen<br />

Philosophie des Liberalismus.<br />

Zwei Aspekte bilden hier je einen<br />

Anknüpfungspunkt: Bildung und politische<br />

Stabilität.<br />

<strong>Liberale</strong> Vorstellungen<br />

<strong>Liberale</strong> wollen, dass die Möglichkeiten<br />

eines Individuums zur Selbstverwirklichung<br />

in der Gesellschaft nicht von Geschlecht,<br />

Rasse oder Herkunft abhängig<br />

ist, sondern von seiner individuellen<br />

Leistungsfähigkeit. Jeder Mensch soll<br />

die Chance besitzen, auf der Basis eigener<br />

Leistung seiner Vorstellung von<br />

Glück nachzugehen. Diese Chance wird<br />

nach Ansicht der meisten <strong>Liberale</strong>n dadurch<br />

erhöht, dass jeder Mensch einen<br />

Anspruch auf ein Mindestmaß an Bildung<br />

hat, um Leistungsfähigkeit entfalten<br />

zu können. Dies ist nicht etwa<br />

das Ergebnis einer Debatte des 20.<br />

Jahrhunderts. Bereits John Stuart Mill<br />

hat dafür plädiert, dass der Staat eine<br />

Kluge Köpfe<br />

denken weiter !<br />

Art Schulpflicht durchsetzen und für<br />

das Schulgeld derjenigen, die es sich<br />

nicht leisten können, aufkommen solle.<br />

Hier wird eine Leistung an Bedürftige<br />

verteilt. <strong>Liberale</strong> plädieren hier für<br />

Umverteilung, also für Verteilungsgerechtigkeit.<br />

Der Unterschied beispielsweise<br />

zur Sozialdemokratie besteht<br />

hier nicht bei der Frage des „ob“. Die<br />

Konfliktlinien ergeben sich vielmehr<br />

bei der Frage, ob das Prinzip der Chancengesellschaft<br />

durch Bildung ein Prinzip<br />

ist, das zur „Optimierung“ strebt.<br />

Kann der Staat mit aller Macht absolute<br />

Chancengleichheit herstellen oder<br />

ist er bereit zu akzeptieren, dass die<br />

Menschen in vielen Bereichen selber<br />

Verantwortung für die Chancen ihrer<br />

Kinder übernehmen müssen? Denn<br />

das Defizit schlechter Erziehung in den<br />

ersten Lebensjahren wird wohl nur<br />

dann völlig auszuschließen sein, wenn<br />

man jedes Kind der einheitlichen Obhut<br />

einer „Norm- und Brutzentrale“<br />

übergibt, wie es in Huxleys düsterer Vision<br />

einer „Brave New World“ heißt.<br />

Der andere Anknüpfungspunkt für<br />

distributive Gerechtigkeit bei <strong>Liberale</strong>n<br />

ist politische Stabilität. Auch dieser<br />

Aspekt ist mit dem Ordnungsgedanken<br />

des Rechtsstaates verknüpft.<br />

Er besagt insbesondere, dass die Bürger<br />

ihr Verhalten an rechtlichen Leitlinien<br />

ausrichten können, auf deren<br />

Bestand sie vertrauen dürfen. Der Bestand<br />

rechtlicher Normen kann aber<br />

nur unter den Rahmenbedingungen<br />

politischer Stabilität als gesichert gelten.<br />

Da es in jedem Staats- und Wirtschaftssystem<br />

bestimmte Gruppen<br />

gibt, die von den jeweiligen Rahmenbedingungen<br />

mehr oder weniger profitieren,<br />

existiert in jedem System Unzufriedenheit.<br />

Unzufriedenheit jedoch<br />

gefährdet politische Stabilität. Sie<br />

kann gar zur gewaltsamen Revolution<br />

führen. Die <strong>liberal</strong>e Marktwirtschaft<br />

jedoch besitzt einen Vorzug: Sie macht<br />

das Angebot, dass es trotz aller Einkommensunterschiede<br />

den untersten<br />

Einkommensgruppen besser gehen<br />

solle, als es ihnen in jedem anderen<br />

Wirtschaftssystem erginge. Jedenfalls<br />

hat John Rawls dieses Kriterium in seiner<br />

Theory of Justice als wesentliche<br />

Legitimation der Marktwirtschaft vorgestellt.<br />

Dieses Angebot, das in der<br />

Praxis nichts anderes bedeutet, als einen<br />

Mindestlebensstandard (auch)<br />

durch Umverteilung zu sichern, bewirkt<br />

politische Stabilität. Daher erklärt<br />

selbst die radikal-<strong>liberal</strong>e bis libertäre<br />

Mont Pelerin-Society in Punkt<br />

4 ihres Statement of Aims die Sicherung<br />

eines Minimum-Lebensstandards<br />

zu ihrem Ziel.<br />

Wir sehen also, dass <strong>Liberale</strong> alles<br />

andere als ein gespaltenes Verhältnis<br />

zur Gerechtigkeit haben. Wir dürfen<br />

nur nicht zulassen, dass andere uns<br />

die Hoheit über die Deutung dieses<br />

Begriffes entreißen. Denn wer nicht<br />

auf der Seite der Gerechtigkeit steht,<br />

der ist ein Ungerechter. Und wer<br />

möchte Ungerechte schon gerne in<br />

politischer Verantwortung sehen?<br />

Marco Buschmann (28) war sechs<br />

Jahre lang Programmatiker der<br />

JuLis NRW. Heute ist er Rechtsreferendar<br />

und promoviert am Seminar<br />

für Staatsphilosophie und Rechtspolitik<br />

der Universität zu Köln.<br />

Ihr erreicht ihn unter<br />

marco_buschmann@yahoo.de.<br />

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<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006<br />

Krankenversicherungsverein a.G.


Thema Blindtext<br />

Thema<br />

Neosozial – Schlagwort oder<br />

programmatischer Impuls ?<br />

> von Sven Görgens<br />

Guido Westerwelle hat eine neue<br />

Wortkreation geschaffen. Das<br />

ist an sich nichts Neues und für einen<br />

Mann in seiner Position auch<br />

nichts Ungewöhnliches. Doch mit der<br />

bloßen Kreation von Worten und Begriffen<br />

sollte er sich nicht begnügen<br />

und deswegen hat er zudem eine Erklärung<br />

geliefert, was denn neosozial<br />

heißt und wie er letztlich damit auch<br />

die <strong>Liberale</strong>n um- und beschreibt.<br />

Seine Definition wirft jedoch Fragen<br />

auf. Steht für ihn das Schaffen<br />

von Wohlstand und Arbeitsplätzen<br />

tatsächlich vor der Frage nach einer<br />

gerechten Unterstützung bzw.<br />

Verteilung? Ist das nicht eine merkwürdige<br />

Herangehensweise an ein<br />

von Finanzmitteln von finanzkräftigen<br />

Bürgern zu denen, die z.B. aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht in der Lage<br />

sind sich selbst zu versorgen, kann<br />

durchaus als gerecht bezeichnet werden,<br />

solange man von einem universellen<br />

Solidaritätsgedanken ausgeht.<br />

Ist sich jeder selbst aber der nächste,<br />

dann ist diese Umverteilung für eben<br />

diese Personen wohl kaum als gerecht<br />

zu bezeichnen. Es wird daher deutlich,<br />

dass sozial gerecht auch immer<br />

das wäre, was die Bevölkerung bereit<br />

wäre abzugeben bzw. zu verteilen um<br />

die Unterschiede in der Gesellschaft<br />

zu einem kleinen Teil auszugleichen.<br />

Selbstverständlich ist auch, dass der<br />

Staat Geld, welches er nicht besitzt<br />

gumentationskonstrukte wie „Liberal<br />

ist sozial“ und „Sozial ist was Arbeit<br />

schafft!“. Dass er mit den dahinter<br />

stehenden Konzepten als Neo<strong>liberal</strong>er<br />

angegangen wurde, war ihm zumeist<br />

egal, auch wenn es manchmal nicht<br />

zu unrecht geschah. Doch jetzt ist das<br />

Schaffen von Wohlstand und Arbeitsplätzen<br />

plötzlich neosozial. Eine wirkliche<br />

programmatische Kehrtwende<br />

oder Innovation lässt sich jedoch als<br />

Grundlage für die neue Wortschöpfung<br />

nicht erkennen, es sei denn, die<br />

Programmatik der FDP ließ sich früher<br />

dahingehend verstehen, dass die<br />

Unterstützung von Bedürftigen nicht<br />

vorgesehen war. Da dies jedoch kaum<br />

anzunehmen ist, muss man letztlich<br />

„Neosozial heißt: Das Erwirtschaften, also das Schaffen von Wohlstand und Arbeitsplätzen,<br />

ist die Voraussetzung für jede sozial gerechte Unterstützung der wirklich Bedürftigen.“<br />

12<br />

13<br />

Prinzip (soziale Gerechtigkeit), das im<br />

Grundgesetz verankert ist und welches<br />

letztlich doch ein Grundgedanke<br />

menschlichen Handels sein sollte?<br />

Man kann davon ausgehen, dass G.W.<br />

mit dem Schaffen von Wohlstand und<br />

Arbeitsplätzen die Erwirtschaftung<br />

von Geld meint. Geld, dass wiederum<br />

anderweitig für eine Vielzahl von<br />

Zwecken verwendet werden kann,<br />

unter anderem auch der sozialen Verteilung<br />

und der damit gewünschten<br />

einhergehenden Gerechtigkeit. Oder<br />

vielleicht auch nicht? Ist die staatliche<br />

verordnete Umverteilung von Finanzmitteln<br />

zwangsläufig gleichzusetzen<br />

mit Gerechtigkeit? Partiell, muss die<br />

Antwort hier lauten. Die Umverteilung<br />

und nicht akquirieren kann natürlich<br />

auch nicht an Bedürftige weitergeben<br />

kann. Gesamtgesellschaftlich kann es<br />

aber daraus resultierend nicht heißen,<br />

dass sozial gerecht das ist, was sich<br />

der Staat und die Gesellschaft im weiteren<br />

Sinne leisten können. Soziale<br />

Gerechtigkeit ist doch keine Frage von<br />

vollen oder leeren Kassen, sondern immer<br />

zwingend eine Frage von grundsätzlichen<br />

Anforderungen und Erfordernissen<br />

im Leben der Menschen.<br />

Selbst wenn wir aber die moralischprogrammatische<br />

Dimension des<br />

Begriffs Neosozial nicht näher betrachten,<br />

so stellt sich zumindest eine<br />

andere Frage. Seit einigen Jahren verwendete<br />

Westerwelle konsequent Ar-<br />

zu der Erkenntnis gelangen, dass hier<br />

wohl alter Wein in neuen Schläuchen<br />

an den Bürger gebracht werden soll –<br />

mehr nicht.<br />

Und genau damit hat Westerwelle<br />

eine Chance vertan. In den Zeiten der<br />

fortschreitenden Globalisierung und<br />

den damit verbundenen Folgen wollen<br />

die Leute nicht hören, dass es sozial<br />

ist Arbeitsplätze zu schaffen, sondern<br />

sie wollen stichhaltige Argumente<br />

wie sie ihren Job behalten können<br />

oder auch, wie sie persönlich endlich<br />

wieder einen finden können. Wenn<br />

das rasante Tempo der weltweiten<br />

Wirtschaftsentwicklung dazu führt,<br />

dass auch Milliardengewinne kein Argument<br />

mehr sind um Mitarbeiter zu<br />

halten anstatt sie auf die Strasse zu<br />

setzen, dann bringt die Programmatik<br />

der FDP kaum Sicherheit. Das darf nun<br />

nicht als Kritik am Liberalismus als solches<br />

verstanden werden, aber es ist<br />

doch nur zu gut nachvollziehbar, dass<br />

es für den Bürger schwer zu begreifen<br />

ist, wieso ein Unternehmen, dem es<br />

finanziell gut geht und welches sich<br />

dank der eingebrachten Arbeitskraft<br />

auch dementsprechend entwickelt,<br />

plötzlich beschließt sich von einem<br />

oftmals nicht unerheblichen Teil der<br />

Mitarbeiter zu trennen – mit der Begründung<br />

man müsse auf dem Weltmarkt<br />

wettbewerbsfähig bleiben.<br />

Hier klafft eine Lücke zwischen der<br />

politischen Theorie und der tatsächlichen<br />

Wahrnehmung für den Bürger.<br />

Ist die Wirtschaft nicht dazu da, den<br />

Menschen ein System zu geben in<br />

dem sie agieren können, welches sie<br />

aber auch kontrollieren können und<br />

müssen? Es entsteht vielmehr der<br />

Eindruck, dass wir die Götter, die wir<br />

riefen nun nicht mehr loswerden, und<br />

dass wir alle mehr oder minder unsere<br />

eigene Sklaverei begründet haben,<br />

und daran auch noch voller Wonne<br />

teilnehmen.<br />

Und für diese Fragen hat Westerwelle<br />

leider keine Antwort parat. Seine<br />

neueste Wortschöpfung ist weder eine<br />

Antwort für die FDP, noch kann sie<br />

die Fragen der Bürger beantworten<br />

oder ihren Ängsten entgegenkommen.<br />

Der Bürger will wissen, warum weitergehende<br />

Marktfreiheit für Unternehmen<br />

nicht dazu führt, dass noch<br />

mehr Menschen trotz hoher Gewinne<br />

entlassen werden – und diese Antwort<br />

bleibt Westerwelle schuldig – leider.<br />

Sven Görgens (26) ist j&l Redakteur.<br />

Ihr erreicht ihn unter<br />

sven.goergens@gmx.de<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006


Liberal<br />

Liberal<br />

Arbeitsprogramm des Bundesvorstands im Amtsjahr 2006/2007<br />

Schon auf seiner Klausurtagung Ende Mai 2006 hat der Bundesvorstand sein Arbeitsprogramm für das Amtsjahr<br />

2006/2007 beschlossen. In diesem wurden alle Projekte des Amtsjahres festgehalten, die über das „Tagesgeschäft“,<br />

wie z. B. die Pressearbeit, hinausgehen. Das „<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong>“ stellt einige ausgewählte Punkte hieraus vor.<br />

14<br />

15<br />

Schwerpunktthemen:<br />

Ein großes Thema auf dem Bundeskongress im<br />

Oktober in Jena wird die Sozialpolitik sein. Hier<br />

fordern wir auch schon lange eine thematische<br />

Verbreiterung der FDP. Der Bundesvorstand<br />

wird einen Antrag einbringen, an dem zuvor<br />

auch alle JuLis mit Hilfe eines wiki-Systems im<br />

internen Bereich der JuLi-Homepage mitarbeiten<br />

konnten. Das zweite Kernthema, das der Bundesvorstand<br />

in diesem Amtsjahr in die Debatte<br />

einbringen möchte, ist die Medienpolitik.<br />

Kampagnenthemen<br />

Nachdem auf dem Bundeskongress in Regensburg<br />

der Leitantrag zur Umweltpolitik verabschiedet<br />

wurde, soll das Thema nun auch<br />

stärker in die Außendarstellung der JuLis integriert<br />

werden. Entsprechende Werbemittel,<br />

Musterveranstaltungen vor Ort und andere<br />

Aktionsvorschläge sind in Planung. Ein weiteres<br />

wichtiges Thema ist die Bekämpfung des<br />

Rechtsextremismus: Hier werden Maßnahmen<br />

der politischen Bildung, Werbemittel und Aktionsvorschläge<br />

vorbereitet, die zum Beispiel<br />

an Schulen in besonders betroffenen Regionen<br />

umgesetzt werden können.<br />

Neumitgliederkampagne<br />

Die in den letzten Jahren sehr erfolgreich<br />

gelaufene Neumitgliederkampagne „Schon<br />

JuLi?“ wird nicht einfach nur fortgeführt,<br />

sondern weiterentwickelt. In Kürze stehen<br />

die neuen Werbemittel zur Verfügung.<br />

Liberalismus<br />

Der Bundesvorstand plant, in diesem Jahr zwei Diskussionsveranstaltungen<br />

zum Thema „Liberalismus“<br />

durchzuführen, bei denen verschiedene Referenten<br />

gemeinsam mit interessierten JuLis das Selbstverständnis<br />

des Liberalismus sowie dessen historische<br />

Strömungen erörtern.<br />

Winterakademie<br />

International<br />

Im kommenden Jahr soll ein internationales Komitee den International Officer bei der<br />

Planung und Umsetzung der Maßnahmen unterstützen. Anfang Oktober reiste eine<br />

sechsköpfige JuLi-Delegation nach Aserbaidschan und Georgien, wo sie, koordiniert von<br />

der Friedrich-Naumann-Stiftung vor Ort, die dortigen <strong>jung</strong>en <strong>Liberale</strong>n traf. Weiterhin<br />

ist eine Studienfahrt nach Genf zum United Nations Office geplant. 2007 soll eine große<br />

internationale Veranstaltung in Deutschland ausgerichtet werden.<br />

Vom 2. bis 5. Januar 2007 wird bei der Winterakademie<br />

des Bundesverbands in Garmisch-Partenkirchen das Skifahren<br />

mit inhaltlicher Arbeit kombiniert: Nach der Piste<br />

geht es um das Thema „Doping im Sport“. Das Anmeldeformular<br />

steht im internen Bereich auf der Website.<br />

Neumitglieder und Verbandsarbeit<br />

Als besonderes Serviceangebot für die Untergliederungen<br />

der JuLis soll unter anderem ein Neumitgliederseminar,<br />

das das <strong>liberal</strong>e Selbstverständnis, die Verbandsstruktur<br />

und weitere Informationen rund um die<br />

<strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>n vermittelt, angeboten werden. Ziel des<br />

Angebots ist es, den Aktivitätsgrad der Neumitglieder<br />

direkt zu Beginn zu erhöhen. Mit einem umfassenden<br />

Orgahandbuch werden zukünftig zudem für die Kreisverbände<br />

Mustersatzungen, Tipps zur Kongressorganisation,<br />

Aktionen und Finanzen, Tipps zur Verbandsarbeit<br />

vor Ort und andere wichtige Informationen auf einen<br />

Blick zusammengestellt.<br />

Werbemittel<br />

Der Bundesverband überarbeitet derzeit auch<br />

sein Werbemittelangebot. So erscheinen das<br />

Grundsatzprogramm und das JuLi-Lexikon bald<br />

in neuer Optik. Es wird neue Imagefolder mit<br />

Vorstellung der wichtigsten JuLi-Themen sowie<br />

eine Postkarte gegen die Große Koalition geben.<br />

Darüber hinaus sind Präsentationsmappen sowie<br />

Schlüsselbänder als Give Aways in Planung.<br />

High-Score einmal anders<br />

Scoring-Verfahren bleiben für den Verbraucher völlig undurchsichtig<br />

> von Sven Janka<br />

Man stelle sich vor, man fährt mit<br />

seinem blauen Golf von seinem<br />

Heimatort Hamburg nach München.<br />

Früher oder später muss man tanken,<br />

also fährt man die nächste Tankstelle<br />

an, irgendwo in der Nähe von Hannover.<br />

Kurz vor der Einfahrt zu den<br />

Zapfsäulen wird man plötzlich von<br />

einem Mitarbeiter der Tankstelle aus<br />

der Warteschlange heraus gewunken.<br />

Der Mitarbeiter beugt sich entschuldigend<br />

lächelnd zu einem hinunter und<br />

sagt: „Es tut mir leid, aber sie dürfen<br />

hier nicht tanken. Wir haben schlechte<br />

Erfahrungen mit blauen Golfs aus<br />

Hamburg gemacht.“<br />

Absurde Vorstellung? Grundsätzlich<br />

ja. Allerdings ist niemand von uns davor<br />

geschützt, auf Grund von nicht oder<br />

nur schwer nachvollziehbaren „persönlichen“<br />

Merkmalen von Angeboten<br />

ausgeschlossen zu werden. Ursache<br />

Homepage<br />

Als wichtigstes direktes Kommunikationsmittel mit den<br />

Mitgliedern und Interessenten der JuLis wird sowohl<br />

der interne als auch der öffentliche Bereich der Website<br />

kontinuierlich ausgebaut. In Zukunft soll die gesamte<br />

Abwicklung der Werbemittelbestellungen über einen Onlineshop<br />

abgewickelt werden. Seit einigen Wochen kann<br />

auf der JuLi-Website auch ein Podcast heruntergeladen<br />

werden, in dem der Bundesvorsitzende Johannes Vogel<br />

auf die wöchentlichen Aussagen von Angela Merkel zu<br />

aktuellen politischen Themen in ihrem eigenen Podcast<br />

antwortet.<br />

hierfür sind Scoring-Modelle. Mittels<br />

statistischer Verfahren werden beim<br />

Scoring die eigenen persönlichen Daten,<br />

die man Unternehmen z.B. bei einer<br />

Bestellung oder einem Kreditantrag<br />

übermittelt, mit den anonymisierten<br />

Daten anderer Kunden verknüpft und<br />

verglichen. Ergebnis ist ein Score, d.h.<br />

eine Einstufung des Kunden innerhalb<br />

einer Skala. Weist der Score auf eine<br />

besonders hohe Schadenhäufigkeit<br />

innerhalb der Vergleichsgruppe hin,<br />

kann das Unternehmen hieraus Konsequenzen<br />

ziehen. So wird möglicherweise<br />

ein Kreditantrag abgelehnt oder<br />

der zu zahlende Zinssatz heraufgesetzt.<br />

Im Versandhandel kann dem Kunden<br />

die Möglichkeit verwehrt werden, per<br />

Rechnung zu zahlen. Die größte dieser<br />

Datenbanken in Deutschland hat wohl<br />

die SCHUFA Holding AG mit ihren Daten<br />

von über 59 Millionen Bundesbürgern.<br />

Grundsätzlich dient ein Scoring der<br />

Wahrnehmung berechtigter Interessen<br />

der Unternehmen. Durch die Nutzung<br />

statistischer Methoden erhalten<br />

Entscheidungen zur Kundenbeziehung<br />

eine objektivere Basis. Da man davon<br />

ausgehen kann, dass die Kosten<br />

für Schadensfälle letztendlich auf die<br />

Produktpreise umgelegt werden, besteht<br />

auch auf Verbraucherseite ein<br />

Interesse an einer fairen und objektiven<br />

Bewertung.<br />

Das Schubladensystem<br />

Allerdings ist der Umgang mit den eigenen<br />

Daten im Rahmen des Scorings<br />

alles andere als transparent. Wie im<br />

fiktiven Beispiel zu Beginn des Artikels<br />

können scheinbar unbedeutende<br />

Merkmale, auf die man möglicherweise<br />

nicht einmal Einfluss hat, bereits<br />

14<br />

15<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006


Liberal<br />

Liberal<br />

>Fortsetzung von Seite 15<br />

16<br />

17<br />

für eine Herabsetzung des Scoring-<br />

Wertes sorgen. Merkmale wie Alter,<br />

Familienstand oder Wohnanschrift<br />

mögen aus statistischer Sicht einen<br />

Einfluss auf das Zahlungsverhalten<br />

haben. Für eine Kollektivhaftung für<br />

die Verfehlungen gleichaltriger Singles<br />

aus der gleichen Straße muss allerdings<br />

niemand Verständnis haben.<br />

Die bestehenden Datenschutzgesetze<br />

bieten dem Verbraucher bereits die<br />

Möglichkeit, bei den Betreibern einer<br />

Scoring-Datenbank eine Auskunftsanfrage<br />

zu stellen. Grundsätzlich<br />

müssten in diesem Rahmen auch Fragen<br />

nach dem Berechnungsverfahren<br />

beantwortet werden. Jedoch dürfen<br />

die Datenbankbetreiber mit Verweis<br />

auf ihre Geschäftsgeheimnisse diese<br />

Auskünfte verweigern. So bleibt das<br />

Scoring-Verfahren für den Betroffenen<br />

eine Blackbox. Verweigert man<br />

bei einer Vertragsanbahnung die<br />

Zustimmung zur Weitergabe der eigenen<br />

Daten, muss man mit erheblichen<br />

Nachteilen rechnen. In der Regel<br />

bedeutet dies die Ablehnung der Geschäftsbeziehung.<br />

Stellungnahme<br />

Die Schwarz-Rote Regierung zeigt bislang<br />

wenig bis gar kein Problembewusstsein.<br />

Auf eine kleine Anfrage an<br />

die Bundesregierung gestellt u.a. durch<br />

die FDP-Fraktion zum Thema Scoring,<br />

offenbarte die Bundesregierung Unkenntnis<br />

und verwies lediglich auf die<br />

laufende Prüfung eines Forschungsberichtes<br />

zum Thema. Der zuständige Minister<br />

Horst Seehofer appelliert in nahezu<br />

naiver Weise an die Verantwortung<br />

der Wirtschaft gegenüber den Verbrauchern.<br />

Solange ein Verzicht auf<br />

Scoring-Verfahren oder deren Offenlegung<br />

der Wirtschaft keine Wettbewerbsvorteile<br />

bringen, wird freiwillige<br />

Transparenz Wunschdenken bleiben.<br />

Das unabhängige Landeszentrum<br />

für Datenschutz Schleswig-Holstein<br />

empfiehlt den politisch Verantwortlichen<br />

einige wenige, aber ausreichend<br />

effektive Maßnahmen: Verstärkte<br />

Durchsetzung und Konkretisierung<br />

der bestehenden Datenschutzgesetze,<br />

Sanktionen für Auskunftsverweigerungen<br />

gegenüber Verbrauchern,<br />

bessere technische und personelle<br />

Ausstattung der Aufsichtsbehörden,<br />

verbindliche Verhaltensrichtlinien<br />

und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen<br />

sich diese Ratschläge zu<br />

Herzen nehmen. Schon in eigenem<br />

Interesse, fließt doch ihr Verhalten in<br />

dieser Frage in ihren durch die Wähler<br />

ermittelten Scoring-Wert ein.<br />

Sven Janka (28) ist J&L Redakteur.<br />

Ihr erreicht ihn unter<br />

sven.janka@berlin.de<br />

Die Wachsflügel der Moral<br />

Günther Grass hat mit seiner Offenbarung die Republik kräftig durchgeschüttelt<br />

> von Sven Görgens<br />

Wer hoch fliegt, der muss auch tief<br />

fallen, sagt eine alte Weisheit und<br />

beruft sich damit nicht ganz zu<br />

unrecht auf den griechischen Mythos<br />

des Ikarus. In diesem Herbst hat die<br />

deutsche Medienlandschaft ihren<br />

ganz eigenen Ikarus gefunden, bzw.<br />

hat ihn geliefert bekommen. Günter<br />

Grass, linksideologischer Wahlkämpfer<br />

der SPD und seit dem Ende des<br />

zweiten Weltkrieges eine moralische<br />

Instanz, schockte die Republik im<br />

Vorfeld der Veröffentlichung seines<br />

neuen Buches.<br />

Die Gründe für die plötzliche Offenbarung,<br />

dass der Literaturnobelpreisträger<br />

gegen Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs in der Waffen-SS gedient<br />

hat, sind zumindest den Spekulationen<br />

nach so vielfältig wie auch die<br />

Reaktionen. Und auch wenn viele<br />

Medien nach einem Sommer des neu<br />

erblühten positiven Nationalstolzes<br />

durch die WM diese Entwicklung nun<br />

als braunen Herbst der Vergangenheit<br />

titulieren, so hat Grass Offenbarung<br />

auch etwas Positives. Sie regt<br />

zu offenen Diskussionen an und<br />

bringt somit eine lange verdrängte<br />

Debatte um die Vergangenheit vieler<br />

Deutschen wieder auf das Tableau.<br />

Es ist gut, sich mit der Vergangenheit<br />

auseinanderzusetzen und solche<br />

Ereignisse machen die Menschen<br />

darauf aufmerksam, dass bei der<br />

deutschen Vergangenheitsbewältigung<br />

längst nicht alles Gold ist was<br />

glänzt. Für die jüngere Generation<br />

ist diese Debatte vor allem eine<br />

Möglichkeit die Frage nach Schuld und<br />

Moral nicht nur passiv mitzuerleben,<br />

sondern auch aktiv mitzudebattieren.<br />

Wenn sich abermals moralische<br />

Institutionen und Instanzen in einem<br />

Feuerwerk der Anschuldigungen<br />

und Verteidigungen ergehen, dann<br />

können sich nun auch jene eine<br />

Meinung bilden, die in bisherigen<br />

Diskussionen aufgrund des Alters<br />

und aufgrund mangelnder Erfahrung<br />

stumm bleiben mussten.<br />

Auf Kosten seiner Integrität<br />

Martin Walser merkte an, dass Grass<br />

nur deswegen nicht früher damit an<br />

die Öffentlichkeit gegangen sei, weil<br />

das Klima der Vergangenheitsbewältigung<br />

es nicht zugelassen hätte.<br />

Fraglich ist jedoch, ob nicht eine<br />

frühere Offenbarung nicht auch viel<br />

früher zu einer Debatte und damit<br />

einen Austausch darüber geführt<br />

hätte. Grass Geständnis fügt ihm<br />

unweigerlich Schaden zu, denn wer<br />

eine solch hohe Moral predigt, wie<br />

er es immer getan hat, der unterliegt<br />

dann selbstverständlich den gleichen<br />

oder sogar höheren Maßstäben, wenn<br />

es um die Bewertung seiner eigenen<br />

Person geht. Seine Äußerung, man<br />

würde versuchen ihn zur „Unperson“<br />

zu machen, ist daher nur mit einem<br />

Kopfschütteln zu versehen. Konnte<br />

er denn wirklich annehmen, dass<br />

nach seinen Aussagen zwar alle<br />

den Buchhandel konsultieren und<br />

sein neues Werk kaufen würden, es<br />

ansonsten aber keine Reaktion gäbe?<br />

Und vielleicht war es aber doch nicht<br />

die Ankurbelung des Buchverkaufes,<br />

die ihn zu dieser späten Offenbarung<br />

getrieben hat. Vielleicht hatte der alte<br />

Mann beschlossen in seinen späten<br />

Lebensstunden die Republik noch<br />

einmal kräftig durchzuschütteln, auch<br />

wenn es auf Kosten seiner Integrität<br />

geht. Man weiß es nicht.<br />

Grass hat sich seiner Aussage nach<br />

nie an einem Verbrechen beteiligt<br />

und dies ist aus vielerlei Hinsicht ein<br />

glücklicher Faktor. Nicht nur, dass<br />

durch seine Hand keine Menschen<br />

sterben mussten, sondern auch,<br />

dass er mit dieser „Ich war dabei,<br />

ich war überzeugt und habe aber<br />

nichts gemacht!“-Mentalität eine<br />

Symbolfigur für viel mehr Menschen<br />

sein kann, als wenn er tatsächlich aktiv<br />

den Tod von Menschen herbeigeführt<br />

hätte. Selbstverständlich ist er mit<br />

dieser Vergangenheit keine positive<br />

Symbolfigur, aber auch das ist eine<br />

Eigenschaft eben solcher Symbole<br />

und Symbolfiguren; sie können auch<br />

für das Schlechte stehen. Grass hat<br />

in seinem Leben und in seinen Werken<br />

viele gute Ideen und moralische<br />

Vorstellungen an die Menschen<br />

gebracht, seine Vergangenheit macht<br />

diese Aussagen nicht weniger richtig.<br />

Vielleicht erreicht diese Entwicklung<br />

eines, dass Moral auch ein Stück weit<br />

menschlicher wird. Oder aber, dass<br />

die <strong>jung</strong>e Generation aufhorcht und<br />

feststellt, dass die Vergangenheit und<br />

deren Bewältigung längst noch nicht<br />

Vergangenheit sind, wie sich das<br />

manch einer wünscht.<br />

Sven Görgens ist j&l Redakteur.<br />

Ihr erreicht ihn unter<br />

sven.goergens@gmx.de<br />

16<br />

17<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006


Liberal<br />

Liberal<br />

„Eine große Verteilungsmaschinerie unter<br />

dem Deckmantel der Transparenz“<br />

Im j&l Interview kritisierte Uwe Laue, Vorstandsvorsitzender<br />

des privaten Krankenversicherers Debeka, die aktuelle<br />

Gesundheitsreform scharf<br />

18<br />

19<br />

Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit<br />

der Bundesregierung auf dem Gebiet<br />

der Gesundheitsreform?<br />

Laue: Das, was die Bundesregierung<br />

im Bereich der Gesundheitsreform<br />

bisher vorgelegt hat, ist enttäuschend.<br />

Besonders die großen Probleme wurden<br />

nicht angepackt. Wir brauchen<br />

mehr Nachhaltigkeit. Wir haben ein<br />

demographisches Problem, welches<br />

wir lösen müssen. Der Fokus ist zudem<br />

wieder nur auf die Einnahmeseite<br />

gelegt worden, die Ausgabenseite<br />

wird außen vor gelassen. Wirtschaftlich<br />

voranbringen würde uns eine Abkopplung<br />

der Beiträge vom Lohn, also<br />

eine Reduzierung der Arbeitgeberleistungen<br />

oder -zuschüsse in der GKV.<br />

Die bisher vorgelegten Maßnahmen<br />

helfen in keiner Weise weiter und sind<br />

nicht geeignet, das Gesundheitssystem<br />

langfristig zu stabilisieren.<br />

Sie haben in der Vergangenheit auch<br />

die vor und während der Bundestagswahl<br />

diskutierten Modelle, das<br />

Gesundheitsprämienmodell und die<br />

Bürgerversicherung, kritisiert. Was war<br />

daran so falsch?<br />

Laue: Momentan erleben wir mit der<br />

Gesundheitsreform ja eigentlich nur<br />

eine Fortführung dieser ursprünglichen<br />

Ideen. Von der SPD kam die Idee<br />

der Bürgerversicherung. Diese führt<br />

in eine Staatsmedizin. Das gegliederte<br />

System, welches wir heute haben,<br />

wird dadurch aufgegeben und der<br />

Wettbewerb erheblich eingeschränkt.<br />

Auch das ursprünglich von der CDU<br />

vorgeschlagene Kopfpauschalenmodell<br />

führt letztlich zu einer Einheitsmedizin.<br />

Diese beiden Modelle schädigen<br />

den Wettbewerb. Die neue Namensgebung<br />

verändert das Konzept nicht.<br />

Auf den ersten Blick vermisst man beim<br />

Gesundheitsfonds einen Reformansatz.<br />

Es scheint, als werde lediglich eine andere<br />

Art der Geldeinnahme und Verteilung<br />

eingeführt. Oder sieht man als<br />

Laie vielleicht einfach den großen Zusammenhang<br />

nicht?<br />

Laue: Sie haben vollkommen Recht.<br />

Das bisher Vorgelegte ist nichts anderes<br />

als eine große Verteilungsmaschinerie<br />

unter dem Deckmantel der<br />

Transparenz. Auch die angedeuteten<br />

Entlastungen für Arbeitgeber und<br />

Krankenkassen werden letztlich in<br />

der Realität so nicht kommen. Es ist<br />

ein Bürokratiemonster, der Gesundheitsfonds<br />

bringt nichts und packt vor<br />

allem keine Probleme an. Selbst die<br />

Krankenkassen, die ja laut dem Konzept<br />

Grund zur Freude haben müssten,<br />

sind verärgert und bekämpfen<br />

die Reform.<br />

Sehen die gesetzlichen Krankenkassen<br />

in Wirklichkeit vielleicht nicht einfach<br />

nur ihre „Felle wegschwimmen“ und<br />

fürchten Autonomieverluste?<br />

Laue: Das ist die logische Konsequenz,<br />

wenn dieser Fonds kommt. Das ist<br />

eine Bedrohung für die Verwaltung<br />

der GKV und dies wird erhebliche Personalkürzungen<br />

zur Folge haben. Das<br />

ist natürlich auch ein Grund, weshalb<br />

sich die gesetzlichen Kassen gegen<br />

diesen Fonds stemmen. Denn Vorteile<br />

bringt er ihnen ja wie auch allen anderen<br />

Teilnehmern des Systems nicht.<br />

Welche Folgen ergeben sich für das Gesundheitssystem,<br />

wenn sich die derzeitigen<br />

Reformpläne nicht mehr ändern?<br />

Laue: Wir haben zurzeit mehrere Ausgangspositionen:<br />

Zum einen das Eckpunkte-Papier<br />

von Ulla Schmidt, zum<br />

anderen einen Entwurf, der weit über<br />

das Eckpunktepapier hinausgeht. Das<br />

Eckpunktepapier an sich ist schon<br />

schlimm genug. Beides wird vor allem<br />

die private Krankenversicherung erheblich<br />

schädigen. Die Portabilität der<br />

Altersrückstellungen ist ein kritischer<br />

Punkt. Darüber hinaus will man mit<br />

dem neuen Papier den PKV-Schutz auf<br />

das Niveau des GKV-Schutzes bringen,<br />

was uns wiederum zur Einheitsversorgung<br />

führen würde. Damit hätten wir<br />

nichts anderes als die Bürgerversicherung,<br />

durch die der Arbeitgeber erheblich<br />

mehr belastet wird. Die Maßnahmen<br />

werden keinem helfen, sie haben<br />

nur ein Ziel: Das Gesundheitswesen in<br />

Deutschland zu verstaatlichen! Was<br />

daraus in anderen europäischen Ländern<br />

geworden ist, kann man ja sehen.<br />

Dabei ist die Portabilität der Altersrückstellungen<br />

generell kein Problem,<br />

sie stellt sogar einen Wettbewerbsfaktor<br />

dar, der Vorteile für den Kunden<br />

mit sich bringen kann. Allerdings<br />

kann sie nur für die Kunden gelten,<br />

die in Zukunft eine Versicherung abschließen<br />

und nicht für die, die das<br />

bereits getan haben. Deren Beiträge<br />

haben eine solche Portabilität gar<br />

nicht vorfinanziert. Die Änderung dieses<br />

privatrechtlichen Vertrags mit den<br />

Kunden würde zu einer völlig neuen<br />

Kalkulation und zu teilweise starken<br />

Beitragserhöhungen führen. Vor allem<br />

aber darf dieser Aspekt des Wettbewerbs<br />

nicht überbewertet werden.<br />

Die bisherigen Wechslerquoten legen<br />

kaum nahe, dass die Versicherten nun<br />

ständig die Krankenkassen wechseln<br />

werden; wir sprechen hier vielleicht<br />

von vier bis fünf Prozent.<br />

Wie wird sich die PKV in Zukunft positionieren,<br />

um ihre Versicherten zu schützen?<br />

Laue: Wir werden sehr ruhig und sehr<br />

sachlich vorgehen. Es ist notwendig,<br />

mit den Fachleuten in den Ministerien<br />

und Parteien zu sprechen. Vor allem<br />

müssen wir die Nachteile dieser<br />

Reform deutlich machen. Auch der<br />

Weg der Klageeinreichung für uns<br />

und unsere Kunden steht natürlich<br />

offen, wenn deutlich wird, dass in Eigentumsrechte<br />

eingegriffen wird. Es<br />

geht hier immerhin um 8 Millionen<br />

Versicherte. Man darf nicht vergessen,<br />

dass die PKV in der Vergangenheit einiges<br />

getan hat, um der GKV zu helfen.<br />

Zum Beispiel durch die höheren<br />

Preise, die für Ärzte gezahlt wurden<br />

und die somit indirekt das System mitgetragen<br />

haben. Das würde nun alles<br />

wegfallen,was letztlich keinem hilft.<br />

Glauben Sie, dass diese Reform die PKV<br />

als „Sparschwein“ versteht, welches<br />

nun geschlachtet werden soll, weil man<br />

letztlich dahinter immer eine gewisse<br />

„soziale Ungerechtigkeit“ wittert?<br />

Laue: Wir haben eine große Neiddiskussion,<br />

die immer wieder von den<br />

Medien geschürt wird. Sie hilft aber<br />

keinem weiter. Uns ist es nicht ausreichend<br />

gelungen, die Fakten darzustellen.<br />

Entgegen anderer Behauptungen<br />

sind in der PKV eben nicht nur die<br />

„Reichen“ versichert. Von den 8 Millionen<br />

Versicherten in der PKV sind 4<br />

Millionen Beamte mit ihren Familien<br />

versichert, dazu kommen 2 Millionen<br />

Selbstständige und der Rest sind freiwillig<br />

versicherte Angestellte. In der<br />

GKV sind es aber 6,7 Millionen freiwillig<br />

Versicherte, die mit ihrem Verdienst<br />

über der Versicherungspflichtgrenze<br />

liegen. Man müsste demnach<br />

auch hier versuchen, Umverteilungsprozesse<br />

einzuleiten.<br />

PKV-Patienten bekommen bei Ärzten<br />

oftmals schneller einen Termin. Da ist der<br />

Vorwurf einer „Besserbehandlung“ doch<br />

nicht ganz aus der Luft gegriffen, oder?<br />

Laue: Sie bekommen manchmal<br />

schneller einen Termin, sie werden<br />

aber nicht auf einem medizinisch anderen<br />

Niveau behandelt.<br />

Ist das noch sozial gerecht oder ist das<br />

nicht die erste Stufe einer „Zwei-Klassenmedizin“?<br />

Laue: Wenn man sich das Bezahlungssystem<br />

der Ärzte genau anschaut,<br />

kommt man relativ schnell zu dem Ergebnis,<br />

dass die Budgets, die vor einigen<br />

Jahren eingeführt wurden, zur Folge<br />

haben, dass ein Arzt in den letzten Wochen<br />

eines Quartals das Budget ausgegeben<br />

hat und er für die Behandlung<br />

nicht mehr bezahlt wird. Es ist doch<br />

verständlich, dass dann versucht wird,<br />

den Patienten in der Terminvergabe ins<br />

nächste Quartal zu schieben. Wenn der<br />

PKV-Patient kommt, weiß der Arzt, dass<br />

er für die Behandlung auch bezahlt wird.<br />

Welche Reformen des Gesundheitssystems<br />

wären aus Ihrer Sicht dann die<br />

dringendsten?<br />

Laue: Am dringendsten wäre es nicht<br />

nur die Einnahmenseite, sondern auch<br />

die Ausgabenseite zu betrachten. Hier<br />

könnte man einige Bereiche aus der<br />

GKV herausziehen und sie somit entlasten.<br />

Der Bürger soll individuell entscheiden<br />

können, ob er diese speziellen<br />

Bereiche versichern will.<br />

Zu einem ganz anderen Thema: In den<br />

letzten Jahren sind in Deutschland die<br />

HIV-Infektionsraten vor allem bei <strong>jung</strong>en<br />

Menschen erheblich gestiegen. Sind Kürzungen<br />

der Finanzmittel für Aufklärung<br />

und Prävention da der richtige Weg?<br />

Laue: Sicherlich nicht! PKVen unterstützen<br />

die Aids-Stiftung zum Beispiel<br />

in erheblichem Maße. Das ist eine Privatinitiative<br />

von uns, aber auch von den<br />

Regierungen erwarte ich hier mehr Einsatz.<br />

Die Prävention an dieser Stelle ist<br />

immens wichtig.<br />

Herr Laue, vielen Dank<br />

für das Gespräch.<br />

Sven Görgens (26) führte das<br />

Interview, er ist j&l Redakteur.<br />

Ihr erreicht ihn unter<br />

sven.goergens@gmx.de<br />

18<br />

19<br />

<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006


Leserbrief<br />

Vermischtes<br />

Meine Zukunft mit Berlin!<br />

Beachvolleyball<br />

Turnier der JuLis Kiel<br />

Generation Praktikum<br />

„Generation Praktikum: Jung, gut<br />

ausgebildet, fleißig – und ein fester<br />

Job in weiter Ferne“, so hieß es<br />

auf der Titelseite von „Der Spiegel“<br />

in der ersten Augustwoche. Endlich<br />

wird dieses spezifische Problem prominent<br />

platziert und angesprochen.<br />

Es geht hier nicht um das sicherlich<br />

auch schwerwiegende Problem der<br />

Jugendarbeitslosigkeit; hier geht es<br />

um eine statistisch nirgends erfasste<br />

Gruppe <strong>jung</strong>er Akademiker, denen<br />

eine Festanstellung verwehrt bleibt.<br />

Es sind Menschen, die bereit sind etwas<br />

zu leisten und die von der Mobilität<br />

bis hin zur Auslandserfahrung<br />

alles mitbringen, was eine erfolgsversprechende<br />

Bewerbung erfordert.<br />

Statt einem richtigen Job hangeln sie<br />

sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag,<br />

von Praktikum zu Praktikum, Volontariat,<br />

Hospitanz oder Ähnlichem. Wie<br />

man es auch nennen mag, alle haben<br />

eines gemeinsam: Einen leistungsungerechten<br />

Billiglohn für eine Arbeit,<br />

die lediglich auf dem Papier eine Ausoder<br />

Weiterbildung zu sein scheint.<br />

Dies wäre ja noch hinnehmbar, würde<br />

es sich nur um einen temporären Zustand<br />

handeln, der später in eine Festanstellung<br />

mit fairem Gehalt mündet.<br />

Oftmals wird aber genau diese Hoffnung<br />

von Unternehmen ausgenutzt.<br />

Die Verlockung in der derzeitigen<br />

wirtschaftlichen Flaute ist groß: eine<br />

sehr günstige und gute Arbeitskraft,<br />

die im besten Fall die eigenen älteren<br />

Festangestellten vielleicht auch noch<br />

auf diversen Computerprogrammen<br />

schult. Ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis<br />

für kühl Kalkulierende,<br />

in besonders schwer wiegenden<br />

Fällen sogar unter den sozialversicherungspflichtigen<br />

EUR 400 monatlich<br />

für einen Akademiker.<br />

Als <strong>Junge</strong> <strong>Liberale</strong> müssen wir verhindern,<br />

dass Deutschland wie „Praktika-Frankreich“<br />

endet (hier spricht<br />

man aufgrund der prekären Situation<br />

übrigens von „génération précaire“).<br />

Versteht mich bitte nicht falsch: es<br />

geht nicht darum, den in unserem<br />

Land sowieso schon sehr gescholtenen<br />

Unternehmern noch eins drauf<br />

zu setzen und aufgrund ideologischer<br />

oder prinzipieller Verblendung die<br />

Rechte der Arbeitnehmer ohne Hinterfragung<br />

zu stärken. Nein, wir wollen<br />

lediglich <strong>jung</strong>en leistungsbereiten<br />

Menschen eine faire Chance bieten.<br />

Die Lockerung des Kündigungsschutzes<br />

könnte als eine Stellschraube dazu<br />

beitragen, dass Unternehmer wieder<br />

eher das Risiko fester Arbeitsverträge<br />

auf sich nehmen. Aber wenn, wie<br />

im geschilderten Fall, der Markt aufgrund<br />

äußerer Bedingungen nur noch<br />

suboptimal funktioniert und einzelne<br />

Marktteilnehmer aufgrund fehlender<br />

Alternativen diskriminiert werden,<br />

kann man nach meiner Einschätzung<br />

auch als Jung<strong>liberal</strong>er laut über heilende<br />

Mechanismen nachdenken -<br />

ein Ansatz wäre, ein Praktikum eines<br />

entsprechend ausgebildeten Hochschulabsolventen<br />

nach drei Monaten<br />

in ein reguläres Arbeitsverhältnis<br />

umzuwandeln. Ich freue mich auf die<br />

Diskussion.<br />

Tobias Thalhammer Bezirksvorsitzender<br />

JuLis Oberbayern, Ihr erreicht ihn<br />

unter thalhammer@julis.de<br />

JuLis MV –<br />

Vorstandswahlen und<br />

Landtagswahlkampf<br />

Am 22. Juli wählten die Julis MV in<br />

Warnemünde turnusgemäß ihren<br />

neuen Vorstand. René Lange wurde<br />

als Landesvorsitzender bestätigt,<br />

genauso seine Stellvertreter Sebastian<br />

Petermann (Programmatik), Nadja<br />

Böttger (Presse), Hagen Reinhold<br />

(Organisation). Als Landesschatzmeister<br />

wurde Andreas Poytinger<br />

bestätigt. Komplettiert wird der<br />

Landesvorstand durch die drei Beisitzer<br />

Sven Drefahl, Steffen May und<br />

Christian Wagner.<br />

Bei strahlendem Sonnenschein startete<br />

am 22. August in Greifswald am<br />

Mühlentor die „Mecklenburg-Vorpommern-Tour“<br />

des FDP-Spitzenkandidaten<br />

Michael Roolf. Mit dabei war<br />

auch der Generalsekretär der Bundes-<br />

FDP Dirk Niebel. Zurückgegriffen wurde<br />

auch in diesem Wahlkampf auf die<br />

altbewährte Steuerwehr. Die umgebaute<br />

Feuerwehr diente als Einsatzfahrzeug<br />

für den Spitzenkandidaten,<br />

der in den folgenden Wochen quer<br />

durchs Bundesland reiste und Fragen<br />

der Bürgerinnen und Bürgern rund<br />

um das Programm beantwortete.<br />

Tatkräftig unterstützt wurde er dabei<br />

von den JuLis MV.<br />

Die Wahlkampf-Kampagne des JuLi-<br />

Landesverbandes Berlin war ein ambitionierter<br />

Dreisprung: Die Wahlkampfauftaktaktion<br />

am 12. August,<br />

der Eintritt in die heiße Wahlkampfphase<br />

mit dem Sommerfest am 27.<br />

August und der Zieleinflug mit der<br />

Abschlussaktion „Unter dem Lindner“.<br />

Ergänzt wurden diese Höhepunkte<br />

von kurzfristig anberaumten Aktionen<br />

zu tagesaktuellen Themen und der<br />

Arbeit in den Bezirksverbänden. Die<br />

Wahlkampfauftaktaktion in der Neuköllner<br />

Pflügerstraße war die herzliche<br />

Einladung an alle Wähler, ihre<br />

Stimme diesmal der FDP zu geben. In<br />

einer analytischen Rede verdeutlichte<br />

der frühere JuLi-Landesvorsitzende<br />

Alexander Ritzmann (MdA), weshalb<br />

der CDU-Spitzenkandidat Friedbert<br />

Pflüger Berlin in die politische Sackgasse<br />

führen würde, was den Gegenentwurf<br />

der FDP auszeichnet und<br />

wie die Kraft der Freiheit den Berliner<br />

Bären aus dem Schuldensumpf ziehen<br />

soll. Im Prenzlauer Berg fand am<br />

27. August bei abwechslungsreicher<br />

Witterung das Sommerfest statt. Neben<br />

einer Podiumsdiskussion mit dem<br />

Berliner FDP-Spitzenkandidaten Martin<br />

Lindner (MdA), JuLi-Spitzenkandidaten<br />

Toni Wagner und Vertretern anderer<br />

Parteien des demokratischen Spektrums,<br />

fanden eine große Hüpfburg,<br />

Musik und gute Laune Anklang bei<br />

den zahlreichen Gästen. Weitere Aktionen<br />

fanden unter anderem am 13.<br />

August anlässlich des 25. Jahrestages<br />

des Mauerbaus, am 26. August zur offiziellen<br />

Einschulung unter dem Motto<br />

„Aus der Schule in den Sessel“ mit<br />

der Berliner Bildungsexpertin Mieke<br />

Senftleben (MdA) sowie ebenfalls am<br />

26. August bei der langen Nacht der<br />

Museen statt.<br />

Unterschriftenliste gegen die GEZ-Gebührenpflicht – JuLis NRW<br />

Handy und PC? Die sind heute bei der<br />

Mehrheit der Deutschen selbstverständlich.<br />

Dass TV und Radio kosten,<br />

ist bekannt, doch die 10 Millionen,<br />

die im nächsten Jahr mehr abkassiert<br />

werden, wurden lange tot geschwiegen.<br />

Ab 1. Januar 2007 sollen nun<br />

auch die Inhaber von internetfähigen<br />

Handys und PCs zur Kasse gebeten<br />

werden. Ob man damit tatsächlich<br />

surft, ist egal. Was „kann“, das „kostet“!<br />

„Neuartige Rundfunkempfangsgeräte“<br />

heißt das im Gesetzesjargon.<br />

Damit werden nun auch Studenten,<br />

die bisher auf Radio und Fernsehen<br />

verzichtet haben, zur Kasse gebeten.<br />

Verzichtete ein Unternehmen in der<br />

Am 26. August fand wieder das alljährliche<br />

Beachvolleyball Turnier der<br />

JuLis Kiel in Strande statt. Bei strahlendem<br />

Sonnenschein spielten 10 Mannschaften<br />

aus ganz Norddeutschland<br />

auf zwei Feldern um den Siegerpokal.<br />

Darunter auch eine Mannschaft der<br />

<strong>Junge</strong>n Union, die sich jedoch bereits<br />

nach der Vorrunde ihre Niederlage<br />

gegen die <strong>liberal</strong>e Übermacht eingestehen<br />

musste. Das packende Finale<br />

verlor die Mannschaft des ehemaligen<br />

schleswig-holsteinischen Landesvorsitzenden<br />

Sebastian Blumenthal am Ende<br />

knapp gegen eine Profi-Mannschaft<br />

der örtlichen FDP Kreisvorsitzenden.<br />

Dieser gelungen Strandtag, den einige<br />

nach Tagen des Regens auch noch für<br />

ein letztes Bad in der Ostsee nutzten,<br />

klang dann mit einer Grillparty des Landesverbandes<br />

am Strand langsam aus.<br />

Vergangenheit auf Musik am Arbeitsplatz,<br />

so heißt es jetzt: Der GEZ-Mann<br />

kommt. Die JuLis NRW wollen ein Zeichen<br />

setzen, sammeln Unterschriften<br />

und zeigen der Landesregierung, dass<br />

ihnen die neue staatlich gebilligte Abzocke<br />

nicht gefällt. Die Unterschriften<br />

werden Ende des Jahres an die FDP-<br />

Landtagsfraktion übergeben mit unserer<br />

Aufforderung, das Möglichste zu<br />

tun, um den Gebührenwahnsinn zu<br />

verhindern.<br />

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Vermischtes Leserbrief<br />

JuLis Bayern – neuer Landesvorsitzender<br />

JuLis Ostfriesland/Küste trumpfen im Internet-Wahlkampf auf<br />

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JuLis Niedersachsen –<br />

Aufsehen im<br />

Kommunalwahlkampf<br />

„Du bestimmst, was bei Dir vor Ort<br />

passiert!“ – So lautete das Motto der<br />

JuLis zur Kommunalwahl in Niedersachsen<br />

am 10. September. Dabei<br />

setzten sie auf Werbemittel zu den<br />

Themen Ämter, Einkaufen, ÖPNV und<br />

Schuleinrichtung. Für Aufsehen sorgte<br />

zum Beispiel die Postkarte mit dem<br />

Slogan: „Verkehr haben wir täglich,<br />

nur keinen öffentlichen“ oder ein Aufkleber,<br />

bei dem sich ein Wackeldackel<br />

und ein Dinosaurier paaren und beweisen,<br />

dass richtig „kreuzen“, FDP<br />

wählen heißt. Aber auch bei Aktionen<br />

vor Ort zeigten sich die JuLis kreativ;<br />

so zum Beispiel beim Wahlkampf in<br />

der Landeshauptstadt Hannover, wo<br />

sich Kandidaten der JuLis unter dem<br />

Motto: „Eine Geschäftsidee. Eintausend<br />

Hürden“ mit Gesetzen und Verordnungen<br />

auf einem Stuhl in der Innenstadt<br />

fesseln ließen und so für eine<br />

bürger- und unternehmerfreundliche<br />

Politik warben. Dabei sorgten gerade<br />

diese <strong>jung</strong>en Impulse immer wieder<br />

für Aufmerksamkeit im Wahlkampf<br />

der FDP. Kein Wunder, denn auf fast allen<br />

Listen der FDP zur Kommunalwahl<br />

waren zahlreiche JuLis platziert. Viele<br />

davon auf aussichtreichen Plätzen,<br />

wie zum Beispiel Daniel Kreßner aus<br />

Braunschweig, der in der Geschichte<br />

der Stadt jüngste Fraktionsvorsitzende<br />

des Rates, als FDP-Spitzenkandidat<br />

und JuLi kandidierte, der JuLi-Bundesschatzmeister<br />

Martin Hexelschneider,<br />

der in Hannover für sein Mandat im<br />

Rat der Stadt kämpfte oder der Bürgermeisterkandidat<br />

der Samtgemeinde<br />

Marklohe, Jörg Hille, der mit viel<br />

Ehrgeiz als JuLi für das Amt als Verwaltungschef<br />

antrat.<br />

Während der normale Bundesbürger<br />

die Stadt Kempten im Allgäu für Wochenendausflüge<br />

und erholsame Urlaubstage<br />

aufsucht, waren am 29. und<br />

30. Juli etwa 100<br />

bayerische JuLis mit<br />

dem Ziel einen neuen<br />

Vorsitzenden auf<br />

ihrem 64. Landeskongress<br />

zu wählen<br />

unterwegs. Der<br />

ehemalige Landesvorsitzende<br />

Martin<br />

Hagen musste aus<br />

beruflichen Gründen<br />

diese vorgezogene<br />

Wahl einberufen<br />

und mit einer hervorragenden<br />

Mehrheit von über 90 Prozent wurde<br />

der Unterfranke René Wendland aus<br />

Miltenberg zu seinem Nachfolger<br />

gewählt. Eines seiner obersten Ziele<br />

ist die Vorbereitung auf die Kommunalwahlen<br />

2008, um möglichst viele<br />

JuLis in die Stadt- und Gemeinderäte<br />

zu bringen. „Ein zentrales Anliegen ist<br />

es auch, dass wir uns gemeinsam mit<br />

der FDP als klare, freiheitliche Alternative<br />

zur Bevormundungspartei<br />

CSU in<br />

Bayern positionieren<br />

wollen“, unterstrich<br />

er hierbei In diesem<br />

Zusammenhang kritisierte<br />

er gleichzeitig<br />

das unscharfe Profil<br />

der bayerischen FDP<br />

und ihre Zögerlichkeit<br />

bei der Vorbereitung<br />

der Landtagswahlen.<br />

„Nur mit einem klaren<br />

Konzept und einem überzeugenden<br />

Spitzenkandidaten, der möglichst<br />

bald benannt werden muss, können<br />

wir als <strong>Liberale</strong> 2008 wieder in den<br />

Landtag einziehen.“<br />

JuLis Hessen – CSD voller Erfolg für die <strong>liberal</strong>e Sache<br />

Traditionsgemäß waren die JuLis<br />

wieder auf dem diesjährigen „Christopher<br />

Street Day“ (CSD) in Frankfurt<br />

mit Paradewagen und Infostand<br />

präsent. Viele fleißige Hände aus<br />

ganz Hessen sorgten dafür, dass der<br />

Wagen pünktlich zum Start festlich<strong>liberal</strong><br />

geschmückt war. Die ausgelassene<br />

Stimmung bei herrlichem<br />

Wetter übertrug sich auch für die Besucher<br />

am Straßenrand, die den JuLis<br />

zujubelten und ihnen die Broschüren<br />

und Werbematerialien in Form von<br />

Kondomen und Aufklebern aus den<br />

Händen rissen. Nach mehrstündiger<br />

Fahrt durch die Frankfurter City traf<br />

man sich am Infostand. Zusammen<br />

mit MdB Michael Kauch konnten dort<br />

Fragen zur Schwulen- und Lesbenpolitik<br />

von FDP und JuLis beantwortet, Interessenten<br />

informiert und Kontakte<br />

geknüpft werden.<br />

Für die niedersächsische Kommunalwahl<br />

am 10. September 2006 hatten<br />

sich die JuLis aus Ostfriesland einiges<br />

ausgedacht. Ein eigenes in die Kreisverbandhomepage<br />

integriertes Wahlportal<br />

(www.frei-und-nordisch.net)<br />

sollte am Wahltag den gewünschten<br />

Erfolg für die JuLi-Kandidaten bringen.<br />

Die Seite zeigte alle JuLi-Kandidaten<br />

auf, stellte das eigene Kommunalwahlprogramm<br />

des Kreisverbandes<br />

vor und erklärte die Kommunalwahl<br />

für die Jugendlichen, die sich noch<br />

nicht besonders mit dem Thema auseinander<br />

gesetzt hatten. Außerdem<br />

fanden sich ein Wahlkampf-Blog und<br />

ein Shop auf der Seite. Der Erfolg<br />

konnte sich sehen lassen; insbesondere<br />

nach der Veröffentlichung eines<br />

Wahl-Gewinnspieles mit einer Berlinreise<br />

als Hauptpreis stiegen die Besucherzahlen<br />

stark an. Auch außerhalb<br />

des World Wide Web waren die Ostfriesen<br />

aktiv und waren mit den Postkarten<br />

ihrer Kampagne „Frischer Wind<br />

für Ostfriesland“ in den Fußgängerzonen<br />

vertreten oder ließen diese direkt<br />

an den FDP-Ständen verteilen.<br />

JuLis Chemnitz – querdenken – querparken!<br />

Redakteure gesucht<br />

Hast du Lust und Zeit regelmäßig<br />

bei JEDER Ausgabe des<br />

„<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong>“ mitzuarbeiten?<br />

Dann schick eine kurze!!<br />

Bewerbung an<br />

mail@jan-krawitz.de.<br />

Quer gedacht – quer geparkt – Knöllchen<br />

riskiert. Wer einen verkehrsfreundlichen<br />

Kleinwagen fährt, gerät<br />

leicht in eine Zwickmühle. Denn die<br />

StVO widerspricht sich, wenn es darum<br />

geht, ob kleine Autos auch quer<br />

zur Fahrbahn parken dürfen. Möglich<br />

ist das, platzsparend ist es auch.<br />

Und das ist eine der Forderungen der<br />

StVO: Parkraum soll sparsam verwendet<br />

werden. Andererseits wird im § 12<br />

der Straßenverkehrordnung Querparken<br />

nicht eindeutig erlaubt. Diesen<br />

Missstand wollen die JuLis Chemnitz<br />

beseitigen. Ein entsprechender Antrag,<br />

die Straßenverkehrsordnung<br />

in §12 zu ergänzen, wurde auf dem<br />

Landeskongress Sachsen schon angenommen.<br />

Jetzt soll er auch auf dem<br />

Reformationsparteitag der FDP und<br />

Thema der nächsten Ausgabe<br />

dem Bundeskongress der JuLis eingebracht<br />

werden. Die Unterstützung<br />

ortsansässiger Smart-Clubs und Autohäuser<br />

haben sich die Chemnitzer<br />

auch schon gesichert. Damit es bald<br />

heißt: Schluss mit den Widersprüchen<br />

in der StVO. Für die Kleinen im<br />

Verkehr.<br />

Thema der Ausgabe 4|2006 des „<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong>“ wird sein:<br />

„Der Nannystaat –<br />

wie viel soll (darf) der Staat den Bürger erziehen?“.<br />

Habt ihr Artikelideen oder wollt selbst einen Beitrag schreiben?<br />

Dann schreibt an mail@jan-krawitz.de.<br />

Redaktionsschluss ist 15. November.<br />

Vorschau<br />

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<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006

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