jung & liberal 3|06 - Junge Liberale
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Liberal<br />
Liberal<br />
„Eine große Verteilungsmaschinerie unter<br />
dem Deckmantel der Transparenz“<br />
Im j&l Interview kritisierte Uwe Laue, Vorstandsvorsitzender<br />
des privaten Krankenversicherers Debeka, die aktuelle<br />
Gesundheitsreform scharf<br />
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Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit<br />
der Bundesregierung auf dem Gebiet<br />
der Gesundheitsreform?<br />
Laue: Das, was die Bundesregierung<br />
im Bereich der Gesundheitsreform<br />
bisher vorgelegt hat, ist enttäuschend.<br />
Besonders die großen Probleme wurden<br />
nicht angepackt. Wir brauchen<br />
mehr Nachhaltigkeit. Wir haben ein<br />
demographisches Problem, welches<br />
wir lösen müssen. Der Fokus ist zudem<br />
wieder nur auf die Einnahmeseite<br />
gelegt worden, die Ausgabenseite<br />
wird außen vor gelassen. Wirtschaftlich<br />
voranbringen würde uns eine Abkopplung<br />
der Beiträge vom Lohn, also<br />
eine Reduzierung der Arbeitgeberleistungen<br />
oder -zuschüsse in der GKV.<br />
Die bisher vorgelegten Maßnahmen<br />
helfen in keiner Weise weiter und sind<br />
nicht geeignet, das Gesundheitssystem<br />
langfristig zu stabilisieren.<br />
Sie haben in der Vergangenheit auch<br />
die vor und während der Bundestagswahl<br />
diskutierten Modelle, das<br />
Gesundheitsprämienmodell und die<br />
Bürgerversicherung, kritisiert. Was war<br />
daran so falsch?<br />
Laue: Momentan erleben wir mit der<br />
Gesundheitsreform ja eigentlich nur<br />
eine Fortführung dieser ursprünglichen<br />
Ideen. Von der SPD kam die Idee<br />
der Bürgerversicherung. Diese führt<br />
in eine Staatsmedizin. Das gegliederte<br />
System, welches wir heute haben,<br />
wird dadurch aufgegeben und der<br />
Wettbewerb erheblich eingeschränkt.<br />
Auch das ursprünglich von der CDU<br />
vorgeschlagene Kopfpauschalenmodell<br />
führt letztlich zu einer Einheitsmedizin.<br />
Diese beiden Modelle schädigen<br />
den Wettbewerb. Die neue Namensgebung<br />
verändert das Konzept nicht.<br />
Auf den ersten Blick vermisst man beim<br />
Gesundheitsfonds einen Reformansatz.<br />
Es scheint, als werde lediglich eine andere<br />
Art der Geldeinnahme und Verteilung<br />
eingeführt. Oder sieht man als<br />
Laie vielleicht einfach den großen Zusammenhang<br />
nicht?<br />
Laue: Sie haben vollkommen Recht.<br />
Das bisher Vorgelegte ist nichts anderes<br />
als eine große Verteilungsmaschinerie<br />
unter dem Deckmantel der<br />
Transparenz. Auch die angedeuteten<br />
Entlastungen für Arbeitgeber und<br />
Krankenkassen werden letztlich in<br />
der Realität so nicht kommen. Es ist<br />
ein Bürokratiemonster, der Gesundheitsfonds<br />
bringt nichts und packt vor<br />
allem keine Probleme an. Selbst die<br />
Krankenkassen, die ja laut dem Konzept<br />
Grund zur Freude haben müssten,<br />
sind verärgert und bekämpfen<br />
die Reform.<br />
Sehen die gesetzlichen Krankenkassen<br />
in Wirklichkeit vielleicht nicht einfach<br />
nur ihre „Felle wegschwimmen“ und<br />
fürchten Autonomieverluste?<br />
Laue: Das ist die logische Konsequenz,<br />
wenn dieser Fonds kommt. Das ist<br />
eine Bedrohung für die Verwaltung<br />
der GKV und dies wird erhebliche Personalkürzungen<br />
zur Folge haben. Das<br />
ist natürlich auch ein Grund, weshalb<br />
sich die gesetzlichen Kassen gegen<br />
diesen Fonds stemmen. Denn Vorteile<br />
bringt er ihnen ja wie auch allen anderen<br />
Teilnehmern des Systems nicht.<br />
Welche Folgen ergeben sich für das Gesundheitssystem,<br />
wenn sich die derzeitigen<br />
Reformpläne nicht mehr ändern?<br />
Laue: Wir haben zurzeit mehrere Ausgangspositionen:<br />
Zum einen das Eckpunkte-Papier<br />
von Ulla Schmidt, zum<br />
anderen einen Entwurf, der weit über<br />
das Eckpunktepapier hinausgeht. Das<br />
Eckpunktepapier an sich ist schon<br />
schlimm genug. Beides wird vor allem<br />
die private Krankenversicherung erheblich<br />
schädigen. Die Portabilität der<br />
Altersrückstellungen ist ein kritischer<br />
Punkt. Darüber hinaus will man mit<br />
dem neuen Papier den PKV-Schutz auf<br />
das Niveau des GKV-Schutzes bringen,<br />
was uns wiederum zur Einheitsversorgung<br />
führen würde. Damit hätten wir<br />
nichts anderes als die Bürgerversicherung,<br />
durch die der Arbeitgeber erheblich<br />
mehr belastet wird. Die Maßnahmen<br />
werden keinem helfen, sie haben<br />
nur ein Ziel: Das Gesundheitswesen in<br />
Deutschland zu verstaatlichen! Was<br />
daraus in anderen europäischen Ländern<br />
geworden ist, kann man ja sehen.<br />
Dabei ist die Portabilität der Altersrückstellungen<br />
generell kein Problem,<br />
sie stellt sogar einen Wettbewerbsfaktor<br />
dar, der Vorteile für den Kunden<br />
mit sich bringen kann. Allerdings<br />
kann sie nur für die Kunden gelten,<br />
die in Zukunft eine Versicherung abschließen<br />
und nicht für die, die das<br />
bereits getan haben. Deren Beiträge<br />
haben eine solche Portabilität gar<br />
nicht vorfinanziert. Die Änderung dieses<br />
privatrechtlichen Vertrags mit den<br />
Kunden würde zu einer völlig neuen<br />
Kalkulation und zu teilweise starken<br />
Beitragserhöhungen führen. Vor allem<br />
aber darf dieser Aspekt des Wettbewerbs<br />
nicht überbewertet werden.<br />
Die bisherigen Wechslerquoten legen<br />
kaum nahe, dass die Versicherten nun<br />
ständig die Krankenkassen wechseln<br />
werden; wir sprechen hier vielleicht<br />
von vier bis fünf Prozent.<br />
Wie wird sich die PKV in Zukunft positionieren,<br />
um ihre Versicherten zu schützen?<br />
Laue: Wir werden sehr ruhig und sehr<br />
sachlich vorgehen. Es ist notwendig,<br />
mit den Fachleuten in den Ministerien<br />
und Parteien zu sprechen. Vor allem<br />
müssen wir die Nachteile dieser<br />
Reform deutlich machen. Auch der<br />
Weg der Klageeinreichung für uns<br />
und unsere Kunden steht natürlich<br />
offen, wenn deutlich wird, dass in Eigentumsrechte<br />
eingegriffen wird. Es<br />
geht hier immerhin um 8 Millionen<br />
Versicherte. Man darf nicht vergessen,<br />
dass die PKV in der Vergangenheit einiges<br />
getan hat, um der GKV zu helfen.<br />
Zum Beispiel durch die höheren<br />
Preise, die für Ärzte gezahlt wurden<br />
und die somit indirekt das System mitgetragen<br />
haben. Das würde nun alles<br />
wegfallen,was letztlich keinem hilft.<br />
Glauben Sie, dass diese Reform die PKV<br />
als „Sparschwein“ versteht, welches<br />
nun geschlachtet werden soll, weil man<br />
letztlich dahinter immer eine gewisse<br />
„soziale Ungerechtigkeit“ wittert?<br />
Laue: Wir haben eine große Neiddiskussion,<br />
die immer wieder von den<br />
Medien geschürt wird. Sie hilft aber<br />
keinem weiter. Uns ist es nicht ausreichend<br />
gelungen, die Fakten darzustellen.<br />
Entgegen anderer Behauptungen<br />
sind in der PKV eben nicht nur die<br />
„Reichen“ versichert. Von den 8 Millionen<br />
Versicherten in der PKV sind 4<br />
Millionen Beamte mit ihren Familien<br />
versichert, dazu kommen 2 Millionen<br />
Selbstständige und der Rest sind freiwillig<br />
versicherte Angestellte. In der<br />
GKV sind es aber 6,7 Millionen freiwillig<br />
Versicherte, die mit ihrem Verdienst<br />
über der Versicherungspflichtgrenze<br />
liegen. Man müsste demnach<br />
auch hier versuchen, Umverteilungsprozesse<br />
einzuleiten.<br />
PKV-Patienten bekommen bei Ärzten<br />
oftmals schneller einen Termin. Da ist der<br />
Vorwurf einer „Besserbehandlung“ doch<br />
nicht ganz aus der Luft gegriffen, oder?<br />
Laue: Sie bekommen manchmal<br />
schneller einen Termin, sie werden<br />
aber nicht auf einem medizinisch anderen<br />
Niveau behandelt.<br />
Ist das noch sozial gerecht oder ist das<br />
nicht die erste Stufe einer „Zwei-Klassenmedizin“?<br />
Laue: Wenn man sich das Bezahlungssystem<br />
der Ärzte genau anschaut,<br />
kommt man relativ schnell zu dem Ergebnis,<br />
dass die Budgets, die vor einigen<br />
Jahren eingeführt wurden, zur Folge<br />
haben, dass ein Arzt in den letzten Wochen<br />
eines Quartals das Budget ausgegeben<br />
hat und er für die Behandlung<br />
nicht mehr bezahlt wird. Es ist doch<br />
verständlich, dass dann versucht wird,<br />
den Patienten in der Terminvergabe ins<br />
nächste Quartal zu schieben. Wenn der<br />
PKV-Patient kommt, weiß der Arzt, dass<br />
er für die Behandlung auch bezahlt wird.<br />
Welche Reformen des Gesundheitssystems<br />
wären aus Ihrer Sicht dann die<br />
dringendsten?<br />
Laue: Am dringendsten wäre es nicht<br />
nur die Einnahmenseite, sondern auch<br />
die Ausgabenseite zu betrachten. Hier<br />
könnte man einige Bereiche aus der<br />
GKV herausziehen und sie somit entlasten.<br />
Der Bürger soll individuell entscheiden<br />
können, ob er diese speziellen<br />
Bereiche versichern will.<br />
Zu einem ganz anderen Thema: In den<br />
letzten Jahren sind in Deutschland die<br />
HIV-Infektionsraten vor allem bei <strong>jung</strong>en<br />
Menschen erheblich gestiegen. Sind Kürzungen<br />
der Finanzmittel für Aufklärung<br />
und Prävention da der richtige Weg?<br />
Laue: Sicherlich nicht! PKVen unterstützen<br />
die Aids-Stiftung zum Beispiel<br />
in erheblichem Maße. Das ist eine Privatinitiative<br />
von uns, aber auch von den<br />
Regierungen erwarte ich hier mehr Einsatz.<br />
Die Prävention an dieser Stelle ist<br />
immens wichtig.<br />
Herr Laue, vielen Dank<br />
für das Gespräch.<br />
Sven Görgens (26) führte das<br />
Interview, er ist j&l Redakteur.<br />
Ihr erreicht ihn unter<br />
sven.goergens@gmx.de<br />
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<strong>jung</strong> & <strong>liberal</strong> Ausgabe 3|2006