Was kostet die Hochschulbildung ? Und wer kann sie bezahlen ?
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24 h Vorlesung 17.1.2004<br />
<strong>Was</strong> <strong>kostet</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Hochschulbildung</strong> ?<br />
<strong>Und</strong> <strong>wer</strong><br />
<strong>kann</strong> <strong>sie</strong> <strong>bezahlen</strong> ?
Grundsätze meiner Regierung<br />
Wir unternehmen zudem alles, um <strong>die</strong> Rahmenbedingungen<br />
für schulische und universitäre<br />
Bildung und Ausbildung zu verbessern. Qualifizierte<br />
Bildung ist unsere wichtigste Zukunfts-<br />
Ressource. Wenn wir nicht in Bildung investieren,<br />
veruntreuen wir unsere Zukunft.<br />
Finanzministerin Sigrid Keler in der Rede zur<br />
zweiten Lesung des Nachtrags-Haushalts 2003<br />
am 10. April 2003<br />
(Webseite des Finanzministeriums)
Grundsätze meiner Regierung<br />
OZ: Die CDU macht ihnen den Vorwurf, <strong>sie</strong><br />
hätten in Sch<strong>wer</strong>in entgegen Minister Metelmann<br />
für Kürzungspläne an den Unis gestimmt.<br />
Ja. Ich bin von der Landesregierung mit<br />
Bürokratieabbau beauftragt und denke das<br />
Greifswalder Interessen mit Landesinteressen<br />
unter einen Hut gebracht <strong>wer</strong>den müssen.<br />
Justizminister Erwin Sellering,<br />
SPD-Kreisvorsitzender von Greifswald,<br />
Ostsee-Zeitung vom 3. Januar 2004<br />
(Druckfehler im Original)
Plan der Vorlesung<br />
1. Kosten für Bildung in Deutschland<br />
2. Das Haushaltsproblem von M-V<br />
3. Kürzen, Stu<strong>die</strong>ngebühren oder<br />
Akademikersteuer ?<br />
4. Effizienz durch Bürokratieabbau !<br />
5. Studenten müssen einbezogen <strong>wer</strong>den<br />
und ihre Interessen vertreten !
1. Deutschland in Zahlen 1991-2001<br />
1991/2 2001/2<br />
Bruttoinlandsprodukt 1500 2100<br />
Steuereinnahmen 399 442<br />
öffentl. Bildungsausg. 57 86<br />
davon Schulen 29 48<br />
Hochschulen 16 18<br />
Hochschulanteil in % 28% 21%<br />
Angaben in Mrd. Euro, gerundet.<br />
Inflationsbereinigt wären <strong>die</strong> 2001er Zahlen<br />
um 20 % niedriger!<br />
1991/2 2001/2<br />
Schüler 9,1 9,9<br />
Studenten 1,7 1,9<br />
Arbeitslose 3 4<br />
Rentner 15,2 19,5<br />
Angaben in Millionen, gerundet.
Bemerkungen zu 1991-2001<br />
• Die Bildung blieb bei 4 % des Bruttoinlandsprodukts.<br />
• Der Anteil der Sozialleistungen (Renten,<br />
Gesundheit) ist im gleichen Zeitraum von<br />
30 auf 34 % gestiegen.<br />
• Real sind <strong>die</strong> Bildungsausgaben pro Student<br />
um etwa 20 % gesunken<br />
• Die Steuereinnahmen sind insgesamt real<br />
auch gesunken.
Kosten 2002<br />
• 1,9 Millionen Studenten kriegen 18 Mrd.<br />
Euro von Ländern und vom Bund – das<br />
sind 10000 Euro pro Student und Jahr.<br />
• 9,9 Millionen Schüler kriegen 48 Mrd. Euro<br />
von Ländern und vom Bund – 5000 Euro<br />
pro Schüler und Jahr.<br />
• 4 Millionen Arbeitslose kriegen 56 Mrd. Euro<br />
vom Arbeitsamt – 14000 Euro pro Person<br />
und Jahr.<br />
• 20 Millionen Rentner kriegen 300 Mrd. Euro<br />
Renten – 15000 Euro pro Person und<br />
Jahr.<br />
Die Studenten sind <strong>die</strong> kleinste Gruppe, haben<br />
keine Chance durch Wahlen!! Aber <strong>sie</strong> sind<br />
auch <strong>die</strong> aktivste Gruppe und können durch<br />
vielfältige Aktionen ihre Interessen bekunden.
2. Mecklenburg-Vorpommern<br />
2,1 % der Einwohner Deutschlands schaffen<br />
1,4 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts.<br />
Produktivität also<br />
2<br />
3<br />
des deutschen Durchschnitts.<br />
(Im produktiven Bereich noch schlimmer!)<br />
32000 Stu<strong>die</strong>rende sind<br />
1,7 % aller Studenten Deutschlands.<br />
Studenten-Quote also bei 80 % des deutschen<br />
Durchschnitts.<br />
Da außerdem 10000 Azubi-Plätzen 22000 Be<strong>wer</strong>bungen<br />
im Jahr gegenüberstehen, <strong>wer</strong>den<br />
viele junge Leute praktisch zum Auswandern<br />
gezwungen.<br />
Frau Keler gestern abend: M-V hat 2003 über<br />
366 Millionen Euro für Hochschulen ausgegeben,<br />
d.h. mehr als 10000 Euro pro Student.<br />
In <strong>die</strong>ser Summe sind aber wohl Forschung und<br />
Investitionen enthalten (Bau eines Forschungsschiffs<br />
für 19 Millionen etc.).
Der Haushalt des Landes M-V<br />
hat ein Volumen von jährlich 7 Milliarden Euro,<br />
das sind 4000 Euro pro Kopf und Jahr. Die<br />
Neuverschuldung, bisher im deutschen Durchschnitt,<br />
hat sich jetzt dramatisch zugespitzt<br />
(Angaben in Mill. Euro, gerundet).<br />
Abrechnung 1999 2000 2001 2002<br />
Haushalt gesamt 7270 7160 7100 7010<br />
Steuereinnahmen 51% 53% 52% 46%<br />
Neuverschuldung 470 370 330 530<br />
Planung 2003 original Nachtrag 2.Nachtrag<br />
Haushalt gesamt 7150 7400 7360<br />
Steuereinnahmen 53% 47% 45%<br />
Neuverschuldung 260 830 1050<br />
Die letzte Zahl entspricht 14,5 % des Haushalts<br />
bzw. 600 Euro pro Kopf der Bevölkerung.<br />
Es handelt sich nur um <strong>die</strong> Neuverschuldung.<br />
Die Tilgung alter Kredite wird ständig durch<br />
weitere neue Kredite aufgebraucht.
Ausgaben in M-V<br />
Von 7 Milliarden Gesamtausgaben sind<br />
2 Milliarden Personalausgaben<br />
für insgesamt 44000 Be<strong>die</strong>nstete, d.h.<br />
40000 bis 50000 Euro pro Kopf und Jahr.<br />
Es gibt<br />
3400 Stellen an den Hochschulen,<br />
3200 an Gerichten und Staatsanwaltschaften,<br />
3100 bei Finanzdirektion und Steuerverwaltung,<br />
6900 Stellen bei der Polizei und<br />
16000 an den Schulen.<br />
Weitere Ausgaben sind<br />
0,5 Mrd Zinsen für <strong>die</strong> Kredite,<br />
1,3 Mrd für <strong>die</strong> Kommunen,<br />
0,8 Mrd für soziale Sicherung sowie<br />
0,4 Mrd Verwaltungsausgaben.<br />
Es verbleiben etwa<br />
2 Mrd für Investitionen und Sachausgaben.
Vergleich einiger Ausgaben<br />
300 Millionen für Hochschulen<br />
300 Förderung regionale Wirtschaftsstruktur<br />
300 Förderung Land- und Fischwirtschaft<br />
sowie Ausgaben für Forstwirtschaft<br />
230 Subventionen für Bahnen und Busse<br />
120 Förderung von Krankenhäusern.<br />
20 Mill. BaföG<br />
20 für psychisch kranke bzw. süchtige Straftäter<br />
36 Theaterförderung<br />
50 Asylbe<strong>wer</strong>ber und Flüchtlinge<br />
90 Polizei-Renten u. soziale Versorgung
Vorgeschlagene Kürzungen<br />
2000 Stellen a 50000 Euro<br />
jährlich 100 Millionen.<br />
Hochschulen sollten 8 Prozent ihrer Stellen streichen,<br />
der medizinische Bereich ähnlich viele.<br />
Uni Greifswald: 68 Stellen (ohne Medizin!)<br />
entsprechen etwa 3,5 Millionen Euro pro Jahr.<br />
Für jeden Studenten wären das etwa 500 Euro<br />
jährlich.<br />
Dies wären <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>ngebühren der nächsten<br />
bzw. übernächsten Sparrunde, wenn <strong>die</strong> Uni<br />
nicht weiter geschröpft <strong>wer</strong>den <strong>kann</strong>.
Form der Kürzungen<br />
Die Gemeinheit war, dass <strong>die</strong>se Einsparungen<br />
ultimativ in kürzester Zeit vollstreckt <strong>wer</strong>den<br />
sollten, nachdem ein halbes Jahr vorher ein Abkommen<br />
über 5 Jahre Finanzkorridor geschlossen<br />
war.<br />
Können Politiker empfinden, dass man sich für<br />
gebrochene Versprechen entschuldigen muss –<br />
selbst dann, wenn ,,höhere Gewalt“ am Wirken<br />
war?<br />
Real entstandener Schaden:<br />
Vertrauensbasis zerbrochen<br />
Motivation vieler Mitarbeiter zerstört<br />
einige gute Wissenschaftler vergrault<br />
andere vom Herkommen abgeschreckt
3. Wer <strong>kann</strong> noch <strong>bezahlen</strong> ?<br />
Der Grundsatz ,,Bildung für alle“ gilt nicht im<br />
internationalen Maßstab. Mehr als drei Viertel<br />
der Weltbevölkerung hat keinerlei Chance auf<br />
ein Studium.<br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren <strong>wer</strong>den vor allem von CDU<br />
und FDP vorgeschlagen.<br />
Vorteil: Gefragte Unis bekommen mehr Geld.<br />
Die Unis bemühen sich echt um <strong>die</strong> Studenten.<br />
Nachteil: der Zugang zum Studium wird für<br />
viele ersch<strong>wer</strong>t, für manche unmöglich.<br />
Vermutung: Stu<strong>die</strong>ngebühren <strong>wer</strong>den nach 2006<br />
eingeführt.
Absolventen zur Kasse bitten?<br />
Eine Akademikersteuer für <strong>die</strong> Absolventen jeder<br />
Uni, <strong>die</strong> vom Einkommen progressiv abhängt<br />
und der Uni direkt zugutekommt, ist sicher <strong>die</strong><br />
gerechteste Lösung.<br />
Vorteil: Uni profitiert von der Qualität ihrer<br />
Absolventen. Nur <strong>die</strong>, für <strong>die</strong> sich das Studium<br />
gelohnt hat, <strong>wer</strong>den kräftig zur Kasse gebeten.<br />
Nachteil: Es dauert viel zu lange bis das Geld<br />
kommt. Das Eintreiben der Steuer ist auch<br />
nicht einfach. Bringt einfach nicht viel ein.<br />
Dies gilt umso mehr für das Alumni-Konzept<br />
von Herrn Metelmann, das auf <strong>die</strong> Spendenbereitschaft<br />
gut betuchter Absolventen baut. Nur<br />
zur Zusatzfinanzierung geeignet. In Greifswald<br />
allerdings positives Beispiel Berthold Beitz.
4. Bei der Uni noch Reserven?<br />
Ja. Natürlich. Auch an unserer Uni gibt es viele<br />
Bereiche mit der Effizienz<br />
3 2 im Verhältnis zum<br />
deutschen Durchschnitt.<br />
Die Vorschriften verhindern, dass effektiver gearbeitet<br />
wird.<br />
Dazu einige Fragen und Beispiele.
Leistungsprinzip für Profs?<br />
Darf man einem faulen Prof das Gehalt kürzen?<br />
Oder einem fleißigen mehr geben?<br />
Gibt es faule und fleißige Professoren?<br />
Kann man <strong>die</strong> Leistung eines Profs messen?<br />
Darf man wissen, wieviel ein Prof ver<strong>die</strong>nt?
Finanzierung laut HRG<br />
Im Hochschulrahmengesetz vom 19.1.1999 heisst<br />
es:<br />
§5 Staatliche Finanzierung<br />
Die staatliche Finanzierung orientiert sich an<br />
den in Forschung und Lehre sowie bei der Förderung<br />
des wissenschaftlichen Nachwuchses erbrachten<br />
Leistungen. Dabei sind auch Fortschritte<br />
bei der Erfüllung des Gleichstellungsauftrages<br />
zu berücksichtigen.<br />
§6 Be<strong>wer</strong>tung der Forschung, Lehre,...<br />
Die Arbeit der Hochschulen in Forschung und<br />
Lehre, bei der Förderung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses sowie der Erfüllung des Gleichstellungsauftrags<br />
soll regelmäßig be<strong>wer</strong>tet <strong>wer</strong>den.<br />
Die Stu<strong>die</strong>renden sind bei der Be<strong>wer</strong>tung<br />
der Qualität der Lehre zu beteiligen. Die Ergebnisse<br />
der Be<strong>wer</strong>tungen sollen veröffentlicht<br />
<strong>wer</strong>den.
Evaluation<br />
In M-V gibt es keine Richtlinien, nach denen<br />
<strong>die</strong> Be<strong>wer</strong>tung der Lehre vorgenommen wird.<br />
Dies ist den jeweiligen Fachschaften oder Hochschullehrern<br />
selbst überlassen.<br />
Das HRG ist in <strong>die</strong>ser Beziehung in M-V nicht<br />
umgesetzt.<br />
Übrigens: hat mal einer an eine Evaluation der<br />
Verwaltung gedacht?
Lehrverpflichtungsverordnung<br />
Die LVVO MV vom 25.10.2001 legt fest:<br />
§4,(1) An den Universitäten beträgt <strong>die</strong> Lehrverpflichtung<br />
für Professorinnen und Professoren<br />
... 8 LVS.<br />
Wieviel Hörer <strong>die</strong> Lehrveranstaltung haben soll,<br />
wird nicht festgelegt. Für Lehraufträge (20,97<br />
Euro brutto pro Stunde) ist dagegen eine Mindestzahl<br />
von 5 Hörern vorgeschrieben.
<strong>Was</strong> ist Bürokratie?<br />
Lehre und Forschung (bzw. Administration)<br />
verbrauchen je ca. 50 % der Arbeitszeit eines<br />
Professors. Wenn einer mehrere Jahre gar<br />
nicht forscht, könnte man ihn ja etwas mehr<br />
lehren lassen. In der LVVO heißt es dazu:<br />
§11,(1) An den Universitäten können Professorinnen<br />
... im Einzelfall gemäß der Ausgestaltung<br />
ihres Dienstverhältnisses und der Funktionsbeschreibung<br />
ihrer Stelle durch das Ministerium<br />
für Bildung, Wissenschaft und Kultur<br />
überwiegend mit Lehraufgaben betraut <strong>wer</strong>den.<br />
In <strong>die</strong>sem Fall beträgt <strong>die</strong> Lehrverpflichtung<br />
bis zu zwölf Stunden.<br />
D.h. Wenn wir aus Spargründen mehr Vorlesungen<br />
verteilen müssen, dürfen wir nur zum<br />
Ministerium rennen, damit <strong>die</strong> mit ihrer Sachkenntnis<br />
den richtigen Kollegen beauftragen.
5. Studenten einbeziehen<br />
Ohne <strong>die</strong> Studenten läuft nichts!<br />
Haben <strong>die</strong> Studenten eigene Forderungen?<br />
statt Stellenkürzung:<br />
Ersetzung durch studentische Hilfskräfte<br />
Diese müssen fest<br />
als Planstellen verankert <strong>wer</strong>den.<br />
BaföG, Kultur- und Sportmöglichkeiten, ... ??