Wieviel Erde braucht der Mensch - ökumen. GD ... - EMK Winterthur
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Bezirk <strong>Winterthur</strong><br />
Ökumen. Gottesdienst 10.3.2013 mit <strong>der</strong> christkath. Kirche<br />
Melanie Handschuh / Stefan Zolliker<br />
Thema: <strong>Wieviel</strong> <strong>Erde</strong> <strong>braucht</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>?<br />
Lob <strong>der</strong> Schöpfung<br />
(Wechselgebet aus Melanesien im Pazifik)<br />
L: Für die <strong>Erde</strong> und alle ihre Teile:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für Felsen, Zeichen deiner Kraft und deiner unvergänglichen, dauernden Liebe:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für Muscheln, Zeichen deiner Vielfalt und deiner Freude beim Schaffen dieser Welt, die<br />
du unserer Fürsorge anvertraut hast:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für Kokosnüsse und Taro-Pflanzen, Zeichen deiner Vorsorge für uns:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für die Vögel, Zeichen unserer Freiheit als deine Kin<strong>der</strong>:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für die Fische <strong>der</strong> Meere und die Tiere auf dem Land,<br />
die uns an die neue <strong>Erde</strong> erinnern, wo dein Volk in Frieden lebt, arbeitet und teilt:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für Vielfalt, Spontaneität, Wachstum von Insekten,<br />
Zeichen des Sterbens und Auferstehens zu neuem Leben,<br />
<strong>der</strong> zentralen Botschaft deines Sohnes Jesus an uns:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für Ähnlichkeiten zwischen <strong>Mensch</strong>en, Zeichen deines Verlangens,<br />
dass es nur eine Herde und einen Hirten geben soll:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für Verschiedenheiten zwischen <strong>Mensch</strong>en, wie sie auf unseren Inseln durch die<br />
Unterschiedlichkeit von Sprache, Tradition, Gewohnheit und Konfession zum Ausdruck<br />
kommen, Zeichen <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung, die dein Wort und deine Botschaft an jede Person<br />
richten:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.<br />
L: Für die bei dieser Feier gegenwärtigen <strong>Mensch</strong>en, die durch ihr Engagement, ihre Hörund<br />
Lernbereitschaft sowie die Offenheit von Herz und Sinn Zeichen deiner Bereitschaft<br />
sind, unsere Untaten gegen dich zu vergeben:<br />
G: Wir preisen dich, Gott.
Nacherzählung von Leo Tolstois Erzählung:<br />
«Wie viel <strong>Erde</strong> <strong>braucht</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>?»<br />
Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi (1828 – 1910) verfasste im Jahre 1885 die<br />
Erzählung: «Wie viel <strong>Erde</strong> <strong>braucht</strong> <strong>der</strong> <strong>Mensch</strong>?» Selber dem Adel entstammend,<br />
begleiteten ihn zeitlebens Fragen nach Sinn und beständigen moralischen Werten, die mit<br />
einer Kritik an menschlichem Besitzstreben einhergingen. Obwohl Grossgrundbesitzer,<br />
machte er sich für eine Landreform zu Gunsten seiner geerbten Leibeigenen stark.<br />
Im Folgenden hören wir eine Kurzfassung <strong>der</strong> Erzählung «Wie viel <strong>Erde</strong> <strong>braucht</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Mensch</strong>?», die sich mit dem menschlichen Verlangen nach mehr auseinan<strong>der</strong>setzt.<br />
Bauer Pachom hat Besuch von seinen beiden Schwestern. Sie unterhalten sich über das<br />
Leben in <strong>der</strong> Stadt und auf dem Lande und streiten sich, welches die grösseren Vorzüge<br />
hat. Pachom hört aufmerksam zu und sagt sich: «Unsereins hat von Kind auf mit <strong>der</strong> <strong>Erde</strong><br />
zu schaffen, und deshalb kommen ihm solche Narrheiten nie in den Sinn. Eines ist nur<br />
traurig: wir haben zu wenig Land! Wenn ich genug Land hätte, so fürchtete ich niemand,<br />
nicht einmal den Teufel».<br />
Der Teufel sitzt hinter dem Ofen, hört alles und sagt sich: «Wir wollen sehen: ich will dir<br />
viel Land geben und dich gerade damit fangen».<br />
Als sich ihm die Gelegenheit bietet, erwirbt Bauer Pachom ein Stück Land. Er ist stolz und<br />
glücklich über seinen Besitz, wenn da nur nicht die Probleme mit den Nachbarn wären.<br />
«So hatte Pachom zwar auf seinem Grund und Boden genügend Raum, aber in <strong>der</strong><br />
Gemeinde wurde es ihm zu eng.»<br />
Als er von einem an<strong>der</strong>en Bauern hört, dass im Wolgagebiet viel Land billig zu haben ist,<br />
ergreift er die Chance und zieht dorthin. Doch als Pachom eine Zeitlang dort<br />
gewirtschaftet hat, findet er es auch da zu eng. «Wenn ich mir noch etwas Land zu Erb<br />
und Eigen kaufen könnte», denkt er sich, «würde ich mir auch so ein Gut bauen! Dann<br />
hätte ich alles beisammen.»<br />
Ein vorbeiziehen<strong>der</strong> Kaufmann erzählt ihm, dass bei den Baschkiren Land zu einem<br />
Spottpreis zu haben sei. Und tatsächlich, <strong>der</strong> Älteste <strong>der</strong> Baschkiren macht Pachom ein<br />
sagenhaftes Angebot: Er dürfe sich für 1000 Rubel so viel Land aneignen, wie er vom<br />
Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang umschreiten könne.<br />
Frühmorgens nach einer schlaflosen Nacht macht Pachom sich sogleich auf und eilt<br />
schnellen Laufes davon, um möglichst viele Äcker, Wiesen und Wäl<strong>der</strong> zu umrunden, die<br />
dann ihm gehören sollen. Gegen Mittag quälen ihn Hitze und Müdigkeit, doch er hastet<br />
unbeirrt weiter. Denn je weiter er geht, desto besser scheint ihm das Land zu sein.<br />
Schliesslich muss er umkehren, denn <strong>der</strong> Tag geht zur Neige. Da muss er feststellen, dass<br />
er viel zu weit gelaufen ist und sich beeilen muss, um beim Ältesten wie<strong>der</strong> anzukommen,<br />
ehe die Sonne untergeht. Endlich erreicht er mit letzter Kraft seinen Ausgangspunkt. «Gut<br />
gemacht», schreit <strong>der</strong> Älteste, «viel Land hast du gewonnen», und schüttelt sich vor<br />
Lachen, während Pachom tot zusammenbricht.<br />
Da nimmt Pachoms Knecht die Hacke, gräbt Pachom ein Grab, genau so lang wie das<br />
Stück <strong>Erde</strong>, das er mit seinem Körper, von den Füssen bis zum Kopf bedeckt - sechs Ellen<br />
- und scharrt ihn ein.
Lesung: Lev 25, 8-13.23<br />
Einleitung: Um Land geht es auch in <strong>der</strong> Lesung aus dem dritten Buch Mose. Alle fünfzig<br />
Jahre sah dieses für das Volk Israel ein sogenanntes Jubeljahr bzw. Jobeljahr (nach hebr.<br />
Jobel für Wid<strong>der</strong>) vor. Während des ganzen Jahres musste alle Feldarbeit ruhen, die<br />
hebräischen Sklaven sollten freigelassen werden, verkaufte und verpfändete Grundstücke<br />
ohne Entschädigung wie<strong>der</strong> an den ursprünglichen Besitzer o<strong>der</strong> dessen Erben<br />
zurückgegeben und alle Schulden erlassen werden. Ziel des Jobeljahres war es, eine<br />
gerechte Verteilung unter allen Land- und Güterbesitzern wie<strong>der</strong> herzustellen.<br />
8 Und du sollst sieben Jahrwochen zählen, sieben mal sieben Jahre, die Dauer von sieben<br />
Jahrwochen ist neunundvierzig Jahre.<br />
9 Dann sollst du das Signalhorn ertönen lassen, im siebten Monat, am Zehnten des<br />
Monats. Am Versöhnungstag sollt ihr überall in eurem Land das Horn ertönen lassen.<br />
10 Und ihr sollt das fünfzigste Jahr für heilig erklären und eine Freilassung ausrufen im<br />
Land für all seine Bewohner. Es soll für euch ein Jobeljahr sein, und je<strong>der</strong> von euch soll<br />
wie<strong>der</strong> zu seinem Besitz kommen, und je<strong>der</strong> soll zurückkehren zu seiner Sippe.<br />
11 Das fünfzigste Jahr soll für euch ein Jobeljahr sein. Da sollt ihr nicht säen und, was<br />
nachwächst, nicht ernten, und die Trauben <strong>der</strong> unbeschnittenen Weinstöcke sollt ihr nicht<br />
lesen.<br />
12 Denn es ist ein Jobeljahr, es soll euch heilig sein. Was das Feld trägt, sollt ihr essen.<br />
13 In diesem Jobeljahr soll je<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> zu seinem Besitz kommen.<br />
23 Das Land aber darf nicht für immer verkauft werden, denn das Land gehört mir, und<br />
ihr seid Fremde und Beisassen bei mir.<br />
Predigt<br />
Liebe Schwestern und Brü<strong>der</strong> durch Christus,<br />
Unser Leben ist von verschiedensten Sehnsüchten geprägt: Da ist z.B. die Sehnsucht<br />
nach Erfolg im Berufsleben, nach Glück in <strong>der</strong> Liebe, einer eigenen Familie mit Kin<strong>der</strong>n<br />
usw. Nicht zuletzt gehört dazu auch die Sehnsucht nach genügend Wohnraum, <strong>der</strong><br />
Spielraum für die Verwirklichung <strong>der</strong> eigenen Träume lässt. Sei dies nun in <strong>der</strong> eigenen<br />
grosszügigen Wohnung o<strong>der</strong> im eigenen Haus mit Garten. Mit Folgen für unseren<br />
Raumverbrauch. Pro Sekunde wird ein Quadratmeter Land in <strong>der</strong> Schweiz für Siedlungen<br />
verbaut, soviel wie nie zuvor. Vor einer Woche hat unser Volk jedoch die Notbremse<br />
gezogen und diese Entwicklung verlangsamt.<br />
Nicht das Träumen, nicht die Sehnsucht an sich ist problembehaftet. Problematisch ist das<br />
ewige Verlangen nach mehr, das keine Grenzen kennt. Den Bauern Pachom kostet es den<br />
Atem und schliesslich das Leben – Symbol für unser entgrenztes Verlangen. Es gibt eine<br />
Gier, mit <strong>der</strong> steckt die Selbstzerstörung! Dabei stellt sich die Frage: Wie viel <strong>Erde</strong><br />
verbrauchen wir für die Verwirklichung unserer Sehnsüchte? Sind wir bereit<br />
anzuerkennen, dass es Grenzen gibt, die wir nicht ohne Schaden - für uns wie für an<strong>der</strong>e<br />
- überschreiten dürfen?<br />
Unsere stetig wachsende Sehnsucht nach mehr hat Konsequenzen - nicht nur für uns, für<br />
Leib, Leben und Gesundheit, son<strong>der</strong>n auch für unsere Umwelt und für an<strong>der</strong>e <strong>Mensch</strong>en.<br />
Hier bei uns, wo unnötig Energie verschwendet wird und wertvoller Erholungsraum und<br />
Landwirtschaftsland verloren gehen. Im Süden, wo durch den Anbau von Nahrungs- und<br />
Futtermitteln sowie Agro-Treibstoffen für unseren Konsum Land verloren geht. Dabei<br />
erwerben grosse Konzerne unter undurchsichtigen Bedingungen Land für riesige<br />
Plantagen. Dies nicht selten mittels Enteignung <strong>der</strong> lokalen Bevölkerung.<br />
Dazu einige Beispiele aus Afrika: Besuchen wir in Gedanken die Ortschaft Mojo im<br />
Südwesten des äthiopischen Hochlandes. Wir fahren einem neu errichteten Zaun entlang<br />
– 5 Minuten, 10 Minuten, 15 Minuten. Der Zaun scheint endlos. Dahinter ist nicht viel zu
sehen ausser einigen Bäumen und ein bisschen Gras. «Das ist eingezäuntes Land für<br />
ausländische Investoren», erklärt ein Einheimischer. Wir sehen eine unvorstellbar grosse<br />
Landfläche.<br />
Äthiopien hatte im Jahr 2009 bereits drei Millionen Hektar Land ausgezont habe, um es an<br />
ausländische Investoren zu verpachten. Eine Fläche so gross wie Belgien. Gleichzeitig sind<br />
mindestens 6,2 Mio. <strong>Mensch</strong>en in Äthiopien von Hunger und Mangelernährung betroffen<br />
und auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Äthiopien ist bei Weitem kein Einzelfall: Ähnliches<br />
geschieht im Sudan, in Sambia, Mosambik, Madagaskar, Laos, Kambodscha und vielen<br />
weiteren Staaten, in denen die Mangelernährung gravierende Ausmasse erreicht hat.<br />
Aufstrebende Wirtschaftsnationen wie China o<strong>der</strong> Indien und vor allem rund 1000<br />
westliche Investment- und Hedge-Funds sowie Banken kaufen o<strong>der</strong> pachten Acker-land in<br />
armen Län<strong>der</strong>n. Als «Land Grabbing» (Land an sich reissen, Landnahme) bezeichnete die<br />
internationale Nichtregierungsorganisation Genetic Resources Action International (Grain)<br />
diese Vorgänge erstmals im Jahr 2008 und etablierte damit einen neuen Begriff.<br />
Jacques Diouf warnte unlängst vor dem Neokolonia-lismus, <strong>der</strong> mit dieser Art von<br />
Landnahme verbunden sei. Wer ist dieser Jacques Diouf? Irgendein Träumer? Nein, <strong>der</strong> ist<br />
immerhin Direktor <strong>der</strong> Uno-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation. Er meint: Die<br />
heutigen Vorgänge sind einiges subtiler als zu Kolonialzeiten. Waren es früher Armeen,<br />
die Land besetzten, so sind es heute Juristen, die für Firmen und Regierungen<br />
undurchsichtige Übernahmeverträge abwickeln; oft in einem quasilegalen Rahmen, häufig<br />
verbunden mit Korruption. Die Weltbank beziffert die in Afrika, Lateinamerika und Asien<br />
in den letzten 7 Jahren verhandelten o<strong>der</strong> bereits verkauften und verpachtete<br />
Ackerflächen auf rund 50 Millionen Hektaren. Grain veranschlagt, dass bisher etwa 100<br />
Milliarden US-Dollar bereitgestellt wurden, um diese Geschäfte zu finanzieren.<br />
Die Pachoms aus den entwickelten Län<strong>der</strong>n haben nicht genug. Sie haben nicht genug an<br />
ihrem eigenen Grund und Boden. Zuerst haben sie nach den Rohstoffen in Afrika gegriffen<br />
und die meisten Wertschöpfungsketten unter ihren Nagel gerissen. Nun greifen sie auch<br />
nach dem Agrarland Afrikas und nach dem Wasser Afrikas und versuchen alles in Gold zu<br />
verwandeln. Auch wenn dabei die Afrikaner vertrieben werden.<br />
Als ich in Thun Pfarrer war, hatten wir eine Gemeindepartnerschaft mit einer<br />
kongolesischen Kirchgemeinde. Die Kirchgemeinde Mulungwishi umfasst ein kleines Dorf<br />
mit rund 600 Einwohnern – eine kleine und doch sehr wichtige Gemeinde für die<br />
Methodistenkirche des Südkongos, weil sich dort ein Ausbildungs-Campus <strong>der</strong> Kirche<br />
befindet mit guten Primar- und Sekundarschulen, aber auch einer Universität für<br />
angehende Pfarrer, Pädagoginnen und Informatiker. Die Methodistenkirche hatte jenes<br />
Dorf zu dem gemacht, was es heute ist. Seit 100 Jahren schon waren Methodisten dort.<br />
Im Jahr 2009 hörten wir von einer grossen Unruhe in <strong>der</strong> Gemeinde in Mulungwishi.<br />
Mulungwishi liegt im Kupfergürtel des Südkongos, wo es riesige Abbaugebiete von<br />
Bodenschätzen gibt. Die Abbau-gebiete kamen immer näher nach Mulungwihsi.<br />
Plötzlich aber hiess es: Die Landrechte <strong>der</strong> Kirche seien nicht mehr gesichert. Wenn die<br />
Kirche nicht innert einer kurzen Zeit ein grosse Summe in <strong>der</strong> Grössenordnung von<br />
20‘000 Dollars an die Regierung bezahle, könne das ganze Land mitsamt dem Hügel,<br />
Agrarland und dem Dorf verloren gehen – vermutlich hätten es die Minenbaukonzerne<br />
noch so gerne <strong>der</strong> Regierung abgekauft. Der Aufruhr war gross, ebenso die Wut:<br />
Wie ist das möglich, das Land, das einem gehört, plötzlich weggenommen werden kann?<br />
Die Methodisten in Mulungwishi haben dann ihre Kontakte spielen lassen: Zu<br />
einflussreichen Methodisten in <strong>der</strong> Region – einer hat es bis in den Senat des Kongos<br />
gebracht, aber auch zu uns Freunden in den USA und Europas, dass wir ihnen helfen und<br />
uns für sie einsetzen würden.<br />
Nach <strong>der</strong> Zahlung einer grösseren Summe konnte dann das Land vorerst wie<strong>der</strong> gesichert<br />
werden!! Ich frage mich: Wie wäre es da einfachen armen Leuten ergan-gen, die keine<br />
Lobby haben, die niemand beachtet?
Werfen wir nun noch einen Blick nach Südafrika, wo kirchliche Organisationen sich seit<br />
längerem für eine gerechte Landreform engagieren. Bald 20 Jahre nach dem Ende <strong>der</strong><br />
Apartheid bleibt die Landfrage ein heikles Thema. Der Aufbruch 1994 hatte bei vielen<br />
<strong>Mensch</strong>en in Südafrika grosse Hoffnungen geweckt - auch auf eine gerechte und faire<br />
Rückgabe und Neuverteilung von Land. Als Nelson Mandela erster schwarzer Präsident<br />
Südafrikas wurde, verfügte die schwarze Bevölkerungsmehrheit lediglich über 13 % des<br />
Landes, die rund zehn Prozent Weissen jedoch über 87 %. Seither sind erst knapp sieben<br />
Prozent des kultivierbaren Landes neu verteilt worden. Noch immer bleibt den meisten<br />
Landarbeitern einzig das Versprechen und die Hoffnung auf ein besseres Leben.<br />
Die Kirchen Südafrikas haben überlegt und festgehalten, was sie aus <strong>der</strong> Bibel zum<br />
Thema Landreform gelernt haben. Sie halten fest:<br />
„Unsere Vision einer Landreform orientiert sich an <strong>der</strong> Heiligen Schrift und an <strong>der</strong><br />
kirchlichen Tradition. Die Bibel und die Tradition geben uns Hinweise, wie Land gerecht<br />
verteilt und genutzt werden soll:<br />
Die biblische Geschichte vom Auszug aus <strong>der</strong> Sklaverei hat die verarmten und<br />
unterdrückten <strong>Mensch</strong>en in Südafrika inspiriert. Der Prozess <strong>der</strong> Befreiung muss aber zu<br />
Ende geführt werden. <strong>Mensch</strong>en brauchen Verwurzelung, Land und Beheimatung, damit<br />
sie ihren Bund mit Gott, dem eigentlichen Schöpfer und Eigentümer des Landes, leben<br />
können.<br />
Das Alte Testament betont, dass die <strong>Erde</strong> Gott gehört, und dass Gott es dem Volk Israel<br />
als Erbe anvertraut hat. Daher muss es unter allen Stämmen und Familien aufgeteilt<br />
werden. Während alles Land in Ägypten und Babylonien dem Pharao o<strong>der</strong> dem König<br />
gehörte, gilt in Israel Gott als <strong>der</strong> wahre Eigentümer des Landes und ist das Volk lediglich<br />
dessen Verwalter o<strong>der</strong> Treuhän<strong>der</strong>. So wie es im Buch Leviticus heisst: „Das Land darf<br />
nicht endgültig verkauft werden; denn das Land gehört mir und ihr seid nur Fremde und<br />
Halbbürger bei mir.“ (Lev. 25,23).<br />
Schon Kirchenvater Johannes Chrysostomos betonte: «Land ist nicht von Landbesitzern<br />
erschaffen worden».<br />
Der Weltkirchenrat formuliert es so: «Land ist ein zentraler Bestandteil <strong>der</strong> Schöpfung,<br />
die ihren Ursprung in Gott hat und einzig ihm gehört».<br />
Und die brasilianischen Kirchen betonen im Zusammenhang mit den Landkonflikten: Alle<br />
<strong>Mensch</strong>en sind nur Fremdlinge und Gäste, denen das Land aus freien Stücken anvertraut<br />
wurde, um es zu pflegen und zu bewahren.<br />
Erkennen wir Gott als Eigentümer des Landes, hat niemand das Recht, einen <strong>Mensch</strong>en zu<br />
enteignen, <strong>der</strong> das Land bewirtschaftet. Nicht einmal ein König wie Ahab hat die Befugnis<br />
nach Lust und Laune dem einfachen Naboth einfach seinen Acker wegzunehmen!<br />
Die Propheten (Jes. 5,8; Mi. 2,2) verurteilen die Reichen, die die armen Kleinbäuerinnen<br />
und Kleinbauern zwingen, ihre Familienbetriebe aufzugeben, aufs Schärfste. Jede Form<br />
von Besitz, <strong>der</strong> willkürlich und einzig dem eigenen Vorteil dient, ist verboten.“ Ende Zitat<br />
Halten wir fest: Die <strong>Erde</strong> ist Gottes Gabe an uns alle ist. Die biblische Tradition des<br />
Jobeljahres erinnert uns daran, dass Gott Besitzer <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> ist, und dass sie uns nur<br />
leihweise anvertraut ist. Uns und unserem Leben sind Grenzen gesetzt: Wir alle sind hier<br />
nur Gäste auf Zeit. Die ungleiche und ungerechte Verteilung von Land und Besitz ist in<br />
je<strong>der</strong> Generation neu zu korrigieren.<br />
«Wie viel <strong>Erde</strong> brauchst du, <strong>Mensch</strong>?» Amen.