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Einladung zum Tanz - Lied 137 und Ex 15, 19-21 - EMK Winterthur

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<strong>Einladung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Tanz</strong> - <strong>Lied</strong> <strong>137</strong> <strong>und</strong> <strong>Ex</strong> <strong>15</strong>, <strong>19</strong>-<strong>21</strong>Was ist die Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält? In dem <strong>Lied</strong>, das wir ebenmiteinander gesungen haben, ist es der <strong>Tanz</strong>. Jesus Christus ist der Tänzer – sein Lebenzwischen Gerechten <strong>und</strong> Ungerechten, zwischen Heiligen <strong>und</strong> zu Heilenden wird als <strong>Tanz</strong>beschrieben, bei dem die einen mittanzen, die anderen dankend ablehnen <strong>und</strong> am Randestehen bleiben, mit Augen, in denen stumme Kritik <strong>und</strong> Missbilligung liegen.So haben wir das Evangelium noch nicht oft gehört. Jesus als Tänzer. Das Evangelium als<strong>Einladung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Tanz</strong>. Wo steht das geschrieben? Wie kommt dieses <strong>Lied</strong> überhaupt in unserGesangbuch?„Lord of the Dance“ – „Herr des <strong>Tanz</strong>es“ ist ein <strong>Lied</strong>, das aus dem Rahmen fällt. In England<strong>und</strong> in Amerika erfreut es sich grosser Beliebtheit. Menschen sind damit aufgewachsen wiehierzulande mit dem <strong>Lied</strong> „So nimm denn meine Hände“. Oft wird „Lord of the Dance“ fürein altes, traditionelles Kirchenlied gehalten, dabei wurden die Worte erst <strong>19</strong>63 geschrieben.Die Melodie ist etwa 120 Jahre älter. Sie geht auf ein <strong>Tanz</strong>lied der Shaker zurück, einerchristlichen Gemeinschaft, die in Amerika im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert entstand. Da lebten Männer <strong>und</strong>Frauen gleichberechtigt <strong>und</strong> zölibatär miteinander. Man begegnete einander allerdings im<strong>Tanz</strong>. Eines der <strong>Lied</strong>er, zu dem die Shaker getanzt hatten, hiess: „Simple gifts“ – „schlichteGeschenke“ – es besingt das einfache Leben von Menschen, die ihren Ort gef<strong>und</strong>en haben.Etwa 120 Jahre später nimmt ein Engländer die alte Shaker-Melodie <strong>und</strong> schreibt dazu eigeneWorte. Er legt diese Wort Jesus von Nazareth in den M<strong>und</strong>. Das englische Original wird insDeutsche übersetzt <strong>und</strong> in das neue Gesangbuch der Evangelisch-Methodistischen Kircheaufgenommen. Es ist das <strong>Lied</strong> <strong>137</strong>.„Ich tanzte im Himmel, als die Welt begann, mit Sonne <strong>und</strong> Mond, <strong>und</strong> der Schöpfungstanzfing an. Ich tanzte voll Liebe in die Welt hinein; in Bethlehem, dort wurde ich ganz klein.“So schlicht, so einfach ist der Weg von der Schöpfung des Universums bis nach Weihnachten.Naturgeschichte, Weltgeschichte <strong>und</strong> Heilsgeschichte – das sind nicht etwa Gegensätze. Es istnicht, als seien dort die gnadenlose Natur, <strong>und</strong> da die gottlose Welt der Menschen, <strong>und</strong> nurhier die wenigen Auserwählten. Nein, es gibt einen roten Faden, der alles durchzieht.<strong>Tanz</strong>ende Liebe oder liebender <strong>Tanz</strong> durchdringt <strong>und</strong> durchwirkt alles, was sich zwischenHimmel <strong>und</strong> Erde zuträgt. Gott tanzt in die Welt hinein, die er selbst geschaffen hat. Oder1


verwandelt. Aber getanzt? Davon steht nichts geschrieben. Und wenn auch alle anderenHochzeitsgäste getanzt haben, wie es bei einem Hochzeitsfest üblich ist – wenn wir nichtwollen, dass Jesus getanzt hat, dann gibt es kein Wort in den Evangelien, das dazu angetanwäre, uns vom Gegenteil zu überzeugen.Aber lasst uns bedenken: gegen manches, was von Jesus nicht berichtet wird, hat die Kircheeine Abneigung entwickelt, der wir heute mit Vorsicht begegnen sollten. Als jungeErwachsene war ich beeindruckt von Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“. Dortwehrt sich ein Mönch <strong>und</strong> Bibliothekar mit allen Mitteln dagegen, Jesus könne in seinenErdentagen gelacht haben. Dass Jesus geweint hat, steht geschrieben. Dass er Hunger <strong>und</strong>Durst gehabt hat, ist ein Zugeständnis, welches man dem Gottessohn machen muss. Es steht jaschliesslich so geschrieben. Aber dass er gelacht hat, steht nirgends geschrieben. Vielleichtmilde gelächelt, das ist ja noch eine verträgliche Vorstellung. Aber gelacht? Lachen istgefährlich. In Umberto Ecos Roman heisst es: „Lachen tötet die Furcht. Und ohne Furchtkann es keinen Glauben geben.“ Aber wenn schon Lachen gefährlich ist, <strong>Tanz</strong>en ist noch vielgefährlicher. Vieles, was wir Menschen verdächtig finden, möchten wir auch unserem Jesusnicht zuschreiben. Darum halten Menschen den Weg der Nachfolge gerne für einen ernsten,entbehrungsreichen Weg säuerlicher Selbstlosigkeit, auf dem zwar noch geliebt werden darf,aber nur mit reinem, geläutertem Herzen <strong>und</strong> manchmal gar mit hart zusammengepresstenLippen. Was würde ein Jesus der tanzt, nicht alles durcheinander bringen? Nicht zuletztunsere zahlreichen Klischees von dem, was sich für gottesfürchtige Männer <strong>und</strong> Frauen ziemt.Dabei steht unser Jesus heute an Palmsonntag an der Schwelle jener Stadt, die schon KönigDavid tanzend betrat – unziemlich tanzend, sich Hohn <strong>und</strong> Spott <strong>und</strong> Kritik aussetzend. Wertanzt, gibt sich eine Blösse. Wer tanzt macht sich verletzlich. Hat Rüstung <strong>und</strong> Kampfanzugabgelegt. Wer tanzt steht in der Tradition der Mirjam, jener Prophetin, die den Israelitinnenein neues <strong>Lied</strong> <strong>und</strong> eben einen neuen <strong>Tanz</strong> beibrachte. Sie nahm die Pauke in die Hand,schlug den Rhythmus <strong>und</strong> sang die Worte: „Gott hat eine herrliche Tat getan! Ross <strong>und</strong>Wagen warf er ins Meer.“ Was gelten da noch Feldherren <strong>und</strong> Siegerposen? DasKriegsmaterial – alles Kriegsmaterial wird in den Fluten der kommenden Welt untergehen.Der <strong>Tanz</strong> durchbricht die Schreckensstarre, in die Menschen geraten, wenn das Böse seinefurchtbaren Grimassen schneidet, sich aufspielt <strong>und</strong> so tut, als habe es alles im Griff. Der<strong>Tanz</strong> ist der Neuanfang in einer gebrochenen, gefallenen Welt, die das Gehen erst wiederlernen muss. Der <strong>Tanz</strong> ist Freude, die vom ganzen Körper Besitz nimmt, wenn ein Mensch3


Befreiung erfährt. Als Jesus in Jerusalem einzog <strong>und</strong> die Menschen Palmzweige abbrachen<strong>und</strong> ihre Kleider auf die Strasse legten wie einen roten Teppich für ihren König, haben sie dawohl stocksteif am Strassenrand gestanden? Oder werden sie nicht getanzt haben, wieMenschen auf der Strasse tanzen, wenn sie sich kollektiv freuen dürfen? Weil etwasgeschieht, was alle betrifft: Männer <strong>und</strong> Frauen, Alte <strong>und</strong> Junge, Arme <strong>und</strong> Reiche, Kranke<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>e. Wenn etwas geschieht, woran sich alle freuen dürfen, dann tanzen Menschenschon einmal schrankenlos auf offener Strasse. So wie Mirjam getanzt hat. So wie KönigDavid getanzt hat. Oder wie die verzückten Prophetinnen <strong>und</strong> Propheten der alten Zeit, dieGottes Wort nicht nur hörten, sondern eben auch tanzten. Der <strong>Tanz</strong> war eine heiligeHandlung, lange bevor das Lesen heiliger Schriften eine heilige Handlung wurde. Schade,dass wir das vergessen haben. Bevor Israels Befreiung aus Ägypten, bevor die Rettung ausdem Schilfmeer in Buchstaben eingeritzt <strong>und</strong> überliefert wurde, lud Mirjam das Volk <strong>zum</strong><strong>Tanz</strong> ein. Bevor das Evangelium in kostbarsten Farben von Mönchen in Klöstern tausendfachabgeschrieben wurde, wurde es auf der Strasse verkündigt, ausgerufen, <strong>und</strong> bevor esverkündigt <strong>und</strong> ausgerufen wurde, wurde es in Fleisch <strong>und</strong> Blut gelebt <strong>und</strong> in die Weltgebracht. In Jesus. Er ist Gottes <strong>Einladung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Tanz</strong>.Aber wenn es auch Sonne <strong>und</strong> Mond leicht fallen, dieser <strong>Einladung</strong> zu folgen, so fällt es dochMenschen nicht leicht. Es gibt die, die nicht mitmachen. Es gibt die, die sich nichthineinziehen lassen in die Bewegung, die von Jesus ausgehend in die Welt gekommen ist.Und das sind nicht immer nur die Neinsager. Auch die, die offiziell <strong>und</strong> formell Ja sagen zuJesus, können ihm den <strong>Tanz</strong> verweigern. Wer Jesu Aufforderung <strong>zum</strong> <strong>Tanz</strong> folgt, lässt sichnicht an den Mitgliederverzeichnissen der Kirchen ablesen. Wer den Lebenstanz Jesu mittanzt<strong>und</strong> wer ihn hartherzig verweigert, das können wir nicht voraussehen. Verweigerung <strong>und</strong>Ablehnung ist das Rätsel, das niemand lösen kann. Auch Jesus hat es nicht mit Gewalt gelöst.Jesus nimmt das Rätsel, abgelehnt zu werden, hin. Er nimmt es hin <strong>und</strong> lässt sich davon nichtbeirren. Vielleicht, weil er weiss, dass auch sie mit zur Geschichte gehören: die, die unbewegtam Rande stehen bleiben, missbilligend, freudlos <strong>und</strong> kritisch. Abwartend. Und plötzlichzuschlagend.Jesus, der Menschen zu seinem Lebenstanz einlädt, ist einer, an dem sich die Geisterscheiden. Heilige <strong>und</strong> Pharisäer auf der einen Seite. Simon <strong>und</strong> die anderen Jünger auf deranderen Seite. Unter ihnen: die Sünder. Die Unanständigen. Die Verworfenen – heute würdeman ihre Namen im Internet veröffentlichen <strong>und</strong> sich dabei auch noch anständig fühlen. Unter4


<strong>und</strong> sie über dem Abgr<strong>und</strong> drohender Vernichtungam Leben erhältst,dich beten wir an,dir gilt unser Dank, unser Jubel,wenn das Leben über den Tod siegt,die Hoffnung über die Verzweiflung<strong>und</strong> die Liebe <strong>zum</strong> Menschen überalles, was Menschen verächtlich macht.Schöpfer Gott,in Jesus Christus bist du eingezogen in die Welt,auf unseren Strassen lädst du uns ein,mit dir zu ziehen, den Weg zu gehen,auf dem Siegeserwartung in Leiden umschlägt<strong>und</strong> Leiden unversehens in Freude.Nimm uns mit auf diesem Wege,lass uns nicht am Rande stehen bleiben,stumm <strong>und</strong> abwartend,unbewegt, als wüssten wir bereits,wie alles herauskommt,wie die Welt tickt,wie der Jubel vergeht<strong>und</strong> welches Ende die Feiernden erwartet.Nimm uns mit auf deinem Wegals Menschen, die Anteil nehmen,die sich mitfreuen <strong>und</strong> mitleiden<strong>und</strong> die jedes Lachen, jedes Weinenwie <strong>zum</strong> ersten Mal erleben.6


Wenn du uns einlädst, lass uns hören,wenn wir in deinem Namen einladen,gib Segen!Und wenn auf unseren ausgetretenen Wege<strong>und</strong> in unseren steinernen Gemäuernetwas beginnt, sich zu bewegen,dann ziehe uns hinein in den fröhlichen <strong>Tanz</strong>,dass in deinem Namenniemand mehr am Rande stehen bleibt,niemand mehr vergessen wird,niemand mehr ungetröstet nach Hause geht.Zieh in deine heilvolle Bewegungalles hinein, was lebt <strong>und</strong> leben will.Männer <strong>und</strong> Frauen,Arme <strong>und</strong> Reiche,Junge <strong>und</strong> Alte,Täter <strong>und</strong> Opfer.Und gib dich in Hoffnung, Leiden <strong>und</strong> Sieg zu erkennenals Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt der kommenden Welt,als unser Mittelpunkt.Amen.7

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