Geschichte und Richtungen des ökologischen ... - Oekolandbau.de
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Informationsmaterialien über <strong>de</strong>n <strong>ökologischen</strong> Landbau (Landwirtschaft einschl. Wein-, Obst- <strong>und</strong><br />
Gemüsebau) für <strong>de</strong>n Unterricht an landwirtschaftlichen Berufs- <strong>und</strong> Fachschulen<br />
(Initiiert durch das B<strong>und</strong>esministerium für Ernährung, Landwirtschaft <strong>und</strong> Verbraucherschutz<br />
im Rahmen <strong><strong>de</strong>s</strong> B<strong>und</strong>esprogramms Ökologischer Landbau)<br />
Berufsschule Weinbau<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtungen</strong><br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>ökologischen</strong> Landbaus<br />
A2 Organisation <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>ökologischen</strong> Landbaus<br />
© BLE 2006<br />
B. Fa<strong>de</strong>r
<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtungen</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>ökologischen</strong> Landbaus<br />
(Aus www.oekolandbau.<strong>de</strong>)<br />
Der ökologische Landbau ist kein Phänomen <strong>de</strong>r Postmo<strong>de</strong>rne. Die ersten Konzepte<br />
ökologischer Landbewirtschaftung entstan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Zeit zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Weltkriegen, als sich Landwirtschaft <strong>und</strong> Landbauwissenschaften in einer Krise befan<strong>de</strong>n:<br />
Probleme wie Bo<strong>de</strong>nverdichtung, Bo<strong>de</strong>nmüdigkeit, Saatgutabbau <strong>und</strong> Zunahme von<br />
Pflanzenkrankheiten <strong>und</strong> Schädlingsbefall führten zu sinken<strong>de</strong>n Ertragsniveaus <strong>und</strong><br />
abnehmen<strong>de</strong>r Nahrungsmittelqualität.<br />
In <strong>de</strong>n 20er <strong>und</strong> 30er Jahren <strong>de</strong>utete sich - aus damaliger Sicht - ein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r über<br />
Jahrzehnte erfolgreich betriebenen chemisch-technischen Intensivierung an. Gleichzeitig bot<br />
die biologisch orientierte Forschungsdisziplin "Landwirtschaftliche Bakteriologie"<br />
Alternativen, die Landbewirtschaftung über eine verbesserte Humuswirtschaft zu<br />
intensivieren.<br />
Ewald Könemanns (1899 - 1976) dreiteiliges Werk "Biologische Bo<strong>de</strong>nkultur <strong>und</strong><br />
Düngewirtschaft" fasst die Konzepte <strong><strong>de</strong>s</strong> "Natürlichen Landbaus" zusammen.<br />
Natürlicher Landbau (20er <strong>und</strong> 30er Jahre)<br />
Die ersten <strong>ökologischen</strong> Landbauaktivitäten entstan<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Lebensreform-Bewegung,<br />
die sich gegen Urbanisierung <strong>und</strong> Industrialisierung in <strong>de</strong>r "mo<strong>de</strong>rnen Welt" wandte. Ziel war<br />
die Rückkehr zu einer naturgemäßen Lebensweise: Man wollte in <strong>de</strong>r ländlichen Natur<br />
sie<strong>de</strong>ln <strong>und</strong> sich dort eine gärtnerische Existenz aufbauen.<br />
Da Be<strong>de</strong>nken hinsichtlich min<strong>de</strong>rwertiger Nahrungsmittelqualität <strong>und</strong> möglicher<br />
Ges<strong>und</strong>heitsgefährdungen bestan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> auf stickstoffhaltige Mineraldünger sowie<br />
schwermetallhaltige Pestizi<strong>de</strong> verzichtet.<br />
Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nbewirtschaftung war das wissenschaftlich-biologische Verständnis von<br />
Bo<strong>de</strong>nfruchtbarkeit im Sinne <strong>de</strong>r "Landwirtschaftlichen Bakteriologie". Die darauf<br />
aufbauen<strong>de</strong>n Landbaumaßnahmen waren:<br />
• Düngung mit gerotteten organischen Abfällen<br />
• verer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kompostierung (auch Komposttoiletten) <strong>und</strong> E<strong>de</strong>lmistbereitung<br />
• Gründüngung <strong>und</strong> Bo<strong>de</strong>nbe<strong>de</strong>ckung<br />
• schonen<strong>de</strong>, nicht wen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Bo<strong>de</strong>nbearbeitung<br />
• Nährstoffersatz durch die Rückführung kompostierter städtischer organischer Abfälle<br />
<strong>und</strong> Fäkalien sowie durch schwerlösliche Mineraldünger <strong>und</strong> Gesteinsmehle<br />
Aufgr<strong>und</strong> ihrer vegetarischen Gr<strong>und</strong>sätze strebte die Lebensreform außer<strong>de</strong>m an, die<br />
Haltung von Vieh einzuschränken o<strong>de</strong>r ganz auf sie zu verzichten. Gleichzeitig entstan<strong>de</strong>n<br />
erste Ansätze artgerechter Tierhaltung.<br />
Die um die Jahreswen<strong>de</strong> 1927/28 gegrün<strong>de</strong>te Organisation "Arbeitsgemeinschaft<br />
Natürlicher Landbau <strong>und</strong> Siedlung" (ANLS) - seit 1935 "Arbeitsgemeinschaft Landreform"<br />
- initiierte lokale Vermarktungsprojekte, erstellte erste Richtlinien <strong>und</strong> vergab ein Gütesiegel<br />
(ANLS-Wertmarke <strong>und</strong> Landreform Garantie- <strong>und</strong> Schutzmarke, siehe Bild).<br />
Siedlerschulen boten ökologische Landbaukurse an. Die von Walter Rudolph gegrün<strong>de</strong>te<br />
Zeitschrift "Bebauet die Er<strong>de</strong>" diente seit 1925 <strong>de</strong>m Informationsaustausch.<br />
ANLS-Wertmarke <strong>und</strong> Landreform Garantie- <strong>und</strong> Schutzmarke (Quelle: www.oekolandbau.<strong>de</strong>)<br />
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B. Fa<strong>de</strong>r
Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise (seit 1924)<br />
F<strong>und</strong>ament <strong>de</strong>r biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise sind die "Geisteswissenschaftlichen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen zum Ge<strong>de</strong>ihen <strong>de</strong>r Landwirtschaft". Diese Vortragsreihe hielt Rudolf Steiner,<br />
<strong>de</strong>r Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anthroposophie, im Jahre 1924.<br />
Das anthroposophische Naturhaushaltskonzept umfasst neben <strong>de</strong>r stofflichphysikalischen<br />
Ebene drei weitere, "übersinnliche" Ebenen: eine lebendig-ätherische, eine<br />
seelisch-astrale <strong>und</strong> eine Ichhaft-geistige Ebene. In diesem Sinne kann Natur nicht nur in <strong>de</strong>r<br />
stofflichen Dimension, son<strong>de</strong>rn auch in <strong>de</strong>n "übersinnlichen" Dimensionen - beispielsweise<br />
über die biologisch-dynamischen Präparate - beeinflusst wer<strong>de</strong>n.<br />
Das biologisch-dynamische Konzept fasst einen landwirtschaftlichen Betrieb als eine<br />
eigenständige, lebendige Wesenheit auf, als "Betriebsorganismus" bzw. "Hofindividualität".<br />
Die Gr<strong>und</strong>lage landwirtschaftlicher Tätigkeiten im biologisch-dynamischen Betrieb ist ein<br />
"persönliches Verhältnis" zum Naturgeschehen, das Arbeiten <strong>und</strong> Erkennen miteinan<strong>de</strong>r<br />
verbin<strong>de</strong>t.<br />
Steiners Theorien wur<strong>de</strong>n vor allem auf Gutswirtschaften in <strong>de</strong>n damaligen Ostprovinzen <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
Deutschen Reiches erprobt. Noch während <strong>de</strong>r Vortragsreihe wur<strong>de</strong> 1924 <strong>de</strong>r<br />
"Versuchsring anthroposophischer Landwirte" - seit 1933 "Reichsverband für biologischdynamische<br />
Wirtschaftsweise" - gegrün<strong>de</strong>t. Der anfängliche interne R<strong>und</strong>brief wur<strong>de</strong> 1930<br />
von <strong>de</strong>r Zeitschrift "Demeter - Monatsschrift für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise"<br />
abgelöst.<br />
Beratung <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit erfolgte über 20 biologisch-dynamische Auskunftsstellen.<br />
Die "Verwertungsgenossenschaft Demeter" vermarktete biologisch-dynamische Erzeugnisse<br />
in <strong>de</strong>n 30er Jahren unter <strong>de</strong>m Gütesiegel "Demeter".<br />
Schon in <strong>de</strong>n 30er Jahren gab es das Gütesiegel "Demeter" (Quelle: www.oekolandbau.<strong>de</strong>)<br />
Die 50er <strong>und</strong> 60er Jahre waren durch zwei Entwicklungen geprägt: Im Mittelpunkt stan<strong>de</strong>n<br />
nun bäuerliche Familienbetriebe <strong>und</strong> die Vermarktung <strong>de</strong>rer Erzeugnisse über Erzeuger-<br />
Verbraucher-Gemeinschaften zu "gerechten" Preisen. Mit <strong>de</strong>r Integration<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisse näherten sich die biologisch-dynamischen Konzepte<br />
<strong>de</strong>njenigen <strong><strong>de</strong>s</strong> naturwissenschaftlich orientierten <strong>ökologischen</strong> Landbaus an.<br />
In <strong>de</strong>n 80er <strong>und</strong> 90er Jahren rückten Ökologie, Umweltschutz <strong>und</strong> Nachhaltigkeit in <strong>de</strong>n<br />
Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>: Züchtung an ökologische Landbauverhältnisse angepasster<br />
Kulturpflanzensorten, "wesensgemäße" Tierhaltung o<strong>de</strong>r Gestaltung von Kulturlandschaften<br />
nach biologisch-dynamischen Prinzipien. Betriebsgemeinschaften wur<strong>de</strong>n zum Leitbild<br />
biologisch-dynamischer Landbewirtschaftung.<br />
Organisch-biologischer Landbau (ab 50er Jahre)<br />
Der organisch-biologische Landbau wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m Agrarpolitiker Hans Müller<br />
geleiteten Schweizerischen Bauern-Heimatbewegung begrün<strong>de</strong>t.<br />
In <strong>de</strong>r <strong>ökologischen</strong> Landbewirtschaftung sahen die Bauern die Möglichkeit, eine bäuerliche,<br />
auf einem christlichen Glaubensverständnis beruhen<strong>de</strong> Lebensweise in <strong>de</strong>r "mo<strong>de</strong>rnen" Welt<br />
zu erhalten <strong>und</strong> weiter zu entwickeln.<br />
Die bisherigen Gr<strong>und</strong>sätze - Erhalt von Familie <strong>und</strong> Hof sowie Bewahrung von Heimat <strong>und</strong><br />
Tradition - wur<strong>de</strong>n ergänzt durch die Verantwortung für Natur (mittels einer nachhaltigen<br />
Landbewirtschaftung) <strong>und</strong> Verbraucher (mit hochwertigen Nahrungsmitteln).<br />
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B. Fa<strong>de</strong>r
Die Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Absatz zu "gerechten" Preisen<br />
an eine ges<strong>und</strong>heitsbewusste Verbraucherschaft sollte die wirtschaftliche Gr<strong>und</strong>lage<br />
bäuerlicher Familienbetriebe sichern. Außer<strong>de</strong>m wollten die Landwirte ihre Unabhängigkeit<br />
- ein zentrales Element bäuerlichen Selbstverständnisses - gegenüber <strong>de</strong>r Landwirtschafts<strong>und</strong><br />
Ernährungsindustrie bewahren.<br />
Die organisch-biologischen Erzeugnisse wur<strong>de</strong>n gemeinsam über die Absatz- <strong>und</strong><br />
Verwertungsgenossenschaft "Heimat" vermarktet: Neben <strong>de</strong>m Genossenschaftsb<strong>und</strong><br />
"Migros" <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Reformwarenunternehmen "Biotta" wur<strong>de</strong>n Verbraucherinnen <strong>und</strong><br />
Verbraucher direkt über einen Paketversand beliefert.<br />
Maria Müller, Frau von Hans Müller, arbeitete die vorhan<strong>de</strong>ne Literatur <strong><strong>de</strong>s</strong> natürlichen <strong>und</strong><br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> angelsächsischen organischen Landbaus sowie <strong>de</strong>r Landbauwissenschaften auf. Die<br />
<strong>ökologischen</strong> Landbaumaßnahmen erprobte sie in ihrem Garten.<br />
Das Naturhaushaltskonzept - <strong>de</strong>r "Kreislauf <strong>de</strong>r lebendigen Substanz" - <strong><strong>de</strong>s</strong> Frankfurter<br />
Arztes <strong>und</strong> Mikrobiologen Hans Peter Rusch bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n theoretischen Hintergr<strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
organisch-biologischen Landbaus. Ruschs mikrobiologischer Bo<strong>de</strong>ntest diente als Leitschnur<br />
<strong>und</strong> Kontrolle <strong>de</strong>r Landbewirtschaftung.<br />
Letztlich entwickelten jedoch organisch-biologisch wirtschaften<strong>de</strong> Bauernfamilien -<br />
aufbauend auf traditionellem Wissen <strong>und</strong> Erfahrungen <strong><strong>de</strong>s</strong> Arbeitsalltags - die organischbiologische<br />
Landbaupraxis: eine nicht bzw. flach wen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Bo<strong>de</strong>nbearbeitung,<br />
Flächenkompostierung <strong>und</strong> Fruchtfolgen mit mehrjährigem Futterbau.<br />
Die Konzepte wur<strong>de</strong>n über die Bauernheimatschule Möschberg (im Emmental, Schweiz) <strong>und</strong><br />
Regionalgruppen sowie über die seit 1946 erscheinen<strong>de</strong> Zeitschrift "Kultur <strong>und</strong> Politik"<br />
verbreitet.<br />
In <strong>de</strong>n 80er <strong>und</strong> 90er Jahren rückten die bei<strong>de</strong>n Themen umweltschonen<strong>de</strong><br />
Bo<strong>de</strong>nbewirtschaftung <strong>und</strong> artgerechte Tierhaltung in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>. Des Weiteren<br />
entstan<strong>de</strong>n professionelle Organisationsstrukturen (wie Anbauverbän<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />
Dachorganisationen <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>ökologischen</strong> Landbaus) <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r <strong>ökologischen</strong> Landbaupraxis<br />
wur<strong>de</strong>n viele Innovationen - beispielsweise Ernst Weichels Bo<strong>de</strong>nbearbeitungsgeräte -<br />
entwickelt.<br />
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B. Fa<strong>de</strong>r