05.11.2013 Aufrufe

Blue Eyed - stabi2.muc.kobis.de

Blue Eyed - stabi2.muc.kobis.de

Blue Eyed - stabi2.muc.kobis.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ein: „Zweck dieser Übung ist es, diesen<br />

netten, blauäugigen Menschen Gelegenheit<br />

zu geben, herauszufin<strong>de</strong>n, wie man<br />

sich fühlt, wenn man alles an<strong>de</strong>re als weiß<br />

ist in Amerika.“ Der Übungsraum ist mit<br />

Postern ausgehängt, die Blauaugen diskriminieren.<br />

Auf einem steht zum Beispiel:<br />

„Wenn es Ihnen hier nicht gefällt, warum<br />

gehen Sie dann nicht dorthin zurück, wo<br />

Sie herkommen?“ Erst später wird implizit<br />

(die Übungsanordnung wird im Film selbst<br />

nie in Frage gestellt o<strong>de</strong>r auch nur diskutiert)<br />

<strong>de</strong>utlich, dass die Einweihung <strong>de</strong>r<br />

Braunäugigen in die Spielsituation ebenfalls<br />

Rollenzuweisung ist. Sie wer<strong>de</strong>n quasi<br />

in <strong>de</strong>n Status <strong>de</strong>r überlegenen gesellschaftlichen<br />

Gruppe versetzt. Und da sie<br />

die Handlungsanweisungen <strong>de</strong>r Workshop-<br />

Leiterin (Lacht nur über sie!, Zeigt kein<br />

Mitleid!, Schaut sie feindselig an!) befolgen,<br />

stellt sich heraus, dass auch sie verantwortlich<br />

wer<strong>de</strong>n für die Lage <strong>de</strong>r Diskriminierten.<br />

Denn sie verweigern Solidarität.<br />

Eine Probandin meint zwar, das sei<br />

grausam. Doch die Frage <strong>de</strong>r Leiterin, ob<br />

sie solche Grausamkeit im Alltag verhin<strong>de</strong>rn<br />

wür<strong>de</strong>, kann sie nicht bejahen. „Nichts<br />

tun ist nicht genug.“<br />

Nach rund 20 Minuten wechselt <strong>de</strong>r Film<br />

wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schauplatz. Während die Vorstellung<br />

von „Amerika“ mit Zeichen <strong>de</strong>r<br />

Urbanität hergestellt wur<strong>de</strong>, konstituieren<br />

Zeichen aus <strong>de</strong>m Bereich Idylle all das,<br />

was <strong>de</strong>r Film als „Privatsphäre“ von Jane<br />

Elliott präsentiert. Während wie<strong>de</strong>r <strong>Blue</strong>s-<br />

Musik (die Musik <strong>de</strong>r Schwarzen in Amerika!)<br />

ertönt, erscheinen Baumwipfel im<br />

Wind; ein Schwarm Wildgänse durchfliegt<br />

das Bild; ein kleines Haus hinter Bäumen.<br />

Dann, mit einem „voice over“, zeigt die<br />

Kamera Elliott neben einem Bücherregal<br />

mit Durchblick auf einen Esstisch – <strong>de</strong>n<br />

Ort, an <strong>de</strong>m sich gewöhnlich Familie versammelt.<br />

Elliott erklärt: „Die I<strong>de</strong>e zu <strong>de</strong>r<br />

Blauäugig-Braunäugig-Übung kam mir, als<br />

ich ein Buch über die Praktiken <strong>de</strong>r Nazis<br />

las.“ Als einziger Person im Film wird also<br />

Elliott ein Ort <strong>de</strong>s Privaten visuell eingeräumt.<br />

Keine an<strong>de</strong>re Person wird nach ihrer<br />

Herkunft auch nur befragt. Keine gibt<br />

Auskunft, weshalb sie an <strong>de</strong>r Übung teilnimmt,<br />

keine kommentiert Verlauf und Ergebnis.<br />

Jane Elliott dagegen wird später<br />

noch beim Apfelpflücken, in entspannter<br />

Haltung in einer Hängematte, mit einem<br />

kleinen schwarzen Hund, mit aufgehängten<br />

Vogeltränken, mit einem Ball, <strong>de</strong>r (in<br />

Zeitlupe) in einen Korb geworfen wird,<br />

gezeigt.<br />

Beim Schauplatzwechsel zurück in <strong>de</strong>n<br />

Workshop stellen die Filmemacher ein<br />

letztes Mal visuell <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />

von Apartheid-Realität und Versuchsanordnung<br />

her: Sie konfrontieren historische<br />

Filmaufnahmen (kenntlich am Schwarzweiß)<br />

von Schil<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r Aufschrift<br />

„White“ o<strong>de</strong>r „Colored“ an einem Eingang<br />

und einem Wasserspen<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Aufnahme<br />

einer Toilettentür im Workshop-<br />

Gebäu<strong>de</strong>: „Women: Brown-Eye Only“. Die<br />

folgen<strong>de</strong> Workshop-Sequenz zeigt weiterhin<br />

hauptsächlich Verhaltensanweisungen<br />

von Elliott an die Braunaugen. Die Beobachtung<br />

<strong>de</strong>s Experiments mit <strong>de</strong>n Blauaugen<br />

selbst kommt später gegenüber Instruktionen<br />

und Elliotts Äußerungen in<br />

privater Umgebung ziemlich kurz. Die Blauaugen<br />

wer<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r in ihrem resignativen<br />

und von autoritärem Wachpersonal<br />

in Ruhe gehaltenen Warte-Zustand<br />

dazwischen geblen<strong>de</strong>t. Bevor sie später<br />

selbst im Experiment aktiv wer<strong>de</strong>n können,<br />

bekommt Jane Elliott von <strong>de</strong>n Filmemachern<br />

die Gelegenheit, in <strong>de</strong>r Hängematte<br />

vor ihrem Haus zu schil<strong>de</strong>rn, wie<br />

sie nach <strong>de</strong>r Ermordung Martin Luther<br />

Kings das Experiment erstmals mit ihren<br />

Schülern durchexerzierte, wie sie daraufhin<br />

als Negerliebchen <strong>de</strong>nunziert wur<strong>de</strong>,<br />

wie selbst ihre Kin<strong>de</strong>r geschmäht wur<strong>de</strong>n.<br />

8 ... Film-Heft

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!