4 November 2009 /PDF - Die Schwarzen Seiten
4 November 2009 /PDF - Die Schwarzen Seiten
4 November 2009 /PDF - Die Schwarzen Seiten
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
tacheles<br />
CDU/CSU auf der Suche<br />
nach einer neuen Identität<br />
AUTOR<br />
Michael Kunze — KV Zwickau<br />
Was einmal war, kann nicht bloß wiederhergestellt<br />
werden – und muss es auch nicht<br />
> <strong>Die</strong> Stimme derer, die über den programmatischen Wandel in<br />
der CDU klagen (mit Abstrichen gilt dies auch für die CSU), wird<br />
gehört – doch allzu wenig in der Partei selbst. Alle Wahlen der letzten<br />
15 Jahre auf Bundesebene und in so manchem Landesverband<br />
offenbarten eines: Nicht nur die Gesellschaft unterliegt der Veränderung,<br />
auch die Parteien, die laut Grundgesetz an der Willensbildung<br />
in diesem Land mitzuwirken haben. In negativer Hinsicht trifft es<br />
in der Tendenz jedoch vornehmlich die Volksparteien. Seit Jahren<br />
verlieren sie an Zustimmung bei den Wählern und an Mitgliedern<br />
– zeitweilige Ausnahmen auf Landesebene widerlegen diese Entwicklung<br />
nicht. Trifft es die SPD jetzt schon besonders hart, wiegt<br />
sich die CDU-Führung in der Öffentlichkeit in Gelassenheit, denn<br />
noch ein Mal hat es für eine bürgerliche Koalition, die früher „christlich-liberal“<br />
genannt wurde, auf Bundesebene gereicht.<br />
Doch es knistert im Gebälk – seit langem. <strong>Die</strong> Auflösungserscheinungen<br />
in der CSU sind das deutlichste Zeichen dafür. Ihr Vorsitzender<br />
laviert zwischen einer besseren FDP und angestammten<br />
christlich-sozialen Grundsätzen. Papiere, die zu alter konservativer<br />
Stärke aufrufen – wie kürzlich vom CSU-Europaabgeordneten Manfred<br />
Weber vorgelegt – führen in die richtige Richtung, doch blieb<br />
ein Kurswechsel bisher aus.<br />
<strong>Die</strong> Wahrheit ist, dass das historisch schlechte Bundestagswahlergebnis<br />
von 2005, das dem „Wahrheitswahlkampf“ und fälschlicherweise<br />
dem „Professor aus Heidelberg“ angelastet wurde, diesmal<br />
sogar noch unterboten wurde. Überdies verlieren die Volksparteien<br />
drastisch an Mitgliedern, wenn hier auch die CDU besser als die<br />
SPD abschneidet und sich die CSU wacker hält.<br />
Doch verfügt die CDU kaum über einen programmtischen Kopf<br />
in auch nur einem der einstmals drei „ideologischen Lager“ mehr,<br />
die die Partei ursprünglich definierten und mit Leben erfüllten. Seit<br />
dem Ausstieg von Friedrich Merz liegt der wirtschaftsliberale Flügel<br />
der Union brach. <strong>Die</strong>se Entwicklung wurde durch die Große<br />
Christian Hartmann<br />
Mitglied des Sächsischen Landtages<br />
CDU-Fraktion<br />
Stellvertretender Vorsitzender<br />
des AK Innenpolitik<br />
IM WAHLKREIS:<br />
Langebrücker Straße 4<br />
01109 Dresden<br />
IM LANDTAG:<br />
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1<br />
01067 Dresden<br />
TEL +49(0)351-493 55 32<br />
FAX +49(0)351-451 03 15 532<br />
Christian.Hartmann@slt.sachsen.de<br />
Koalition noch verstärkt, in der die CDU sich leichtfertig auf den<br />
sozial- und wirtschaftpolitischen Kurs der SPD festlegte, sie zuweilen<br />
gar links zu überholen versuchte. Der FDP war es in der Folge<br />
ein Leichtes, enttäuschte CDU/ CSU-Wähler aufzusaugen. Es darf<br />
bezweifelt werden, dass es der Union gelingen wird, diese bis zur<br />
nächsten Wahl in vollem Umfang zurückzugewinnen.<br />
<strong>Die</strong> einst starke Gruppe der Nationalkonservativen ist mittlerweile<br />
gesichts- und einflusslos, seit mit Jörg Schönbohm ihr letzter Vertreter<br />
den CDU-Bundesvorstand verlassen musste. <strong>Die</strong> Zeiten von<br />
Alfred Dregger (1920—2002) und Franz-Josef Strauß (1915—1988)<br />
sind vorbei, in denen rechts von der CDU/ CSU allein die Wand<br />
Platz finden durfte. Der noch am ehesten dieser Gruppe zuzurechnende<br />
bisherige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wird sich<br />
wohl aufs Altenteil zurückziehen und war parteiintern seit der gescheiterten<br />
Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten ohnehin<br />
längst von Angela Merkel ruhiggestellt worden. <strong>Die</strong> Ost- und<br />
Mitteldeutsche Vereinigung der CDU ist tot. In Sachsen beispielsweise<br />
zählt sie nur rund 160 Mitglieder (von mehr als 13.000 CDU-<br />
Mitgliedern). Auf Landesdelegiertenversammlungen findet sich ein<br />
überaltertes Häufchen von knapp 30 Getreuen zusammen, die den<br />
Mangel verwalten. Der kürzlich für das Amt des Vorsitzenden auserkorene<br />
ehemalige Minister erscheint – ohne Angabe von Gründen<br />
– gleich gar nicht. Er wird in Abwesenheit gewählt. Spitzenpolitiker<br />
der Landesebene fehlten ganz. Auch hat es die Partei bisher verfehlt,<br />
auf das Schrumpfen des nationalen Flügels eine Antwort zu finden,<br />
liegt diese doch auch im gesellschaftlichen Wandel begründet, mit<br />
dem eine Metamorphose des Konservatismus einherging. <strong>Die</strong> positive<br />
Besetzung der Europäischen Einigung, wie sie bisher in Gestalt<br />
von Konrad Adenauer und Helmut Kohl prägnante Gesichter fand,<br />
und deren Untersetzung durch ein politisches Programm könnte<br />
eine Alternative zum vermutlich dauerhaften Abstieg der Nationalkonservativen<br />
bieten. Über sie ist der Zug der Geschichte hinweg<br />
gerollt. <strong>Die</strong> Suche nach einem „Europäischen Konservatismus“,<br />
der die EU nicht verteufelt – wie allzu oft in Großbritannien – und<br />
nicht an einer Diskussion über „Verfassungen“ und Institutionen<br />
halt macht, steht noch aus. Sie könnte aber eine Antwort im Verbindenden<br />
der Werte suchen, auf denen Europa wuchs und gedieh<br />
– das Einende gegenüber dem Trennenden hervorheben und damit<br />
eine gesamteuropäische Perspektive eröffnen. Europäische Kultur<br />
und Religion bieten dazu mannigfaltige Anknüpfungspunkte, die<br />
europaweit auch mit der Zukunft der EU positiv verbunden werden<br />
könnten. Ziel muss es sein, in Deutschland und Europa wieder<br />
über Bleibendes, über Werte, zu diskutieren, und nicht über Paragraphen,<br />
die einstmals die Gurkenkrümmung regelten.<br />
Dem christlichen Spektrum der Union wurde in den vergangenen<br />
Jahren ebenfalls zugesetzt, wobei die Urheber nicht eindeutig<br />
zu erfassen und nicht einmal immer zu personalisieren sind. Sie<br />
stammen weder allein von außerhalb der Partei, noch aus ihrem<br />
26