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Meinung und Debatte 06.03.12 / Nr. 55 / Seite 19 / Teil 01<br />

Härtere Saiten im Korruptionsstrafrecht<br />

Vorbei sind die Zeiten, da es für Unternehmen ausreichte, ein minimales Juristenteam<br />

als Compliance-Abteilung einzusetzen und einen Verhaltenskodex zu formulieren, der<br />

nur stichprobenartig überprüft wurde. Dies zeigen erste Lehren aus dem «Fall Alstom»<br />

nach einem Strafbefehl der Bundesanwaltschaft. Von Marcel Meinhardt und Oliver<br />

Labhart<br />

NZZ AG<br />

Im vergangenen November verurteilte die Bundesanwaltschaft<br />

eine Gesellschaft des Alstom-Konzerns<br />

rechtskräftig wegen Verstosses gegen das<br />

Schweizer Korruptionsstrafrecht zu einer Busse<br />

von 2,5 Millionen Franken. Dieser Entscheid blieb<br />

bis anhin weitgehend unkommentiert. Dies erstaunt<br />

angesichts des Umstandes, dass die Bundesanwaltschaft<br />

mit ihrem Entscheid sehr weitreichende<br />

Anforderungen an die Compliance-Programme<br />

international tätiger Konzerne stellt. Noch<br />

bis im Oktober 2003 galt im Schweizer Strafrecht<br />

der Grundsatz, dass sich nur natürliche Personen,<br />

nicht aber Unternehmen strafbar machen können.<br />

Mit der Ausdehnung der strafrechtlichen Tatbestände<br />

auch auf Unternehmen fand ein eigentlicher<br />

Paradigmenwechsel statt.<br />

Risikoreicher Beizug von Vermittlern<br />

Ein Unternehmen macht sich unter anderem dann<br />

strafbar, wenn ihm nachgewiesen werden kann,<br />

nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen<br />

Vorkehren getroffen zu haben, um eine<br />

im Strafgesetzbuch aufgelistete Straftat zu verhindern.<br />

Darunter fallen insbesondere Korruptionstatbestände.<br />

Das Strafgesetzbuch stellt diesbezüglich<br />

Ansprüche an die internen Kontrollsysteme,<br />

also die Legal Compliance von Unternehmen. Aufgrund<br />

des reichlich unbestimmt formulierten Gesetzestextes<br />

ist der genaue Umfang dieser Pflicht<br />

für die Unternehmen freilich nur schwer abschätzbar.<br />

Das gilt akzentuiert im Bereich des Korruptionsstrafrechtes.<br />

Zum einen stellt das Schweizer<br />

Korruptionsstrafrecht nicht nur die Bestechung<br />

von inländischen, sondern auch diejenige von ausländischen<br />

Amtsträgern unter Strafe. International<br />

tätige Schweizer Unternehmen haben daher die<br />

Pflicht, Korruption nicht nur in der Schweiz aktiv<br />

zu verhindern, sondern weltweit in ihrem gesamten<br />

Tätigkeitsbereich. Zum anderen fehlt es bei der<br />

Prävention von Korruption – dies im Gegensatz<br />

zur Verhinderung von Geldwäscherei – an einer<br />

Konkretisierung der Sorgfaltspflichten. Weder der<br />

Gesetzgeber noch die Rechtsprechung gaben bis<br />

anhin den Unternehmen entsprechende Leitlinien<br />

vor. Die Bundesanwaltschaft hat dies im Fall Alstom<br />

nun zumindest teilweise nachgeholt.<br />

In einer insgesamt dreieinhalb Jahre dauernden<br />

Strafuntersuchung prüfte die Bundesanwaltschaft<br />

mögliche Korruptionsfälle in rund 15 Ländern. Im<br />

Rahmen dieser Aktion zeigte sich, dass der Alstom-Konzern,<br />

der sich weltweit auf den Bau und<br />

Unterhalt grosser Infrastrukturprojekte spezialisiert<br />

hat und dessen Kunden zu einem Grossteil<br />

Staaten bzw. staatlich kontrollierte Unternehmen<br />

sind, im Ausland regelmässig über sogenannte<br />

Consultants Projekte akquirierte. Mit Consultants<br />

vereinbarte Alstom für den Fall eines Vertragsabschlusses<br />

oftmals ein Erfolgshonorar. Im Bereich<br />

von Infrastrukturprojekten sind solche Arrangements<br />

üblich. Die Bundesanwaltschaft konnte<br />

nun im Fall von Alstom in drei Fällen nachweisen,<br />

dass die von Vermittlern eingefädelten Vertragsabschlüsse<br />

mit staatlichen bzw. staatlich konzessionierten<br />

Unternehmen in Lettland, Malaysia<br />

und Tunesien auf eine Bestechung der jeweiligen<br />

Amtsträger zurückzuführen waren. Bei den von<br />

den Vermittlern bezahlten Bestechungsgeldern<br />

handelte es sich grösstenteils um die von Alstom an<br />

dieselben Personen ausbezahlten Erfolgshonorare.<br />

Wirtschaftlich betrachtet floss daher Geld von Alstom<br />

via Vermittler an die ausländischen Amtsträger<br />

und beeinflusste auf diese Weise die Vergabe<br />

von Projekten zugunsten von Alstom. Nach<br />

Ansicht der Bundesanwaltschaft hatte Alstom<br />

nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen<br />

Vorkehren getroffen, um solche Bestechungszahlungen<br />

zu verhindern.<br />

Es gilt die Nulltoleranz<br />

Alstom hatte im Bewusstsein um diese Problematik<br />

jedoch schon Massnahmen zur Verhinderung<br />

von Korruption ergriffen. Bereits ab 2000, also drei<br />

Jahre vor Einführung der Strafbarkeit von Unternehmen,<br />

hatte der Alstom-Konzern auf externe<br />

Empfehlung hin relevante konzerninterne Compliance-Aufgaben<br />

auf die Alstom Network<br />

Schweiz AG übertragen und zentralisiert. Zudem<br />

führte Alstom interne Richtlinien ein, die die Zahlung<br />

an Consultants zum Zwecke der Bestechung<br />

untersagten. Diese internen Richtlinien für Auswahl<br />

und Einsatz von Consultants wurden über die<br />

Jahre angepasst und verbessert. Die in diesem Bereich<br />

tätigen Mitarbeiter wurden seit 2003 zudem<br />

regelmässig in Legal Compliance geschult. Die<br />

Bundesanwaltschaft hielt Alstom zwar zugute, Anstrengungen<br />

unternommen zu haben, dennoch<br />

seien an einen international tätigen Konzern gestellte<br />

Anforderungen bei der Umsetzung von<br />

Richtlinien nicht erfüllt worden. Bemerkenswert<br />

ist weiter die Feststellung, dass die Compliance-<br />

Abteilung personell unterbesetzt, zu wenig erfahren<br />

und nicht ausreichend ausgebildet gewesen sei.<br />

Auch wenn man im Entscheid der Bundesanwaltschaft<br />

vergebens nach abschliessend definierten<br />

Anforderungen an die Compliance-Systeme<br />

von Unternehmen sucht, wird eines klar: Die<br />

Zeiten, in denen es für Unternehmen ausreichte,<br />

ein minimales Juristenteam als Compliance-Abteilung<br />

einzusetzen, einen gut klingenden Verhaltenskodex<br />

zu formulieren und stichprobenartig dessen


Einhaltung zu überprüfen, sind endgültig vorbei.<br />

Entscheidend ist mittlerweile nicht mehr, dass<br />

überhaupt ein Kontrollsystem vorhanden ist, sondern,<br />

dass dieses konsequent umgesetzt wird. Berücksichtigt<br />

man, dass Alstom über den Zeitraum<br />

von neun Jahren und mit inzwischen über 90 000<br />

Mitarbeitern «nur» drei Fälle von Bestechung<br />

nachgewiesen werden konnten, wird ersichtlich,<br />

dass für Korruption Nulltoleranz gilt. Für Unternehmen,<br />

die ihre Wachstumsmärkte vor allem in<br />

den Schwellenländern sehen, stellt der Entscheid<br />

der Bundesanwaltschaft sicherlich eine Herausforderung<br />

dar, da Geschäfte in gewissen Ländern<br />

ohne Vermittler vor Ort fast nicht machbar sind.<br />

.......................................................................................................<br />

Marcel Meinhardt ist Partner und Oliver Labhart ist Rechtsanwalt<br />

bei <strong>Lenz</strong> & <strong>Staehelin</strong>. Beide sind spezialisiert auf Compliance und<br />

interne Untersuchungen.<br />

Meinung und Debatte 06.03.12 / Nr. 55 / Seite 19 / Teil 02<br />

NZZ AG

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