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Gewährleistungen in Grundstückkaufverträgen mit professionellen Investoren<br />
Inhaltsübersicht<br />
Ich danke Beat Kühni, LL.M., Fürsprecher, für die kritische<br />
Durchsicht des Manuskripts sowie Marcel Kobel, BLaw, für die<br />
formale Bereinigung der Fussnoten.<br />
AJP/PJA 10/2010<br />
Gewährleistungen in Grundstückkaufverträgen<br />
mit professionellen Investoren<br />
Maja BauMann<br />
Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin,<br />
Zürich<br />
I. Einleitung<br />
II. Heutiger «Schweizer Standard»<br />
III. Gründe für spezifische, auf den Einzelfall abgestimmte<br />
Gewährleistungen<br />
IV. Schranken der Vertragsfreiheit<br />
V. In der Praxis relevante Gewährleistungen und Zusicherungen<br />
1. Eigentum am Grundstück und beschränkte dingliche<br />
Rechte<br />
2. Gewährleistung für Altlasten<br />
3. Mängel und Instandstellungsarbeiten<br />
4. Mietverträge<br />
5. Konformität der Baute mit den anwendbaren Vorschriften<br />
und Bewilligungen<br />
6. Nutzung des Kaufobjekts und Landreserven<br />
7. Rechtsstreitigkeiten und administrative Verfahren<br />
8. Steuern und Gebühren<br />
9. Vollständigkeit und Korrektheit der Due Diligence<br />
Unterlagen<br />
VI. Wegbedingung weiterer Gewährleistungen<br />
VII. Vertragliche Bestimmungen zu Rügefrist und Verjährung<br />
VIII. Fazit<br />
I. Einleitung<br />
Definiert man den Schweizer Immobilienmarkt als die Gesamtheit<br />
des bebauten Landes (inklusive der darauf stehen-<br />
den Bauten) und der noch unverbauten Bauflächen, so ergibt<br />
sich hieraus ein Markt von erheblichem Wert, der nach<br />
Darstellung der auf dem Hypothekarmarkt aktiven Grossund<br />
Kantonalbanken den grössten Wertposten der Schweiz<br />
darstellt. Es ist vor diesem Hintergrund nicht erstaunlich,<br />
dass der Immobilienmarkt seit Jahrzehnten im Fokus von<br />
inländischen und – im Gleichschritt mit der stufenweisen<br />
Liberalisierung der Lex Koller namentlich in Bezug auf<br />
Betriebsstättegrundstücke – zunehmend auch von ausländischen<br />
professionellen Investoren steht. Doch während<br />
beispielsweise im Bereich der Unternehmenstransaktionen<br />
in den letzten fünfzehn Jahren der Standard der Vertragsredaktion<br />
im Gleichschritt mit dem zunehmenden Transaktionsvolumen<br />
auch in der Schweiz eine beeindruckende<br />
Entwicklung und Professionalisierung durchlebt hat, ist<br />
solches im Bereich von Immobilientransaktionen in der<br />
Schweiz kaum feststellbar; im Unterschied zum benachbarten<br />
Ausland hat sich in der Schweiz der übliche Standard<br />
von Kaufverträgen selbst für bedeutende Immobilientransaktionen<br />
mit mehrstelligen Millionenbeträgen kaum entwickelt.<br />
Grundlage der Vertragsredaktion stellen unverändert<br />
die aus der Notariatspraxis der einzelnen Kantone entwickelten<br />
Standardurkunden dar, welche mit punktuellen<br />
Anpassungen den Ansprüchen für den Erwerb von privatem<br />
Wohneigentum genügen mögen, aber in zunehmenden<br />
Widerspruch zu internationalen Marktstandards und berechtigten<br />
Erwartungen insbesondere von professionellen Investoren<br />
(die ihrerseits Anlegerschutzinteressen verpflichtet<br />
sind) geraten. Diese erwarten zu Recht die kaufvertragliche<br />
Umsetzung der durch die Parteien vereinbarten Risikoallokation<br />
zwischen Käufer und Verkäufer, insbesondere in der<br />
Form von auf den konkreten Fall und die bestehenden Risiken<br />
zugeschnittenen, spezifischen Gewährleistungen. Die<br />
entsprechende Umsetzung kann allerdings in der Praxis im<br />
Kontakt mit den zuständigen Notariaten und Grundbuchämtern<br />
auf Widerstände stossen und dadurch betreuungs- und<br />
kostenintensiv werden. Es darf jedoch davon ausgegangen<br />
werden, dass sich auch der Schweizer Markt dieser Entwicklung<br />
insbesondere für grössere kommerzielle Immobilientransaktionen<br />
nicht verschliessen will und kann. Vor diesem<br />
Hintergrund wird sich die Praxis in der Redaktion von<br />
Immobilienkaufverträgen mit einem wachsenden Spezifizierungs-<br />
und letztlich Professionalisierungsbedürfnis vorab<br />
von professionellen Investoren konfrontiert sehen. Am<br />
Beispiel der Gewährleistungen soll nachfolgend ausgeführt<br />
werden, aus welchen Überlegungen eine Professionalisierung<br />
auch bei Schweizer Grundstückkaufverträgen sinnvoll<br />
und sachgerecht ist und wie spezifische Gewährleistungsbestimmungen<br />
in Immobilienkaufverträgen konkret umgesetzt<br />
werden können.<br />
1269
1270<br />
II. Heutiger «Schweizer Standard»<br />
Im «klassischen» schweizerischen Grundstückkaufvertrag,<br />
wie er von verschiedenen Notariaten als Muster verwendet<br />
wird, wird unter «Weitere Bestimmungen» auch der Punkt<br />
«Gewährleistungen» abgehandelt. In der Praxis wird beim<br />
Verkauf von Altbauten (worunter alle fertig erstellten und<br />
bezogenen Gebäude fallen) vielfach anstelle von Gewährleistungen<br />
eine generelle Freizeichnungsklausel eingefügt 1 .<br />
Selbst wenn ausnahmsweise eine – meist sehr vereinfachte<br />
– Regelung der Gewährleistung unter dem entsprechenden<br />
Titel vorgesehen ist, finden sich weitere in dieser Hinsicht<br />
relevante Bestimmungen an anderen Stellen des Vertrags<br />
(z.B. unter «Miet- und Pachtverträgen»), was weder der Leserlichkeit<br />
der Vereinbarung noch der Systematik (und damit<br />
der Klarheit der Auslegung des vertraglichen Willens der<br />
Parteien) zuträglich ist.<br />
Wird eine Freizeichnungsklausel vereinbart, so bestehen<br />
keine Gewährleistungen von Seiten des Verkäufers, soweit<br />
nicht zwingendes Recht entgegensteht. Dies mag gegebenenfalls<br />
bei einfachen Verhältnissen, in denen sich der Käufer<br />
durch eine Inspektion von Gebäude und Umschwung ein<br />
gutes Bild vom Kaufgegenstand machen und sein Kaufangebot<br />
entsprechend anpassen kann, passend sein. Beim Verkauf<br />
einer grösseren Renditeimmobilie ist es jedoch kaum sachgerecht,<br />
mit einer Freizeichnungsklausel zu arbeiten. Vielmehr<br />
lohnt sich bei Transaktionen von diesem Umfang eine<br />
den konkreten Umständen gerecht werdende Allokation der<br />
Risiken zwischen den Parteien, namentlich in der Form von<br />
spezifischen Gewährleistungen.<br />
III. Gründe für spezifische, auf den<br />
Einzelfall abgestimmte Gewährleistungen<br />
Professionelle Immobilieninvestoren besitzen in der Regel<br />
ein Portfolio, welches Liegenschaften in verschiedenen<br />
Ländern umfasst, und sind daher mit den heute üblichen<br />
Standards von Grundstückkaufverträgen in grenzüberschreitenden<br />
Immobilientransaktionen bestens vertraut. Erstmals<br />
konfrontiert mit dem «Schweizer Standard» von Grundstückkaufverträgen<br />
zeigen sich international erfahrene Investoren<br />
dementsprechend irritiert. Sie erwarten neben der<br />
Durchführung einer technischen, kommerziellen und rechtlichen<br />
Due Diligence auch eine die Ergebnisse dieser Due<br />
Diligence widerspiegelnde Allokation einzelner mit dem<br />
Kaufobjekt zusammenhängender Risiken, namentlich in der<br />
Form von im Kaufvertrag detailliert umschriebenen Zusi-<br />
1 Vgl. Ullin Streiff/Bruno Pellegrini/Adrian von Kaenel,<br />
Vertragsvorlagen, 4. A., Zürich 2008, 68; Urs Bürgi, Gewährleistung<br />
beim Immobilienkauf, ST 2005, 392.<br />
M a j a B a u m a n n<br />
AJP/PJA 10/2010<br />
cherungen, Gewährleistungen und gegebenenfalls Schadloshaltungsverpflichtungen<br />
des Verkäufers. Zusicherungen<br />
und Gewährleistungen umfassen generell den üblichen Katalog<br />
von in der Due Diligence geprüften Themenbereichen<br />
(z.B. durch den Verkäufer vor der Eigentumsübertragung zu<br />
erledigende Reparaturarbeiten), aber auch Aspekte, die sich<br />
nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand im Rahmen<br />
der Due Diligence überprüfen lassen (z.B. keine hängigen<br />
oder angedrohten Mietstreitigkeiten).<br />
Durch die Einräumung von Zusicherungen und Gewährleistungen<br />
lassen sich die Kosten für die Due Diligence in<br />
einem angemessenen Rahmen halten und können Risiken,<br />
welche der Käufer aufgrund seines Wissens oft gut abschätzen<br />
kann, deren Überprüfung für den Verkäufer aber unmöglich<br />
oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand möglich<br />
ist, in einer diesen Umständen gerecht werdenden Weise<br />
wirtschaftlich effizient alloziert werden.<br />
Dies kommt nicht nur dem Käufer, sondern auch dem<br />
Verkäufer zu Gute, da letzterer diejenigen Risiken, welche<br />
ihm in der Regel aufgrund seiner bisherigen Eigentümerstellung<br />
bekannt sind und welche der Käufer nicht oder<br />
nur mit unverhältnismässigem Aufwand abschätzen könnte,<br />
übernehmen und dadurch eine entsprechende Reduktion<br />
des Kaufpreises verhindern kann. Hier ist der Verkäufer der<br />
ökonomisch richtige «Risk Taker». Lehnt er die vertragliche<br />
Übernahme solcher Risiken gegenüber dem Käufer ab, wird<br />
ein rational handelnder Käufer auf einem in der Regel überschiessenden<br />
Kaufpreiseinschlag bestehen, was nicht im Interesse<br />
des Verkäufers sein kann. Umgekehrtes gilt indessen<br />
für Risiken, die der Käufer ebenso gut oder unter Umständen<br />
gar besser einschätzen kann als der Verkäufer. Der Käufer ist<br />
mithin in diesen Fällen der für beide Parteien ökonomisch<br />
bessere «Risk Taker».<br />
Hinzu kommt, dass unter Umständen Vertreter von Immobilienfonds<br />
oder ähnlichen Einrichtungen durch Anlegerschutzgesetzgebungen<br />
oder Investitionsrichtlinien dazu<br />
verpflichtet sind, nur Verträge einzugehen, welche einen gewissen<br />
Minimalstandard betreffend Gewährleistungen erfüllen.<br />
Diese wichtige Investorengruppe wird regelmässig auf<br />
vertraglichen Risikoallokationen beharren müssen, welche<br />
von der heutigen Usanz auf dem Schweizer Immobilienmarkt<br />
abweichen.<br />
IV. Schranken der Vertragsfreiheit<br />
Bei den obligationenrechtlichen Bestimmungen zur Gewährleistung<br />
bei Grundstückkaufverträgen 2 handelt es sich<br />
grundsätzlich um dispositives Recht 3 , so dass die Parteien<br />
2 Art. 219 OR und Art. 221 OR i.V.m. Art. 192 ff. OR und 197 ff.<br />
OR.<br />
3 Vgl. Pierre Tercier/Pascal G. Favre/Marie-Noëlle Zen-<br />
Ruffinen, in: Pierre Tercier/Pascal G. Favre (Hrsg.), Les
Gewährleistungen in Grundstückkaufverträgen mit professionellen Investoren<br />
eine eigene, von den gesetzlichen Normen abweichende,<br />
Regelung vorsehen können. Dementsprechend muss es ihnen<br />
im Rahmen der Vertragsfreiheit unbenommen bleiben,<br />
in Bezug auf einzelne (oder alle) Aspekte des Grundstücks<br />
bzw. der darauf errichteten Baute spezifische Gewährleistungen<br />
einzuräumen oder gegebenenfalls auch wegzubedingen<br />
oder spezifische Zusicherungen des Verkäufers über körperliche,<br />
rechtliche oder wirtschaftliche Eigenschaften des<br />
Kaufgegenstandes vorzusehen.<br />
Die Vertragsfreiheit der Parteien wird jedoch dahingehend<br />
beschränkt, dass eine vollumfängliche Wegbedingung<br />
von Gewährleistungen nicht zulässig ist, wenn der Mangel<br />
vom Verkäufer arglistig verschwiegen wurde 4 . Gemäss bundesgerichtlicher<br />
Rechtsprechung liegt ein arglistiges Verschweigen<br />
vor, wenn trotz Bestehen einer Aufklärungspflicht<br />
der Verkäufer den Käufer nicht über das Fehlen einer vorausgesetzten<br />
Eigenschaft des Kaufgegenstandes informiert 5 .<br />
Eine Aufklärungspflicht auf Grund eines Vertrauensverhältnisses<br />
zwischen den Parteien wird namentlich bei Vertragsverhandlungen<br />
bejaht. Dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />
folgend können demnach die verhandelnden<br />
Parteien nach Treu und Glauben verpflichtet sein, einander in<br />
gewissem Masse – abhängig von den Umständen des Einzelfalls<br />
– über Tatsachen zu informieren, welche den Entscheid<br />
der Gegenpartei über den Vertragsabschluss oder die Bedingungen<br />
hierfür beeinflussen können 6 .<br />
Zudem werden von der Freizeichnungsklausel nur Mängel<br />
erfasst, welche im Zeitpunkt des Nutzen- und Gefahrübergangs<br />
bereits tatsächlich vorhanden waren und die bei<br />
objektivierter Auslegung nicht völlig ausserhalb dessen lagen,<br />
womit ein Käufer vernünftigerweise rechnen musste 7 .<br />
contrats spéciaux, 4. A., Genf/Zürich/Basel 2009, § 13 N 891;<br />
Heinrich Honsell, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/<br />
Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar zum Schweizerischen<br />
Privatrecht, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A.,<br />
Basel 2007, Vor Art. 197–210 N 4; Rainer Schumacher/<br />
Erich Rüegg, in: Alfred Koller (Hrsg.), Der Grundstückkauf,<br />
2. A., Bern 2001, § 5 N 131 und 309 (allerdings mit der Anmerkung,<br />
dass die Wegbedingung der Rechtsgewährleistung dem<br />
im allgemeinen Rechtsbewusstsein verwurzelten Prinzip der<br />
Vertragstreue zuwiderläuft und in sich widersprüchlich sei).<br />
4 Art. 192 Abs. 3 und Art. 199 OR. In der Lehre ist umstritten, ob<br />
Art. 199 bzw. 192 Abs. 3 OR als lex specialis die Anwendung<br />
von Art. 100 Abs. 1 OR ausschliesst und das Bundesgericht liess<br />
diese Frage bis heute offen (vgl. hierzu u.a. Tercier/Favre/<br />
Zen-Ruffinen [FN 3], § 13 N 905; BSK-Honsell [FN 3],<br />
Art. 199 N 1; Hans Giger, in: Arthur Meier-Hayoz (Hrsg.),<br />
Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. VI,<br />
2. A., Bern 1979, Art. 199 OR N 6; Erich Rüegg, Wirksamkeit<br />
und Tragweite von Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen,<br />
in: Jusletter 4. Juli 2005, Rz. 6 f.; je m.w.H.).<br />
5 Vgl. BGE 116 II 431 E. 3a, 434; 4C.16/2005 E. 1.5.<br />
6 Vgl. BGE 106 II 346 E. 4a, 351; 116 II 431 E. 3a, 434;<br />
4C.16/2005 E. 1.5.<br />
7 Vgl. BGE 126 III 59 E. 4a, 67; 130 III 686 E. 4.3.1, 689; Schumacher/Rüegg<br />
(FN 3), § 5 N 319, m.w.H.<br />
AJP/PJA 10/2010<br />
Ferner gilt es zu beachten, dass Klauseln, welche die Gewährleistung<br />
des Verkäufers beschränken oder ausschliessen,<br />
im Zweifel einschränkend – und somit zu Gunsten des<br />
Käufers – auszulegen sind 8 . Bei floskelhaften Klauseln kann<br />
sich gar die Frage stellen, ob die Wegbedingung als gänzlich<br />
unbeachtlich zu betrachten ist oder deren Wirkung sich zumindest<br />
auf «gewöhnliche Mängel», d.h. solche, mit denen<br />
vernünftigerweise zu rechnen ist, beschränkt 9 .<br />
Bei der Wegbedingung von Gewährleistungen in Grundstückkaufverträgen<br />
sind auch die Normen des öffentlichen<br />
Rechts, insbesondere des Umweltschutz-, Abgabe-, Raumplanungs-<br />
und Baurechts, zu beachten. Wenngleich diese<br />
zwingende Bestimmungen 10 enthalten, ist es zulässig, die<br />
Gewährleistung des Verkäufers für auf öffentlichem Recht<br />
beruhende Rechts- oder Sachmängel des Kaufgegenstandes<br />
wegzubedingen 11 . Für eine rechtsgültige und gerichtlich<br />
durchsetzbare Freizeichnung ist jedoch wichtig, dass aufgrund<br />
der im vorstehenden Abschnitt beschriebenen Grundsätze<br />
die wegbedungenen Gewährleistungen ausdrücklich<br />
aufgeführt werden. Vermutlich ist jedoch bei professionellen<br />
Investoren davon auszugehen, dass sie auf Themen wie<br />
Altlasten und Abgaben sensibilisiert sind und daher eine<br />
Wegbedingung im Rahmen einer generellen Freizeichnungsklausel<br />
wohl nicht völlig ausserhalb dessen liegt, womit der<br />
Käufer hätte rechnen müssen 12 . Dennoch empfiehlt es sich,<br />
zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Vertragsredak-<br />
8 BGE 126 III 59 E. 5°, 67; 109 II 24 E. 4, 24. Wobei jedoch bei<br />
Zweifeln auch die Unklarheitenregel beizuziehen ist, d.h. derjenigen<br />
Bedeutung wird Vorrang gegeben, welche für den Verfasser<br />
der unklaren Bestimmung weniger günstig ist (vgl. Rainer<br />
Schumacher/Erich Rüegg [FN 3], § 5 N 320).<br />
9 Vgl. BGE 130 III 686 E. 4.3.1, 689; BSK-Honsell (FN 3),<br />
Art. 199 N 3; Hans Giger (FN 4), Art. 199 OR N 10; Derselbe,<br />
in: Heinz Hausheer (Hrsg.), Berner Kommentar zum<br />
schweizerischen Privatrecht, Band IV, Bern 1997, Art. 219<br />
N 16 ff.<br />
10 Z.B. betreffend unmittelbare gesetzliche Grundpfandrechte für<br />
Steuern und Abgaben, Einhaltung der Bauvorschriften oder<br />
Kostentragung bei Sanierung belasteter Standorte.<br />
11 Vgl. Andreas Binder/Meinrad Vetter, Freizeichnung von<br />
Gewährleistungsansprüchen beim Grundstückkauf unter besonderer<br />
Berücksichtigung öffentlich-rechtlicher Normen, AJP/<br />
PJA 6/2007, 687 ff. Allerdings bringt Karin Scherrer, Handlungs-<br />
und Kostentragungspflichten bei der Altlastensanierung,<br />
Diss. Bern 2005, 230, den Gedanken auf, dass im Bereich des<br />
Umweltrechts eine Wegbedingung der Gewährleistung mit<br />
Schadloshaltungsklausel zu Gunsten des Verkäufers nicht als<br />
widerrechtlich i.S.v. Art. 20 OR – und damit als nichtig – zu<br />
qualifizieren ist, da dadurch das Verursacherprinzip, ein Grundprinzip<br />
des Umweltrechts, ausgehöhlt wird. Geht man jedoch<br />
davon aus, dass es sich um geschäftsgewandte Parteien handelt,<br />
sollte die Überwälzung des Risikos entsprechend in die Preisfestlegung<br />
eingeflossen sein, so dass auch der Verkäufer indirekt<br />
(zumindest teilweise) die Kosten für eine Altlastensanierung<br />
trägt.<br />
12 Vgl. BGE 130 III 686 E. 4.3.1, 689; Scherrer (FN 11), 217;<br />
Rüegg (FN 4), Rz. 8.<br />
1271
1272<br />
tion die Wegbedingung von Gewährleistungen für Altlasten<br />
und anderen auf öffentlichrechtlichen Normen beruhenden<br />
Haftungen explizit aufzuführen.<br />
Bei einem rechtsgültigen Ausschluss der Gewährleistung<br />
des Käufers für auf öffentlichem Recht basierende Gewährleistungen<br />
stellt sich zudem die Frage, ob, wenn die Behörden<br />
Kosten aufgrund öffentlichrechtlicher Bestimmungen<br />
(wie beispielsweise Kosten für Altlastensanierungen) dem<br />
Verkäufer auferlegen, dieser beim Käufer hierfür zivilrechtlich<br />
Regress nehmen kann 13 . Nach der hier vertretenen Auffassung<br />
berechtigt die Wegbedingung der Gewährleistung<br />
des Verkäufers allein nicht zum Regress, da sie nur die Haftung<br />
des Verkäufers ausschliesst für den Fall, dass der Käufer<br />
an Stelle des Verkäufers belangt werden sollte. Sollte also<br />
im Fall der Auferlegung von Kosten auf den Verkäufer dieser<br />
einen Anspruch haben, sich dafür am Käufer schadlos zu<br />
halten, so ist dies explizit und zusätzlich zur entsprechenden<br />
Gewährleistungswegbedingung zu regeln.<br />
V. In der Praxis relevante Gewährleistungen<br />
und Zusicherungen<br />
Je bedeutender der Immobilienkauf, desto detaillierter und<br />
mehr auf den Einzelfall zugeschnitten sind in der Regel auch<br />
die Gewährleistungen und Zusicherungen. Welche Gewährleistungen<br />
und Zusicherungen im Immobilienkaufvertrag<br />
enthalten sind, bestimmen neben den besonderen Anliegen<br />
und der Verhandlungsposition der Parteien insbesondere die<br />
spezifischen Eigenschaften des Kaufobjekts, wie beispielsweise<br />
das Alter, der Zustand und die Nutzweise von Bauten,<br />
und die Ergebnisse der Due Diligence. In der Praxis sind insbesondere<br />
die nachfolgend aufgeführten Gewährleistungen<br />
wesentlich:<br />
1. Eigentum am Grundstück und<br />
beschränkte dingliche Rechte<br />
Grundsätzlich ergeben sich der Eigentümer des Grundstücks<br />
sowie der Bestand und die Inhaber beschränkter dinglicher<br />
Rechte daran aus dem Grundbuch. Soweit das eidgenössische<br />
Grundbuch, wie vom Gesetzgeber bei der Schaffung<br />
des ZGB beschlossen, eingeführt wurde, gilt das Prinzip<br />
des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs 14 . Für die bis<br />
13 Gem. dem Bundesgerichtsentscheid vom 9. Januar 1996,<br />
1A.158/1995, E. 3.b.cc., auszugsweise abgedruckt in ZBl 98<br />
(1997), 280 ff., schliesst die Auferlegung der Kosten durch eine<br />
Behörde nicht aus, dass der Belastete zivilrechtlich gegenüber<br />
einem Dritten Regress nimmt, sofern er glaubt, einen Anspruch<br />
darauf zu haben.<br />
14 Art. 973 ZGB; vgl. auch Daniela Bänziger-Compagnoni,<br />
Die Öffentlichkeit des Grundbuches – de lege lata – rechtsvergleichend<br />
– de lege ferenda, Diss. Zürich 1993, 11 ff.; Die-<br />
M a j a B a u m a n n<br />
AJP/PJA 10/2010<br />
zur Einführung des eidgenössischen Grundbuchs relevanten<br />
kantonalen Grundregister oder Grundprotokolle bzw. auf die<br />
kantonalen Übergangsregister findet das Prinzip des öffentlichen<br />
Glaubens nicht Anwendung, es sei denn, der Bundesrat<br />
genehmigte den Aufschub der Einführung des eidgenössischen<br />
Grundbuchs aufgrund genügender kantonaler Einrichtungen<br />
15 . In diesem Fall kommt den kantonalen Registern die<br />
Wirkung des eidgenössischen Grundbuchs zu 16 . In anderen<br />
Kantonen, wie beispielsweise Zürich, wurde das eidgenössische<br />
Grundbuch noch nicht flächendeckend eingeführt 17<br />
und besteht keine Genehmigung zum Aufschub durch den<br />
Bundesrat, so dass sich der Erwerber bei Grundstücken aus<br />
Gemeinden, bei denen das eidgenössische Grundbuch noch<br />
nicht eingeführt wurde, nicht auf das Prinzip des öffentlichen<br />
Glaubens verlassen kann. Insbesondere können vor<br />
dem 1. Januar 1912 18 entstandene Dienstbarkeiten oder andere<br />
beschränkte dingliche Rechte ohne Eintragung in den<br />
kantonalen Registern bestehen 19 .<br />
Daneben besteht die Gefahr, dass nach dem Datum des<br />
durch die Käuferschaft geprüften Grundbuchauszugs noch<br />
Eintragungen im Grundbuch erfolgen. Um diesem Problem<br />
beizukommen, kann einerseits bei Grundbuchämtern, die<br />
auch das Amtsnotariat beherbergen, nochmals anlässlich der<br />
Unterzeichnung des Kaufvertrages der Grundbucheintrag<br />
(und, sofern möglich, auch das Tagebuch) vor Ort geprüft<br />
werden. Andererseits sind Gewährleistungen von Seiten<br />
des Verkäufers im Kaufvertrag anzubringen, dass er alleiniger<br />
und rechtmässiger Eigentümer des Grundstücks ist und<br />
dass mit Ausnahme der zum Zeitpunkt des geprüften Grundbuchauszugs<br />
bestehenden Grundpfandrechte, Grundlasten<br />
und Dienstbarkeiten keine weiteren beschränkten dinglichen<br />
Rechte am Grundstück bestehen.<br />
Da zudem Bauhandwerkerpfandrechte bis zu drei Monate<br />
nach Fertigstellung der Arbeiten im Grundbuch eingetragen<br />
werden können 20 , ist eine Regelung betreffend Bauhandwerkerpfandrechte,<br />
die erst nach der Eigentumsübertragung<br />
eingetragen wurden, aber auf durch den Verkäufer (bzw.<br />
ter Zobl, Grundbuchrecht, 2. A., Zürich/Basel/Genf 2004,<br />
N 123 ff.; Pascal Simonius/Thomas Sutter, Schweizerisches<br />
Immobiliarsachenrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1995, § 8<br />
N 60 ff.; je m.w.H.<br />
15 Art. 46 Abs. 1 SchlT ZGB.<br />
16 Art. 46 Abs. 1 SchlT ZGB; dies ist in den Kantonen Basel-<br />
Stadt, Genf, Neuenburg und Schwyz der Fall (vgl. Simonius/<br />
Sutter [FN 14], §6 N 28).<br />
17 Vgl. zum Stand der Einführung des eidgenössischen Grundbuchs<br />
im Kanton Zürich: (zuletzt besucht am 23. Juli 2010).<br />
18 Vgl. Art. 61 SchlT ZGB.<br />
19 Ab Inkrafttreten des ZGB konnten solche Rechte nur noch gemäss<br />
den sachenrechtlichen Bestimmungen des ZGB und somit<br />
nicht mehr ohne Eintragung in den entsprechenden kantonalen<br />
Einrichtungen entstehen.<br />
20 Art. 839 Abs. 2 ZGB.
Gewährleistungen in Grundstückkaufverträgen mit professionellen Investoren<br />
Mieter oder Pächter) zuvor in Auftrag gegebenen Arbeiten<br />
beruhen, im Kaufvertrag vorzusehen.<br />
2. Gewährleistung für Altlasten<br />
Die Sanierung eines mit Altlasten belasteten Grundstücks<br />
bedeutet einen erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten.<br />
Neben einer sorgfältigen Due Diligence betreffend mögliche<br />
Belastungen anhand von Auszügen aus dem Kataster der belasteten<br />
Standorte bzw. dem Altlastenverdachtsflächenkataster<br />
und Berichten zu umwelttechnischen Untersuchungen ist<br />
es daher besonders wichtig, diesen Punkt auch bei den Gewährleistungen<br />
eindeutig zu regeln.<br />
Einerseits kann festgehalten werden, welche Belastungen<br />
dem Käufer bekannt sind, was im Hinblick auf Art. 200<br />
Abs. 1 OR Klarheit schafft 21 . Andererseits kann die Kostentragung,<br />
insbesondere wenn bekannt ist, dass eine Altlastensanierung<br />
in absehbarer Zukunft notwendig sein wird,<br />
zwischen den Parteien geregelt werden. Dadurch werden<br />
die anfallenden finanziellen Belastungen für beide Parteien<br />
klar und können bei der Kaufpreisverhandlung entsprechend<br />
einfliessen. Welche Regelung hier sinnvoller ist, hängt von<br />
den Umständen des Einzelfalls ab. Hat der Verkäufer beispielsweise<br />
die Vorbereitungsarbeiten für die Sanierung getätigt,<br />
macht es in der Regel mehr Sinn, wenn er auch die<br />
Sanierung durchführt und entsprechende Gewährleistungen<br />
gegenüber dem Käufer abgibt.<br />
3. Mängel und Instandstellungsarbeiten<br />
Bei der Due Diligence grösserer Immobilien werden in der<br />
Regel verschiedene, grössere und kleinere, Mängel entdeckt.<br />
Durch eine entsprechende Auflistung als Anhang zum Vertrag<br />
kann festgehalten werden, welche Mängel dem Käufer<br />
beim Erwerb bekannt waren. Institutionelle Investoren als<br />
Käufer werden zudem wünschen, dass der Verkäufer eine<br />
Zusicherung abgibt, dass keine weiteren offenen oder versteckten<br />
Mängel als die aufgelisteten bestehen. Diese Zusicherung<br />
kann dahingehend modifiziert werden, dass der Verkäufer<br />
nur zusichert, keine Kenntnis von weiteren Mängeln<br />
zu haben, und/oder dass neben den aufgelisteten auch alle<br />
aus den Due Diligence Unterlagen hervorgehenden Mängel<br />
als dem Käufer bekannt gelten.<br />
In Bezug auf die aufgeführten Mängel können die Parteien<br />
zudem regeln, ob diese durch den Verkäufer auf eigene<br />
Kosten vor oder innerhalb einer bestimmten Zeit nach der<br />
Eigentumsübertragung zu beheben sind (was dieser entsprechend<br />
zusichert) oder ob der Käufer das Grundstück mit den<br />
21 Vgl. hierzu auch den Hinweis auf die Pflicht zur Prüfung der<br />
kantonalen Altlasten-Kataster durch den Käufer in: Jörg<br />
Schmid, Gewährleistung beim Grundstückkauf – Ausgewählte<br />
Fragen unter Berücksichtigung von Altlasten, in: ZBGR 81<br />
(2000), 371.<br />
AJP/PJA 10/2010<br />
entsprechenden Mängeln übernimmt (was sich in der Regel<br />
entsprechend auf den Kaufpreis auswirken wird). Insbesondere<br />
wenn in Bezug auf einen Mangel noch Rechte gegenüber<br />
Dritten, namentlich Bauhandwerkern, bestehen, empfiehlt<br />
es sich in der Regel aufgrund der hier nicht weiter vertieften<br />
Problematik der Abtretung von Mängelrechten 22 , dass der<br />
Verkäufer sich gegenüber dem Käufer verpflichtet, die Mängelbehebung<br />
vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen.<br />
4. Mietverträge<br />
Unabhängig von der von professionellen Investoren antizipierten<br />
Haltedauer einer Immobilie stellen die aus der Immobilie<br />
erwirtschafteten Mieterträge in der Regel den wirtschaftlichen<br />
Kern des Investments dar. Dementsprechend<br />
hohe Bedeutung kommt den Mieteinnahmen beim Kaufentscheid<br />
zu. Die Gewährleistung betreffend Mietverträge enthält<br />
in der Regel als Hauptelement eine Zusicherung, dass<br />
die in einer an den Kaufvertrag anzuhängenden Liste aufgeführten<br />
Mietverträge zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung<br />
existieren, ungekündigt sind und in der Liste korrekt<br />
und vollständig wiedergegeben werden bzw. dass keine weiteren<br />
Mietverträge existieren. Je nach Verhandlungsposition<br />
und Interessenlage der Parteien werden auch Gewährleistungen<br />
betreffend die aktuellen Mietzinsen, die Bonität und<br />
Zahlungsmoral der Mieter, die Nebenkostenabrechnungen<br />
und/oder die Mietsicherheiten aufgenommen. Ebenso sind<br />
die im Rahmen der rechtlichen Due Diligence erlangten Erkenntnisse<br />
des Käufers gegebenenfalls entsprechend zu adressieren.<br />
Mietrechtsstreitigkeiten werden entweder in dieser<br />
Gewährleistungsbestimmung oder in derjenigen zu den<br />
Rechtsstreitigkeiten erfasst.<br />
5. Konformität der Baute mit den<br />
anwendbaren Vorschriften und<br />
Bewilligungen<br />
Bei komplexen Bauten können die relevanten gesetzlichen<br />
Bestimmungen und Bewilligungsvorschriften und -auflagen<br />
mehrere Bundesordner füllen. Deren Überprüfung durch den<br />
Käufer bedeutet einen immensen Aufwand. Hat hingegen<br />
der Verkäufer den Bauprozess begleitet, so hat er sich mit<br />
diesen Vorschriften bereits detailliert auseinandergesetzt und<br />
sollte zudem allfällige behördliche Beanstandungen kennen.<br />
Dementsprechend kann es im Hinblick auf die eingangs besprochene<br />
Risikoallokation Sinn machen, dass der Verkäufer<br />
zusichert, dass die auf dem Kaufgrundstück errichteten<br />
Bauten (zumindest nach seiner Kenntnis) den anwendbaren<br />
öffentlich- und privatrechtlichen Vorschriften, inklusive den<br />
22 Vgl. hierzu, statt vieler, Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. A.,<br />
Zürich 1996, N 2437 ff.; Roger Brändli, Die Nachbesserung<br />
im Werkvertrag, Diss. Zürich 2007, N 1110 ff.<br />
1273
1274<br />
Bestimmungen und Auflagen der Baubewilligung, entsprechen.<br />
Sofern bereits administrative Verfahren in dieser Hinsicht<br />
hängig sind, ist dies ebenfalls in dieser Bestimmung<br />
oder in der Gewährleistungsbestimmung zu Rechtsstreitigkeiten<br />
und administrativen Verfahren zu erfassen.<br />
6. Nutzung des Kaufobjekts und<br />
Landreserven<br />
Die Gewährleistung des Verkäufers betreffend Nutzung des<br />
Kaufobjekts und Landreserven ist im Hinblick auf die Lex<br />
Koller 23 für ausländische Investoren von Relevanz. Neben<br />
der aktuellen Nutzung der Immobilie als Betriebsstättegrundstück<br />
im Sinne der Lex Koller 24 ist auch wichtig, dass<br />
das Grundstück keine im Sinne der Lex Koller relevanten<br />
Landreserven aufweist 25 . Aufgrund der drastischen Konsequenzen<br />
bei Verletzung der Bewilligungspflicht unter der<br />
Lex Koller 26 , ist auf diesen Punkt auch schon im Rahmen der<br />
Legal Due Diligence besonderes Augenmerk zu richten.<br />
7. Rechtsstreitigkeiten und<br />
administrative Verfahren<br />
Neben den vorne bereits erwähnten Rechtsstreitigkeiten mit<br />
Mietern bzw. hängigen Verfahren bei Baubehörden werden<br />
im Rahmen dieser Gewährleistung in der Regel auch Zusicherungen<br />
betreffend Streitigkeiten mit Bauhandwerkern,<br />
nachbarrechtliche Verfahren und andere mit dem Kaufobjekt<br />
zusammenhängende Rechtsstreitigkeiten und Verfahren abgegeben.<br />
Der Umfang (z.B. auch bloss angedrohte Streitigkeiten)<br />
und allfällige Qualifizierungen der Gewährleistung<br />
(d.h. Beschränkung auf die dem Verkäufer bekannten Verfahren)<br />
werden auch hier aufgrund der Verhandlungen zwischen<br />
den Parteien bestimmt.<br />
8. Steuern und Gebühren<br />
Neben der Regelung der Zuteilung der aufgrund des konkreten<br />
Rechtsgeschäftes anfallenden Steuern und Gebühren zu<br />
Lasten einer oder beider Parteien und der Festlegung des Verfahrens<br />
betreffend Mehrwertsteuer können auch Gewährleistungen<br />
zu Steuern und Gebühren in Grundstückkaufverträgen<br />
relevant sein. Hierbei wird von der Käuferschaft<br />
23 Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen<br />
im Ausland (BewG).<br />
24 Siehe Art. 2 Abs. 2 lit. a BewG; Merkblatt des Bundesamtes für<br />
Justiz vom 1. Juli 2009 betreffend den Erwerb von Grundstücken<br />
durch Personen im Ausland, 5.<br />
25 Siehe Art. 18a Abs. 1 lit. c Verordnung über den Erwerb von<br />
Grundstücken durch Personen im Ausland (BewV); Merkblatt<br />
des Bundesamtes für Justiz vom 1. Juli 2009 betreffend den Erwerb<br />
von Grundstücken durch Personen im Ausland, 5.<br />
26 Siehe Art. 25 ff. BewG.<br />
M a j a B a u m a n n<br />
AJP/PJA 10/2010<br />
in der Regel eine Zusicherung des Verkäufers verlangt, dass<br />
alle mit dem Kaufgrundstück zusammenhängenden (fälligen)<br />
Steuern und Gebühren vollumfänglich bezahlt sind. Beweggrund<br />
hierfür ist vor allem, dass in zahlreichen Kantonen<br />
gesetzliche Grundpfandrechte zur Sicherung der mit Grundstücken<br />
zusammenhängenden Steuern und/oder Gebühren<br />
bestehen. Im Grundstückkaufvertrag kann dies eventuell<br />
auch bei der Gewährleistung betreffend Unbelastetheit des<br />
Grundstücks adressiert werden, doch kann auch eine spezifische,<br />
umfassendere Gewährleistung zu Steuern und Gebühren<br />
sinnvoll sein.<br />
9. Vollständigkeit und Korrektheit der<br />
Due Diligence Unterlagen<br />
Wie bei der vorhergehend beschriebenen Bestimmung handelt<br />
es sich bei der Gewährleistung zur Vollständigkeit und<br />
Korrektheit der Due Diligence Unterlagen um eine Standardklausel<br />
im Bereich der Unternehmensakquisitionen. Da auch<br />
bei Immobilienkäufen verschiedene Dokumente dem Käufer<br />
zur vorgängigen Prüfung vorgelegt und eine (mehr oder weniger<br />
umfangreiche) Due Diligence durchgeführt wird, auf<br />
welcher der Kaufentscheid beruht, ist diese Bestimmung<br />
auch bei Grundstückkaufverträgen von Relevanz.<br />
VI. Wegbedingung weiterer<br />
Gewähr leistungen<br />
Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, ist neben der Auflistung<br />
konkreter Gewährleistungen eine Regelung betreffend<br />
weitere Mängel der Kaufsache, welche sich nicht unter<br />
eine der konkreten Gewährleistungen subsumieren lassen,<br />
zu treffen. Vielfach werden alle weiteren Gewährleistungen<br />
wegbedungen. Denkbar wäre auch ein Verweis auf dispositives<br />
Recht betreffend dieser weiteren Gewährleistungen, abhängig<br />
von der Verhandlungsstärke der Parteien.<br />
VII. Vertragliche Bestimmungen zu<br />
Rügefrist und Verjährung<br />
Das Schweizer Obligationenrecht sieht bei Gewährleistungen<br />
für «Mängel eines Gebäudes» eine Verjährungsfrist von<br />
fünf Jahren ab Erwerb des Eigentums, d.h. ab Eintragung des<br />
neuen Eigentümers im Grundbuch, vor 27 . Diese Frist gilt jedoch<br />
nicht nur für Mängel des Gebäudes, sondern für alle<br />
Rechts- und Sachmängel des Grundstücks und für sämtliche<br />
Zusicherungen betreffend das Grundstück, unabhängig da-<br />
27 Siehe Art. 219 Abs. 3 OR; vgl. BSK-Honsell (FN 3), Art. 219<br />
N 10.
Gewährleistungen in Grundstückkaufverträgen mit professionellen Investoren<br />
von, ob das Grundstück bebaut ist oder nicht 28 . Das Grundstück<br />
und das darauf stehende Gebäude sind gemäss gesetzlicher<br />
Regelung «sobald nach dem üblichen Geschäftsgang<br />
tunlich» zu prüfen und die entsprechende Mängelrüge ist danach<br />
unverzüglich bzw. bei verdeckten Mängeln sofort nach<br />
deren Entdeckung beim Verkäufer anzubringen 29 .<br />
Obschon Art. 219 Abs. 3 OR nicht ausdrücklich auf die<br />
Möglichkeit anderslautender vertraglicher Regelung hinweist,<br />
kann gemäss herrschender Lehre und Praxis die fünfjährige<br />
Verjährungsfrist durch die Parteien sowohl verlängert<br />
als auch verkürzt werden, wobei jedoch eine Verlängerung<br />
nur bis zu maximal zehn Jahren zulässig sein soll 30 . Gerade<br />
im Bereich der Altlasten erscheint jedoch eine solche<br />
Höchstgrenze für vertragliche Verlängerungen von Verjährungsfristen<br />
als nicht passend. Diese starre Grenze wird denn<br />
auch in der Literatur zu Recht kritisiert 31 .<br />
Auch Art. 201 OR ist dispositiver Natur, so dass die Parteien<br />
die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten modifizieren,<br />
verschärfen, mildern oder gar gänzlich wegbedingen<br />
können 32 . So ist es namentlich möglich, klare Fristen für die<br />
Prüfung des Grundstücks und der Baute und die Erhebung<br />
einer Rüge nach Entdeckung eines Mangels festzusetzen, die<br />
Kontrolle des Kaufobjekts einem Dritten zu überlassen oder<br />
die Konsequenzen einer verspäteten Rüge abweichend vom<br />
Gesetzeswortlaut zu regeln. Durch längere Fristen kann beispielsweise<br />
erreicht werden, dass mehrere Rügen gemeinsam<br />
erhoben und abgearbeitet werden können, was für beide<br />
Parteien in der Regel einen Effizienzgewinn bedeutet. Die<br />
konkrete vertragliche Ausgestaltung der Untersuchungs- und<br />
Rügeobliegenheiten hängt von der konkreten Liegenschaft<br />
sowie von den Bedürfnissen und der Verhandlungsmacht der<br />
Parteien ab.<br />
VIII. Fazit<br />
In Anbetracht des Wertes und der Bedeutung von Immobilien<br />
in der Schweiz ist es beachtlich, wie wenig sich die<br />
Vertragsredaktion in diesem Bereich in den letzten fünfzehn<br />
28 Vgl. BGE 104 II 265 E. 3, 270 (= Pra. 68 [1979] Nr. 45 E. 3,<br />
125); Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht,<br />
Besonderer Teil, 8. A., Bern 2006, 174; BSK-Honsell (FN 3),<br />
Art. 219 N 10; Tercier/Favre/Zen-Ruffinen (FN 3), § 16<br />
N 1098; a.M.: Giger (FN 9), Art. 219 N 69 und N 79 ff.; und<br />
Schumacher/Rüegg (FN 2), § 5 N 130 und 309 (betreffend<br />
Rechtsgewährleistung).<br />
29 Siehe Art. 221 i.V.m. Art. 201 OR.<br />
30 Vgl. BGE 99 II 185 E. 2a, 189; Giger (FN 9), Art. 219 N 95;<br />
Schumacher/Rüegg (FN 2), § 5 N 301; BSK-Honsell<br />
(FN 3), Art. 210 N 5; Schmid (FN 21), 383.<br />
31 Vgl. Schumacher/Rüegg (FN 2), § 5 N 301; Schmid (FN 21),<br />
383.<br />
32 Vgl. BSK-Honsell (FN 3), Art. 201 N 13; Giger (FN 9),<br />
Art. 201 N 56 ff.<br />
AJP/PJA 10/2010<br />
Jahren weiterentwickelt hat. Gerade bei grösseren, komplexen<br />
Grundstücken rechtfertigt sich der Aufwand für die<br />
Ausarbeitung und Verhandlung von auf den Einzelfall abgestimmten<br />
Gewährleistungen und Zusicherungen, da diese zu<br />
einer im Vergleich zu einer reinen Wegbedingung oder einer<br />
Haftung nach den Regeln des Gesetzes sachgerechteren<br />
Risikoallokation führt, was beiden Parteien zugute kommt.<br />
Anhand der konkreten Umstände bestimmt sich, welche Gewährleistungen<br />
in welcher Ausgestaltung bzw. mit welchen<br />
Qualifizierungen abgegeben werden. Die vorne aufgeführten<br />
Gewährleistungen sollen beispielhaft Möglichkeiten dieser<br />
auf den Einzelfall abgestimmten Regelungen aufzeigen.<br />
Eine Weiterentwicklung und Professionalisierung hinsichtlich<br />
Gewährleistungen, aber auch bei anderen Aspekten der<br />
Grundstückvertragsredaktion, in der Schweiz ist wünschbar<br />
und soll mit diesem Beitrag angeregt werden.<br />
Bien que l’immobilier représente probablement le premier<br />
poste de richesse de la Suisse, les contrats usuels de vente immobilière<br />
en Suisse affichent une simplicité étonnante. Ce qui<br />
peut éventuellement convenir à la vente d’une maison individuelle<br />
de moindre importance n’est pas adapté à la vente de<br />
biens immobiliers plus grands et complexes entre parties qui<br />
agissent souvent à titre professionnel. Dans ce contexte, une<br />
professionnalisation ainsi que des dispositions plus détaillées<br />
et adaptées au cas concret sont donc une démarche importante,<br />
attendue depuis longtemps. Ainsi par exemple, des garanties<br />
qui tiennent compte du cas d’espèce permettent de<br />
répartir les risques de manière appropriée et efficace, ce qui<br />
est dans l’intérêt des deux parties. Le présent article présente à<br />
l’aide d’exemples concrets les possibilités offertes par ces dispositions<br />
de garantie adaptées au cas particulier.<br />
(trad. LT LAWTANK, Berne)<br />
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