07.11.2013 Aufrufe

Johann Nepomuk Nestroy Der Talisman

Johann Nepomuk Nestroy Der Talisman

Johann Nepomuk Nestroy Der Talisman

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Titus (im Schlafe sprechend) O - zartes - Ha-Handerl -! (Man hört von außen das Geräusch eines in<br />

das Tor einfahrenden Wagens, gleich darauf wird stark geläutet, Titus fährt aus dem Schlaf empor.)<br />

Was war das? Mir scheint gar -? (Läuft zur Mitteltür.) Ein Bedienter stürzt sich hinaus - die Gnädige<br />

kommt nach Haus - jetzt werd' ich vorgestellt. (Richtet an seinem Anzug.) Mein Anzug is ganz<br />

derangiert - 's Krawattel verschloffen - wo is denn g'schwind ein Spiegel?! (Läuft zu einem an der<br />

Kulisse links hängenden Spiegel, sieht hinein und prallt zurück.) Himmel und Erden, d' Perücken is<br />

weg! - Sie wird mir im Schlaf hinunterg'fall'n - (läuft zum Lehnstuhl und sucht) nein, weg, verloren,<br />

geraubt! Wer hat diese Bosheit? - Da ist Eifersucht im Spiel! Othellischer Friseur! Pomadiges<br />

Ungeheuer! Das hast du getan! Du hast den gräßlichen Perückenraub begangen! Jetzt, in dem<br />

entscheidendsten, hoffnungsvollsten Moment stehe ich da als Windlicht an der Totenbahr' meiner<br />

jungen Karriere! Halt - er is da drin und frisiert die Tour der Gnädigen - der kommt mir nicht aus! Du<br />

gibst mir meine Perücken wieder, oder zittere, Kampelritter, ich beutl' dir die Haarpuderseel' bis aufs<br />

letzte Stäuberl aus 'm Leib! (Stürzt wütend in die Seitentür ab.)<br />

Fünfzehnte Szene<br />

Frau von Cypressenburg und Emma (treten zur Mitte ein)<br />

Frau von Cypressenburg Ich muß sagen, ich finde das sehr eigenmächtig, beinahe keck von der<br />

Constanze, daß sie sich untersteht, in meiner Abwesenheit Domestiken aufzunehmen, ohne durch<br />

meinen Befehl hierzu autorisiert zu sein.<br />

Emma Seien Sie nicht böse darüber, liebe Mutter, sie hat ja einen Jäger aufgenommen, und das war<br />

schon lang mein Wunsch, daß wir einen Jäger haben. Nimmt sich ja viel hübscher aus als unsere zwei<br />

schiefbeinigen Bedienten in der altfränkischen Livree.<br />

Frau von Cypressenburg Wozu brauchen Damen einen Jäger?<br />

Emma Und es soll ein recht martialischer Schwarzkopf sein, sagt die Constanze, der Schnurrbart<br />

zwar fehlt ihm, den muß ihm die Mama wachsen lassen, und auch einen Backenbart, ebenfalls ganz<br />

schwarz, daß aus dem ganzen Gesicht nichts heraussieht als zwei glühende schwarze Augen! So was<br />

steht prächtig hinten auf dem Wagen.<br />

Frau von Cypressenburg (ohne Emmas voriger Rede besondere Aufmerksamkeit geschenkt zu<br />

haben) Schweig! Ich werde den Menschen wieder fortschicken, und damit Punktum! Wo ist er denn?<br />

Titus, hat sie gesagt, heißt er? - He! Titus!<br />

Sechzehnte Szene<br />

Titus; die Vorigen<br />

Titus (kommt in blonder Perücke aus der Seitentür rechts) Hier bin ich und beuge mich im Staube vor<br />

der hohen Gebieterin, der ich in Zukunft dienen soll.<br />

Emma (erstaunt beiseite) Was ist denn das? Das ist ja kein Schwarzkopf?<br />

Frau von Cypressenburg (für sich, aber laut) Recht ein artiger Blondin!<br />

Titus (hat das letzte Wort gehört, für sich) Was? Die sagt Blondin?<br />

Frau von Cypressenburg (zu Titus) Meine Kammerfrau hat Ihm die Stelle eines Jägers gegeben,<br />

und ich bin nicht abgeneigt - (zu Emma sich wendend) Emma -! (Spricht im stillen mit Emma fort.)<br />

Titus (für sich) Blondin hat s' g'sagt? - Ich hab' ja doch - (sieht sich verlegen um, so daß sein Blick in<br />

einen an der Kulisse rechts hängenden Spiegel fällt, äußerst erstaunt) meiner Seel', ich bin blond! Ich

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!